Clausewitz
1/2013 Januar | Februar
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Das Magazin für Militärgeschichte
Clausewitz
P-51 Mustang Der Albtraum der deutschen Luftwaffe
Kriegsjahr 1918
Entscheidung an der
Westfront Demjansk 1942
Falklandkrieg
Feldherr, Pionier, „Vater der Landsknechte“
Erich Ludendorff: Warum sein Plan zur militärischen Niederwerfung Frankreichs scheiterte
MILITÄR & TECHNIK:
Georg von Frundsberg
MUNGA
IFA P3
n e d n Lege e t f ü L r e d
Das neue . Heft ist da Jetzt am Kiosk!
Editorial
Inhalt
Liebe Leserin, lieber Leser, im Frühjahr 1918 stand die 8. Kriegsanleihe unter dem Motto „Der letzte Hieb“. Mit aller Macht suchte das Deutsche Reich die Entscheidung an der Westfront und damit im Ersten Weltkrieg. Die „Michael-Offensive“ begann im März 1918 mit großer Wucht, doch die Alliierten leisteten erbitterten Widerstand. Schließlich kosteten die deutschen Frühjahrsoffensiven und die Gegenoffensiven der Entente-Mächte unzähligen Soldaten beider Seiten das Leben. Ein französischer Soldat beschrieb das Grauen auf den Schlachtfeldern und die ausweglose Lage an der Front als „nicht enden wollendes Massaker“. Im Zweiten Weltkrieg bot sich ein anderes Bild: Deutsche Panzerverbände stießen ohne vergleichbaren Widerstand durch Belgien und Frankreich vor und erzielten enorme Geländegewinne. Der „Motor als Waffe“ entschied innerhalb weniger Wochen den Krieg im Westen – dort, wo allein im Kriegsjahr 1918 auf deutscher und alliierter Seite ein Millionenheer Toter und Verwundeter zu beklagen gewesen war. Eine erkenntnisreiche Lektüre wünscht Ihnen Ihr
Titelthema 8 22 28
Westfront 1918. Die Entscheidungsschlachten im letzten Kriegsjahr Waffen und Taktik der Kriegsparteien. Technische und taktische Neuerungen Deutsche und alliierte Soldaten. Sinnloses Massensterben
Magazin 4 Archäologischer Park Xanten, Sonderausstellung „War Games“, Sammeltipp: „The Battle of Waterloo“-Modellbausatz, Englischsprachiges: „The Specialist“ – Spannender Actionroman, u.v.a.m.
Seite 32
Schlachten der Weltgeschichte 32 Demjansk 1942/43. Erbitterte Kesselschlacht im Osten 40 Falklandkrieg 1982. Großbritanniens „teurer“ Sieg über Argentinien Meinung 46 Die
Zukunft des Krieges. Eine Interpretation der Fakten
Buchvorstellung 48 Von Stalingrad in die Normandie. Die dramatischen Erlebnisse des Eisenbahn-Pioniers Willy Reinshagen im Zweiten Weltkrieg
Seite 40
Militär und Technik 50 Geländewagen
MUNGA der Bundeswehr und IFA P3 der NVA. Legenden auf vier Rädern
Militär und Technik 58 Begleitjäger P-51 „Mustang“. Geleitschutz für die alliierten Bomberverbände Dr. Tammo Luther Verantwortlicher Redakteur P.S.: CLAUSEWITZ, das moderne Magazin für Militärgeschichte, bietet Ihnen alle zwei Monate erstklassige Beiträge. Seit Markteinführung ist der Heftpreis konstant geblieben. Um Ihnen weiterhin Qualität auf hohem Niveau bieten zu können, müssen wir mit dieser Ausgabe den Heftpreis um 60 Cent erhöhen. Wir bitten um Ihr Verständnis. Als Abonnent genießen Sie selbstverständlich auch weiterhin 10 Prozent Preisvorteil. Und als besonderes Extra liegt diesem Heft das CLAUSEWITZ-Kalenderposter 2013 bei! Titelbild: Deutsche Infanterie beim Angriff auf die alliierten Stellungen in Frankreich im Rahmen der „Frühjahrsoffensiven“ des Jahres 1918. Foto: ullstein bild
Clausewitz 1/2013
Spurensuche 66 US-Atomwaffenbasen des Kalten Krieges. Die Minuteman Missile Sites gestern und heute Feldherren 72 Georg von Frundsberg. Der berühmte „Vater der Landsknechte“ und seine wichtigsten Schlachten Museum 78 Das Yorkshire Air Museum in Großbritannien. Beeindruckende Sammlung zur Luftfahrtgeschichte Ein Bild erzählt Geschichte 80 Blüchers Rheinübergang bei Kaub 1813/14. Das berühmte Gemälde von Wilhelm Camphausen 82
Vorschau/Impressum
Seite 72
Titelfotos: ullstein bild; Dietmar Hermann; BArch, Bild 101I-004-3644-28/Richard Muck (Fotoausschnitt); picture-alliance/dpa; picture-alliance/Bildagentur-online/Sunny Celeste; picture-alliance/akg-images; Dirk Krüger; BArch, B 145 Bild-F027390-0004 (Foto bearbeitet, MUNGA freigestellt) Fotos: picture-alliance/Mary Evans/Robert Hunt Collection; ullstein bild; ullstein bild - dpa; picture-alliance/picture-alliance
Clausewitz
Magazin
Die Ostseite des Bunkers in BremenFarge im Jahr 1943. Foto: Landeszentrale für politische Bildung/Staatsarchiv Bremen
Südseite der ehemaligen U-Boot-Werft in Bremen-Farge. Foto: Harald Schwörer, photein.de
Photovoltaik trifft auf Geschichte Phono-Solar-Module bilden erste PV-Anlage auf denkmalgeschütztem U-Boot-Bunker
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hono Solar, globaler Hersteller für qualitativ hochwertige Lösungen im Bereich der erneuerbaren Energien, erweitert seine Tätigkeit auf dem deutschen Markt und investiert verstärkt in Einzelprojekte. Seit November 2011 finanziert Phono Solar das Projekt „Bunker Valentin“ – eine Photovoltaikanlage auf dem denkmalgeschützten U-Boot-Bunker „Valentin“ in Bremen-Farge. Es ist das erste Projekt dieser Art in Deutschland. Als Pächter des Daches trägt Phono Solar dazu bei, die Gedenkstätte für KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter im Zweiten Weltkrieg zu erhalten.
Der 1942 bis 1945 errichtete Bunker ist 426 Meter lang, bis zu 90 Meter breit und 30 Meter hoch. Umgeben von bis zu sieben Meter dicken Mauern sollte hier eine riesige U-Boot-Werft entstehen. Der Gebäudekomplex wurde aufgrund des Kriegsverlaufs allerdings nie fertig gestellt. Bis 2015 sollen sämtliche Bauarbeiten am „Denkort Bunker Valentin“ abgeschlossen werden. Es ist ein Projekt, das dazu dienen soll, eine Gedenkstätte zu schaffen und aus dem Bunker einen historisch-politischen Lehrpfad zu machen. Finanziert wird das Projekt durch das Land Bremen sowie vom Bund.
Seit 2011 wird die Anlage zivil genutzt. Der Eigentümer des Bunkers ist die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA). Aufgrund der Größe, Ausrichtung und geringen Verschattung des Bunkers bot sich an, dort eine Photovoltaikanlage zu installieren. Unter strengen Auflagen wurde die PV-Anlage auf der unter Denkmalschutz stehenden Betondecke montiert. „Der Erhalt des Gebäudes kostet mehr als 200.000 Euro im Jahr. Mit der Photovoltaikanlage und der Suche nach einem Investor hilft Phono Solar, diesen Ort der Erinnerung instand zu halten“, erklärt Roland Menken, Vizepräsident von Phono Solar Europe.
KALENDER
30. Dezember 1812 14. – 26. Januar 1943 Preußisch-russische Konvention Graf Yorck von Wartenburg und General von Diebitsch-Salbalkanskij, der auf russischer Seite kämpft, schließen die Konvention von Tauroggen. Als Oberbefehlshaber des preußischen Hilfskorps, das unter französischem Kommando steht, erklärt Yorck von Wartenburg die Neutralität seiner Truppen. Die preußisch-russische Konvention gilt als Fanal zum Widerstand gegen Napoleon.
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Konferenz von Casablanca US-Präsident Franklin D. Roosevelt und der britische Premierminister Winston Churchill treffen mit ihren Delegationen in Casablanca zu einer Geheimkonferenz zusammen, um über das weitere militärische Vorgehen im Kampf gegen das „Dritte Reich“ zu beraten. Roosevelt fordert die bedingungslose Kapitulation der „Achsenmächte“, Deutschland, Italien und Japan, die zu diesem Zeitpunkt militärisch bereits stark angeschlagen waren.
US-Präsident Roosevelt und Mitglieder seiner Delegation in Casablanca. Foto: picture-alliance/akg-images
Rettung für Schiffswracks Archäologen starten ungewöhnliche Aktion
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nterwasserarchäologen aus Mecklenburg-Vorpommern wollen die Plünderung und Zerstörung historischer Schiffswracks in der Ostsee stoppen. In den kommenden Monaten werden neben den Funden spezielle Hinweisschilder befestigt. Sie sollen Taucher über den Fund informieren und vor möglichen Beschädigungen warnen. Eine erste Tafel haben Forschungstaucher im Seegebiet vor Warnemünde bereits installiert. Sie verankerten im Meeresboden unmittelbar neben einem
Schlepperwrack ein Schild mit Daten zum gesunkenen Schiff und seiner Geschichte. Der etwa 100 Jahre alte Schlepper war vermutlich im oder kurz nach dem Zweiten Weltkrieg untergegangen. Auf den Schildern werden die Schiffe mit Grundrisszeichnungen vorgestellt und als archäologisches Denkmal ausgewiesen. Geplant sind außerdem auch Lehrgänge und Workshops zur angemessenen Erkundung geschützter Unterwasserfunde.
MUSEUMSTIPP
Archäologischer Park Xanten Deutschlands größtes archäologisches Freilichtmuseum Der imposante Hafentempel im LVR-Archäologischen Park Xanten. Foto: Axel Thünker DGPh
BUCHEMPFEHLUNG
Helden auf vier Pfoten US-Journalist widmet neues Buch den Militärhunden
Foto: GeraMond Verlag
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er US-Amerikaner Lance Bacon betritt mit seinem Text-Bildband „Hunde im Einsatz“ Neuland. Der für seine journalistische Arbeit vielfach ausgezeichnete Redakteur der Wochenzeitung „Army Times“ erzählt die bisher wenig beachtete Geschichte der Hunde, die seit den Zeiten von Pharao Ramses II. an der Seite des Menschen in den Krieg zogen. Mit großem EinfühSpannende lungsverGeschichten
mögen und Detailwissen erzählt Bacon spannende Geschichten von Tapferkeit und Kameradschaft. Beeindruckende Bildstrecken zeigen Hunde in den Schützengräben der Weltkriege und in den Dschungeln Koreas oder Kubas. Die Texte und Bilder dokumentieren Mut und Einsatz der Tiere beim Abseilen aus Helikoptern, bei Patrouillen im Irak oder Afghanistan. Lance Bacon: Hunde im Einsatz. Helden auf vier Pfoten, 160 Seiten, ca. 120 Abbildungen, Format 21,5 x 28,3 cm, Hardcover mit Schutzumschlag, ISBN 9783-86245-713-7, Preis 29,95 EUR
A
uf dem Gelände der einstigen Römerstadt „Colonia Ulpia Traiana“ lädt der LVR-Archäologische Park Xanten zu einem anregenden Ausflug in die Geschichte ein. Rund 400 Jahre lang war Xanten einer der bedeutendsten römischen Orte in Germanien. An die 10.000 Menschen lebten in der imposanten Stadt, die Kaiser Trajan um 100 n. Chr. zur „Colonia Ulpia Traiana“ ernannte. Dass das Gelände der mehr als 2.000 Jahre alten Stadt seit dem Mittelalter kaum besiedelt wurde, ist ein wahrer Glücksfall für die Archäologie. So können die kulturhistorischen überaus wertvollen Überreste der römischen Stadt seit 1977 im LVR-Archäologischen Park Xanten geschützt, erforscht und präsentiert werden. Im weitläufigen Grün des Parks vermitteln darüber hinaus
originalgetreue Nachbauten wie der Hafentempel und das Amphitheater, die Stadtmauer, Wohnhäuser und Badeanlagen einen lebendigen Eindruck vom römischen Alltag in Germanien. Das neue, preisgekrönte LVRRömerMuseum, bietet mit Führungen über die Ausgrabungen, Handwerksvorführungen und Aktionsprogrammen vielfältige Anreize, sich der Römerzeit mit allen Sinnen zu nähern. Größere Veranstaltungen wie das Römerfest „Schwerter, Brot und Spiele“ und die Sommerfestspiele in der Arena füllen den Park auf besondere Weise mit Leben. Kontakt: LVR-Archäologischer Park Xanten Besucherservice Tel.: 02801/988-9213 E-Mail:
[email protected] www.apx.lvr.de
22. Januar 1963
27. Januar 1973
25. Februar 1713
Deutsch-französische Zusammenarbeit
Rückzug aus Vietnam
Friedrich Wilhelm I., der „Soldatenkönig“
Der französische Staatspräsident Charles de Gaulle und Bundeskanzler Konrad Adenauer unterzeichnen in Paris den „Elysée-Vertrag“. Der Vertrag sieht unter anderem eine Abstimmung beider Länder über außenpolitische Entscheidungen vor. Bei regelmäßigen Zusammenkünften sollen darüber hinaus Verteidigungsfragen behandelt werden.
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Vertreter der USA, Nord- und Südvietnams sowie der provisorischen Revolutionsregierung in Südvietnam unterzeichnen in Paris ein Waffenstillstandsabkommen. Zudem wird am gleichen Tag der Rückzug der letzten US-Truppen vereinbart. In den Vereinigten Staaten von Amerika lösen der Tod von fast 60.000 US-Soldaten und der militärische Misserfolg eine gesellschaftliche Krise aus.
Friedrich Wilhelm I. wird König. Zur Leitlinie der Politik des preußischen Monarchen wird die finanzielle Beschränkung der Hofhaltung zugunsten des Aufbaus eines stehenden Heeres in Preußen. Bis zu seinem Tod im Jahr 1740 reorganisiert er das Heerwesen und erhält den Beinamen „Soldatenkönig“. Sein Sohn wird wenig später als Friedrich II. Geschichte schreiben.
König Friedrich Wilhelm I., Gemälde von Knobelsdorff. Foto: picture-alliance/akg-images
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Magazin
ENGLISCHSPRACHIGES
Söldner versus Terroristen „The Specialist – Sullivan’s Revenge“
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Foto: Archiv CLAUSEWITZ
ack Sullivan ist Söldner. Er trinkt gerne Johnny Walker Black Label Whisky und raucht Lucky Strike. Mit einer handverlesenen Truppe – darunter der blonde Hüne Bruno Rolff – begibt er sich auf einen privaten Rachefeldzug gegen den britischen Condottiere Colonel Thatcher. Der Geisteszustand des Colonels pendelt irgendwo zwischen Exzentrik und Wahnsinn. In seinem Ausbildungslager trainiert er Terroristen und unterhält eine Truppe, die er an Diktatoren und andere Unholde vermietet. Bei einem Anschlag in Südfrankreich tötete die Organisation des „Blue Man“ die Geliebte von Jack Sullivan. Schwere Waffen, hinterhältige Rednecks, eine Terroristen-Armee, Kneipenschlägereien, Verfolgungsjagden und Messerstechereien: „The Specialist – Sullivan’s Revenge“ von 1984 liefert das volle Programm und quillt nur so über vor Klischees: eine krude Mischung aus Arnold Schwarzenegger und James Bond. Die Action ist „larger than life“ wie in einem Söldnerfilm aus den 1980er-Jahren (die ja seit „The Expendables“ wieder in Mode kommen) – aber immer Unterhaltsam und mit einigen unerwarteten Wendungen. Es handelt sich um den dritten Band einer mehrteiligen Reihe des Autors John Cutter, die aber alle auch unabhängig voneinander lesbar sind. Die Bücher können recht einfach und preiswert bei den großen Internet-Buchhändlern (antiquarisch) bezogen werden. Amüsantes Popcornkino zwischen zwei Buchdeckeln!
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AUSSTELLUNGSTIPP
„War Games“ – Kriegsspielzeug aus 100 Jahren Das Volkskunde Museum Schleswig präsentiert eine sehenswerte Sonderausstellung von 28. Oktober 2012 bis 14. April 2013 Ein Panzerwagen-Metallbaukasten der Firma Märklin aus den 1920erJahren.
D
as Volkskunde Museum der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf widmet sich in seiner neuen Sonderausstellung dem Thema „Kriegsspielzeug“. Mit zum Teil noch nie gezeigten Objekten aus den eigenen Sammlungsbeständen sowie zahlreichen Leihgaben aus Museen und privaten Sammlungen dokumentiert die Ausstellung Kriegs-, Militär- und Kampfspielzeug aus den letzten 100 Jahren. Von der Ritterburg bis zum Laserschwert, vom Zinnsoldaten bis zum „EgoShooter“ reicht die Bandbreite der Exponate, die die ungebrochene Faszination aber auch die Gefahren dieser besonderen Spielzeuggattung erlebbar machen. In den vier Abteilungen „Kaiserzeit“, „Nationalsozialis-
Foto: Stiftung SchleswigHolsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf
mus“, „Nachkriegszeit“ und „Gegenwart“ werden die wichtigsten Kriegsspielzeuge der entsprechenden Epoche vorgestellt und in den Zusammenhang der zeitgenössischen Erziehungsideale gestellt. Neben der kleinen aber sehenswerten Sonderausstellung bietet das Museum auf dem Hesterberg seinen Besuchern ein
vielfältiges Angebot zur Geschichte und Kulturgeschichte Schleswig-Holsteins. Kontakt: Volkskunde Museum Schleswig Suadicanistraße 46-54 24837 Schleswig Info-Telefon: 04621 / 9676-0 E-Mail:
[email protected]
www. AIRFIX .com
SAMMELTIPP
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Modellbausatz für Nostalgiker The Battle of Waterloo Foto: Hornby Hobbies Ltd 2012
I
n den 1970er-Jahren brachte der britische Hersteller AIRFIX einen inzwischen fast schon legendären Bausatz zur „Schlacht aller Schlachten“ auf den Markt − das Set zu Waterloo 1815 im Maßstab 1:72. Im Jahre 2009 gab es dann die langersehnte Neuauflage. In dem großen Karton sind enthalten: je ein Satz britische und französische Infanterie, Kavallerie und Artillerie. Dazu schottische Hochland-Infanterie sowie Napoleons Kaiserliche Garde. Blüchers Preußen sind mit einem Satz Infanterie vertreten. Zwei Bodenplatten, ein Farmhaus (Bausatz) mit Figuren und Zubehör sowie Farben, Pinsel und Klebstoff vervollständigen das Set. Die Qualität der Figuren kann sicherlich nicht mit aktuellen Produkten
von Herstellern wie Italeri oder Zvezda mithalten. Der Nostalgie- und Kultfaktor speziell dieses Airfix-Bausatzes ist aber unschlagbar und für alle, die das Set noch aus ihrer Jugend kennen, eine schöne Kindheitserinnerung. Das Coverartwork ist beinahe so gut gelungen wie auf der Originalbox vor 40 Jahren. Wer schon immer einmal − bzw. wieder − in die Fußstapfen von Captain William Siborne (siehe „Wellington’s Smallest Victory“ von Peter Hofschröer) treten wollte, der sollte sich auf die Suche nach diesem Kleinod machen. Leider ist auch die Neuauflage schon wieder vergriffen und die Preise dafür haben erheblich angezogen. Wer nicht wieder Jahrzehnte warten will, der sollte dennoch zugreifen.
Jahre und elfeinhalb Monate war der 1830 in Wien geborene Franz Joseph I. aus dem Hause HabsburgLothringen Kaiser von Österreich. Begleitet von der militärischen Niederlage im Ersten Weltkrieg und durch das innere Zerbrechen des Vielvölkerstaates Österreich-Ungarn läutete sein Tod im November 1916 schließlich den Untergang der österreichisch-ungarischen Monarchie im Jahr 1918 ein.
Foto: Archiv CLAUSEWITZ
Clausewitz
Briefe an die Redaktion Zu „Ulysses S. Grant und Robert E. Lee“ in CLAUSEWITZ 6/2012: Ich möchte Sie auf eine Ungereimtheit in dem Artikel von Michael Solka hinweisen. Er schreibt hier zunächst: „…was schließlich zu Lees Kapitulation im Gerichtsgebäude von Appomattox führte.“ Und etwas später heißt es dann in der Bildunterschrift auf S. 79: „… Das Wohnhaus des Farmers McLean wird ausgewählt, weil das örtliche Gerichtsgebäude geschlossen ist.“ Meines Wissens stimmt die zweite Version […]. Auf alle Fälle stehen sich die beiden Aussagen in diesem Artikel ja konträr gegenüber. Stefan Jenninger, per E-Mail Anm. d. Red.: Der Leser hat Recht. Robert E. Lee und Ulysses S. Grant trafen sich Privathaus der McLeans. Zu „Warum die USA den Vietnamkrieg verloren“ in CLAUSEWITZ 6/2012: Mit Freuden habe ich den Artikel „Warum die USA den Vietnamkrieg verloren“ […] gelesen. Ich denke, dass der eigentliche Konflikt „Vietnam“ zu umfangreich ist, um ihn auf einer Seite ausreichend zu beschreiben. Dennoch hat Herr Feulner es aus meiner Sicht sehr gut hinbekommen und wirklich das Wesentliche erfasst. Ich selber habe mich auch ausgiebig mit dem Thema Vietnamkrieg beschäftigt und würde mich freuen, wenn man auf die Frage, die sich in der Überschrift verbirgt, einmal ausführlicher in einer etwas längeren Abhandlung eingehen könnte, da es – wie ich finde – ein sehr spannendes Thema ist, welches so (leider) nicht oft abgehandelt wird. Christian Matthiesen, per E-Mail
Ort großer Geschichte: Im „McLean House“ unterzeichnete General Lee am 9. April 1865 die Kapitulation der Nord-VirginiaArmee. Foto: Verlag für Amerikanistik (Dietmar Kuegler)
Zu „Warum die USA den Vietnamkrieg verloren“ in CLAUSEWITZ 6/2012: Der Darstellung und den gezogenen Schlüssen aus dem dargestellten Sachverhalt kann ich nicht folgen. Es wird [auf die] Internationalisierung des Konflikts auf beiden Seiten nicht genügend eingegangen. Der Autor stellt den Konflikt als eine Auseinandersetzung zwischen den USA als Unterstützer des „westlichen“ Südvietnams auf der einen Seite und den kommunistischen Vietcong unterstützt vom „östlichen“ Nordvietnam dar. Zu gering ist die Herausstellung der Unterstützung Nordvietnams durch die Volksrepublik China […], der Sowjetunion […] aber auch Nordkoreas […] sowie Kubas mit möglicherweise Tausenden Militärberatern […]. Ebenfalls kann die direkte Kriegsbeteiligung auf „westlicher“ Seite durch Südkorea […], Australien […], Thailand, Philippinen, Neuseeland und Laos nicht an die darstellerische Peripherie geschoben werden. Auch die finanzielle Unterstützung Südvietnams durch die USA [und] Nordvietnams durch die Sowjetunion muss stark berücksichtigt werden. […] Der militärische Sieg war auch ein Sieg der Volksrepublik China und der Sowjetunion, nicht allein oder sogar weniger Nordvietnams. Es handelte sich mehr um einen Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion […]. […] Bei dieser Betrachtung stellt sich die Frage, wer langfristig im großen Rahmen der Sieger war. Die Res-
sourcen der Sowjetunion wurden soweit überbeansprucht, dass der Keim für den Niedergang derselben gelegt wurde. Die USA verloren zwar militärisch den Krieg, gewannen aber im großen Rahmen wirtschaftlich den Kalten Krieg[…]. Stefan Punct, Berlin, per E-Mail Antwort des Autors: […] Die Konflikte in Vietnam passierten über einen Zeitraum von über 30 Jahren, die Ursachen dafür liegen jedoch noch weiter zurück, u.a. in den Kolonialbestrebungen der westlichen Welt. [Aufgrund des zur Verfügung stehenden Platzes] musste [ausgewählt] werden, was für die USA im „amerikanischen Krieg“ wichtig ist. Der Vietnamkrieg war zweifelsohne der Machtkampf der Blöcke Ost gegen West. Die [...] Aufzählung Verbündeter [...] bringt im Rahmen [...] der Fragestellung nicht viel, zumal diese Daten ja auch über schnell über [Standardwerke] abgefragt werden können. Auch waren ursprünglich viele der verbündeten Truppen zur Ausbildung südvietnamesischer Truppen und zur Sicherung von Basen abgestellt, die dann später auch durch Straßenpatrouillen und vollwertige Kampfeinsätze ergänzt wurden. Natürlich war Vietnam − wie auch heutige Kriegsschauplätze − einfach nur ein Trainingsplatz, um eigene Ausrüstung, Taktiken und Fähigkeiten etc. zu testen […]. Die Unterstützer z.B. aus Südkorea kamen/kommen häufig in Publikationen
Schreiben Sie an:
[email protected] oder CLAUSEWITZ, Postfach 40 02 09, 80702 München Leserbriefe spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe aus Gründen der Darstellung eines möglichst umfassenden Meinungsspektrums sinnwahrend zu kürzen.
Zeitgeschichte In dieser Rehie berichten Augenzeugen von damals und machen in Briefen, Tagebüchern und Berichten Geschichte lebendig. Sachkundig kommentiert durch die Herausgeber, allesamt Historiker und Publizisten, entstehen so unmittelbare, fesselnde Darstellungen von Wegmarken der Geschichte. 432 Seiten, Format 140 x 207 mm ISBN 978-3-613-03364-1
c 19,95
Maria Theresia war die Gegenspielerin von Friedrich dem Großen und beide waren herausragende Herrschergestalten des 18. Jahrhunderts. Ihre Kriege veränderten das Gesicht des Alten Kontinents. Doch wie waren sie als Mensch, wie lebten, fühlten und dachten sie? Dieser Frage geht diese Reihe nach. 553 Seiten, Format 140 x 205 mm ISBN 978-3-613-03489-1
c 19,95
www.motorbuch.de Clausewitz 1/2013
(oder auch in der medialen Darstellung) zu kurz und werden damit leider zu peripheren Erscheinungen, die unter „ferner liefen...“ abgebucht werden. Natürlich wäre hier eine entsprechende Würdigung auch angebracht […] – auch wenn deren Einsatz nur wenig zum Aufrechterhalten der US-Präsenz beitrugen. In einem Krieg zählt oftmals die Menge an Soldaten, die eine Armee in den Kampf schicken kann […]. „Sozialistische Bruderhilfe“ wird genauso wie „kapitalistische Entwicklungshilfe“ natürlich von jedem gerne genommen – und auch in Vietnam geschah das. Die Versorgungswege von China nach Nordvietnam und das Angriffsverbot bestimmter Anlagen und Regionen spielten natürlich dem Norden in die Hände. Der Vietcong war ab der fehlgeschlagenen Tet-Offensive für lange Zeit quasi kampfunfähig bzw. ausgelöscht, da sich die erhofften Aufstände im Süden nicht eingestellt hatten. Wenn Sie nach dem großen Rahmen und einem Sieger fragen, dann lautet die Antwort eindeutig: USA. Die UdSSR konnte sich den ganzen Rüstungswettlauf […] nicht leisten […]. […] Im Großen und Ganzen sehe ich doch, dass Sie meiner Meinung folgen und dass die angesprochenen unterrepräsentierten Fakten in wirtschaftlicher, militärischer und politischer Hinsicht […] in meinem Artikel stecken. […] Frederick Feulner
Service-Hotline: 01805/00 41 55* *0,14 c / Min. aus dem dt. Festnetz, max. 0,42 c / Min. aus Mobilfunknetzen
Titelgeschichte
Kriegsjahr 1918 – Die Offensiven an der Westfront
Zum Erfolg
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verdammt 21. März 1918: Unternehmen „Michael“ beginnt. Die Großoffensive soll den entscheidenden Durchbruch gegen die Alliierten erzwingen. Die deutsche Militärführung weiß: Von Bruno Thoß Scheitert der Angriff, dann werden die Folgen verheerend sein...
STURMANGRIFF: Deutsche Truppen erobern im Rahmen der „Märzoffensive“ eine französische Stellung – unterstützt werden die Angreifer von einer Flammenwerfereinheit, vermutlich Filmfoto. Foto: ullstein bild - Süddeutsche Zeitung Photo/Scherl
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Titelgeschichte | Westfront 1918
VERWUNDET: Britische und deutsche Soldaten marschieren durch St. Quentin. Zehntausende alliierte Soldaten geraten während der deutschen „Frühjahrsoffensiven“ des Jahres 1918 in Foto: picture-alliance/akg-images Gefangenschaft.
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Verlustreiche Angriffe
FAKTEN
Deutsches Reich
(Stand: „Michael-Offensive“)
Befehlshaber: Erich Ludendorff (Oberste Heeresleitung) Georg von der Marwitz (2. Armee) Otto von Below (17. Armee) Oskar von Hutier (18. Armee) Geschütze: circa 6.500 Mörser: circa 3.500 Flugzeuge: circa 740 Stärke: 3 Armeen (insgesamt 42 Divisionen) Verluste: etwa 239.000 Gefallene und Verwundete
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Titelgeschichte | Westfront 1918
FAKTEN
Alliierte
(Stand: dt. „Michael-Offensive“)
Befehlshaber: Philippe Pétain (Generalstabschef), Ferdinand Foch (seit April 1918 Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte in Frankreich) Douglas Haig (Oberbefehlshaber British Expeditionary Force) Julian Byng (Britische 3. Armee) Hubert Gough (Britische 5. Armee) Geschütze: circa 2.500 Mörser: circa 1.400 Flugzeuge: circa 600 Stärke: Britische 3. und 5. Armee (insgesamt 35 Divisionen), Teile der Französischen 5. Armee Verluste: circa 212.000 Gefallene und Verwundete circa 90.000 Gefangene
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Massive Gegenwehr
GESPANNTE ATMOSPHÄRE: Alliierte Soldaten sind hinter Eisenbahngleisen in Stellung gegangen. Sie warten auf die deutschen Angreifer, die mit ihren Offensiven an der Westfront die Entscheidung suchen. Foto: picture-alliance/Mary Evans/Robert Hunt Collection
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Titelgeschichte | Westfront 1918
ABWEHRBEREIT: Britische Artillerie nimmt die deutschen Angreifer unter Feuer. Foto: picture-alliance/maxppp
O
hne einen entscheidenden Sieg sind weder die extrem hohen Kriegsverluste zu rechtfertigen noch die politisch-territorialen Forderungen durchzusetzen, die man als notwendige Faustpfänder für die Zukunft des Deutschen Reiches als Weltmacht ansieht. Das ist die feste Überzeugung der deutschen militärischen Führung. Und Kaiser Wilhelm II. stimmt darin vorbehaltlos mit seinen militärischen Beratern überein. Tatsächlich stehen die militärischen Voraussetzungen für die Mittelmächte im vierten Kriegsjahr dafür günstiger als in allen vorangegangenen Jahren. Im Osten kann man dem geschlagenen Gegner in langwierigen Verhandlungen weitreichende Friedensbedingungen diktieren. Auf dem Balkan mussten auch die Rumänen inzwischen die Waffen strecken. Mit deutscher Unterstützung wurde schließlich im Herbst 1917 die jahrelang festliegende IsonzoFront durchbrochen und den Italienern eine schwere Niederlage beigebracht. Damit sind die deutschen Verbündeten vorerst an allen Fronten militärisch abgesichert. Die deutsche Seite verfügt zudem erstmals seit Kriegsbeginn mit ihren 1,4 Millionen Soldaten an der Westfront zumindest zeitweilig über ein Kräfteübergewicht.
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Wenn man die gegnerische Front im Westen freilich strategisch auswertbar durchbrechen will, dann ist das Zeitfenster dafür denkbar schmal. Mit dem Kriegseintritt der USA auf Seiten der Entente1917 fließen seither nämlich nicht nur erhebliche wirtschaftliche Unterstützungen über den Atlantik. Auch die militärische Aufrüstung in Amerika selbst kommt zunehmend voran. Die bislang zur Ausbildung nach Frankreich verbrachten 287.000 US-Soldaten sind zwar längst noch nicht einsatzbereit. Im
Laufe des Jahres 1918 werden die USA aber insgesamt zwei Millionen Mann nach Frankreich verschiffen. Für ihre Ausbildung und Ausrüstung sind jedoch zunächst 26 Monate veranschlagt.
Warten auf die US-Truppen Aus alliierter Sicht erscheint daher erst das Kriegsjahr 1919 zur Kriegsentscheidung geeignet. Dafür spricht auch der Zustand der Ententetruppen. In der französischen Armee ist es 1917 bei den Frontdivisionen zu Meutereien gekommen, die Teile davon zeitweilig lahmlegten. Man sieht sich daher gezwungen, monatelang zu einer die
TRANSKRIPTION
Angriffsbefehl für das Unternehmen „Michael“ 1.) Michael findet planmäßig statt. 2.) Heeresgpe. Kronprinz Rupprecht u. Dt. Kprz. (Wilhelm) führen zu geplanten Stunden einen lebhaften Artilleriekampf auf den Georg-Erzengelfronten. 3.) Heeresgpe. Dt. Kronprinz (Wilhelm) setzt Lauffeuerangriffe bei 7. 1. 3. Armee bis zum 24.3. und dabei Artill. Betg. breit fort. 4.) Heeresgpe. Gallwitz lässt den Angriff auf Verdun erst am 22/3 abflauen und hält vom 22/3 abends ab schwere deutsche Artillerie an der Bahn zum Abtransport bereit. (...) Foto: picture-alliance/akg-images
Entscheidender Schlag die geeignete Durchbruchsstelle bei den Briten als dem schwächer eingeschätzten Teil der Ententetruppen herauszufinden. Geprüft werden dazu von Flandern bis Verdun die unterschiedlichsten Frontbereiche. Bei der für den Hauptschlag vorgesehenen Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht von Bayern kritisiert man diese weit auseinanderlaufenden Vorstellungen jedoch als unzweckmäßig, würden die eigenen Kräfte bei den voraussichtlichen Verlusten schwerlich für mehrere Schlachten ausreichen.
Riskante Offensiven
GROßE VERANTWORTUNG: Ferdinand Foch, seit August 1918 „Marschall von Frankreich“, übernimmt im April 1918 den Oberbefehl über die alliierten Streitkräfte. Foto: picture-alliance/Mary Evans Picture Library
vorhandenen Kräfte schonenderen Defensive überzugehen. Im Gegensatz dazu hat der britische Nachbar in der zweiten Jahreshälfte 1917 seine Offensiven in Flandern mit einem Durchbruchsversuch bei Ypern sogar noch intensiviert. Das Resultat ist ein verheerender Kräfteverbrauch, ohne den angestrebten Erfolg zu erringen. Auch die britischen Truppen müssen daher an der Jahreswende 1917/18 zur Defensive übergehen. Die Initiative kann aus Sicht der Entente erst wieder ergriffen werden, wenn
die US-Truppen voll einsatzbereit sind. Die Planungen für eine deutsche Westoffensive im Frühjahr 1918, auch die „Große Schlacht in Frankreich“ oder die „Kaiserschlacht“ genannt, beginnen in der Operationsabteilung der Obersten Heeresleitung (OHL) bereits im Herbst 1917. Anders als im Osten oder am Isonzo glaubt ihr Chef, Major Georg Wetzell, an der wesentlich stärker befestigten Westfront freilich nicht an einen einzigen Entscheidungsschlag. Er rät vielmehr zu einer Reihe von Großangriffen, um
Und tatsächlich werden die etwa eine Million Mann an Verlusten der deutschen Seite bei ihren Angriffsschlachten vom Frühjahr bis Sommer 1918 ziemlich genau dem entsprechen, was zur gleichen Zeit an USTruppen in die Ententefronten eingestellt werden kann. Der schärfste Kritiker der deutschen Planungen, der bayerische General Konrad Krafft von Dellmensingen, dem der Durchbruch am Isonzo gelungen ist, vertraut denn auch schon im Februar 1918 seinem Tagebuch an, dass letztlich der „böse Geist Wetzells“ mit seinen Bedenken gegen einen konzentrierten Entscheidungsschlag über das „richtige Gefühl“ von Erich Ludendorff, Erster Generalquartiermeister und „wahrer“ Chef der OHL, obsiegt habe. Denn an der Jahreswende 1917/18 fallen die Entscheidungen für einen ersten Angriff bei St. Quentin, gefolgt von einer Serie weiterer Schlachten. In einer Befehlshaberbesprechung am 19. Januar 1918 in Lille werden alle Risiken dieser Offensiven zur Sprache gebracht. Die dichte Ballung von Angriffskräften wird de-
VERNICHTET: Deutsche Soldaten posieren an einem ausgeschalteten französischen Tank, vor dem ein getöteter Franzose liegt. An mehreren Frontabschnitten können die Deutschen im Frühjahr 1918 Erfolge erzielen, doch die Alliierten verfügen über eine große materielle Überlegenheit. Foto: picture-alliance/akg-images
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Titelgeschichte | Westfront 1918 ren Unterbringung und Versorgung sowie die Geheimhaltung erschweren. Probleme wirft auch die Versorgung während der Schlachten auf, denn die deutschen Heerestruppen sind nur mangelhaft motorisiert. Aus Sicht der Kommandeure im Westen unterschätzt Ludendorff mit seinen ausschließlich an der Ostfront gemachten Kampferfahrungen zudem die Gefahren eines Steckenbleibens jeder Großoffensive an der Westfront. Skeptische Nachfragen des Prinzen Max von Baden wird der General wenige Wochen später mit der fatalistischen Formel kontern: „Unsere Lage ist derart, dass wir
KARTE
entweder siegen oder untergehen müssen“. Dass eine Division hier wie in Russland oder Italien mehrere Tage angriffsfähig bleibt, ist den Kommandeuren äußerst zweifelhaft. Man muss in jedem Falle schneller vorankommen als in bisherigen Operationen und dazu ohne Rücksicht auf Verluste vorgehen.
Der Sturm bricht los Auch muss das Artilleriefeuer eng mit den Angriffstruppen koordiniert und so geführt werden, dass dem Gegner der Angriffsschwerpunkt nicht durch vorzeitiges Einschießen verraten wird. Schließlich muss
Die deutschen Offensiven
(links)
man mit dem Angriffsbeginn warten, bis die Witterungsverhältnisse überhaupt großräumigere Operationen zulassen. Wetzell hat für den Durchbruch 30 Divisionen veranschlagt, die seit Jahresbeginn für den ersten Großangriff „Michael“ im Raum St. Quentin in der 2., 17. und 18. Armee zusammengezogen und unter das Kommando ausgewiesener Offensivspezialisten gestellt werden. Das Einstellen der Offensiven in Italien und Russland macht dazu Truppen an den Nebenfronten frei. Die ausgedehnten besetzten Gebiete im Osten zwingen jedoch zum Belassen umfangreicher Besatzungstruppen.
und die alliierten Gegenoffensiven
(rechts)
1918
Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich
AUF DEM WEG ZUR FRONT: Deutsche Infanterie beim Vormarsch am Höhenzug Chemin des Dames im Mai 1918. Foto: picture-alliance/akg-images
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Alliierte unter Druck HINTER DER FRONT: Ein Angehöriger einer deutschen Sanitätseinheit versorgt einen verwundeten Kameraden. Pferdewagen spielen bei der Mobilität des deutschen Heeres an der Westfront eine wichtige Rolle. Foto: picture-alliance/akg-images
Der beschränkte Angriffsraum und die begrenzten Kriegsmittel hätten im Westen allerdings auch gar keine größere Ballung an Verbänden erlaubt. Die 2. und 17. Armee sollen den Durchbruch erzwingen, während die 18. Armee angelehnt an die Somme deren linke Flanke sichern soll. Gelingt der Durchbruch schon hier, dann trifft man die Nahtstelle zwischen Briten und Franzosen, so dass eine Koordination ihrer Abwehrkräfte erschwert wird. Bleibt man mit „Michael“ stecken, soll umgruppiert und mit einer Offensive in Flandern gegen die Hauptkräfte der Briten angetreten werden. Das alles bleibt der Entente natürlich nicht verbor-
„Die Rücksicht auf die amerikanische Gefahr ließ es geboten erscheinen, im Westen so früh wie möglich zuzuschlagen.“ Erich Ludendorff in: Meine Kriegserinnerungen, Berlin 1919, S. 436
gen. Für den britischen Oberbefehlshaber Douglas Haig wäre eigentlich die Fortsetzung seiner Offensive in Flandern das geeignete Gegenmittel. Doch er fügt sich der Skepsis seiner Frontkommandeure, die ihre Truppen nach den letzten schweren Verlusten dazu außerstande sehen. Im Übrigen versagt ihm Premierminister Lloyd George eine frühzeitige Verschiffung der in England vorhandenen Reserven auf den Kontinent. Wie die Franzosen richten sich daher seit Dezember 1917 auch die Briten auf eine längere Defensive ein, bis die Aufrüstung der Amerikaner die Kräfteverhältnisse wieder zu-
gunsten der Entente umkehren wird. Und das erscheint nicht vor dem Sommer 1918 möglich. Im Grundsatz ist man sich einig, dass man in der Tiefe verteidigen muss, um seine vordersten Linien nicht der vollen Wucht der erwarteten deutschen Angriffe auszusetzen. Die Briten erwarten den deutschen Hauptstoß allerdings in Flandern und konzentrieren deshalb hier zum Schutz der Kanalhäfen ihre Reserven. Zusätzliche Probleme bereitet ihnen die Übernahme eines 40 Kilometer breiten Frontabschnitts von den Franzosen, genau des Raumes, in dem der deutsche Hauptschlag erfolgen wird. Die dortigen Feldbe-
LUDENDORFFS PLÄNE
Gescheitert Erich Ludendorff steht seit 1916 zusammen mit Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg an der Spitze der 3. Obersten Heeresleitung. Der von ihm erhoffte, den Krieg entscheidende Durchbruch im Westen misslingt, die deutsche Seite tritt im Herbst 1918 in WaffenstillFoto: picture-alliance/Sammlung Richter standsverhandlungen ein.
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Titelgeschichte | Westfront 1918 den. Forderungen nach rechtzeitiger Verstärkung der Britischen 5. Armee am äußersten rechten Flügel verhallen daher ungehört.
Täuschung des Gegners ERBEUTET: US-Soldaten übernehmen deutsche Maschinengewehre aus einem eroberten Depot im Frontbogen von St. Mihiel, September 1918. Foto: picture-alliance/akg-images
festigungen sind wesentlich schlechter ausgebaut als an den übrigen britischen Frontabschnitten. Trotz genereller Vereinbarungen zwischen Haig und dem französischen Oberbefehlshaber Philippe Pétain über wechselseitige Unterstützung bleiben im Übrigen auch die Vorbereitungen zur Abwehr in der alleinigen Verfügung des jeweiligen Oberbefehlshabers. Eine gemeinsame alliierte Reserve unter einheitlichem Oberbefehl gibt es ebenfalls noch nicht. Die britische Luftaufklärung hat seit Februar die Verlegung starker deutscher Kräfte nach vorn einschließlich ihrer getarnten Munitionslager erkannt. Schon Tage vor Beginn der „Michael-Offensive“ hätte da-
IN GEFANGENSCHAFT: Deutsche Soldaten tragen einen Verletzten auf dem Weg ins Hinterland. Die Besatzung des britischen Tanks bereitet sich derweil auf einen neuen Einsatz an der Front vor. Foto: picture-alliance/Mary Evans/Robert Hunt Collection
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her auch Klarheit über den Schwerpunkt einer Offensive am rechten Flügel der britischen Armee vorhanden sein können. Haig bleibt jedoch trotz entsprechender Vorwarnungen bei seiner Annahme, dass die Deutschen eine Entscheidung in Flandern suchen werden, um ihn von den Kanalhäfen abzuschnei-
Mittlerweile zeigt Ludendorff sein ganzes Organisationstalent bei den Angriffsvorbereitungen. Bis in alle Einzelheiten hinein schwört er Kommandeure und Truppen auf seine große Offensive ein. Ruheräume und verbesserte Versorgung hinter der Front, Ausbildung in moderneren Angriffsverfahren, Zusammenziehen der Artillerie hinter dem Angriffsschwerpunkt – durch diese Maßnahmen wird eine effiziente Angriffstruppe geformt. Ludendorff selbst lässt sich kurz hinter der Front in Avesnes ein vorgeschobenes Hauptquartier einrichten, das er am 18. März 1918 bezieht. Der Kaiser und Hindenburg verbleiben dagegen weit rückwärts in Spa, denn dies soll der persönliche
„Der Augenblick ist gekommen, wo wir unser im Allgemeinen defensives Verhalten aufgeben müssen, zu dem uns bisher unsere Unterlegenheit an Zahl gezwungen hat, und wo wir zur Offensive übergehen.“ Auszug aus einer Denkschrift vom Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte, Ferdinand Foch, vom 24. Juli 1918
Neuartige Sturmtruppen Sieg Ludendorffs – des „eigentlichen Kopfes“ der 3. OHL – werden. Die Täuschung des Gegners über den Angriffsschwerpunkt gelingt. Als daher am 21. März um 4:30 Uhr ohne vorheriges Einschießen das Vorbereitungsfeuer einsetzt und fünf Stunden später um 9:40 Uhr die Infanterie zum Angriff antritt, zeigt sich der Gegner überrascht. Bei der Britischen 3. und 5. Armee gibt es nicht einmal eine Alarmbereitschaft. Ihre Soldaten müssen deshalb unter heftigem Artilleriefeuer ihre Stellungen beziehen und erleiden bereits dabei erhebliche Verluste. Gasangriffe zwingen sie zudem unter die Masken. Die gut vermessenen Artillerieschläge der Deutschen zerschlagen Vorfeldhindernisse, Teile der Feldstellungen und Stabsquartiere und legen die Kommunikation lahm. Auch die rückwärtigen Reserven, Feldflugplätze und Verladebahnhöfe liegen unter stundenlangem Feuer, um Führung und Verstärkungen beim Gegner zu unterbinden. Insgesamt fallen im Trommelfeuer der Artillerie wohl etwa 8.000 bis 9.000 Briten aus; circa 100.000 Mann können noch vor Beginn der Infanterieangriffe ihre Stellungen beziehen.
Briten mit hohen Verlusten
ÜBERRASCHT: Angehörige des britischen Devonshire-Regiments nehmen während der Schlacht von Tardenois im Juli 1918 einen deutschen Soldaten gefangen. Foto: picture-alliance/Mary Evans/Robert Hunt Collection
linke Flügel der Britischen 5. Armee betroffen. General Hubert Gough entscheidet sich schließlich für großräumige Ausweichbewegungen, um seine Armee einer Katastrophe zu entziehen. Zumindest hat die Frontausbuchtung bei Flesquières den ganzen Tag gehalten. Auch die Deutschen müssen erhebliche
Verluste und Ausfälle hinnehmen, allein am ersten Tag etwa 78.000 Mann. Als sich der Nebel hebt, geraten sie nahezu ungeschützt in das britische Abwehrfeuer. Durch das Interesse der Soldaten an Beutegut in den eroberten Stellungen verlangsamt sich das Angriffstempo. Außerdem sagen die Franzosen den Briten endlich Verstärkungen zu, um einen drohenden Durchbruch der Angreifer zu verhindern: immerhin drei Divisionen für die nächsten beiden Tage.
Als am frühen Vormittag die Spitzen der deutschen Sturmtruppen vorwärts kriechen, um die Hindernisse für den Hauptangriff zu beseitigen, kommen sie erstaunlich gut voran. Innerhalb einer Stunde sind auf einer Breite von 80 Kilometern nahezu alle britischen Vorposten überrannt. Selbst die Verteidiger in der stärker befestigten Gefechtszone fühlen sich nach eigenen Bekundungen „geopfert“, weil sie weitgehend auf sich selbst gestellt sind und ohne Verstärkungen einer Übermacht an Angreifern gegenüberstehen. Die Deutschen bewegen sich flexibel auf dem Gefechtsfeld mit kleineren Sturmtrupps voraus und den Angriffsgruppen mit Maschinengewehren und beweglichen Minenwerfern unmittelbar dahinter. Widerstandsnester der Briten werden liegengelassen oder umzingelt, bis sie von der nachgezogenen Artillerie sturmreif geschossen werden können. Die Angreifer, zunächst noch durch den Morgennebel geschützt, erzielen schon im Laufe des 21. März die größten Einbrüche an der Westfront bislang. Die Briten verlieren fast 20% ihrer Truppen, davon in den ersten anderthalb Stunden allein 30% ih- PROPAGANDA: Die Deutschen greifen an, als sie schon rer Infanterie. Besonders hart ist der geschlagen schienen. Foto: picture-alliance/Mary Evans Picture Library
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Große Verwirrung Aus alliierter Sicht unzureichende Resultate erzielt dagegen vorerst die überlegene britische Luftwaffe mit ihren Bombenabwürfen und dem Feuer ihrer Bordwaffen. Dazu ist die Verwirrung am ersten Angriffstag zu groß. Wenn Feldmarschall Douglas Haig daher seinem Tagebuch am 22. März 1918 anvertraut: „Alle Meldungen zeigen, dass die Stimmung bei unseren Leuten großartig ist“, dann ist dies kaum mehr als Zweckoptimismus. Auf der Suche nach einer „weichen Stelle“ für einen schnellen Durchbruch lässt Ludendorff allerdings schon nach wenigen Tagen mehrere Richtungswechsel vornehmen, die seine Angriffsspitzen auseinanderführen. Außerdem wachsen auf dem völlig zerschossenen Gefechtsfeld schnell die
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IM GLEICHSCHRITT: Deutsche Soldaten nach den Kämpfen bei Pinon. Kronprinz Wilhelm (1882-1951) nimmt die Parade der Soldaten der Heeresgruppe „Deutscher Kronprinz“ ab. Foto: picture-alliance/akg-images
logistischen Probleme. Artillerie und Nachschub können der vorstürmenden Infanterie kaum noch folgen. Als Haig auf der Konferenz von Doullens am 26. März endlich ein einheitliches alliiertes Oberkommando akzeptiert, können die Abwehroperationen der Entente koordiniert werden. Lloyd George gibt nun auch sofort die in England zurückgehaltenen Ersatzmannschaften frei, die aber erst noch nach Frankreich verbracht und in die schwer angeschlagenen Verbände integriert werden müssen. Die tiefen Einbrüche der Deutschen gehen jedenfalls noch tagelang weiter. Als „Sündenbock“ für diese Entwicklung muss General Gough herhalten, der bereits am 28. März als Oberbefehlshaber der Britischen 5. Armee abgelöst wird. Erst am 5. April folgt Ludendorff dem Drängen seiner Kommandeure und lässt die erschöpften Verbände kurz vor Errei-
FAKTEN
Zweifelhafte „Büffeltaktik“ Der Preis dafür ist mit mehr als 230.000 deutschen Gefallenen und Verwundeten sehr hoch. Und im Gegensatz zur Entente mit den nun schneller anwachsenden USTruppen stehen den Mittelmächten kaum noch Ergänzungen zur Verfügung. Die auf Drängen der deutschen Militärführung zugesagten vier österreichischen Divisionen werden erst im Sommer 1918 an der Westfront eintreffen und können nur noch in
Infanteriedivisionen an der Westfront
Franzosen Briten (einschl. Empire) Amerikaner Belgier und Portugiesen Alliierte insgesamt
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chen des wichtigen Eisenbahnknotens Amiens anhalten. Die Erfolge der Deutschen sind trotzdem besorgniserregend für ihre Gegner. Die deutschen Angriffsarmeen sind zwischen 45 und 60 Kilometer tief in die britischen Stellungen eingedrungen und haben den Alliierten circa 212.000 Mann an Verlusten zugefügt. Darüber hinaus wurden 1.300 Geschütze erobert.
98 57 6 8 169
Deutsche
(Stand: 20. März 1918)
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Deutsches Reich insgesamt 192
den Rückzugskämpfen eingesetzt werden. Vor allem aber ist Ludendorff kein strategischer Erfolg gelungen, der die Ententetruppen an der Nahtstelle zwischen Engländern und Franzosen auseinander gerissen hätte. Die Kritik des bayerischen Kronprinzen Rupprecht an zu viel Taktik und zu wenig strategischer Operation schmettert Ludendorff ab: „Das Wort ‚Operation‘ verbitte ich mir. Wir hauen ein Loch hinein. Das Weitere findet sich. So haben wir es in Russland auch gemacht.“ Mit dieser „Büffeltaktik“ erzwingen die Deutschen zwar noch bis in den Sommer hinein weitere Frontausbuchtungen, erreichen aber keine strategisch verwertbaren Resultate. Das zeigt schon die am 9. April aufgenommene Offensive („Georgette“) in Flandern, wo Ludendorff die Früchte der „Michael-Offensive“ zu ernten hofft. Seine Erwartung, dass den Briten jetzt keine ausreichenden Reserven mehr verblieben sind, trügt freilich. Zwar können auch hier binnen weniger Tage alle Eroberungen wettgemacht werden, für die Haig 1917 mehrere Monate benötigt hat. Doch schon am 20. April muss die Offensive wegen des enormen Kräfteverschleißes bei den Angriffstruppen erneut eingestellt werden. Die deutsche Ersatzlage spitzt sich dramatisch zu, während man die alliierten Ver-
Alliierte Gegenoffensiven luste mit 500.000 Mann weit überschätzt. Schon Mitte Mai warnt Kronprinz Rupprecht, „dass wir schwere Verluste nicht mehr ertragen können“. Deshalb müsse man nunmehr an Friedensverhandlungen aus militärisch noch günstiger Lage heraus denken. Trotzdem lässt Ludendorff zwischen Ende Mai und Mitte Juli seine angeschlagenen Verbände noch zu weiteren Großoffensiven antreten: vom 27. Mai bis 5. Juli bei Soissons und am Chemin des Dames, um Franzosen und Engländer zu trennen; vom 9. Juni bis 25. Juni an der Marne in Richtung Paris; schließlich ein letztes Mal vom 15. Juli bis 18. Juli beiderseits von Reims. Der Sieg wird mehr und mehr zur Willensfrage, nicht mehr zum nüchtern berechneten militärischen Kalkül. Für Wilhelm Groener, der Erich Ludendorff Ende Oktober 1918 als Erster Generalquartiermeister ablösen wird, baut Ludendorff seine Operationspläne von nun an auf dem Glauben an ein „Wunder“ auf. Dabei wiederholen sich die Abläufe von Offensive zu Offensive in immer drastischerer Form: große Anfangserfolge, erkauft mit nicht ersetzbaren Verlusten insbesondere bei den besten Angriffstruppen und zu geringe Beweglichkeit, um einen wirklichen Durchbruch zu erzielen. Vor allem aber sinkt der Kampfwille der deutschen Soldaten, denen man im März eine letzte, den Krieg entscheidende Schlacht versprochen hatte, von Monat zu Monat.
Chance zum Gegenschlag Bis Mitte Juli 1918 haben die deutschen Offensiven eine riesige Frontausbuchtung in die alliierte Front geschlagen, die alles bislang an der Westfront Erreichte bei weitem übertrifft. Die taktischen Erfolge ohne strategische Ergebnisse werden dem Angreifer jetzt freilich zum Verhängnis. Überdehnte Fronten, kaum noch zu ersetzende Verluste und sinkender Kampfeswille der ausgebrannten Truppe bieten der Entente die Chance zur Gegenoffensive. Wohl treffen jetzt auch die österreichischen Divisionen zur Verstärkung ein. Doch das ist nicht mehr als ein Tropfen auf
Literaturtipps Martin Middlebrook: Der 21. März 1918. Die Kaiserschlacht, Berlin, Frankfurt/M., Wien 1979 Jörg Duppler und Gerhard P. Groß (Hrsg.): Kriegsende 1918. Ereignis, Wirkung, Nachwirkung, München 1999
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VERMISST: Jagdflieger Rudolf Windisch wird am 27. Mai 1918 während eines Luftkampfes vom Gegner abgeschossen und muss notlanden. Bis heute ist sein weiteres Schicksal ungeklärt. Posthum wurde er am 6. Juni 1918 mit dem Orden „Pour le Mérite“ ausgezeichnet. Foto: picture-alliance/akg-images
den heißen Stein, denn die Amerikaner werfen bereits 250.000 Mann monatlich an die Front. „Der Augenblick ist gekommen, wo wir unser im allgemeinen defensives Verhalten aufgeben müssen“, verlangt deshalb der gemeinsame Oberbefehlshaber der Alliierten, Ferdinand Foch. Und schon sein erster Gegenschlag wird für die Deutschen zur schweren Niederlage. Am 18. Juli greift die Französische 6. Armee, die sich unbemerkt von den bei Reims vorgehenden Deutschen in den Wäldern bei Villers-Cotterêts in deren Flanke aufgestellt hat, unterstützt von 400 Panzerfahrzeugen, einer überlegenen Luftwaffe und drei US-Divisionen an und erzwingt nahezu umgehend die Einstellung aller deutschen Angriffe.
„Hundert-Tage-Schlacht“ Schon drei Wochen später bringt der nächste alliierte Angriff am 8. August bei Amiens, von Ludendorff später als „schwarzer Tag des deutschen Heeres“ eingestuft, die endgültige Wende. Jetzt durchbrechen die Engländer mit starker Tankunterstützung und unter massivem Artilleriefeuer die deutsche Front. Trotzdem folgt Ludendorff auch jetzt noch nicht dem dringenden Rat seines Abwehrspezialisten, General Fritz von Loßberg, der einen geordneten Rückzug in die „Siegfriedstellung“ empfiehlt, um aus verkürzter Linie Kräfte für die weitere Abwehr freizumachen. Dabei kommt den Deutschen zunächst noch entgegen, dass die Bri-
ten ihren tiefen Einbruch nicht zum strategischen Durchbruch nutzen, sondern sich mit ihren ursprünglich geplanten begrenzten Zielen begnügen. Doch in der sogenannten „Hundert-Tage-Schlacht“ vom 8. August bis 11. November 1918 greifen die Alliierten mit ihren personell wie materiell mittlerweile weit überlegenen Kräften nahezu ununterbrochen an und drängen die Deutschen systematisch von Stellung zu Stellung zurück. Dabei zeichnen sich vor allem die britischen Truppen aus, die seit April 1918 eine dreimonatige Erholungspause haben, weil der deutsche Angriffsschwerpunkt von Mai bis Juli 1918 an dem von französischen Verbänden verteidigten Frontabschnitt liegt. Die alliierte waffentechnische Überlegenheit steigt insbesondere bei Panzern, Flugzeugen und Artillerie, so dass sie jetzt größere Verluste durch eine weitere Industrialisierung des Krieges auszugleichen vermögen. Demgegenüber verstehen es die immer schneller ins Gefecht geworfenen US-Amerikaner erst allmählich, ihre an den Bürgerkriegserfahrungen aus dem 19. Jahrhundert orientierte, für die Westfront aber gänzlich ungeeignete offene Vorgehensweise den Notwendigkeiten im Weltkrieg anzupassen. Trotz aller wachsenden Kriegsmüdigkeit wehren sich aber auch die deutschen Truppen nach wie vor verbissen gegen jede Frontaufgabe. Besonders wirkungsvoll sind dabei ihre Maschinengewehrscharfschützen-Abteilungen (MGSS-Abteilungen), die mit hoher Feuerkraft und großer Beweglichkeit an die besonders bedrohten Frontabschnitte geworfen werden. Am 30. September 1918 muss aber schließlich auch Ludendorff einsehen, dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen ist. Seine Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand sucht er wenige Wochen später zwar noch einmal für einen letzten Widerstand zurückzunehmen. Doch die neue parlamentarische Regierung unter Max von Baden folgt ihm darin nicht mehr. Inzwischen sind nämlich alle deutschen Verbündeten militärisch „zusammengebrochen“, so dass ein Weiterkämpfen nur zusätzliche Blutopfer ohne militärischen Sinn bedeuten würde. Am 11. November 1918 schweigen schließlich die Waffen. Dr. Bruno Thoß, Jg. 1945, Leitender Wissenschaftlicher Direktor a.D., 1979-2008 Militärhistoriker am Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr; 20012005 Leiter des Forschungsbereichs III „Militärgeschichte der Bundesrepublik im Bündnis“; 2005-2008 ständige Vertretung des Leiters Abteilung Forschung.
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Waffen und Taktik der Kriegsparteien
Technische und taktische Neuerungen Frühjahr 1918: Mit der Einführung neuer Angriffsverfahren versucht die 3. Oberste Heeresleitung, den verlustreichen Stellungskrieg aufzubrechen und der materiellen Überlegenheit der Alliierten entgegenzuwirken... Von Bruno Thoß 22
„Hindenburg-Programm“ SCHUSSGEWALTIG: Deutsche 21-cmMörser nehmen die feindlichen Linien unter Feuer. Die schwere Artillerie spielt auch im Kriegsjahr 1918 eine wichtige Rolle in den MaterialschlachFoto: picture-alliance/akg-images ten.
das erprobte Mittel gefunden zu haben. Ihr größtes Manko ist und bleibt freilich die technische Beweglichkeit auf dem Schlachtfeld. Denn Anfangserfolge müssen ständig durch Nachschub genährt werden, wenn sie zum Durchbruch erweitert werden sollen. Je schneller die Angriffstruppen jedoch vorankommen, um so schwieriger wird ihre Versorgung. Dazu muss man Zonen stärkster Verwüstung durchfahren, wird das eigene Artilleriefeuer das Gefechtsfeld doch in eine unwegsame Kraterlandschaft verwandeln. Zwar rüstet die OHL ihre Truppen mit zerlegbaren Holzbrücken aus, die leicht transportiert und schnell aufgebaut werden können, um die zerschossenen Grabensysteme zu überbrücken. Das kann freilich die Defizite der deutschen Kraftfahrzeuge nicht ausgleichen, deren 23.000 Lkw aus Gummimangel in der Regel nur mit Eisenreifen ausgestattet sind. Vor allem fehlt ausreichend Kraftstoff. Man ist deshalb hauptsächlich auf Pferdekräfte als Bespannungen für die Artillerie und die Transportfahrzeuge angewiesen.
Fehlende Panzerwaffe Die technische Rückständigkeit des deutschen Westheeres zeigt sich am stärksten in der „Tank“-Frage. Die Schwerfälligkeit dieser Gefechtsfahrzeuge und die Erfolge bei ihrer Bekämpfung 1916/17 haben bei der deutschen Führung zu einer Unterschätzung ihres Kampfwertes geführt. Da es selbst beim bislang größten britischen Tankangriff von Cambrai 1917 gelungen ist, die schwerfälligen Kolosse lahmzulegen, erhalten die deutschen Angriffsverbände jetzt im Frühjahr lediglich Spezialpatronen
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eit dem Kriegsjahr 1916 ist die Materialschlacht das charakteristische Merkmal des Stellungskrieges an der Westfront. Das dichte Feuer von Maschinengewehren und Artillerie lähmt schon nach geringfügigen Geländegewinnen jeden Versuch, das Gefecht in Bewegung zu halten. Angesichts der wesentlich größeren Ressourcen der Entente ist abzusehen, dass die wirtschaftliche Kraft der Mittelmächte in naher Zukunft erschöpft sein wird. Auch das sogenannte Hindenburg-Programm, mit dem die 3. Oberste Heeresleitung (OHL) die eigene Kriegswirtschaft zu voller Wirksamkeit entfalten will, kann an diesem grundsätzlichen Befund nichts ändern.
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Waffen und Gerät werden zwar auf allen Seiten modernisiert. Dabei übersteigen aber in aller Regel die technischen Möglichkeiten der Alliierten das deutsche industrielle Potential. Wenn sich die OHL dennoch dazu entschließt, im Frühjahr 1918 an der Westfront die Entscheidung zu suchen, dann bleiben ihr letztlich nur neue Angriffsverfahren als Ausweg. Vielleicht lässt sich ja mit beweglicheren Angriffstruppen die bisherige Erfahrung aushebeln, dass man jede personelle Überlegenheit bereits nach wenigen Tagen unter der verheerenden Feuerwirkung des Gegners wieder einbüßt. Und die deutsche Führung glaubt dafür aus ihren Erfolgen an den Nebenfronten
IN JUNGEN JAHREN: George S. Patton, der spätere berühmte US-General, bildete im Ersten Weltkrieg amerikanische Panzerfahrer in Frankreich aus. Hier posiert er für ein Erinnerungsfoto vor einem französischen Panzer vom Typ Renault FT-17. Foto: picture-alliance/akg-images
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Titelgeschichte | Westfront 1918 mit Stahlkernen, die Tanks an ihren verwundbaren Stellen durchschlagen sollen. Im übrigen mussten 1917 alle Rüstungskapazitäten auf den Bau von U-Booten konzentriert werden, glaubte man mit dieser Waffe doch eine den Krieg entscheidende Wirkung auf dem Atlantik erzielen zu können. Damit fehlen aber die nötigen Kapazitäten für eine nennenswerte Entwicklung von Tanks. So hat bis Ende 1917 ein einziges Modell, der Sturmpanzerwagen A7V mit einem Gewicht von mehr als 30 Tonnen und bewaffnet mit einer 57-mm-Kanone und sechs Maschinengewehren, Serienreife erlangt.
RENAULT FT-17
Wirksame „Tanks“ Insgesamt verfügt das deutsche Heer 1918 über ganze 20 einsatzbereite A7V, von denen bei der „Michael-Offensive“ nur vier BEENGT: Seitenriss eines französischen Renault FT-17 „Char Mitrailleur Mosquito Tank“. Der leichte Panzer mit einem Gewicht von knapp sieben Tonnen und einer Länge von fünf Metern wies einen auf der Wanne montierten, drehbaren Turm und einen Heckmotor auf. Seit Sommer 1918 wurden die in großer Stückzahl produzierten FT-17 auch vom ameriAbb.: picture-alliance/Mary Evans/Robert Hunt Collection kanischen Expeditionskorps eingesetzt.
eigene, verstärkt durch fünf erbeutete englische Tanks zum Einsatz kommen. Demgegenüber haben die Briten ihre wenig gefechtstüchtigen Urtypen („Mark“ I bis III) inzwischen in den Modellen „Mark“ IV und „Mark“ V technisch wesentlich verbessert. Diese Fahrzeuge verfügen mittlerweile führungstechnisch über eine eigene Funkausstattung und deutlich verbesserte Fahreigenschaften auf dem Gefechtsfeld. Daneben sind zusätzlich Versorgungs- und Brückenlegepanzer entwickelt worden. Bei der schweren deutschen Niederlage am 8. August 1918 bei
SPUREN DES KRIEGES: Ein britischer Tank „Mark“ IV im rückwärtigen Raum eines während der deutschen Frühjahrsoffensive im März 1918 umkämpften Frontabschnitts. Foto: picture-alliance/Mary Evans/Robert Hunt Collection
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Amiens werden schließlich 500 britische Panzer zum geschlossenen Einsatz kommen. Schon drei Wochen zuvor haben aber auch bei Villers-Cotterêts über 400 französische Renault-Panzer wesentlich zum Überraschungserfolg der Franzosen beigetragen. Bis Kriegsende werden die Briten insgesamt 1.865 Tanks und die Franzosen fast 4.000 Panzerfahrzeuge produziert haben, die seit Sommer 1918 aus keiner alliierten Angriffsoperation mehr wegzudenken sind.
Neue Sturmbataillone Wenn Ludendorff also das bisherige Dilemma aller deutschen Angriffe im Westen überwinden will, dann reicht dazu die zeitweilige Überlegenheit an Verbänden gegenüber dem Gegner nicht aus. Die eigenen Angriffstruppen müssen vielmehr so ge-
Materielle Überlegenheit der Alliierten schult und ausgerüstet werden, dass sie zu schnellen Operationen fähig sind. Die Erfahrungen an den Nebenfronten sollen dazu auf die Westfront übertragen werden. Seit 1917 werden die für den Angriff vorgesehenen Verbände Zug um Zug herausgelöst und anhand verbesserter Gefechtsvorschriften hinter der Front ausgebildet. Als entscheidender Vorteil hat sich das unmittelbare Zusammenwirken leicht bewaffneter und beweglicher Sturmtruppen mit einer unmittelbar dahinter vorgehenden Feldartillerie erwiesen. Die schon bisher eingesetzten kleinen Stoßtrupps aus besonders qualifizierten Soldaten und erfahrenen Führern werden für die Angriffe von 1918 zu größeren Sturmbataillonen erweitert. Sie setzen sich anteilig aus Infanteristen und Pionieren zusammen und sind mit einer zweckmäßigen Mischung aus Handwaffen und tragbaren Leichtgeschützen ausgestattet. Sie bewegen sich aufgelockert auf dem Gefechtsfeld voran, um anders als bei Massenangriffen keine leicht zu bekämpfenden Ziele zu bieten. Der einzelne Sturmsoldat trägt neben seinem Sturmgepäck einen Patronengurt, zwei Beutel mit Handgranaten, Gasmaske, Stahlhelm und Gewehr. Jedes Bataillon gliedert sich in zwei eng zusammenwirkende Sturmkompanien, eine MG- und eine Minenwerferkompanie sowie einen Flammenwerferzug. Dadurch ist man beim Niederkämpfen kleinerer Widerstandsnester weitgehend unabhängig von der langsamer folgenden Feldartillerie. Größere Stellungen sollen dagegen umgangen und erst von den nachrückenden Angriffstruppen mit Artillerieunterstützung niedergekämpft werden. So hofft man schneller Tiefe zu gewinnen und schwer ersetzbare Verluste bei den Elitetruppen zu vermeiden. Entscheidend für die großen deutschen Anfangserfolge wird das enge Zusammenwirken von Infanterie und Artillerie, wie es der preußische Oberst Georg Bruchmüller STURMTRUPPEN
Stillgestanden Deutsche Sturmtruppsoldaten mit Stahlhelm M1916 und Uniformrock M1915. Zu ihrer Ausrüstung zählen neben dem Karabiner 98 mit kurzem Lauf vor allem Stielhandgranaten (in Leinenbeuteln) und Gasmaske (in der Tasche). Der Einsatz dieser Spezialeinheiten sollte den Kampf im Stellungskrieg beweglicher machen. Foto: picture-alliance/akg-images
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LUFTKAMPF: Der kanadische Pilot Arthur Roy Brown attackiert mit seinem Doppeldecker vom Typ Sopwith Camel Manfred von Richthofen in seinem Dreidecker-Jagdflugzeug Fokker Dr.I, GemälAbb.: picture-alliance/Everett Collection de von Charles H. Hubbell.
DER „ROTE BARON“: Manfred Freiherr von Richthofen, erfolgreichster Jagdflieger des Ersten Weltkriegs, wurde am 21. April 1918 an einem Frontabschnitt entlang der Somme in seinem Dreidecker Fokker Dr.I von einer Maschinengewehrkugel – vermutlich vom Boden aus abgefeuert – tödlich getroffen. Abb.: picture-alliance/Mary Evans Picture Library
(„Durchbruchmüller“) schon für die großen Durchbruchsoperationen im Osten entwickelt hat.
Schwere Artillerie Um das Überraschungsmoment zu wahren, verzichtet die deutsche Artillerie auf ein genaueres Einschießen, sondern berechnet die Zieldaten wesentlich nach den Witterungsbedingungen und Aufklärungsergebnissen. Nach einem genauen Zeitplan wird die Artillerie ihr Vorbereitungsfeuer mit Angriffsbeginn in Form einer Feuerwalze schrittweise in die Tiefe verlegen, um somit jeweils unmittelbar vor den Sturmtruppen Feuer-
unterstützung zu geben. Damit nimmt man freilich nicht unerhebliche Verluste der eigenen Truppe in Kauf, lassen sich deren Einbrüche doch nie genau vorherberechnen, so dass die vordersten Teile nicht selten in eigenes Artilleriefeuer geraten. Das Feuer wird außerdem von Anfang an über die Gefechtsstellungen des Gegners hinaus in seine rückwärtigen Räume gelenkt. Damit sollen Hauptquartiere, bereitgehaltene Reserven und Verkehrsknotenpunkte ausgeschaltet werden. Man zieht dazu mehr als die Hälfte der im Westen vorhandenen Artillerie – insgesamt 6.473 Geschütze, davon 3.965 Feldgeschütze der Kaliber 7,5 und 10 cm, 2.435 schwere Geschütze des Kalibers 15 cm und 73 schwerste Geschütze der Kaliber 21 cm und darüber – hinter dem geplanten Angriffsschwerpunkt zusammen. In einem fünfstündigen Trommelfeuer werden sie am 21. März 1918 1,1 Millionen Granaten verschießen. Um den Gegner unter die Masken zu zwingen und vor allem seine Artillerie zu lähmen, werden Spreng- und Gasgranaten gemischt verschossen. Auf das besonders wirkungsvolle Senfgas verzichtet man dabei, weil es am Boden haftet und damit die eigenen Angriffsverbände behindern würde. Stattdessen sucht man den Gegner zunächst durch Tränengas beim Aufsetzen der Masken zu behindern, um ihn dann möglichst schutzlos dem tödlich wirkenden Grünkreuz oder
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Titelgeschichte | Westfront 1918 INFO
Technische Daten A7V
Länge Breite Höhe Gefechtsgewicht Motor Motorleistung Höchstgeschwindigkeit Straße Reichweite Besatzung (Einsatz) Hauptwaffe Sekundärwaffen
Char d’Assault St. Chamond
Abmessungen und Gewicht 7,35 m 3,06 m 3,30 m 32 t Leistung 2 x 4-Zyl.-Daimler-Benz 2 x 100 PS 12 km/h 40-70 km Kampfkraft 16 (bis 22) Mann Bewaffnung 1 x Kaliber 5,7 cm 6 x Kaliber 7,92 mm MG
8,83 m 2,67 m 2,36 m 23 t 1 x 4-Zyl.-Panhard 90 PS 8-12 km/h 60 km 8 (bis 9) Mann 1 x Kaliber 7,5 cm 4 x Kaliber 8,00 mm MG Hotchkiss
STAHLKOLOSS: Ein deutscher Sturmpanzerwagen A7V nach dem Gefecht bei VillersBretonneux im April 1918. Es wurden insgesamt nur 20 Exemplare dieses Typs, der ein Gefechtsgewicht von 32 Tonnen besaß, hergestellt. Foto: ullstein bild - Gircke
UNGETÜM: Die Panzerfahrzeuge vom Typ Char d’Assault St. Chamond wiesen gravierende Mängel bei der Geländegängigkeit auf. Wegen der Länge ihrer Wanne war ihr taktischer Nutzen eher gering.
Phosgen auszusetzen. Aus den zurückliegenden Schlachten haben freilich auch die Alliierten ihre Konsequenzen gezogen. Die vordersten Stellungen sollen nur noch leicht verteidigt werden, um die eigenen Verluste zu mindern und den Angreifer erst in der gut befestigten Gefechtszone voll unter Beschuss zu nehmen. Nahe heran gehaltene Reserven sollen dazu den vor den eigenen Feldstellungen festliegenden Gegner in die Flanken fallen.
dichten Nebel und die schwachen Reserven hinter der Britischen 5. Armee, dann sind die Aussichten für eine effiziente Abwehr alles andere als optimal. Mit Beginn der deutschen Offensiven zeigen sich bei allen Anfangserfolgen jedoch bald auch die Grenzen der neuen An-
Foto: picture-alliance/Mary Evans Picture Library
griffsverfahren. Gerade die Forderung nach schnellem Vorankommen ohne Rücksicht auf die kaum geschützten Flanken führt schon im März und April genau bei diesen Elitentruppen zu kaum ersetzbaren Verlusten. Zudem bleiben die gut ausgebildeten Sturmbataillone eine kleine Minderheit im deutschen Westheer. Die dahinter folgenden Kampftruppen sind mit ihren mitgeführten Minen- und Flamenwerfern zwar besser ausgerüstet, bewegen sich aber in der Regel noch in geballten Haufen vorwärts. Ludendorff ordnet deshalb bereits Ende März an, dass „unbedingt damit aufgeräumt werden [müsse], mit Masseneinsatz den Erfolg erzwingen zu wollen“.
Hohe Verluste der Elitetruppen Die Deutschen können bei ihrem zeitlich begrenzten Vorbereitungsfeuer nicht damit rechnen, das gegnerische Stellungssystem nachhaltig zu zerschlagen. Tatsächlich werden davon am 21. März „nur“ 8.000 bis 9.000 Gegner ausgeschaltet, die Masse der 100.000 Briten muss dagegen in ihren lediglich angeschlagenen Stellungen bekämpft werden. Dabei treffen die Angreifer auf ein dreigliedriges Stellungssystem: schwach besetzte und ausgebaute vorderste Stellungen, eine stark befestigte Gefechtszone, die unter allen Umständen gehalten werden soll, und eine teilausgebaute rückwärtige Auffanglinie für den Ansatz von Gegenangriffen. Damit erreichen die Ententetruppen nicht nur größere Flexibilität in der Abwehr und verringern die hohen Verluste in vorderster Linie bei Beginn einer Schlacht. Sie machen auch Truppen als Reserven für den weiteren Schlachtverlauf frei. Überraschender deutscher Kräfteansatz, personelle Überlegenheit an entscheidender Stelle, neue Kampfverfahren und das enge Zu-
Briten in Bedrängnis Der Nachteil bei den Briten ist allerdings, dass ihre von „Michael“ betroffene 5. Armee in einem Gebiet kämpfen muss, das sie erst seit Anfang 1918 von den Franzosen übernommen hat und deswegen bis Angriffsbeginn nicht mehr voll ausbauen kann. Über die rückwärtige dritte Linie, an der sich ausweichende Truppenteile zum Gegenangriff sammeln sollen, schreibt ein britischer Hauptmann: „Die Feldbefestigungen waren noch nicht fertig, als der deutsche Vorstoß begann.“ Nimmt man dazu den bis in den Vormittag andauernden
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NACHSCHUB: Auf einen Zug verladene französische St.-Chamond-Sturmpanzer werden an die Front bei Villers-Cotterêts transportiert. Dieses seit 1916 gebaute Fahrzeug gilt als Vorläufer der Selbstfahrlafetten. Foto: ullstein bild - Photo 12
Technischer Vorsprung
ANFÄLLIG: Deutsche Soldaten bereiten einen Fesselballon für den Aufstieg vor. Die Ballons wurden zur Luftaufklärung oder als Sperrballons gegen feindliche Flieger eingesetzt. Hochspannungsleitungen, Windstöße und Infanteriebeschuss können den Ballons zum Verhängnis werden. Foto: Süddeutsche Zeitung Photo/Scherl
sammenwirken von Artillerie und Infanterie fügen den Briten dennoch so schwere Verluste bei, dass die Entente zeitweilig eine entscheidende Niederlage befürchten muss. Schon nach wenigen Tagen setzt sich dann jedoch die überlegene Feuerkraft der Verteidiger durch.
setzen allein in diesem Jahr zwischen 50% und 60% ihres Gesamtmunitionsverbrauchs im Weltkrieg ein. Die Briten haben zudem ihre Panzerabwehr erheblich verstärkt, ohne dass diese allerdings von den geringen Zahlen deutscher Tanks gefordert worden wäre.
„Es sind schwere Kämpfe, in denen viele feindliche Tanks verwendet werden und ein Heer von Fliegern. Diese sausen alle Augenblicke heran und werfen Bomben.“ Aus einem Brief des Oberbefehlshabers der Deutschen 2. Armee, General Georg von der Marwitz, an seine Frau vom 11. August 1918
Anders als die Deutschen können Briten, Franzosen und Amerikaner 1918 bereits die Masse ihrer Geschütze mit Fahrzeugen und nicht mehr mit Pferden bewegen. Sie sind dadurch in der Lage, ihre Feuerschwerpunkte schnell an die Brennpunkte einer Schlacht zu verschieben.
Alliierte Luftüberlegenheit Deutsche Geschütze müssen in dem zerschossenen Gelände dagegen bald schon von den Soldaten vorwärtsgeschoben werden. Vor allem kommt 1918 aber der wesentliche Vorsprung bei der Munitionsherstellung voll zum Tragen. Die Westmächte
Clausewitz 1/2013
Neben ihrem Übergewicht bei den Tanks und der Artillerie verfügen die Alliierten bereits seit Ende März 1918 über eine eindeutige Überlegenheit in der Luft. Dafür bieten die deutschen Truppenkonzentrationen ideale Ziele. So verursacht etwa feindliche Fliegertätigkeit bei der Deutschen 2. Armee rund die Hälfte der Verluste. Durch PS-stärkere Motoren können auf allen Seiten nicht nur Gipfelhöhe und Reichweite gesteigert, sondern auch Nutzlasten erhöht werden. Dadurch erweitert sich das Einsatzprofil von Flugzeugen, die zusätzlich zu ihren Funktionen als Jagd- und Aufklärungsmaschinen jetzt auch als Bomber einsetzbar sind.
Mit ihren Jagdflieger-Assen, allen voran dem „Roten Baron“ Manfred Freiherr von Richthofen, der im April 1918 über der Somme abgeschossen wird, gelingen den Deutschen zwar immer noch spektakuläre Einzelerfolge in Luftkämpfen. Eine zu Brigaden zusammengefasste britische Luftmacht hat jedoch längst die Luftherrschaft übernommen. Diese Tatsache bekommen die Deutschen insbesondere bei der Luftaufklärung zu spüren, mit der seit April das Artilleriefeuer ihrer Gegner immer wirkungsvoller geleitet werden kann. Die deutschen Angriffsarmeen müssen sich häufig noch mit Beobachtungsballons behelfen, die vom Boden aus mit 24 Mann Personal an Seilen dirigiert werden. Obwohl die deutsche Luftwaffe den Alliierten im August und September noch schwere Verluste zufügt, greifen diese sogar bereits mit Tieffliegern in die Bodenkämpfe ein. Diese immer wirksamere zahlenmäßige Überlegenheit macht den Deutschen ihre inzwischen erhebliche materielle Unterlegenheit endgültig bewusst. Im Spätherbst erlahmt die deutsche Gegenwehr aufgrund der hohen Verluste an Flugzeugführern und dem zunehmenden Treibstoffmangel schließlich weitgehend. Der Erste Weltkrieg endet 1918, wie er im Jahr 1914 begonnen hat: mit dem klaren Übergewicht materieller Potentiale über vermeintliche militärische Führungskunst.
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Titelgeschichte | Westfront 1918
Deutsche und alliierte Soldaten 1918
Sinnloses Massensterben Anfang 1918: Kriegsmüdigkeit ist das durchgängige Kennzeichen bei den Soldaten aller kriegführenden Nationen. Dennoch ist das Jahr 1918 geprägt von zahlreichen Großoffensiven... Von Bruno Thoß
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elbst die Franzosen, deren „defensiver Patriotismus“ sie in der Verteidigung ihres eigenen Bodens bisher alle Strapazen und Entbehrungen durchhalten ließ, reagieren 1917 als Folge der blutigen „Nivelle-Offensive“ bei zwei Dritteln ihrer Frontdivisionen mit Meutereien auf die inakzeptablen Massenverluste. Immerhin fünf der betroffenen Großverbände sind dadurch zeitweilig lahmgelegt. Eine Stimme wie die eines Soldaten des 82. französischen Infanterie-Regiments ist längst kein Einzelfall mehr: „Wir befinden uns in einer absolut ausweglosen Lage. Die einzige Perspektive ist ein gegenseitiges, nicht enden wollendes Massaker“. Der Krieg wird Anfang 1918 allgemein als sinnlos empfunden; die Forderungen nach Frieden werden immer lauter; der eigenen po-
WAHNSINNIG: Ein deutscher Soldat in einem Schützengraben inmitten zahlreicher Gefallener. Das Entsetzen über den grausamen Kampf an der Front steht ihm ins Gesicht geschrieben. Foto aus dem Antikriegsfilm „Westfront 1918“ aus dem Jahr 1930. Foto: picture-alliance/picture-alliance
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litischen wie militärischen Führung bringt man nur noch begrenztes Vertrauen entgegen. Ein französischer Artillerist verleiht dem grassierenden Fatalismus eine radikale Stimme: „Ich will Brot essen und arbeiten; ob wir siegen oder besiegt werden, ist mir egal.“ Briefzensur und drakonische Strafen verlieren da ihre abschreckende Wirkung. Der neue Oberbefehlshaber, Philippe Pétain, muss Anfang 1918 sogar scharfe Weisungen gegen erste Verbrüderungen zwischen Deutschen und Franzosen an der Front erlassen Ein deutliches Herabsinken der Kampfbereitschaft ist nach den kräftezehrenden Flandernoffensiven seit Spätherbst 1917 sogar bei den Briten zu verspüren, deren sprichwört-
liche Disziplin deutlich nachzulassen beginnt. Auch hier entfaltet eine harte Militärjustiz kaum noch die gewünschte Wirkung. Ein Beobachter ist geradezu erschrocken, als er einer singenden Kolonne britischer Militärgefangener begegnet, die offenkundig lieber ins Gewahrsam als an die Front marschiert.
Hungerrevolten Die Stimmung bei den deutschen Soldaten kann dagegen durch die Erfolge im Kriegsjahr 1917 noch vergleichsweise stabil gehalten werden – und dies trotz immer bedenklicherer Nachrichten aus der Heimat über das Aufflammen von Hungerrevolten. Diese Haltung ist auch bei ihnen nicht mehr allein auf den unbedingten Kampfeswillen zurückzuführen, als vielmehr auf die Hoffnung, dass die eigenen Siege den Krieg
Nicht enden wollendes Massaker
GEBLENDET: Verwundete alliierte Soldaten, die durch den Einsatz von Tränengas aus dem Schlachtfeld zeitweise ihr Sehvermögen eingebüßt haben. Foto: picture-alliance/akg-images
schließlich „verkürzen“ werden. Eine auf Hochtouren laufende Kriegspropaganda nutzt diesen Umstand für die Frühjahrsoffensiven 1918. Sie suggeriert den Soldaten, es ginge nur noch um eine letzte große Kraftanstrengung, dann sei der Krieg endlich vorbei. Bei den Fronttruppen verurteilt man Anfang 1918 deswegen die Streikenden zu Hause häufig als „Radaubrüder“ und „Sauhunde“, die mit ihrem Defätismus die Chancen für einen deutschen Sieg an der Westfront untergraben. Jetzt sei Einigkeit und nicht Zwietracht die Parole der Stunde.
Sorgen bereiten hier allerdings die schlecht ausgebauten Stellungen, die man seit Jahresbeginn von den Franzosen übernommen hat. Wie bei den Deutschen werden in den Abendstunden des 20. März nochmals reichlich Verpflegung, Zigaretten und Getränke gefasst. Während die einen jedoch in absoluter Stille auf den Angriffsbefehl warten müssen, trinkt und singt man bei den anderen kräftig, denn die weit verbreitete Erwartung ist : „Wenn der Boche [französisch abwertend „Der Deutsche“] kommt, dann werden wir es ihm schon geben!“ Das mischt sich freilich mit Besorgnis um das persönliche Schicksal im Gefecht. Einem deutschen Infanteristen würde „eine leichte Verwundung nichts ausmachen, denn dann käme ERLEBNISBERICHT ich in ein Lazarett nach Schilderung des britischen Private Deutschland. Viele hofften Beardsell vom 21. März 1918 das.“ Auf der Gegenseite ver„Ich kroch hinauf und bot dabei ein auffallendes Ziel. Auf hallässt sich ein britischer Solbem Wege drehte ich mich unwillkürlich um und hatte das Gefühl, mein rechter Arm sei von einem elektrischen Schlag gedat einfach auf sein bisheritroffen worden. Jetzt hatte es mich erwischt. Aber ich dachte ges Kriegsglück: „Ich war nur: ‚Gott sei Dank! Nun ist alles vorüber.‘“ überzeugt, dass ich nicht getroffen werden könnte. Ich Erfahrungen auf die gut ausgebauten Stel- fühlte mich absolut kugelsicher.“ Doch das lungen und die starke Artillerieunterstüt- sind Einzelstimmen; generell ist man auf zung. Unisono klingen deshalb Berichte vor beiden Seiten froh, wenn es endlich losgeht, Angriffsbeginn auf beiden Seiten, wird denn das zermürbende Warten wird immer doch der erwartete deutsche Angriff end- unerträglicher. lich die nervenaufreibende Tatenlosigkeit Menschliches „Wrack” der letzten Monate beenden. Ein deutscher Feldwebel beschreibt die Mit Beginn des deutschen Artilleriefeuers Reaktion seiner Soldaten auf den Befehl in den frühen Morgenstunden des 21. März zum Vormarsch in die Sturmausgangsstel- 1918 driften dann die Stimmungen bei Anlungen: „Die Stimmung war ausgezeich- greifern und Verteidigern allerdings auseinet“. Bei den Briten ist man am Vorabend nander. Schon die ersten gut gezielten Salder Schlacht ebenfalls froh, dass die lange ven lösen in den britischen Stellungen „erdUntätigkeit bei Kälte und Regen vorbei ist. bebenartige Erschütterungen“ aus. Ein
„Sie werden nicht durchkommen“ Wie sehr sich dabei die Stimmung bei den Deutschen und den Briten ähnelt, lässt sich vor Angriffsbeginn im März aus den Briefen britischer Soldaten der vordersten Stellungen ablesen. Früher als die eigene Führung erkennt man hier zwar die deutschen Angriffsvorbereitungen, vertraut aber nach wie vor auf die eigenen Waffen und das sprichwörtliche Stehvermögen der eigenen Truppe. Wie bei den Franzosen 1916 vor Verdun geht bei ihnen der Trinkspruch um: „Sie werden nicht durchkommen!“ Ähnlich klingen bei allen kritischen Untertönen auch die mehrheitlichen Aussagen französischer Soldaten für die kommenden Kämpfe. Bei allem Fatalismus ist wirkliche Mutlosigkeit kaum auszumachen. Man vertraut vielmehr aus den zurückliegenden
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BITTERES ENDE: Angehörige der französischen Armee bei der Identifizierung und Bestattung während der deutschen Großoffensive bei Reims gefallener alliierter Soldaten, Juli 1918. Foto: picture-alliance/akg-images
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Historisch, authentisch, … NEU!
Titelgeschichte Hauptmann im Stab der 172. britischen Brigade muss nach wenigen Minuten feststellen, dass selbst die zwei Meter tief eingegrabenen Fernsprechkabel durchgängig zerschossen sind. Verbindung zwischen Truppe und rückwärtiger Führung besteht jetzt wie auch in den kommenden Stunden nicht mehr. Von einem jungen Nachrichtenoffizier, der aus der Stellung geht, um sich ein Bild von der Lage zu machen, heißt es: „Achilles war als Jüngling hinausgegangen und kehrte als Greis zurück (...) Er hat sich von diesem Schock nie wieder erholt. Monatelang konnte er nur im Flüsterton sprechen (...) Bis zu diesem Nervenzusammenbruch war er ein aufgeweckter, tüchtiger und furchtloser Mann. Aber am 21. März 1918 wurde er zum Wrack und konnte als Soldat nicht mehr verwendet werden.“
Die Stimmung sinkt
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In den deutschen Stellungen steht man zwar auch unter den Belastungen der stundenlangen Feuerschläge, nur erhöhen sie hier die Erwartungen auf den eigenen Erfolg. Man kann sich nur schwer vorstellen, dass der Gegner danach noch zu stärkerem Widerstand fähig sein wird. Euphorie herrscht jedoch auch hier – von Ausnahmefällen abgesehen – nicht. Ein Leutnant aus dem 463. Infanterie-Regiment schildert die Stimmung so: „Die meisten Männer waren ganz still. Man hörte ein paar Scherzworte. Einer nahm einen Brief heraus und die Photographie seiner Frau. Wir dachten alle an Zuhause. Vielleicht die Hälfte der Männer ging beiseite in einen ruhigeren Abschnitt des Grabens, um zu beten.“ Das rasche Vorankommen in den vordersten, nur noch schwach verteidigten britischen Stellungen hebt die Stimmung naturgemäß bei den Angreifern. Dazu tragen in erheblichem Maße auch die größer werdenden Kolonnen von Gefangenen bei. Das Gefühl, in ihren schlecht ausgebauten Stellungen von der eigenen Führung und von der im Nebel zunächst nur schwach feuernden eigenen Artillerie im Stich gelassen zu werden, lässt den Widerstand in den verbliebenen, weit auseinander liegenden Stellungen schnell zusammenbrechen. Den Deutschen bieten sich ungewohnte Bilder von den sonst so zäh kämpfenden Briten: „Sie warfen ihre Waffen weg und wollten sich ergeben“, berichtet ein deutscher Füsilier. In den ersten drei Wochen der deutschen Frühjahrsoffensiven muss die britische Armee die ungewöhnlich hohe Zahl von über 70.000 Gefangenen verkraften. Sie trotten oft fast teilnahmslos oder zumindest erleichtert dahin, werden nur wenig bewacht nach rückwärts durchgewunken
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TÖDLICH GETROFFEN: Von einer britischen Granate zerstörtes deutsches Munitionsgespann, im Vordergrund ist ein toter deutscher Soldat zu erkennen. Foto: picture-alliance/akg-images
und erst hinter den deutschen Angriffsverbänden zu größeren Kolonnen zusammengefasst. In der Stadt St. Quentin werden sie dann mehrfach um den Stadtplatz geführt, um für die deutsche Öffentlichkeit daheim fotografiert zu werden. Freilich müssen die deutschen Soldaten auch feststellen, wie „frisch und besonders gut genährt“ ihre Gegner aussehen. Selbst bei den zunächst nicht angegriffenen Franzosen sinkt die Stimmung im April 1918 deutlich. Dabei ist auch das Vertrauen in den britischen Verbündeten starken Belastungen ausgesetzt, kritisiert man doch dessen schnelles Zurückgehen. Ähnliche Skepsis werden britische und französische Soldaten im Sommer 1918 anfänglich den amerikanischen Verbündeten entgegenbringen. Deren mangelnde Kampferfahrung
MAKABER: Französische Soldaten nehmen während einer Gefechtspause eine Mahlzeit ein und benutzen Särge als Tisch für ihr Essgeschirr. Der Tod ist ein ständiger Begleiter der Soldaten. Foto: picture-alliance/dpa
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lässt sie häufig mit großen Verlusten im Angriff scheitern. Erst im Sommer 1918 wird sich dies bei den Ententetruppen merklich ändern, als man wieder Zuversicht in das eigene Durchhaltevermögen gewinnt.
„Dolchstoßlegende“ Umgekehrt beginnen jetzt bei den Deutschen die kritischen Stimmen lauter zu werden, die bei den hohen eigenen Verlusten und dem Ausbleiben des Zusammenbruchs des Gegners die bloße Verlängerung des Krieges beklagen. Jetzt rächt sich, dass man seitens der Führung zu hohe Erwartungen geweckt hat, die für die Soldaten an der Front immer eindeutiger widerlegt werden. Um dem zu begegnen, warnt Ludendorff Anfang Oktober vor „weichlicher Behandlung bei Disziplinarvergehen“, weil damit geradezu „eine Prämie für niederträchtiges Verhalten“ ausgestellt werde. Doch das, was in der neueren Forschung als „stiller Militärstreik“ in den deutschen Truppen beschrieben wird, ist damit längst nicht mehr aufzuhalten. Eine immer größere Zahl von Soldaten versucht, sich dem weiteren Kriegseinsatz zu entziehen – dabei kommt es nicht selten zu Selbstverstümmelungen und Befehlsverweigerungen. Anders als es die später von der deutschen politischen Rechten propagierte „Dolchstoßlegende“ glauben machen will, ist es freilich nicht die Kriegsmüdigkeit der Heimat, sondern die Wucht der alliierten Angriffe, unter der die deutschen Fronttruppen allmählich auseinanderbrechen und die zum Scheitern der deutschen Offensiven im Jahr 1918 führt.
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Schlachten der Weltgeschichte
GNADENLOSE SCHLACHT: Monatelang tobt der erbitterte Kampf am Fuße des Waldai. Später wird Hitler den Überlebenden den „Demjanskschild“ für die Verteidigung des Kessels stiften. Foto: Süddeutsche Zeitung Photo/SZ Photo
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Demjansk 1942/43
Umkämpftes Sumpfland 8. Januar 1942: Die sowjetische Nordwestfront beginnt ihre Offensive gegen den deutschen Frontvorsprung südlich des Ilmensees. Sechs Divisionen der deutschen 16. Armee werden bald darauf zehn Wochen lang eingeschlossen. Dies ist aber nur der Auftakt eines 14-monatigen für beide Seiten zerVon Christian Th. Müller mürbenden Kampfes.
Blutige Kesselschlacht Truppenstärken am 8. Januar 1942 und Verluste bis zum 20. Mai 1942 ca. 100.000
Soldaten
Tote
Verwundete
ca. 400.000 Wehrmacht und Waffen-SS Rote Armee
✝ 48.000 ✝ ✝ ✝ ✝ ca. 200.000 + + + 140.000 + + + + + + + + ca. 400.000
Die Verluste bis zum 20. Mai 1942 waren höher als die jeweiligen Ist-Stärken am 8. Januar 1942. Das mag verwirrend erscheinen, erklärt sich aber (für die sowjetische Seite) durch den laufen-
Clausewitz 1/2013
den Personalersatz und für die deutsche Seite zudem noch durch den Umstand, dass an den Kämpfen nicht nur die Truppen im Kessel selbst beteiligt waren.
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Schlachten der Weltgeschichte | Demjansk 1942/43
D
ie ausgedehnten Sumpfgebiete zwischen dem Südufer des Ilmensees und den Waldaihöhen gehören in den Jahren 1942/43 zu den am längsten und am hartnäckigsten umkämpften Abschnitten der deutsch-sowjetischen Front. Im Herbst 1941 hatten Teile der deutschen 16. Armee den Raum um die kleine Kreisstadt Demjansk besetzt. Sie bilden das Bindeglied zwischen dem vor Leningrad stehenden Gros der Heeresgruppe Nord und der auf Moskau vorrückenden Heeresgruppe Mitte. Ihre durch riesige Wald- und Sumpfgebiete verlaufende Front ist hoff-
KARTE
Kriegsschauplatz Ilmensee und Seligersee
Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich
AUF BEOBACHTUNGSPOSTEN: Ein deutscher Soldat hält Ausschau nach dem Gegner. Das sumpfige Terrain kann sehr unübersichtlich sein und erschwert nicht nur im Winter den Kampf immens. Foto: ullstein bild - Süddeutsche Zeitung Photo/Scherl
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nungslos überdehnt und besteht Ende 1941 nur aus einer dünnen Linie von Posten und Stützpunkten. Wie gefährdet diese Position am Südflügel der Heeresgruppe Nord ist, wird im Januar 1942 deutlich. Kaum ist der Schock der sowjetischen Gegenoffensive vor Moskau überwunden und die Front wieder einigermaßen stabilisiert, geht die Rote Armee vom Ladogasee bis zur Krim zur allgemeinen Offensive über. Der beiderseits des Ilmensees stehenden sowjetischen Nordwestfront unter Generalleutnant Kurotschkin fallen dabei zwei Aufgaben zu. Ihr Nordflügel soll im Zusammenwirken mit der Wolchowfront die deutsche 18. Armee von Leningrad abziehen und vernichten. Der Südflügel soll auf Staraja Russa und Cholm vorstoßen, um das deutsche II. und X. Armeekorps abzuschneiden sowie die Heeresgruppen Nord und Mitte voneinander zu trennen. Die am 7. Januar begonnene Offensive bringt die Heeresgruppe Nord in eine schwierige Lage. Mit Mühe kann die 18. Armee die sowjetischen Angriffe zurückschlagen und die Blockade Leningrads aufrechterhalten. Ungünstiger entwickelt sich die
Hitler verbietet jeden Rückzug FAHRT IN DIE KAMPFZONE: Panzerfahrzeuge auf dem Marsch ins Waldaigebiet. Aufnahme gegen Foto: ullstein bild Ende 1941.
Lage im schwierigen Gelände zwischen Staraja Russa und Demjansk. Bei strengem Frost rücken Skibataillone mit Panzerunterstützung auf Staraja Russa vor. Die sowjetischen Truppen sind hervorragend auf den Winterkrieg vorbereitet. Auf deutscher Seite fehlt es an Winterbekleidung. Eingefrorene Schmierstoffe machen Waffen und Fahrzeuge unbrauchbar. An eine bewegliche Kampfführung ist unter diesen Umständen nicht zu denken. So bleibt der Wehrmacht nichts weiter übrig, als rings um die kurzerhand zu „Festungen“ erklärten Verkehrsknotenpunkte und Versorgungszentren zu „igeln“. Zwischen diesen Stützpunkten sickern sowjetische Truppen hindurch. Im Hinterland greifen Partisanen die Rückwärtigen Dienste an. Im Oberkommando der Heeresgruppe Nord wird schon bald nach Angriffsbeginn erkannt, dass die konzentrischen sowjeti-
„Für die Heeresgruppe Nord und die 16. Armee hat der Raum um Demjansk keine taktische und operative Bedeutung.“ OB HGr Nord Leeb am 12. Januar 1942 an OKW
schen Angriffe südlich des Ilmensees darauf abzielen, die beiden südlichen Korps der 16. Armee einzukesseln. Bereits am 10. Januar sieht Oberbefehlshaber Generalfeldmarschall von Leeb keine andere Möglichkeit, als das II. und X. Armeekorps hinter den Lowat zurückzunehmen. Die mehrfach durchbrochene Stellung hat aus seiner Sicht keinen militärischen Wert mehr, während ein partieller Rückzug die Möglichkeit böte, die Front zu begradigen und Kräfte für die Unterstützung der 18. Armee nördlich des Ilmensees zu gewinnen.
Bei Hitler und dem Generalstabschef des Heeres, Generaloberst Franz Halder, stößt er mit dieser Idee auf entschiedene Ablehnung. Am 16. Januar wird Leeb entlassen und eine Rücknahme des besonders gefährdeten II. Armeekorps untersagt. Nach Ansicht Halders hätte ein Rückzug nicht nur bedeutet, dass ein wesentlicher Ausgangspunkt für die Wiederaufnahme der Angriffsoperationen 1942 verloren gegangen wäre. Aufgrund der massiven Transportprobleme wären nicht allein die relativ gut ausgebauten Stellungen, sondern auch nahezu das gesamte schwere Gerät verloren gegangen. So schien es fraglich, ob am Lowat tatsächlich eine stabile Verteidigung aufgebaut werden könnte oder der Rückzug nicht vielmehr eine existentielle Gefahr für den benachbarten Nordflügel der Heeresgruppe Mitte heraufbeschwören würde.
„Festung“ Demjansk
FEUERBEREIT: Deutsche leichte Feldhaubitze (lFH 18) im Kampf gegen die Rote Armee. Die Soldaten und ihr Gerät ringen aber auch mit Schnee und Frost. Foto: Süddeutsche Zeitung Photo/SZ Photo
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Unaufhaltsam stoßen überlegene sowjetische Verbände der 11. Armee und der 3. Stoßarmee auf Staraja Russa, Cholm und den Lowat vor. Am 8. Februar sind vom X. Armeekorps die 290. Infanteriedivision (ID), die 30. ID und die SS-Division „Totenkopf“ sowie vom II. Armeekorps die 12., 32. und 123. ID mit insgesamt 96.000 Mann eingeschlossen. Die neue deutsche Hauptkampflinie bei Staraja Russa ist 35 Kilometer entfernt. Der Versuch, mit Teilen der
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Schlachten der Weltgeschichte | Demjansk 1942/43
DEUTSCHLAND ZUSÄTZLICH AUF DEUTSCHER SEITE IM EINSATZ LEITET DEN AUSBRUCH: Generalleutnant Hans Zorn (1891-1943), im März 1942 in den Kessel eingeflogen, um die Ausbruchsoperation „Fallreep“ durch die „Gruppe Zorn“ zu leiten.
SCHAFFT DEN „BRÜCKENSCHLAG“: Generalleutnant Walther von Seydlitz-Kurzbach (1888-1976), ab März 1942 Führer der „Gruppe Foto: ullstein bild Seydlitz“.
WIRD ABGELÖST: Generalfeldmarschall Wilhelm Ritter von Leeb (1876-1956) – Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Nord bis 16. Januar 1942. Foto: ullstein bild – Heinrich Hoffmann
5. Jägerdivision (JD) zur am Nordwestrand des Kessels stehenden 290. ID durchzubrechen, scheitert am 9. Februar unter hohen Verlusten. Weitere Entsatzversuche werden zunächst nicht unternommen. Die sechs eingeschlossenen Divisionen werden dem Generalkommando des II. Armeekorps unter General der Infanterie Graf von Brockdorff-Ahlefeldt unterstellt und richten sich zur Rundumverteidigung ein. Die Front ist extrem dünn besetzt. Manchmal liegen zwischen den oft nur mit 15 bis 20 Soldaten besetzten Stützpunkten ein bis zwei Kilometer. Offiziell wird der Kessel dennoch als „Festung“ bezeichnet. Bei den Landsern ist dagegen in Anspielung auf ihren Kommandierenden General bald von der „Grafschaft Demjansk“ die Rede. Diese hängt vollständig von der am 18. Februar eingerichteten Luftbrücke ab. Der gesamte Nachschubbedarf muss über zwei kleine Behelfsflugplätze von 800 mal 50 bzw. 600 mal 30 Metern eingeflogen werden. Als Problem erweisen sich dabei vor allem die sowjetische Luftüberlegenheit und die ständigen Luftangriffe auf die Start- und Landebahnen. Das Oberkommando der Nordwestfront setzt nun alles daran, in einem doppelten Zangenangriff, den Kessel weiter vom Gros der 16. Armee zu isolieren und aufzuspalten. Ab Anfang März sickern sowjetische Luftlandetruppen und Skibataillone von Norden zwischen Pustynja und Wjasowka
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in den Kessel ein. Die 30. ID droht von hinten umfasst zu werden. Sowjetische Fallschirmjäger unterbrechen die deutschen Nachschubwege und greifen die Rückwärtigen Dienste an. Pustynja wird eingeschlossen und belagert. In Nowinka wird um jedes Haus gekämpft. Getarnt mit Schneehemden arbeiten sich die Fallschirmjäger bei strengem Frost nach Süden vor. Skipatrouillen beherrschen das Gelände und vertreiben deutsche Spähtrupps. Die deutsche Aufklärung erkennt die von der eingesickerten sowjetischen Gruppierung ausgehende Gefahr so erst am 14. März. Deren Operation zielt auf das Herz des Kessels. Der Gefechtsstand des II. Armeekorps in Dobrosli soll ausgehoben; die für die Versorgung lebensnotwendigen Flugplätze eingenommen und ausgeschaltet werden. In der Nacht zum 22. März erobern Fallschirmjäger Dobrosli. Nur knapp verfehlen sie das tags zuvor nach Borowitschi verlegte Generalkommando. Die Vorstöße
auf die beiden Flugplätze werden in heftigen Kämpfen abgeschlagen. Während Ortschaften und Rollbahnen in deutscher Hand sind, beherrschen die eingesickerten sowjetischen Verbände das Sumpfland. Mit dem am 24. März einsetzenden Tauwetter geraten sie in eine schwierige Lage. In den kaum noch gangbaren Sümpfen, abgeschnitten vom Nachschub, werden sie bis Ende April nach und nach von deutschen Jagdkommandos aufgespürt und aufgerieben.
„Brückenschlag“ und „Fallreep“ Inzwischen laufen die Vorbereitungen zum Entsatz des Kessels auf Hochtouren. Unter direkter Leitung des Oberkommandos der Heeresgruppe Nord sollen zwei eigens für diesen Zweck gebildete Korpsgruppen die inzwischen stark befestigten sowjetischen Stellungen zwischen Redja und Lowat durchbrechen und eine Landbrücke nach Demjansk herstellen. Nach mehreren Verschiebungen des Angriffstermins beginnt „Unternehmen Brü-
„Es kommt darauf an, die Knotenpunkte und das Höhengelände um Demjansk bis in die Zeit der Schneeschmelze zu halten“ Tagesbefehl KdoGen II. AK vom 20. Februar 1942
Der Entsatz des Kessels beginnt
SOWJETUNION MACHT DRUCK: Marschall der Sowjetunion, Semjon Konstantinowitsch Timoschenko (1895-1970), Oberbefehlshaber der Nordwestfront (Oktober 1942 bis März 1943). Foto: ullstein bild
WEITERER SOWJETISCHER BEFEHLSHABER GIBT NICHT AUF: Generalleutnant Pawel Alexejewitsch Kurotschkin (19001989) Oberbefehlshaber der Nordwestfront (August 1941 bis Oktober 1942).
HINTERGRUND HÄLT DIE STELLUNG: General der Infanterie Walter Graf von BrockdorffAhlefeldt (1887-1943), Kommandierender General des II. Armeekorps. Foto: ullstein bild – Süddeutsche Zeitung Photo/Scherl
ckenschlag“ am 21. März 1942, um 7:30 Uhr, mit Artilleriefeuer und Stukaangriffen auf die sowjetischen Stellungen. Die aus der 5. und 8. JD, der 122. und 329. ID sowie der 18. ID (mot) bestehende Korpsgruppe Seydlitz unter Generalleutnant von Seydlitz-Kurzbach kämpft sich in vier Wochen unter hohen Verlusten vor bis zum Lowat. Heftiger sowjetischer Widerstand und das nach Einsetzen des Tauwetters äußerst unwegsame Gelände bremsen den Vormarsch immer wieder. Am 30. März kommt er zwischenzeitlich vollends zum Erliegen. Nach Umgruppierung und Wiederaufnahme des Angriffs am 2. April wird der Lowat am 15. April erreicht. Zu diesem Zeitpunkt bezieht die mit dem „Unternehmen Fallreep“ beauftragte Korpsgruppe Zorn unter dem eigens für diese Aufgabe in den Kessel eingeflogenen Generalleutnant Hans Zorn Position, um der Gruppe Seydlitz entgegenzustoßen. Für die Operation wurden alle irgendwie entbehrlichen Truppen aus den Kesselfronten herausgezogen. Unterstützt von Teilen der SS-Division „Totenkopf“ wird die Operation vor allem durch das aus insgesamt acht, zu diesem Zweck aus der 12., 30., 32. und 290. ID herausgelösten Bataillonen bestehende Angriffsregiment durchgeführt. Nach Einnahme der Ausgangspositionen beginnt am 17. April der eigentliche Ausbruch. Oft stundenlang niedergehalten
Clausewitz 1/2013
Luftbrücke mit fatalen Folgen
Unter Leitung des Generals der Transportflieger, Oberst Fritz Morzik, wird der Kessel von Demjansk ab dem 18. Februar 1942 aus der Luft versorgt. Alle an der Ostfront verfügbaren Transportfliegergruppen sowie Personal und Gerät aus dem Reichsgebiet werden dafür herangezogen. Um den Bedarf von 200 Tonnen Nachschub zu sichern, müssen täglich im Durchschnitt 100 Ju 52 Demjansk anfliegen. In der Regel ohne Jagdschutz und auch unter widrigen Witterungsbedingungen werden die Einsätze durchgeführt. Die beiden kleinen Behelfsflughäfen im Kessel verfügen kaum über Navigationshilfen. Um die Landebahnen nicht zu verfehlen, wird meist dicht über dem Boden geflogen. Bis Mai 1942 werden auf diese Weise 5.000 Flüge absolviert. Bis zur Räumung des Frontvorsprungs werden es insgesamt 33.086 Einsätze, bei denen 64.844 Tonnen Material ein- und 35.400 Verwundete ausgeflogen werden. Die Verluste betragen mindestens 265 Flugzeuge und bis zu 1.000 Mann fliegendes Personal. Da auch die Kapazitäten der Fliegerschulen für die Luftbrücke mobilisiert werden, entsteht zusätzlich zu den Verlusten eine gravierende Ausbildungslücke. Beides
zusammen führt dazu, dass die Leistungsfähigkeit der deutschen Transportfliegerkräfte erheblich geschwächt wird. Für das Schicksal der seit dem 22. November 1942 bei Stalingrad eingeschlossenen 6. Armee hat die Luftbrücke von Demjansk fatale Konsequenzen. Obschon der als Korpskommandeur im Kessel anwesende Walter von Seydlitz-Kurzbach bereits am 25. November in einer Denkschrift darauf hinweist, dass es unmöglich sei, beinahe dreimal so viele Soldaten wie bei Demjansk ausreichend aus der Luft zu versorgen, und auf einen sofortigen Ausbruch drängt, setzen Hitler und Göring auf das vermeintliche „Erfolgsmodell Demjansk“. Göring verspricht, dass die Luftwaffe in der Lage sei, den täglichen Mindestbedarf von 500 Tonnen Nachschub einzufliegen. Tatsächlich liegt die höchste Tagesleistung bei 290 Tonnen. Im Tagesdurchschnitt sind es aufgrund unzureichender Transportkapazitäten sogar nur 94 Tonnen. 50 Prozent der eingesetzten Flugzeuge gehen verloren. Nach dem neuerlichen Verlust von 495 Maschinen – zumeist mit Besatzung – ist die deutsche Transportfliegertruppe nur noch ein Schatten ihrer selbst.
SCHWIERIGE VERSORGUNGSLAGE: Nachschub kann über lange Zeit nur durch eine Luftbrücke in den Kessel gelangen. Foto: Süddeutsche Zeitung Photo/SZ Photo
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Schlachten der Weltgeschichte | Demjansk 1942/43 Gräben und Erdbunkern. Oft sind die gegnerischen Stellungen nur einen Handgranatenwurf voneinander entfernt. Schanzarbeiten und kleinere Späh- und Stoßtruppunternehmen prägen den Alltag. Kennzeichnend für die deutsche Truppenführung ist der chronische Mangel an Kräften, der einen gegen alle Regeln geführten Kampf mit weit auseinandergerissenen Verbänden bedingt. Nicht mehr ganze Divisionen, sondern von Fall zu Fall zusammengewürfelte Kampfgruppen werden an die jeweiligen Brennpunkte geworfen. Dieser „Armeleutekrieg“ mit ständig wechselnden Unterstellungsverhältnissen wird ab Ende 1942 prägend für die gesamte Ostfront.
Ein erbittertes Ringen
UNWEGSAMES GELÄNDE: Eine deutsche Einheit durchquert einen Fluss mitten im Winter. Die hier abgebildeten Infanteristen ziehen sich aus Demjansk zurück. Foto: akg-images/MPortfolio/Electa
durch heftiges sowjetisches Artilleriefeuer arbeitet sich die Gruppe Zorn durch Wald und Sumpf nach Westen vor. Den Soldaten steht das Wasser dabei nicht selten bis zur Brust. Schwere Infanteriewaffen können nur mit improvisierten Schwimmern transportiert werden. Bis am 20. April der Lowat erreicht wird und eine erste Fährverbindung zum Westufer eingerichtet werden kann, sind die Verluste so groß, dass die Bataillone mit 80 Mann kaum noch die Stärke schwacher Kompanien aufweisen. Am 28. April ist die Landbrücke entlang der Rollbahn Ramuschewo-Wassiljewschtschina gesichert. Die Truppe ist nun vollends erschöpft. Mit der gewonnenen 12 Kilometer langen und vier Kilometer breiten Landbrücke wird die „Festung“ offiziell zum „Brückenkopf Demjansk“. Damit sind aber weder die Sorgen der Heeresgruppe Nord vorüber, noch hat sich die kritische Situation für
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die Landser vor Ort verbessert. Die zu verteidigende Front hat sich nochmals verlängert. Kaum ist die Landverbindung hergestellt, beginnt die Rote Armee mit einer Serie wütender Angriffe auf den „Schlauch“. Die Verkehrswege zu Lande sind so schlecht und so gefährdet, dass die Luftversorgung weiter aufrecht erhalten werden muss. Der sofort begonnene Bau von Knüppeldämmen durch sowjetische Zwangsarbeiter und die Vorbereitung von Auffangstellungen sollen die taktische und Transportlage stabilisieren. Längst sind sich alle beteiligten Stäbe einig, dass die Räumung des Frontvorsprunges mittelfristig die einzig sinnvolle Lösung ist. Am 4. Mai beantragt die Heeresgruppe die Rücknahme des II. Armeekorps in die Lowat-Stellung. Doch am gleichen Tag verfügt ein „Führerbefehl“, dass der weite Bogen zwischen Cholm und Waldai zu halten sei. Es beginnt ein zermürbender, von einzelnen Großkampftagen unterbrochener Stellungskrieg. Monatelang verbringen die Soldaten beider Seiten in einem Gewirr von
Während das Generalkommando II sein Augenmerk auf eine sichere Landverbindung durch Verbreiterung des „Schlauches“ richtet, zielen die Anstrengungen der Nordwestfront darauf, diesen einzudrücken, um schließlich den gesamten Frontvorsprung zu eliminieren. Im Sommer 1942 gelingen der Roten Armee mehrere Einbrüche im Sumpfgebiet, die im Rahmen der Unternehmen „Schlingpflanze“ und „Wintersport“ nur zum Teil bereinigt werden können. Die im Frontvorsprung stehenden deutschen Truppen sind danach kaum noch zu eigenen Angriffsoperationen in der Lage. So dauert es bis Ende September, dass mit massiver Luftunterstützung im Rahmen des „Unternehmens Michael“ die Landbrücke auf bis zu zwölf Kilometer verbreitert werden kann. Nun ist es endlich möglich, den „Brückenkopf“ ohne Feindeinsicht auf dem Landwege zu erreichen. Neben der Straße entsteht bis November 1942 eine 70 Kilometer lange Feldbahnlinie über die das II. Armeekorps relativ problemlos versorgt werden kann. Da droht bereits die sowjetische Winteroffensive, deren Schwerpunkte bei Stalingrad und Demjansk liegen. Der neue Oberbefehlshaber der Nordwestfront, Marschall Timoschenko, plant die Landbrücke mit einem Zangenangriff der 11. und 27. Armee von Norden und der 1. Stoßarmee von Süden zu kappen. Die Winterschlacht um Demjansk beginnt am 28. November mit einer gewaltigen Artillerievorbereitung. Den sowjetischen Angriffen haben das II. und X. Armeekorps kaum etwas entgegenzusetzen. Der Korridor wird wieder auf teilweise nur vier Kilometer eingedrückt. Erst drei von der 18. Armee abgestellte Divisionen können die Lage bis zum 15. Dezember wieder stabilisieren.
Eilige Räumung des Frontvorsprungs künftige deutsche Offensiven verloren. Am 31. Januar 1943 gibt Hitler endlich dem wochenlangen Drängen des Chefs des Generalstabes des Heeres, General der Infanterie Kurt Zeitzler, nach und genehmigt den Rückzug hinter den Lowat. Am 1. Februar beginnt die letzte Phase des Kampfes um Demjansk. Binnen 70 Tagen soll der Frontvorsprung geräumt werden. Dafür wird extra ein strahlenförmig auf die Landbrücke gerichtetes Straßennetz vorbereitet und alles nicht unmittelbar von der Truppe benötigte Material über die Feldbahn abtransportiert. Doch schon kündigt sich eine neue sowjetische Offensive ERFORDERNISSE DES WINTERKRIEGS: an. Die Frist bis zur Räumung wird auf 40, Deutsche Soldaten in der Nähe von Waldai dann 20 Tage verkürzt. schnallen ein Maschinengewehr auf einen Mitten in die Vorbereitungen platzt am Schlitten. Das Foto wurde im Dezember 1942 gemacht. Foto: ullstein bild - Heinrich Hoffmann 15. Februar die sowjetische Operation „Polarstern“. Sechs Schützendivisionen führen „Unternehmen Entrümpelung“ Großangriffe gegen die Landbrücke. Die Angesichts der Niederlage von Stalingrad Räumung wird nochmals vorverlegt. Am und der schwierigen Lage im „Brücken- Nachmittag des 17. Februar wird das Stichkopf“ wird seit Mitte Januar 1943 von der wort „Ziethen“ ausgegeben. Etappenweise Heeresgruppe Nord und dem Oberkom- wird der Frontvorsprung nun von Ost nach mando des Heeres schwerpunktmäßig die West geräumt. Starke Nachhuten sichern Räumung von Demjansk vorbereitet. Nun, die alte Hauptkampflinie, so dass sich das wo ein Sieg über die Sowjetunion vollends Gros der 32. und 329. ID in der Nacht zum unrealistisch geworden ist, hat auch der 18. Februar unbemerkt vom Gegner lösen Frontvorsprung jegliche Bedeutung für kann.
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Erst am 19. Februar wird der Rückzug von der sowjetischen Aufklärung erkannt. Die Rote Armee nimmt sofort die Verfolgung auf. Es kommt zu heftigen Nachhutgefechten. Demjansk selbst wird am 20. geräumt und angezündet. In der Nacht zum 22. Februar ist der „Brückenkopf“ geräumt. Teile der 30. und 126. ID sowie die 8. JD halten die Robja-Stellung noch bis zum 27. Februar, bevor auch sie sich in die neue Hauptkampflinie absetzen.
Das Ende Binnen zehn Tagen ist der Frontvorsprung geräumt. Die Front der Heeresgruppe Nord ist damit um 200 Kilometer kürzer. Nach einem zermürbenden, 14 Monate währenden Ringen hat die sowjetische Nordwestfront gesiegt. Der Frontvorsprung von Demjansk ist beseitigt. Doch gewinnt die Rote Armee damit nur 1.000 km² von Bomben und Granaten zerpflügtes Land, in dem fast alle Ortschaften dem Erdboden gleich gemacht worden sind. Dr. phil. habil. Christian Th. Müller, Historiker, Arbeitsschwerpunkt: Militärgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, seit 2010 Privatdozent am Historischen Institut der Universität Potsdam.
Schlachten der Weltgeschichte
Falklandkrieg 1982
Großbritannien schlägt zurück 2. April 1982: Argentinische Truppen landen auf dem britischen Überseegebiet der Falklandinseln im Südatlantik. Der militärische Handstreich lässt einen lange schwelenden Konflikt eskalieren, denn die britische Großmacht sieht nicht tatenlos zu... Von Lukas Grawe
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FAKTEN Großbritannien
Argentinien
Ziel
Rückeroberung der Falklandinseln, Aufrechterhaltung des Herrschaftsanspruchs, Erhalt des Empire
„Befreiung“ der Falklandinseln, Eingliederung der Inseln in das argentinische Staatsgebiet, Prestigeerfolg für die Militärjunta
Einsatzverbände
Royal Air Force, Royal Navy, Royal Marines, Airborne Infantry (Paras), nepalesische Gurkhas, Einheiten des Special Air Service (SAS)
Luftwaffe (Fuerza Aérea Argentina), Marine (Armada de la República Argentina), Heeresund Marineinfanterie, 900 Kommandoeinheiten, eine Panzeraufklärungsabteilung
Truppenstärke
28.000 Soldaten, davon 10.000 Elitesoldaten, 44 Kriegs- und 45 zivile Schiffe (darunter 2 Flugzeugträger)
900 Soldaten (2. April), später ca. 14.000 Soldaten, 9 Kriegsschiffe und mehrere zivile Versorgungsschiffe
Verluste
258 Tote und 777 Verwundete, 4 Kriegs- und 3 Landungsschiffe, 10 Kampfflugzeuge und 25 Hubschrauber
712 Tote und 1.060 Verwundete, ca. 14.800 Gefangene, 1 Kriegsschiff und 7 Nachschubschiffe, 1 U-Boot, 75 Flugzeuge und 30 Hubschrauber
Oberbefehl
Commander-in-Chief der Flotte: Admiral Sir John Fieldhouse, Kommandeur der Kriegsflotte: Konteradmiral John Forster „Sandy“ Woodward, Kommandeur der Landungstruppen:Major-General Jeremy Moore
Kommandeur der Flotte: Admiral Jorge Anaya, Kommandeur der Bodentruppen: Brigadegeneral Mario Menéndez (ab 7. April), Kommandeur der Luftwaffe: Brigadegeneral Basilio Lami Dozo
Kriegskosten
2 Mrd. Pfund
800 Mio. Dollar
I
n den frühen Morgenstunden des 2. April 1982 landen 900 argentinische Kommandoeinheiten bei Port Henriette und Mullett Creek auf Ost-Falkland, stürmen die leere britische Kaserne bei Moody Brook und dringen in Port Stanley ein. Das 13.000 Kilometer von London entfernte britische Überseegebiet gilt als entlegener Außenposten und wird lediglich von 104 Soldaten beschützt. Diese können dem argentinischen Handstreich nur einige Stunden Widerstand leisten und müssen noch am selben Tag kapitulieren. Einen Tag später erobern argentinische Truppen auch die 1.300 Kilometer weiter östlich gelegene britische Insel Süd-Georgien. Damit ist erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg ein Territorium, das britischer Souveränität untersteht, von fremden Truppen besetzt.
Entsetzen in London
EROBERT: Stolz hissen britische Soldaten die Flagge Großbritanniens als Zeichen des SieFoto: ullstein bild - dpa ges über die Argentinier.
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Die beinahe unblutig verlaufene Besetzung löst in Buenos Aires großen Jubel aus. Die Bevölkerung schart sich hinter die Militärregierung um Leopoldo Galtieri, der auf einen derartigen Prestigeerfolg zur Sicherung seiner Herrschaft angewiesen ist. Dagegen herrscht in London Bestürzung und Zorn über den argentinischen Coup, der den lange schwelenden Konflikt nun eskalieren lässt. Die konservative Regierung unter Premierministerin Margaret Thatcher ist entschlossen, die Herausforderung anzunehmen und britisches Gebiet nicht kampflos
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Schlachten der Weltgeschichte | Falkland aufzugeben. Dabei erweist sich die Entfernung zu den Falklandinseln als großes Hindernis. Ist es Großbritannien möglich, eine Armee über eine Strecke von weit mehr als 10.000 Kilometern zu transportieren und zu versorgen?
Entsendung der „task force“ Anders als von der argentinischen Führung erwartet, reagiert die britische Regierung sofort und umfassend. Unter großem logistischem und finanziellem Aufwand bereitet sie die Entsendung einer Armada vor, welche die Falklandinseln zurückerobern soll. Bereits am 3. April laufen die ersten Schiffe aus,
KARTE
am 9. April umfasst die für den Südatlantik vorgesehene britische Flotte 44 Kriegs- und 45 zivile Schiffe mit insgesamt 28.000 Soldaten, darunter 10.000 aus Eliteeinheiten. Den Befehl über das Unternehmen erhält Konteradmiral John Forster „Sandy“ Woodward. Das Problem der großen Distanz löst der Flottenverband mit Hilfe der britischen Atlantikinsel Ascension, die auf halbem Weg zwischen London und Port Stanley als Stützpunkt dient. Die argentinische Militärjunta hat auf eine nachgiebige Haltung der britischen Regierung gehofft und muss sich nun die unerwartete Entschlossenheit Thatchers ein-
Der Kampf um die Falklandinseln 1982
gestehen. Die Zahl der argentinischen Truppen auf den Falklandinseln wird daher auf 14.000 Mann erhöht. Bei den Soldaten handelt es sich allerdings hauptsächlich um 18- bis 20-jährige Rekruten, die die rauen klimatischen Bedingungen auf den „Islas Malvinas“ nicht gewöhnt sind. Den Oberbefehl über die argentinischen Truppen übernimmt Brigadegeneral Mario Menéndez. Auch schweres Gerät wie Artillerie und Schützenpanzer werden auf die Falklandinseln verlegt. Diese sind seit dem 12. April nur noch aus der Luft erreichbar, da Großbritannien eine militärische Sperrzone um die Inseln proklamiert hat.
„The Empire strikes back“ Unter Führung der USA und der Vereinten Nationen beginnen die Vermittlungsbemühungen um eine friedliche Beilegung des Konflikts, die an den unterschiedlichen Vorstellungen der beiden Konfliktparteien scheitern. Keine Seite ist zu großen Zugeständnissen bereit, zumal der britische Flottenverband bereits am 25. April die Falklandinseln erreicht. Noch am selben Tag gelingt britischen Spezialeinheiten nach anfänglichen wetterbedingten Rückschlägen die Rückeroberung von Süd-Georgien. Die nahezu kampflose Einnahme der Insel ist vor allem ein psychologischer Erfolg für Großbritannien und ein schwerer Schlag für die Militärjunta in Buenos Aires. Die britischen Kommandos machen 137 Gefangene, erbeuten Ausrüstung des Gegners und demonstrieren ihre Kampfbereitschaft. In Großbritannien hofft man nun auf ein Einlenken der Argentinier, doch die Militärjunta lehnt eine Kompromisslösung ab. EROBERT: Britische Soldaten führen Angehörige der argentinischen Armee durch Port Stanley, das kurz zuvor eingenommen wurde. Foto: ullstein bild - AP
KGS Kartographie und Grafik Schlaich
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Heftige Kämpfe nien und zur Verhärtung der Fronten. Die Versenkung des Kreuzers sichert der Royal Navy zwar die Seeherrschaft, da die argentinische Marine fortan keine großen Wagnisse mehr eingeht. Doch zwei Tage später müssen auch die Briten einen herben Verlust auf See hinnehmen. Einem argentinischen Marinebomber gelingt die Versenkung der HMS „Sheffield“ mit Hilfe einer Anti-Schiff-Rakete. Zwar kann die Royal Navy einen Teil der Besatzung retten, doch finden 20 britische Matrosen während des Angriffs den Tod.
VERSENKT: Der argentinische Kreuzer ARA „General Belgrano“ sinkt nach Torpedotreffern des britischen Atom-U-Bootes HMS „Conqueror“, im Vordergrund sind RettungsschlauchFoto: ullstein bild - AP boote zu erkennen.
Einsatz der SAS
Der oberste Elitesoldat ihrer Majestät: Jeremy Moore Jeremy Moore kommt 1928 in einer traditionsreichen Militärfamilie zur Welt. Bereits mit 19 Jahren tritt er den Royal Marines bei und bleibt für 36 Jahre dem Korps treu. Als Mitglied eines Elitekommandos nimmt er an Einsätzen in Malaysia, Indonesien, Zypern und Nordirland teil. Ab 1954 lehrt er zudem als Ausbilder an mehreren Offiziersschulen, darunter auch an der britischen Militärakademie in Sandhurst.
Mit der Operation „Black Buck“ läuten britische Bomber am 1. Mai die Rückeroberung der Falklandinseln ein. Von den Flugzeugträgern HMS „Hermes“ und HMS „Invincible“ gestartete „Sea Harrier“-Senkrechtstarter und von der Insel Ascension aus operierende „Vulcan“-Bomber greifen die Landebahn des Flughafens von Port Stanley an. Dabei überwinden die „Vulcan“-Bomber eine Entfernung von 6.000 Kilometern. Dies ist nur durch mehrmaliges Auftanken in der Luft möglich. Trotz des großen Propagandaerfolges wird das eigentliche Ziel, die Zerstörung der Startbahn, nicht erreicht, so dass die Ausgangsbasis der argentinischen Luftwaffe erhalten bleibt. Am selben Tag kommt es zu ersten Luftkämpfen zwischen argentinischen „Skyhawk“Jagdbombern und „Mirage“-Jägern und den britischen „Sea Harrier“, die den Flottenverband schützen sollen. Den britischen Marinefliegern gelingt dabei die Abschirmung der verwundbaren Kriegsschiffe gegen Angriffe aus der Luft.
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Aufgrund seiner großen Erfahrung wird er 1979 zum Befehlshaber der gesamten Royal Marines ernannt. An den britischen Planungen zur Rückeroberung der Falklandinseln ist Moore als Mitglied des Planungsstabs selbst beteiligt. Die von ihm mit entworfenen Pläne setzt Moore anschließend selbst im Südatlantik um. Nach dem Krieg wird Moore auf eigenen Wunsch pensioniert. Hochdekoriert stirbt er 2007.
Der Konflikt erreicht am 2. Mai seinen vorläufigen Höhepunkt. Als das britische Atom-U-Boot „Conqueror“ den Kreuzer „General Belgrano“ torpediert sterben mehr als 360 argentinische Matrosen. Die hohen Verluste führen zu einem internationalen Aufschrei gegen Großbritan-
Die Zurückhaltung der argentinischen Marine nutzt die Royal Navy in der Nacht vom 10. auf den 11. Mai zur Einfahrt in den Falkland-Sund, der West- von Ost-Falkland trennt und der von den argentinischen Verteidigern nicht vermint worden ist. Auf diese Weise werden die argentinischen Streitkräfte auf den beiden Inseln voneinander getrennt und eine Zusammenarbeit zwischen beiden Heeresteilen unmöglich gemacht. Zudem gelingt einem britischen Kommandounternehmen der Eliteeinheit „Special Air Service“ (SAS) am 15. Mai die Zerstörung von elf argentinischen Flugzeugen und einem Munitionslager auf WestFalkland. Die immerhin 1.000 argentinischen Soldaten, die auf der westlichen Insel stationiert sind, spielen dadurch in den folgenden Kämpfen keine Rolle mehr. Nur wenige Tage später scheitert ein weiteres britisches Kommandounternehmen, das den Hauptstützpunkt der argentinischen Luftwaffe in der Provinz Feuerland auf dem argentinischen Festland angreifen sollte. Unter dem Decknamen „Operation Palpas“ beginnt am 21. Mai die eigentliche Landung der britischen Truppen auf OstFalkland in der 80 Kilometer westlich von
Der selbsternannte Militärgouverneur: Mario Menéndez Der 1930 geborene Menéndez beginnt seine militärische Laufbahn als Kadett an der staatlichen Militärakademie und steigt unter der argentinischen Militärjunta rasch auf. 1981 ist er an der Niederschlagung der separatistischen marxistischen Revolutionären Volksarmee beteiligt und wird 1982 zum General ernannt. Fortan fungiert er als Berater der Junta in militärischen und außenpolitischen Fragen. Direkt nach seiner Ankunft auf den Falklandinseln ernennt sich Menéndez am 7. April 1982
selbst zum Militärgouverneur, zwei Wochen später zum Kommandeur aller Truppen. Er plant einen Abnutzungskrieg gegen die Briten, was ihm nach dem verlorenen Krieg als taktischer Fehler vorgeworfen wird. Während des Konfliktes weist er seine Truppen trotz gegenteiliger Befehle aus Buenos Aires stets zur Defensive an, da er den jungen Wehrpflichtigen keine großen Leistungen zutraut. Nach der Kapitulation wird Menéndez für die Niederlage verantwortlich gemacht, er verliert sämtliche Ämter und wird kurzzeitig sogar inhaftiert.
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Schlachten der Weltgeschichte | Falkland
ÜBERBLEIBSEL: Nach der Kapitulation von Goose Green ließen die argentinischen Soldaten ihre Helme auf einer Wiese zurück. Foto: ullstein bild - dpa
„Auf der einen Seite ein Berufsheer mit einer überlegenen Ausrüstung […]. Auf der anderen Seite Wehrpflichtige im Alter von 18-20 Jahren, mit zum Teil nur zweimonatiger Ausbildung […].“ Jürg Meister: Der Krieg um die Falkland-Inseln 1982, Osnabrück 1984, S. 208.
Port Stanley gelegenen San-Carlos-Bucht. Die britische Regierung ist nunmehr entschlossen, den Falklandkonflikt militärisch zu lösen, eher der nahende Winter die Moral der Soldaten untergräbt. Unter der Führung von Generalmajor Jeremy Moore betreten 4.500 britische Eliteeinheiten – neben Royal Marines, Fallschirmjägern (Paras) und Gardetruppen auch nepalesische Gurkhas und SAS-Angehörige – an vier verschiedenen Abschnitten die Insel und treffen dabei nur auf geringen Widerstand. Die argentinischen Truppen ziehen sich ins Inselinnere zurück, verzichten auf energische Gegenangriffe und ermöglichen den Briten die Bildung eines Brückenkopfs. Mit Hilfe von Landungsbooten und Hubschraubern bringen sie auch schweres Gerät wie Schützenpanzer und Artillerie an Land. Obwohl die Operation militärisch betrachtet fehlerlos verläuft, sterben auf britischer Seite dennoch 21 Menschen bei Transport- und Hubschrauberunfällen.
Die argentinischen Gegenmaßnahmen beschränken sich in den folgenden Tagen auf Angriffe der Luftwaffe auf die Landungsschiffe. Argentinischen „Skyhawk“Bombern gelingt die Zerstörung der britischen Fregatte HMS „Ardent“, wobei 22 Menschen getötet werden. Eine nicht explodierte Bombe auf der HMS „Antelope“ detoniert beim Versuch, sie zu entschärfen. Das Schiff sinkt.
Britischer Vormarsch Der Zerstörer HMS „Coventry“ erhält drei Volltreffer und sinkt innerhalb von kurzer Zeit, so dass 19 Matrosen sterben. Trotz der Verluste an Menschen und Material glückt den Briten die vollständige Ausschiffung der kriegswichtigen Ausrüstung. Zudem gelingt den britischen „Sea Harrier“ in den folgenden Luftkämpfen die beinahe vollständige Vernichtung der angreifenden argentinischen Flugzeuge. Der Ausbruch aus dem Brückenkopf beginnt am 27. April. Das sumpfige Terrain und der Mangel an befes-
IM GEDENKEN: Denkmal zur Erinnerung an die argentinischen Gefallenen im Hafen von Comodoro Rivadavia (Patagonien). Foto: picture-alliance/dpa
tigten Straßen machen schnelle Truppenverschiebungen unmöglich, so dass die britischen Soldaten zu Fuß marschieren müssen. Das 2. britische Fallschirmjägerbataillon erobert Camilla Creek House, das den Ausgangspunkt für weitere Operationen im Südwesten Ost-Falklands bildet. Die argentinischen Truppen leisten auch hier nur hinhaltenden Widerstand und ziehen sich zurück. Einen Tag später beginnt der Hauptangriff auf Darwin und Goose Green, das den Weg nach Lafonia, den südlichen Teil Ost-Falklands, blockiert. Während die Einnahme Darwins problemlos verläuft, entbrennt um Goose Green ein harter und erbitterter Kampf. 650 britische Paras müssen deckungsloses Gelände überqueren und rennen gegen die Feldbefestigungen der argentinischen Truppen an. Diese sind mehr als doppelt so zahlreich wie die britischen Soldaten. Doch die jungen und unerfahrenen Rekruten erweisen sich gegenüber den gut ausgebildeten britischen Eliteeinheiten als unterlegen. Die in 100-Mann-Gruppen vorgehenden Paras sind zudem an das kalte, windige und regenreiche Klima der Falklandinseln gewöhnt, während es bei den argentinischen Truppen vermehrt zu krankheitsbedingten Ausfällen kommt.
Heftiger Kampf um Goose Green Am Abend des 28. Mai sind die argentinischen Verteidiger in Goose Green eingeschlossen. Mit Hilfe der Artillerie, umfassender Luftunterstützung und dem Bombardement der Schiffsartillerie gelingt den Briten am 29. Mai nach über 40 Stunden die
Britischer Zerstörer sinkt
ENTWAFFNET: Ein britischer Fallschirmjäger mit einem gefangen genommenen argentinischen Soldaten nach der Landungsoperation britischer Einheiten in der San-Carlos-Bucht am 21. Mai 1982. Foto: ullstein bild - AP
UNTERLEGEN: Der argentinische Militärgouverneur der Falklandinseln, Mario Menéndez (li.), im Gespräch mit Marinekommandeur Konteradmiral Carlos Büsser auf dem Flughafen von Port Stanley. Foto: ullstein bild - AP
Eroberung des Ortes. 1.200 argentinische Soldaten ergeben sich den völlig erschöpften britischen Fallschirmjägern. Zudem fällt eine große Menge Ausrüstung in britische Hände. Die Eroberung des nur 70 Einwohner zählenden Ortes kostet die Briten 17 Tote und 31 Verletzte. Die Argentinier haben 50 Tote und über 100 Verletzte zu beklagen. Nach der Erstürmung von Goose Green dringen Royal Marines von San Carlos aus entlang der Nordküste vor und besetzen die Orte Douglas und Teal Inlet, ohne auf nennenswerten Widerstand zu stoßen. Die argentinischen Verteidiger beschränken ihre Operationen mittlerweile beinahe vollständig auf die Sicherung von Port Stanley. Der bisherige Verlauf der Kämpfe verdeutlicht den britischen Truppen die nachlassende Kampfmoral der argentinischen Soldaten, die sich zu Beginn des Konflikts
noch als „Befreier“ der „Malvinas“ sahen. Für die Freiheit der Inseln zu sterben sind sie jedoch nicht bereit. Am 31. Mai besetzen die Briten den Mount Kent, eine dominierende Erhebung etwa 16 Kilometer westlich des Hauptortes. Damit ist Anfang Juni der Weg für die britischen Truppen zur Eroberung von Port Stanley frei.
HINTERGRUND
Um den Ring um den Hauptort auch im Süden Ost-Falklands zu schließen, besetzen britische Truppen innerhalb von kurzer Zeit Fitzroy und Bluff Cove. Mittlerweile befinden sich acht britische Infanteriebataillone mit fünf Artilleriebatterien auf der Insel. Dennoch ist die Eroberung von Port Stanley kein leichtes Unternehmen, da Menéndez dort den Hauptteil der argentinischen Streitkräfte, etwa 8.000 Mann, zusammengezogen hat.
Zur Geschichte der Falklandinseln
Die ursprünglich unbewohnten, über 200 große und kleine Inseln umfassenden Falklandinseln (spanisch: Islas Malvinas) werden 1690 von dem englischen Seefahrer John Strong das erste Mal betreten. 70 Jahre später kommt es zur ersten Besiedlung durch Franzosen und Briten. 1769 treten die Franzosen alle Ansprüche an Spanien ab, das die bisherigen Rechte Großbritanniens garantiert. Als sich Argentinien 1816 für unabhängig erklärt, betrachtet es sich als legitimen Nachfolger der spanischen Ansprüche. Dies sorgt von Beginn an für Konflikte mit den Briten, die sich 1833 fest auf den Falk-
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Schlacht um Port Stanley
landinseln etablieren und sie 1892 in den Status einer Kronkolonie erheben. Vor allem während der beiden Weltkriege fungiert die 13.000 Kilometer von London entfernte Inselgruppe als strategisch wichtiger Seestützpunkt. Argentinien erhebt auch im 20. Jahrhundert Anspruch auf die nur 400 Kilometer von Feuerland gelegenen Inseln. In den Jahren vor Ausbruch des Falklandkrieges kommt es daher mehrmals zu diplomatischen Verhandlungen zwischen Großbritannien und Argentinien, aber auch zu mehreren Zwischenfällen.
Britische Landungsschiffe versuchen daher am 8. Juni eine weitere Truppenlandung bei Bluff Cove und werden dabei von der argentinischen Luftwaffe überrascht. Noch bevor die britischen Soldaten an Land gehen können, werden die Schiffe „Sir Tristram“ und „Sir Galahad“ schwer getroffen. Dabei sterben 49 britische Soldaten. Ein letztes Mal beweist die argentinische Luftwaffe ihre Gefährlichkeit, doch ändert dieser Erfolg nichts an der für Argentinien kritischen Gesamtsituation. Nur wenige Tage nach dem Desaster von Bluff Cove erobern britische Paras und Marines am 11. und 12. Juni die strategisch wichtigen Erhebungen Mount Longdon, Mount Harriet und Two Sisters wenige Kilometer vor Port Stanley, wobei sie 400 argentinische Soldaten gefangen nehmen. Während die Angreifer 23 Mann verlieren, sind die argentinischen Verluste beinahe doppelt so hoch. Der britische Schlussangriff auf Port Stanley erfolgt am 13. Juni erneut in der Nacht aus drei verschiedenen Richtungen. Unterstützt wird das Vorgehen der Truppen von umfassendem Artillerie- und Schiffsbombardement, das seine Wirkung insgesamt jedoch verfehlt, da nicht alle argentinischen Stellungen zerstört werden. Vor dem Mount Tumbledown kommt es zu heftigen Kämpfen, die teilweise sogar mit dem Bajonett ausgetragen werden. Eine zeitgleich stattfindende Landung einer britischen Kommandoeinheit im Hafenbereich Port Stanleys wird von den Argentiniern abgewehrt.
Argentinien kapituliert Die Angreifer ziehen den Ring um Port Stanley immer enger. 30 britische Geschütze verschießen innerhalb von wenigen Stunden 15.000, die Schiffsgeschütze 5.000 Granaten. Einzelne Truppen dringen am 14. Juni in die Randbezirke der Stadt ein. Daraufhin trifft der argentinische Militärgouverneur Mario Menéndez am Nachmittag desselben Tages mit dem britischen Oberbefehlshaber Jeremy Moore zusammen, um die Kapitulationsurkunde zu unterzeichnen. Zeitgleich mit Port Stanley kapitulieren auch die restlichen argentinischen Truppen auf Lafonia und West-Falkland. Die politischen Folgen des Konflikts zeigen sich sofort. Nur drei Tage nach der Kapitulation von Port Stanley tritt die argentinische Militärjunta zurück und macht den Weg frei für ein demokratisches System. Lukas Grawe, M.A., Jg. 1985, Historiker aus Münster.
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Meinung
Die Zukunft Eine Interpretation der Fakten Von Herfried Münkler
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er sich auf ein so riskantes Vorhaben wie Prognosen über die zukünftige Entwicklung von Politik und Gesellschaft einlässt, ist gut beraten, sich zunächst mit den Fehlschlägen früherer Prognosen zu beschäftigen und jene Texte zu studieren, deren Zukunft inzwischen Gegenwart oder bereits Vergangenheit geworden ist. So haben sich in dem von Arthur Brehmer im Jahre 1910 herausgegebenen Band „Die Welt in 100 Jahren“ auch einige Autoren mit der Zukunft des Krieges beschäftigt bzw. die Schlachten der Zukunft beschrieben. Nicht in allem haben sie dabei falsch gelegen, aber im Hinblick auf den vier Jahre später beginnenden Ersten Weltkrieg lagen sie politisch wie militärtechnisch ziemlich daneben: Einer ging für den Krieg der Zukunft von einer europäischen Koalition aus, die gegen die Mächte Ostasien, China und Japan, kämpfen werde, und ein anderer maß den deutschen Luftschiffen eine kriegsentscheidende Rolle zu, bei der sie britische Schlachtschiffe attackierten und dazu zwangen, die Flagge zu streichen. Dem technischen Fortschritt wurde die Rolle zugedacht, die Blutbäder herkömmlicher Schlachten als „Auskunftsmittel“ (Clausewitz) über die physische und psychische Stärke der konfligierenden Parteien überflüssig zu machen und durch den Abgleich der waffentechnischen Möglichkeiten zu ersetzen. Sobald eindeutig war, welche Seite hier überlegen war, war die Sache entschieden. Bekanntlich ist der Kriegsverlauf weder im Ersten noch im Zweiten Weltkrieg diesem Modell gefolgt, und auch die kleinen Kriege zwischen 1945 und 1989/90, viele davon Stellvertreterkriege im Rahmen der Blockkonfrontation, haben keineswegs die waffentechnisch überlegene Seite immer als Sieger gesehen. Im Gegenteil: Zumeist hat die strategische und taktische Kreativität der waffentechnisch unterlegenen Seite
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dazu geführt, dass der „Schwache“ den „Starken“ vor immer neue und größere Probleme gestellt hat, so dass der „Starke“, wenn auch militärisch ungeschlagen, irgendwann ermattet war und in seinem politischen Willen resignierte. Die Prognostiker, die auf die überlegene Militärtechnologie als kriegsentscheidenden Faktor setzten, unterschätzten nicht nur die Kreativität der Schwachen, sondern auch die Bedeutung der Ermattungsstrategie. Im Anschluss an Überlegungen von Clausewitz hat der Berliner Militärhistoriker Hans Delbrück um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert das Konzept der Ermattung als Alternative zu dem der Niederwerfung entwickelt und dabei die Bedeutung der hinhaltenden Defensive neben der auf eine schnelle Entscheidung angelegten Offensive herausgearbeitet. Liest man die Prognosen zahlreicher Kriegstheoretiker aus den letzten zwei Jahrzehnten, so scheinen sie aus dem prognostischen Desaster zu Beginn des 20. Jahrhunderts nichts gelernt zu haben: Die einschlägigen Texte zur sogenannten „revolution in military affairs“ aus der Zeit vor dem letzten Irakkrieg zeigen ein grenzenloses Vertrauen in die Effektivität überlegener Militärtechnologie und eine frappierende Naivität bezüglich der Widerstandspotentiale entschlossener Gegenspieler. Die Faszination durchs technisch Mögliche scheint den Blick für die bedingungslose Entschlossenheit – oder aber Aufweichbarkeit – eines politischen Willens verstellt zu haben. Gerade postheroische Gesellschaften – und um die handelt es sich bei den reichen Staaten, die sich das teure Equipment der modernen Waffentechnologie leisten können – weisen weder große Opferfähigkeit noch Opferbereitschaft auf, solange es sich um für sie nicht existenzielle Konflikte handelt. Sie können keine größeren Verluste ertragen, und des-
wegen dient die überlegene Waffentechnologie letzten Endes dazu, ihre geringe Opferbereitschaft zu kompensieren. Was in der Umkehrung heißt: Selbst waffentechnisch dramatisch unterlegene Akteure können ihre Defizite durch gesteigerte Opferbereitschaft ausgleichen, und wenn sie das über einen längeren Zeitraum durchhalten, können sie schließlich auch ihren politischen Willen durchsetzen. Vor allem die USA haben dies zuletzt immer wieder schmerzlich erfahren müssen. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass sich das in den nächsten Jahrzehnten ändern wird. Asymmetrische Kriege, so der allgemeine Oberbegriff, sind keineswegs durch die ausschließliche Überlegenheit der einen und die Chancenlosigkeit der anderen Seite gekennzeichnet. Diejenigen, die das so verstanden haben, haben entweder nichts begriffen oder sind intellektuelle Einflussagenten einer Rüstungsindustrie, die mit dem Versprechen der Unbesiegbarkeit immer mehr Geld für Rüstungsausgaben mobilisieren möchte. Asymmetrierung des Krieges heißt vielmehr, dass die Konfliktakteure ihre Fähigkeiten nicht mehr, wie bei den klassischen Rüstungswettläufen, spiegelbildlich zueinander entwickeln, sondern ihre spezifischen Fähigkeiten ausnutzen, um die Gegenseite nicht dort, wo sie stark ist, zu attackieren, sondern in deren strategische Schwachpunkte hineinzustoßen. Wer dabei über den längeren Atem verfügt, hat die besseren Erfolgschancen. Auch daran dürfte sich in den nächsten Jahrzehnten kaum etwas ändern. Der Denkfehler der sich ausschließlich an der Waffentechnik orientierenden Kriegsprognostiker besteht darin, dass sie von den Möglichkeiten der Waffen und nicht von den politischen und sozioökonomischen Konfliktfeldern her denken und dass sie bei der Analyse der Möglichkeiten nur
des Krieges
ein einseitiges Handeln im Auge haben und die Dimensionen des Gegenhandelns übersehen. Ein guter Stratege oder tüchtiger Taktiker hat dieses Gegenhandeln immer auf der Rechnung. Eine belastbare Prognose hat darüber freilich noch hinauszugehen, indem sie die politischen und moralischen Restriktionen bei der Nutzung der waffentechnischen Möglichkeiten in Rechnung stellt und dabei beachtet, dass diese Restriktionen in verschiedenen Gesellschaften
Kriegen“ an der Peripherie der Wohltandszonen zu engagieren. Erschien es vor ein bis zwei Jahrzehnten plausibel, dass sich das Militär der demokratischen Staaten in eine Art „Weltpolizei“ verwandeln würde, die der Eindämmung und Beendigung dieser Kriege dienen sollte, so ist diese Hoffnung auf einen global pazifizierenden Interventionismus inzwischen verflogen. Das wiederum heißt, dass diese Kriege, deren Dauer nicht nach Monaten oder Jahren,
„Der klassische Staatenkrieg, der die Szenarien des Kalten Krieges noch weithin geprägt hat, scheint zu einem historischen Auslaufmodell geworden zu sein.“ Herfried Münkler in „Die neuen Kriege“
unterschiedlicher Art sind. In den reichen, in der Regel demokratischen Gesellschaften des Nordens sind sie sehr hoch, während sie bei schwachen Akteuren in der Regel gering sind. Bei letzteren kann das, was möglich ist, fast immer auch praktiziert werden, während bei ersteren fast alle Waffensysteme weitgehenden moralischen und politischen Beschränkungen oder gar Verboten unterliegen. Die Folge ist, dass die waffentechnische Überlegenheit postheroischer Gesellschaften fast ausschließlich dazu dient, deren strategische Vulnerabilität infolge begrenzter Opferbereitschaft sowie demokratischer Respondenz und öffentlicher Kontrolle zu kompensieren. Dementsprechend gering ist die Bereitschaft dieser Gesellschaften, sich in friedenserzwingender Absicht in den immer wieder auflodernden „neuen
sondern nach Jahrzehnten gerechnet wird, nicht bloß andauern, sondern sich auch weiter ausbreiten werden. Aber wird es die gegenwärtigen Gründe für die Entstehung und lange Dauer dieser Kriege auch in Zukunft geben? Fast immer handelt es sich bei dem Brennstoff, der diese Kriege speist, um Ressourcen, die knapp und in den reichen Gesellschaften heiß begehrt sind oder die, wie Kokain und Heroin, in ihnen illegalisiert, dennoch aber nachgefragt sind und mit deren Produktion und Handel sich darum besonders hohe Gewinne erzielen lassen. Die örtlichen Kriegsakteure, zumeist keine Staaten, sondern Warlords, Rebellenführer oder revolutionäre Gruppierungen, gehen dabei mit der internationalen Kriminalität Koalitionen ein, durch die ihre Verbindungslinien bis tief in die Gesellschaften des reichen
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Nordens hineinreichen. Die Folge ist, dass diese Kriege wirtschaftlich attraktiv sind und kaum infolge ökonomischer Erschöpfung eines der beteiligten Akteure enden. Sie bleiben ein dauerndes Problem, stellen aber die Weltordnung nicht in Frage. Anders könnte dies bei Ressourcenkriegen der großen Mächte oder Wirtschaftsblöcke sein. Zwar spricht jede rationale Abwägung dagegen, bei Konflikten um strategische Ressourcen, wie Wasser, Erdöl, Erdgas oder seltene Metalle und Erden auf militärische Eskalation zu setzen, da deren Kosten den im besten Fall zu erwartenden Nutzen bei weitem übersteigen werden, aber bei einer Kombination von Prestigefragen, Druck im Innern durch hochkochenden Volkszorn und einer sich – scheinbar oder tatsächlich – bietenden guten Gelegenheit ist eine solche Entwicklung nicht auszuschließen, erst recht wenn ein Akteur oder Regime vor dem Kollaps steht und in der Flucht in den Krieg die letzte und einzige Überlebenschance sieht. Wie in der Ära des Kalten Krieges wird es also darauf ankommen, keinen der großen Akteure so in die Enge zu treiben, dass er sein Heil in einer solchen Flucht in den Krieg sieht. Die Prognose, die einigermaßen verlässlich sein dürfte, lautet darum: Es werden zahlreiche, von substaatlichen Akteuren geführte Kriege mit hohem Gewalteinsatz gegen die Zivilbevölkerung sein, die das Kriegsgeschehen der nächsten Jahrzehnte bestimmen, aber ein Krieg der großen Mächte ist eher unwahrscheinlich. Prof. Dr. Herfried Münkler ist Inhaber des Lehrstuhls „Theorie der Politik“ an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er ist Autor zahlreicher Bücher, u.a. „Die neuen Kriege“, „Der Wandel des Krieges. Von der Symmetrie zur Asymmetrie“ und „Imperien: Die Logik der Weltherrschaft – vom Alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten“.
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Der Zeitzeuge
Eisenbahn-Pionier im Zweiten Weltkrieg
Von Stalingrad in die Normandie
1941: Die Welt des jungen Willy Reinshagen gerät aus den Fugen. Durch die Einberufung zur Wehrmacht beginnt für ihn eine Odyssee, die erst im Jahre 1948 mit der Heimkehr aus russischer Kriegsgefangenschaft endet… Vorgestellt von Maximilian Bunk
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Diese polnische Lok Ty 23-156 bekam von der Reichsbahn die Betriebsnummer 58 2403. Das warme Lokspeisewasser war für die Soldaten auf der langen Fahrt zur Front eine erfreuliche Zugabe für allfällige Reinigungszwecke. Foto: W. Hubert/Deutsches Lokbildarchiv
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igentlich will der 1922 in Düsseldorf geborene Willy Reinshagen nur seine Ausbildung bei der Reichsbahn beenden und damit in die Fußstapfen seines Vaters treten. Die Begeisterung und Leidenschaft für die Eisenbahn ist ihm in die Wiege gelegt. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs ziehen düstere Wolken am Horizont auf und der ursprüngliche Plan wird durch die Einberufung vereitelt. Immerhin: Reinshagen kommt zu den Eisenbahn-Pionieren und hat somit wenigstens hin und wieder Gelegenheit, den Lokomotiven und Gleisen auch in dieser entbehrungsreichen Zeit nahe zu sein. Er wird sowohl an der Ost- wie auch der Westfront eingesetzt, dient unter anderem in Russland, Frankreich, Belgien und Deutschland. So verschlägt es ihn und seine Kameraden z. B. kurz nach der Invasion der Alliierten in der Normandie in die Kleinstadt Laigle, circa 140 Kilometer westlich von Paris der Geschützlärm von den Kämpfen an der Küste ist unüberhörbar. Die Pioniere kommen in einem verlassenen Landsitz unter und sollen eine Brücke am Ortsrand des Städtchens wieder benutzbar machen. Wer die Eisenbahnüberführung sabotiert hat, ist unklar: Entweder waren es alliierte Kampfflugzeuge oder französische Partisanen. Willy Reinshagen erinnert sich an die damaligen Ereignisse wie folgt: „Die äußeren Umstände der Wiederherstellung des kleinen Brückenbauwerks entbehren nicht einer gewissen Ironie, was zunächst auch unter den hier Beteiligten für anhaltenden Gesprächsstoff sorg-
te. Denn bemerkenswert und merkwürdig war die Tatsache, dass zum Wiederaufbau der Brückenfahrbahn Peine-Doppel-T-Träger vom Gerätelager des Eisenbahnpionier-Ersatz-Bataillons 5 in Straßburg herangeschafft werden mussten. Mehr noch: Deren Transport erfolgte mit den beiden im Besitz unserer Kompanie befindlichen Straßen-Schienen-Lkw im Hinblick auf die Luftgefährdung auf der Straße, und das bei einer beachtlichen Entfernung von mehr als 600 Kilometern – bemerkenswerterweise wurde auch nur bei Nacht gefahren! Die anstrengenden langen Nachtfahrten mit schwerem Brückengerät verliefen aber auch nicht ohne Blessuren an fremdem Eigentum. Die seitlich auskragenden schweren Hülsenpuffer an den Stirnseiten unserer Straßen-SchienenLkw verursachten in engen Ortsdurchfahrten – zum Ärger der Betroffenen – Gebäudeschäden. Da wurde in der Nacht unbeabsichtigt die eine oder andere Hausecke demoliert, wie einer unserer Fahrer, Paul Helms, berichtete.
Bombenhagel
1944 gesprengter Eisenbahnviadukt am Foto: Sammlung B. Kreus Iternberg bei Aachen.
KURZ VOR STALINGRAD: Der junge Willy Reinshagen in Morosowskaja, im russischen Steppenland zwischen Donez und Don. Foto: Sammlung Reinshagen
unser Heil in der Flucht von der Baustelle. Den Tod vor Augen stürmten alle Männer die Bahnböschung hinunter und warfen sich auf die große Wiesenfläche, intuitiv von der Meinung beseelt, hier, nur 50 Meter von der Brücke entfernt, dem schlimmen Inferno entrinnen zu können. Und gerade hier fanden die Einschläge statt – links und rechts von mir; die Erde bebte unter dem Bombenhagel – ein Schutzengel stand mir bei! Als die Hölle vorüber war, atmeten die Überlebenden erst einmal tief durch und sammelten sich. Zur „Stärkung“ wurde eine Zigarette geraucht. Dann wurde Bilanz gezogen mit dem Ergebnis, dass an Opfern sieben oder acht tote Kameraden zu beklagen waren. Verwundete hatte es offensichtlich nicht gegeben. Fazit: Der große Wiesenanger war mit Bombentrichtern übersät, und unsere Eisenbahnbrücke stand auch weiterhin unbeschädigt an ihrem Platz, abgesehen davon, dass beachtliWilly Reinshagen che Schlammmassen von
Wir Männer vom dritten Kompaniezug unter Führung von Leutnant Bail waren in Laigle angetreten, um hier Restarbeiten an einer offenbar unbedeutenden, aber dennoch strategisch wichtigen Brücke auszuführen. Der Garten unserer „Villa“ grenzte an einen Hecken- und Wiesenweg, auf den wir einschwenkten und nach nur kurzer Laufzeit unseren Brückenarbeitsplatz erreichten. Nun aber war mit einem Schlag alles anders! Sprichwörtlich aus heiterem Himmel wurden wir in unvorstellbare Angstzustände versetzt. Von wegen heiterer Himmel! Wir waren gerade damit beschäftigt, am Bauwerk letzte Hand anzulegen, als wir, verborgen und unsichtbar hinter tief hängenden Wolken, Motorengeräusche eines sich schnell nähernden Flugzeugverbandes wahrnehmen konnten. Einer unter uns spottete noch: „Hört ihr, da oben sind sie wieder und werden irgendwo ihre BomVon Stalingrad benlast abladen!“ Natürlich e in die Normandikrieg dachten alle nur an einen Überten Welt Eisenbahn-Pionier im Zwei flug. Und dann geschah das Unfassbare; die ringsum herrschende Stille wurde mit einem Mal von einem fürchterlichen Pfeifen heimgesucht, und in Sekundenschnelle prasselten Bomben hernieder. Wir suchten schnellstens
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WILLY REINSHAGEN
Von Stalingrad in die Normandie. EisenbahnPionier im Zweiten Weltkrieg. 224 Seiten, bebildert mit circa 40 Fotografien. Soeben erschienen.
Gewässer und Wiese das Bauwerk reichlich verunstaltet hatten. Für die folgenden Tage wurde unserer Truppe eine Ruhezeit vergönnt. Um im fünften Kriegsjahr unsere Ernährungsgrundlage etwas zu verbessern, machte ich mich in dieser Zeit am frühen Abend einige Male auf den Weg, um bei den im näheren Umfeld ansässigen Landwirten nahrhafte Produkte einzukaufen. Das war ein kluger Einfall, der von unserem Leutnant ausging, der in dieser von der Wehrmacht vernachlässigten Gegend sicherlich sein Offiziers-Kasino vermisste.
Abmarsch Bei den Bauersleuten fand ich stets offene Türen, wozu auch die Art und Weise beitrug, wie ich meine Wünsche in französischer Sprache artikulierte. Alle Einkäufe wurden natürlich auf Heller und Pfennig in französischer Währung beglichen. Und nicht selten wunderten sich die Leute, dass ein Deutscher vor ihrer Türe steht und mit ihnen Französisch spricht. Zurück kehrte ich mit Milchflaschen, Butter, Schinken, Wurst und Käse, und sah in meinem Kameradenkreis viele fröhliche und zufriedene Gesichter. Natürlich kam auch unser Leutnant bei der Verteilung nicht zu kurz. Leider früher als erwartet ereilte uns der Marschbefehl. Der dritte Kompaniezug rückte aus Laigle ab und formierte sich irgendwo mit den übrigen Kompaniezügen auf einem langen Weg, die französische Hauptstadt als Ziel vor Augen. Wie nun dieser Plan ablief, darüber besitze ich aus erklärbaren Gründen keine Kenntnisse. Die angespannte Kriegslage seit der Invasion in der Normandie schloss einen Transport auf dem Schienenweg aus: Gefahr drohte aus der Luft (Jagdbomber) und am Boden (Résistance).” Nicht nur einmal entkommt Willy Reinshagen knapp dem Tod wie hier bei Laigle. Die detaillierten Erinnerungen eines der letzten Zeitzeugen der alten Reichsbahn sind fesselnd und spannend erzählt.
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Militär & Technik | Geländewagen
BULLIG: Mit gut 75 Pferdestärken unter der Motorhaube hat der P3 kaum Probleme im Gelände. Hier einer der wenigen restaurierFoto: Dirk Krüger ten NVA-Oldtimer.
Geländewagen MUNGA und IFA P3
Legenden auf vier 1960er-Jahre: Jeder Bundeswehrsoldat kennt ihn, den kleinen geländegängigen MUNGA. Die NVA hingegen setzt zu dieser Zeit auf und abseits der Straßen auf den größeren und leistungsstärkeren P3... Von Jörg-M. Hormann
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n stiller Mondscheinnacht ist es kilometerweit zu hören, das prägnante Knattern des zweigetakteten Dreizylinders. „Unser Kompaniechef ist mit dem MUNGA auf Kontrollfahrt“. Während des nächtlichen Übungsmarsches Mitte der 1960er-Jahre bedeutet das lauter werdende Motorengeräusch, runter vom marschbequemen Weg in den nächsten Graben oder hinter die nächste Hecke. Denn der Chef will von seinen schwerbepackten, nach 20 Kilometern erschöpften Panzergrenadieren nichts sehen. Dank des „Mehrzweck Universal Geländewagen mit Allradantrieb“, kurz MUNGA genannt, erhal-
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ten die Soldaten eine Art akustische Vorwarnzeit. Was dem Grenadier im Manöver zugute kommt, ist für den Fahrer und die Besatzung von Fahrzeugen, die hinter einem solchen „Lkw 0,25 t gl.“, herfahren, zum Übelwerden.
Sechszylinder im Aluminiumblock Der „Geländegängige Lkw P3“, das vergleichbare NVA-Pendant zum Bundeswehr-MUNGA, bringt hingegen mit einem sechszylindrigen, viergetakteten Otto-Motor seine Kraft auf die Straße und setzt sie im Gelände um. Dass sich im ideologischen Großpanorama des Kalten Krieges das von
DDR-Seite propagierte „fortschrittlicher und anders sein als der kriegstreiberische Westen“ auch hier auf technische Entscheidungen bei einem geländegängigen Kommandeurswagen niederschlägt, bleibt eine Vermutung. Die nahezu ein halbes Jahrzehnt nach dem MUNGA vorgenommene Einführung des P3 nährt diesen Verdacht. Die Geschichte der kleinsten Lastkraftwagen (Lkw) im militärischen und zivilen Einsatz deutscher Nachkriegsarmeen beginnt unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Werke der bis dahin in Sachsen ansässigen Auto Union fallen an die sowjetische Besatzungsmacht. Die Führungskräf-
ÜBEN FÜR DEN ERNSTFALL: Soldaten der Bundeswehr durchqueren im Rahmen einer Übung der ABC-Abwehrschule Sonthofen mit ihrem MUNGA „kontaminiertes“ Gelände. Foto: BArch, B 145 Bild-F027390-0004/Beretty
Rädern te des Unternehmens setzen sich in die Westzonen ab und gründen im amerikanischen Sektor im bayerischen Ingolstadt 1947 die neue Auto Union GmbH, aus der später die Audi AG erwächst. 1949 steigt das junge Unternehmen in die Neuwagenfertigung ein und stellt den Lieferwagen DKW F 89 L in der 0,75-t-Klasse vor, dem ein Jahr später die Personenwagenvariante als DKW Typ F 89 P folgt.
Deutsche „Lösung” bevorzugt Nach dem Scheitern der Pläne einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) im Jahr 1954 zeichnet sich die Mitgliedschaft der Bundesrepublik Deutschland in der NATO ab, die im Mai 1955 vollzogen wird. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Sicherheitsbeauftragte der Bundesregierung, Theodor Blank, bereits die erforderlichen
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VARIANTE: P3 mit ScheinwerferaufbauGLS 1500. Er kommt vor allem bei den Grenztruppen zum Einsatz. Foto: Archiv Jörg-M. Hormann
Fäden gezogen, um den Blick der deutschen Kraftfahrzeugindustrie auf das zukünftige militärische Potenzial zu lenken. Blank wird am 7. Juni 1955 der erste Minister für Verteidigung in seinem neuen Bundesverteidigungsministerium. Bereits 1953 stellte die Keimzelle des Ministeriums, die damalige „Dienststelle Blank“, beim Verband der deutschen Kraftfahrzeugindustrie die Anfrage: „Welche Hersteller sind in der Lage, ein leichtes und
geländegängiges Kübelfahrzeug als Ersatz für das im Zweiten Weltkrieg genutzte Motorrad mit Beiwagen für militärische Zwecke zu bauen? (…) Aufgrund strengster Sparsamkeit werden deutsche Produkte gegenüber ausländischen wie dem Jeep oder dem Land Rover bevorzugt (…).“ Da lockt ein interessanter Auftrag für die Automobilindustrie – zumal ein erster Bedarf von 5.000 Fahrzeugen für die ersten fünf Jahre veranschlagt wird.
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Militär & Technik | Geländewagen henden Einsatzvarianten in der DDR anders gedacht. Die Vorläufertypen zum P3 der NVA sind durchweg mit sechszylindrigen Otto-Reihenmotoren ausgestattet und verfügen über die entsprechenden PS unter der Motorhaube.
Was ist ein „Kübel”?
KONKURRENT: Der Porsche-Geländewagen vom Typ 597 kann den MUNGA nicht verdrängen. Bei Testfahrten muss er vom MUNGA aus dem Dreck gezogen werden. Foto: picture-alliance/dpa
Die Auto Union GmbH in Ingolstadt bewirbt sich daher als erste deutsche Autofabrik um das Projekt in der ein Viertel-Tonnen-Nutzlastklasse. Als Wettbewerber sind noch Borgward aus Bremen und etwas später die Firma Porsche aus Stuttgart dabei. Die Ersteinsteiger bevorzugen Zweitaktmotoren als Antriebskraft aus ihrem Erfahrungspotenzial der Pkw-Produktion. Der DKW erhält einen Dreizylindermotor während Borgward sich sogar mit einem „Goliath“- Zweizylindermotor begnügt.
Hatten der Zweite Weltkrieg und die verschiedenen Geländesituationen nicht gezeigt, dass reichlich „Pferdestärken“ auf den Allradantrieb gebracht werden müssen, um durchzukommen? Handelt es sich um Sparsamkeit am falschen Platz, oder haben die Planer ein Kriegs- und Einsatzszenario auf den gut ausgebauten westdeutschen Straßen im Hinterkopf? Da wird in der etwa gleichzeitig verlaufenden Entwicklung für einen geländegängigen Kommandeurswagen mit weiterge-
FÜR PROPAGANDAZWECKE: P3 mit Beschallungsanlage für politische Agitation an der Westgrenze der DDR.
LEGENDÄR: Die Geländegängigkeit des P3 (Foto links) begeistert auch heute noch die Fans der Szene. Fotos: Archiv Jörg-M. Hormann
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Doch was ist überhaupt ein „Kübelfahrzeug“, wie von der „Dienststelle Blank“ gefordert und bereits im deutschen militärischen Sprachgebrauch des Zweiten Weltkriegs verwendet? Ein „Kübel“ ist erst einmal ein nach oben offener Behälter. Mit Fahrgestell, Motor, allradgetriebenen Rädern und leichtem, faltbaren Stoffverdeck versehen, wird die offene Metallkarosserie eines Kübels zum geländegängigen Personenkraftwagen. Ursprünglich als flinker Stabs-, Kurier oder Kommandeurswagen verwendet, ergeben sich mit den Einsatzerfahrungen in bewaffneten Konflikten vielfältige Möglichkeiten der Nutzung. Kübelfahrzeuge werden als Waffenträger, Verletztentransporter und Zugkraftwagen ins Gelände geschickt. Durch ihr relativ leichtes Gewicht und ihre Abmessungen sind bestimmte Modelle sogar mit dem Fallschirm absetzfähig. Ihre militärische Qualität haben sie mit ihrer Beweglichkeit abseits aller Wege und Straßen. Ihre offene Karosserie ohne Türen ermöglicht schnelles Einsteigen und Absitzen. Statt eines festen Daches hält ein herunterklappbares Verdeck den Blick in den Himmel Richtung feindlicher Tiefflieger oder Hubschrauber frei. Dass der Kübel dabei auch noch robust, geräumig, wartungsarm, im höchsten Maße zuverlässig und sparsam beim Treibstoffverbrauch sein sollte, lässt vermuten,
Verschiedene Prototypen
RARITÄT: Ein gut erhaltener und restaurierter P3 ist auf einem Oldtimertreffen immer noch ein Blickfang und begehrtes Fotoobjekt. Foto: Dirk Krüger
dass den Konstrukteuren eines solchen Fahrzeuges eine nicht ganz einfache Aufgabe gestellt ist.
Harter Wettbewerb Bereits im September 1953 werden die bei der Auto Union entwickelten Prototypen der sogenannten ein Viertel-Tonnen-Klasse auf der Bonner Hardthöhe mit unterschiedlicher Karosserie und in unterschiedlicher Ausstattung vorgestellt. Einerseits handelte es sich um eine verkleinerte Ausführung des „Horch“-Kübelwagens aus Kriegszeiten, mit vier Stahltüren. Andererseits um einen offenen Wannenaufbau mit Faltstoffverdeck – ähnlich dem späteren MUNGA, in schmalerer Ausführung. Weiterhin werden Versuchsfahrzeuge mit Kunststoffoder Leichtmetallkarosserien vorgestellt. Sie werden den folgenden Dauerbelastungen jedoch nicht standhalten. Übrig bleiben handgefertigte Testfahrzeuge, die auf der DKW Sonderklasse F 91 mit Kastenprofilrahmen basieren. Über den ersten Vergleich der zukünftigen Bundeswehrfahrzeuge im Januar 1955 berichtet ein Chronist: „(...) in der ein Viertel-Tonnen-Klasse tummelten sich neben dem DKW nunmehr auch der Porsche (Typ 597) sowie der ,Goliath’ als Vertreter des Borgward-Konzerns. Der bereits ziemlich ausgereifte DKW schlug seine zukünftigen Konkurrenten um Längen, da der ,Goliath’ im Gelände ständig aufschlug und als Clou dann auch noch die Auspuffanlage verlor.
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INFO
Technische Daten Lkw 0,25 t gl. (MUNGA) Bundeswehr
Maße und Gewichte 3.445 mm Länge 1.482 mm Breite 1.735 mm Höhe 2.000 mm Radstand 1.060 kg bis 1.350 kg Leergewicht 400 kg bis 700 kg Zuladung 1.450 kg bis 1.885 kg Gesamtgewicht max. 70 % Steigfähigkeit bis 500 mm Watfähigkeit Motor DKW F 93 P Typ Zweitakt Arbeitsverfahren 3 Zylinderanzahl Zweitaktgemisch Treibstoff 900 bis 1.000 ccm (Varianten) Hubraum 36 bis 44 PS (Varianten) Leistung Verbrauch ca. 14,7 l/100 km (Straße) Kraftstoffverbrauch 98 km/h Höchstgeschwindigkeit
Geländegängiger Lkw P3 Nationale Volksarmee 3.710 mm 1.950 mm 1.950 mm 2.400 mm 1.860 kg 700 kg 2.560 kg max. 65 % bis 600 mm OM 6-35 L Viertakt-Otto 6 Reihe VK rot OZ 72 2.407 ccm 75 PS 23 l/100 km 95 km/h
3 km/h mit Getriebereduzierung
3,5 km/h
Hersteller
Auto Union GmbH (Audi AG) Ingolstadt
KZA Karl-Marx-Stadt und IWL Ludwigsfelde
Stückzahl
ca. 47.000 davon 28.000 für die Bundeswehr
4.000 davon 570 für die NVA
Produktionszeit
1956 bis 1969
1962 bis 1966
geringste Dauergeschw. Produktion
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Militär & Technik | Geländewagen
NACHFOLGER: Geländewagen vom Typ GAZ-69 während der Parade zum 25. Jahrestag der Gründung der DDR am 7. Oktober 1974 in Ost-Berlin. Der GAZ-69 aus russischer Produktion ersetzte den P3 bei der NVA. Foto: ullstein bild – ddrbildarchivde/Willmann
In einem künstlichen, fünf Meter tiefen Bombentrichter sollte eine Wasserdurchfahrt bei 80 cm Wassertiefe demonstriert werden. Pech für Porsche seinerzeit, der Wagen der Auto Union musste ihn mehrfach abschleppen. Bei weiteren Geländefahrten versuchte der Porsche offensichtlich mit Gewalt und Motorkraft seine Mängel wettzumachen, landete aber nach einem Sprung durch die Luft in der aufgeschreckten Zuschauermenge.“ Den Anforderungen an ein leichtes, geländegängiges, viersitziges Fahrzeug für
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den Mannschaftstransport, zur Bergung von Verletzten sowie an ein Führungs- oder Funkfahrzeug entspricht der DKW weitgehend.
MUNGA erhält den Zuschlag Nach den weiteren Erprobungen der Testkandidaten durch den Bundesgrenzschutz in Lübeck wird die Stahlblechausführung des DKW für die Serienproduktion empfohlen. Abgeschlagen sind die Modelle von Borgward und Porsche sowie der in Lizenz zu fertigende Williams Jeep. Der erste offi-
zielle Name des Geländewagens lautet „Geländewagen F 91/4“. Er bleibt die zukünftige Typbezeichnung, während in Ingolstadt der „M-Wagen“ aktenkundig wird. Übrigens das „M“ steht für Mehrzweck und nicht für Militär. Am 2. Januar 1956 treten die ersten Freiwilligen der Bundeswehr ihren Dienst an. Das Heereskontingent ist in Andernach stationiert. Beim dortigen Lehrregiment müssen auch die Testkandidaten der ein ViertelTonnen-Klasse in den Truppenversuch und vor der Abnahmekommission bestehen.
Nachfolger aus russischer Produktion
STÄRKEN UND SCHWÄCHEN Lkw 0,25 t gl. (MUNGA) Bundeswehr NACHTEILE – untermotorisiert – Zweitaktgemisch (Geruch) – Motorengeräusch – geringe Zugkraft
VORTEILE + hohe Antriebskraft + sehr nutzlastvariabel + Geländegängigkeit
NACHTEILE – wartungsintensiv, Ersatzteilprobleme – keine bedarfsdeckende Fertigungsmenge – extreme Getriebegeräusche
Abb. Archiv Jörg-M. Hormann
VORTEILE + geringes Gewicht + Geländegängigkeit + Allradantrieb + wartungsfreundlich
Geländegängiger Lkw P3 Nationale Volksarmee
Die militärische Verwendungsfähigkeit des „M-Wagens“ ist unübertroffen. Eine zweckmäßige Karosserie mit hoher Bodenfreiheit und geringem Gewicht sprechen für sich. Ein simples Stoffverdeck, das in kürzester Zeit geöffnet oder geschlossen werden kann, bietet den Insassen Schutz bei Wind und Wetter. Viele eingebaute Serienteile aus dem Personenwagenprogramm des Herstellers und die Austauschbarkeit der Komponenten untereinander – wie Blattfedern, Sitze oder Halbachsen – beeindrucken die Fachleute in Andernach. Die Jury legt am 18. Februar 1956 ihren Abschlussbericht vor, der als Schwachpunkt allerdings eine zu geringe Motorleistung attestiert. Darauf reagiert die Auto Union mit der Option eines Einliter-Motors mit 44 PS bei der Serienfertigung. Am 26. Juni 1956 erfolgt die endgültige Prototypabnahme bei der Auto Union GmbH durch das Bundesverteidigungsministerium, doch erst Anfang Oktober 1956 sind in Ingolstadt die ersten fünf Nullserienfahrzeuge fertig gestellt. Bis Ende des Jahres laufen 249 Stück DKW 0,25 t vom Montageband. Am Ende der Produktion 1969 werden 28.000 Einheiten in drei Typvarianten allein für die Bundeswehr die Bilanzen bei der Auto Union stabilisieren. Ab Februar 1966 wird über den Nachfolger des MUNGA im Bundesministerium für Verteidigung nachgedacht. Nach einer Zwischenlösung mit dem „VW-Kurierwagen 181“ wird der MUNGA durch den „VW Iltis“ 1977 abgelöst. Der neue Geländewagen wird von der Audi AG auf MUNGA-Basis entwickelt. Auch in der DDR sucht die Autoindustrie seit Beginn der
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1950er-Jahre nach Lösungen für einen militärischen Geländewagen.
„Geburtsstunde“ des P3 Über die Ausgangssituation in der DDR und die ersten Entwicklungen zum „Geländegängigen Lkw P3“ schreibt Wilfried Kopenhagen: „(...) nach den Auflagen der Hauptverwaltung Fahrzeugbau im DDRMinisterium für Maschinenbau im August 1952 projektierte das Forschungs- und Ent-
wicklungswerk (FEW) im damaligen KarlMarx-Stadt das Sonderfahrzeug P2M, an dem besonders Kraftfahrzeug-Fachleute der Kasernierten Volkspolizei (KVP) beteiligt waren [in der KVP sind die Wurzeln der späteren NVA zu sehen]. Das FEW war auf Regierungsbeschluss als zentrales Entwicklungswerk gebildet worden, um für die durch Krieg und Demontage sowie die Abwanderung in die Westzone stark in Mitleidenschaft gezogene, schrittweise im Auf-
JUBILÄUM: Der 25.000 Geländewagen läuft 1962 im Werk der Auto Union in Ingolstadt vom Band, hier bei einer Demonstrationsfahrt über eine Treppe. Foto: picture-alliance/dpa
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Militär & Technik | Geländewagen bau befindliche Autoindustrie der DDR nach und nach das gesamte noch verbliebene Konstruktions- und Entwicklungspotenzial anzusiedeln. Zu den Aufgaben zählten die Planung der Musterbau und die Erprobung der für die Produktion vorgesehenen Personen- und Nutzfahrzeuge, aber auch der Motoren und Aggregate. Einer der vielen Aufträge war die Entwicklung des Sonderkraftfahrzeuges P2M für die vorgesehenen militärischen Formationen (…).“ Die Abkürzung P2M erklärt sich als Personenkraftwagen, Typ 2, Militärversion mit fünf Plätzen.
Kurzer Produktionszeitraum Aus dem FEW entsteht der „VEB Kooperationszentrale Automobilbau Karl MarxStadt“, der in Weiterentwicklung des P2M den Geländewagen IFA P3 projektiert. Dieses Modell wird dann Ende der 1950erJahre im Fahrzeugwerk in Zwickau/Hohenstein-Ernstthal entwickelt und anschließend im „VEB Automobilwerk Ludwigsfelde“ gebaut. Ursprünglich ist dieser Betrieb für den Bau des Lkw W 50 zuständig. Die Realität sieht so aus, dass die einzelnen Baugruppen und Komponenten des P3 in den verschiedensten Betrieben innerhalb der DDR gefertigt werden und in Ludwigsfelde die Endmontage erfolgt. Nach den ersten zehn Versuchsmustern, die Ende der 1950er-Jahre entstehen, erfolgt der Bau von 30 Nullserien P3 im Jahr 1961. Ab 1962 läuft der „Geländegängige Lkw P3“, wie der P3 in der Dienstvorschrift 47/18 der NVA von 1962 offiziell genannt wird, mit rund 1.000 Serienexemplaren pro Jahr bis zur Einstellung der Produktion im Jahr 1966 vom Montageband. Der dreitürige Geländewagen mit einem Sechszylinder bietet Platz für bis zu sieben Personen.
HINTERGRUND
BEEINDRUCKEND: Der P3 verfügt über einen Sechszylinder-Reihenmotor im Alu-Block und Drehstabfederung mit Einzelradaufhängung. Foto: Dirk Krüger
Im Gegensatz zur Pkw-Sitzweise beim P2M sitzen beim P3 die Insassen – außer Fahrer und Beifahrer – längs zur Fahrtrichtung auf zwei Bänken. Auf der rechten Seite drei Mann und links zwei. Das erste Produktionslos des P3 verfügt über signifikante Erkennungszeichen wie etwa den Kühlerdeckel vorn auf der Motorhaube und innen ein Handschuhfach im Armaturenbrett. Bei späteren Baulosen verwendet man die sogenannte „Alligator-Motorhaube“.
„Alligator-Motorhaube” Die taktisch technischen Daten des P3 verdeutlichen sein großes Leistungsvermögen mit einem heute noch beeindruckenden technischen Konzept: ein SechszylinderSachsenring-Motor in Reihe im Alu-Block, Drehstabfederung mit Einzelradaufhän-
Der MUNGA als „Oldtimer“
Nach gut 15 Betriebsjahren im Bundeswehrfuhrpark ist ein MUNGA in den 1970er-Jahren fällig zur Aussonderung. Ab Mitte der 1960-Jahre besteht auch für Privatpersonen die Möglichkeit, einen gebrauchten MUNGA käuflich zu erwerben.
Im Jahr 2011 waren in Deutschland mehr als 1.000 Fahrzeuge dieses Typs statistisch erfasst. Um diese relativ kleine Menge von Geländewagen scharen sich – ähnlich wie beim P3 – die Enthusiasten mit Schraubenschlüssel und Gebrauchsanleitung. Ihre Plattform ist die Internetseite: www.munga-ig.de AUSGESTELLT: Ein „ziviler“ MUNGA im AutoMuseum von Volkswagen in Wolfsburg, das 1985 eröffnet wurde. In der militärischen Variante wurde das Fahrzeug wurde bis Mitte der 1970er-Jahre bei der Bundeswehr eingesetzt. Foto: ullstein bild – Yavuz Arslan
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gung und oben liegenden Lenkstangen, Differenzialsperren vorn und hinten sowie synchronisierte Getriebe, um nur einige technische Details zu nennen. Insgesamt werden etwa 3.800 Exemplare des P3 hergestellt. Vorrangig sind sie in der NVA in allen Teilstreitkräften und bei den Grenztruppen der DDR im Einsatz. Neben der Verwendung als Transport- und Führungsfahrzeug gibt es den P3 auch als Funk- oder Werkstattwagen, als Ladestation, als Großlautsprecherstation GLS 1500, oder als Scheinwerferwagen. Auch als Waffenträger für Granatwerfer wird er umgerüstet. Etwa 20 Exemplare des P3 werden zu Kommandeursfahrzeugen mit vier Türen und Cabrio-Verdeck für Paraden und andere repräsentative Zwecke umgebaut. Sie sind später zurückgebaut worden und keiner von ihnen hat den Lauf der Zeit überstanden. In der Nationalen Volksarmee wird der P3 schon in den 1970er-Jahren durch den GAZ-69 und später durch den UAZ-469 ersetzt. Bei den Grenztruppen erfolgte der Einsatz des P3 noch bis 1987. Feuerwehren und der Zivilschutz gehören zu den nichtmilitärischen „Nutzern“ des P3 in der DDR. Heute besitzt diese Legende auf vier Rädern eine Art Kultstatus, wie die liebevoll restaurierten Exemplare auf den unzähligen Oldtimertreffen und Technikschauen zeigen. Jörg-M. Hormann, Jg. 1949, Freier Journalist und Sachbuchautor aus Rastede mit Schwerpunkten bei der deutschen Luftfahrt-, Marine- und Militärgeschichte mit über 30 Buchveröffentlichungen zu den Themen.
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Militär & Technik
ÄSTHETISCH: Eine Mustang I im Einflugbetrieb Foto: NAA über Kalifornien im Oktober 1942.
P-51 Mustang
Der gefürchtete US-Jäger 1942-1945: Als die P-51 Mustang in den Luftkrieg eingriff, machte sie aus den einst brandgefährlichen deutschen Jägern Gejagte, die sich von Einsatz zu Einsatz zittern mussten. Dem voraus, ging eine lange und beschwerliche Entwicklungsarbeit... Von Dietmar Hermann
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Militär & Technik | P-51 Mustang
BEEINDRUCKEND: Eine Mustang IA mit vier Hispano Kanonen 20 mm bei einem Testflug im Oktober 1942 über dem Fabrikgelände in Foto: NAA Inglewood (Kalifornien).
GENAUESTE ÜBERPRÜFUNG: Die zehnte XP-51 wird in Langley Field Ende 1941 für NACA-Flugtests herangezogen. Foto: NASA
D
ie Firma North American Aviation (NAA) beginnt 1931 mit der Entwicklung eines Schulflugzeugs, der AT-6 Texan. Davon sollten später über 15.000 Exemplare gebaut werden. 1938 kauft die Royal Air Force 400 als Harvard Mk. I bezeichnete Maschinen, denen weitere 1.050 folgen. Da man mit den Maschinen in England zufrieden ist, richten Anfang 1940 die Briten eine Anfrage an NAA, ob man den Jäger Curtiss P-40 für die Royal Air Force in Lizenz bauen könne. NAA teilt der Kommission mit, dass man im eigenen Hause einen erstklassigen Jäger für die RAF entwickeln und bauen könnte, der die P-40 in allen Belangen in den Schatten stellen würde. Innerhalb kürzester Zeit wird der neue Jäger unter dem Chefkonstrukteur Edgar Schmued
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VIELFÄLTIG VERWENDBAR: Die amerikanische Luftwaffe setzt die A-36A erfolgreich als Tiefangriffsflugzeug ein. Foto: NAA
entworfen. Gleichzeitig bietet NAA diese Neuentwicklung auch der USAAF an, die aber keinerlei Interesse zeigt. Am 29. Mai 1940 wird ein Vertrag über den Kauf von 320 Jagdflugzeugen NA-73 abgeschlossen, einem Flugzeug, das zu diesem Zeitpunkt nur auf dem Reißbrett existiert. Bedingung ist, dass der Prototyp binnen vier Monaten hergestellt ist. NAA unterbietet diese Forderung sogar, nach nur 102 Tagen ist der Prototyp NA-73X im Werk Inglewood bei Los Angeles fertig. Er hat allerdings noch einen kleinen Schönheitsfehler: Der Motor fehlt noch, da Allison das bestellte Triebwerk V-1710 nicht rechtzeitig liefern kann. 20 Tage später wird es zugestellt und am 26. Oktober 1940 startet dann die NA-73X mit Testpilot Vance Breese zum erfolgreichen Erstflug.
Die NA-73 ist, wie viele moderne Jäger dieser Zeit, als Tiefdecker in Ganzmetallbauweise ausgelegt − allerdings mit voll einziehbarem Heckradfahrwerk.
Konstruktionsmerkmale Die Konstrukteure nutzen die neuesten Erkenntnisse aus Europa. Die NA-73 zeigt dabei auffallende Ähnlichkeiten zur deutschen Messerschmitt Bf 109. Andererseits beschreitet North American durch die erstmalige Verwendung eines Laminarprofils für den Flügel Neuland. Auch die Anordnung der Kühler als widerstandserhöhendes Element am Flugzeug lösen die Konstrukteure anders. Nach intensiven Versuchen wird er als Düsenkühler zentral unter dem Rumpf angebracht. Eher konventio-
Erprobung und Einführung durch die Royal Air Force
KURZ VOR DEM START: Im Oktober 1942 werden neue P-51 Mustangs auf dem Flugfeld von NAA in Inglewood für die ersten Werksflüge vorbeFoto: NAA reitet.
nell gerät der Aufbau der Kabine für den Piloten. Sie geht nach hinten in die Rumpfstruktur über, was gleichzeitig den Sichtverlust des Piloten nach hinten bedeutet. Der eingebaute 1.165 PS starke 12-ZylinderReihenmotor Allison V-1710 F3R verfügt nur über einen einstufigen Lader, dessen Leistung zwar für niedrige Höhen ausreichend ist, in großen Höhen jedoch nur eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit besitzt.
Einführung in England Noch während der Erprobungsphase erhält NAA den ersten Lieferauftrag von 320 NA73-Jägern an die RAF. Am 30. Juni 1941 folgt ein zweiter Auftrag über weitere als NA-91 bezeichnete Jäger, die mit vier 20-mm-Kanonen als Mustang IA für die RAF vorgesehen sind. Kurz darauf (am 3. Juli 1941) fliegt die erste Nullserienmaschine. Inzwischen
HINTERGRUND
Rundumblick für die Briten
Die britischen Piloten klagen über die schlechten Sichtverhältnisse der Mustang nach hinten. Daher werden nahezu alle dort eingesetzten Mustang III mit der sogenannten Malcolm-Haube ausgerüstet, die aus einem Stück gefertigt ist und durch ihren halbkreisförmigen Querschnitt bessere Sichtverhältnisse bietet.
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geht der Bau der ersten zehn Maschinen der Nullserie zügig voran, so dass die Werkserprobung schnell abgeschlossen werden kann. Am 24. Oktober 1941 treffen die ersten nun als „Mustang“ bezeichneten Maschinen in England ein. Sie werden dort ausgiebigen Flugversuchen durch die Royal Air Force unterzogen. Sehr schnell stellt sich heraus, dass der neue Jäger jedem anderen amerikanischen Jäger überlegen ist. Selbst der Spitfire, dem besten britischen Jäger, ist die Mustang in geringen Höhen deutlich überlegen. Die allgemeinen Flugeigenschaften werden als durchweg gut beurteilt. Allerdings zeigt sich bei den Testflügen auch die Schwäche der Mustang. Die Motorleistung des eingebauten Allison-Triebwerks lässt mit zunehmender Höhe sehr schnell nach und dadurch wird die Mustang leistungsmäßig
deutlich schlechter. Damit sind die Einsatzmöglichkeiten für den neuen Typ beschränkt. Wegen ihrer überlegenen Geschwindigkeit am Boden und der starken Bewaffnung setzt die RAF die Mustang deshalb als schnellen Jagdaufklärer ein. Erstmals Feindberührung haben die neuen Jagdaufklärer während des britischen Landungsunternehmen am 19. August 1942 bei Dieppe.
Wenig Interesse der Amerikaner Zunächst zeigt sich die USAAF eher desinteressiert an dem neuen Jäger. Lediglich zwei Maschinen aus der Nullserie werden im amerikanischen Testzentrum von Wright Field, Ohio begutachtet. Die Erprobungsergebnisse sind zwar gut und die Maschine erhält nun auch offiziell die neue Bezeichnung P-51, aber Bestellungen erfolgen zunächst nicht. Mit dem Angriff auf Pearl Harbor und dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten im Dezember 1941 ändert sich diese Situation. Die amerikanische Luftwaffe ist aber eher an einer Version als Tief- und Sturzangriffsflugzeug interessiert. 500 als A-36A bezeichnete Sturzkampfflugzeuge mit hydraulisch betätigten Sturzflugbremsen werden deshalb bestellt und bewähren sich sehr gut unter anderem im Mittelmeerraum bei der Invasion Siziliens im Juli 1943. Der A-36A folgen 310 Maschinen der verbesserten Version NA-99, die als P-51A Jagdflugzeuge mit vier 12,7-
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Militär & Technik | P-51 Mustang
ACHILLESFERSE: Die Schwachstelle der B-17 F war die Bugbewaffnung. Das wussten auch die deutschen Piloten und flogen ihre Angriffe direkt von vorn. Foto: USAF
mm-Maschinengewehren ausgerüstet werden. 50 davon gehen als Mustang II nach England. Inzwischen haben die Briten ihre Mustangs bei Jagdeinsätzen über Frankreich erfolgreich einsetzen können. Die britischen Mustangs sind auch die ersten einmotorigen Jagdflugzeuge, die ab Oktober 1942 über Deutschland operieren können.
Die Mustang wird neu motorisiert Auf britischer Seite versucht man bereits zu einem frühen Zeitpunkt die unzureichende Höhenleistung der Mustang zu verbessern. Dazu wird im April 1942 der Motorenhersteller Rolls-Royce eingeschaltet, der den Einbau des leistungsstärkeren Motors RR Merlin 61 in die Mustang empfiehlt. RollsRoyce erhält den Auftrag fünf Mustangs, die als Mustang X bezeichnet werden, auf
HINTERGRUND
IN LAUERSTELLUNG: Jäger des Typs North American P-51 B , hier mit Invasionsstreifen, sind startbereit für den nächsten Einsatz. Sie gehörten zur 376. Fighter Squadron der 361. Fighter Group. Foto: USAF
den Merlin-Motor umzubauen. Mit geringem Änderungsumfang startet die erste Maschine am 13. Oktober 1942 zu ihrem Erstflug und bestätigt die Erwartungen. Zwei der umgebauten Maschinen erhält auch die USAAF für weitere Tests. Kurz darauf, im November 1942, fordert General Arnold für die weitere Luftkriegsführung 2.200 mit Merlin Motoren ausgerüstete P-51 Mustangs als Jäger für die US-Luftwaffe. Der Merlin-Motor ist in den USA ab 1943 vorhanden, da die Motorenfirma Packard ihn als Lizenzmotor V-1650 in Großserie baut. Geplant ist der V-1650-3, der über einen Zweistufenlader verfügt und für mittlere Höhen ausgelegt ist. Bei NAA beschränkt man sich aber nicht nur auf den Austausch der Motoren, sondern man unterzieht für diesen Einbau die gesamte Kon-
struktion einer umfassenden Überarbeitung. Daraus entsteht die komplett neue Version P-51B, deren erstes Muster am 30. November 1942 zum Erstflug startet. Äußerlich ist der Lufteinlauf für den Vergaser von der oberen Motorverkleidung unter den Rumpfbug verlegt worden, außerdem kommt eine Vierblattluftschraube zum Einbau. Die gesamte Zellenkonstruktion hat man entsprechend verstärkt und aerodynamisch überarbeitet. Das Ergebnis ist beeindruckend: Die P-51B erreicht nun in 9.100 Metern Höhe eine Höchstgeschwindigkeit von 710 km/h und ist damit zu einem der schnellsten Jäger geworden.
Wendepunkt „Double Strike“ Den Amerikanern wird sehr schnell klar, dass Schläge gegen die deutsche Flugzeug-
„Bubble-Haube“
Um die schlechten Sichtverhältnisse der P-51 grundlegend zu verbessern, überarbeitet North American das
Rumpfmittelteil der P-51B. Der abgeänderte Rumpf kann dadurch mit einer neuen Vollsicht-Schiebehaube ausgerüstet werden. Die Tests mit umgebauten Maschinen verlaufen erfolgreich. Man entschließt sich, diese „Bubble-Haube“ für die Serie zu übernehmen. North American liefert ab Mitte des Jahres 1944 die ersten Mustangs der neuen Baureihe P-51D nach Europa. Die P-51D wird mit fast 8.000 Exemplaren zur meistgebauten Baureihe der Mustang.
VERTEIDIGUNGSBEREIT: Ein Schwarm deutscher Focke-Wulf Fw 190 startet zum Abwehreinsatz gegen die amerikanischen schweren Bomber B-17. Foto: Sammlung Dietmar Hermann
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Schwere Verluste der Amerikaner
FRISCH AUS DEM WERK: Eine neue P-51 B, die erstmals mit dem in Lizenz gebauten Packard Merlin-Motor ausgerüstet ist. Foto: NAA
produktion entscheidend für den Gewinn des Luftkrieges sind. Unter dem Decknamen „Double Strike“ plant deshalb die amerikanische Luftwaffe am 17. August 1943 ihren ersten rein strategischen Bombenangriff gegen Deutschland. Der Angriff soll die Lebensadern der deutschen Rüstungsindustrie treffen, insbesondere die deutsche Flugzeugindustrie. Das erste Ziel ist Regensburg. Dort stellt Messerschmitt die erfolgreichen Bf-109-Jäger her. Der zweite Verband soll Schweinfurt angreifen, das Zentrum der deutschen Kugellagerindustrie. Beide Ziele liegen tief im deutschen Hinterland, was einen langen An- und Rückflug für die von England aus operierenden Bomber bedeutet. Und sie liegen zudem deutlich außerhalb der Reichweite der amerikanischen Begleitjäger − die Bomber sind auf sich allein gestellt. Doch die Amerikaner haben Vertrauen zu ihrer Technik und zu den Besatzungen, die die schweren Maschinen fliegen. Am Morgen des 17. August nehmen 146 Bomber Kurs auf Regensburg. Bis zum Erreichen der deutschen Westgrenze verläuft der Einsatz ohne große Probleme. Nachdem jedoch die P-47-Begleitjäger wegen Treibstoffmangels abdrehen müssen, sind die Bomber den Angriffen der Luftwaffe ausgesetzt. Die Deutschen setzen nicht nur Jagdflugzeuge mit konventionellen Bordwaffen ein, sondern zum ersten Mal im gro-
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PERFEKTE MECHANIK: Der von Packard in Lizenz gebaute Merlin-Motor eingesetzt in die Zelle der P-51 Mustang. Foto: Sammlung Dietmar Hermann
ABWEHRBEREIT: Jäger des Typs Messerschmitt Bf 109 G-6 mit geladenen Werferrohren sind für den nächsten Einsatz gerüstet. Foto: Sammlung Dietmar Hermann
ßen Maßstab auch großkalibrige Luft-LuftRaketen, genannt Wurfgranate WGr. 21. Gegen Mittag erreichen die Bomber ihr Ziel. Spreng- und Brandbomben treffen rund 70% des Werksgeländes. Die Treffgenauigkeit der amerikanischen Besatzungen ist gut: Die Produktionshallen werden schwer getroffen. Die Endmontage der Me 109 ist praktisch zerstört. Doch ihre Produktion kann schon bald wieder aufgenommen werden und im Dezember 1943 wird wieder die Fertigungsquote vom Juli 1943 erreicht. Insgesamt gehen bei dem Angriff auf Regensburg 24 B-17 Bomber mit ihren Besatzungen verloren. Der aus 230 B17-Bombern bestehende zweite Angriffs-
verband gegen Schweinfurt soll eigentlich zehn Minuten später starten. Doch dichter Nebel auf den Flugplätzen verzögert den Start um drei Stunden – Zeit genug für die deutschen Jäger nachzutanken und aufzumunitionieren. Die Begleitjäger müssen wieder über Belgien abdrehen. Über 300 deutsche Jäger nehmen an dem Kampf teil. Im großen Maßstab fliegen zweimotorige Zerstörer des Typs Me 110 Angriffe mit WGr.-21-Raketen. Allein auf dem Hinweg gehen so 22 der schwer bewaffneten B-17 verloren. 183 aber erreichen Schweinfurt und die Kugellagerindustrie wird schwer getroffen. Während des Rückfluges beginnt die Luftwaffe erneut die US-Bomber über
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Militär & Technik | P-51 Mustang
GUT GESCHÜTZT: P-51 Mustangs begleiten die schweren B-17-Bomber während des gesamten Einsatzes. Ab dem Frühjahr 1944 ein normales Bild Foto: USAF am deutschen Himmel.
Westdeutschland und Belgien zu attackieren. Insgesamt werden bei dem Unternehmen „Double Strike“ 60 B-17 sowie einige Jagdflugzeuge von den Deutschen abgeschossen; etwa 600 Amerikaner lassen dabei ihr Leben. Die Luftwaffe verliert hingegen nur 25 ihrer eingesetzten Jäger und einige Besatzungsmitglieder.
Die neue Raketenwaffe Als den Amerikanern klar wird, dass der Luftangriff gegen Schweinfurt im August nicht der entscheidende Schlag gegen die deutsche Kugellagerfabrikation war, entschließen sie sich zu einem weiteren schweren Angriff. Nur zwei Monate nach dem Unternehmen „Double Strike“ greifen sie am 14. Oktober 1943 erneut Schweinfurt an. Für die amerikanische Luftwaffe endet dieser Tag als Fiasko. 60 „fliegende Festungen“
werden abgeschossen. Dieser Angriff geht als „Schwarzer Donnerstag“ in die Geschichte der amerikanischen Luftwaffe ein. Ein Großteil der Abschüsse geht erneut auf das Konto der mit WGr. 21 ausgerüsteten Verbände. Die Wirkung ist für die Amerikaner demoralisierend. Dieser Erfolg der Luftwaffe führt kurzzeitig sogar zu einer Einstellung der amerikanischen Angriffe ins deutsche Hinterland. Die Luftwaffe kann erneut mehr als 300 Jäger aufbieten und verliert davon an diesem Tag 38 Maschinen. General Arnold als Oberbefehlshaber der USAAF gibt nach den schweren Angriffen auf Schweinfurt an, dass die Raketeneinsätze der Luftwaffe jetzt einen Punkt erreicht haben, der eine ernsthafte Gefahr für die eigenen Angriffs-Operationen darstellt. Er drängt, dass sofort Gegenmaßnahmen
AUFGERÜSTET: Den Begleitschutz übernehmen zunächst P-47 Thunderbolts. Deren interne Treibstoffkapazität ist aber nur gering. Daher werden sie mit abwerfbaren Zusatztanks bestückt. Foto: USAF
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ergriffen werden müssen, um die Bomber zu schützen. Die Moral der amerikanischen Besatzungen ist auf dem Tiefpunkt und das Vertrauen in die Fähigkeiten der eigenen Bomber erschüttert. Die deutschen Erfolge führen direkt zu Konsequenzen: Der schnellstmögliche Einsatz von Langstreckenbegleitjägern soll die B-17 permanent schützen.
Die neue P-51B bewährt sich Die USAAF hat die Mustang bislang nur als Erdkampfflugzeug gesehen. Doch in Kombination mit dem Merlin-Motor und den zwei internen 320-l-Tanks fällt die Wahl des neuen Begleitjägers auf die Mustang. Nach der Bestellung von 2.200 P-51B muss die Produktion für den neuen Jäger zwangsläufig ausgeweitet werden. Neben dem kalifornischen Stammwerk läuft die
VOM ANFANG BIS ZUM ENDE: Die Mustangs begleiten die eigenen schweren Bomber bis zum Ziel und wieder zurück. Hier eine P-51 B mit nachgerüsteter Malcolm-Haube. Foto: USAF
Die P-51 setzt sich durch
DETAILLIERT: Zeitgenössische perspektivische Zeichnung der P-51 C. ERFOLGREICHE BILANZ: An einer P-51 B finden Wartungsarbeiten Die Konstruktion wird den Gegebenheiten so gut angepasst, dass aus unter Feldbedingungen statt. Die Hakenkreuze am Rumpf der Musder P-51 ein höchst effektiver Jäger wird. Abb.: Sammlung Dietmar Hermann tang stehen für Abschüsse von deutschen Maschinen. Foto: USAF
HINTERGRUND
3 Allison V-1710
Der Allison V-1710 ist ein flüssiggekühlter 12-Zylinder-V-Motor und der einzige in den USA entwickelte Flugmotor dieser Bauart. Neben dem Einbau in der P-51 wird der Motor auch für die Lock-
Produktion ab Mitte 1943 in dem neuen Werk in Dallas, Texas an. Von der ersten Version der P-51 B-1 laufen 400 Maschinen vom Band, Dallas liefert 350 als P-51C bezeichnete Jäger aus. Alle Jäger sind ausgerüstet mit dem Packard V1650-3-Motor. Um die Reichweite zu vergrößern wird von den NAA-Ingenieuren noch zusätzlich ein 322-l-Tank hinter dem Pilotensitz der Mustang eingebaut. Weitere 800 P-51 B-5 folgen, die letzten 550 Maschinen davon erhalten den neuen Rumpftank, die damit zur P-51 B-7 werden. Die Rumpftanks werden nachträglich bei allen bereits ausgelieferten P-51B und C durch Frontwerften eingebaut. Mit Aufnahme der Produktion der P-51 C-5 kann der leistungsmäßig verbesserte V-1650-7-Motor eingebaut werden. Insgesamt liefert NAA rund 2.000 in Inglewood gebaute P-51B aus, 1.750 weitere P-51C kommen aus Dallas dazu. Im Rahmen des Pacht- und Leihabkommens erhält auch die RAF 274 P-51B und 636 P-51C, die dort als Mustang III eingesetzt werden.
Problematischer Begleitschutz Ab Mai 1943 übernimmt zunächst die Republic P-47 die Aufgabe für den Begleitschutz der Bomber. Ihr Eindringtiefe beträgt allerdings nur 280 km, also nur bis
Clausewitz 1/2013
heed P-38, Bell P-39 und Curtiss P-40 verwendet. Die meisten der Motoren sind mit Einstufenlader ausgerüstet, die nur für niedrige Höhen ausreichen. Mehr als 70.000 werden davon bis Kriegsende gebaut.
kurz über dem Ärmelkanal. Den Jägern fehlen Zusatztanks. Bereits Ende 1942 erkennen die Amerikaner, dass abwerfbare Zusatztanks die einzige Möglichkeit sind, die Reichweite ihrer Jäger zu erhöhen. Bis Anfang 1943 geschieht allerdings wenig. Erst zu diesem Zeitpunkt wird die Möglichkeit geprüft, Zusatztanks in England bauen zu lassen. Bedingt durch die Materialknappheit dort schlagen die Briten den Bau von 108 Gallonen (409 l) fassenden Papertanks vor. Diese, aus laminiertem und verleimtem Papier hergestellten Tanks halten nur für eine Mission. Sie sind dafür aber extrem leicht. Die ersten Lieferungen erfolgen im Juli 1943. Noch im August 1943 erhöht der Anbau des abwerfbaren Zusatztanks die Reichweite der P-47 auf 600 km. Im Februar 1944 kann der Aktionsradius durch die Mitnahme von zwei 108-Gallonen-Tanks um weitere 160 km gesteigert werden. Das alles wird noch übertroffen von der neuen P-51. Ohne Zusatztanks fliegt diese Maschine soweit wie die demit schon bestückte P-47. Mit zwei 75-Gallonen-Tanks (284 l) ab März 1944 fliegt die Mustang 1.040 km Begleitschutz und erstmals im gleichen Monat mit 108-Gallonen-Zusatztanks sogar 1.360 km.
Von nun an begleiten die P-51 die Bomber zu jedem Angriffsziel. Es dauert allerdings noch bis zum Frühjahr 1944 bis die Anzahl der notwendigen Jäger dem tatsächlichen Bedarf entspricht. Laut General Eaker reduziert allein die Anwesenheit einer Begleitjägergruppe beim Aufeinandertreffen mit der Luftwaffe die Verluste um 75%. Erste P-51-Verbände werden Ende 1943 nach England verlegt. Den ersten Einsatz fliegen sie am 11. Februar 1944. Die P-51 entwickelt sich von da an sehr schnell zum bevorzugten Langstreckenbegleitjäger und löst die P-47 relativ zügig ab.
Die Luftüberlegenheit Bereits drei Monate nach Schweinfurt zeigen die amerikanischen Maßnahmen Wirkung und das ganze Geschehen beginnt sich zu Gunsten der Amerikaner zu ändern. Die Entwicklung der Langstreckenbegleitjäger in Kombination mit den neuen Zusatztanks ist die richtige Antwort auf die deutsche Taktik, die Bomber mit Raketen anzugreifen. Ab Februar 1944 begleiten immer mehr moderne P-51 die amerikanischen Bomber zu ihren Zielen. Zu diesem Zeitpunkt besitzt die Luftwaffe keinen Jäger mehr, der die Leistungsklasse der Mustang erreicht. Während sich die Verluste der wendigen amerikanischen Begleitjäger in Grenzen halten, verlieren die Deutschen mehr und mehr ihrer Jäger und Zerstörer. Aufgrund zahlenmäßiger Überlegenheit und besserer Ausbildung ihrer Piloten erringen die Alliierten hauptsächlich mit der Mustang endgültig die Luftherrschaft über Deutschland. Dietmar Hermann, Dipl. Ing. für Nachrichtentechnik aus Dortmund, Experte für deutsche Luftfahrtgeschichte und Verfasser zahlreicher Fachartikel und Bücher.
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Spurensuche
Atomwaffen im Kalten Krieg
Die Minuteman Missile Sites in den USA SCHLICHT: Die über den gesamten Mittleren Westen der USA verteilten unterirdischen LCC verbergen sich unter solchen unscheinbaren Gebäuden, wie jenes der jetzigen Ronald Reagan Minuteman Missile State Historic Site bei Cooperstown in Alle Fotos: Autor North Dakota.
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uf Basis des START-Vertrags werden die über den Mittleren Westen verstreuten Kommandobunker und unterirdischen Raketensilos zerstört – mit zwei Ausnahmen, die in North und South Dakota zu Museen umfunktioniert werden. Nichts erinnert daran, dass hier einst einer der heißesten Plätze des Kalten Krieges gewesen ist. Auch nicht das flache Gebäude auf einer Anhöhe nördlich des Interstate Highway 90, von wo aus die Landschaft gut zu überblicken ist. Vom I-90, der sich wie eine Schlange durch die Prärie windet, fällt
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das Haus dagegen kaum auf. Am Horizont glitzern die rotbraunen Felsen des Badlands Nationalparks. Nur wenige Menschen leben hier in der Mitte von Nirgendwo. Die Gegend ist daher wie geschaffen für geheime militärische Anlagen.
Geeignetes Gelände Um 1960 beginnt die U.S. Air Force, sich nach Standorten für Silos und Kommandobunker für die neuartigen, mit Festbrennstoff betriebenen Minuteman-Raketen umzuschauen. Es sollen möglichst viele Ra-
keten untergebracht, aber auch ein Sicherheitsabstand zwischen den Silos von mindestens fünf Kilometern eingehalten werden. Zudem gilt es, Sabotage weitgehend auszuschließen. Auch die Geländeform, die Bodenbeschaffenheit und Wasservorkommen – notfalls wird ein 900 Meter tiefer Brunnen gebohrt – spielen eine Rolle. Hinzu kommt die geografische Lage: Die ersten Varianten erreichen in der Praxis nicht die offizielle Reichweite von 5.500 Meilen, also 8.800 Kilometern. So sind die angedachten Ziele im europäischen Teil der
31. Juli 1991: George Bush und Michail Gorbatschow unterzeichnen den START-Vertrag zur Verringerung strategischer Waffen. In der Folge stellen die USA ihre 450 mit Atomsprengköpfen bestückten Interkontinentalraketen vom Typ Minuteman II außer Dienst. Von Walter Kreuzer
WEGBEREITERIN: Rangerin Pamela Grisword, hier im LCC Delta 01, gehört zu den Pionieren unter den Mitarbeitern der Minuteman Missiles National Historic Site.
Sowjetunion kaum zu erreichen. Texas, Georgia oder Oklahoma kommen deshalb für eine Stationierung nicht mehr in Frage. Man konzentriert sich auf die Northern Plains. Dort werden North und South Dakota, Missouri, Montana, Wyoming, Colorado und Nebraska ausgewählt, was in diesen strukturschwachen ländlichen Regionen des Mittleren Westens enorme wirtschaftliche Auswirkungen hat. Zu den Luftwaffenstützpunkten, denen die Minuteman zugeordnet werden, gehören die Ellsworth Air Force Base nahe Ra-
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pid City im Südwesten von South Dakota sowie die Great Forks Air Force Base im Nordosten von North Dakota. Zumeist auf Landstraßen geht es zwischen unendlichen Getreidefeldern und Weiden hindurch. Dann ist die Launch Facility November-33 erreicht.
Mitten im Nirgendwo Ein braunes Schild weist zu einem geschotterten Weg, der nach 150 Metern an einem Maschendrahtzaun endet. Das Gelände hat kaum die Größe eines Fußballplatzes. Um-
geben ist es von Äckern und Schilfgras; Vögel zwitschern, der Wind bläst kräftig über das flache Land. Hier also hatte US-Präsident John F. Kennedy sein „Ace in the hole“ versteckt. Ab 1966 ist November-33 eines jener „Löcher“, in denen die U.S. Air Force ihre als Ass im Rüstungswettlauf mit der Sowjetunion erachteten Minuteman versteckt hält. Im Zuge der Umsetzung des START-Abkommens wird die Anlage 1997 außer Betrieb gestellt. Nun ist sie Teil der Ronald Reagan Minuteman Missiles State Historic
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Spurensuche
KALTER KRIEG HAUTNAH: Das Raketensilo Delta 09 in South Dakota gewährt den Blick auf eine Übungsrakete vom Typ Minuteman II.
Site. Mehr als ein Dutzend Schautafeln geben Informationen zum Kalten Krieg und den Raketen, die noch immer den Kern der amerikanischen Atomstreitmacht ausmachen. Letzteres inzwischen in Form der Minuteman III, die nicht unter den Abrüstungsvertrag von 1991 fallen.
Gigantisches Zerstörungspotenzial Im hinteren Bereich von November-33 ist eine 140 Zentimeter hohe, 80 Tonnen schwere und etwa sieben Meter große eckige Betonplatte zu sehen. Diese lässt sich offensichtlich auf Schienen bewegen. Es handelt sich um die Abdeckung des Silos für die knapp 18 Meter lange Minuteman II. Ein Atomsprengkopf kann damit 11.300 Kilometer weit transportiert werden – bei einer maximalen Geschwindigkeit von 29.030 Stundenkilometern. Die Sprengkraft wird mit mehr als 300 Kilotonnen angegeben. Zum Vergleich: Hiroshima und Nagasaki wurden mit 13 beziehungsweise 21 Kilotonnen in Schutt und Asche gelegt. Viel mehr als eine Metallplatte über dem Einstieg für die Wartungsmannschaften in das Silo und einige kerzengerade in den Himmel ragende Antennen ist hier nicht zu sehen. Auch keine Rakete. Das ist 700 Kilometer entfernt in South Dakota anders. Das Navigationsgerät führt auf der Suche nach der Minuteman Missile
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National Historic Site zur Ausfahrt 116 des I-90 und über eine holprige Straße zum Silo Delta-09. Das Bild gleicht jenem bei November-33: Ein eingezäuntes Gelände inmitten einer weiten Ebene, die als Weideland für Rinder genutzt wird. Statt informativer Schautafeln gibt es hier unter einer Glasabdeckung eine echte Rakete – ei-
ähnliches wird vor Ort schon seit sechs Jahren erzählt. Geändert hat sich seither lediglich, dass es nun zwei statt nur einen Bürocontainer gibt. Hier übernimmt Carl Engwall, der Facility Specialist des Parks die Führung. Mit dem Auto geht es drei Meilen zurück Richtung Westen. Auf einem Hügel, einen Kilo-
„Ein Atomkrieg darf nicht geführt und kann nicht gewonnen werden.“ Michail Gorbatschow bei einem Treffen mit Ronald Reagan (1985)
ne Übungsrakete vom Typ Minuteman II – im unterirdischen Betonsilo zu sehen. Eine Gepflogenheit aus der Zeit des Kalten Krieges scheint sich in abgewandelter Form erhalten zu haben. Wenngleich die Menschen in den Dakotas natürlich wissen, dass sich quasi in ihrem Vorgarten militärische Anlagen befinden, werden die genauen Standorte der Bunker und Silos nicht an die große Glocke gehängt. Ähnlich verhält es sich mit der Minuteman Missile National Historic Site. Diese wird seit 1999 vom Nationalparkservice verwaltet, Hinweisschilder am Interstate sind allerdings Mangelware. Nächstes Jahr soll ein Besucherzentrum für 500.000 Gäste gebaut werden –
meter vom Exit 128 entfernt, liegt Delta-01. Das Gelände ist durch einen Elektrozaun gesichert. Ein gepanzerter Wagen – im AirForce-Jargon „Peacekeeper“ genannt – gibt einen Eindruck vom einst enormen Sicherheitsbedürfnis. Ein anderes Beispiel hierfür steht 60 Meter vom Haus entfernt in einer Ecke des Freigeländes: Die eiserne Trommel mit Lüftungsschlitzen erinnert an einen verrosteten Kugelgrill. „Hier haben die Missileers ihren Code verbrennen müssen, wenn sie ihren Dienst beendeten“, erläutert Carl Engwall, selbst ehemaliger Air-ForcePilot. Als „Missileers“ bezeichnet er jene jungen Offiziere, die im Bunker ihren Dienst taten.
Sicherheitsmaßnahmen gegen Sabotage und Spionage
GUT ÜBERSCHAUBAR: Das Sicherheitscenter von Oscar 0 bietet einen freien Blick über die Prärie von North Dakota. ZWISCHEN DEN EINSÄTZEN: Ihre Freizeit während der mehrtägigen Einsätze in Delta 1 verbrachten die Soldaten zum Teil in diesem im Stil der 1970er-Jahre eingerichteten Aufenthaltsraum.
Die Besatzung des LCC besteht hier oben aus acht Personen. Die sechs Wachsoldaten und der Koch bleiben für drei Tage, der für die Organisation und Hausmeisteraufgaben zuständige Facility Manager eine knappe Woche im LCC. Hier arbeiten und schlafen sie und verbringen ihre Freizeit. Dem Zeitvertreib dienen ein Volleyballfeld und ein Basketballkorb auf dem Hof sowie ein Aufenthaltsraum. Spiele wie Schiffe versenken, Billardtische, Tischtennisplatten, Kassettenrekorder und ab den 1980er-Jahren auch Fernseher sorgen für zusätzliche Abwechslung.
Gut bewacht Der Bungalow, das Launch Control Facility Support Building, ist unscheinbar. Die Einrichtung der Zimmer entspricht dem Geschmack der 1970er- und 1980er-Jahre. Neben der Unabhängigkeit der Anlage von der Außenwelt – alle technischen Einrichtungen sind mehrfach gesichert – hat die Sicherheit oberste Priorität. Deshalb bilden die beiden Flight Security Controllers und die ihnen unterstellten Security Alert Teams
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ZEITMASCHINE: In die 1960er-Jahre zurückversetzt fühlt sich der Besucher von Oscar 0 angesichts dieser Computer- und Schaltschränke im unterirdischen LCC.
den Kern der Besatzung. „Sie hatten Polizeiaufgaben, achteten darauf, dass niemand auf das Gelände kam“, erzählt Nathaniel Clifton. Der Student führt Besucher durch Oscar Zero, jenen zumindest oberirdisch weitgehend identisch aufgebauten Launch Control Center nördlich des Städtchens Cooperstown in North Dakota, der seit 2009 als Ronald Reagan Minuteman Missile State Historic Site ebenfalls für Besucher zugänglich ist. Vom Security Center an der dem Tor zugewandten Ecke des Gebäudes aus wird alles überwacht. „Besucher mussten ihr Auto abstellen und zur Tür kommen. Hier sind zwei Türen hintereinander. Bevor die zweite geöffnet wurde, mussten die Ausweispapiere durch einen Schlitz in den Security Center geschoben werden“, sagt Clifton weiter. Von hier oben wird der Kontakt zu den „Missileers“ im unterirdischen Kommandostand gehalten. Und die „Security Alert Teams“ werden mit dem „Peacekeeper“ losgeschickt, wenn an einem der zehn durch armdicke luftdruckgesicherte HICKS-Kabel mit dem LCC verbundenen
Raketensilos eine Bewegung festgestellt wird. „Das passierte ständig, vor allem bei Stürmen oder Schneestürmen. Meistens handelte es sich um falschen Alarm, aber die Sicherheitsleute oben mussten jemanden rausschicken“, ist zu erfahren.
Unter der Erde Das Herzstück eines Launch Control Centers liegt gut versteckt etliche Meter unter der Erde. Um dorthin zu gelangen, müssen sich die „Missileers“ gleich vier Mal autorisieren, wenn sie ihre 24-Stunden-Schicht antreten: am Tor, am Eingang zum Gebäude, im Security Center und schließlich in einem kleinen Raum, der den Zugang zu einem Aufzug gewährt. Während bei Delta-01 gerade einmal eine Handvoll Personen Platz in dem rustikalen Lift finden, handelt es sich bei Oskar Zero um einen relativ geräumigen Lastenaufzug mit mehr als vier Tonnen Tragfähigkeit. Vor dem Aufzug schließen sich zwei Gitter. Mit lautem Getöse setzt er sich in Bewegung – ganz langsam geht es abwärts.
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Spurensuche
AMERIKANISCHE POPKULTUR: Der Arbeitsplatz des Kommandeurs von Oscar 0 wird von diesem Bugs Bunny bewacht.
Hier unten wird schnell deutlich, warum in den beiden zugänglichen LCC unterschiedlich große Fahrstühle eingebaut sind: Bei Oskar Zero sind im Gegensatz zu Delta-01 gleich zwei Kapseln vergraben. Beide sind schwankend an Stoßabsorbern aufgehängt und können gut einen halben Meter in jede Richtung schwingen. Eine der Kapseln enthält das Launch Control Equipment Building (LCEB), also den Technikraum. Von hier aus wird die Versorgung des eigentlichen Kontrollstandes mit Energie und Luft geregelt. Gesichert ist er durch eine sieben Tonnen schwere Eisentür, die jedem Tresorraum einer Großbank zur Ehre gereichen würde. Im LCEB ist ein sonores Brummen zu hören. Salzwasser für die Heizungs- und Kühlsysteme, Luftfilter, Diesel für die Generatoren und anderes Gerät versprühen
den Charme der 1960er-Jahre. Sie sollten die „Missileers“ für mindestens 30 Tage unabhängig von der Außenwelt machen. Die Türen werden nur bei einem Schichtwechsel geöffnet – ein Handrad wird gedreht und mit einer Metallstange werden ein Dutzend Stäbe hydraulisch in die in die Wand eingelassenen Löcher geschoben.
Spezieller Sicherheitsmechanismus Wenige Schritte weiter befindet sich eine weitere „Blast Door“, hinter der sich die Abschusszentrale für die Minuteman befindet. Sie ist fast identisch mit der anderen. Allerdings kann sie nur von innen bedient werden, wenn sie erst einmal geschlossen ist. Lediglich der Facility Manager kann sie
ADRESSEN Ronald Reagan Minuteman Missile Site Reagan Minuteman Missile State Historic Site 555 113-1/2 Ave NE Hwy 45 PO Box 6 Cooperstown, ND 58425-0006 Eintritt: 10 $, Kinder 3 $ Öffnungszeiten: November bis 28. Februar: nur nach Anmeldung, 1. März bis 15. Mai und 16. September bis 31. Oktober: Montag und Donnerstag bis Samstag, 10 bis 18 Uhr, Sonntag 10 bis 17 Uhr, 16. Mai bis 15. September: täglich 10 bis 18 Uhr, Touren beginnen alle halbe Stunde. Internet: www.history.nd.gov/historicsites/ minutemanmissile
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Minuteman Missile National Historic Site Postanschrift: Minuteman Missile NHS 1280 SD Hwy 240 Philip, SD 57567 Anfahrt: Alle geführten Touren beginnen an der Contact Station des Parks in der Nähe von Exit 131 des I-90, neben der Conoco-Tankstelle. Eintritt: Gratis Öffnungszeiten: Contact Station: Täglich 8 bis 16:30 Uhr, November bis April an Wochenenden 9 bis 16 Uhr Führungen: November bis April: 10 und 14 Uhr, ab Mai täglich in dichteren Intervallen, Tickets sind an der Contact Station erhältlich. Internet: www.nps.gov/mimi
im Notfall öffnen, was etwa 50 Minuten dauert. Bis zur „Last Alert“, der letzten Schicht, in Oskar Zero am 17. Juli 1997 galt hier die gleiche Vorschrift wie in allen anderen LCC: „No-Lone Zone two person concept applies“ steht in greller Farbe auf einem Schild. Eine gelbe Linie auf dem Boden unterstreicht die Anweisung zusätzlich. Wer auf die andere Seite möchte, muss von einer anderen Person begleitet und beaufsichtigt werden. Der Grund ist klar: Es muss unter allen Umständen verhindert werden, dass „Missileers“ eigenmächtig eine Atomrakete abfeuern. Dafür sind zahlreiche weitere Sicherungen ins System eingebaut. Das fängt bei der Auswahl der Soldaten für die Combat Crews an. Sie sollten zuverlässig, stabil und intelligent sein. Und man musste sich darauf verlassen können, dass sie im Durcheinander eines atomaren Krieges eine Minuteman abschießen würden – aber nicht früher. Colonel Richard Butler von der Personalabteilung des Strategic Air Commands der USA (SAC) drückte es 1963 so aus: „Wir brauchen eine Art Einsiedler. Aber ein Einsiedler hätte nicht die Haupteigenschaften, die wir brauchen.“ Andere Sicherheitsvorkehrungen gegen einen nicht autorisierten Raketenabschuss werden innerhalb der etwa vier Meter breiten und gut neun Meter langen Kapsel deutlich. Hinter der Betontüre gelangt man durch einen tunnelähnlichen niedrigen Durchgang und über eine Stahlplatte, die den Abstand zwischen äußerer und innerer
Beschaulicher Alltag
EIGENWILLIGE KUNST: Schwarzen Humor demonstrierten die in Delta 01 eingesetzten Offiziere mit diesem Gemälde auf der tonnenschweren Tür zum unterirdischen Kommandostand.
KOMMANDANTENPLATZ: Diese Kontrolleinheit befindet sich in Delta 01, am Kopfende der Abschusszentrale.
Schale der Kapsel überbrückt, in das eigentliche LCC. Kaum eingetreten fühlt man sich zurückversetzt in längst vergangene Zeiten. Die Kommunikationsgeräte und Computerausstattung stammen aus den 1960erJahren. Auch wenn sie aus heutiger Sicht altertümlich erscheinen: Sie erfüllten bis in die 1990er-Jahre ihren Zweck.
Kein „heißer“ Einsatz Der Kommandostand umfasst zwei Pulte mit einer Vielzahl an Schaltern, Knöpfen und Anzeigen. Diese dienten vor allem der Kommunikation mit anderen Launch Control Centers, dem Stützpunkt oder dem SAC. Die Plätze des Commanders am Ende des Raumes und des Deputy Commanders, rechts wenige Schritte vom Eingang, sind etwa vier Meter auseinander. Vor jedem Pult befinden sich rote Flugzeugsitze, die sich auf Schienen seitwärts bewegen lassen. Sie sind mit Becken- und Schultergurten ausgestattet. Der Zustand der zehn von hier aus gesteuerten Raketen lässt sich jederzeit
JAHRELANG IM EINSATZ: Ähnlich wie die in den Launch Control Centers verwendete Technik haben sich die Uniformen der in Oscar 0 eingesetzten Soldaten kaum verändert.
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kontrollieren. Bei Bedarf kann auch auf einen anderen Flight umgeschaltet werden. „Das wurde dann gemacht, wenn die Kollegen aus einem anderen LCC für kurze Zeit nicht einsatzfähig waren“, erläutert Nathaniel Clifton in Oskar Zero diesen Secundary Flight Group Status. Direkt ins Auge sticht einem ein roter, damals mit zwei Vorhängeschlössern gesicherter Eisenkasten oberhalb des DeputyPlatzes: In diesem befindet sich das „Coockie“. Gemeint sind die zum Starten der Raketen nötigen Schlüssel sowie der Autorisierungscode. Damit dieser funktioniert, ist ein passender zweiter Teil notwendig, den nur der US-Präsident kennt. Um eine Rakete zu starten, muss sie durch den Commander scharfgemacht werden. Beide „Missileers“ müssen innerhalb von zwei Sekunden ihren Schlüssel zeitgleich umdrehen, wenn sie für die angegebene Rakete den entsprechenden Schalter umgelegt haben. Damit nicht genug: „Ein zweites Control Center oder das SAC muss ebenfalls das Startsignal geben. Erst dann wird der Start wirklich ausgelöst. Von nun an gibt es keinen Weg zurück“, erzählt
Clifton. Welches Ziel angesteuert wird, ist im Bunker nicht bekannt. Jede Minuteman hatte acht Ziele. Die „Missileers“ mussten nur von Ziel 2 auf Ziel 3 umstellen. Carl Engwall betont in Delta-01: „Der Befehl kann nur vom Präsidenten selbst gegeben werden.“ Hätte er diesen erteilt, wären bis zum Umdrehen der Schlüssel keine 60 Sekunden vergangen. Dazu ist es gottseidank nie gekommen. Entsprechend langweilig konnte eine 24Stunden-Schicht werden. „Wir arbeiteten viel an unserem Master-Abschluss und übten für die nächste Prüfung“, erinnert sich der pensionierte Major Jim Boensch, der heute Touristen durch Delta-01 führt. „Wir waren nicht nur hoch bezahlte Zeitschriftenleser, sondern auch hoch bezahlte Telefonisten. Häufig haben wir unsere Freunde angerufen.“ Hinzufügen könnte man, dass die „Missileers“ sich auch als hoch bezahlte Künstler versuchten. Vor allem in den Jahren nach Unterzeichnung des STARTAbkommens verzierten sie die LCC mit ihren Gemälden. Manches Werk beeindruckt durch schwarzen Humor. Ein besonders beredtes Beispiel ist in Delta-01 zu sehen: Es zeigt die Schachtel eines Pizzadienstes mit einer Minuteman II Rakete. Der Text lautet: „Weltweite Lieferung in 30 Minuten oder weniger – oder die nächste Lieferung ist frei.“ Walter Kreuzer, Jahrgang 1963, seit 1991 Tageszeitungsredakteur und Autor von Reisereportagen mit dem Schwerpunkt Nordamerika.
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Feldherren MANN GEGEN MANN: Szene aus der Schlacht von Pavia im Februar 1525, in der Frundsberg und die habsburgischen Truppen einen großen Erfolg gegen die Franzosen erringen können. Abb.: picture-alliance/akg-images
Georg von Frundsberg
„Vater der Landsknechte“ 72
A
m 27. April 1522 stehen sich deutsche Landsknechte und Schweizer Söldner in französischen Diensten Aug’ in Aug’ gegenüber. Arnold von Winkelried, ein Feldhauptmann der Schweizer, ruft seinem alten Bekannten und Widersacher zu: „Du alter Gesell, find ich dich hier? Du musst von meiner Hand sterben!“ Der so Angesprochene erwidert: „Das soll dir widerfahren, will’s Gott!“ Im folgenden Zweikampf, einer Szene wie aus dem Trojanischen Krieg, „erlegt er den Winkelried“ vor den Augen der aufmarschierten Heere, angeblich erschlägt er den Feldobristen der Schweizer, Albrecht von Stein, anschließend auch noch und 20 weitere im ersten Glied stehende Offiziere der Schweizer. Die nennen den riesenhaften Kämpfer fortan „Leutfresser“. Die Rede ist von Georg von Frundsberg, dem „Vater der Landsknechte“. Er entstammt einem alten Tiroler Rittergeschlecht, das auch in Schwaben begütert ist. Am 24. Juli 1467 kauften die Brüder Hans und Ulrich von Frundsberg die Mindelburg (bei Mindelheim) von Bero II. von Rechberg. Hier wird am 24. September 1473 der Sohn Ulrichs und seiner Frau Barbara von Rechberg, Georg, geboren. Er ist eines von 14 Geschwistern. Der Junker beginnt, sich schon früh für militärische Dinge zu interessieren. Vater Ulrich, begleitet von seinem Sohn Georg, kommandiert 1492 als Feldhauptmann ein kleineres Kontingent des Schwäbischen Bundes im Heer des Reichshauptmannes Markgraf Friedrich von Brandenburg-Ansbach gegen Herzog Albrecht von Bayern. Dieser lenkt jedoch ein und so kommt es nicht zu Kampfhandlungen. Es folgen sieben Friedensjahre. Im Januar 1499 bricht zwischen den Eidgenossen einerseits und den Habsburgern beziehungsweise dem Schwäbischen Bund
BIOGRAPHIE
Georg von Frundsberg
1473 Geburt in Mindelheim 1492 Teilnahme am Aufmarsch des Schwäbischen Bundes gegen Herzog Albrecht von Bayern 1499 Teilnahme am „Schweizerkrieg“ 1499 Teilnahme am Expeditionskorps Maximilians zur Verstärkung des Mailänder Herzogs 1500 Heirat mit Katharina von Schrofenstein 1504-05 Teilnahme am Landshuter Erbfolgekrieg als Obrist des Memminger Kontingents 1504 Schlacht bei Wenzenbach, Ritterschlag 1505 Teilnahme am Feldzug gegen den Herzog von Geldern 1511 Schlacht von Bologna, Sieg über päpstliche und venezianische Truppen 1511 Eroberung von Peutelstein 1512 Belagerung der Burg Hohenkrähen 1513 Sieg über die Venezianer bei Vicenza
Anfang des 16. Jahrhunderts: Am Ausgang des Mittelalters entsteht ein neuer Kriegertypus: der Landsknecht. Besonders ein Mann ist untrennbar verbunden mit den Erfolgen und dem Charakter der Landsknechte: Georg von Frundsberg.
1517 Tod seiner Ehefrau Katharina 1518 Erwerb von Schloss Mindelburg 1519 Heirat mit Gräfin Anna Lodron 1519 Reichexekution gegen Herzog Ulrich von Württemberg 1521 Reichstag von Worms, Ernennung zum kaiserlichen Rat 1521 Krieg gegen Frankreich, Unentschieden von Valenciennes 1522 Sieg über die Franzosen bei Bicocca 1522 Erstürmung Genuas 1522 Herausgabe von „Trewer Rath und Bedencken“ (Autor wahrscheinlich Frundsberg) 1525 Krieg gegen Frankreich, Schlacht bei Pavia 1525 Einsätze im Bauernkrieg in Schwaben, Salzburg und Tirol 1526 Feldzug in Oberitalien 1527 Vormarsch auf Rom, Schlaganfall im Lager von Bologna 1528 Tod in Mindelheim
BERÜHMT: Georg von Frundsberg als Feldhauptmann der Landsknechte in kaiserlichhabsburgischen Diensten, zeitgenössische Darstellung von Christoph Amberger. Abb.: picture-alliance/picture-alliance
Von Hagen Seehase
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Feldherren wegen, sich weiter am Vorbild der Schweizer zu orientieren. Es hat im „Schweizerkrieg“ ja auch Beispiele gegeben, in denen erfahrene Feldhauptleute auf der Seite der Habsburger beachtliche Gefechtserfolge errangen: Friedrich Kappler konnte am 1. Juni die Schweizer bei Altkirch besiegen, wenige Tage später bei Lauf. Die Dominanz der lanzenstarrenden Infanterieformationen, wenn sie aus geschulten Kämpfern bestehen, wird offenbar. Diese Erkenntnis ist zu den politischen Verantwortungsträgern durchgedrungen, wie ein Aufruf des Schwäbischen Bundes vom Landtag zu Überlingen beweist, „man solle die Bauern und Ungeübten zu Hause lassen und dafür Fußknechte schicken.“ In den folgenden Kriegszügen in Oberitalien bewährt sich Frundsberg als Feldkommandeur. Der herkulisch gebaute und charismatische Schwabe, der seine Landsknechte gewöhnlich mit „Sohn“ oder „Bruder“ anredet, gewinnt durch seine Führungsqualitäten wie durch seine Fürsorge für seine Landsknechte den Respekt seiner Leute. Persönlich fromm, tapfer und ausgesprochen loyal verkörpert Frundsberg einen neuen Typus des Feldkommandeurs.
Frundsbergs „Husarenstück“
PROTEST: Im Feldlager von Bologna im Frühjahr 1527 fordern die Landsknechte von ihrem Anführer mit Waffengewalt die Auszahlung des Soldes. Der von den Strapazen der vorangegangenen Kämpfe erschöpfte Frundsberg Abb.: ullstein bild erleidet einen Zusammenbruch.
andererseits ein bewaffneter Konflikt aus, an dem auch Frundsberg teilnimmt. Der „Schweizerkrieg“ (oder „Schwabenkrieg“ aus der anderen Perspektive) wird mit äußerster Härte und Grausamkeit geführt und fordert einen beträchtlichen Blutzoll – besonders unter den Kontingenten des Schwäbischen Bundes, in denen Georg von Frundsberg dient. Die verheerende Niederlage von Dornach an der Birs am 22. Juli 1499 erzwingt die Verhandlungsbereitschaft von den Gegnern der Eidgenossen. Der Frieden von Basel am 22. September 1499 beendet die Kampfhandlungen und bedeutet das fakti-
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sche Ausscheiden der Eidgenossenschaft aus dem Reichsverband.
Lehrjahre Frundsberg spielt in der Auseinandersetzung keine entscheidende Rolle, allerdings soll diese Feldzugserfahrung für ihn prägend wirken. Die Schweizer haben die überragende Schlagkraft ihrer Wehrordnung und Taktiken erneut unter Beweis gestellt und sich den (zum Teil nach ihrem Vorbild gegliederten) Aufgeboten des Schwäbischen Bundes und der vorderösterreichischen Herrschaften überlegen gezeigt. Dies mag den jungen Frundsberg be-
Noch im Jahr 1499 dient Frundsberg in einem Expeditionskorps, das vom römischdeutschen König Maximilian dem Herzog von Mailand (Ludovico Sforza) zur Hilfe im Kampf gegen die Franzosen geschickt wird. Allerdings erhält Frundsberg keine Gelegenheit, sich auf diesem Feldzug auszuzeichnen. Im Jahre 1500 heiratet er Katharina von Schrofenstein, mehrere Söhne aus dieser Ehe – insgesamt sind es sieben Kinder – werden später in die väterlichen Fußstapfen treten. Im Landshuter Erbfolgekrieg (1504 bis 1505) geht es um das Erbe des Herzogs Georg von Bayern-Landshut, das sowohl von seinem Schwager Albrecht, Herzog von Bayern-München, als auch von seinem Schwiegersohn Rupprecht von der Pfalz beansprucht wird. An der Seite Rupprechts kämpfen die Truppen seines Vaters Kurfürst Philipp von der Pfalz. In einem Krieg, der sich eher durch große Belagerungen (Kufstein, Burg Guttenfels) als durch Feldschlachten auszeichnet, nimmt Frundsberg im Aufgebot des Schwäbischen Bundes als Kommandeur des Memminger Kontingents teil. Daneben kämpfen noch verschieden Reichsfürsten und auch der römischdeutsche König Maximilian auf der Seite Albrechts. In der Schlacht von Wenzenbach (auch „Schlacht von Schönberg“ oder „Schlacht am Staufferforst“ genannt) am
Frundsbergs „Ritterschlag“
MALERISCH: Die Mindelburg oberhalb der schwäbischen Stadt Mindelheim in ihrem heutigen Zustand. Hier stirbt Georg von Frundsberg im Jahr 1528. Foto: ullstein bild - imagebroker.net/Martin Siepmann
12. September 1504 gelingt Frundsberg ein Husarenstück. In dieser Schlacht stehen sich die alliierten Reichsfürsten einschließlich Maximilians mit ihren Truppen den Böhmen gegenüber. Ein erster Reiterangriff des Markgrafen Kasimir von Brandenburg misslingt völlig. Weitere Reiterangriffe gegen die böhmische Schlachtlinie, die aus Hellebardieren und Büchsen- und Armbrustschützen hinter einem Wall von „Pavesen“ (Setzschilden) bestand, bringen keine Entscheidung. Erst die Landsknechte, 4.000 Mann in 31 Fähnlein, bezwingen die böhmische Schlachtordnung. Frundsberg gelingt die Eroberung einer Fahne des Gegners. Für diese Tat wird er zum Ritter geschlagen.
Im Dienste Maximilians Es folgen weitere Feldzüge, so 1505 gegen den Herzog von Geldern in den Niederlanden, dann gegen die Republik Venedig in Oberitalien. Kaiser Maximilian lässt bei seiner Rückkehr aus Italien nach Tirol einige Truppenverbände unter dem Markgrafen Albrecht von Brandenburg in Verona zurück. Unter ihnen befindet sich auch Georg von Frundsberg als Obrist eines Landsknechtsregimentes. Am 22. Mai 1511 kommt es zur Schlacht von Bologna, in der die Landsknechte das päpstlich-venezianische Heer vollständig schlagen. Der siegreiche Frundsberg kehrt nach Deutschland zurück. Auf dem Rückmarsch erobert er mit 1.800 Mann am 13. Oktober 1511 Peutelstein in den Dolomiten. Im November 1512 kommandiert Georg von Frundsberg die Truppen des Schwäbischen Bundes bei der Belagerung der Burg
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Hohenkrähen, die nach drei Tagen heftigen Beschusses und der nächtlichen Flucht des Burgherren eingenommen wird. Wenig später ist Frundsberg wieder auf dem oberitalienischen Kriegsschauplatz. Als sich das kombinierte päpstlich-neapolitanisch-spanisch-kaiserliche Heer unter dem Befehl des Vizekönigs von Neapel, Ramon de Cardona, beim Vormarsch auf Venedig von einem numerisch überlegenen venezianischen Entsatzheer unter Alviano im Rücken bedroht sieht, ergreift Frundsberg die Initiative und tritt mit seinen deutschen Kontingenten dem Feinde entgegen. Am 7. Oktober 1513 besiegt er mit den Alliierten die venezianischen Truppen bei Vicenza (auch Schlacht von Creazzo genannt). Kaiser Maximilian ernennt Frundsberg zum Obersten Feldhauptmann von Tirol und übergibt ihm die Burghut der Burg Runkelstein (einer Residenz Maximilians). Dort lebt er mit seiner Familie, bis er nach dem Tod seines älteren Bruders Adam 1518 die Burg in Mindelheim erbt. Beim Versuch des der Reichsacht verfallenen Herzogs Ulrich von Württemberg im Jahre 1519, seine Herrschaft über das Herzogtum zu halten, kommandiert Frundsberg als „öberster Hauptmann des deutschen Fußvolks“ zusammen mit FARBENFROH: Landsknechte zur Zeit der Reformation und des Bauernkriegs in zeitgenössischer Uniformierung. Abb.: Süddeutsche Zeitung Photo/Blanc Kunstverlag
Georg Truchseß von Waldburg als „leytener general auch über die reytter ym feldt“ unter dem Oberbefehl von Herzog Wilhelm von Bayern die Truppen des Schwäbischen Bundes: insgesamt 30.000 Fußsoldaten und 8.000 Reiter. Da die eidgenössische Tagsatzung die Schweizer Söldner des Herzogs Ulrich zurückruft, entwickelt sich der Feldzug zu einer Reihe von Belagerungen. Bei der Belagerung von Hohentübingen wird Frundsberg das Barett vom Kopf geschossen. Es gelingt ihm schließlich, durch Verhandlungen den Kommandanten der Festung zur Kapitulation zu überreden. Eine der stärksten Positionen des Herzogs, die
Feldherren
Festung Hohenasperg, wird durch Truppen unter Frundsbergs persönlichem Kommando belagert und muss kapitulieren. Im August 1519 meldet sich Herzog Ulrich aus der Verbannung zurück. Von der Festung Hohentwiel aus unternimmt er den Versuch, sein Herzogtum zurückzugewinnen. Wieder wird Wilhelm von Bayern zum Oberkommandierenden des Schwäbischen Bundes bestellt, dieses Mal dient Frundsberg, der kein anderes Kommando erhält, als Adlatus des Herzogs.
Militärische Erfolge Nach dem Tod Kaiser Maximilians im Jahr 1519 tritt Frundsberg in die Dienste von dessen Enkel und Nachfolger Karl V. Der bestätigt ihn auf dem Reichstag zu Worms 1521 als obersten Feldhauptmann von Tirol, ernennt ihn zu seinem Rat und verleiht ihm Ländereien.
Literaturtipps Reinhard Baumann: Georg von Frundsberg: Der Vater der Landsknechte und Feldhauptmann von Tirol, München 1991. Hugo Oertel: Georg von Frundsberg, „der frommen Landsknechte lieber Vater“: Ein Lebensbild, Wiesbaden 1882. Erich Richter: Frundsberg: Vater der Landsknechte, Feldherr des Reiches, München 1968.
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König Franz (François) von Frankreich, der sich ebenfalls um die deutsche Krone bemühte, fällt 1521 mit Heeresmacht in den Niederlanden ein. Frundsberg mit ihm mit einem Heer entgegengeschickt. Bei Valenciennes steht er dem weit überlegenen französischen Heer unter der persönlichen Führung des französischen Königs gegenüber. Als der mit dem Angriff zögert, ergreift Frundsberg die Gelegenheit und trennt seine Truppe durch einen äußerst geschickten Rückzug vom Feind. Im Februar 1522 zieht Frundsberg mit zwölf Fähnlein Landsknechten über die Alpen in die Lombardei, vereinigt in Mailand seine Truppen mit dort stehenden spanischen Verbänden. Frundsberg und der spanische Befehlshaber Pescara wählen eine topographisch sehr günstige Position beim Jagdschloss La Bicocca. Die Front ihrer Fähnlein beziehungsweise Tercios wird durch spanische „Arcabuseros“ (Schützen) gedeckt. Auf der anderen Seite hat der französische Befehlshaber Lautrec Mühe, seine Schweizer Söldner im Zaum zu halten, deren Sold im Rückstand ist. Am 27. April 1522 stoßen beide Heere aufeinander. Mit dem Ruf „Geld oder Schlacht“ rücken die Schweizer gegen Frundsbergs Landsknechte vor, geraten aber bei der Durchquerung eines Hohlwegs in mörderisches Feuer. Den Hohlweg überwunden, sehen sie sich den gesenkten Piken der Landsknechte gegenüber, es kommt zu
dem eingangs beschriebenen Zweikampf. Die Schweizer verlieren rund 5.000 Mann. Nach der Schlacht kapitulieren verschiedene oberitalienische Städte, andere wie Lodi und Genua werden gestürmt. Die Beute in Genua ist unermesslich. Frundsberg übergibt das Kommando an seinen Stellvertreter („Locotenent“) Rudolph Häll und seinen Sohn Kaspar (er wird „Oberster über das deutsche Fußvolk“). Dann kehrt er nach Mindelheim zurück.
Schlacht von Pavia Die Kämpfe in Italien erleben eine Neuauflage, als König Franz im Frühjahr 1525 zur Unterstützung des mit ihm verbündeten Papstes mit 26.000 Mann nach Italien zieht. Die von Habsburger Kräften mit 6.000 Mann gehaltene Stadt Pavia wird von den Franzosen belagert. Um deren Fall zu verhindern, entsendet Karl V. ein 23.000 Mann starkes Heer, Deutsche und Spanier, unter Pescara und Frundsberg, nach Pavia. In den Reihen der französischen Armee kämpfen viele Schweizer Söldner und auch die berüchtigte „Schwarze Bande“, 5.000 deutsche Landsknechte. Sie wurden in Zeiten besserer Beziehungen zwischen den regierenden Königshäusern angeworben. Nun, da Krieg zwischen dem Reich und Frankreich tobt, sind sie der Reichsacht verfallen. Ihr Anführer bei Pavia ist der Augsburger Georg Langenmantel. Sie kämpfen im Heeresflügel von Richard de la Pole, einem englischen-
Frundsbergs Triumph
„Unter deutschen Helden verdiente Georg von Frundsberg-Mindelheim, welcher zu dem Sieg von Pavia und Franz I. Gefangennehmung vorzüglich beitrug, ein Mann von echter deutscher Kriegskunst, biederm Sinne und einem echten Schwung des Charakters eine vorzügliche Stelle.“ Johannes von Müller in einem Brief an den bayrischen Kronprinzen Ludwig im Jahre 1808.
IMPOSANT: Zeitgenössische Darstellung der Schlacht von Pavia auf einem aufwendig gearbeiteten Bildteppich aus dem 16. Jahrhundert. Abb.: picture-alliance/akg-images/Erich Lessing
Kronprätendenten aus dem Haus York. Die Legionäre der „Schwarzen Bande“ haben Bekannte oder sogar Verwandte in den Reihen der kaiserlichen Landsknechte. Pardon wird nicht gegeben: Die Landsknechte unter Frundsbergs Kommando sind entschlossen, ihre Widersacher zu vernichten. Der Oberbefehlshaber des kaiserlichen Heeres Marchese Pescara ist gezwungen, eine Schlacht auch unter ungünstigen Bedingungen anzunehmen. Die Franzosen sind gut verschanzt, aber Pescara kann seine Armee weder lange versorgen noch bezahlen. Er beginnt ein riskantes Manöver. In der stürmischen Nacht vom 23. zum 24. Februar durchbrechen seine Mineure („Vastadores“) die Mauer des Parks von Certosa und das Jagdschloss von Mirabello kann durch die Vorhut seines Heeres genommen werden. Damit stehen die Kaiserlichen überraschend im Norden der französiGEFEIERT: „Georg von Frundsberg“ als Reiter beim „Frundsbergfest“ in Mindelheim (Schwaben) im Sommer 2012. Foto: picture-alliance/dpa
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schen Verschanzungen. Die Franzosen nehmen die Schlacht außerhalb ihrer Verschanzungen an. Zunächst entwickelt sich das Schlachtgeschehen günstig für König Franz. Seine Artillerie, immerhin 55 Geschütze, kann die Nachhut des kaiserlichen Heeres zersprengen, seine schwerer Reiterei (der König mittendrin) schlägt die der Kaiserlichen. Dabei nehmen aber die französischen Reiter ihrer Artillerie das Schussfeld, Pescara erkennt die Chance. Er beordert seine Arkebusiere – hauptsächlich Basken – nach vorne, gedeckt hinter den Bäumen des Parks beschießen sie die französischen Reiter. Jetzt gelingt der kaiserlichen Kavallerie ein Gegenangriff. Danach kommt es zum Aufeinandertreffen die Fußtruppen. Die „Schwarze Bande“ gewinnt langsam die Überhand über die spanischen Tercios. Frundsberg lässt vom anderen Heeresflügel seine Landsknechte eilig herbeimarschieren, fast 12.000 Mann. Bevor die 50 Glieder tiefen Gewalthaufen aufeinanderstoßen, fordert Langenmantel Frundsberg und Herrn Marx Sittich von Embs zum Zweikampf heraus. Wütendes Arkebusenfeuer der deutschen Landsknechte streckt den Verwegenen nieder. Im folgenden Nahkampf gelingt es Frundsberg, die „Schwarze Bande“ mit mehreren Fähnlein in die Zange zu nehmen, es gibt kaum ein Entkommen. Die Schweizer, 8.000 Mann, die von entgegengesetzten Ende des französischen Lagers im Süden Pavias heranmarschieren, können das Blatt nicht mehr wenden. Die Nachhut der Franzosen unter dem Duc d’Alençon wendet sich zum eiligen Rückzug. Die Schlacht geht verloren, die französische Seite verliert fast 20.000 Mann allein an
Gefangenen, darunter befindet sich auch der König, der sich mehrfach verwundet mannhaft wehrte. Sein Prunkschwert erhält Frundsberg.
Letzte Jahre Schon kurz nach der Schlacht von Pavia erhält Frundsberg von Erzherzog Ferdinand von Österreich die Aufforderung, zur Niederschlagung des Bauernaufstandes nach Schwaben zurückzukehren. Tatsächlich näherte sich ein Bauernhaufen drohend Mindelheim, die frundsbergsche Burg ist aber ausreichend bemannt. Seine Frau Anna organisiert energisch die Verteidigung. Es kommt hier zu keinen Kampfhandlungen. Mit Pavia ist die Auseinandersetzung zwischen Frankreich und dem Habsburgerreich in Italien aber nicht beendet. Der französischen Krone gelingt es, ein Bündnis mit der Kurie, dem Herzog von Mailand, der Republik Venedig und einigen kleineren norditalienischen Fürstentümern zu schmieden. Landsknechte ziehen unter Frundsberg erneut nach Italien, um hier die spanischen Truppen aufzunehmen und dann Richtung Süden nach Rom zu ziehen. Karl V. kann das Heer nicht bezahlen, die Wut der Landsknechte entlädt sich in der berüchtigten „Sacco di Roma“. Frundsberg hat daran keinen Anteil. Vorher richteten meuternde Landsknechte die Waffen gegen Frundsberg, obwohl der sogar sein eigenes Vermögen eingesetzt hatte, um seine Männer zu bezahlen. Seine Güter in Mindelheim und Tirol sind hochverschuldet. Der Vater der Landsknechte erleidet am 16. März 1527 im Lager von Bologna einen Schlaganfall, man muss ihn heimbringen. Frundsberg stirbt am 20. August 1528 in Mindelheim. Hagen Seehase, Jg. 1965, Studium der Germanistik und Geschichte, Buchveröffentlichungen besonders zur britischen Geschichte, darunter eine fünfbändige schottische Geschichte, Fachartikel in diversen Fachzeitschriften mit Schwerpunkt Militärgeschichte.
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Museum
JAGDFLUGZEUG DES KALTEN KRIEGES: Diese Gloster Javelin F(AW) 9 XH767 war zwischen 1962 und 1965 in Deutschland stationiert.
Das Yorkshire Air Museum
Gigantische Sammlung auf historischem Boden Im englischen Elvington befindet sich das größte unabhängige Luftfahrtmuseum Großbritanniens. Auf dem Flugfeld und in den geräumigen Hangars wird Luftfahrtgeschichte von den Gebrüdern Wright bis in die GegenVon Frederick Feulner wart gezeigt.
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mand sind heute Teil der nahen University of York. 1953 sollte Elvington erneut Stützpunkt schwerer, mit Atomwaffen bestückter B-36 Bomber werden, diesesmal der 3rd US Air Force und der 7th Air Division Strategic Air Command, jedoch wurde nach einem erneuten Umbau und einer Verlängerung der Betonpiste auf 3.094 Meter 1958 der Flugplatz nicht weiter aktiv genutzt. Er blieb
KONTAKT
BEEINDRUCKENDER BOMBER: Diese Handley Page Halifax III wurde aus Einzelteilen komplett neu aufgebaut.
Yorkshire Air Museum Elvington, York, YO41 4AU Mehr Informationen zu Anfahrt, Öffnungszeiten, Eintrittspreisen etc. unter: http://www.yorkshireairmuseum.org/
Fotos: Autor
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ereits beim Überfliegen der nordenglischen Grafschaft Yorkshire zeichnen sich zwischen Feldern drei Dutzend verstreute Flugplätze ab. Zum Teil sind diese Anlagen noch gut sichtbar oder in Benutzung. Einige Bereiche wurden aber der landwirtschaftlichen Nutzung wieder zugeführt. Diese Plätze wurden größtenteils im Zweiten Weltkrieg errichtet, um den zahlreichen alliierten Flugzeugen eine Basis zu geben. Einer von ihnen ist der vier Kilometer östlich von York gelegene Flugplatz Elvington, der angesichts der deutschen Bedrohung ab 1939/40 als Graslandepiste aus dem Boden gestampft wurde. 1942 wurde das Flugfeld komplett umgebaut und mit einer festen Piste ausgestattet, um auch schwere Bomber aufzunehmen. Das Flugfeld wurde als Dependance des 4th Group Bomber Command im zehn Kilometer östlich gelegenen Pocklington eingerichtet. Elvington war einzige Basis der Freien Französischen Luftwaffe auf englischem Boden. Die Gebäude des Northern Bomber Com-
aber bis in die 1990er-Jahre ein Ausweichlandeplatz für die RAF-Stützpunkte Church Fenton und Linton-on-Ouse. Zudem war Elvington als Notlandeplatz für die Space Shuttles vorgesehen. Seit Mitte der 1980er ist auf dem Gelände das Yorkshire Air Museum beheimatet, dass die Hangars, Gebäude und Außenflächen für Ausstellungen nutzt. Der Control Tower und die Baracken wurden detailgetreu in den Zustand der 1940er-Jahre zurückversetzt. Die eigentliche Ausstellung ist in einem großen Hangar untergebracht, der in Zukunft um einen Neubau erweitert werden soll. Hier finden sich Nachbauten und Originalflugzeuge; angefangen beim historischen Wright Flyer von 1903 und Flugzeugmodellen aus dem Ersten Weltkrieg bzw. der Zeit danach. Dazu zählen Doppeldecker wie die Avro 504k, Royal Aircraft Factory BE2c und SE5a oder die De Havilland Gypsy Moth. Auch ungewöhnliche Modelle wie die Repliken des Cayley Gli-
EINSATZ AUF DEM MEER: Das Modell WH991 (Westland Sikorsky Dragonfly HR5) diente auf verschiedenen Flugzeugträgern.
UMFASSEND: Der Nachbau des berühmten „Flyers“ der Gebrüder Wright dokumentiert die historische Tiefe der Ausstellung.
VIELFÄLTIG: Diese Beagle (Auster) Terrier 2 wurde ursprünglich als Beobachtungsflugzeug gebaut, beendete ihren Dienst aber als ziviles Schleppflugzeug.
ders oder eines Mignet HM.14 Flugzeugbausatzes sind zu sehen. Der Zweite Weltkrieg und die Luftschlacht um England nehmen auch bei den ausgestellten Flugzeugen einen großen Stellenwert ein. Nachdem man bereits am Haupteingang durch das 1:1-Modell einer Supermarine Spitfire I begrüßt wurde, vermitteln eine Douglas DC-3 Dakota in den Farben der Royal Air Force und eine Hawker Hurricane, geparkt in der Nähe der zeitgenössischen Flugfeldgebäude, ein interessantes Ambiente. Bei einem Landungsgleiter WACO Hadrian CG-4A wurde der Stahlrahmen anstelle der Stoff- und Holzverkleidung mit Plexiglas versehen, um das
PREMIERE: Die Gloster Meteor F8 war das erste britische Düsenflugzeug, das zur Einsatzreife gelangte.
Innenleben zu zeigen. Die vielseitige De Havilland Mosquito DH98 NFII steht in unmittelbarer Nähe zur Replik der Messerschmidt Bf109G, gestaltet in den Farben des Jagdfliegers Hermann Graf, der als erster Pilot 200 Luftsiege erringen konnte und bis heute zu den Top-Fliegerassen zählt. Das zentrale Schmuckstück ist zweifelsohne der gewaltige Bomber des Typs Handley Page Halifax III in der Mitte der Ausstellungshalle. Das ausgestellte Flugzeug basiert auf dem Rumpf einer Halifax II, die 1945 eine Notlandung machen musste und lange Zeit als Hühnerstall diente. Rekonstruiert mit Tragflächen einer anderen Maschine, wurde der Bomber „Friday the 13th“
genannt – zu Ehren der Halifax LV907, die 128 Einsätze überstand. Das Yorkshire Air Museum bietet auch Extraführungen zu diesem Exponat an. Cut-away-Modelle von Bombercockpits im Maßstab 1:1 bezeugen die funktionale Enge militärischer Luftfahrzeuge. Die Air Gunner Collection ist den 20.000 Bordschützen gewidmet, die ihr Leben im Zweiten Weltkrieg ließen. Sie umfasst eine Vielzahl an Waffen und die zugehörigen Drehtürme und dokumentiert die Techniken, die bei der Abwehr feindlicher Jagdmaschinen genutzt wurden. Auch die moderne Militärluftfahrt kommt nicht zu kurz. Auf den Außenflächen befinden sich zahlreiche Flugzeugmodelle aus dem Zeitraum zwischen Kaltem Krieg und Golfkrieg. Dazu gehören eine im Desert-Storm-Tarn lackierte Blackburn Buccaneer S2 „Glen Elgin“, die zuletzt gegen den Irak 1991 für Tornados Ziele mit ihrem Laser markierte. Auch zwei Tornados GR1 und GR4 sind Teil der Ausstellung. Zudem sind neben den Klassikern britischen Designs wie der English Electric Canberra T4, der Lightning F6, der De Havilland Vampire DH115 T11 und diversen Mustern der Gloster Meteor und der Hawker Hunter auch eine Mirage IIIF zu sehen. Bekannte kleine Flugzeuge wie die Harrier GR3 stehen neben großen Maschinen wie der Handley Page Victor K2 oder einem der neusten Zugänge, dem Hawker Siddeley Nimrod MR2 Langstreckenseeaufklärer. Ein Gyrokopterbausatz der Firma Air Command Sports Elite erinnert an James Bonds „Little Nellie“ aus dem Film „Man lebt nur zweimal“ von 1967. Dr. Frederick Feulner ist Marie Curie Research Fellow an der University of York, England.
PASSENDE BEGRÜßUNG: Dieses 1:1-Modell einer Hawker Hurricane I „wacht“ am Eingangstor.
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Ein Bild erzählt Geschichte
Triumph über Napoleon
Die Preußen überqueren den Rhein Oktober 1813: Nach seiner desaströsen Niederlage in der Völkerschlacht bei Leipzig muss Napoleon fliehen. Das Kernland seines Kaiserreichs wird jetzt von den nachrückenden Von Maximilian Bunk Alliierten bedroht…
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esonders Blücher – eine Galionsfigur des preußischen Widerstandes – ist Napoleon dicht auf den Fersen. Am Silvestertag 1813 schlägt er sein Hauptquartier in einem Hotel der Stadt Kaub auf, dem Zentrum des Aufmarschgebiets seiner aus Russen und Preußen bestehenden Armee. Im Raum zwischen Neuwied im Norden und Mannheim im Süden sammelt sich sein Heer für die Invasion Frankreichs. In der ersten Januarwoche 1814 ist es dann soweit: Blüchers circa 50.000 Mann starke Streitmacht überquert bei Kaub den Rhein und dringt in Frankreich ein.
Wilhelm Camphausen (1818-1885) verfertigt das Ölgemälde mit dem Titel „Blüchers Rheinübergang bei Kaub“ ein gutes halbes Jahrhundert nach dem historischen Ereignis. Der Künstler diente selbst eine Zeitlang bei der Kavallerie und behielt sich von da an eine Vorliebe für militärische Sujets. So stammen von ihm Bilder wie „Begrüßung Blüchers und Wellingtons nach der Schlacht bei Belle-Alliance“ (1862) oder „Erstürmung der Düppeler Schanze“
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HISTORIENMALER AUS DÜSSELDORF: Der an der Akademie ausgebildete Camphausen ist bekannt für seine Schlachtengemälde und Bilder zur englischen Geschichte. Er fertigte aber auch erfolgreich Porträts großer Staatsmänner an und zeichnete Karikaturen. Abb.: picture alliance/prismaarchivo
(1867). Im Krieg von 1870/71 ist er offizieller Armeemaler und bringt in dessen Folge eine ganze Reihe patriotischer Schlachtendarstellungen hervor – besonders oft stehen dabei Feldherren im Zentrum seiner Kunst. Der alte Blücher bildet damit ein fast perfektes Thema, vereinigt er doch in seiner Person preußisch-deutschen Patriotismus,
Volkstümlichkeit und natürlich militärischen Schneid. Auch der historische Moment ist mit Bedacht gewählt: Niederlage Frankreichs und Rheinromantik gehen hier Hand in Hand. Im Zentrum des Gemäldes sitzt der Feldmarschall hoch zu Ross und blickt auf seine vorüberziehende Armee. Schnee und leichter Nebel hüllen die Szenerie in eine feierliche und fast
MAGISCHER MOMENT: Vor romantischer Winterkulisse strömt Blüchers Heer über den Rhein nach Frankreich. Abb.: picture-alliance/akg-images
märchenhafte Kulisse, die Grausamkeiten des Krieges sind noch weit entfernt. Die Soldaten machen einen zufriedenen und heiteren Eindruck und marschieren unter den Jubelrufen der Bevölkerung ins Feindesland – man winkt und prostet sich zu. Zuversicht und Aufbruchsstimmung charakterisieren den Zug der Soldaten über den winterlichen Strom. Im Bildhinter-
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grund ist Burg Pfalzgrafenstein zu sehen, zu der russische Pioniere eine Pontonbrücke errichtet haben. Noch während an der Brücke gearbeitet wurde, setzte Infanterie mit Kähnen auf das linke Rheinufer über, um dort einen Brückenkopf gegen eine etwaige französische Abwehr zu errichten. Camphausen hat die in Wirklichkeit chronologisch hintereinander ablaufenden Er-
eignisse in seiner Komposition zu einem einzigen Moment verschmolzen. Sein Gemälde wirkt durch die vielen Details und die realistische Ausführung unglaublich lebendig. Nach dem Übersetzen seiner Armee kann Blücher Napoleon am 1. Februar bei La Rothière schlagen.
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Nr. 11 | 1/2013 | Januar-Februar | 3.Jahrgang
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Kursk 1943 „Zitadelle“ – Hitlers letzte Großoffensive im Osten 5. Juli 1943: Die Großoffensive beginnt. Unweit der Ortschaft Prochorowka stehen sich wenig später deutsche und sowjetische Kampfpanzer in der größten Panzerschlacht der Geschichte gegenüber. Die Verluste der Roten Armee sind erheblich, doch ihre Soldaten wehren sich verbissen...
Redaktionsanschrift CLAUSEWITZ Infanteriestr. 11a, 80797 München Tel. +49 (0) 89.130699.720 Fax +49 (0) 89.130699.700
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Schlacht auf dem Lechfeld 955 Das Ende der Ungarneinfälle 955 n. Chr.: Dieser triumphale Sieg König Ottos I. über die Ungarn bei Augsburg beendet endgültig die ganze Landstriche verheerenden Raubzüge der heidnischen Reiter im Reich.
Raketenwerfer auf Ketten Fotos: ullstein bild - ullstein bild; picture-alliance/akg-images; Kaludow
1942/43: Mit dem Mehrfachraketenwerfer verfügt die Wehrmacht über eine Artilleriewaffe, die trotz zahlreicher Mängel vom Gegner gefürchtet wird. Die Waffen-SS rüstet ihre Einheiten mit einer umgebauten Version des mobilen Raketenwerfers aus...
Korea-Krieg 1950-1953. Der verlustreiche „Stellvertreterkrieg“. Generalfeldmarschall Erich von Manstein. Der Urheber des „Sichelschnitts“. Und viele andere Beiträge aus den Wissengebieten Geschichte, Militär und Technik.
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