6|2012 – November/Dezember • € 12,50
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Ein Magazin von
MIT POSTER IM HEFT Abfahrtstafel Leipzig Hbf Sommerfahrplan 1987
Die letzten Jahre der DR Zwischen Ostsee und Erzgebirge 1983–1993
Normalspur-Dampf: Abschied und Plandampf-Rückkehr
Umbruch 1990/91: Lückenschlüsse und neue Reisezüge
Bahnbetrieb: DR zwischen Nostalgie und Moderne
n i z a g a M e n i e l k s n Da h a B e ß o r g e i d r e üb
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Inhalt Liebe Leserinnen, liebe Leser, wer im Sommer 1992 die Fernzüge für die Strecke Berlin – Dresden – Prag betrachtete, stieß bald auf einen vertrauten Namen: „Vindobona“. Die lateinische Bezeichnung für Wien zierte seit den späten 50er-Jahren einen Paradezug der Reichsbahn. Der „Vindobona“ war der Tages-Expresszug Berlin – Prag – Wien, schnell und stets mit vorzüglichem Rollmaterial ausgestattet. Jetzt, nach der Wende und im wiedervereinigten Deutschland, bestand der Zug fort. Unter altem Namen und, wenn man so will, mit neuem Renommee. Der „Vindobona“ fuhr im Sommer 1992 als InterCity, die beste Reisezuggattung, die es nun auf Reichsbahn-Gebiet gab. Kontinuität traf Neuorientierung – das galt für den „Vindobona“ wie bei vielem anderen der DR in den frühen 90er-Jahren. Das Miteinander von Alt und Neu zieht sich auch wie ein roter Faden durch dieses Heft, das den letzten Jahren der Reichsbahn gewidmet ist. Erleben Sie mit uns noch einmal die Zeit, als sich die DR im Umbruch befand. Mit aller Spannung, Ernüchterung und Überraschung, die es dabei gab.
Ein Personenzug Zwickau – Dresden in Niederbobritzsch, April 1992
Schwerpunkt Umbruch 1990/91 An der Zeitenwende
Ihre Redaktion BAHN EXTRA PS: In diesem Heft haben wir für Sie auch eine Beilage: einen Nachdruck des Abfahrtsplans von Leipzig Hbf im Sommer 1987. Begeben Sie sich auf Entdeckungsreise mit dem seinerzeitigen Zugangebot; viel Spaß dabei!
Fahrzeuge und Betrieb Nach drüben und zurück
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Züge nach dem Mauerfall
Altes und Neues bei der DR
DR-Netz nach der Wende
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Abschied auf Zeit
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Die Schmalspurbahn Wolkenstein – Jöhstadt
Die Streckenkarte 1990
Phönix aus der Asche
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Mehr Strecken unter Draht
Berlin wird wieder eine Eisenbahn-Metropole
Der elektrische Betrieb bei der DR
Ende der Eisenbahn-Kader
Die große Gala
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Bach, Liebermann und Gefährten
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Der „Forellen-Express“
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Wege in die Moderne
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Neue Fahrzeuge für die DR
Das erste gemeinsame Kursbuch
Zurück zum Anfang
Inselbahn mit Zukunft
Der Einsatz der letzten LOWA-Reisezugwagen
Lückenschlüsse und Ausbaustrecken
Alles in einem
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Die Eisenbahn auf Usedom
Neue Reisezüge in das Reichsbahn-Netz
Mehr Vernetzung
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Die Eisenbahn-Jubiläumsfeier in Riesa
Die Änderungen beim DR-Personal
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Von Karl-Marx-Stadt zu Chemnitz
Auf dem absteigenden Ast
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Der Reichsbahn-Güterverkehr
Bilderbogen Feuer – Wasser – Kohle
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Dampfloks bei der DR
Gäste aus dem Westen Viel Vergnügen!
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H. Focken, Slg. H. Keller (l.)
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DB-Elloks bei der DR
Reichsbahn-Raritäten
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Besonderheiten bei der DR
Seefracht Erinnerungen In den letzten Zügen ...
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Ein Transport mit der Wolgaster Fähre
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Unterwegs mit der DR der Schlussjahre
Ausflug in die Altmark
Im Reichsbahnland
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Bahn-Alltag 1983-1993
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Zu Besuch im Raum Salzwedel
Vorschau, Impressum
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Autoren in diesem Heft Titel: Großes Bild: Bernd Oliver Sydow (DR-Diesellok 202 291 mit einem Nahverkehrszug im Bahnhof Kleinschmalkalden in Thüringen, das bis 1990 Pappenheim hieß); Bilder unten: Bernd Oliver Sydow, Thomas Bär/Historische Slg. der DB AG, Dieter Lindenblatt (v.l.), kleine Abbildung o.r.: Abfahrtsplan Leipzig Hbf, Sommer 1987 (Beilage in diesem Heft), Slg. Rudolf Herrmann, Info: Wolfgang Müller; Rücktitel: Gr. B.: Thomas Wunschel; kl. B. u., v.l.: G. Wagner, L. Rotthowe
BAHN EXTRA 6/2012
Erich Preuß, geboren 1940, war unter anderem Facharbeiter bei der DR und hat Jura und Verkehrstechnik studiert. Er zählt zu den DR-Experten und ist auch Mitherausgeber des Sammelwerks „Das war die DR“.
Rainer Heinrich, geboren 1953, hat bei der DR den Beruf des Wagenmeisters erlernt und ist heute Lokführer bei der DB AG. Er hat diverse Beiträge zum Thema Eisenbahn veröffentlicht, insbesondere zum Bahnbetrieb in Sachsen.
Michael Reimer, geboren 1963, war ab 1979 für die DR tätig und arbeitet heute bei DB Netz. Auch privat beschäftigt er sich mit der Eisenbahn; er ist als Dampflokführer aktiv und als Autor, etwa zum Betriebsmaschinendienst.
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Fahrzeuge und Betrieb
Im August 1990 sind die Kontrollanlagen im Grenzbahnhof Marienborn nur noch Staffage. Ungehindert kann Diesellok 119 122 mit E 2043 passieren Dieter Lindenblatt, Ralph Lüderitz (u.)
Hof an der Saale liegt nahe an der Grenze und ist eines der Ziele für die DDR-Bürger auf Westbesuch. Zeitweise kommen täglich mehr als 30.000 Menschen mit der Bahn hierher Markus Lohneisen
Züge nach dem Mauerfall
Nach drüben und zurück Unmittelbar nach der Öffnung der DDR-Grenze am 9. November 1989 schwappte eine riesige Reisewelle nach Westen. Fast aus dem Nichts mussten Reichsbahn und Bundesbahn das plötzliche Verkehrsaufkommen bewältigen; es gelang mit viel Engagement und Improvisation ie Eisenbahner an der Strecke Bad Schandau – Dresden – Reichenbach – Hof gehörten zu den Ersten, welche die historischen Veränderungen im Arbeitsleben spürten. Auf dieser Verbindung stand Ende September/Anfang Oktober 1989 eine brisante Leistung an: die Sonderzüge mit DDR-Flüchtlingen aus der bundesdeutschen Botschaft in Prag nach Westen zu bringen – dort und in Warschau hatten sich Tausende Menschen seit Wochen aufgehalten und um Asyl gebeten. Brisant war die Aufgabe, weil sich die Proteste gegen die SED-Regierung überall im Land häuften. Außerdem eröffnete die Fahrt über DDR-Gebiet die verlocken-
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Auf dem kleinen Dienstweg haben Reichsbahner und Bundesbahner den Übergang Ellrich – Walkenried am 12. November 1989 für Personenzüge geöffnet; ab 17. November fahren diese hier planmäßig
de Chance, aufzuspringen und mit nach Westen in die Freiheit zu gelangen.
Abbild der späten SED-Diktatur Das, was sich um die Flüchtlingszüge abspielte, war ein Abbild der Verhältnisse in der späten SED-Diktatur. Waghalsig versuchten DDR-Bürger, in die Züge zu kommen. Andererseits wurden Transportpolizei, Nationale Volksarmee, Bereitschaftspolizei und Kampfgruppen an der Strecke aufgeboten, um nur ja die ungehinderte Durchfahrt zu garantieren. In den Wagen selbst befanden sich Mitarbeiter der Staatssicherheit und erstatteten hinterher Bericht.
Der Versuch, mit den Flüchtlingen die Kritik am System los zu werden, schlug indes fehl. Die Demonstrationen und der Widerstand im Land gingen weiter, bis die DDR am 9. November 1989 die bislang so feindselig abgeriegelte Grenze öffnete. Über Nacht war die Reise in den Westen jedem DDR-Bürger möglich, nicht mehr nur im hohen Alter oder bei wenigen Ausnahmen. Von „Republikflucht“ sprach niemand mehr, Mauer und Stacheldraht hatten ihre Funktion verloren. Auch der Schießbefehl war außer Kraft. So begann, was sich kurz zuvor niemand hatte vorstellen können: eine gigantische Reisewelle von der DDR „nach drüben“ in die Bundesrepublik.
Züge nach dem Mauerfall
DER SONDERFALL EIN BUNDESBAHNZUG MIT MUSEUMSLOK ALS ZUBRINGER
A
m 25. November 1989 ist der „Interzonenzug“ D 402 Nürnberg – Leipzig bereits überbelegt und nicht mehr in der Lage, 250 in Ludwigsstadt auf Rückreise in die DDR wartende Fahrgäste auf-
zunehmen. Kurzfristig springt der nachfolgende Zug N 6716 ein, der an dem Tag mit der Museumslok E 44 119 bespannt ist. Anstatt in Ludwigsstadt zu enden, fährt er als D 12402 „zur Übergabe von
Reisenden an die Nachbarbahn“ nach Probstzella und kehrt als Leerreisezug zurück. In Probstzella ist vorher aber noch Zeit für ein Foto von Bundesbahnern und Reichsbahnern. Christian Gloel
Für viele Eisenbahner in Ost und in den grenznahen Gebieten des Westens begann damit einer der spannendsten – und anstrengendsten – Abschnitte ihrer Dienstjahre. Unvorstellbare Mengen von Reisenden wollten vom Reichsbahn- ins Bundesbahn-Gebiet (und meist auch wieder zurück). Dazu brauchte es zahlreiche weitere Züge: In der ersten Woche fuhren zusätzlich 70 Fernreisezüge und 350 Reisezüge im grenznahen Bereich. Eilig holten DB wie DR Fahrzeuge von überall her, die Reichsbahn stellte den Güterverkehr wegen des hohen Aufkommens vorübergehend zurück. Mit viel Improvisation und Engagement meisterten Reichsbahner wie Bundesbahner die Situation.
Die Freude, in den lange Jahre unerreichbaren Westen reisen zu dürfen, wog alles auf. Vom 17. November 1989 an wurden regelmäßige Zusatzzüge eingelegt: 22 fuhren im innerdeutschen, nochmals 20 im grenznahen Verkehr. Der Übergang Ellrich – Walkenried, bisher im Güterverkehr genutzt, stand jetzt
nahmen setzten sie mit dem Sommerfahrplan 1990 um. Die große Ost-West-Reisewelle unterdessen flaute Anfang 1990 langsam ab. Der spektakulär-turbulente Bahnbetrieb nach der Grenzöffnung erreichte wieder so etwas wie Normalität, freilich unter ganz anderen Vo-
Lange Züge, überfüllte Wagen Der Fahrzeugbedarf war so groß, dass die DR Wagen im Ausland anmietete, etwa in Österreich oder Ungarn. Und obwohl 17 Wagen und mehr hinter den Loks hingen, waren die Züge stets überfüllt. Kein Wunder: Am 17. November fuhren nur über Gutenfürst 14 Züge mit 31.000 (!) Reisenden nach Hof an der Saale. Die Enge in den Wagen konnte die Stimmung der Reisenden nicht trüben. BAHN EXTRA 6/2012
Drängende Enge in den Zügen – doch die Freude, in den Westen reisen zu dürfen, wog alles auf planmäßig für Reisezüge offen. Die Berliner S-Bahn fuhr auf den Ost-West-Strecken rund um die Uhr, etliche zusätzliche Züge aus dem DDR-Gebiet steuerten Berlin an. Dazu kamen weitere kurzfristig eingelegte oder improvisierte Zugfahrten. Für den Zeitraum vom 21. Dezember 1989 bis zum 2. Januar wurde das Angebot abermals aufgestockt. Der Entlastungsverkehr umfasste 200 Züge im DDR-Binnenverkehr und weitere 150 zwischen DDR und Bundesrepublik. Außerdem verhandelten beide Bahnverwaltungen über einen dauerhaften Ausbau des deutsch-deutschen Reiseverkehrs. Erste Maß-
raussetzungen. Und auch für die Reichsbahner waren neue Zeiten angebrochen. Eben noch hatten sie mit Kollegen von der Bundesbahn einen Gutteil der enormen Reisewelle getragen, nun mussten sie sich neuen Herausforderungen stellen. Die Entwicklung lief in Richtung Zusammenführung und deutsche Einheit. Mit dem Beitritt der fünf ostdeutschen Länder zur Bundesrepublik am 3. Oktober 1990 existierte die DDR nicht mehr. Zur Jahreswende 1993/94 folgte der Abschied von der Reichsbahn (und der Bundesbahn); eine weitere Konsequenz aus den Ereignissen seit dem Herbst 1989. Felix Walther 5
Umbruch 1990/91
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Altes und Neues bei der DR
Altes und Neues bei der Deutschen Reichsbahn
An der Zeitenwende Mit der Grenzöffnung hat für die DR eine turbulente, schwierige Ära begonnen. Zugverkehr und Streckennetz werden verbessert, die wirtschaftliche Entwicklung verläuft dagegen ernüchternd. Der Faszination der Reichsbahn tut der Zwiespalt keinen Abbruch
Im September 1991 hat Diesellok 119 079 den Personenzug 18001 Saalfeld – Sonneberg übernommen und rollt damit über den Viadukt von Lichte. Die Strecken im Thüringer Wald sind nach wie vor beschaulich; nur befördern die Züge weniger Fahrgäste als früher Georg Wagner
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Umbruch 1990/91
„Good bye Lenin“ bei der Reichsbahn: Eine Doppelstock-Einheit des Bahnbetriebswagenwerks Dresden geht im Sommer 1991 mit der Zeit und trägt Coca-Cola-Komplettwerbung Sven Klein
Aufbruchstimmung Reisefreiheit und neue Angebote prägen die Monate nach der Wende und die frühen 90er-Jahre. Die Reichsbahn präsentiert sich engagiert und innovativ, wird aber nur selten dafür belohnt
Wohnlich-entspannte Atmosphäre herrscht am „Runden Tisch“ der Eisenbahn. Am 18. Januar 1990 besucht DB-Vorstandsvorsitzender Dr. Reiner Gohlke (2. v. l., vorne) DR-Generaldirektor Carl-Ernst Zimmer/Histor. Slg. der DB AG Herbert Keddi (3. v. r., hinten am Schrank sitzend)
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Aufbruchstimmung
Im Mai 1991 hält Ellok 243 607 mit P 9110 Stralsund – Saßnitz in Bergen. Erst eineinhalb Jahre ist es her, dass Bürger aus dem Westen nur mit Visum und Zwangsumtausch nach OstLudwig Rotthowe deutschland kamen. Eine gefühlte Ewigkeit ...
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Umbruch 1990/91
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Reisen mit der Reichsbahn
„Plandampf“ macht’s möglich: Dank finanzieller Unterstützung von Eisenbahnfans bespannt die DR planmäßige Züge mit Dampflokomotiven. Auf diese Weise kommt im Dezember 1990 auch wieder eine 86er-Tenderlok auf der Strecke Schlettau – Crottendorf Dirk Höllerhage zum Einsatz
Nahverkehrszüge heißen bei der DR noch „Personenzüge“: Fahrkartenkontrolle im P 14444 Nordhausen – Ilfeld, März 1991 Ludwig Rotthowe
Reisen mit der Reichsbahn Für Eisenbahnfreunde ist die DR ein Schatzkästlein. Nostalgie gepaart mit Reichsbahn-Moderne ergibt eine magische Mischung. Und das Größte dabei: Es fahren noch Dampfloks! Das Tor zu Ihrer Reise: Ein schmucker Backsteineingang begrüßt die Kunden am Bahnhof Saalfeld (Sept. 1991) Slg. Felix Walther
Die Komfortwagen der Reichsbahn laufen im Sommer 1991 im D 326/327 Berlin – Kopenhagen zwischen Berlin und Rostock. Im August des Jahres rangiert eine 243er-Ellok die Wagen in Rostock Hauptbahnhof Heiko Focken
Im Mai 1990 trifft die „Dicke Babelsbergerin“ 118 390 mit einem Reisezug in Dresden ein. Vor allem Neubauwagen des Typs Bmhe aus dem Reichsbahnausbesserungswerk Halberstadt bringen die Fahrgäste ans Ziel Thomas Wunschel
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Umbruch 1990/91
Zwischen Eichenberg und Arenshausen wird im Mai 1990 die erste Neubaustrecke zwischen DB und DR eröffnet. Aber noch existiert die innerdeutsche Grenze, gibt es im Reichsbahn-Bahnhof Arenshausen Grenzkontrollen Ralph Lüderitz
Auch abseits der Ost-West-Verbindungen geht der Streckenausbau voran. Im Mai 1992 setzt ein Hubschrauber an den Güterzuggleisen in Magdeburg-Neustadt Masten für den elektrischen Betrieb Volker Emersleben
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Neue Züge, neue Strecken
Neue Züge, neue Strecken InterCity und InterRegio, Streckenausbau und -erneuerung: Im Eiltempo krempelt die Reichsbahn ihr Angebot auf den Ost-WestRelationen um. Auch auf der Schiene wird die deutsche Einheit Realität
Das Orchester der Deutschen Reichsbahn spielt auf! Der Tusch gilt dem ersten InterRegio in Berlin; am 27. Mai 1990 ist der Zug aus Köln im Bahnhof Zoologischer Garten angekommen Ingrid Migura/Historische Slg. der DB AG
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Umbruch 1990/91
Rangierbetrieb in Eisenach 1991 mit einer Diesellok der Baureihe 106 Volker Emersleben
Sie sind Verlierer der Wende: Wegen des Verkehrsrückgangs kommen DR-Triebfahrzeuge „auf den Rand“. Von Juni 1991 bis Oktober 1994 stehen in Werdau bis zu 30 Loks abgestellt R. Heinrich
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Die DR und der Markt
Im Juli 1991 hat Blumenberg südwestlich von Magdeburg noch regionale Bedeutung. Drei Nahverkehrstriebwagen („Ferkeltaxen“) stehen bereit, um die Nebenbahnen nach Schönebeck, Staßfurt und Eilsleben zu bedienen. 20 Jahre später wird daDieter Lindenblatt von keine einzige mehr befahren werden
Erinnerung an die DDR-Zeit im Bahnbetriebswerk Hagenow Land im Januar 1992. Die Bw-Struktur bei der Reichsbahn wird in den Folgejahren erheblich verringert Heiko Focken
Vor der Schrumpfung? Nach der Wirtschafts- und Währungsunion bekommt die Reichsbahn vermehrt den rauen Wind des freien Marktes zu spüren. Die Zahl der Reisenden sinkt, ebenso das Aufkommen im Güterverkehr. Dennoch hält die DR vielerorts den Betrieb aufrecht
Am 1. April 1990 hat SchmalspurDampflok 99 1542 einen langen Güterzug auf der Strecke Oschatz – Mügeln am Haken. Zu DDRZeiten spielt die Bahn eine wichtige Rolle im Güterverkehr, doch schon bald sinkt der Bedarf und steigt die Konkurrenz durch LkwSpeditionen Sven Klein
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Umbruch 1990/91
Streckenkarte 1990
DR-Netz nach der Wende Neue Strecken nach Westen über Ellrich und Arenshausen und eine „Ballung“ im Südwesten: Das ist der Stand der Dinge im Sommer 1990
Die Magistrale Berlin – Hamburg: P 7386 in Neustadt/Dosse, Juli 1990 Heiko Focken
Abfahrtsauftrag für den Nahverkehrszug Weimar – Bebra in Förtha, Sept. 1991 Jürgen Krantz, Karte rechts: Slg. Rico Oehme
Dienst in Stendal: 211 808 mit P 5328 nach Wittenberge, Februar 1991 H. Focken
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Streckenkarte 1990
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Umbruch 1990/91
Freudige Stimmung in Berlin: Am 24. Juli 1990 unternimmt der IC „Max Liebermann“ seine Einweihungsfahrt nach Hamburg. Im Bahnhof Zoologischer Garten geben führende Vertreter von Politik und Bahn symbolisch den Abfahrtsauftrag. Von links: Bundesbahn-Vorstandsmitglied Hemjö Klein, die Stellvertretende Bürgermeisterin und Senatorin für Soziales in West-Berlin, Ingrid Stahmer, der frei gewählte Oberbürgermeister für Ingrid Migura/Histor. Slg. der DB AG Ost-Berlin, Tino Schwierzina, und der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Reichsbahn, Hans Klemm
Berlins neue Bedeutung für die Bahn
Phönix aus der Asche Als geteilte Stadt war Berlin nur für die DDR eine wichtige Verkehrsdrehscheibe. Nach dem Mauerfall sollte sie wieder insgesamt eine zentrale Bedeutung erlangen. Viele Projekte dafür wurden in den Jahren 1990/91 angestoßen und zum Teil bereits verwirklicht ie Mauer stand noch in Berlin, da berieten Fachleute des Verkehrswesens intern und öffentlich, wie der Eisenbahnverkehr künftig zu organisieren sei, wie man der alten Reichshauptstadt nach der Grenzöffnung zum Wiederauferstehen als Eisenbahn-Metropole verhelfen könne. Zu dieser Zeit bestand eine einzige Schienenverbindung zwischen Ost- und West-Berlin über den Bahnhof Friedrichstraße, wiesen die Zufahrtstrecke zum Beispiel infolge der Alkalischäden an den Betonschwellen schwere Mängel auf, waren die Strecken von Berlin in die Bundesrepublik nicht elektrifiziert.
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Gesetze, Planungen, Projekte Am 20. Juni 1991 beschloss der Bundestag, seinen Sitz und nach einer Übergangszeit den der Regierung vom Rhein an die Spree zu ver18
legen. Mit dem Berlin-Bonn-Gesetz, das die Grundsätze für den Umzug bestimmte, wurde zumindest in der Exekutive die Einheit Deutschlands vollzogen. Für Berlin und seine Eisenbahn war das Gesetz ein Signal, nicht nur die beiden Stadthälften verkehrstechnisch
den Hauptsitz in Berlin einzurichten. Auch die Gründungsurkunde der Deutschen Bahn vom 15. Dezember 1993 bestimmte Berlin zum Sitz des Unternehmens. Der Aufstieg zu Beginn der 90er-Jahre wird als beispiellos bezeichnet. Mit 50 Millionen
Signal aus Bonn: Der Umzug der Regierung nach Berlin wertete die Stadt verkehrstechnisch auf zu vereinen, sondern die Stadt auch zum zentralen Punkt des Fernreiseverkehrs zu entwickeln. Die Entwicklung, die im Herbst 1989 begonnen hatte und 1990/91 vorangetrieben wurde, setzte sich kontinuierlich fort: Ende 1992 beschloss das Führungsgremium deutsche Eisenbahnen (FdE), bereits Anfang 1993
Fernreisenden und 85 Millionen regionalen Fahrgästen rechneten die Verkehrsplaner im Bundesverkehrsministerium bis 2010. 1992 entstand der erste Bundesverkehrswegeplan, der das gesamte wiedervereinigte Deutschland erfasste und in dem der Standort Berlin eine wichtige Rolle spielte. Die Projekte für den
Alte neue Bahnmetropole Berlin
Generationen von Eisenbahnfans haben von der Brücke an der Warschauer Straße aus den Betrieb auf den Gleisen des Berliner Ost- bzw. Hauptbahnhofs (links am Bildrand) und des Wriezener Güterbahnhofs (rechts) verfolgt. Auch im Oktober 1990 pulsiert hier das VerkehrsgeThomas Wunschel schehen; unter anderem kommt einer der moderneren S-Bahn-Züge vorbei
Grenzen fallen, Teil 1: Seit 2. Juli 1990 fahren S-Bahn-Züge der Manuel Jacob, Sven Klein (r.) Reichsbahn wieder nach West-Berlin
Verkehrsträger Schiene umfassten die Neuund Ausbaustrecken sowie den Ausbau von Personenverkehrsknoten und Anlagen des kombinierten Ladungsverkehrs. Das Ziel war es, den Schienenverkehr zwischen alten und neuen Bundesländern vollständig anzupassen. Dazu gehörte auch der Beschluss der Bundesregierung im April 1991 zu den Verkehrsprojekten Deutsche Einheit (VDE) mit milliardenschweren Investitionen. BAHN EXTRA 6/2012
Grenzen fallen, Teil 2: Personenzug im S-Bahn-Verkehr (Ps) Berlin-Wannsee – Potsdam in Griebnitzsee bei den alten Sperranlagen (Aug. 1990)
Sämtliche VDE-Projekte hatten politische Priorität, die Planungszeiten wurden gesetzlich drastisch verkürzt. 1993 stimmten die Bundesländer schließlich über einen Bedarfsplan zum Ausbau der Schienenwege ab, der im Bundesschienenwegeausbaugesetz (BschwAG) niedergelegt wurde. Dadurch erhielten erstmals die Eisenbahnprojekte eine verbindliche Rechtsgrundlage. Die Region Berlin/Brandenburg bekam dadurch leistungsfähige
Bahnanlagen, zumal Bund, Länder und der Senat von Berlin bestimmten, dass die Regierungsgebäude zu 80 Prozent mit öffentlichen Verkehrsmitteln problemlos auch aus dem Umland erreichbar sein müssen.
Neubauten in und um Berlin Die größte Investition in Berlin waren sicherlich der Nord-Süd-Tunnel mit dem neuen Hauptbahnhof, über den unter den Stich19
Umbruch 1990/91
Bis zum Mauerfall war Berlin Friedrichstraße der hermetisch abgeriegelte Grenzbahnhof, in dem Reisende argwöhnisch kontrolliert wurden. Im Volker Emersleben April 1991 gibt es andere Ziele: Nachdem die Begrenzungen abgebaut sind, ertüchtigt man nun die Gleise
Am 27. Mai 1990 um 12:41 Uhr ist es soweit: Mit IR 343 aus Köln fährt der erste InterRegio in Berlin Zoo ein. Die Spreestadt bekommt mehr Anschluss an den DB-Fernverkehr Ingrid Migura/Histor. Slg. der DB AG
worten Achsenkreuz oder Ringmodell bereits unmittelbar nach dem Mauerfall heftig gestritten wurde. Der Kompromiss lautete dann: Pilzkonzept, das schließlich von 2006 an die Reisezeiten Hamburg – Berlin – München wesentlich verkürzte. Die Hochgeschwindigkeitsstrecke Berlin – Oebisfelde mit anschließender Schnellbahn nach Braunschweig und Hannover war eine Geburt, die vor dem Mauerfall lag und damals lediglich den Berlin-Verkehr von und nach der Bundesrepublik verbessern sollte. Erste Planfeststellungsverfahren begannen 1991, die Bauarbeiten selbst setzten 1992 ein. Die 1998 20
Nach der Grenzöffnung darf der Hauptbahnhof seinen Namen zunächst behalten; erst in den späten 90er-Jahren, im Vorfeld des Baus eines Heiko Focken neuen Hauptbahnhofs, wird er wieder zum Ostbahnhof
vollendete Verbindung wurde zu einer schnellen Magistrale für die Züge zwischen Berlin und Frankfurt (Main) sowie Köln.
Neue Zugangebote Der erste Schritt vom bisherigen Fahrplan der Fernzüge zu so genannten Qualitätszügen nach dem Muster der Bundesbahn wurde am 1. August 1990 mit dem gemieteten Dieseltriebwagen (DB-Baureihe 601) getan, der als IC „Max Liebermann“ nach Hamburg verkehrte (siehe S. 26-29). Um die zulässige Geschwindigkeit von 140 km/h zwischen Berlin und Braunschweig zu erreichen, wurden von
1991 an einige Dieselloks der Baureihe 132 im Reichsbahnausbesserungswerk Cottbus mit einer geänderten Getriebeübersetzung versehen. Bereits vom 1. April 1991 an fuhren im Zweistundentakt InterCity-Züge von Berlin über Köln nach Basel SBB und mit vier Zugpaaren nach Hamburg. Im am 2. Juni beginnenden Jahresfahrplan 1991/1992 verkehrten außerdem jeweils zweistündlich InterCityZüge Berlin – Frankfurt (Main) – Karlsruhe, seit dem Fahrplanwechsel 1992 auch zweistündlich Dresden – Berlin – Hamburg und Berlin – Leipzig – Nürnberg. Seit 22. Mai 1993, also noch im letzten Jahr der Deutschen
Neues Zugangebot und Baumaßnahmen Reichsbahn, wurden statt der InterCity-Züge nach Karlsruhe InterCity-Express-Züge über Stuttgart nach München eingesetzt, wobei sich die Reisezeit nach Frankfurt (Main) um eine Stunde verkürzte. Die ICE fuhren allerdings in Berlin-Lichtenberg ab und über den Außenring, weiter über Michendorf (hier Pendelzüge von und zum Bahnhof Zoologischer Garten) – Güterglück – Magdeburg. Denn der Bahnhof Zoologischer Garten war noch nicht an das elektrifizierte Netz angeschlossen. Bei den IC-Zügen experimentierte man mit der Traktion anders: Der EuroCity „Thunersee“ mit der DB-Ellok der Baureihe 103 wurde von Berlin-Rummelsburg bis Berlin-Wannsee von einer DR-Diesellok geschleppt, die IC nach Braunschweig fuhren entweder über den Außenring oder wurden bis Beelitz Heilstätten geschleppt. Wegen des Ausbaus der Strecke nach Leipzig mussten die InterCity-Züge teilweise Umwege über Dessau, Falkenberg (Elster) oder Elsterwerda benutzen. Schließlich erfuhren die Verbindungen nach Budapest, Prag, Warschau und Wien eine Verbesserung, indem die Schnellzüge zu EuroCity-Zügen hochgestuft wurden; sie führten nun bequemere Wagen und hatten kürzere Grenzaufenthalte. 1993 wurde von Berlin aus auch der EuroCity „Alexander von Humboldt“ nach Brüssel eingelegt. Berlin hatte zwar – immer noch – Defizite im Eisenbahnverkehr nach dem Osten, aber auch die mit 2.683 Kilometer weiteste von Deutschland ausgehende Verbindung nach Saratow an der Wolga, inzwischen mit einem Wagen sogar bis Novosibirsk jenseits des Urals reichend. Mit nostalgischer Stimmung oder mit einem Hauch Weltläufigkeit verkehrte seit 9. August 1991 zunächst unregelmäßig, dann an jedem Wochenende der „Königsberg-Express“ eines Reiseveranstalters.
Trotz aller Neuerungen erinnert im August 1991 noch manches Zugangebot mit seinem Fahrzeugpark an den Berlin-Verkehr der Zeit vor der Wende. So etwa dieser D-Zug, der aus Richtung Slg. Willy Grübner Westen den Bahnhof Zoologischer Garten erreicht hat
Fortschritte und Rückschläge Während sich in der alten-neuen Hauptstadt der Eisenbahnverkehr normalisierte, auch durch die Durchleitung der Regionalzüge, statt sie am Stadtrand enden zu lassen, wurden größere Objekte vorbereitet: die Sanierung und Elektrifizierung der Stadtbahn zwischen Berlin Hbf (der 1998 wieder zum Ostbahnhof werden sollte) und Zoologischer Garten, die
Elektro- wie Dieselloks sind im Frühjahr 1991 in der Rotunde des Bahnbetriebswerks BerlinRummelsburg untergebracht. Kurz darauf wird diese Dienststelle als erstes der Berliner BahnVolker Emersleben betriebswerke geschlossen
STICHWORT AUFSCHWUNG BEI DER BERLINER S-BAHN
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Slg. Manuel Jacob
benso wie der Fernbahnbetrieb erlebte der Berliner Nahverkehr mit dem Mauerfall einen ungeahnten Aufwärtstrend, insbesondere die S-Bahn. Diese war, wie die Stadt selbst, im Herbst 1989 geteilt. In West-Berlin führten seit 1984 die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) den Betrieb, in Ost-Berlin war die Deutsche Reichsbahn dafür zuständig. Unmittelbar nach dem Mauerfall (und mit der überwältigenden Reisewelle von Ost nach West) begann eine intensive Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten. Die DR lieh der BVG
BAHN EXTRA 6/2012
Fahrzeuge für den Verkehr aus, der West-Berliner Senat und die Reichsbahn vereinbarten Lückenschlüsse und teilweise Streckenneubauten, um die S-Bahn-Netze baldmöglichst zusammen zu führen – Ende 1989 bestand lediglich eine Verbindung mit Stromschiene, und zwar auf der Stadtbahn über den Bahnhof Friedrichstraße. Ein Symbol für die Normalisierung waren die S-Bahn-Züge auf ebendieser Stadtbahn, die vom 2. Juli 1990 an wieder von Erkner/Königs Wusterhausen nach Wannsee und vom Flughafen Berlin-Schönefeld nach
Charlottenburg verkehrten. Das hatte es seit 1961 nicht gegeben. Ebenfalls 1990 wurden Baumaßnahmen eingeleitet, welche die mit dem Mauerbau im Netz entstandenen Lücken schlossen (siehe auch S. 30-32). Zwar mussten die Bürger (und Besucher) Berlins gerade in den ersten Jahren immer wieder mit Provisorien im Betriebsablauf leben, angesichts der sichtbaren Verbesserung des städtischen Verkehrsangebots ließ sich das aber verschmerzen. Beide S-Bahn-Bereiche wurden 1994 bei der Deutschen Bahn AG zur Berliner S-Bahn GmbH zusammengeführt; die Zeit der Teilung war endgültig überwunden. M. Jacob/W. Grübner
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Umbruch 1990/91
Die Stadtbahn, im Bild beim Alexanderplatz, stellt die wichtigste Verbindung von Ost- nach West-Berlin dar. Die Ertüchtigung der Strecke ist ein Volker Emersleben vorrangiges Ziel bei den Projekten in der Spreestadt
Zukunftsmusik: Der Ausbau der Strecke Berlin – Magdeburg – Helmstedt beginnt 1991; der auf dem Baustellenschild angekündigte ICE Volker Emersleben fährt ab 1993 auf der Strecke
grundlegende Modernisierung der Empfangsgebäude von Berlin Hbf, Alexanderplatz, Friedrichstraße, Lichtenberg und Zoologischer Garten.
Umsetzung älterer Ideen Was nach 1994 an Neuem entstand, ist keineswegs die Frucht der Bahnreform, sondern der bereits vor 1990 in Ansätzen bestehende und danach reifende Wille, Berlin wieder zur Eisenbahnmetropole zu machen. Freilich blieb 22
Im Jahr 1993 ist die Westseite des Berliner Hauptbahnhofs noch nicht elektrifiziert. Eine Rangierlok wie „Rita 19“ zieht die Ellok vom Slg. Felix Walther Zug und schiebt sie zurück unter Fahrdraht
manches unvollendet (Gesundbrunnen, die Nordbahn, die Strecke nach Dresden), erreichte nicht mehr den früheren Glanz (Verbindungen nach Osten, zum Beispiel nach Stettin, Danzig, Königsberg, St. Petersburg, nach dem Süden wie Rom, Genua) oder ging verloren (Bahnbetriebswerke Berlin-Schöneweide, -Pankow, Hbf, die Rangierbahnhöfe). Die Bahnindustrie gelangte ebenfalls nicht mehr zu alter Größe. Immerhin kam zur Siemens-Außenstelle in Spandau das ehemalige
Werk für Signal- und Sicherungstechnik Berlin (WSSB) in Treptow hinzu, und die Deutsche Waggonbau-Anstalt (DWA), später Adtranz bzw. Bombardier Transportation, behielt ihren Sitz in Berlin. Dass aber die Stadt einmal wieder ein Zentrum des Eisenbahnverkehrs und schneller Züge werden sollte, das war den Beteiligten, den Verkehrsplanern und auch den Einwohnern schon früh mehr oder weniger bewusst. Gleich nach 1990. Erich Preuß
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Umbruch 1990/91
Am 17. September 1990 beraten die Führungsspitzen von Bundesbahn und Reichsbahn. Seit dem Mauerfall hat sich die Zusammensetzung Wolfgang Hein/Historische Slg. der DB AG der DR-Verantwortlichen sehr verändert
Das Personal an der DR-Spitze
Ende der Eisenbahn-Kader Kurz nach der Wende im Herbst 1989 begann der personelle Umbruch in den Chefetagen der Deutschen Reichsbahn. Die Hauptgründe: politische Verwicklungen von Führungskräften und mangelnde wirtschaftliche Perspektiven der Bahn ass die Kader an der Spitze nach kurzer Zeit wechselten, war bei der Deutschen Reichsbahn (DR) alles andere als selbstverständlich. In der Regel besaßen die Verantwortlichen auf den führenden Reichsbahn-Posten Kenntnisse von der Spe-
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zifik des Eisenbahnwesens und waren durch ihre Vortätigkeiten erfahren. Im Zuge der Wende aber kam es rasch zu einem personellen Umbruch. Er betraf beispielsweise Generaldirektor Otto Arndt, der im Herbst 1989 bereits
19 Jahre an der Spitze der DDR-Staatsbahn stand. Er war 1970 auf Erwin Kramer gefolgt, der seinerseits 16 Jahre lang im Amt war; beide in der Doppelfunktion als Minister für Verkehrswesen. Arndt trat am 13. November 1989 mit der Stoph-Regierung zurück.
Wechsel bei der Reichsbahn: Am 28. Mai 1990 wird Herbert Keddi als Generaldirektor abgelöst und erhält den abschließenden Dank des letzten DDR-Verkehrsministers, Horst Gibtner (links). An die Stelle von Keddi tritt Hans Klemm, den Gibtner zum Vorstandsvorsitzenden der DR erHans-Joachim Kirsche/Historische Slg. der DB AG (2) nennt (rechts)
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Reichsbahner im Einsatz: oben Gleisbauarbeiten im November 1990 bei Naumburg (Saale), rechts Zug- und Lokführer im Mai 1990 im Gespräch; Bild in Nordhausen mit Diesellok Volker Emersleben (Bild o.), Ludwig Rotthowe (Bild r.) 132 325 IN KÜRZE ÄNDERUNGEN FÜR DIE BELEGSCHAFT DER DR
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icht nur der Führung der Deutschen Reichsbahn standen ab 1990 Wechsel ins Haus, die Reichsbahner insgesamt mussten sich auf umfassende Änderungen einstellen. Nach Beginn der Wirtschafts- und Währungsunion am 1. Juli 1990 drohte ein drastischer Personalabbau; Pläne sahen vor, bis 1995 rund 60.000 Mitarbeiter zu entlassen, ungefähr ein Viertel der Belegschaft. Gleichzeitig erhielten die Reichsbahner gegenüber den Bundesbahn-Kollegen geringere Löhne. Beides führte im November 1990 zu einem Streik, der zeitweise fast den sämtlichen Fernreise- und Güterverkehr in den neuen Bundesländern
lahm legte; der Zugverkehr in die alten Bundesländer und ins Ausland war empfindlich gestört. Am 29. November 1990 schloss die Reichsbahn mit der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands einen Kompromiss: Demnach sollte es bis Mitte 1991 keine Entlassungen geben. Am 26. April 1991 kam man zudem überein, dass die Reichsbahn vom 1. Juli 1991 an 60 Prozent des BundesbahnLohns zahlte. Trotzdem standen den Mitarbeitern harte Einschnitte bevor. Die Zahl der Reichsbahner sank von 253.000 Mitte 1990 auf 138.000 Ende Dezember 1993; eine Schrumpfung um 45 Prozent. Willy Grübner
Herbert Keddi, Arndts Stellvertreter seit 20. Dezember 1988, kam aus dem Parteiapparat. Er kannte wenigstens die Strukturen des Unternehmens, auch dessen Schwächen, und er nutzte die Gunst der politischen Wende, um, ohne einen Beschluss abzuwarten, die Funktion des Generaldirektors von der des Ministers zu trennen. Allerdings blieb er nicht lange an der Spitze der Reichsbahn. Der Verkehrsminister der de-Maizière-Regierung, Horst Gibtner (1940 – 2006), bestellte seinen bisherigen Chef Hans Klemm zum Generaldirektor; dieser wiederum musste Ende August 1991 wegen Vorwürfen einer Stasi-Tätigkeit gehen. Damit endete auch die Ära von Eisenbahnern als Generaldirektor, denn Heinz Dürr, nun Vorstandsvorsitzer nicht nur der Deutschen Bundesbahn, sondern auch der Deutschen Reichsbahn, war alles andere als von Eisenbahnkenntnissen geprägt.
verschiedene Gründe. Mehrfach wurden Amtsinhaber von ihrer politischen Zugehörigkeit (und Verstrickung) eingeholt. So kam es zur Ablösung etlicher Präsidenten der Reichsbahndirektionen sowie Leiter der Reichsbahnämter und Fachabteilungen, nachdem sie vom Bundesverkehrsministerium oder von den in der Belegschaft gebildeten Anhörungskommissionen mit dem Vorwurf konfrontiert worden waren, nur durch eine Par-
Schnelle Wechsel – verschiedene Gründe Die – in der Regel – vorhandene Konstanz in der Besetzung von Führungspositionen in der zentralen Leitung der Deutschen Reichsbahn, in den Reichsbahndirektionen, Reichsbahnämtern sowie zentralen Dienststellen wurde mit der politischen und wirtschaftlichen Wende 1989/1990 abgelöst durch einen nahezu hektischen Wechsel von mehr oder weniger geeigneten Personen. Für diese Umbruchzeit bei den Leitungs- bzw. Führungskräften gab es BAHN EXTRA 6/2012
zurückgenommen wurde, allenfalls eine Abfindung gewährt. Neben den politischen gab es wirtschaftlich-betriebliche Anlässe. Insbesondere Ingenieure verließen die Deutsche Reichsbahn und suchten sich neue Betätigung bei Baubetrieben, Ingenieurbüros oder gründeten eine Firma, zum Beispiel für Baustellensicherung oder Bauberatung. Damit wurden sie oft besser entlohnt oder sahen darin eine bessere Zukunft
Staatsnähe, Parteikarriere, Studium in Moskau: Von zehn Präsidenten blieben nur zwei im Amt teikarriere, wegen des Studiums der Hochschule der KPdSU in Moskau und/oder der „Staatsnähe“ ihr Amt ausgeübt zu haben. Unter den zehn Präsidenten blieben lediglich Siegfried Knüpfer, der noch zum Sprecher der Geschäftsführung der Planungsgesellschaft Bahnbau Deutsche Einheit (PBDE) wechselte, und Horst Thomas von der Reichsbahnbaudirektion. In einigen Fällen waren die Missbilligungen und die Folgen ungerecht. Schwer wog die Mitteilung der Stasi-Unterlagenbehörde („Gauck-Behörde“), dieser oder jener habe für das Ministerium für Staatssicherheit gearbeitet, was zur fristlosen Kündigung führte. Einige der derart Gemaßregelten verklagten die Deutsche Reichsbahn, doch wurde kein Fall bekannt, dass eine Kündigung
als bei der Reichsbahn, deren Fusion mit der Deutschen Bundesbahn zu erwarten war. Auch Speditionen warben erfolgreich Fachkräfte des Güterverkehrs ab. Eine große Anzahl Leitungskader schied mit mehr oder weniger Nachdruck aus, weil sie das Rentenalter erreicht hatten oder weil sie sich von den diversen Regelungen des Vorruhestands und der Altersteilzeit locken ließen. Sie waren kaum bereit, sich an die neuen Verhältnisse anzupassen. Wer danach die offenen Stellen besetzte, war selten der Kader mit größerer Erfahrung und besserer fachlicher Bildung. Oft genügte die Qualifikation, aus dem Westen zu kommen. Das wiederum war und blieb keine Besonderheit der Eisenbahn.Erich Preuß/GM 25
Umbruch 1990/91
Neue Angebote im Reisezugverkehr
Slg. Dr. Daniel Hörnemann
Bach, Liebermann und Gefährten
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„Es wächst zusammen, was zusammen gehört“ war eine häufige Redewendung in der Zeit nach dem Mauerfall. Auch Reichsbahn und Bundesbahn praktizierten die Kooperation: Neue Fernreisezüge schufen schnelle, komfortable Ost-West-Verbindungen
ie große Reisewelle kurz nach der DDR-Grenzöffnung rollte noch, als Vertreter der Deutschen Reichsbahn und der Deutschen Bundesbahn überlegten, wie sie den Personenverkehr zwischen beiden Netzen langfristig verbessern könnten. Im Herbst 1989 wurden zahlreiche Zusatzzüge eingelegt – aber die Planungen gingen bereits weiter. Die Idee: Ein überspannendes Fernverkehrsnetz beider Bahnen sollte den
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Neue Fernzüge
Vom Sommerfahrplan 1991 an war Berlin an das IC-Liniennetz angeschlossen. Im Oktober 1991 passiert Diesellok 132 428 mit IC 185 „Leo von Klenze“ den Bahnhof Genthin; der Zug gehört zur IC-Linie 3, nimmt aber den leicht veränderten Laufweg Berlin – Kassel – Frankfurt (M) – Georg Wagner Stuttgart – München
IC- und IR-Verbindungen zum ReichsbahnGebiet im Jahresfahrplan 1991/92; die DR ist seit diesem Fahrplan in das Liniennetz integriert Slg. J. Mauerer
Am 27. Mai 1990 bringt Ellok 243 591 den ersten InterCity aus Richtung Westen nach Leipzig. Hier durchfährt IC „Johann Sebastian Bach“ den Bahnhof Großlehna Sven Klein
deutsch-deutschen Reiseverkehr (und das Zusammenwachsen von DDR und Bundesrepublik) stärken.
Die Vorreiter 1990 Einen ersten Schritt in diese Richtung vollzogen DR und DB zum folgenden Sommerfahrplan. Vom 27. Mai 1990 an fuhr der erste InterCity auf Reichsbahngebiet, IC 154/155 mit dem Laufweg Frankfurt (Main) – Fulda – Bebra – EiBAHN EXTRA 6/2012
senach – Erfurt – Leipzig. Der Start zeichnete aber auch ein beredtes Bild davon, wie die Kräfteverhältnisse im vorvereinigten Deutschland lagen. Bei der Ankunft des IC 155 in Leipzig Hbf und der anschließenden Namenstaufe als „Johann Sebastian Bach“ war kein politischer Vertreter aus dem Westen zu sehen. Weder Minister Friedrich Zimmermann noch DB-Vorstandsvorsitzer Reiner Maria Gohlke erschienen. Denn die Beamten im Bundesver-
kehrsministerium in Bonn waren verschnupft über den „Alleingang“ der beiden deutschen Bahnen mit ihren Fernzügen. Erst sollte am 3. Oktober 1990 der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik abgewartet werden, und dann wollte man bestimmen, wer in offizieller Mission aus Bonn in das „Beitrittsgebiet“ reist. Bis dahin nahm ein weiterer IC den Betrieb auf: Vom 1. August 1990 an fuhr die DR IC 130/139 „Max Liebermann“ Berlin – 27
Umbruch 1990/91
„Max Liebermann“ ist der zweite InterCity auf DR-Gebiet. Er verkehrt zwischen Berlin und Hamburg und sorgt mit der Fahrzeug-Erstausstattung für Aufsehen: Es fährt ein Dieseltriebzug 601, ehemals in Diensten der Bundesbahn (Bild in Berlin Hbf, 1990) I. Migura/Histor. Slg. der DB AG
Hamburg. In den ersten acht Wochen kam ein ehemaliger DB-Dieseltriebzug der Baureihe 601 (VT 11.5) zum Einsatz, dann musste das Fahrzeug auf der stark nachgefragten Verbindung einem Lok-Wagen-Zug weichen. Eine Stufe tiefer verdichteten DR und DB das Angebot mit neuen Anschlüssen an das Bundesbahn-Fernverkehrsnetz. Zu den beiden InterCity-Zugpaaren kamen drei InterRegioZugpaare Berlin – Köln, je ein InterRegioZugpaar Leipzig – Nürnberg und Leipzig Nürnberg – München. Ein InterRegio-Zugpaar der Linie 20 (Duisburg – Kassel) wurde nach Erfurt verlängert.
Neue IC- und IR-Züge 1991/92 Gleichwohl handelte es sich dabei nur um Vorboten, welche die DDR bzw. die neuen Bundesländer in den Fernverkehr einbanden – fortschrittlich zwar, aber, nicht zuletzt bedingt durch infrastrukturelle Mängel, noch nicht auf dem allerneuesten Stand. Als der
neue Eisenbahn-Fahrplan am 2. Juni 1991 begann, führte die Bundesbahn auf ihrem Gebiet den ICE-Verkehr ein; die Reichsbahn bekam Anschluss an das InterCity-Netz (jetzt mit IC-Linien statt wenigen Einzelzügen) und weitere Fernzüge, die den Bürgern neue Möglichkeiten für Auslandsreisen eröffneten. In diesem Fahrplan, der bis 30. Mai 1992 Gültigkeit hatte, verbesserten beide Bahnen die innerdeutschen Zugverbindungen weiter. Das geschah weniger mit Schnelligkeit als vielmehr mit Komfort wie besserem, weil klimatisiertem Wagenmaterial und – im Rahmen der IC-Linien – Taktfahrplänen. Die Züge fuhren über Strecken, die noch nicht für höhere Geschwindigkeiten ausgebaut oder, wie Berlin – Hamburg, noch nicht elektrifiziert waren. Wieder blieben Diskussionen nicht aus. Gerhard J. Kurth, Vorsitzender des Deutschen Bahnkunden-Verbandes, polemisierte gegen die angekündigten InterCity- und InterRegio-Züge. Er sah einen generellen Ni-
Am 2. Juni 1991 fährt erstmals der EuroCity „MontBlanc“ von Berlin nach Genf. In Berlin Hbf wird der Zug getauft T. Bär/Histor. Slg. der DB AG
veauverlust dieser Reiseverkehrs-Produkte, wenn vom DB-Standard abgewichen werde. Doch die Bundesbahn wollte ein Zeichen setzen, und die Reichsbahn war froh, mit diesen Zügen ihr Ansehen polieren zu können. Denn allzu schnell stiegen ihre bisherigen Fahrgäste auf den Pkw um, zumal die Fahrpreise im Verhältnis zum Einkommen unangemessen angehoben worden und die in der DDR üblichen Fahrpreisermäßigungen entfallen waren. Die InterCity-Züge verkehrten seit 2. Juni 1991 alle zwei Stunden auf der Linie 3 Berlin – Kassel – Karlsruhe und auf der Linie 5 Berlin – Hannover – Köln – Basel. Zwischen Berlin und Braunschweig über Marienborn/ Helmstedt bestand ein 50/70-Minuten-Rhythmus, von dem auch Potsdam und Magdeburg profitierten. Einige dieser Züge hatten Zürich HB, Chur, Interlaken Ost und Genf als Ziel. Zwischen Berlin und Hamburg verkehrte ein viertes InterCity-Zugpaar, übrigens mit Dieseldoppeltraktion der Baureihen 119 (DR)
Die Relation (München –) Nürnberg – Leipzig – Berlin ist im Fahrplan 1991/92 noch InterRegio-Terrain; Aufnahme in Saalfeld Slg. Felix Walther
Das Fahrplanangebot 1991/92 bzw. 218 (DB), was für gute Beschleunigung beim Anfahren sorgte. Der IC „Johann Sebastian Bach“ von 1990 erhielt Verstärkung durch drei IC-Zugpaare; der Laufweg wurde verlängert, und zwar im Osten zum Teil bis Dresden Hbf, im Westen nach Saarbrücken oder (als EuroCity) nach Paris Est. Neu war auch der InterCity „Rügen“ Köln – Stralsund, der während der Badesaison auf der Insel Rügen Binz erreichte. Insgesamt verkehrten während des Fahrplans 1991/1992 44 Euro- und InterCityZüge zwischen Ost und West, davon 17 von und nach Berlin mit Systemhalt in Potsdam. Weil der Abschnitt Magdeburg – Helmstedt – Braunschweig von den InterCity-Zügen gut bedient wurde, wechselten die bisherigen InterRegio-Züge Berlin – Köln als Linie 17 nun auf die Relation Dresden – Leipzig - Köln über Oebisfelde – Wolfsburg. Zwei Zugpaare der neuen Schnellzug-Linie 16 (Berlin – Hoofdorp/Schiphol) begannen und endeten nicht mehr in Braunschweig, sondern verkehrten von Berlin über Stendal – Oebisfelde – Wolfsburg – Hannover. Die InterRegio-Linie 25 Leipzig –
Berlin – Warnemünde – Kopenhagen, die es allerdings bereits seit Jahren bei der Reichsbahn gegeben hatte. Lediglich D 1310/1311 „Csárdás“, der in der Saison zwischen Budapest und Malmö eingesetzt wurde, sowie D 476/477 „Istropolitan“, der statt von Berlin von Hamburg über Leipzig nach Bratislava verkehrte, hatten einen gewissen Neuigkeitswert. Die Reichsbahn legte den D 312/313 für einen Tagesaufenthalt in Szczecin (Stettin) ein (Abfahrt/Ankunft in Berlin-Lichtenberg). Neu waren auch eine Tagesverbindung von Dresden Hbf über Berlin-Lichtenberg nach Malmö (zurück nur bis Berlin-Lichtenberg) sowie ein Zugpaar Berlin – Stockholm über Saßnitz – Malmö. Darüber hinaus entfiel vom 2. Juni 1991 an bei den Zügen Berlin – Prag der Lokomotivwechsel in Bad Schandau, weil beide Bahnverwaltungen die Zweisystemlokomotiven, Baureihen 230 (180) und 372, einsetzten. Auch zu den Strecken der Bundesbahn wurden die Durchläufe von Reichsbahn-Lokomotiven vermehrt. So fuhren die Dieselloks
Das Angebot von DR und DB trug zum Reisen ohne Grenzen bei, auch wenn viele Züge später entfielen Nürnberg – München über Saalfeld teilte sich die Verbindung mit anderen Schnellzügen und auch mit Nachtzügen Berlin – München, Berlin – Villach und dem „Spree-Alpen-Express“ Berlin – Meran. Vernachlässigt wurde hingegen die klassische Verbindung Sachsen – Bayern über Leipzig – Hof. Sie war zwar von einigen Schnellzügen belegt, aber der ZweistundenTaktfahrplan kam erst mit den Schnellzügen von Görlitz und Dresden ab Reichenbach (Vogtl) nach Regensburg – München zustande. Zwei Züge fuhren noch weiter bis Oberstdorf. Außerdem wurden die Schnellzüge Berlin – Schwerin bis Lübeck und Kiel verlängert, aber erst später zu InterRegios hochgestuft.
Neue D-Züge Der Fahrplan 1991/1992 brachte auch das Ende der Städte-Expresszüge zwischen Berlin und den Bezirksstädten sowie der Inter-Expresszüge. Erstere entfielen ersatzlos, weil es keinen entsprechenden Dienstreisenden- und Bauarbeiter-Verkehr mehr gab, Letztere wurden durch Schnellzüge ersetzt. Als neu bezeichnet wurden die D 278/279 „Sanssouci“ Berlin – Wien, D 322/323 „Neptun“ Prag –
der Baureihe 132/134 bis Braunschweig, Hannover und Regensburg.
Gewinner und Verlierer 1991 Das Fahrplanjahr 1991/1992 war noch von den Unwägbarkeiten der künftigen Reiseströme diktiert, was man an den Veränderungen der Zugläufe und auch an den Eintagsfliegen von Zugverbindungen erkennen kann. Im Rückblick betrachtet man diese durch die Einheit Deutschlands entstandenen Zugverbindungen mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Weinend, weil die meisten Verbindungen und auch der InterRegio später ohne vollwertigen Ersatz entfielen, lachend, weil die beiden deutschen Bahnen ihren Teil zum grenzenlosen Reisen beitrugen und sich nach einigen Jahren die Investitionen in die Infrastruktur mit schneller gewordenen Zügen auszahlten. Andere Strecken dagegen verloren den Fernverkehr. 1991 gehörten zu den ersten dieser Kategorie: Wismar – Bad Doberan, Halle – Halberstadt, Halberstadt – Thale, Halle – Eilenburg und Gera – Werdau (Sachs). Prominentere Strecken sollten folgen. Erich Preuß
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ÜBERBLICK IC-ZÜGE AUF DR-GEBIET 1991 Linie
Strecke
Zugpaare
Länge km
Reisezeit 1991 Std./Min.
Reisezeit 2012 (zum Vergleich)
3
Stammlinie
Berlin – Kassel – Karlsruhe
6
785
8:05
5:39
5
Stammlinie
Berlin – Hannover – Köln – Basel
7
1.110
12:04
9:101
9
Einzelzüge
Dresden – Leipzig – Paris
4
1.138
13:28
9:012 3
10 Einzelzüge
Berlin – Hamburg
4
291
4:03
2:03 , 2:26
-
Köln – Stralsund
1
730
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1
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Umbruch 1990/91
Ralf Roman Rossberg
DR-Ellok 243 302 eröffnet mit einem Sonderzug am 28. September 1991 die Neubaustrecke von Sonneberg nach Neustadt b. Coburg. Fast 40 Jahre lang fuhr hier kein Zug Volker Emersleben
Lückenschlüsse und Ausbaumaßnahmen DR/DB
Mehr Vernetzung Nur noch neun Bahnstrecken waren bei der Öffnung der DDR-Grenze zwischen Reichsbahn und Bundesbahn in Betrieb. Umgehend gingen beide Bahnverwaltungen daran, die Verbindungen zu verbessern; der Beginn für umfangreiche Neubau- und Ausbaumaßnahmen ie Teilung Deutschlands und der Hauptstadt Berlin in vier Besatzungszonen bzw. zwei Staaten und eine geteilte Stadt hatten dazu geführt, dass nach 1945 nicht weniger als 44 Strecken unterbrochen wurden. Lediglich neun blieben zwischen Ost und West in Betrieb. In beiden deutschen Staaten verlagerten sich die Verkehrsströme in die Nord-Süd-Richtung, was erhebliche Investitionen erforderte oder zur Überlastung von Strecken führte, die bis 1945 wenig belegt waren. Daneben wurden nun bedeutungslose Ost-West-Strecken stillgelegt, auf Busbedienung umgestellt oder es wurden vereinfachte Betriebsverfahren eingeführt. Das musste sich rasch nach der Öffnung der deutsch-deutschen Grenze am 9. November 1989 ändern, denn die Verkehrsbedürfnisse entwickelten sich wieder in die OstWest-Richtung. Die beiden deutschen Bahnen
D
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veranlassten Sofortmaßnahmen wie die Umstellung der Signalanlagen auf den Bahnhöfen Ellrich und Walkenried, wo der Personenverkehr wieder aufgenommen worden war, stellten in Berlin Friedrichstraße die durchgehende S-Bahn-Verbindung wieder her, setzten auf dem Bahnhof Büchen Bahnsteige instand, bauten im Bahnhof Obersuhl Außenbahnsteige für den Nahverkehr Gerstungen – Bebra und stellten die Fernmeldeverbindungen zwischen den beiden Bahnnetzen wieder her.
Lückenschlussmaßnahmen DB – DR Parallel bzw. unmittelbar danach kam es zu Untersuchungen, wie und in welcher Reihenfolge unterbrochene Strecken wieder aufgebaut, bestehende ausgebaut oder neu gebaut werden sollten. Das Ergebnis dieser Untersuchungen wurde 1990 den Regierungen der Bundesrepublik und der DDR für deren „Ver-
kehrswegekommission“ übermittelt, die am 6. Juli 1990 dann 22 so genannte Lückenschlussmaßnahmen beschloss. Dabei handelte es sich nicht nur um Neubauten, sondern auch um Ausbaumaßnahmen. Diese waren (jeweils in Ost-West-Richtung gesehen): – Berlin – Hamburg mit Schwerpunkt zwischen Schwanheide und Büchen; durchgehend zweigleisiger Ausbau mit Elektrifizierung, Ausbau für 160 km/h Geschwindigkeit, Option 200 km/h, Optimierung der Blockteilung und Gleiswechselbetrieb; in Betrieb genommen 1997 – Berlin – Magdeburg – Helmstedt mit Schwerpunkt zwischen Marienborn und Helmstedt; Elektrifizierung und Ausbau auf 160 km/h, Option 200 km/h zwischen Werder (Havel) und Biederitz, Spurplanvereinfachungen, längere Überholungsgleise, Zentralstellwerke; in Betrieb genommen 1995
Lückenschlüsse
Auch zwischen Mellrichstadt und Rentwertshausen wird am 28. September 1991 eine Lücke Ralf Roman Rossberg im Netz geschlossen. Dampflok 01 1531 bespannt dazu einen Sonderzug
– Stapelburg – Bad Harzburg; Wiederaufbau mit eingleisiger (und veränderter, nicht mit der Kommission „Verkehrswege“ abgestimmter) Streckenführung nach Vienenburg; in Betrieb genommen 1992 – Halle (Saale) – Kassel mit Schwerpunkt Leinefelde – Eichenberg; durchgehend zweigleisiger Ausbau zwischen Bernterode und Eichenberg, Elektrifizierung; in Betrieb genommen 1994 – Halle – Erfurt – Gerstungen – Kassel mit Schwerpunkt zwischen Neudietendorf und Bebra; durchgehend zweigleisiger Ausbau zwischen Eisenach und Gerstungen in früherer Streckenführung über Wartha, Ausbau für 160 km/h Geschwindigkeit, Elektrifizierung, Wiederinbetriebnahme der „Berliner Kurve“ zwischen der Abzweigstelle Faßdorf und Blankenheim, Neubau der Tunnelröhre des Hönebacher Tunnels sowie Ersatzbau des Viaduktes in Gotha; in Betrieb genommen 1995 – Meiningen – Schweinfurt mit Schwerpunkt Rentwertshausen – Mellrichstadt; eingleisiger Wiederaufbau mit Option für zweigleisigen Ausbau, Anpassen der Signalanlagen auf den
Zwischenbahnhöfen; in Betrieb genommen am 28. September 1991 – Sonneberg (Thür) – Neustadt (b Coburg); eingleisiger Wiederaufbau, Elektrifizierung, Anpassung der Signalanlagen in Sonneberg; Inbetriebnahme am 28. September 1991 – Bamberg – Camburg mit dem Schwerpunkt Camburg – Hochstadt-Marktzeuln; durchgehend zweigleisiger Ausbau mit Elektrifizierung zwischen Camburg und Probstzella, Linienverbesserungen für 10 bis 20 km/h höhere Geschwindigkeiten, Bahnsteigunterführungen, elektronische Stellwerke, Gleiswechselbetrieb; Inbetriebnahme 1995
Bis 1995 war das Lückenschlussprogramm DR/DB verwirklicht
Die Übergänge von DB zu DR, Stand 1990. Farbig eingezeichnet die bereits bzw. in der Folge vorgenommenen Lückenschlüsse (Neubaumaßnahmen, rot) und Ertüchtigungen (Ausbaumaßnahmen, blau) Slg./Bearb.: R. Oehme
BAHN EXTRA 6/2012
– Plauen (Vogtl) ob Bf – Hof; zweigleisiger Ausbau; in Betrieb genommen 1993
Baumaßnahmen in Berlin Weitere Lückenschlüsse bzw. Ausbaumaßnahmen bezogen sich auf Berlin. Sie waren für folgende Verbindungen vorgesehen: – Seddin – Berlin-Charlottenburg mit dem Schwerpunkt Michendorf – Berlin-Grunewald; – zweigleisiger Ausbau Rehbrücke – Abzweigstelle Kohlhasenbrück, Elektrifizierung, elektronisches Stellwerk in Berlin-Wannsee; in Betrieb genommen 1995 – Berliner Stadtbahn; zweigleisiger Wiederaufbau Alexanderplatz – Friedrichstraße, Elektrifizierung, elektronische Stellwerke, Bahnsteigverlängerungen, zweites Wagenbehandlungssystem in Berlin-Rummelsburg; in Betrieb gegangen 1998 – Lückenschlüsse S-Bahn Berlin; eingleisig Neukölln – Baumschulenweg, eingleisig Lichtenrade – Mahlow, zweigleisig Wannsee – Potsdam Stadt (Hbf ), zweigleisig Frohnau – Hohenneundorf, eingleisig Lichterfelde Süd – Teltow, zweigleisig Treptower Park – Sonnen31
Umbruch 1990/91
Seit 1962/63 fuhren die Züge zwischen Eisenach und Gerstungen auf einer Neubaustrecke über Förtha, um kein Bundesgebiet zu berühren. Am 25. Mai 1991 wird als Teil der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit die alte, einfachere Streckenführung über Wartha wieder eröffnet. Thomas Bär/Historische Slg. der DB AG Reichsbahn-Vorstandsvorsitzender Hans Klemm durchschneidet vor dem Sonderzug das Einweihungsband
Zur Feier des Lückenschlusses nach Neustadt (b. Coburg) veranstaltet die Reichsbahn am 28. September 1991 in Sonneberg auch eine Fahrzeugschau Slg. Willy Grübner
allee, zweigleisig Schönhauser Allee und Pankow – Gesundbrunnen, Sanierung Nord-SüdStrecke, provisorischer Bahnsteig Bornholmer Straße, Rekonstruktion Friedrichstraße.
Umsetzung mit Hindernissen Die genannten Lückenschlüsse ohne Details vieler weiterer Maßnahmen ermöglichten Reisezeitverkürzungen, besseres Fahrplanangebot, höhere Zuverlässigkeit, aber auch den Wegfall von Lokomotivwechsel und Arbeitsplätzen. Für das künftige Verkehrsaufkommen, wie 32
man es 1990 erwartete, reichte der Streckenund Bahnhofsausbau nicht aus. Deshalb wurden Verkehrskorridore untersucht und im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums, ob die Maßnahmen des Lückenschlussprogramms in jedem Fall wirtschaftlich seien. Das waren sie mit Ausnahme der Elektrifizierung der Strecke Berlin – Helmstedt nicht. Trotzdem, aus politischer Opportunität durfte die Bundesbahn auf dem Kapitalmarkt die Mittel aufnehmen, um das Lückenschlussprogramm zu finanzieren. Mit Investitionszuschüssen aus Steuermitteln durfte die Bundesbahn dagegen nicht rechnen. Das ist auch der Grund, warum nicht alle früher bestehenden Streckenverbindungen über die Grenze wiederhergestellt wurden, einige der Vorhaben des Lückenschlussprogramms sich verzögerten und auch die S-Bahn in Berlin nicht vollständig auf ihren früheren Stand gebracht wurde. Zu den offen gebliebenen Lücken, deren Schließung von den Bürgern und auch Abgeordneten immer noch gefordert werden, gehören zum Beispiel die Strecken Berlin Gesundbrunnen – Birkenwerder (Nordbahn), Blankenstein (Saale) – Höllenthal (– Hof) oder die Verlängerung der Berliner S-Bahn von Spandau bis Falkensee, von Hennigsdorf bis Velten (Mark) und von Blankenfelde nach
Rangsdorf. Andererseits erwiesen sich manche Vorstellungen vom auflebenden Schienenverkehr als irrig. So trat auf bayerischer Seite der Strecke Schweinfurt – Meiningen kein Mehraufkommen auf; auch der Fernverkehr Berlin – Würzburg über diese Verbindung blieb schwach und wurde aufgegeben.
Verkehrsprojekte Deutsche Einheit Nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik am 3. Oktober 1990 wurden auch die längerfristigen Maßnahmen zum Ausbau der Verkehrswege begonnen, die in den Verkehrs-
Weitere Maßnahmen plante man als Verkehrsprojekte Deutsche Einheit projekten Deutsche Einheit zusammengefasst worden sind und für die Schienenwege neun Aufgaben enthielten. Dass unter ihnen wie beim Lückenschlussprogramm einige sind, die sich bis zu ihrem Abschluss erheblich verzögern, wie die Hochgeschwindigkeitsstrecke Leipzig/Halle – Erfurt – Nürnberg, der Ausbau der Strecken Leipzig – Dresden und Hagenow Land – Stralsund, liegt meist an der fehlenden Finanzierung. Einem Problem, das nach der Euphorie um Wende und Wiedervereinigung immer öfter zum Begleiter der Planungen wurde. Erich Preuß/GM
Kursbuch DR/DB
Die Embleme von Reichsbahn und Bundesbahn zieren das neue Kursbuch im Sommer 1991. Im Format entspricht es den bisherigen DB-Ausgaben, nur: Es enthält erstmals Archiv GM die Reisezüge beider Bahnen Personenzug Zwickau – Dresden in Niederbobritzsch, April 1992 (o. r.). Der Abschnitt ist Teil der Reichsbahn-Kursbuchstrecke 410 Hof – Chemnitz – Dresden (r.: Tabelle in Gegenrichtung). Eine Kursbuchstrecke 410 gibt es im Fahrplan 1991/92 aber auch bei der Bundesbahn, nämlich die Verbindung Wuppertal – Remscheid – Solingen-Ohligs Heiko Focken (Foto), Archiv GM (Tab.)
Gemeinsames Kursbuch DR/DB
Alles in einem Bei ihrer Kooperation gingen Reichsbahn und Bundesbahn im Sommer 1991 den nächsten Schritt. Erstmals gaben sie ein gesamtdeutsches Kursbuch heraus; auf rund 2.000 Seiten listete es die Strecken und Reisezüge beider Bahnverwaltungen auf ie Aufbruchstimmung war noch immer mit Händen zu greifen, als die Spitzenvertreter von Reichsbahn und Bundesbahn, Herbert Keddi und Reiner Gohlke, am 22. März 1990 vor die Presse traten. Beide Bahnverwaltungen, erklärten sie den versammelten Journalisten, sollten in einem dreistufigen Plan zusammenwachsen. Zwar hatte Bundesverkehrsminister Friedrich Zimmermann die Führungen von DR und DB kurz zuvor in ihrem Elan ausgebremst; der Vereinigungswille der beiden Bahngesellschaften erschien ihm allzu eigenmächtig, mehr jedenfalls, als die Bundesregierung zugestehen wollte. Doch gab es nach wie vor genügend Arbeitsgebiete zur Kooperation.
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Zwei Bahnen, ein Kursbuch Eines davon betraf das Kursbuch, das bislang jede der Bahnen für sich aufgelegt hatte. Auch wenn DR und DB zunächst noch nebeneinander bestanden, sollte 1991 ein gemeinsames Werk herauskommen. Und so erhielten die Kunden zum Jahresfahrplan 1991/92 eine völlig neuartige Gesamtausgabe, die den Reiseverkehr der Reichsbahn und der Bundesbahn auflistete. Im (für den Bahnkunden aus Westdeutschland vertrauten) DB-Format, mit rund BAHN EXTRA 6/2012
2.000 Seiten Umfang und stattlichem Gewicht. Die Euphorie der Verantwortlichen konnte man dabei nach wie vor spüren. Fast feierlich heißt es: „Vom Fahrplanjahr 1991/92 an werden die Fahrpläne der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Reichsbahn in gemeinsamen Kursbüchern veröffentlicht. Dazu
Neben allem Anspruch dokumentierte das Kursbuch aber auch, dass das Zusammenwachsen beider Bahnen noch längst nicht abgeschlossen war. Die Einbindung der DR in den DB-Fernverkehr begann gerade erst, die Streckennummerierungen von DB und DR waren nur bei den Fernverbindungen zusammengeführt, ansonsten getrennt – Doppelun-
Präsentation mit Euphorie, aber das Kursbuch zeigt auch: Das Zusammenwachsen dauerte noch an war es erforderlich, die Ferntabellen numerisch und inhaltlich neu zu gliedern, um ein in sich abgestimmtes Gesamtwerk zu schaffen. ... Die Konzeption des Fahrplans 1991/92 ist geprägt vom Zusammenwachsen eines deutschen Staates, von der Inbetriebnahme der Neubaustrecken Hannover – Fulda und Mannheim – Stuttgart mit weitausstrahlenden Auswirkungen auf das gesamte Fahrplangefüge ..., vom Hinarbeiten auf die Ziele Regelmäßigkeit der Zugverbindungen (Takt), merkbare ... Führung der Züge (Linien), Systemhalte mit kurzen Aufenthaltszeiten, Verknüpfung der Linien ...“
gen im Nummernschema nicht ausgeschlossen. Entsprechend teilte sich das Kursbuch auf in die Sparten A (Einleitung), B (Fernverbindungen), C bis E (Streckenfahrpläne der DB) und F (Streckenfahrpläne der DR). Die Vereinheitlichung aller Kursbuchstreckennummern und die „Vermischung“ der Strecken von Ost und West sollte 1992 folgen. Nichtsdestotrotz war ein weiterer Schritt in Richtung Vereinigung getan. Als im Januar 1994 Bundesbahn und Reichsbahn in der Deutschen Bahn AG aufgingen, fiel den Kunden das „gesamtdeutsche Kursbuch“ schon kaum mehr auf. Willy Grübner 33
Umbruch 1990/91
Dampflok 86 501 bespannt im April 1990 den Personenzug Karl-Marx-Stadt – RochRainer Heinrich litz. Hinten in der Halle der wuchtige Namensschriftzug der Stadt
Symbol in der „Sozialistischen Musterstadt“: KarlRainer Heinrich Marx-Büste in Karl-Marx-Stadt
Aus Karl-Marx-Stadt wird wieder Chemnitz
Zurück zum Anfang Fast auf den Tag genau 37 Jahre lang trug die sächsische Industriestadt Chemnitz die Bezeichnung „Karl-Marx-Stadt“. 1990 erhielt sie den alten Namen zurück. Für die Deutsche Reichsbahn begann eine umfangreiche Umbenennungsaktion arum genau die große sächsische Industriestadt den Namen des „Begründers des wissenschaftlichen Kommunismus“ – so die offizielle DDR-Lesart – erhielt, lässt sich wahrscheinlich nicht mehr herausfinden. Möglich ist eine Anregung aus der Sowjetunion, wo schon mehrere Städte umbenannt worden waren. Plausibel scheint die Erklärung, dass Chemnitz seit den „Wahlen“ von 1946 zu den Städten mit dem größten Stimmenanteil für die Sozialistische Einheitspartei (SED) gehörte und damit als besonders zuverlässig gelten konnte. Sie sollte wohl auch als Musterbeispiel einer aufzubauenden sozialistischen Großstadt dienen. Das
W
SED-Politbüro in Berlin beschloss jedenfalls auf seiner Sitzung am 17. März 1953 schlicht: „Die Stadt Chemnitz erhält den Namen KarlMarx-Stadt“. Die Entscheidung fiel im engsten Führungszirkel, Chemnitzer Instanzen dienten nur als Befehlsempfänger und Handlanger. Im Rahmen der Verwaltungsreform – in Gestalt der Abschaffung der Länder und der Bildung der Bezirke – folgte am 10. Mai 1953 die Umbenennung der Stadt Chemnitz in „Karl-Marx-Stadt“, welche vom damaligen Ministerpräsident Otto Grotewohl vollzogen wurde. 37 Jahre später, nach dem Mauerfall und der politischen Wende, hatte der neue Name aber schon wieder ausgedient. Auch als
Die nach 1968 gegossenen AluminiumSchilder mit der Bezeichnung „Bw Karl-Marx-Stadt“ brachten es nach der Rückbenennung der Stadt zu beachtlichem Sammlerwert Rainer Heinrich
Mit neuem Stadtnamen: Jubiläumsbroschüre aus Chemnitz, 1991 Slg. Rico Oehme
Abkehr vom DDR- und SED-System wurde im Mai 1990 aus „Karl-Marx-Stadt“ wieder „Chemnitz“.
Von Chemnitz zu Karl-Marx-Stadt ... Für die Reichsbahn brachte die Umbenennung jeweils erheblichen Aufwand. Nur zögernd erhielten wenige Stellwerke und die alte Bahnhofshalle auf dem Hauptbahnhof seinerzeit Schilder mit dem Schriftzug „Karl-MarxStadt“. Auf 20 Bahnhöfen im Stadtgebiet mussten neue Schilder gemalt oder sogar neu angefertigt werden. Anfangs auf Holztafeln, lieferte das Schilderwerk Beutha in den 60er-Jahren endlich emaillierte Blechschilder nach „Reichsbahn-Norm“. Betroffen von der Umbezeichnung waren auch die über 200 Dampflokomotiven der beiden Bahnbetriebswerke am Hauptbahnhof und in Hilbersdorf. Eine Ausnahme bildeten die Güterzuglokomotiven des Bw Hilbersdorf, von denen nur ganz wenige mit dem Doppelnamen „Bw Karl-Marx-Stadt Hilbersdorf“ beschriftet wurden. Die meisten Lokomotiven trugen auch weiterhin die Anschrift „Bw Hilbersdorf“. Das änderte sich erst mit der Zusammenlegung beider Bahnbetriebswerke und der Bildung des Bw KarlMarx-Stadt im Jahr 1968, wo der Lokbestand immerhin 230 Maschinen betrug. Ein Teil der Lokomotiven kam von den Einsatzstellen Freiberg und Pockau-Lengenfeld zum Einsatz, wo die Dienststellengebäude nun auch den Zusatz „Bahnbetriebswerk Karl-Marx-Stadt“ trugen.
Von Karl-Marx-Stadt zu Chemnitz
Vor und nach der Umbenennung: Diesellok 118 701 mit Eilzug Leipzig – Cranzahl am Stellwerk 2 in Karl-Marx-Stadt Hauptbahnhof, 1985 (großes Bild); Ellok 156 001 mit D-Zug München – Dresden am Stellwerk 2 in ChemRainer Heinrich (2) nitz Hauptbahnhof, 1993 (kleines Bild)
Ebenso fand sich der Name auf den Wagen der Schmalspurbahnen in Oberwiesenthal, Jöhstadt, Thum, Grünstädtel, Eppendorf und Sayda, deren Heimat-Wagenwerk in KarlMarx-Stadt saß. Gleiches galt für mehr als 600 normalspurige Reisezugwagen. Wie man einen dreiteiligen Namen noch komplizierter gestalten kann, bewiesen die
moderne Bahnhofshalle erhielt, kam der Name ein weiteres Mal zur Geltung. Blickfang in der Halle war der Schriftzug „Karl-MarxStadt“ in zwei Meter großen Leuchtbuchstaben, verteilt an der Hauswand entlang der Bahnsteiggleise 1-10. Nicht jeder Eisenbahner mochte sich übrigens mit dem verordneten Namen identifizieren; ein Chemnitzer blieb
Im Mai 1990 stimmte der Stadtrat für „Chemnitz“; im September schloss die DR die Umbenennung ab Chefs in den obersten Etagen der DR und der DDR-Partei- und -Staatsführung, als sie dem Reichsbahnausbesserungswerk (Raw) Chemnitz am 9. Juni 1951 den Namen des ersten Präsidenten der DDR verpassten. Es hieß nun Raw „Wilhelm Pieck“ Karl-Marx-Stadt. Als der Hauptbahnhof von Karl-MarxStadt in den Jahren 1972 bis 1975 eine neue, BAHN EXTRA 6/2012
eben ein Chemnitzer, und unter den sächsischen Eisenbahnern verschwand der ursprüngliche Name der Stadt eigentlich nie.
... und wieder zurück Die politische Wende in der DDR stellte dann zwar für die Rückbenennung von Karl-MarxStadt in Chemnitz die Weichen. Doch ganz so
überwältigend schien nach 37 Jahren der Wille zum ursprünglichen Namen nicht gewesen zu sein. Bei einer Bürgerbefragung im April 1990 votierten ganze 57,8 Prozent der Stimmberechtigten für die Rückbenennung in Chemnitz. Ein Wert, der vielleicht durch den hohen Anteil junger Leute bestimmt war, die in Karl-Marx-Stadt geboren und mit diesem Namen aufgewachsen waren. Am 30. Mai 1990 stimmte der Karl-Marx-Städter Stadtrat mit 65 gegen elf Stimmen für den alten Namen. Bei der Reichsbahn ging die wiederum umfangreiche Umbenennung schnell vonstatten. Bereits im September 1990 war die Umbezeichnung der Bahnhöfe abgeschlossen, trugen Stellwerke, Lokomotiven und Wagen wieder den alten Namen. Der Schriftzug in der Bahnhofshalle ist übrigens mittlerweile verschwunden. Zeitweise prangte dort Werbung. Für die Kunstsammlungen Chemnitz etwa oder auch für die Bild-Zeitung. Rainer Heinrich/GM 35
Umbruch 1990/91
Der Güterverkehr bis 1993
Auf dem absteigenden Ast
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Güterverkehr
Vor der Wende war die Reichsbahn der wichtigste Güterverkehrsträger der DDR. Nach der Wende, erst recht mit Wirtschafts- und Währungsunion, knickte die Nachfrage ein. Es begann der drastische Niedergang
Nagelneue Autos transportiert eine Diesellok 232 im August 1992 über die Göltzschtalbrücke (Strecke Hof – Reichenbach). Die Autofirmen aus dem Westen zählen zu den wenigen neuen Güterkunden der Reichsbahn. Viele andere sind dagegen weggefallen, trotz umfangreich zugeschnittener Transportangebote (kl. Abb.) G. Wagner (gr. Bild), Slg. O. Strüber (kl. Bild)
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Umbruch 1990/91
Eine Ellok der Baureihe 143 schleppt 1993 einen Kesselwagenzug bei Falkenhagen nahe Berlin. In diesem Jahr erbrachte die DR nur noch 52,1 Millionen Zugkilometer im Güterverkehr – im Vergleich zu 1978 weniger als ein Drittel. Unten: DR-Information von 1989
ie Deutsche Reichsbahn konnte sich rühmen, bis zu 75 Prozent aller Gütertransporte innerhalb der DDR auszuführen. Das war nicht ihr Verdienst; ohnehin stöhnten die Eisenbahner unter der gewaltigen Belastung ihrer Leistungskraft sowie der ihrer Anlagen und Fahrzeuge. Denn die Investitionen in die Strecken, Rangierbahnhöfe und Ortsgüteranlagen entsprachen keineswegs dem Volumen der Transporte. Die Gütermenge der Kennziffer Beladung wurde von der Staatlichen Plankommission im Ministerrat verfügt. Zuletzt ging es vor allem darum, das Kontingent des Kraftstoffverbrauchs einzuhalten und auch mit den Ressourcen im Güterkraftverkehr (Fahrzeuge, Reifen, Ersatzteile, Instandsetzung) auszukommen. Grundsätzlich galt: Transportweiten über 50 Kilometer gehörten zur Reichsbahn.
D
Absturz nach 1989 Der Einbruch kam mit der Wende. Im Jahr 1989 transportierte die Deutsche Reichsbahn 325,3 Millionen Tonnen Gut bei 13.762 Kilometer Betriebslänge (zum Vergleich: Deutsche Bundesbahn 300 Millionen Tonnen bei 27.000 Kilometer Betriebslänge). 1990, im Jahr der Wiedervereinigung, aber noch getrennter Bahnen, sank die Menge des frachtpflichtigen Güterverkehrs der Reichsbahn auf knapp 224 Millionen Tonnen. Die Weisungen der zentralen Planung galten nicht mehr, sondern die Regeln der Marktwirtschaft. Spätestens mit der Währungsunion organisierten viele Betriebe den Transport selbst. Statt Kohlen wurden Erdöl und Erdgas verfeuert, Konsumgüter von Speditions-Lkw transportiert. Die – vorübergehende – Konjunktur der Generalvertretungen begann, deren ehemalige Mitarbeiter von Reichsbahndirektionen und Reichsbahnämtern in den Firmen um 38
Versand und Empfang auf dem Schienenweg buhlten. Es nützte nichts. Auch die Eisenbahner auf den Stellwerken und Lokomotiven spürten es rasch: Der sonst dichte Verkehr der Kohlen-, Baustoff- und Leerwagenzüge war im Schwinden. Wo man hinsah: abgestellte Güterwagen, ansonsten leere Gleise. Immerhin hatte die Reichsbahn im gesamten Güterverkehr noch einen Anteil von 50 Prozent. Er sollte, wie bei der Bundesbahn, auf 17 Prozent sinken. 1991 wurde nur die Hälfte der Güter transportiert: 119 Millionen Tonnen. 1992 und 1993 waren es wieder weniger: 96 bzw. 82,6 Millionen Tonnen. Zum 1. Januar 1994 waren die beiden großen deutschen Bahnen fusioniert, wurden keine getrennten Ergebnisse mehr veröffentlicht, aber von den wenigen 17 Prozent rappelte sich die Deutsche Bahn AG nicht mehr auf. Der Abschwung des Güterverkehrs ließ sich nicht allein in Zahlen, sondern auch sonst
dorf oder Ruhland zu lösen. Als der Rückgang des Güterverkehrs abzusehen war, wurde das Projekt Rationalisierter Zustand des Jahres 2000 („RZ 2000“) geboren. Die Hauptabteilung Betrieb unter Leitung von Peter-Götz Kienast erarbeitete Pläne, wie die Bahnanlagen, man sagte vornehmer: Infrastruktur, im Jahr 2000 aussehen sollten. Mit anderen Worten: Der Abbau von Gleisen und Weichen, die Stilllegung von Stellwerken und Bahnhöfen nach dem Muster der Bundesbahn wurden geplant. Dazu mussten die Abteilungen Personen- und Güterverkehr ihre Erwartungen mitteilen. Die waren ernüchternd.
Beispiel Berlin-Wuhlheide Zum Beispiel Berlin-Wuhlheide Rbf: 1988 entschied das Ministerium für Verkehrswesen, diesen Rangierbahnhof im Osten Berlins als
1989 transportierte die DR 325,3 Millionen Tonnen Güter, 1993 nur noch 82,6 Millionen Tonnen feststellen. Die Anlagen verwaisten, Güterabfertigungen wurden geschlossen oder vermietet, Ortsgüteranlagen aufgegeben und später abgerissen.
Niedergang der Rangierbahnhöfe Stumme Zeugen dieser fragwürdigen Entwicklung (und Verkehrspolitik) waren die Rangierbahnhöfe. Die Deutsche Reichsbahn hatte weit über 60 mit Zugbildung und -auflösung von Fernzügen. Zu viele, wie Fachleute meinten, aber der technische Rückstand der großen Bahnhöfe erlaubte es nicht, sich von diesen Anlagen beispielsweise in Neudieten-
Hochleistungsbahnhof auszubauen mit einer Ablaufleistung von täglich 4.000 bis 5.000 Wagen. Zusätzlich sollten hier ein Bahnbetriebswerk, eine Reparaturstelle für Güterwagen und Großcontainer, eine Güterwagenwäsche, eine Regulierungsanlage und Sozialgebäude entstehen sowie technische Dienststellen ihren Sitz erhalten. Noch am 31. März 1992 beauftragte die Hauptverwaltung der Reichsbahn, die Vorplanung für den Ausbau einzuleiten, für einen Wagenausgang von 3.000 Wagen! Gebaut werden sollte von 1998 bis 2005. Doch während sich die Reichsbahndirektion Berlin damit beschäftigte, teil-
Slg. Oliver Strüber
Heiko Focken
Eine „Taigatrommel“ (Diesellok-Reihe 120) verdingt sich Anfang der 90er-Jahre an einem Ablaufberg im Raum Dresden. Mit dem sinkenden Güteraufkommen verwaisten die Rangierbahnhöfe der DR recht Heiko Focken schnell
Die Reichsbahn, Teil des internationalen Güterverkehrs: Zu den inländischen Transportaufgaben kommen noch Leistungen ins Ausland, Slg. Oliver Strüber etwa die Schnellgüterzüge TEEM (Stand 1988/89)
te die Hauptabteilung Güterverkehr mit, der Rangierbahnhof werde vom 10. Januar 1994 an nicht mehr benötigt. Der 10. Januar 1994 – jetzt lag der Betrieb in Händen der Deutschen Bahn AG – brachte einen zwischenzeitlichen Fahrplanwechsel für Güterzüge, weil das vorgesehene Volumen nicht benötigt wurde. Nach diesem Tag wurden auch andere Berliner Rangierbahnhöfe, wie Pankow und Schöneweide samt Bahnbetriebswerken, stillgelegt; ihre Gleise dienten zum Abstellen von Wagen und Zügen, das Gelände verkam allmählich zur Brache. Der kleine Rangierbahnhof Berlin Nordost reichte für die Zugauflösung und -bildung völlig aus. Er blühte 1996 auf, als die einst stark bedrängten Berliner Rangierbahnhöfe Wuhlheide, Schöneweide, Pankow und auch Wustermark aufgegeben worden waren. Nordost kam (und kommt) noch nicht einmal auf ein Zehntel des Volumens der genannten stillgelegten Bahnhöfe.
Beispiel Schlauroth Andernorts sah es nicht besser aus. Der 1909 in Betrieb genommene Verschiebebahnhof Schlauroth bei Görlitz bewältigte zu Zeiten der Sowjetischen Besatzungszone bzw. der DDR die Zugbildung nach Bautzen, Dresden-Friedrichstadt, Karl-Marx-Stadt-Hilbersdorf, Hoyerswerda, Cottbus, Weißwasser und Zittau; bis 1989 waren hinzu gekommen Wegliniec (KohlBAHN EXTRA 6/2012
Allenthalben stellt die DR nicht mehr benötigte Fahrzeuge ab: In Zilly an der 1970 stillgelegten Nebenbahn Hessen – Heudeber-Danstedt Martin Weltner warten 1990 Güterwagen auf bessere Zeiten
furt) über Horka, Hradek nad Nisou (Grottau) über Zittau, Senftenberg Süd, Niesky und Löbau (Sachs). Etwa jede Stunde verließ ein Zug den Bahnhof, der 1978 als erster Rangierbahnhof Dreikraftbremsen erhielt, um den Mangel an Hemmschuhlegern auszugleichen. Bis 1995 sollte die Strecke Dresden – Görlitz elektrifiziert werden. Das hatte auch Bundespräsident Richard von Weizsäcker bei einem Besuch in Görlitz versprochen. Man erwartete ein Anwachsen der Verkehrsströme in Richtung Polen auf dem Schienenweg; vom Personal des Bahnhofs wurden Leistungssteigerungen erwartet. Das Gegenteil war dann der Fall. Es gab weder Elektrifizierung noch Verkehrszunahme. Aus dem Rangierbahnhof wurde 1992 ein Knotenbahnhof, der 17 Satelliten bediente. Als „Fernzugbildung“ blieb lediglich noch die nach Dresden-Friedrichstadt. Schließlich wurde am 10. Januar 1994 der Bahnhof stillgelegt. Seine letzten Aufgaben gingen auf den Knotenbahnhof Bautzen über, der ebenfalls bald ohne Güterverkehr sein sollte.
Beispiel Nordhausen Schnell kam der Abgesang auch nach Nordhausen, einst bedeutender Verteiler- und Sammelbahnhof im Reichsbahndirektionsbezirk Erfurt. Im täglichen Durchschnitt wurden 44 Güterzüge aufgelöst und 47 gebildet. Al-
lein der VEB Kieswerke versandte täglich rund 5.900 Tonnen. Fünf Rangierlokomotiven waren eingesetzt, auch für die sieben Anschlussbahnen, die täglich etwa 400 Güterwagen aufnahmen bzw. abgaben. 1987 belief sich der Wagenausgang des Bahnhofs auf 1.162 Wagen täglich. Seit 1969 verkehrte ein Containerzug mit Flaschen zwischen dem Glaswerk Großbreitenbach und der Spirituosenfabrik in Nordhausen, die für ihren „Doppelkorn“ bekannt war. Hinzu kamen Containerzüge zwischen dem IFA-Motorenwerk und dem Automobilwerk in Ludwigsfelde. Infolge der eingestellten Kaliförderung in allen fünf Nordthüringer Kaliwerken, des Rückgangs der Zementproduktion, des Endes anderer Industriezweige, der Energieumstellung bei Verzicht auf die Braunkohlenfeuerung wurde rasch gewiss, dass die Rangieranlagen in Nordhausen nicht mehr benötigt werden. Die Gleisbremsanlage wurde reduziert und schließlich am 24. Mai 1998 stillgelegt, die Ostseite im Rangierbetrieb nicht mehr genutzt und auf die Ausfahrgleise 30 bis 38 der Westseite in Richtung Sangerhausen verzichtet. So brauchte man auch nicht mehr die beiden Stellwerke „Nzo“ und „Nro“.
Güsten und Magdeburg-Buckau In Güsten, dem in Mitteldeutschland zentral gelegenen Rangierbahnhof, fuhren durchge39
Umbruch 1990/91
Slg. Oliver Strüber
Auch auf Schmalspurbahnen lief der Frachtverkehr: Auf der Strecke Oschatz – Mügeln hat 1989 eine sächsische IV K Rollwagen mit NorRudolf Heym malspur-Güterwagen am Haken; links: DR-Info von 1989
hend allein für die Auflösung und Bildung der Güterzüge zwei Rangierlokomotiven. Weil die Leistung der Bahnhofsanlage nicht ausreichte, wurde 1983 ein neuer Bahnhof für täglich 5.000 Wagen Bergleistung konzipiert. Ehe es zu einem Projekt und dieser Investition kam, hatte sich alles erledigt. Seit 1. Juni 1991 kamen nur noch zwei Nahgüterzüge von
Bahnhof und mit ihm das einstige Reichsbahnausbesserungswerk stillgelegt.
Keine Unterstützung Alle fünf Beispiele zeigen: Das Hinscheiden der Rangierbahnhöfe begann in den letzten drei Jahren der Reichsbahn, 1990 bis 1993. Daran änderten die Beschwörungen, die „Bahnreform“ werde mehr Güter auf die Schienen bringen, nichts, weil die Verkehrspolitik der Bundesregierung, sofern es eine solche überhaupt gab, den Straßenverkehr
Ausbaupläne für Rangierbahnhöfe wurden nach 1990 schnell ad acta gelegt; es fehlte der Bedarf Aschersleben an, danach folgten die Schließung von Dienstposten und des Bahnbetriebswerkes sowie die Stilllegung von Gleisen und Strecken. Täglich rund 90 Züge bildete der Rangierbahnhof Magdeburg-Buckau, der viele Anschlussbahnen großer Industriebetriebe und Kombinate im Südosten der Stadt versorgte. Doch bereits seit 1980 sank infolge der Ganzzüge die Zahl der über die Ablaufberge rollenden Wagen. Nach 1990 konnte der Bahnhof aufgegeben werden, der andere Rangierbahnhof im Magdeburger Norden, Rothensee, genügte. Bis zum 28. Februar 1998 waren der 40
förderte. Es blieb bei Phrasen vom Verkehrszuwachs auf den Schienensträngen. Das verdeutlichen die Bilder der verlassenen Rangierbahnhöfe an vielen Orten des Reichsbahn-Gebiets. Auch prominente Rangierbahnhöfe wie Dresden-Friedrichstadt (er war bis 1990 entsprechend der Leistung der größte der Deutschen Reichsbahn) und LeipzigEngelsdorf spürten den Rückgang des Aufkommens aufzulösender und zu bildender Züge. Fuhr die Reichsbahn 1978 rund 284 Millionen Zugkilometer, davon 121,5 Millionen Kilometer Reise- und 162,5 Millionen Kilo-
Güterverkehr im Großraum Leipzig: 242 105 ist mit einem Schüttgutzug bei Lobstädt unRalph Lüderitz terwegs
meter Güterzüge, so waren es in ihrem letzten Betriebsjahr 1993 zwar noch mehr als 223 Millionen Zugkilometer, aber nur 52,1 Millionen Zugkilometer für Güterzüge. Den Rest, 171 Millionen Zugkilometer, brachte die Zunahme des Reisezugverkehrs. Über fast sämtliche Anlagen der Rangierbahnhöfe und ihrer Anschlussbahnen sind inzwischen Gras und andere Pflanzen gewachsen. Blühende Landschaften, aber im botanischen Sinne, nicht, wie einst von Bundeskanzler Helmut Kohl in Aussicht gestellt, in wirtschaftlicher Hinsicht. Dafür rollte und rollt der Güterverkehr auf den Straßen und Autobahnen wie nie zuvor. Erich Preuß/GM
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Mit der Baureihe 120 fingen die „West-Besuche“ an. Über Probstzella kam eine der Drehstrom-Elloks 1990 zu Testzwecken zur Reichsbahn. Aber Rolf Schierer erst 1992 war die 120 auch planmäßig bei der DR zu sehen; hier im Bild mit einem IC-Zug, wiederum in Probstzella
Erste DB-Lokomotiven bei der DR
Gäste aus dem Westen Ab 1990 kamen Bundesbahn-Lokomotiven über die Grenzbahnhöfe hinaus auf ReichsbahnGebiet – der Lokwechsel an oder nahe der Grenze entfiel. Dafür wurden auch Lokführer der Reichsbahn auf Bundesbahn-Maschinen ausgebildet okomotiven der Deutschen Bundesbahn auf Gebiet der Deutschen Reichsbahn – ganz neu war dieses Phänomen nicht. Selbst Elloks waren in den 80er-Jahren durchaus „Stammgäste“, freilich aber nur auf einem einzigen kurzen Abschnitt an der Grenze und nur deshalb, weil der Lokwechsel zwischen DB und DR auf Reichsbahn-Gebiet geschah. In Probstzella brachte die DB-Lok den Zug wenige Kilometer über die Grenze und wartete unter strenger Aufsicht auf die Rückleistung. Mit dem Mauerfall und der verstärkten Kooperation von DB und DR änderte sich das rasch. Dieselloks kamen bereits kurz nach der Grenzöffnung sporadisch ins ReichsbahnNetz. Ab dem Frühjahr 1990 gab es dann richtige Diesel-Planleistungen. DB-216 bespannten Züge von Bebra bis Erfurt und Gera, nach
L
Noch vor den Elloks liefen DB-Dieselloks bis in DR-Gebiet durch. In Fröttstädt in Thüringen ist eine DB-216 mit einem Personenzug Ralph Lüderitz unterwegs
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DB-Loks auf DR-Gebiet
Am Ende eines Güterzuges rollen im Oktober 1993 die DB-Elloks 150 039 und 001 durch Saalfeld, möglicherweise mit Ziel Raw Dessau (l., Bild in Saalfeld). Bei Schulungsfahrten im Raum Halle (Saale) kombiniert man die DB-103 unter anderem mit der DR-211 (r.) Thomas Wunschel (l.), Eckhard Ebert (r.)
STICHWORT DER UMGEKEHRTE WEG: REICHSBAHN-LOKS BEI DER DB
S
o, wie DB-Maschinen in DR-Gebiet durchliefen, fuhren umgekehrt auch DR-Maschinen ins DB-Netz. Im Raum Hof wurden dafür zum Beispiel ab 1990 Reichsbahner ausgebildet, die dann unter anderem mit Dieselloks der Baureihe 132 bis Regensburg fuhren. Für Reichsbahn-Loks sollte es aber bei der Bundesbahn noch größere Verwendung geben. Die DB litt Anfang der 90er-Jahre unter einem Fahrzeugengpass, während umgekehrt die DR Lokomotiven mangels Bedarfs abstellen musste. Da lag es nahe, diese Maschinen an die DB zu vermieten. Am 4. Januar 1991 erhielten die Bahn-
Nordhausen kamen 212 und 216 der DB über Ellrich. Auch in Magdeburg und Bad Kleinen waren regelmäßig DB-Dieselloks zu sehen. Dabei handelte es sich ausschließlich um Reisezugleistungen. Die Güterzüge wurden nach wie vor an den Grenzbahnhöfen umgespannt.
Lückenschlüsse und Lokeinsätze Anfang 1990 leiteten DB und DR auch den Wiederaufbau einiger unterbrochener Verbindungen in die Wege. Ebenso begann der Ausbau der vorhandenen Verbindungen. Das brachte weitere Gäste aus dem Westen auf Reichsbahn-Gebiet. Dabei war die Strecke nach Sonneberg gleich elektrifiziert worden, so dass dort DB-Elloks von 1991 an in das Netz der DR fuhren. Eine Verbindung zum übrigen elektrischen Netz der DR bestand allerdings nicht. Über die ebenfalls wieder aufgebaute Verbindung Rentwertshausen – Mellrichstadt kamen unter anderem Dieseltriebwagen von Bundesbahn- auf Reichsbahn-Gebiet. In den Folgejahren sollten sich die Leistungen häufen. Mitte 1993 wurde der elektrische Lückenschluss zwischen Braunschweig und Magdeburg / Berlin geschafft, es folgten Erfurt – Bebra, Nordhausen – Eichenberg und Camburg (Saale) – Probstzella. Die Lückenschlüsse und die bevorstehenden Durchläufe BAHN EXTRA 6/2012
betriebswerke Mannheim 1 und Dortmund die ersten von in der Summe 50 Elloks der DR-Reihe 243, die umgehend im Nahverkehr zum Einsatz kamen. Auch Elloks der Baureihe 250 gingen in den Westen. Felix Walther
Zu einem Lokzug gereihte DR-143 warten in Erfurt 1991 auf die Überführung zur DB Volker Emersleben
der Maschinen machten die Ausbildung der DR-Lokomotivführer auf DB-Elloks notwendig. Die Ausbildung wurde zuerst in Halle (Saale) begonnen und wurde auch von hier aus zum größten Teil durchgeführt. Anfangs war aber nicht klar, ob auch alle DB-Loks auf dem DR-Netz einsetzbar waren. Zu Testzwecken überstellte man deshalb am 12. Oktober 1990 eine DB-Ellok der Baureihe 120 zum elektrischen Netz der DR. Die Maschine kam von München und wurde zu-
DB-Ellok-Baureihen 103 und 110 (zu Schulungszwecken) in Halle ein. Einige Monate später tauchten die 140, 150 und 151 auf. Die 103 bespannten zuerst Nahverkehrszüge nach Dessau und Wittenberg, dann ebenfalls nach Erfurt. Die 150, 151 und 140 waren vor Nahverkehrszügen nach Eichenberg und Erfurt zu finden. Die planmäßige Zuglok war stets mit am Zug, was interessante Bespannungen zur Folge hatte: DB 103 + DR 211/242, DB 110/140 + DR 250/243 oder DB 150/151 +
Bei den Schulungsfahrten kam es zu interessanten Bespannungen mit Elloks der DR und der DB sammen mit einem Messwagen von einer DR132 von Probstzella über die Saalebahn geschoben. Ihr Ziel war Halle (Saale), wo mit ihr die Verträglichkeit des Drehstromantriebes mit der dezentralen Bahnenergieversorgung der DR untersucht wurde. Die Messfahrten fanden im Raum Schwerin (Meckl.) statt.
Schulung und Ausbesserung Die Drehstromlok kam erst später in den neuen Bundesländern zum Einsatz, derweil fanden sich Anfang 1993 die konventionellen
DR 243. Daneben weilten Sonderfahrzeuge für Sonderzugleistungen im Reichsbahnland, beispielsweise der „Gläserne Zug“ 491 001 und E 18 047.
Instandsetzung in Dessau Seit Februar 1991 nahm das Reichsbahnausbesserungswerk Dessau auch Instandsetzungen an DB-Loks der Baureihen 110, 140 und 150 vor. Die Kooperation im Betriebsmaschinendienst gewann sozusagen an Fahrt. Eckhard Ebert/Ralph Lüderitz 43
Bilderbogen
Dampfloks bei der DR
Feuer – Wasser – Kohle ... heißt ein 1988 in der DDR erschienenes Buch über Dampflokomotiven. Die Hauptdarsteller des bekannten Werkes haben damals keine große Zukunft mehr. Den letzten normalspurigen Maschinen steht das Dienstende bevor, nur einige Schmalspurbahnen will man erhalten. Dann kommen die Wende und Eisenbahnfans aus dem Westen, die eine kleine Renaissance initiieren
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Die Erzgebirgsstrecke Schlettau – Crottendorf wird in den 80er-Jahren zu einem Refugium der Baureihe 86. Im Mai 1986 bringt 86 1501 einen Personenzug nach Dirk Höllerhage Crottendorf
Dampfhochburgen In den letzten Jahren schrumpft das Einsatzgebiet der Normalspur-Dampfloks auf Regionen in Sachsen und SachsenAnhalt zusammen. Orte wie Nossen oder Halberstadt bekommen fast den Stellenwert von Pilgerorten
Halle an der Saale zählt nicht mehr unbedingt zu den Dampflok-Mekkas im Regeldienst, aber dort gibt es die Versuchs- und Entwicklungsstelle Maschinenwirtschaft (VES-M) mit ihren Versuchsloks. Am 23. Mai 1984 zeigen sich die Stars Gert Schütze der Szene im Bw Halle P, kurz darauf geht 02 314 in den Westen
Auf sächsischen Magistralen haben Reko-Dampfloks der Baureihe 50.35, unter anderem des Bw Nossen, im Mai 1986 noch ihr Auskommen. 50 3536 fährt mit P 7768 nach Großbothen aus Döbeln Hauptbahnhof aus D. Lindenblatt
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Am 1. Februar 1991 fährt 99 7244 mit ihrem Personenzug in den Bahnhof Straßberg ein. Auf den Tag genau zwei Jahre später wird die neu gegründete Harzer Schmalspurbahnen GmbH Strecken, Fahrzeuge und Personal des Meterspurnetzes übernehmen. Der erste Übergang einer Schmalspurbahn von der Reichsbahn in nichtstaatliche Regie Georg Wagner
Dampflokführer und Heizer, zwei aussterbende Berufe? Nicht bei den Meterspurbahnen im Harz! Dort sind unter anderem die NachkriegsNeubauloks der Reichsbahn zu Hause und verlangen fachgerechte Volker Emersleben Handhabung
Seit 1976 ist der „Molli“, die 900-Millimeter-Strecke zwischen Bad Doberan und dem Ostseebad Kühlungsborn, in der Denkmalliste des Bezirks Rostock enthalten. Ein Argument dafür liefert allein schon die faszinierende Ortsdurchfahrt in Bad Doberan, die im Juli 1985 noch durch das parkende Auto vom Typ IFA F9 gewinnt. Kaum zu glauben: Fünf Jahre später wird die DDR Geschichte sein, zehn Jahre später der Dampfzug für einen gemischtwirtschaftlich-kommunalen Betreiber fahren J. Schulze/Slg. Gert Schütze
Kulturgut Schmalspurbahn Offiziell für Tourismus und zur Kulturerhaltung, tatsächlich aber wegen der wirtschaftlichen Notwendigkeit bleiben mehrere Schmalspurbahnen in der DDR erhalten. Auch der Dampfbetrieb besteht dort weiter, sogar über Wende und Wiedervereinigung hinaus BAHN EXTRA 6/2012
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Eine Reihe normalspuriger Dampfloks hat die Reichsbahn nach dem Dampf-Abschied als „Traditionsloks“ weiter gepflegt. Mit den Plandampffahrten kriegen sie Anfang der 90er-Jahre verstärkt Auslauf: Am 9. Oktober 1993 darf sich Lok 38 1182 im thüringischen Kahla mit Zug Bernd Oliver Sydow N 15107 beweisen
Die Dampflok mag aus dem Plandienst verschwunden sein, die Infrastruktur für Dampflokfahrten bleibt vielerorts erhalten. Wasserkran im Bahnhof Oberhof in Thüringen, Februar 1991 Thomas Wunschel
Das Ende und die Wende Niemals geht man so ganz – die Zeile eines West-Schlagers könnte auch für das Ende des Normalspurdampfbetriebs gelten. Am 29. Oktober 1988 wird offiziell die letzte Dampflok verabschiedet. Doch Dampffahrten gibt es auch danach. Und dann ist da der „Plandampf“, der manches wiederbelebt
Der (vermeintliche) Abschluss: Am 29. Oktober 1988 wird mit 50 3559 die offiziell letzte Dampflok auf dem Reichsbahn-Normalspurnetz eingesetzt. Geschmückt zeigt sie sich auf der Drehscheibe in Thale den FotograChristian Gloel fen und Eisenbahnfreunden
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ltner Slg. Martin We
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Im Güterverkehr der späten DDR waren Reko-52er eine wichtige Stütze. Im Oktober 1991 darf eine der überarbeiteten Kriegsloks wieder ans Werk: Die Schöneweider 52 8087 hat einen Zug mit Schüttgutwagen am Haken, hier zwischen Brandenburg und Magdeburg bei Burg J. Högemann
Dampf-Spender Das „Plandampf“-Prinzip ist so einfach wie genial. Eisenbahnfreunde sammeln Geld und gleichen mit ihren Spenden die höheren Aufwendungen für die Dampftraktion aus. Prompt lässt die Reichsbahn einige Planzüge mit Dampfloks rollen
Anfang 1993 kehrt die Baureihe 95 in den Thüringer Wald zurück. In Probstzella wartet 95 1016 auf den nächsten Einsatz – ungefähr so, wie es die bullige Tenderlok und ihre Schwestern bis Dirk Höllerhage 1980 im Plandienst taten
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Dampf-Spender
Am 6. Oktober 1993 ist E 4213 ein Eilzug mit Premiumbespannung: Das stolze Rennpferd 03 2204 steht bereit, um die Wagen aus Leipzig Hauptbahnhof hinaus zu beschleunigen Bernd Oliver Sydow
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Fahrzeuge und Betrieb
Die Schmalspurbahn Wolkenstein – Jöhstadt
Abschied auf Zeit Die Preßnitztalbahn von Wolkenstein nach Jöhstadt im Erzgebirge war bei Eisenbahnfreunden weit über die Grenzen der DDR hinaus bekannt. Anfang der 80er-Jahre verging kaum ein Tag, an dem nicht Fotografen die 750-Millimeter-Strecke samt ihrer sächsischen IV-K-Dampfloks besuchten. Aus gutem Grund: Der 22,95 Kilometer langen Stichbahn drohte die Stilllegung
Rangierfahrt auf dem Bahnhof Jöhstadt am 16. April 1983. Der öffentliche Güterverkehr war hier damals schon eingestellt Wolf-Dietger Machel
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Schmalspurbahn Wolkenstein – Jöhstadt igentlich hätte sie ja schon gerettet sein müssen. Denn als der Minister für Verkehrswesen, Otto Arndt, 1973 zu den Schmalspurbahnen der Reichsbahn Stellung nahm, bekam die Strecke Wolkenstein – Jöhstadt durchaus Wertschätzung. Die„Vorlage für die Dienstbesprechung des Ministers zur Perspektive der Schmalspurbahnen der DR“, die Arndt am 17. September unterschrieb, enthielt einen Anhang, und dort stand für die Preßnitztalbahn unter der Spalte „Bedeutung für den Tourismus“ ein schlichtes „Ja“. In der eigentlichen Vorlage aber wurde festgelegt, mehrere Schmalspurbahnen bzw. -netze nicht – wie ursprünglich vorgesehen – zu schließen, sondern in das langfristig zu erhaltene Nebenbahnnetz aufzunehmen. Und bei dieser Aufzählung fehlte die Preßnitztalbahn. Verwunderlich, denn immerhin wurden auf der 750-Millimeter-Bahn 1972 insgesamt 190.895 Fahrgäste befördert, und der Güterverkehr brachte es auf stattliche 83.987 Tonnen Fracht. Hierbei hatte der Transport der in Niederschmiedberg auch für den Export in die Bundesrepublik Deutschland produzierten Kühlschränke den größten Anteil.
E
Mängel beim Oberbau Das Problem war ein anderes: Während sich die in den 60er-Jahren erneuerten Gleise zwischen Wolkenstein und Niederschmiedeberg noch in recht gutem Zustand befanden, hatte sich der Oberbau auf dem Abschnitt oberhalb von Niederschmiedeberg zusehends verschlechtert. Bereits 1972 waren von den für die Bahnunterhaltung auf der Preßnitztalbahn bilanzierten 17 Planstellen nur drei besetzt. Der DDR-weite Arbeitskräftemangel trug dazu bei, dass nur noch die Arbeiten am Oberbau ausgeführt wurden, die zur Betriebssicherheit unbedingt notwendig waren. So musste die zulässige Höchstgeschwindigkeit zwischen Niederschmiedeberg und Jöhstadt weiter herabgesetzt werden. Allein auf dem 4,2 Kilometer langen Abschnitt Niederschmiedeberg – Oberschmiedeberg betrug die Fahrzeit ab 1983 knapp 30 Minuten! Währenddessen gewann die Schmalspurbahn noch an Bedeutung. Zu Beginn der 80erJahre bekam die DDR die international stei-
genden Erdölpreise zu spüren, da die UdSSR den Rohstoff nicht mehr zu Vorzugspreisen lieferte. Daraufhin ordnete das Politbüro der SED eine groß angelegte Verlagerung möglichst zahlreicher Gütertransporte von der Straße auf die Schiene an. Davon profitierte ein letztes Mal auch die Preßnitztalbahn. Noch 1980/81 verlagerte die Deutsche Reichsbahn den Umschlag von 5.650 Tonnen Fracht auf den Gütertarifbahnhof Steinbach. Im Frühjahr 1982 musste die Hauptverwaltung der Wagenwirtschaft der Reichsbahn im Auftrag des Ministeriums für Verkehrswesen prüfen, ob die auf der Preßnitztalbahn eingesetzten Rollwagen für die Bedienung des Kühlschrankwerkes Niederschmiedeberg in Containertragwa-
Tagesfahrten mit der Eisenbahn (und der Schmalspurbahn) nach Jöhstadt an, vermutlich, um Kraftstoff zu sparen. Aber die Reichsbahn schien das Fahrplanangebot auf der Preßnitztalbahn bewusst unattraktiv zu halten; nur in wenigen Fällen gab es akzeptable Anschlüsse an die Personenzüge der Normalspurbahn in Wolkenstein, so dass sich die Nutzung der Schmalspurbahn dennoch in Grenzen hielt. Zudem war für den täglich einmal verkehrenden Eilzug Leipzig – Cranzahl in Wolkenstein kein Verkehrshalt vorgesehen. Etwa, um zusätzliches Fahrgastpotenzial für die Schmalspurbahn zu unterbinden? Die Entgleisung eines beladenen Rollwagens im Bahnhof Steinbach am 22. November
Schlechter Oberbau und Arbeitskräftemangel wurden der Schmalspurbahn zum Verhängnis gen umgebaut werden können. Die Container sollten dann in Wolkenstein zwischen Normalund Schmalspurwagen umgesetzt werden. Jedoch konnten die erforderlichen Investitionen – eingeschlossen die Aufstellung spezieller Krananlagen – aus Kapazitätsgründen nicht realisiert werden. Ebenso stieg das Fahrgastaufkommen im Reiseverkehr leicht an, und das nicht nur durch Eisenbahnfreunde. Die Zweigstelle Karl-Marx-Stadt des Reisebüros der DDR bot
1982 veranlasste die DR, den Abschnitt Niederschmiedeberg – Jöhstadt wegen des desolaten Oberbaus vom 24. November 1982 an für den öffentlichen Güterverkehr zu sperren. Indes stauten sich in Wolkenstein Normalspurgüterwagen für das Kühlschrankwerk in Niederschmiedeberg, da es an betriebsfähigen Rollwagen mangelte. Deshalb wurde ein Teil der für Niederschmiedeberg bestimmten Wagen vorübergehend in Wolkenstein entladen.
Auf dem Weg zur Stilllegung
Die Strecke Wolkenstein – Jöhstadt in der Slg. Rico Oehme Kursbuchkarte von 1967
In einer aktualisierten Konzeption des Ministers für Verkehrswesen vom Oktober 1983 zur Perspektive der Schmalspurbahnen bis 1990 heißt es: „Für die Strecke Wolkenstein – Jöhstadt ist der Verkehrsträgerwechsel vorzubereiten. Ab 1984 sind die Gütertransporte schrittweise zum CUP (Containerumschlagplatz; Anm.) Annaberg-Buchholz zu verlagern. 1985 ist der Reisezugverkehr einzustellen und die Strecke danach abzubauen.“ Inzwischen setzte die Reichsbahndirektion Dresden alle Hebel in Gang, um zumindest die Betriebsführung auf dem oberen Streckenabschnitt Niederschmiedeberg – Jöhstadt loszuwerden. Während einer Besprechung mit den
IN KÜRZE DR-SCHMALSPURBAHNEN VON 1983 BIS 1993 Langfristig zu erhaltende Strecken bzw. -netze • Bad Doberan – Ostseebad Kühlungsborn West; Spurweite 900 Millimeter • Putbus – Göhren (Rügen); Spurweite 750 Millimeter • Wernigerode – Nordhausen (Harzquerbahn) und Drei Annen Hohne – Schierke (Brockenbahn); auf dem Abschnitt Schierke – Brocken bis 1987 noch Güterverkehr, 1991 wieder eröffnet, 1993 Übernahme durch die Harzer Schmalspurbahnen GmbH, Spurweite 1.000 Millimeter, • Gernrode – Alexisbad/Harzgerode Straßberg – Stiege/Hasselfelde – Eisfelder Talmühle (Selketalbahn); Abschnitt Straßberg – Stiege nach Demontage 1946 im Jahr 1984 wieder eröffnet, 1993 Übernahme durch die Harzer
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Schmalspurbahnen GmbH; Spurweite 1.000 Millimeter • Cranzahl – Kurort Oberwiesenthal; Spurweite 750 Millimeter • Freital-Hainsberg – Kurort Kipsdorf; Spurweite 750 Millimeter • Radebeul Ost – Radeburg; Spurweite 750 Millimeter • Zittau – Kurort Oybin/Kurort Jonsdorf; ab Mitte der 80er-Jahre wegen Braunkohlenabbau zur Stilllegung in den Jahren 1990 bis 1992 vorgesehen, jedoch nicht realisiert; Spurweite 750 Millimeter Für die Stilllegung vorgesehen bzw. stillgelegte Strecken bzw. -abschnitte • Wolkenstein – Jöhstadt; stillgelegt 1984 bis 1986, von 1993 bis 2000 als
Museumseisenbahn zwischen Jöhstadt und Steinbach wieder eröffnet; Spurweite 750 Millimeter • Oschatz – Mügeln – Kemmlitz; Stilllegung kam wegen hoher Bedeutung im Güterverkehr nicht zustande, seit 1993 Eigentum der Döllnitzbahn GmbH; Spurweite 750 Millimeter • Cottbus – Cottbus Flughafen; stillgelegt 1983 und Umbau auf Normalspur, Spurweite 1000 Millimeter • Schönfeld-Wiesa – Papierfabrik, stillgelegt 1985 und Umbau auf Normalspur; Spurweite 750 Millimeter • Wilischthal – Papierfabrik; stillgelegt 1991; Spurweite 750 Millimeter • Industriebahn Halle (Saale); stillgelegt 1991; Spurweite 1.000 Millimeter
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Im Oktober 1985 steht 99 1585 am Lokschuppen des Bw Wolkenstein. Die DR hat bereits erste Teile der Schmalspurbahn abgeDieter Lindenblatt baut
Im Herbst 1982 fasst 99 1585 in Steinbach Wasser; die sehenswerte Betriebssituation am Rudolf Heym, Wolf-Dietger Machel (Bild u.) Wasserhaus gibt es heute bei der Museumsbahn wieder
Rangierdienst am 16. April 1983 auf dem Bahnhof Wolkenstein mit der Lokomotive 99 1568. Normalspurwagen werden nach dem Transport auf der Preßnitztalbahn wieder abgerollt
Ersten SED-Kreissekretären von AnnabergBuchholz, Zschopau und Marienberg am 9. März 1983 verständigte man sich auf diese Strategie. Und im Dezember 1983 stimmte die Stadtverordnetenversammlung von Jöhstadt mit nur einer Stimme Mehrheit der Streckenschließung zu. Nach mehreren Anläufen gelang es der DR, den Reisezugverkehr zwischen Niederschmiedeberg und Jöhstadt am 13. Januar 1984 einzustellen. Obwohl der Termin nicht in der Öffentlichkeit bekannt gegeben wurde, fanden sich zu den letzten Zugfahrten neben etlichen Anwohnern zahlreiche Eisenbahnfreunde ein. Zudem war an diesem letzten Betriebstag aus Angst vor oppositionellen 54
Ausschreitungen ein großes Aufgebot an Mitarbeitern der Staatssicherheit präsent. Am 14. Januar 1984 verließ um 2:45 Uhr der letzte (Leer-)Reisezug den Bahnhof Jöhstadt.
Aber am 30. September 1984 war auch damit Schluss. Es verkehrten an diesem Tag die letzten planmäßig von IV-K-Lokomotiven bespannten Personenzüge der DR. Zugleich wur-
Am 30. September 1984 fuhr der letzte Reisezug; es war auch der letzte IV-K-Planreisezug der DR Zwischen Wolkenstein und Niederschmiedeberg hielt die Reichsbahn den Reisezugverkehr zunächst weiterhin aufrecht, als Zubringer zu den Zügen fuhren von und nach Jöhstadt Autobusse im Schienenersatzverkehr.
de der komplette Verkehrsträgerwechsel im Reiseverkehr vollzogen und das sogar ein knappes Jahr vor dem im Maßnahmeplan vom Oktober 1983 vorgesehenen Termin. Fortan gab es zwischen Wolkenstein und Jöhstadt eine nur
Stilllegung und Streckenabbau
mäßig ausgelastete Omnibuslinie des VEB Kraftverkehr Annaberg-Buchholz. Übrig blieb der weiterhin rege Güterverkehr zum Kühlschrankwerk Niederschmiedeberg. Im Verlaufe des Jahres 1984 versuchten Eisenbahn- und Heimatfreunde durch Eingaben an die „staatlichen Organe“, die Preßnitztalbahn doch noch zu retten. Daraufhin schlug das Ministerium für Verkehrswesen dem SEDWirtschaftssekretär Dr. Günter Mittag am 5. März 1984 vor, die Strecke entweder für einen Traditionsbetrieb notdürftig instand zu setzen oder dafür nur den Abschnitt Jöhstadt – Schmalzgrube vorzusehen. Doch sah man sich wegen der dramatischen Engpässe bei der DR BAHN EXTRA 6/2012
außerstande, diese Vorhaben in die Tat umzusetzen; alternativ war vorgesehen, „dafür den Verkehr auf der Strecke Cranzahl – Kurort Oberwiesenthal auszubauen.“ Weiter heißt es in einem Schreiben des Ministeriums für Verkehrswesen an den Vorsitzenden des Rates des Bezirks Karl-Marx-Stadt vom 18. Juli 1984: „Voraussetzung für die Realisierung dieser Variante ist aber, daß durch den Rat des Bezirkes mit den Eingebern, die sich an den Generalsekretär des ZK der SED, Genossen Erich Honecker, gewandt haben, einzeln vor Ort Gespräche geführt werden, (um) ... aufzuzeigen, daß aus gesamtvolkswirtschaftlichen Gründen auf einen Inselbetrieb verzichtet wird ...“ Damit wurden die
Initiativen, die Preßnitztalbahn doch noch zu retten, endgültig abgeschmettert. Der verbliebene Restbetrieb Wolkenstein – Niederschmiedeberg endete nach mehrmaligen Terminverschiebungen am 21. November 1986. Die endgültig letzte Fahrt fand am 5. Dezember 1986 statt, um einen Gepäckwagen in Niederschmiedeberg abzuholen.
Streckenabbau und Wiederaufbau Der Gleisabbau begann am 26. August 1985 in Jöhstadt, währte bis Ende November 1985 und wurde 1986 mit einem Abbauzug bis zum Kilometer 13,7 fortgesetzt. Im Jahre 1987 folgte der Rückbau bis zum Kilometer 11,265, 55
Fahrzeuge und Betrieb
Im Januar 1984 ist eine sächsische IV K mit Personen- und Güterwagen auf dem Weg von Wolkenstein nach Niederschmiedeberg. Die romantiCarl-Ernst Zimmer/Historische Slg. der DB AG sche Winterstimmung täuscht; der Zug befährt nur noch die Reststrecke
als Zuglok diente nun eine von der Gießerei Schmiedeberg (Kreis Dippoldiswalde) angemietete LKM-Diesellokomotive. Hubschrauber der Interflug flogen im November 1988 Brückenteile und Gleisjoche aus. Am 30. Juni 1989 wurde das Ende der Gleisdemontage und am 30. September 1989 auch der Bergung des letzten Brückenschrotts gemeldet. In verschiedenen Publikationen wird die Engstirnigkeit diverser Funktionäre aufgrund
übersehen werden, die letztlich dazu geführt hatte, dass die Strecke Wolkenstein – Jöhstadt überhaupt bis in die 80er-Jahre existierte. Bereits seit Anfang der 70er-Jahre fuhr die Reichsbahn auf Verschleiß. Die Wirtschaftskraft reichte nicht mehr aus, um die erforderlichen Baukapazitäten zum Erhalt des vorhandenen Zustandes selbst auf den Hauptstrecken bereitzustellen. Hinzu kam, dass ab 1986 jährlich auf 600 Kilometer alkaligeschädigte Be-
Bis 1989 wurde die Strecke komplett abgebaut; Eisenbahnfreunde errichteten später einen Teil neu der stalinistisch geprägten Diktatur hervorgehoben, die eine Überführung der Schmalspurbahn in das zu erhaltende DR-Nebenbahnnetz oder den Weiterbetrieb als eigenständige Traditionsbahn verhinderte. Daran mag einiges stimmen, zumal die Stilllegung im scheinbaren Widerspruch zu den damals massiv betriebenen Transportverlagerungen von der Straße auf Schiene steht. Doch darf dabei die Gesamtsituation der DDRWirtschaft und insbesondere der DR nicht 56
tonschwellen auf den Hauptstrecken ausgewechselt werden mussten. Außerdem bereitete der Betrieb der verbliebenen Schmalspurbahnen zunehmend Probleme. Es fehlte an Ersatzteilen für die Dampflokomotiven und erst recht an Kapazitäten für die gründliche und durchgängige Instandsetzung des Oberbaus. Unter diesen Bedingungen, die letztendlich zum Untergang der DDR beitrugen, ist durchaus nachzuvollziehen, dass leitende Mitarbeiter der DR größtes Interesse daran hat-
ten, die Preßnitztalbahn schnellstmöglich stillzulegen, zumal sie zu keiner Zeit zum langfristig zu erhaltenden Nebenbahnnetz zählte. So ganz wollten sich viele Eisenbahnfreunde mit dem Aus der Preßnitztalbahn aber nicht abfinden. Ende 1988 lagen auf dem Gelände des ehemaligen Bahnhofs Großrückerswalde noch Gleise, auf denen ein Gepäckwagen stand. Am 17. Oktober 1988 gründeten Schmalspurbahnfreunde aus der Region unter dem Dach des Kulturbunds der DDR die „Interessengemeinschaft Preßnitztalbahn“, um die Bahnanlagen und den Gepäckwagen als Museumsanlage auszubauen und zu pflegen. Nach der friedlichen Revolution in der DDR im Herbst 1989 änderte sich die Situation grundlegend. Im Oktober 1990 nahm ein neuer Vorstand seine Arbeit auf. Der harte Kern der nunmehrigen „IG Preßnitztalbahn e.V.“ favorisierte den Wiederaufbau der Schmalspurbahn bis Steinbach. Und tatsächlich gelang dieses anspruchsvolle Vorhaben bis zum Jahr 2000. Heute gehört die schmalspurige Preßnitztalbahn mit ihrer 7,8 Kilometer langen Strecke Jöhstadt – Steinbach zu den beliebtesten Museumsbahnen Deutschlands. Wolf-Dietger Machel
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Fahrzeuge und Betrieb
Aufgrund der guten Vorarbeiten kann die Reichsbahn in den 80er-Jahren die Elektrifizierung verstärkt angehen und wiederholt neue Abschnitte einweihen. Am 30. September 1989 werden in Cottbus 2.000 Kilometer elektrisch betriebene Strecke gefeiert, zusammen mit der Lieferung Wolfgang Hein/Historische Slg. der DB AG der 500. Serienlok der Baureihe 243; als Ehrengast ist Verkehrsminister Otto Arndt mit dabei (2. v. l.)
Der elektrische Betrieb der DR 1983–1993
Mehr Strecken unter Draht Um auf teure Erdölimporte verzichten zu können, betrieb die Reichsbahn in den 80er-Jahren mit Nachdruck die Elektrifizierung. Etliche neue Verbindungen kamen unter den Fahrdraht. Dann kamen die Wende und es galten andere Voraussetzungen lles in der Geschichte benötigt mehrere Anläufe, um sich durchzusetzen. Dann kommen der Aufstieg und danach der Verfall. Auch bei der Eisenbahn ist das oft so. Bei der Deutschen Reichsbahn hatten höchste staatliche Stellen Ende der 60erJahre einen Elektrifizierungsstopp verordnet. Das bedeutete das Aus für die erfolgreiche Epoche der Wieder- und Neuelektrifizierung,
A
In Sachsen fährt traditionsgemäß die Dresdner E 77 10 den Premierenzug auf neu elektrifizierten Strecken; die Werkstattfahrt mit geladenen Gästen ist ein Dankeschön an die am Bau beteiligten (leitenden) Eisenbahner und Bauleute. Am 26. Mai 1992 ist die E 77 auf dem Weg zur Eröffnung des Abschnitts Priestewitz – Ruhland, aufgenomRainer Heinrich men in Elsterwerda
der Traktionswandel musste mit Dieselloks fortgesetzt werden. Doch sowjetisches Erdöl wurde teurer und knapper. So setzte ein Umdenken in der Energiepolitik ein und die Elektrifizierung der Reichsbahn wurde zum staatswichtigen Vorhaben erhoben. Der einheimischen Braunkohle kam wieder eine bedeutendere Rolle zu. Intern, auch in den Führungsebenen der Reichsbahn, hatte man nichts vom Elektrifizierungsstopp gehalten. Es wurde einfach im Verborgenen weitergemacht. Neben kleineren Ergänzungsstrecken, die noch „ unter den Draht“ kamen, war es vor allen Dingen der wissenschaftlich-technische Vorlauf, der für eine künftige Elektrifizierung geschaffen wurde. Hier war es die Versuchs- und Entwicklungsstelle für die Maschinenwirtschaft der DR in Halle (Saale) – VES/M, in der Hervorragendes geleistet wurde. Denn zu einer Elektrifizierung gehört wesentlich mehr als „nur“ eine Fahrleitung über die Gleise zu spannen. Selbst das ist mit erheblichem Aufwand bereits im Vorfeld verbunden. Es ist Platz für die Maststandorte zu schaffen, Bodenuntersuchungen bezüglich der Tragfähigkeit des Untergrundes sind notwendig, daraus resultiert die entsprechende Auswahl der Art der Mastfundamente und es sind Schutzabstände der spannungsführenden Fahrleitungsteile zu Bauwerken (wie z.B. Stellwerke, Brücken) vorzusehen. Der Projektant hat ebenso zu beachten, welche Fahrleitungsabschnitte separat abschaltbar sein müssen.
Der große Bedarf an elektrischen Fahrzeugen sichert Altbau-Elloks bei der DR auch in den 80er-Jahren umfangreiche Dienstzeiten. Im Raum Sachsen sind die „Eisenschweine“, die Loks Ralph Lüderitz der Baureihe E 94 (jetzt: 254), eine Bank; Bild in Löbstadt bei Leipzig, 1988
Großer Bedarf an Vorarbeiten Um die Fahrleitungsanlage mit Energie versorgen zu können, sind Einspeisepunkte erforderlich. Diese – Unterwerke genannt – können bei der in Deutschland meist verwendeten Fahrleitungsnennspannung 15 kV, 16 2/3 Hz ca. 30 Kilometer weit speisen. Die Unterwerke bekommen die notwendige Elektroenergie entweder aus einem bahneigenen Hochspannungsnetz (110 kV, 16 2/3 Hz) mit eigenen Kraftwerken und Großumformerwerken, was den Bau langer Hochspannungsleitungstrassen erfordert, oder aus einem beigestellten Umformerwerk, das aus dem Landesnetz (110 kV, 50 Hz) die 15 kV, 16 2/3 Hz bereitet. Da es in der DDR ein stabiles 50-Hz-Netz gab und die Elektroindustrie in der Lage war, entsprechende Umformer zu entwickeln und zu liefern – somit auf Importe verzichtet werden konnte –, fiel die Entscheidung zu Gunsten der dezentralen Energieversorgung mittels Umformerwerken. Der Verzicht auf zusätzliche lange eigene Hochspannungstrassen sparte nicht nur Material, er schonte auch Landschaft und Natur. Lediglich Ergänzungen im bestehenden zentralen Netz wurden (vorwiegend in Sachsen) als zentral versorgte Anlagen errichtet. Hierfür musste ein neues Großumformerwerk in Dresden errichtet werden. In jedem Falle bedurfte es eines großen Umfanges an Entwicklungs- und Konstruktionsarbeit. Doch das war längst nicht alles Notwendige, was für eine Elektrifizierung zu leisten war. BAHN EXTRA 6/2012
Die Magistrale Dresden – Hof gehörte zu den Strecken, die bei der Elektrifizierung vernachlässigt wurden. Als sie im Sommer 1992 InterRegio-Verkehr erhielt, fungierte Zwickau als Lokwechselbahnhof: Am 17. August 1992 hat DB-Diesellok 218 004 IR 2063 aus MönchengladRainer Heinrich bach gebracht; DR-Ellok 156 001 bespannt ihn weiter bis Dresden
Ein großes Problem stellte die Rückleitung des Fahrstromes dar. Die Gleise waren entsprechend herzurichten. Schienenstöße mussten überbrückt werden, abzweigende Gleise waren mittels Isolierstößen zu trennen, um Streuströme zu begrenzen. Die Signalanlagen mussten komplett umgebaut werden, denn die Gleisstromkreise der herkömmlichen Bauarten für die Gleisfreimeldungen vertrugen sich nicht mit den Rückströmen in den Schienen. Auch alle leitenden Teile im Bereich der Fahrleitungsanlage – vom Geländer bis zum Signalmast – musste man an ein Erdungssystem
anschließen, damit beim Bruch eines Fahrdrahtes keine gefährlichen Berührungsspannungen auftreten konnten. Entsprechende Nachweise waren rechnerisch zu erbringen. Ein besonderes Problem stellten die elektromagnetischen Beeinflussungen dar. Besonders bei einem Fahrleitungskurzschluss konnten sie benachbarte Fernmelde- und Energieversorgungsanlagen betrieblich beeinträchtigen, ja, sogar zerstören und außerdem lebensgefährliche Überspannungen hervorrufen. Die Fernmeldekabel der Eisenbahn und der Post mussten gegen abgeschirmte Ausführungen 59
Elektrischer Betrieb nach Wende und Wiedervereinigung: Im August 1991 befährt 242 289 Georg Wagner mit einem Personenzug den (alten) Hetzdorfer Viadukt bei Flöha in Sachsen
Anfang der 80er-Jahre lief die Elektrifizierung auf Hochtouren. Der Fahrdraht hatte bereits das Umfeld Berlins erreicht, die Umformerwerke Ludwigsfelde und Wünsdorf waren in Betrieb gegangen und Ende 1983 kam das Umformerwerk Löwenberg (Mark) hinzu. Obwohl Berlin nur tangiert werden konnte, strebten die elektrifizierten Streckenabschnitte in diesem Jahr schon in die Richtungen Rostock und Stralsund. Berlin selbst bekam seine Fernbahnelektrifizierung erst später. Außer den zahlreichen baulichen Anpassungen im Stadtbereich bereitete die unmittelbare Nachbarschaft der mit Gleichspannung betriebenen SBahn erhebliche Schwierigkeiten. Probleme mit der elektro-magnetischen Beeinflussung, den Streuströmen und den unterschiedlichen Erdungssystemen mussten beseitigt werden. Mit dem Wachsen des elektrischen Netzes nahm der Bedarf an elektrischen Lokomotiven zu. Die „unverwüstlichen“ Baureihen 211 und 242 übernahmen zwar Leistungen im neuen Netz, selbst die Altbau-Elektrolokomotiven E 44 (jetzt 244) und E 94 (254) waren mit einigen Leistungen dort vertreten. Den Hauptteil der Traktionsleistungen bewältigten aber die neuen Baureihen 250 und 243. Die Fertigung dieser Maschinen, die nach intensiver Erprobung in der VES/M von „Kinderkrankheiten“ befreit worden waren, lief im LEW Hennigsdorf auf Hochtouren.
Schnelle Inbetriebnahme
Fahrleitungsarbeiten mit Hilfe eines Oberleitungs-Revisionstriebwagens (ORT). Die Elektrifizierung verlangte umfangreiche Vorbereitungen und Begleitmaßnahmen, zum Beispiel den Bau Ralph Lüderitz von Einspeisungsstellen und die Herrichtung der Gleise
Interessant war die gleitende Anpassung des Bespannungsplans der Züge. Um möglichst viel Dieselkraftstoff einzusparen, wurde jeder neu elektrifizierte Abschnitt gleich nach Fertigstellung und Abnahme elektrisch betrieben. Oft waren die Umspannbahnhöfe nur mit wenigen Gleisen ausgerüstet und alles andere als für diese Aufgabe geeignet. So wurden beispielsweise Bahnhöfe wie Niedergörsdorf und Lalendorf zu temporären Traktionswechselbahnhöfen. Es konnten nicht grundsätzlich alle Züge umgespannt werden, doch keine Zuggattung wurde von den Umspannhalten verschont. Selbst die Städteexpresszüge waren davon betroffen. Dank der guten Arbeit der Fahrplanabteilungen der Reichsbahndirektionen und des Fahrzeugbetriebsdienstes in den Bahnbetriebswerken funktionierte es bestens. Bau- und umspannbedingte Verspätungen waren selten.
Die folgenden Projekte ausgetauscht werden. Die Unbedenklichkeitsnachweise mussten rechnerisch und mittels Kurzschlussversuchen erbracht werden. Schließlich erforderte ein hochleistungsfähiges Bahnenergienetz eine neue Generation von Schutzeinrichtungen. Die zu erwartenden Traktionsströme stiegen – besonders infolge des intensiven Güterverkehrs – weit über das bisherige Maß hinaus und erreichten teilweise Größenordnungen, die über den Kurzschlussströmen lagen.
Nord-Süd-Strecken und Berlin Als wichtigstes Ziel galt die Elektrifizierung der Nord-Süd-Magistralen. Berlin war an das 60
elektrifizierte Netz anzuschließen und die Verbindungen zu den Ostseehäfen besaßen ebenfalls Priorität. Aufgrund der guten Vorarbeit kamen die Elektrifizierungsvorhaben recht zügig in Schwung. Und dies trotz der permanenten Materialknappheit in der rohstoffarmen DDR. Selbst das Bereitstellen der benötigten Arbeitskräfte bereitete große Probleme. Doch auch das konnten die Reichsbahn und die an der Elektrifizierung beteiligten Betriebe in den Griff bekommen. Lediglich ein Fahrleitungsmontagezug der Tschechoslowakischen Staatsbahn CSD half im Raum um Berlin beim Errichten der dortigen Fahrleitungsanlagen mit.
Nachdem die Elektrifizierung der Nord-SüdMagistralen einschließlich der Strecke Berlin – Dresden und Berlins selbst abgeschlossen war, kamen weitere wichtige Hauptstrecken unter den Fahrdraht. Das Lausitzer Braunkohlerevier mit seinen zahlreichen Tagesanlagen, Brikettfabriken und Chemiebetrieben stand ganz oben auf der Dringlichkeitsliste. Berlin – Frankfurt (Oder) wurde in Angriff genommen. Doch auch in die Kaliregion um Nordhausen sollte elektrisch gefahren werden. Die Bau- und Planungskapazitäten gestatteten sogar das Elektrifizieren von Querverbindungen, wie der Strecke Roßlau – Wittenberg – Falkenberg (Elster) – Riesa. Wichtige Stichstrecken wur-
Elektrischer Betrieb nach 1989
Parallel zur Elektrifizierung beschaffte die Reichsbahn moderne Elloks. Anfang der 80er-Jahre erprobte sie den Prototyp 212 001 („Weiße Lady“), aus dem später die Baureihen 212 und 243 abgeleitet wurden. Im Bild steht die Vorserienlok mit einem D-Zug in Halle Hbf Ralph Lüderitz
den ebenfalls elektrifiziert, so Angermünde – Stendell. Die Planungen gingen noch weiter: Dresden – Görlitz und Bischofswerda – Zittau, Belzig – Brandenburg Nord, aber auch ein Teil der „Kanonenbahn“ Wiesenburg (Mark) – Blankenheim Trennung sollten auf elektrischen Betrieb umgestellt werden. Auffällig waren die Lücken im Netz. Es fehlten die Saalebahn im Abschnitt Camburg (Saale) – Saalfeld (Saale) und die wenigen Kilometer in das elektrisch betriebene Probstzella, was nur eine Wiederelektrifizierung gewesen wäre. Auch Berlin – Magdeburg und Berlin – Stendal kamen in den Planungen nicht vor. Die Grenze zum westlichen Nachbarstaat wurde ausgelassen. Hier hoffte die DDR-Regierung
Die Zeit nach der Wende Es kam alles ganz anders. Das Jahr 1990 brachte das Ende der DDR und das Ende der Elektrifizierungspläne. Strecken, deren Elektrifizierung am Laufen war, wurden fertig gestellt. Mit Eile wurden nun die Lückenschlüsse zur Deutschen Bundesbahn hergestellt. Die Saalebahn bekam wieder eine Fahrleitung, und zwischen Neudietendorf und Bebra begannen 1991 die ersten Elektrifizierungsarbeiten. Der elektrische Betrieb konnte auf beiden Strecken erst nach dem Ende der Reichsbahn aufgenommen werden. Zwischen Hannover und Magdeburg und weiter nach Berlin eröffnete man den elektrischen Betrieb dagegen bereits im Mai 1993. Die Schnell-
Nach der Wende erlebte die DR einen Niedergang, und mit ihr auch der elektrische Betrieb auf finanzielle Beihilfen seitens der Bundesrepublik, die Interesse an einer Verbesserung des Verkehrs nach West-Berlin hatte. Und es bahnte sich etwas hinter verschlossenen Türen an. DDR und Bundesrepublik verhandelten über den Bau einer Schnellbahn Hannover – Berlin. Die Vorbereitungen liefen unter strenger Geheimhaltung auf beiden Seiten. Im Wissenschaftlich-Technischen Zentrum des Ministeriums für Verkehrswesen der DDR, in das die VES/M aufgegangen war, gab es erste technische Planungen. BAHN EXTRA 6/2012
bahn Berlin – Hannover entstand als Bestandteil des ICE-Netzes. Zunächst mussten die elektrisch bespannten Züge einen Umweg über Güterglück nehmen. Den direkten Weg konnten sie erst nach dem Ende der Deutschen Reichsbahn fahren. In den letzten Jahren ihres Bestehens erlebte die Reichsbahn einen weitreichenden, fast umfassenden Niedergang. Mit ihr fuhr der elektrische Betrieb auf das Abstellgleis. Der Güterverkehr wurde fast vollständig auf die Straße verlagert. Die Industrie im Reichsbahn-
Einzugsbereich verschwand zum größten Teil. Der Personenverkehr brach ein. Streckenstilllegungen mehrten sich, es traf auch elektrifizierte Strecken. Güterglück – Wiesenberg (Mark) und Merseburg Gbf – Merseburg (Süd) sind Beispiele dafür. Einige Strecken wurden aus „wirtschaftlichen Gründen“ deelektrifiziert. Hierfür stehen die Strecken Neudietendorf – Arnstadt Hbf, Merseburg – Mücheln und Züssow – Wolgast Hafen. Heute künden vereinzelte Fahrleitungsmaste vom einstigen elektrischen Betrieb. Ralph Lüderitz Anzeige
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Fahrzeuge und Betrieb
Die Jubiläumsfeier in Riesa
Der Bahnknoten im Sächsischen ist Eisenbahnern und Eisenbahnfreunden in guter Erinnerung. Im April 1989 veranstaltete die Deutsche Reichsbahn der DDR dort die größte Fahrzeugparade ihrer Geschichte. Der Anlass: das Jubiläum „150 Jahre Fernbahn Leipzig – Dresden“ und ein wenig mehr Der große Moment naht: 01 531, 03 1010 und eine 41er erreichen im Rahmen der Parade den Bahnhof Riesa; schon bei der Einfahrt werden Rainer Heinrich sie freudig erwartet
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Slg. Reiner Pre uß
Die große Gala
Jubiläumsfeier in Riesa
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Fahrzeuge und Betrieb
Nach der Vorbeifahrt an der Tribüne sammelten sich verschiedene Zugzusammenstellungen bzw. Themenzüge („Schaubilder“) im Bereich des Rainer Heinrich Personenbahnhofs Riesa. Im Bild rechts die Sensation der Parade, der Nachbau der Saxonia; links daneben E 44 046
ie Fahrplananordnung der Reichsbahn hielt es in ihrer Einleitung kurz und nüchtern: „Anläßlich der Friedrich-List-Ehrung der DDR und des Jubiläums „150 Jahre erste deutsche Ferneisenbahn Leipzig – Dresden“ findet am Sa(mstag), den 8. April, und So(nntag), den 9. April 1989 eine Eisenbahnfahrzeugparade im Raum Riesa statt.“ Nachdem sie schon in den drei Jahren zuvor mit Bahnhofsfesten und Sonderfahrten die Eröffnung einzelner Abschnitte der
D
Strecke gefeiert hatte, zog die Reichsbahn das Jubiläum der Gesamtstrecke in großem Rahmen auf. Nicht ohne Hintergedanken: Die Feier war auch als Gegenpol zur Veranstaltung „150 Jahre Deutsche Eisenbahnen“ der Deutschen Bundesbahn gedacht, außerdem sollte sie ein gesellschaftspolitischer Höhepunkt im 40. Jahr der DDR-Gründung sein. Bei den aufgebotenen Fahrzeugen musste die Reichsbahn teilweise improvisieren. Nicht alle Lokomotiven, Triebwagen und Wagen hat-
ten den Status der Traditions- oder Museumslok und nur ein Teil der Dampfloks war betriebsfähig. So griff die DR auf bestehende Betreuerkollektive von Dampflokomotiven zurück, die zu Reichsbahnzeiten oft zum Widerwillen des Bw-Vorstehers versuchten, das Leben der einen oder anderen Dampflok aus dem Plandienst oder einer Heizlok zu verlängern; so geschehen bei 50 3545 des Bw Wismar oder 44 1378 des Bw Gera. Und gerade diese Eisenbahner waren mit Begeisterung dabei, sahen sie doch darin eine Bestätigung ihrer Freizeitarbeit und hofften, über die Fahrzeugparade weitsichtig den betriebsfähigen Erhalt ihrer Lokomotiven erreichen zu können.
Viel Engagement für die Parade Zwar hatte die Verwaltung Maschinenwirtschaft mit der Bereitstellung der Lokomotiven den größten Anteil an den Vorbereitungen zur Fahrzeugparade. Die größte Leistung war aber der betriebsfähige Nachbau der Saxonia durch das Reichsbahnausbesserungswerk (Raw) Halle unter Leitung von Heinz Schnabel. Bezeichnenderweise fehlten schon damals die Namen jener Eisenbahner in allen Zweigen der DR-Struktur, die maßgeblich zum Gelingen der generalstabsmäßig abgelaufenen RieBlick in den „Sammelbahnhof“ Priestewitz, im Vordergrund E 77 10 und eine 57er Rainer Heinrich
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Die Vorarbeiten für die Parade saer Fahrzeugparade beitrugen. Ohne die Rückendeckung des verständnisvollen Leiters und Fachmanns Günter Ruppert (unter dessen Regie auch die E 77 10 im Bw Dresden betriebsfähig aufgearbeitet wurde) wäre sicherlich so manche Lokomotive nicht in Riesa erschienen. Aber auch andere Kollegen machten sich um die Parade verdient: Eisenbahner aus Dresden wie Karl Hübner, Günter Freudenberg, Peter Saby von der Verwaltung Maschinenwirtschaft der dortigen Reichsbahndirektion, weiterhin die Fachberater aus dem Verkehrsmuseum Dresden, Gerhard Arndt, und des Deutschen Modelleisenbahnverbandes der DDR, Winfried Liebschner und Claus Burghardt. Nicht zu vergessen die unzähligen Betreuerkollektive in den Bahnbetriebswerken von der Ostsee bis in den Thüringer Wald. Großen Aufwand betrieb auch die Verwaltung Wagenwirtschaft, die sämtliche an der Fahrzeugparade beteiligten Wagen vorher noch im Raw untersuchen ließ und bis zum Einsatz in Riesa sperrte. Ein Nutznießer war der Zwickauer Traditions-Eilzug, dessen Wa-
Im Bahnhof Niederau wartet ein Lokzug zur Fahrt in den Aufstellbahnhof Priestewitz Rainer Heinrich
150 Fahrzeuge und 330.000 Besucher gen im Raw Delitzsch die lang erhoffte Aufarbeitung erhielten. Die Fahrplananordnung 11 000 der Reichsbahndirektion Dresden mit 65 Seiten und drei Ergänzungen für diese Fahrzeugparade war der Punkt auf dem „i“. Nichts war mehr dem Zufall überlassen. Hinter den Kulissen lief ein Uhrwerk ab, das von der minutengenauen Zuführung der Fahrzeuge aus allen Landesteilen zu den Sammelbahnhöfen Dresden-Altstadt, Priestewitz und Weißig und den festgelegten Restaurierungszeiten über die Fahrzeugparade selbst bis zur Rückführung in das HeimatBw reichte. Da in der Rbd Dresden alljährlich Großveranstaltungen mit Sonderzügen zum Tag des Eisenbahners stattfanden, hatte man dort mit solchen „Terminen“ schon Erfahrung. Die Großveranstaltung wurde ein Publikumsmagnet: An den zwei Tagen lockte sie nach damaligen Angaben 330.000 Besucher an. Zwar nutzte die DDR das Eisenbahnjubiläum zur Selbstdarstellung und zur Bestätigung ihrer Traditionspflege, weitere politische Dimensionen hatte das Ereignis aber nicht. Die Besucher waren unabhängig davon fasziniert. Angeführt von der Dampflok „Saxonia“, passierten 150 Lokomotiven und Wagen die Tribüne und fanden überall Beifall, auch bei Fans und Medien aus dem Ausland. Dass unter den 31 Schaubildern mit über 60 Triebfahrzeugen, darunter 27 betriebsfähigen Dampflokomotiven, nicht alle Baureihen vertreten sein konnten, liegt auf der Hand. So bemängelten einige das Fehlen ihres Wunschfahrzeuges. Doch schmälert das die Leistung in Riesa nicht: Das, was bei dem Streckenjubiläum an
Auf der Anreise: E 18 31 und E 04 01 bei der Fahrt von Halle nach Dresden
Rainer Heinrich
VT 186 524 und VT 186 257 rollen in Riesa ein; beide Fahrzeuge dienten hohen Herren Rainer Heinrich der DR als Diensttriebwagen
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Fahrzeuge und Betrieb Die Fahrplananordnung 11 000 regelte detailliert die Abfolge der Paraden – eine betriebliche Meisterleistung Slg. Rainer Heinrich
Mit drei Bghw-Wagen tritt E 11 001 den Weg vom Abstellbahnhof Priestewitz Richtung WeiRainer Heinrich ßig – Riesa an
Vielfalt und Technikgeschichte geboten wurde, bleibt die größte Eisenbahnschau in der Geschichte der DDR und der Deutschen Reichsbahn Ost. Das Sahnestück war die über zweieinhalb Stunden dauernde Fahrzeugparade vorbei an der Tribüne nahe der Riesaer Elbebrücke. Begünstigt durch schönes Wetter an beiden Veranstaltungstagen, entwickelte sie sich zu einem vollen Erfolg. Die 3.000 Tribünenplätze in Riesa konnten nur einen Bruchteil der Besucher aufnehmen. Der Großteil der Eisenbahnenthusiasten säumte kilometerweit die Strecke vom Bahnhof Weißig über den Abzweig Röderau bis zu den Elbwiesen bei Riesa. Nur wenigen Eisenbahnfreunden war es vergönnt, hinter den Kulissen des durch die Transportpolizei streng abgeschirmten Bw Dresden-Altstadt, der Aufstellbahnhöfe Priestewitz und Weißig oder mit Kenntnis der Fahrplananordnung 11 000 entlang der Zuführungsstrecke zu fotografieren. Leider, denn dort gab es interessante Überführungsfahrten.
Aufstellung zum Großereignis
Bei der Ladestraße in Riesa bietet die DR Führerstandsmitfahrten auf 50 3696 (l.), die BeRainer Heinrich sichtigung des Jugendclub-Triebzugs 175 005 (r.) und manches mehr
Am Freitag, dem 7. April 1989, kam der Großteil der Dampfloks im Bw Dresden-Altstadt an. Die meisten Maschinen hielten sich nur zum Restaurieren dort auf und verließen das Bw meist in der vorgesehenen Kombination mit ihren Wagen zu den Aufstellbahnhöfen Priestewitz und Weißig. Denkbar vielfältig war die Kundschaft in der Bw-Kantine; dort trafen sich all jene, die auf den Dampfrössern der Baureihen 01 bis 99 zu Hause waren. Am Morgen des 8. April standen dann alle Fahrzeuge in den Bahnhöfen Priestewitz und Weißig. Dort hatte man in vorbildlicher Weise Schlafwagen und Versorgungseinrichtungen für die Personale organisiert. Wer seine Lok nach Weißig gebracht hatte, konnte im Lehrlingswohnheim des Chemiewerkes Nünchritz übernachten. Auch befand sich in Priestewitz der Stab der Oberdispatcherleitung, wo auftretende Unregelmäßigkeiten und der gesamte Betriebsablauf koordiniert wurden. Die Direktion hatte ihre besten Leute vor Ort geschickt. Extra eingesetzte „Schuppenheizer“ kümmerten sich nachts um das Feuer in den Lokomotiven, bevor mit Tagesanbruch die Stammpersonale wieder ihre Lok besetzten. Aus vierachsigen Kesselwagen versorgten Feuerwehrleute mit Motorpumpen die Tender mit Wasser. Die langen Fahrzeugreihen und das dichte Nebeneinander von Loks und Wagen aller Traktionsarten auf den Sammelbahnhöfen Die Moderne: 120 343 mit Kühlmaschinenzug, hier zwischen Dresden und Priestewitz Rainer Heinrich
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Der Betriebsablauf
Mit vier Schmalspurtransportwagen am Haken verlassen 89 6009 und 55 669 den Bahnhof Weißig in Richtung Fahrzeugparade in Riesa. Rainer Heinrich Schon hier am Ausgangspunkt ist ihnen die Begeisterung der Zuschauer sicher
Priestewitz und Weißig war ein weiterer Höhepunkt für die Beteiligten und ein Vorgeschmack auf das, was da kommen sollte. Vier Stunden vor Beginn der Parade nahmen die einzelnen Lokomotiven und Züge vom Bahnhof Weißig beginnend auf dem Streckengleis Riesa – Dresden streng nach Protokoll Aufstellung, bevor an beiden Tagen jeweils um 14:00 Uhr die Parade in Riesa begann. Den Saxonia-Nachbau hatte man tags zuvor von Leipzig nach Riesa überführt und streng abgeschirmt im Bw Riesa hinterstellt. Auf dem Bahnhof Riesa waren Lokmitfahrten auf der Glauchauer 50 3696 möglich. Auch der Schnelltriebwagen der Bauart Görlitz, 175 005 /006, war nach Riesa gekommen; bedauerlicherweise hatte die Reichsbahn das damals noch als Kulturzug und Jugendclub „Ernst Thälmann“ eingesetzte Fahrzeug nicht für die Parade vorgesehen. Um den Bahnhof Riesa zu entlasten, wurden nur am Samstag, dem 8. April, etwa ein Drittel der an der Fahrzeugparade beteiligten Lokomotiven und Wagen über Döbeln und Nossen abgeleitet. Nach Restaurierungsaufenthalten in den dortigen Bahnbetriebswerken erreichten die Fahrzeuge über die Verbindungskurve bei Niederau wieder die Linie Leipzig – Dresden und ihre Aufstellbahnhöfe Priestewitz und Weißig. So schnell wie die Fahrzeuge gekommen waren, so schnell verließen sie am zweiten Tag
den Veranstaltungsort. Nach der Vorbeifahrt an der Tribüne kamen manche Fahrzeuge am Bahnsteig nur kurz zum Halten. Und noch
wenige Monate später der Ausverkauf von DDR-Lokomotiven, darunter auch Vertretern aus der Riesaer Fahrzeugparade, anlief? Andere Maschinen wechselten in neu gegründete Eisenbahnvereine und waren bald in alle Winde verstreut. Nachdem die DR für viele Dampfloks den Status der Traditionslok abgelegt und das Verkehrsmuseum Dresden seine Hoheit über den historischen Fahrzeugpark verloren hatte, wollten viele Interessenten etwas von den Lokomotiven haben. Der Traditionspflege, wie sie die Deutsche Reichsbahn praktiziert hatte, standen schwere Zeiten bevor. Rainer Heinrich
Die Züge nahmen nach Protokoll auf der Strecke Aufstellung während die Parade lief, traten die ersten Lokomotiven schon wieder ihre Heimreise an.
Ein einmaliges Ereignis? Schon kurz danach war klar, dass sich solch eine Eisenbahnschau der Superlative wohl kaum wiederholen ließe. Wer ahnte schon, dass
Im Schlepp von 110 041 kommt der Zug mit 89 1004 und 98 001 zurück nach Weißig Rainer Heinrich
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Bilderbogen Wie begegnet man dem Mangel an Arbeitskräften? Zum Beispiel durch den „Studentensommer“ der Freien Deutschen Jugend: Am 18. Juli 1985 sind Studenten der Technischen Hochschule Dresden beim Gleisbau an der Einfahrt des Schmalspurbahnhofs Mügeln tätig. Ob die vielen Hände mit den wenigen Gleisbaumaschinen effizient arbeiten konnten? Rainer Heinrich
Besonderheiten der DR
Reichsbahn-Raritäten Arbeitseinsätze, ungewöhnliche Situationen im Betriebsablauf oder auch mal nicht alltägliche Dankesworte: Die Reichsbahn war für manche Besonderheit gut. Eine kleine Auswahl
Das übliche Stromsystem der Reichsbahn ist 15 kV, 16 2/3 Hz Wechselstrom. Daneben gibt es Ausnahmen, beispielsweise den Inselbetrieb der Rübelandbahn, der mit 25 kV, 50 Hz Wechselstrom arbeitet. Im Mai 1992 steht Ellok 171 001 (alte DR-Nummer 251 001) mit einem Personenzug in Königshütte Volker Emersleben
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Reichsbahn-Raritäten
Das Wenden der Lok war im Kopfbahnhofteil von Leinefelde stets ein interessantes Schauspiel: Statt einer Weichenverbindung gab es am Ende der Kopfbahnsteige eine Drehscheibe (im Bild mit 112 559, aufgenommen im Frühjahr 1990). Mit der Modernisierung des Bahnhofs im Jahr Martin Weltner 1994 wurde diese abgebaut
Die politische Führung der Reichsbahn in der DDR äußerte sich in Planvorgaben, Freundschafts-Bekundungen oder Parolen. Aber es ging auch anders. Die Pforte des Bahnbetriebswerks Wittenberge verabschiedete die Belegschaft mit den Worten: „Eisenbahner und Eisenbahnerinnen – Herzlichen Dank für die geleistete Arbeit bei der Erfüllung unserer Planaufgaben. Wir wünschen Euch einen angenehmen Feierabend.“ Sven Klein Das stand dort übrigens noch 1991
Eigentlich waren Lokausstellungen der Reichsbahn gefragte und viel besuchte Veranstaltungen. Wie enttäuscht müssen daraufhin die Verantwortlichen gewesen sein, die im Sommer 1990 im Bw Magdeburg zur 150-Jahr-Feier der Strecke Leipzig – Magdeburg einluden. Die DR und der Deutsche Modelleisenbahn-Verband (DMV) präsentierten zu dem Anlass fast den gesamten Bestand an Traditionsloks, nur hielt sich das Interesse des Publikums jetzt sehr in Grenzen. Ein trauriger Abschied, denn es sollte die letzte große Ausstellung dieser Kooperationspartner sein Martin Weltner, Slg. Martin Weltner (Eintrittskarte)
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Erinnerungen
Im August 1993 schiebt eine Ellok 109 ihren Zug aus dem Leipziger Hauptbahnhof, in dem sich Moderne und Historie mischen. Neue „BahnAbbildungen des Beitrags: Heiko Focken bzw. Slg. Heiko Focken steigwürfel“ und Telefonzelle hier, älteres Bahnsteighäuschen und Stellwerk da
Fahrten mit der Deutschen Reichsbahn
In den letzten Zügen ... Im Jahr 1991 zog Heiko Focken von Hamburg nach Radebeul. Reisen mit der DR waren für ihn da schon lieb gewonnene Routine, und es sollten noch viele folgen. Kein Wunder bei all den Abwechslungen, die der Betrieb zu bieten hatte. Und kein Wunder auch bei der Aussicht, dass das alles wohl bald Vergangenheit sein würde
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Reisen mit der DR
Die Wiedervereinigung liegt gerade mal neun Tage zurück, aber hier hat sich (noch) nichts verändert. Am 12. Oktober 1990 nehmen zwei „Ferkeltaxen“-Gespanne mit 172 001 und 172 002 im ehemaligen Kleinbahn-Bahnhof Schönhausen (Elbe) die Fahrgäste auf
ie Maueröffnung läutete für mich wilde Reisemonate ein, und bald darauf schon waren die Reisen „in den Osten“ und „im Osten“ lieb gewonnene Routine. Noch immer allgegenwärtig war das Fluidum der Deutschen Reichsbahn, noch immer ließ mich diese in Teilen so unperfekte, aber gerade deshalb so liebenswerte und menschliche Eisenbahn das Betriebsgeschehen begierig aufsaugen. Unverkennbar war aber auch, dass das Nebeneinander zweier Staatsbahnen in einem Land – Bundesbahn hier, Reichsbahn da – einen Anachronismus darstellte; mit einer zwar unbekannten, aber absehbar begrenzten Halbwertszeit. Natürlich ließ sich noch nicht sagen, was „danach“ wohl kommen würde. Und ebenso unverkennbar war, dass das rationalisierte Wesen der Bundesbahn nicht nur durch den gemeinsamen Vorstandsvorsitzenden Heinz Dürr auch bei der Reichsbahn zunehmend Einzug hielt – im Guten wie im Schlechten. Kurz: Das Alte war noch allgegenwärtig, aber das Neue machte sich Zug um Zug breit. Auf der – aus Reisendensicht – Soll-Seite waren natürlich die massiv steigenden Fahrpreise zu nennen: Die umgerechnet vier Cent pro Kilometer anno 1989 waren im D-Mark-Deutschland nicht lange zu halten. Auch der massive Einbruch im Güter- und Personenverkehr ließen mich vermuten, dass es so oder ähnlich 30 Jahre vorher wohl bei der Eisenbahn in Westdeutschland zugegangen sein muss, wenngleich diese Entwicklung dort nicht in wenigen Monaten vonstatten ging, sondern über mehrere Jahrzehnte.
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Offensiv gegen die Krise Wenn man der DR auch vieles vorwerfen kann, so doch auf keinen Fall, dass sie sich kampflos in die neue Zeit ergab! Dies betraf trotz der davon laufenden Fahrgäste vor allem das Angebot: Das von pessimistischen Zeitgenossen schon seit dem Mauerfall 1989 Jahr für Jahr beschworene Stilllegungsgespenst zeigte sich allenfalls zaghaft. Die Anzahl der zu DR-Zeiten eingestellten Strecken konnte man fast an einer Hand ab-
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Dampfheizung, Kopfsteinpflaster-Bahnsteig, Gepäckkarren und die „Dicke Babelsbergerin“ der Baureihe 228: Im September 1993 versprüht Brandenburg Hauptbahnhof mit Zug N 5593 noch das Fluidum der Reichsbahn. Bald darauf ist es unwiederbringlich Geschichte ZUR PERSON DER AUTOR
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eiko Focken, Jahrgang 1970, lernte die Deutsche Reichsbahn zunächst bei Besuchen in der DDR kennen. Im Jahr 1991 begann er ein Studium an der Hochschule für Verkehr in Dresden, anschließend arbeitete er in Sachsen im Verkehrsbereich. Seit 2003 ist er als Planer bei der Nahverkehrsgesellschaft BadenWürttemberg beschäftigt.
Heiko Focken Anfang der 90erJahre in einem Reko-Wagen
zählen. Dagegen waren Verbindungen wie Velgast – Tribsees im Norden, Schlettau – Crottendorf im Erzgebirge und natürlich die dampfenden Schmalspurbahnen in Mecklenburg, dem Harz und Sachsen Jahr für Jahr noch fast vollzählig mit dabei! Und auf den Strecken im Reichsbahnland passierte in den Nachwendejahren geradezu Unerhörtes: Auf unzähligen Strecken, die heute aus den Fahrplänen oder gar komplett von der Landkarte verschwunden sind, wurde das Angebot von der DR nicht reduziert, sondern massiv ausgeweitet. Da gab es Zwei-Stunden-Takte auf längst vergessenen Bahnen wie Heudeber-Danstedt – Osterwieck oder Ludwigslust – Dömitz, auf der Rübelandbahn zogen die schweren 171-Elloks ihre(n) Wagen gar im Stundentakt in die Harzberge, und auch das D-Zug- und InterRegio-Netz erlebte in diesen Jahren im Osten seine Blütezeit. Zweistündlich fuhren die zunächst grünen und dann zunehmend blauen Züge von Leipzig nach Cottbus/Chósebuz, von Dres-
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Erinnerungen
Mandy und der Zug? Das Bild entsteht im September 1991 in Premnitz an der Strecke Neustadt (Dosse) – Brandenburg und die Reichsbahn muss schon um Kunden kämpfen. Nicht wenige ziehen den eigenen Diesel (oder Benziner) auf der Straße dem DR-Diesel auf den Gleisen vor
Eine Ellok 155 (zuvor: 250) im Anmarsch, ein Stellwerk mit Trabi und Frakturschrift: Verschiedene Epochen repräsentiert der Block Breitenau bei Oederau. Einige Zeit später wird er aufgelassen
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Die Zusammenlegung mit der DB steht fest, als die DR am 1. August 1993 die Fühler zu einem weiteren Nachbarn ausstreckt: Zwischen Bärenstein und dem tschechischen Vejprty fahren (wieder) Züge
Von IC- und Personenzügen den nach Görlitz und von Lübeck nach Bad Kleinen, immerhin vierstündlich von Erfurt nach Chemnitz; mit dem InterCity ging es von Stralsund über Neubrandenburg nach Berlin oder von Leipzig nach Gera. Alles Relationen, die von der DB AG in der Nach-Reichsbahn-Zeit sehr schnell von jeglichem Fernverkehr befreit wurden. Manches gut gemeinte Angebot schoss, wie ich bei meinen Touren auf dem DR-Netz durch „Neufünfland“ feststellen musste, über das reale Verkehrsbedürfnis hinaus. Viele potenzielle Kunden zogen schlicht die Autofahrt in einem 15 Jahre alten Opel Rekord der Bahnreise hinter einer drei Jahre alten 243-Ellok vor. Da mochte der Zug zwischen Löbau und Zittau noch so viel im attraktiven Taktverkehr pendeln, er war oftmals erschreckend leer. Nicht besser erging es dem InterRegio von Berlin nach Chemnitz, in dem ich ab Riesa einen Waggon für mich alleine hatte. Die Bemühungen der DR, sich offensiv gegen ihren eigenen Niedergang zu stemmen, wurden von Politik und Bevölkerung nicht honoriert, ja, wahrscheinlich nicht einmal wahrgenommen. Selbst die Änderungen im Fahrzeugsektor hatten da kaum Wirkung. Im Schnellzugtempo schieden die Bghw-Wagen aus dem Bestand des Personenverkehrs. Statt auf klebrigen Kunstledersitzen fuhr man zunehmend auf Textilbezügen, und das nicht wirklich erfrischende Dunkelgrün der Reisezugwagen wich freundlichen hellen Farben. So war das Reisen im Reichsbahnland ohne mehrstündige Fahrplanlöcher, mit vernetzten Fahrplänen und einem ab etwa 1992 rasant modernisierten Fahrzeugpark einfach und bequem wie nie. Und es erleichterte mir die Verwirklichung meines anfangs noch vage formulierten Ziels, alle Stre-
Ganz viel Vegetation und mittendrin irgendwo ein paar Gleise: Um die Züge Velgast – Tribsees scheint es schon nicht mehr gut bestellt
mit Eilzügen im nordrhein-westfälischen Altenbeken auf, während die Bundesbahn-Diesellok 218 ihren Schnellzug Hamburg – Dresden selbst bis ins brandenburgische Wittenberge brachte oder über Hof und Plauen bis Reichenbach kam. Altgediente Bundesbahn-Eilzugwagen, eingestellt als Privatwagen der Post, umkreisten im „Sputnik“-Verkehr Berlin, und in den neuen Uniformen sahen die Reichsbahner endlich auch wie Eisenbahner aus und nicht mehr wie Soldaten. Ganz selbstverständlich trafen sich unter dem Fenster meiner Wohnung im Bahnhof von Radebeul Ost DR-Dampflok und DR-Intercity. Im rumpelnden, kurzen „BuffetWagen“ im Schnellzug nach Rostock gab es nach wie vor die Bockwurst wie zu DDR-Zeiten, nur eben jetzt gegen D-Mark, derweil man in Leipzig Hbf aus der alten Görlitzer Doppelstock-Einheit direkt in den aus einer vollklimatisierten SNCF-Garnitur gebildeten EuroCity „Heinrich Heine“ nach Paris umsteigen konnte. Es herrschte beim kleineren der selbsternannten „Unternehmen Zukunft“ eine Aufbruchzeit im Zeitraffer, die zu durchfahren zu meinen intensivsten, vielfältigsten und eindrücklichsten Eisenbahn-Erlebnissen zählt. Ich hatte das Gefühl, dass die Reichsbahn regelrecht aufblühte und in ihren letzten Frühlingen nun endlich all das nachholen wollte, was ihr in den vergangenen Jahrzehnten versagt blieb. Und tatsächlich: Vieles von den negativen Entwicklungen, die man heute unbewusst der Schlussphase der Reichsbahn zuschlägt, begann erst zu einer Zeit, als es die DR schon nicht mehr gab. Das gilt für den Kahlschlag im Streckennetz und den massiven Personalabbau genauso wie für die gnadenlose Offenlegung der Defizite aus mehreren Jahrzehnten Improvisation. Ist es vermessen zu sagen, dass die letzten Jahre der Deutschen Reichsbahn vielleicht die besten waren, die diese kleine Eisenbahn mit ihrem großen Namen je erlebt hat?
Die Bemühungen der DR, sich gegen ihren Niedergang zu stemmen, wurden nicht honoriert cken im Reichsbahnland zu bereisen. Nicht zuletzt gab es im Vorfeld der Ehe mit der Bundesbahn das Tramper-Monats-Ticket, die Netzkarte für Jugendliche, nun auch für das Reichsbahnland.
Unglaubliches Nebeneinander Auf und neben den dortigen Gleisen herrschte in jener Zeit ein unglaublich interessantes Nebeneinander von Reichsbahn-„Gestern“, Reichsbahn-„Heute“ und den Vorboten einer noch gar nicht bekannten Zukunft, verbunden mit so vielen und ehrlichen Hoffnungen, bei der Eisenbahn die „Fehler im Westen nicht zu wiederholen“. Da schleppte die 234-Diesellok ihren Elf-Wagen-Intercity entlang klassischer Vorkriegs-Infrastruktur mit Telegrafenleitungen und Formsignalen in die künftige neue Hauptstadt. Umgekehrt erhielt man für die Dampfzugfahrt von Wernigerode nach Nordhausen eine flugscheingroße Fahrkarte aus dem allerneuesten Computer-Verkaufssystem. Die gute alte 118-Diesellok, ab 1992 als 228 geführt, tauchte auf einmal
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Fahrzeuge und Betrieb
Die Eisenbahn auf Usedom
Inselbahn mit Zukunft Anfang der 90er-Jahre war der Bahnbetrieb auf Usedom ein Schatten früherer Tage. Nur wenige Reisende fuhren mit den Zügen, die Bahnanlagen schienen die besten Zeiten hinter sich zu haben. Doch bald sollte die Reichsbahn mit einem neuen Konzept erfolgreich die Flucht nach vorn antreten
Ein Wärterhäuschen mit Läutewerk und ein ziemlich gelassener Eisenbahner erwarten im April 1992 Diesellok 201 792 und ihren Personenzug Josef Högemann in Ahlbeck. So idyllisch der Betrieb aussieht – diesem Teil der Usedomer Strecke hat der Zahn der Zeit schon zugesetzt
ie gut die Insel Usedom einmal auf dem Schienenweg an das Festland angebunden war, zeigt ein Kursbuch aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Während der Badesaison verkehrende Eil- und Schnellzüge ermöglichten eine Bahnreise vom Stettiner Bahnhof in Berlin bis ins Seebad Heringsdorf in kaum mehr als drei Stunden. Die Fahrt ging über die zweigleisige Hauptbahn Berlin – Stralsund, bevor in Ducherow auf die ebenfalls zweigleisige Hauptbahn nach Heringsdorf gewechselt wurde. Reisende, die in den Norden der Insel weiterreisen wollten, konnten das in der Regel ohne Umsteigen tun, denn die meisten Berliner Züge liefen bis Karlshagen-Trassenheide oder gar bis Wolgaster Fähre durch. Was waren das für Zeiten! Damit war es nach 1945 aus und vorbei. Nicht nur, dass die deutsche Wehrmacht in den letzten Kriegstagen die markante Hubbrücke über das Stettiner Haff bei Karnin gesprengt hatte, auch verhinderten neue politische Realitäten einen durchgehenden Eisenbahnverkehr zwischen dem Festland und
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Usedom. Swinemünde war polnisch geworden, bis 1948 wurden sämtliche Gleise zwischen Ducherow und Ahlbeck im Rahmen von Reparationsleistungen an die Sowjets abgebaut. Zwischen Ahlbeck und Wolgaster Fähre blieben sie liegen und wurden im Inselbetrieb weiterhin von Personenzügen und einigen Güterzügen befahren. Auch die in Zinnowitz abzweigende Militärbahn nach
Peenemünde blieb erhalten und wurde ab 1955 sogar von öffentlichen Reisezügen befahren. Den Weg zwischen dem Bahnhof Wolgaster Fähre auf der Insel und dem Bahnhof Wolgast Hafen auf dem Festland mussten die Reisenden zu Fuß zurücklegen, erst später konnten für den Transfer auch Busse und Taxen genutzt werden. Die Beförderung der Güterwagen geschah dagegen mit Fährschiffen (s. S. 80/81). Und trotz der fehlenden Verbindung mit dem Festland blieb die Eisenbahn auf der Insel Usedom ein wichtiges Verkehrsmittel. Besonders in den Sommermonaten sah man lange Züge im staatlich organisierten Urlaubsverkehr der Gewerkschaft FDGB und selbst in den deutlich ruhigeren Wintermonaten war die Eisenbahn unverzichtbar.
Die Bahn nach 1989
Bahnbetrieb getrennt vom Festland: die Strecken auf Usedom, Stand 1990 Slg. Rico Oehme
Mit der Wende im Jahr 1989 wurde alles anders. Den organisierten FDGB-Urlaub gab es nicht mehr und wer es sich erlauben konnte, nutzte die neuen Freiheiten und reiste in fremde Länder. Diejenigen, die Usedom treu ge-
Usedom Anfang der 90er-Jahre
Nebensaison und sinkendes Interesse sorgen im April 1992 für geringes Verkehrsaufkommen. Josef Högemann Gerade mal ein Reisender steigt bei diesem Zug in Seebad Bansin zu
blieben waren, aber auch die in zunehmender Zahl anreisenden Gäste aus den alten Bundesländern kamen vorwiegend mit dem Auto und sorgten für so manchen Stau auf den wenig leistungsfähigen Straßen. Die durchweg mit Dieselloks der Baureihe 110 (ab 1992: 201) bespannten Personenzüge fuhren nun weitgehend leer, während die Deutsche Reichsbahn den Güterverkehr vor allem aus wirtschaftlichen Gründen schon 1990 aufgab. Die Fahrpläne aus DDR-Zeiten waren noch immer die gleichen, auch wenn längst eine Anpassung an die veränderten Reisegewohnheiten vonnöten gewesen wäre. Im Seebad Heringsdorf empfing den Reisenden ein zu groß geratener Bahnhof aus einer Zeit, als bei Bahnreisenden noch ein gewisser Luxus gefragt war. Die überdachten Bahnsteige und die große gläserne Empfangshalle ließen keinen Zweifel daran, dass die Bahn hier einmal eine wichtige Rolle im Verkehr zwischen dem Fest-
die in Zinnowitz abzweigende Strecke nach Peenemünde, wo seit 1991 auf dem ehemaligen Militärgelände ein Dokumentationszentrum über die Anfänge der Raketenentwicklung und die Raumfahrt informierte, befand sich in einem recht ordentlichen Zustand.
Einstellung oder Modernisierung? Die nur noch geringe Nutzung der Bäderbahn, besonders außerhalb der Saison, sowie der recht hohe Personalaufwand führten schon bald nach der Wende zu Überlegungen, den Eisenbahnbetrieb zugunsten eines verbesserten Omnibusverkehrs einzustellen. 700 Reisende pro Tag im Jahresdurchschnitt waren der Reichsbahndirektion Schwerin zu wenig, woraufhin 1992 ein Antrag auf Stilllegung des Gesamtbetriebes gestellt wurde. Doch die Zentrale der Deutschen Reichsbahn lehnte ab, nachdem mehrere Fachgutachten zu dem Schluss gekommen waren, die Bäderbahn an-
Die Reichsbahndirektion Schwerin beantragte 1992 die Stilllegung, aber die Zentrale der DR lehnte ab land und der Insel gespielt haben musste. Inzwischen jedoch wirkte alles ein wenig morbide, aber nicht ungepflegt. Anders dagegen einige Kilometer weiter südlich in Ahlbeck, wo die früher zweigleisige Strecke seit 1947 vor einem Prellbock endete. Hier hatte der Zahn der Zeit deutliche Spuren an Gleisen und Bahnsteigen hinterlassen und es schien fast so, als sei die Bahn ein wenig in Vergessenheit geraten. Nördlich von Heringsdorf wieder ein anderes Bild. Zwar stand es auch hier mit dem technischen Zustand der Bahnanlagen nicht immer zum Besten, doch solche Zustände wie in Ahlbeck mit völlig verkrauteten Gleisen gab es dort kaum. Die Reisenden wurden in der warmen Jahreszeit noch wie eh und je mit Blumenkästen vor den Fenstern empfangen, denn damals waren fast alle Stationen besetzt und verfügten über mechanische Stellwerke mit Formsignalen. Und selbst BAHN EXTRA 6/2012
gesichts des rasant wachsenden Straßenverkehrs unbedingt beizubehalten und zu modernisieren. Mit aufgearbeiteten „Ferkeltaxen“ – den DR-Triebwagen der nunmehrigen Baureihe 771/772 – begann zum Sommerfahrplan 1993 ein neuer Fahrplan im Stundentakt, der die Fahrgastzahlen binnen kurzer Zeit um mehr als 160 Prozent ansteigen ließ. Ein Jahr später begann der Bau einer kombinierten Schiene/Straße-Klappbrücke über den Peenestrom in Wolgast sowie die grundlegende Sanierung der Strecke. Als im Jahr 2002 die Zahl der Bahnreisenden auf mehr als drei Millionen gestiegen war, kamen auch die letzten Zweifler zu der Erkenntnis, dass die Beibehaltung des Schienenverkehrs unter der am 21. Dezember 1994 gegründeten DB-Tochter „Usedomer Bäderbahn“ (UBB) eine sinnvolle Entscheidung für die Insel gewesen ist. Josef Högemann
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Erinnerungen
Idylle mit kleinen Fehlern im Bahnhof Dähre im Februar 1990: Der Triebwagen, der nach kurzem Aufenthalt weiter nach Diesdorf fährt, ist nur spärlich besetzt. Diese Teilstrecke wurde noch vor Gründung der DB AG stillgelegt Aufn./Abb., wenn nicht anders angegeben: M. Weltner bzw. Slg. Weltner
Nebenbahnen im Raum Salzwedel
Ausflug in die Altmark Seit Ende 1989 konnten Westdeutsche den Betrieb bei der DR ungehindert erkunden – ohne Visum, ohne Zwangsumtausch. Auch Martin Weltner lockten die neuen Möglichkeiten an; von Hameln in Niedersachsen aus waren die Nebenbahnen rund um Salzwedel ja nicht weit entfernt. Und erstmals ging es für ihn bei einer Fahrt in die DDR nicht um Dampfloks, sondern um ganz normalen Alltagsbetrieb mit Dieselloks und Triebwagen So desolat zeigt sich 1990 der Oberbau vieler altmärkischen Nebenbahnen
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„Ferkeltaxe“ 171 006 hat Reisende nach Schadeberg-Dülseberg gebracht. Das Solo-Fahrzeug Dieter Lindenblatt genügt für das Verkehrsaufkommen voll und ganz (Bild vom Oktober 1991)
Salzwedel – Diesdorf
Die Kursbuchkarte 1990 mit den letzten AltSlg. Rico Oehme mark-Nebenbahnen
Solche Züge gab es noch in den ersten Monaten nach der Grenzöffnung: Der P 18333 ist mit einem bunten Wagenpark unterwegs von Salzwedel nach Oebisfelde
pläne auch des unbekanntesten DR-Bahnbenfang der 80er-Jahre hatte mir ein ZUR PERSON DER AUTOR Freund ein Buch geschenkt: Kleinbahtriebswerks informiert, so erlebte ich mit dem nen der Altmark. Ich war begeistert, erganz normalen Planbetrieb Neuland. artin Weltner, Jahrgang 1957, ist heute als fuhr ich doch vieles über die Eisenbahn in eiMit einem Pfiff kündigte sich der P 18333 freiberuflicher Redakteur im an, an der Zugspitze eine 112er-Diesellok und nem Landstrich, der vor der Wende nicht eben Bereich Eisenbahn und dann ein Wagenpark, der deutlich zeigte, dass problemlos erreichbar war. Besonders faszinierSchienenverkehr tätig. Die die DR in der Altmark nicht gerade ihr mote mich der in Grenznähe gelegene Bahnhof Reichsbahn kennt er seit den dernstes Material einsetzte: Hinter der Lok ein Diesdorf, der einst von Schmalspur- und Nor70er-Jahren. Nach der Wende zweiachsiger Reko-Wagen, es folgten zwei malspurstrecken berührt wurde und ein kleiner lebte er einige Zeit in den Bghw-Wagen, den Zugschluss bildete ein vierNebenbahnknoten war. Die Betonung liegt auf neuen Bundesländern, wo er in der Erwachseachsiger Eilzug-Gepäckwagen aus den 30erwar, denn 1989/90 gab es nur noch eine Stichnenbildung arbeitete. Jahren. Anschließend suchte ich den kleinen, strecke, die von Salzwedel kommend nach Diesim ehemaligen Sperrgebiet direkt am Grenzdorf führte. Und irgendwie war schon abzusehen, dass auch dieser ehemaligen Privatbahnstrecke keine lange Zukunft zaun gelegenen Bahnhof Buchhorst auf, wo der Reichsbahner sichtlich mehr beschert sein würde. Also hieß es für mich an einem sonnigen Feb- froh war über etwas Abwechslung. Klar, er arbeitete als Fahrdienstleiter, Aufsichts- und Schalterbeamter in Personalunion, doch auch da gab ruartag 1990: auf in die Altmark, ab nach Diesdorf! Die Frage, welches Verkehrsmittel ich dafür nehmen sollte, ließ sich es Pausen. Und in diesen Pausen wollte er nicht unbedingt nur auf nicht gerade einfach beantworten. Der Zug hätte mir das vollkomme- den einst trennenden Zaun schauen, der plötzlich keine Bedeutung ne Flair der Reichsbahn beschert, aber auch meine Möglichkeiten ein- mehr hatte. Außerdem gab es so viel Neues, mit dem er rechnen mussgeschränkt. Schließlich hatte ich mir einige Streckenbesuche vorge- te. Er wollte viel wissen über alles, was jetzt „aus dem Westen“ so auf nommen, und mit Bahn fahren, Fotografieren und wieder Bahn fahren ihn zukäme, und ich hatte genug zu erzählen. konnte ich das Pensum nicht erfüllen. Auf den verbliebenen AltmarkNebenbahnen war das Zugangebot schon „sehr übersichtlich“. Also zog Beetzendorf, Diesdorf und mehr ich schweren Herzens das Auto vor. Mit ein paar Fahrkarten vom netten Reichsbahner als Souvenir ging es weiter in Richtung Diesdorf. Nach einem Zwischenhalt in Klötze Erster Halt Buchhorst war schnell Beetzendorf erreicht, wichtigster Zwischenbahnhof an der Früh am Morgen machte ich mich auf den Weg von Hameln in Rich- Strecke Oebisfelde – Salzwedel. Auch hier herrschte noch „Reichsbahn tung DDR, um bei Oebisfelde die nun nicht mehr gesicherte Grenze pur“: ein prächtiges Ziegelstein-Empfangsgebäude, vor dem eine gelzu überqueren. Ein völlig ungewohntes Gefühl. Erstes Ziel war die Ne- be Bahnhofs-Rangierlok untätig herumstand, und wenige Meter vom benbahn von Oebisfelde nach Salzwedel, die wie eine eingleisige großen Bahnhofsgebäude entfernt der Kleinbahnhof Beetzendorf. Hauptbahn wirkte. Im Gegensatz zu den anderen Nebenbahnen in der Noch konnte man hier mit dem Zug über Badel nach Kalbe fahren. AlAltmark stellte sie schon immer eine Staatsbahnstrecke dar und zeig- lerdings nur sehr langsam, denn der Kleinbau-Oberbau mit Gleisen te sich so ganz ohne Kleinbahn-Vergangenheit. Mit dem Reichsbahn- in Sandbettung hatte offensichtlich schon seit Jahren keine ÜberarKursbuch auf dem Beifahrersitz steuerte ich meine erste Fotostelle bei beitung mehr bekommen. Jede zweite Schwelle war verfault, viele GleisBuchhorst an, um einen planmäßigen Personenzug abzupassen. Wel- nägel fehlten, und so mancher Schienenstoß wurde wohl nur noch vom che Lok würde ihn wohl bespannen, aus welchen Wagen der Zug be- Rost zusammen gehalten. So verwundert es nicht, dass die eingesetzstehen? War man Jahre zuvor noch bestens über die Dampf-Umlauf- ten 171er-Triebwagen („Ferkeltaxen“) für die 27 Kilometer nach Kal-
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Im Bild rechts die 112 mit ihrem Personenzug im Bahnhof Buchhorst; neben der Lok links stehen noch die Zäune der innerdeutschen Grenze. Die Fahrkarten links sind Souvenirs vom freundlichen Reichsbahner, der in Buchhorst Dienst hatte
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Erinnerungen
Im Februar 1990 wurde Diesdorf noch im Güterverkehr bedient, hier rangiert die Salzwedeler 106 ihren kurzen Nahgüterzug
be eine runde Stunde Fahrzeit benötigten. Da war man selbst im Trabant auf den Kopfsteinpflasterstraßen schneller unterwegs. Eine gute Viertelstunde später hatte ich Diesdorf erreicht. Im liebevoll gepflegten Bahnhof mit viel Blumenschmuck war gerade der Nahgüterzug aus Salzwedel eingetroffen, die Diesellok der Baureihe 106 rangierte die wenigen Wagen in Anschlussgleise, es herrschte richtig Betrieb. Das Reisezugangebot war allerdings schon auf vier Zugpaare am Tag reduziert. Dem nächsten Triebwagen fuhr ich entgegen und erwischte P 17346 so im Bahnhof Dähre, wo nur wenige Reisende ein- oder ausstiegen. In Dähre war man übrigens seinerzeit mit der
kriegsbauarten, allesamt reif fürs Museum. Meine Anfragen vor Ort ergaben, dass die Fahrzeuge dort abgestellt waren, womöglich von Reichsbahnern vor der Verschrottung bewahrt. Gegenüber dem Hauptbahnhof lag das Bw Salzwedel, damals noch in Benutzung und voller 171er-Triebwagen und 118er-Dieselloks. Ein paar zuletzt als Heizloks eingesetzte 50.35 und eine 41 erinnerten an die Dampflokzeit. Die Heimreise gestaltete sich ebenfalls abwechslungsreich. In Winterfeld an der Strecke Badel – Beetzendorf konnte ich noch P 15404, einen weiteren Solo-171, aufnehmen, und in Kalbe, einem einst wichtigen Nebenbahnknoten, überraschte mich ein Güterzug mit einer 106 und einem Begleitwagen der Kriegsbauart. Auffällig bei allen besuchten Strecken war das geringe Fahrgastaufkommen. Fast immer reichte ein Solo-Triebwagen für die wenigen Reisenden, vornehmlich Schüler und Rentner. So paradiesisch der Nebenbahn-Betrieb im nachhinein wirken mag, wirklicher Bedarf an den wenigen Triebwagen-Fahrten bestand schon damals nicht mehr. Nicht ohne Grund waren die ersten Nebenbahnen in der bevölkerungsarmen Altmark schon in den 60er-Jahren eingestellt worden. Der mangelhafte technische Zustand steuerte seinen Teil zu den Stilllegungen in den 90er-Jahren bei, die teilweise schon vor der Fusionierung von DB und DR geschahen.
Heute wäre eine solche Reise Bahn-Archäologie: Keine der besuchten Strecken wird mehr befahren Verschrottung des dreiteiligen Triebzug-Unikats ET 25 201 beschäftigt: Auf einem Feld unweit des Dorfes wurde ein Triebkopf in handliche Teile zerschnitten und per Bagger auf einen Lkw verladen, weitere Teile des Zuges standen ausgebrannt in einem Vorgarten in Dähre und warteten auf den Schneidbrenner. Momentaufnahmen eines Reichsbahn-Alltags, wie ich ihn von früheren Besuchen „weiter drinnen“ im Land kannte – und wie er nicht mehr allzu lange bestehen sollte. Meine Fahrt führte nun nach Salzwedel, wo es wieder je einen Haupt- und einen Kleinbahnhof gab. In Letzterem fand sich eine Ansammlung ausgemusterter Triebwagen-Beiwagen verschiedener Vor-
Trauriger Blick zurück Heute würde eine solche Reise durch die Altmark in den Bereich „Eisenbahn-Archäologie“ fallen: Keine einzige der besuchten Strecken wird mehr befahren. Die meisten Gleise sind herausgerissen worden, einige wenige Empfangsgebäude fanden eine Nachnutzung als Eigenheim, viele wurden nach jahrelangem Leerstand abgerissen. Einige von Vandalismus gezeichnete Ruinen erinnern heute daran, dass es in der Altmark einmal ein Eisenbahnnetz gegeben hat. Und sie erinnern mich an einen Ausflug, bei dem ich von jenem Netz noch letzte aktive Reste erlebt habe. Schüler- und Berufsverkehr dominiert die Archiv GM Kursbuchtabelle 1990/91
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Bilderbogen
Eine Tour mit der Wolgaster Fähre
Seefracht Die dampfbetriebene Wolgaster Fähre war ein Unikat bei der Reichsbahn: Sie stellte im Norden des Landes die Bahnverbindung nach Usedom her, konnte sich aber zum Schluss nicht mehr aus eigener Kraft fortbewegen. Ein Schlepper ermöglichte ihr und Eisenbahnwagen die Überfahrt
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Wolgaster Fähre
Die Strecken um Wolgast 1990
2.
Die Diesellok hat die „Seefracht“ schon im Bahnhof Wolgaster Fähre erwartet und rangiert die Wagen von der Fähre aufs Land
3.
Die Fähre tritt den Rückweg an ...
1.
Wolgast am 15. Oktober 1990. Eine Dampffahne kündigt das eigentümliche Gespann an, das sich dem Hafen nähert: die Fähre samt „Beiboot“, dem helfenden Schlepper. Wegen eines Schadens kann die Fähre nicht mehr selbstständig fahren Aufnahmen: T. Wunschel (4), Karte: Slg. R. Oehme
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4.
... und das war auf den Wagen geladen: einige Rohre, die somit eine komfortable Überfahrt bekamen
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Fahrzeuge und Betrieb
Der „Forellen-Express“ P 17627 steht im Bahnhof Blauenthal für die Rückfahrt nach Aue bereit; am 10. Juli 1991 bilden Lok 119 054 und Rainer Heinrich Bgh-Wagen 50 50 29-14 139 diese Leistung
Die letzten LOWA-Reisezugwagen
Der „Forellen-Express“ Wagenmangel brachte 1991 ein ungewöhnliches Fahrzeug auf die romantische Strecke von Aue nach Blauenthal im Erzgebirge. Eineinhalb Jahre lang fuhren einige Züge dort mit LOWA-Mitteleinstiegswagen. Es wurde deren letzter Einsatz eit ihrer Unterbrechung 1975 war die Linie Karl-Marx-Stadt – Aue – Adorf in zwei Kursbuchstrecken unterteilt. Unter der Kursbuchstreckennummer (KBS) 440 führte die Deutsche Reichsbahn nun den Abschnitt Karl-Marx-Stadt – Aue – Blauenthal, die Reststrecke Adorf – Schönheide Ost trug die neue Nummer 445. Auf dem Abschnitt zwischen Aue und Blauenthal machte sich in den 80er-Jahren ein deutlicher Fahrgastrückgang bemerkbar. 1985 verkehrten Personenzüge nach Blauenthal nur noch Montag bis Freitag. Der vorerst letzte Reisezug, bestehend aus Diesellok 110 828, einem Gepäckwagen des Typs Dag und drei Personenwagen des Typs Bghw, fuhr am 7. Dezember 1990 von Aue nach Blauenthal. Das war zugleich die erste Stilllegung einer Eisenbahnstrecke nach der Wende im Osten Deutschlands. Da aber das Stilllegungsverfahren Formfehler hatte und nicht den bundesdeutschen Regelungen entsprach, musste die DR mit Beginn des Sommerfahrplans ab 2. Juni 1991
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wieder Personenzüge zwischen Aue und Blauenthal einsetzen. Diese Entscheidung kam so kurzfristig, dass die vorgesehenen zwei Zugpaare früh und nachmittags im Berufsverkehr noch nicht einmal im Fahrplan enthalten waren. Erst im neuen Regionalkursbuch, gültig ab 31. Mai 1992, war für die nunmehr als
KBS 524 geführte Strecke Chemnitz – Aue – Blauenthal das komplette Zugangebot wieder enthalten. Die Besetzung der Züge blieb aber erwartungsgemäß gering. In den frühen 90er-Jahren nahm die DR bei ihren Dienststellen aber auch grundlegende Umstrukturierungen vor. Nahezu zu jedem Fahrplanabschnitt wechselten zwischen Aue und Blauenthal die eingesetzten Dieselloktypen und Wagen. Begann die Wiedereröffnung noch mit der Baureihe 118, so folgte ihr die 219 und ab 1993 die 202. Bei den Reisezugwagen hatten die zweiachsigen Reko-Wagen schon 1989 ausgedient und waren durch Bghw-Wagen ersetzt worden. Bald aber sollten diese Ergänzung erhalten.
Vom Abstellgleis zum Einsatz
Das Streckennetz im Erzgebirge, Stand 1990 Slg. Rico Oehme
So hatte das Bahnbetriebswagenwerk (Bww) Zwickau im Frühjahr 1991 noch neun LOWA-Neubauwagen der Gattung Bgh. Die inzwischen mehr als 30 Jahre alten Fahrzeuge wurden ab Juni 1991 nicht mehr benötigt
Letzte LOWA-Wagen Eine Rarität stellt das Zuglaufschild für den „ForellenExpress“ dar. Mit ihm kam der letzte LOWAWagen der Deutschen Reichsbahn zwischen Aue und Blauenthal zum Einsatz Rainer Heinrich
ÜBERBLICK LOWA-WAGEN IN AUE 1991 Wagen-Nummer
Revisions-/Untersuchungsdatum
50 50 29-14 099-4 Letzte REV Delitzsch 08.03.90, RU(1) Aue 19.07.91 50 50 29-14 139-5 Letzte REV verl. Aue 24.09.91, RU(1) Aue 23.11.92 50 50 29-14 304-5 Letzte REV verl. Aue 02.06.92, RU(2) Aue 24.11.92 50 50 29-14 309-4 Letzte REV Delitzsch 29.10.90, RU(1) Aue 27.08.91 50 50 29-14 314-4 Letzte REV verl. Aue 26.03.92, RU(1) Aue 25.11.92 Wagen 50 50 29-14 099 und 309 dienten ab Ende 1991 als Ersatzteilspender für die drei anderen Fahrzeuge. Wagen 50 50 29-14 139 fuhr am 24. Dezember 1992 als letzter LOWA-Wagen zwischen Aue und Blauenthal; er blieb auch beim VSE erhalten.
Ebenfalls eine Rarität sind die Fotos vom letzten Betriebszustand des heutigen Museumswagens, ex 50 50 29-14 139, im Fahrgastraum Rainer Heinrich
und auf dem Bahnhof Falkenstein abgestellt, weil eine Zuführungssperre für das Reichsbahnausbesserungswerk (Raw) Delitzsch bestand. Im Sommerfahrplan 1991 benötigte der Einsatzbahnhof Aue des Bww Zwickau 27 vierachsige Reko-Wagen der Gattung Bghw in den planmäßigen Umläufen auf den Erzgebirgsstrecken. Sich häufende Schadwagen und fehlende Ersatzteile führten nicht selten zu einem Mangel an einsatzfähigen Wagen. Für das Personenzugpaar P 17626/ 17627 (ab Sommerfahrplan 1992 N 8820/ 8829) zwischen Aue und Blauenthal, für das bevorzugt Reisezugwagen aus der Betriebsreserve verwendet wurden, entstand somit ein Defizit. Um dieses zu überbrücken, verfügte man fünf der neun in Falkenstein abgestellten LOWA-Mitteleinstiegswagen nach Aue. Bereits ab Juli 1991 lief ein LOWA-Wagen planmäßig im Umlauf Aue – Blauenthal. Vier LOWA-Wagen dienten derweil in der Abstellanlage Aue als Reserve für den Sonderverkehr, zum Beispiel für Züge mit Fußballfans. Diese fünf Wagen waren seinerzeit die letzten noch bei der DR im Einsatzbestand befindlichen LOWA-Wagen der Gattung Bgh. Die Mitarbeiter der Wagenausbesserungstelle
(Was) Aue wussten von dieser Besonderheit. Entsprechend liebevoll pflegten und warteten sie die Fahrzeuge. Um wenigstens drei Wagen betriebsfähig vorhalten zu können, wurden ab Ende 1991 zwei Wagen als Ersatzteilspender verwendet. Die drei im Dienst verbliebenen Wagen blieben übrigens bis zuletzt betriebsfähig. Ein eigens geschaffenes Zuglaufschild mit der Aufschrift „Forellen-Express“ unterstrich die Bedeutung des Wagenlaufs durch das Erzgebirge, der an der romantischen Zwickauer Mulde mit klarem Wasser und nahezu unberührter Natur entlang führte. Für kurze Zeit
Der Abschied und die Folgen Zudem handelte es sich bei dem „Forellen-Express“ um ein kurzes Intermezzo. Schon am 24. Dezember 1992 fuhr der Zug letztmals mit einem LOWA-Wagen. Die DR hatte angewiesen, keine „Altbaufahrzeuge“ mehr im
Kurzes Intermezzo: Schon am 24. Dezember 1992 fuhr der Zug letztmals mit einem LOWA-Wagen wurde der Mitteleinstiegswagen zum Symbol des Reiseverkehrs zwischen Aue und Blauenthal, wenn er, meist von einer 219er gezogen, werktags einmal im N 8820/8829 über die zwölf Kilometer lange Strecke rollte. Dass er nur die Minderheit die Zugverbindungen ausstattete und vier weitere Zugpaare mit anderen Wagen gefahren wurden, störte dabei
Fahrplan der Kursbuchstrecke 524, so wie sie ab Sommerfahrplan 1992 hieß, hier mit Zug Slg. Rainer Heinrich 8820. Der Fahrplan galt vom 31. Mai 1992 bis zum 22. Mai 1993
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nicht. Allerdings gab es auch Schwierigkeiten zu meistern. So war die Streckengeschwindigkeit durch den schlechten Oberbau abschnittsweise so niedrig, dass nicht mal der Kohleregler im Schaltschrank von Batterie auf Lichtmaschinenbetrieb umschaltete.
Nahverkehr einzusetzen. Am 15. Januar 1993 folgte für alle fünf LOWA-Wagen die Ausmusterung. Die Wagenwerkstatt wie auch das Bahnbetriebswerk Aue wurden mit Gründung der Deutschen Bahn AG Anfang 1994 geschlossen. Die Zugpaare Aue – Blauenthal wurden fortan im Wagendurchlauf von Chemnitz aus bedient. Zum Einsatz kam eine Diesellok der Baureihe 202, anfangs mit vierachsigen Reko-Wagen, später mit zwei ehemaligen Schnellzugwagen der Gattung Bom, den modernsten Fahrzeugen, welche diese Nebenstrecke bis dahin gesehen hatte. Am 22. September 1995 wurde der Personenverkehr zwischen Blauenthal und Aue eingestellt. Für vier der fünf LOWA-Wagen kam Ende 1993 das Aus; am 10. Dezember wurden sie mit einem Nahgüterzug zum Verschrotten nach Delitzsch abgefahren. Dem Verein Sächsischer Eisenbahnfreunde (VSE) ist es zu verdanken, dass der fünfte Wagen erhalten blieb. Aufgearbeitet und modernen Sicherheitsanforderungen angepasst, ist er heute der letzte LOWA-Wagen überhaupt und Bestandteil jeder VSE-Sonderfahrt. Rainer Heinrich 83
Fahrzeuge und Betrieb
Neue Fahrzeuge für die DR
Wege in die Moderne
In großer Serie wird in den 80er-Jahren die Baureihe 243 angeliefert. Im Februar 1991 bespannt 243 648 auf dem Berliner Außenring einen „Sputnik“-Zug nach Potsdam (gr. Bild, P 11424 in Saarmund); 1985 stellte LEW die Lok auf der Leipziger Messe vor (kl. W. Dath (gr. Bild), V. Emersleben (kl. Bild) Bild)
Bei der Erneuerung ihres Fahrzeugparks war die Reichsbahn in den 80er-Jahren von der DDR-Industrie abhängig. Als sie frei als Besteller auftreten konnte, hatte sich der Bedarf verringert
er Traktionswechsel bei der DR, mit dem man vor allem die Dampflokomotiven bis Mitte der 70er-Jahre ablösen wollte, vollzog sich zunächst mit Dieselloks aus der UdSSR und aus Rumänien. Erstere lieferte die Maschinen der V 200 (120, ab 1992: 220) und die Versionen der V 300 (130–132, 142/230-232, 242), Letztere die Baureihe 119 (219). Das waren rund 1.000 neue Lokomotiven. Eigene Neubauten waren seit der E11/E42 (211/242, später 109/142) nicht mehr vorgesehen; nach den Festlegungen im Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) bauten andere die Diesellokomotiven.
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Neufahrzeuge der 80er-Jahre An die Weiterelektrifizierung dachte zunächst niemand, was sich schlagartig mit gestiegenen Ölpreisen änderte. Künftig wurde wieder elektrifiziert und 1982 stand der Prototyp mit Bei Waggonbau Görlitz entstehen 1992 neue Doppelstockwagen für die DR. Exportaufträge haben nun keinen Vorrang mehr Volker Emersleben
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Am 26. Dezember 1992 stehen drei fabrikneue Elloks 112.1 in der Einsatzstelle Berlin-Rummelsburg, nahe beim Rundschuppen Wolfgang Dath
Der Neuling für Arbeiten am Fahrdraht war der Oberleitungsrevisionstriebwagen (ORT) 188.3; hier 188 301 im März 1991 in Riesa H. Focken
IN KÜRZE DATEN DER NEUBAU-FAHRZEUGE Daten der Triebfahrzeuge Baureihe 243/143 Baujahre 1984 – 1990 Hersteller LEW Anzahl 646 Bauart Bo Bo Höchstgeschw. (km/h) 120 Leistung (kW) 3.500 Länge über Puffer (mm) 16.640 Dienstgewicht (t) 82,5
212/112** 1990 – 1993 LEW 133* Bo Bo 160 4.000 16.640 82,5
230/180* 1988 Skoda 20 Bo Bo 120* 3.080 16.800 84
252/156 1991 LEW 4 Co Co 125 5.580 19.500 120
270/485*** 1987/90-92 LEW 166 Vz Bo Bo +2 2 90 4x150 kW 36.200 59
188.3/708 1987-1991 WG Görlitz 37 (1A)2 100 330 22.400 61
*180 001 Umbau auf 160 km/h, Abgabe als Ausgleich an CD; **133 Stück der Baureihe 112, davon Umzeichnung von 38 Stück in Baureihe 114, einem Stück in 755; ***Viertelzug = Trieb- und Beiwagen; hier Längenangabe über Kupplung
Daten der Reisezugwagen Daten/Gattung Ame Baujahr 19831 Hersteller Halb8 Anzahl 120* Höchstg. (km/h) 140
Bme2 1984 Halb8 18010 160
BDmsb4 1988 Halb8 76 160
Bmz3 1990 Halb8 1 160
Bomz 1991 Halb8 112 200
Bcme5 1983 Bautz9 113 160 (200)
WRme 1984 Bautz9 26 160 (200)
Bmy6 1985 Bautz9 10* 200
Amz 1991 Bautz9 40 200
Bmp7 1989 Halb8 1 120
1 1983 Vorserie mit zehn Wagen ab 1982; 2 Bme – später DB AG Bom 280/281; 3 Bmz ab DB Bomz236 (Prototyp); 4 BDmsb 1985 1 Vorserien-Wagen; 5 Bcme ab DB Bcom242 (Liegewagen); 6 sieben Wagen Bmy (DB Bpmz) und drei Wagen Amy; 7 Bmp (Prototyp Großraumwagen, Bmp591); 8 Halb = Raw Halberstadt; 9 Bautz – VEB Waggonbau Bautzen; 10 180 Wagen im Jahr 1984, es folgten 65 Wagen Ame, 1985 218 Wagen Bme (Bom 281) und 1986 155 Wagen Bme sowie 1987 137 Wagen Bme und 1988 57 Wagen ABm, 1989 133 ABm und 47 Am-Wagen
212 001 – der „Weißen Lady“ – vom LEW Hennigsdorf auf der Leipziger Messe. Mit der für 160 km/h ausgelegten Lokomotiven führte man ein Jahr Versuche mit bis zu 140 km/h durch. Schließlich orientierte sich die DR an einer Geschwindigkeit von 120 km/h und im Raw Dessau baute man 1983 die 212 in die 243 001 für 120 km/h um. Ab 1984 begann die Serienfertigung der Reihe 243, die erste umfangreiche Auslieferung führte bis zur 243 370. Mit der 243 801 begann 1988 die Produktion des nächsten Bauloses. Fortan erhielten die Loks Vielfachsteuerung. Insgesamt 646 Exemplare lieferte Hennigsdorf aus. Mit der Wende taten sich neue Wege auf – Einsätze bei den SBB oder im Schwarzwald waren Neuland. Der „Trabi“ aus dem Osten bewährte sich… Dies war aber nicht die einzige neue Ellok der 80er-Jahre. Nachdem das Elbtal durchgehend elektrifiziert war, war die DR daran interessiert, die aufgrund der unterschiedlichen Oberleitungsnetze der DR und der Tschechoslowakischen Staatsbahn (CSD) nötigen Umspannhalte einzusparen. Skoda in Plzen produzierte die Gleichstrommaschine 372 weiter, BAHN EXTRA 6/2012
setzte aber zwischen den Drehgestellen einen Kasten für die Wechselstromtechnik ein. Als Baureihe 230 liefen 20 vom Bw Dresden übernommene Exemplare auf der Strecke von der Tschechoslowakei über Bad Schandau und Dresden nach Berlin. Die CSD erhielt bauartgleiche Loks als 372.2. Neben Weitstreckenwagen für die Sowjetische Staatsbahn SZD fertigte der Waggonbau Görlitz nahezu nebenher Oberleitungs-
Wettlauf mit der Waggon-Union im Westteil der Stadt (und deren Baureihe 480) zeigte sich 1987 auf verschiedenen Ausstellungen der erste Zug der DR-Baureihe 270. Nach umfangreichen Erprobungen folgte alsbald die Serienproduktion. Kurz nach der Wende rollte eine weitere neue bzw. weiterentwickelte Lok an: 1990 lieferte Hennigsdorf die schnellere Variante der „Lady“ aus. Als neue Reihe 112 fanden sich
Elloks für den Reiseverkehr und für den schweren Güterverkehr – mit unterschiedlichem Erfolg revisionstriebwagen (ORT) der Baureihe 188.3. Die wurden erforderlich, da das elektrifizierte Netz nach 1985 größer wurde und die alten Module den Anforderungen nicht mehr gerecht wurden und vor allem auch nicht ausreichten. Für die Hauptstadt sollte es dagegen nur das Beste geben… So profitierte Berlin zur 750-Jahr-Feier von einer neuen S-Bahn. Im
zahlreiche Maschinen gleich im IC-Verkehr und beim Bw Seelze wieder. Weniger erfolgreich war ein anderer Neuling. Die DR hatte wiederholt eine starke Güterzuglok gefordert, um auf die Doppelbespannung mit 243 verzichten zu können. Als Nachfolgerin der Baureihe 250 (155 – „Container“) und mit der modernen Technik aus der 243 standen ab 1991 die ersten vier Exem85
Fahrzeuge und Betrieb räumeinheiten und vor allem der Umbau von zunächst zehn 110 in eine sechsachsige Schmalspurvariante für das Meterspurnetz im Harz. Abschließend sei auf die leistungsgesteigerten Diesellok-Varianten der 118.0 in 118.5 (228), 110 in 112 (202) und 110 in 114/115 (204) hingewiesen. Auch hier änderte die Wende in der DDR alles. Remotorisierte Loks wurden abgestellt; hingegen rüstete Krupp für den IC-Verkehr 20 Exemplare der Baureihe 119 mit neuen Motoren aus. Künftig hießen sie Baureihe 229.
Neue Wagen – nur für Transit und Export
Im Juni 1991 feiert die Reichsbahn „140 Jahre Eisenbahn Dresden – Prag“; zu dem Anlass fährt 230 020, eine der Zweisystemlokomotiven aus tschechischer Produktion, mit GirlandenVolker Emersleben schmuck (Aufnahme in Dresden Hbf, 1. Juni)
plare der Baureihe 252 (156) auf den Schienen. Doch die Zeit ging über sie hinweg; bei der DB AG passten sie nicht in die Linie, der Serienbau unterblieb.
Das Umbauprogramm Die DR war stets vom Fahrzeugmangel geprägt. Das galt auch für leistungsgeminderte oder -gesteigerte Lokomotiven. Daher griff man zur Selbsthilfe. So baute das Raw Stendal
zahlreiche Varianten für den leichten Rangierdienst (Baureihe 104/344) oder für den schweren Rangierdienst (108/293) um. Hinzu kam der Umbau von 20 Lokomotiven für den Fährkomplex Mukran, die künftig auf 1.520 Millimeter breiten Gleisen als Baureihe 347 (DB, DR 105/106) rangierten. Erwähnenswert sind ferner die Baureihe 111 (298) für den Güterzugdienst ohne Zugheizung, verschiedene Spezialtypen für Graben-
Im hochwertigen Reisezugverkehr konnte die DR derweil nur auf wenige „neue“ Wagen zurückgreifen. In den nationalen D- und Eilzügen liefen vor allem die so genannten Rekound Mod-Wagen (Bghwe und Bge). Mit ihren 18,70 Metern bzw. 22,40 Metern Länge entsprachen sie nicht den internationalen Maßen. Aber die Längen entsprachen den verfügbaren Schiebebühnen in Halberstadt oder Delitzsch. Aus Bautzen kamen die Y-Wagen mit 24,60 Metern Länge. Doch die Lieferungen gingen vor der Wende vor allem ins Ausland. Nur wenige Wagen blieben der DR, die sie im Transitverkehr West-Berlin – Bundesrepublik einsetzte. Hinzu kam aus einem nicht zustande gekommenen Export-Auftrag für die CSD eine Anzahl von Y-Wagen, die sich alle im Städteexpress-Verkehr wieder fanden. Ein regelrechter Quantensprung war der „Lange Halberstädter“ mit 26,40 Metern Länge und den Mitteleinstiegen. Über 1.200 Wagen entstanden zwischen 1978 und 1983 in Halberstadt. Ab 1983 folgten die Seitengangwagen verschiedener Gattungen (s. u.). Auf der Basis der Görlitz-V-Drehgestelle standen nun
STICHWORT EXPORT UND NATIONALE VERTEIDIGUNG – EIN REICHSBAHNER ERINNERT SICH
D
er DDR-Schienenfahrzeugbau produzierte auf Weltniveau und hatte stets volle Auftragsbücher. Die Reihenfolge in der Produktion war gewinnorientiert einfach: Export für Devisenländer und Produktion für die RGW-Staaten, allen voran für die UdSSR. Letztlich gab es kaum neue Fahrzeuge für das Binnenland DDR, für die DR. Als Redakteur der Eisenbahnerzeitung „Fahrt frei“ durfte ich mich auch „intern“ umsehen. Die Pläne für neue Lokomotiven im Vereinigten Schienenfahrzeugbau der DDR lagen vor. Vor allem durch die wieder erstarkte elektrische Zugförderung forderte die DR nach weiteren Lokomotiven. International war die Drehstromantriebstechnik auf dem Vormarsch. Doch der DDR fehlten die Valuta, um entsprechende Ausrüstungsteile im Ausland zu kaufen. Intern gefertigt, waren sie schlichtweg zu groß. So erhielt der Versuchsträger, die Ellok 212 001 des LEW, einen Begleiterwagen mit entsprechender Technik. Auf dem Reißbrett längst fertig war die elektrische vierachsige Rangierlok der Baureihe 204.2, als Ablösung etwa für die 244 (E 44), welche die DR in einigen Rangierbahnhöfen nutzte. Gern hätte die DR elektrische Rangierloks eingesetzt – allen voran, um teuren Dieselkraftstoff zu sparen.
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Außerhalb des Berufsverkehrs, vor allem in den späten Abendstunden, griff die DR auch auf Hauptstrecken auf Triebwagen, die „Ferkeltaxen“ zurück. Doch wegen deren Alter und geringen Höchstgeschwindigkeit suchte die DR nach einer neuen Generation. Mit dem Neubau der ORT hoffte sie auf eine Serienproduktion von vierachsigen Triebwagen. Doch das kleine Werk in Görlitz war mit dem Bau sowjetischer Wagen ausgelastet. Und auch andernorts bekam die DR einen Korb. Fragte man bei Lokomotivbau Elektrische Werke (LEW) in Berlin-Hennigsdorf nach den Produktionsmöglichkeiten, lautete die offizielle Antwort: „Gegenwärtig liegen uns keine Exportaufträge vor.“ Das hieß, dass nur im Anschluss an Export-Aufträge (aus dem Westen) Aufträge für DDR-Mark möglich waren. Neue Wagen für die Reichsbahn Um dennoch neue Fahrzeuge, so auch Reisezugwagen für den Binnenverkehr der DR, zu bekommen, fertigte das Raw Halberstadt unter anderem die 26,4-Meter-Sitz-Wagen. Neben den „Langen Halberstädtern“ (Bmhe und Bomz) entstanden Ende der 80er-Jahre weitere Typen, darunter ein kombinierter Sitz-Gepäckwagen und ein Großraumwagen (der ein Einzelgänger blieb).
In den Produktionsbesprechungen war der zivile Verkehr zweitrangig. Die nationale Verteidigung stand im Vordergrund, der „Massentransport“ von Hundertschaften mit Marschgepäck war das Ziel. Dementsprechend waren Zugänge und Gepäckablagen zu planen. Ganz wichtig war die Verdunkelung. Selbst in Seitengangwagen, auch in den Gepäckwagen mussten die Abteile und auch die Gänge mit Gardinen versehen werden, damit keine Innenbeleuchtung nach außen drang. Wer die nahezu durchsichtigen braunen Gardinen in den Wagen kannte, die oft in der Führung verhakten, musste über diese Anforderungen schmunzeln. Derartige Planspiele waren alsbald überholt. Aus Halberstadt kamen bald keine Wagen mehr. Die vorhandenen DR-Fahrzeuge, speziell die Baureihen 243/143 und 250/155 sowie auch zahlreiche Reisezugwagen, halfen alsbald im Netz der Bundesbahn aus. Eine Führungskraft von DB Regio erklärte Jahre später, dass es ohne die DR-Fahrzeuge bei der DB massive Fahrzeugprobleme gegeben hätte. Heute fahren noch viele der DR-Neufahrzeuge jener Zeit, bei der DB AG oder bei Privatbahnen. Die elektrische Rangierlokomotive gibt es allerdings nach wie vor nicht … Michael Reimer
Die Zeit nach 1990
STICHWORT GEMEINSAMES NUMMERNSCHEMA FÜR DR UND DB
E
in (wieder)vereintes Deutschland mit zwei Staatsbahnen und zwei Bezeichnungssystemen für die Triebfahrzeuge? 1991 war ein solches Szenario schon nicht mehr zeitgemäß. Angesichts der inzwischen sehr engen Verbindungen zwischen DR und DB erschien es daher nur konsequent, ein gemeinsames Bezeichnungssystem für die Fahrzeuge zu schaffen; und das quasi im Vorgriff auf die zum 1. Januar 1994 vollzogene Verschmelzung beider deutscher Bahnen zur Deutschen Bahn AG. Hauptsächliches Problem der vorhandenen Nummernsysteme von DB und DR war die Einteilung der Elektro- und Dieselloks in unterschiedliche Nummerngruppen: Die DB führte Elloks unter den Nummern 100-199, Dieselloks unter 200-299; bei der DR war es umgekehrt. Zusätzlich hatte die DR auch ihre Triebwagen in die hohen Hundertergruppen 1 und 2 eingeordnet, während diese bei der DB je nach Antriebsart mit einer 4, 5, 6 oder7 begannen. Eine 120 konnte also entweder eine DB-Ellok oder aber eine schwere DR-Diesellok sein – ein nicht nur für Fahrzeugdisponenten unhaltbarer Zustand! Bei Überlegungen zur Vereinheitlichung des Systems wurde bald klar, dass die DR-Baureihen am einfachsten in das DB-Schema einzugliedern waren. Dafür sprach auch die Zahl der umzuzeichnenden Triebfahrzeuge (DB: rund 9.000, DR nur etwa 5.700). Im Frühjahr 1991 war der DR-Umzeichnungsplan aufgestellt, im Sommer begann die Umzeichnung, die bis Anfang 1992 abgeschlossen sein sollte.
auch Wagen für den schnellen Verkehr auf den DB-Gleisen zur Verfügung. Später bekamen die neuen Wagen die Drehgestelle der Bauart GP 200 und damit erhöhte sich die Geschwindigkeit von 140 auf 160 km/h. Im Bin-
Generell versuchte man, an den zweiten und dritten Ziffern der bisherigen DR-Bezeichnung festzuhalten, was in vielen Fällen auch gelang. Dort, wo es Überschneidungen mit den DB-Loks gab, versuchte man, eine neue Reihennummer im unmittelbaren Umfeld zu finden. So wurde aus der Ellok-Baureihe 211 die neue 109 und aus der 250 die 155. Die DR-Mehrsystemlok der Baureihe 230 wurde dagegen zur 180, weil dies bei der DB der Mehrsystem-Nummernbereich war. Knifflig bei Dieselloks, „0“ für Dampfloks Auch bei den Dieselloks war die Umzeichnung schwieriger, da die DR, anders als die DB, ihre Maschinen aufsteigend nach der Motorleistung sortiert hatte. Daher wurden viele DR-Baureihen neu geordnet, lediglich die Großdieselloks konnte man weitgehend direkt übernehmen. Problemlos verlief die Umzeichnung bei den letzten verbliebenen DR-Dampfloks – hier wurde den zweistelligen Loknummern eine „0“ vorangestellt. Auch die Triebwagenbaureihen der DR konnten recht einfach umnummeriert werden. Die LVT der Baureihen 171 und 172 wurden zu den 771 und 772, der Schnelltriebwagen 175 zum neuen 675 und die Berliner S-Bahn-Triebwagen tauschten ihre bisherige „2“ am Anfang gegen die für DB-Triebwagen spezifische „4“. Bei der DB hingegen behielten alle Lokbaureihen ihre angestammte Baureihenbezeichnung – mit einer Ausnahme: Die bisherige 112 wurde zur neuen 113 und machte der modernen DREllok der Baureihe 212 Platz. Oliver Strüber
wurden modernisiert und verstärkten IC-/IRLinien. Die Aufzählung wäre ohne die „Komfortwagen“ unvollständig. Als fahrendes Werbeprodukt erhielt die DR 1985 zehn vollklimatisierte Großraumwagen. Sie liefen
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Viele Reisezugwagen wurden nach der Wende modernisiert und verstärkten IC- und IR-Linien nenverkehr fuhr die DR noch mit 120 km/h. Auch für den internationalen Verkehr folgten später Liegewagen und speziell für den Transitverkehr 25 neue Speisewagen. Nach der Wende fanden sich viele Reisezugwagen auf den Gleisen der DB, zahlreiche
30 Exemplare des „Harzkamels“, der Diesellok-Reihe 199.8, sollten die Dampfloks im Harz ersetzen. Beide fuhren dann nebeneinander (Bild auf dem Brocken, 1992) Gert Schütze
(aufgrund des breiteren Profils, bedingt durch die Lichtmaschine) in einem gesonderten Umlauf nach Rostock sowie nach Dresden – Prag.
Neue Doppelstockwagen Der Bau der Doppelstockeinzelwagen hatte zwar bereits 1974 begonnen, doch 1987 erhielt zunächst Berlin mehrere Wagen und Steuerwagen. Der Waggonbau Bautzen fertigte 572 Einzelwagen und 100 Steuerwagen. 1992 begann in Görlitz (nun Waggon- und Maschinenbau AG genannt) die Auslieferung von 100 neuen Steuerwagen DABgbuzf (Bauart 760). Einzelwagen waren noch ausreichend vorhanden. Für den Großraum München schloss sich 1992 der Bau von 75 Doppelstockeinzelwagen an. Die DR erhielt auch wenige neue Güterwagen. Aus Rumänien kaufte sie spezielle zweiachsige Wagen für Gepäck- und Expressgutzüge (Gex), die für eine Geschwindigkeit von 120 km/h geeignet waren und auch in DZügen mitliefen. Michael Reimer
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Bilderbogen
Hochbetrieb in Deuben mit Dampflok 52 8166 und einer Rangierdiesellok der Baureihe 106. Die Brikettfabrik hinten rechts ist ein wichtiVolkhardt/Slg. G. Schütze ger Güterkunde der DR
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Bahn-Alltag 1983–1993
Im Reichsbahn-Land So gegensätzlich die Schlussdekade der DR verlief, so interessant ist sie im nachhinein. Findet man dabei doch alles, womit die Eisenbahn begeistert: umfangreiches Betriebsgeschehen, große Fahrzeugvielfalt, Nostalgie BAHN EXTRA 6/2012
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Bilderbogen
Eigentlich hat die DDR die Schmalspurbahn auf Rügen nur aus wirtschaftlicher Notwendigkeit erhalten. Nach der Wende ist es lange fraglich, ob der Betrieb überlebt. Mit den Dampfloks kann die DR immerhin bei Urlaubern punkten. Das Nebeneinander von 99 4801 mit ihrem Personenzug und dem „Trabant“ bei Philippshagen macht im Oktober 1990 das Ferienfotoerlebnis komplett Dieter Lindenblatt
Gute alte Eisenbahn Vielerorts vermittelt die Reichsbahn das Gefühl, die Zeit sei stehen geblieben. Selbst die ersten Jahre der Marktwirtschaft ändern nichts am Charakter des charmanten „Freilichtmuseums“. Noch nicht ... 90
Gute alte Eisenbahn
Der Warteraum im Bahnhof Wegeleben (Strecke Magdeburg – Thale) besitzt einen Abfahrtsplan mit Emailleschildern, und die Reichsbahn wünscht auch im Februar 1991 noch „Gute Fahrt“. Schöne alte Eisenbahn, Sven Klein deren Bestand aber angesichts nachlassender Nutzung bedroht ist
Altbau-Elloks in einem deutschen Großstadtbahnhof – wo gibt es das 1988 noch, wenn nicht bei der DR? Am Christian Gloel 10. September hat 244 131 mit P 4004 den Leipziger Hauptbahnhof erreicht
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Bilderbogen
Formtreu Keine Bahn der Welt verzichtet im Fahrzeugbau auf Gestaltungselemente, wobei die Reichsbahn und ihre Zulieferer zum Schnörkellosen tendieren. In den großen Dimensionen heißt die Leitlinie fast immer „kantig und funktional“
Drei Mal Sowjetunion, ein Mal Rumänien: Im Bahnbetriebswerk Gera warten im Juli 1992 die „Taigatrommeln“ 220 289, 318 und 292 sowie das „U-Boot“ 219 178 auf neue Aufgaben. Während die Großdieselloks aus sowjetischer Produktion weitgehend auf Design-Extras verzichten, gibt es bei der rumänischen Vertreterin zumindest mal einige kleine Ansätze Georg Wagner
Formtreu
Viel Fassungsvermögen, eingepasst in das auf den Strecken zulässige Profil ist die Stärke der Doppelstockwagen. Einen Designpreis gewinnen sie mit der schlichten Gestaltung wohl kaum, aber sie befördern Fahrgäste en masse. Zum Beispiel Berufstätige (Bild in Volker Emersleben Halle (Saale) Hbf)
„Container“ heißt der spröde Kosename für die Baureihe 250 und wo er seinen Ursprung hat, zeigt die kantige Ellok jedem Betrachter auf Anhieb. Die Verantwortlichen des Betriebsmaschinendienstes schätzen das kräftige Triebfahrzeug für den schweren Güterverkehr ebenso wie für manchen Reisezug, wie diesen Ralph Lüderitz Städteexpress in Weißenfels
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Im September 1983 hat Reko-Lok 41 1150 einen Güterzug nach Saalfeld am Haken, hier an der Saale bei Kahla Dieter Lindenblatt
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König Dampf
Rauchwolken über Rochlitz – welch positive Nachricht, wenn es sich um die Dampftraktion in dem sächsischen Bahnbetriebswerk handelt. Wobei nicht mehr alle Maschinen vor Ort im Zugverkehr eingesetzt sind; die 50er links steht im Januar 1986 noch im Dienst, die 86er rechts daneben hat man zur Dirk Höllerhage Heizlok degradiert
König Dampf Wer an die Reichsbahn der letzten Jahre denkt, denkt fast automatisch an RekoLoks oder an sächsische „Viere Ka“. Die beiden sind die dominierenden Stellvertreter des planmäßigen Dampfbetriebs, an dem die Reichsbahn oft wider Willen festhalten muss und der ihr andererseits so viel Sympathie einbringt
Zwischen Cranzahl und Oberwiesenthal fällt im April 1990 der Busverkehr aus. Ersatz kommt in Form eines Dampfzuges, geführt von der sächsischen IV K Rudolf Heym 99 1608
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Bilderbogen
Im August 1992 warten die modernen Reichsbahn-Elloks 156 004 und 143 252 in der Einsatzstelle Berlin-Rummelsburg auf den nächsten Dienst. Hinten ein DR-Triebwagen 175 (ex VT 18.16), der inzwischen für museale Zwecke geWolfgang Dath nutzt wird
Waschtag auf Rügen: Die sorgsame Wagenfensterpflege von Hand ist 1990 noch gang und gäbe. Aber es bestehen Thomas Wunschel auch schon Planungen, die Belegschaft zu reduzieren
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Was bleibt?
Eine „Dicke Babelsbergerin“ und drei Bghw-Wagen bedienen im September 1991 die Strecke Suhl – Schleusingen, hier bei Hirschbach. Wie viele andere Nebenbahnen hat sie mit sinkenden Fahrgastzahlen zu kämpfen; bald erscheint die Diesellok 118 (ab 1992: 228) mit ihrem Zug Georg Wagner überdimensioniert
Was bleibt? Rund 13.000 Kilometer Strecke betreibt die DR 1990. Aber der Bahnverkehr ist defizitär, in den nächsten Jahren folgen Stilllegungen. Gleichzeitig investiert die Reichsbahn in Strecken und Fahrzeuge. Was also bleibt als Fazit der letzten Jahre? Aufbruch in die Moderne, Abgesang der alten Eisenbahn oder irgend etwas dazwischen? BAHN EXTRA 6/2012
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Vorschau – Leserservice – Impressum
Impressum 6/2012 November/Dezember 23. Jahrgang Nummer 121 ●
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Seien Sie gespannt auf das nächste Heft: BAHN EXTRA 1/2013
Internet: www.eisenbahnwelt.de Redaktionsanschrift: BAHN-EXTRA Postfach 40 02 09 80702 München Tel. +49 (0) 89.13.06.99.720, Fax - 700 E-Mail:
[email protected] Redaktionsleitung: Michael Krische Verantwortl. Redakteur: Thomas Hanna-Daoud Redaktion: Martin Weltner, Alexandra Wurl Redaktionsassistenz: Brigitte Stuiber Layout: Rico Oehme Mitarbeit: Eckhard Ebert, Heiko Focken, Christian Gloel, Rainer Heinrich, Josef Högemann, Manuel Jacob, Ralph Lüderitz, André Marks, Wolf-Dietger Machel, Wolfgang Müller, Erich Preuß, Michael Reimer, Gert Schütze, Oliver Strüber, Bernd Oliver Sydow, Georg Wagner, Thomas Wunschel u.v.m.
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Aufnahme: Josef Kempiak
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