Clausewitz
4/2013 Juli | August
€ 5,50
A: € 6,30 CH: sFr 11,00 BeNeLux: € 6,50 SK, I: € 7,45 S: SKR 75 N: NOK 79 FIN: € 8,10
Clausewitz Das Magazin für Militärgeschichte
Das modernste Kampfflugzeug seiner Zeit
Messerschmitt Me 262
Charkow 1943
Letzter Ostfronterfolg der Wehrmacht
Radetzky Österreichs legendärer Heerführer
„Völkerschlacht“ 1813
Triumph über Napoleon
Generalfeldmarschall Blücher: Energischster Gegner Napoleons
MILITÄR & TECHNIK:
„Obersalzberg“
Bergepanzer 2 der Bundeswehr
Wohin Hitler vor der Realität floh
Starke „Alleskönner“: Pionier- und Bergepanzer
T-55T der NVA
n e d n e g e L e t f ü L der at Jeden Mon k! s neu am Kio
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Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, das Jahr 2013 ist reich an militärgeschichtlich relevanten Jahrestagen. Besonders der 200. Jahrestag der „Völkerschlacht“ bei Leipzig sticht hier hervor. Das Aufeinandertreffen der Grande Armée Napoleons und der militärischen Allianz aus Preußen, Österreich, Russland und Schweden gilt mit mehr als 500.000 beteiligten Soldaten als die bis dahin größte Feldschlacht der Weltgeschichte. Völlig zu Recht wird der mehrtägige Kampf der Massenheere bei Leipzig daher auch als „Jahrhundertschlacht“ bezeichnet. Die Auswirkungen des Triumphes über Napoleon für die deutsche und die europäische Geschichte waren enorm: Der Sieg der Verbündeten über Frankreich im Oktober 1813 stellt einen Meilenstein auf dem Weg zur Befreiung des Kontinents von der napoleonischen Herrschaft dar. Der großen Bedeutung der „Völkerschlacht“ entsprechend, entschloss man sich Ende des 19. Jahrhunderts zum Bau eines monumentalen Denkmals. Im Jahr 1895 überließ die Stadt Leipzig dem „Patriotenbund“, der energisch für den Bau eines Denkmals eintrat, ein Baugelände von 40.000 Quadratmetern, doch es sollten drei Jahre vergehen, bis man sich auf einen Entwurf einigte. Dieser stammte von Bruno Schmitz, der bereits die Pläne für das 1896 eingeweihte „Kyffhäuserdenkmal“ geliefert hatte. Im Jahr 1913 wurde das 300.000 Tonnen schwere „Völkerschlachtdenkmal“ – anlässlich des 100. Jahrestages des erfolgreichen Kampfes gegen Napoleon – mit einer feierlichen Zeremonie eingeweiht. Heute, weitere 100 Jahre später, erinnern wir mit unserer Titelgeschichte „Die Jahrhundertschlacht“ ab Seite 10 an den 200. Jahrestag der „Völkerschlacht“ und die dramatischen Ereignisse des Jahres 1813. Eine kurzweilige Lektüre wünscht Ihnen
Dr. Tammo Luther Verantwortlicher Redakteur
Clausewitz 4/2013
NEUE SERIE Krieger, Söldner & Soldaten 3. Folge
Die Elite Napoleons Die Grenadiere der Alten Garde bilden das Rückgrat der kaiserlichen Truppen und genießen lange Zeit die Aura der Unbesiegbarkeit.
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ie gelten als die Elite der französischen Armee, als des Kaisers „Kinder.“ Die Wurzeln der Alten Garde reichen auf jene Leibkompanien zurück, die Napoleon in Italien und Ägypten um sich gesammelt hatte. Sie umfassen schließlich zwei Grenadierbataillone und vier Kompanien Reiter. 1799 wird hieraus die Konsular- und 1804 die Kaiserliche Garde. Ihre Grenadiere sollen wenigstens 1,78 Meter groß sein und sich in drei Feldzügen bewährt haben. Sie bekommen einen besseren Sold, und ihre Dienstgrade sind denen der Linieninfanterie um eine Stufe höher gestellt. Ihre Uniform besteht aus auffälligen hohen Bärenfellmützen und dunkelblauen Röcken. Noch ganz in der Tradition vergangener Zeiten tragen die Grenadiere gepuderte Zöpfe und als Zeichen ihres elitären Status einen Schnurrbart. Napoleon schont die Alte Garde, in vielen Schlachten steht sie in Reserve und wird nicht eingesetzt. Sie erhält gute Quartiere, und wenn es dem Kaiser möglich ist, lässt er sie nicht marschieren, sondern in Fuhrwerken fahren, wie etwa 1805 vom Ärmelkanal bis Ulm. Diese schonende Behandlung führt zu Spötteleien im Heer. Im winterlichen Polenfeldzug 1807 beschweren sich die Grenadiere über das
kalte Wetter, was ihnen den Spitznamen „Grognards“ (Brummbären) einbringt. Trotz alledem sind sie Napoleon treu verbunden. 600 Grenadiere folgen ihm 1814 ins Exil nach Elba. Im Laufe der Zeit wächst die Kaiserliche Garde auf 52.000 Mann an – sie ist eine Armee in der Armee. Doch die vier Grenadierregimenter der Alten Garde genießen nach wie vor den größten Status. Dieser wird jedoch im Laufe der Zeit angezweifelt, da die Regimenter nach der Schlacht bei Austerlitz kaum noch in Kämpfe verwickelt werden. Bei Borodino 1812 bilden sie die letzte Reserve Napoleons, und er scheut ihren Einsatz. Erst bei Waterloo 1815 wirft er die Grenadiere in einen vermeintlich entscheidenden Angriff gegen die englischen Stellungen – und sie werden zurückgeschlagen! An der Stelle, wo das letzte Gardekarree vernichtet wird steht heute das Denkmal des Aigle blessé (verwundeter Adler). Die Kaiserliche Garde wird zuerst 1814 und nach Napoleons zweiter Abdankung endgültig im August 1815 durch Ludwig XVIII. abgeschafft.
FAKTEN Zeit: 1799 Konsulargarde, ab 1804 Kaiserliche Garde (bis 1815) Uniform: Bärenfelltschako mit Messingblech, blauer Rock, weiße Hosen, Kalbfelltornister Waffen: Muskete M 1777 (mit Messinglaufringen, nur für die Garde), Grenadiersäbel (als Ehrenzeichen) Taktik: Linienformationen und Angriffskolonnen Schlachten: Marengo (1800), Austerlitz (1805), Borodino (1812), Leipzig (1813), Waterloo (1815) Die Alte Garde im Film: Austerlitz (1960), Waterloo (1970)
,,Ein Ruf wie Donnerhall“: Die Grenadiere der Alten Garde sind gefürchtete Gegner. Die Farblithographie zeigt einen Angehörigen dieser Eliteeinheit, der alleine schon durch seine imposante Bärenfellmütze und den mächtigen Schnurrbart Abb.: picture-alliance/akg-images beeindruckt.
Inhalt Titelthema Die Jahrhundertschlacht.
Titelgeschichte
200 Jahre „Völkerschlacht“ – Leipzig 1813
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„Völkerschlacht“ bei Leipzig 1813
Im Angesicht des Todes. .......................................................................................................24
Jahrhundertschlacht Die
16. bis 19. Oktober 1813: Mehr als 500.000 Soldaten stehen sich bei Leipzig gegenüber. Der Ausgang der bis dato größten Schlacht der Weltgeschichte hat erhebliche Auswirkungen auf die Herrschaft Napoleons über weite Teile Europas. Von Eberhard Birk
Das Leid der Menschen in Leipzig 1813
Mittel des Krieges. ..............................................................................................................................28 Waffen und Technik der Napoleonischen Kriege MASSENHEERE IM KAMPF:
Bei Leipzig treffen Mitte Oktober 1813 insgesamt mehr als eine halbe Million Soldaten beider Lager im Kampf aufeinander. Die Zahl der Toten und Verwundeten ist erschreckend hoch. Abb.: picture-alliance/maxppp
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Es ist vollbracht: Die Allianz von Preußen, Österreich und Russland sowie Schweden erringt bei Leipzig im Oktober 1813 einen Abb.: ullstein bild – Imagno historischen Erfolg.
Magazin Neues zur Militärgeschichte, Ausstellungen und Bücher
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Schlachten der Weltgeschichte
Wien 1683. ............................................................................................................................................42 Die Schlacht um den „Goldenen Apfel“
Schlachten der Weltgeschichte
Dritte Schlacht um Charkow im März 1943.
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Mansteins „unvollendeter Sieg“
Militärtechnik im Detail
Das Maschinengewehr MG42. ...................................................................48 Die gefürchtete Schnellfeuerwaffe der Wehrmacht
Museen & Militärakademien
Militär und Technik:
Weltberühmte „Ausbildungsschmiede“ der US-Armee
Berge- und Pionierpanzer aus West und Ost
West Point. ................................................................................................................................................40 Titelbild: Kampfszene (Ausschnitt) aus der Schlacht bei Möckern am 16. Oktober 1813, Farbdruck, um 1900, nach Richard Knötel.
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Starke „Alleskönner“.
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Messerschmitt 262. ...........................................................................................................58 Der erste in Serie gebaute Strahljäger der Welt
Schlachten der Weltgeschichte
Schlachten der Weltgeschichte
Dritte Schlacht um Charkow 1943
SPUREN DES KAMPFES: Schützenpanzerwagen vom Typ Sd.Kfz. 250 einer Einheit der Waffen-SS beim Durchqueren eines von deutschen Truppen eroberten Dorfes südwestlich von Foto: picture-alliance/ZB Charkow.
Mansteins „unvollendeter Sieg“
Wien 1683
Die Schlacht um den „Goldenen Apfel“
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ie strategisch wichtige Stadt, die wie ein Korken zwischen den steilen Bergwänden der Alpen und den Karpaten sitzt, gilt den Türken als „Goldener Apfel“. Ein früh einbrechender Winter und die hartnäckige Verteidigung der Landsknechtsbesatzung verhinderten 1529 zwar den Fall der Stadt, doch nicht die Inbesitznahme des gesamten Balkanraums durch die Heere des Sultans. Im 17. Jahrhundert erreicht die Macht der Osmanen ihren Höhepunkt. Die Entwicklung des Reiches beginnt langsam, aber spürbar zu stagnieren, und es setzt die innere Fäulnis ein, die das Weltreich in den nächsten 300 Jahren zernagen wird. Davon merken die Habsburger jedoch zunächst nur sehr wenig. In den Siebzigerjahren befinden sie sich in einem kräftezerrenden Krieg mit den Armeen des Sonnenkönigs am Rhein und in Italien, sowie dem aufsässigen protestantischen Adel in Nordungarn. Die Osmanen machen sich diese Situation zunutze und schicken ein neues starkes Heer, welches den „Goldenen Apfel“ zu Fall bringen soll, nach Westen. Es untersteht dem Großwesir Kara Mustafa, einem erfahrenen und erfolgreichen Soldaten. Den Vortrab seiner Armee bilden 40.000 Tataren, leichte schnelle Kavallerie, die die wenigen österreichischen Verbände westlich Wiens schnell vertreibt. Die Elite des Heeres besteht aus den Janitscharen, zum Islam konvertierte Christenkinder, die nun als Infanterie dienen, und den Spahis. Diese rekrutieren sich aus dem niederen Adel und fungieren als Mehrzweckkavallerie: sie können schnell in weit entlegene Gebiete vorstoßen und aufklären, bilden aber auch das berittene Rückgrat des Heeres in der Schlacht.
15. bis 17. Jahrhundert: Neben allen internen Konflikten hält spätestens seit dem Fall von Konstantinopel 1453 eine große Gefahr Europa in Atem: die türkische Expansion. 1529 sind die Osmanen bereits ein erstes Mal die Donau hinauf nach Wien gezogen. Gut 150 Jahre später stehen sie wieder vor den Toren der Stadt… Von Alexander Querengässer
Die Osmanische Armee Etwa 100.000 Mann Knapp 200 Geschütze
Anti-Osmanisches Bündnis
Das Entsatzheer
Durch das schnelle Vordringen des Feindes sieht sich Kaiser Leopold am 7. Juli dazu veranlasst, von Wien nach Linz zu fliehen. In der bedrohten Stadt verbleiben 16.000 Mann unter dem Grafen Ernst Rüdiger von Starhemberg. Einen guten Teil dieser Truppen stellen Landwehrformationen aus der Studentenschaft und den einzelnen Zünften dar. Doch auch Österreich ist nicht ganz unvorbereitet. Am 26. Januar war unter Vermittlung des Papstes ein Bündnis mit Polen geschlossen worden. Das Land ist eine alte Großmacht, deren Niedergang schon viel weiter voran geschritten ist, als der des Osmanischen Reiches. Doch unter Jan III. Sobieski kann das
39.400 Infanteristen 34.400 Kavalleristen 152 Geschütze
Frühjahr 1943: Der gesamte Südflügel der deutschen Ostfront befindet sich auf dem Rückzug. Um die Front zu stabilisieren, entscheidet sich Hitler für eine Gegenoffensive unter Mansteins Führung in Richtung Charkow. Von Lukas Grawe
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er teilweise ungeordnete Rückzug nach der Vernichtung der 6. Armee bei Stalingrad führt zu Beginn des Jahres 1943 zu einer Frontlücke zwischen den Heeresgruppen (HGr.) Mitte und Süd, durch die
sowjetische Truppen nach Westen durchstoßen und den Südflügel des deutschen Heeres bedrohen können. Innerhalb dieser Lücke stellt die Großstadt Charkow ein wichtiges strategisches und prestigeträchtiges Ziel dar.
Hitler weist daher den Befehlshaber der HGr. Süd, Generalfeldmarschall Erich von Manstein, an, die Offensivbemühungen auf die erst wenige Wochen zuvor geräumte Stadt zu konzentrieren.
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Zahlenmäßig ist die HGr. Süd den sowjetischen Truppen weit unterlegen. Unter hohem Risiko und mit Hilfe einer Truppenrochade vom Südflügel der HGr. nach Nordwesten gelingt es Manstein Mitte Februar jedoch, einen schlagkräftigen Angriffsverband zusammenzustellen. Nach den vorangegangenen Niederlagen im Osten ist die deutsche Militärführung dringend auf Erfolge angewiesen, um das sehr angeschlagene Ostheer zum Weiterkämpfen zu motivieren.
HEERESGRUPPENCHEF: Generalfeldmarschall Erich von Manstein kann mit den Verbänden seiner HGr. Süd den Gegner aus Charkow verdrängen, doch dieser Erfolg ist nicht von langer Dauer.
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Foto: picture-alliance/Artcolor
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Militär und Technik
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Die verteidiger Wiens IN LETZTER MINUTE: Das christliche Entsatzheer bringt am 12. September die Rettung für das belagerte Wien. Das Ölgemälde zeigt die entscheidende Schlacht Abb.: picture-alliance/akg am Kahlenberg.
16.000 Soldaten und eingezogene Landwehr etwa 130 bis 140 Festungsgeschütze
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Militär und Technik | Me 262
Berge- und Pionierpanzer aus West und Ost
Starke „Alleskönner“
Der erste in Serie gebaute Strahljäger der Welt
Messerschmitts „Turbo“
Kalter Krieg: Das Herausziehen festgefahrener oder beschädigter Kampfpanzer ist ihr „Alltagsgeschäft“. Berge-, Pionier- und Kranpanzer sind in beiden deutschen Armeen die Kraftprotze unter den Fahrzeugen für die Kampfunterstützung. Von Jörg-M. Hormann
BERGEPANZER T-72TK: Das letzte Modell eines Bergepanzers der NVA ist vor der Wende noch mit ganzen drei Exemplaren zum Einsatz gekommen. Foto: Sammlung Dirk Krüger
„BERGELEO“: Die gängige Bezeichnung der Bundeswehr für den Bergepanzer 2. Foto: BW Heer/Carsten Heide
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ommer 1972: Es ist schießfreies Wochenende auf dem NATO-Truppenübungsplatz Bergen-Hohne in der Lüneburger Heide. Doch aus dem erhofften entspannten Wochenende wird nichts: „Wenn wir nicht schießen können, weil sich die Touristen die Hünengräber der ‚Sieben Steinhäuser’ inmitten des Platzes ansehen wollen, dann fahren wir eben. Also meine Herren, Fahrübungen im Kompanieverband“, so der Befehl des Kompaniechefs. Die rund 80 Mann seiner Panzerbesatzungen denken alle das Gleiche: Mit unseren betagten M48-Kampfpanzern sollen wir stundenlang durch das Gelände preschen? Na dann viel Spaß! Panzerschützen ist die imponierende Außenwirkung ihrer rund 47,5 Tonnen Stahl in Bewegung oft eher gleichgültig. Für sie ist die „Innenwirkung“ ihrer Waffe von Bedeutung: Blaue Flecken beim Durchschlagen der Fahrwerke in zügiger Fahrt durch welliges
Gelände, Rohrreinigen nach Staubwolkenfahrt, Endverbinder anziehen bei jedem technischen Halt – und so weiter und so weiter. Alles Dinge, die in der brütenden Sommerhitze wahre Freude bei den Männern aufkommen lassen.
Mit Motorschaden im Gelände Dieses Mal erwischt es meinen Kampfpanzer. In einem Kusselgelände auf irgendeiner Schießbahn bleibt er mit Motorschaden liegen. Alle Bemühungen des Fahrers, die „alte Dame“ wieder in Gang zu bringen, schlagen fehl. Nun heißt es: gelbe Signalflagge raus und warten. In der beginnenden Dämmerung quält sich der „Munga“ des Chefs zu seinem fehlenden Panzer. „Fahnenjunker Hormann, Sie bleiben beim Fahrzeug, hier haben sie noch ein EPa [Einmannpackung; kleines Verpflegungspakt der Bundeswehr]. Ich schicke ihnen einen ,Bergeleo’, restliche
Besatzung bei mir aufsitzen!“ Weg waren sie und ich stehe mit meinem M48 in der „Walachei“. Übrigens: Der bequemste Schlafplatz im Sommer ist der auf dem Tarnnetz in der Heckablage des Panzerturmes. Geweckt werde ich von dem morgendlichen Vogelgezwitscher und dem näherkommenden typischen „Leo-Brummen“. Ziemlich schnell wird der dunkle Punkt unter der gelbgrauen Staubfahne größer. Wo wir uns mit dem M48 durch jede Bodenwelle der Schießbahn gekämpft haben, rauscht der „Bergepanzer 2 Leopard 1“, so die offizielle Bezeichnung, mit Tempo 50 über die Wellen hinweg. Das Anschlagen der Schleppstangen ist Minutensache. Mit dem Aufbrüllen des 830 PS starken Mehrstoffmotors beginnt das „Alltagsgeschäft“ des Bergepanzers. In diesem Fall ist es das Abschleppen eines liegengebliebenen Panzers, aber mit immerhin zehn Tonnen mehr Gewicht auf den
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Nach offizieller „Lesart“ der Bundeswehr handelt es sich bei den Bergepanzern um schwere Kampfunterstützungsfahrzeuge: „Diese gepanzerten Arbeitsgeräte kommen im Gefechtsfeld zum Einsatz, um zerstörte oder beschädigte Panzer, Lkw und schweres Gerät zu bergen und sie den Instandsetzungseinheiten zuzuführen. Das Einsatzspektrum eines modernen Bergepanzers umfasst auch das Sichern von Kettenfahrzeugen bei Gewässerdurchfahrten, die Einsatzunterstützung bei Instandsetzungsarbeiten und das Bergen von Kampfpanzern mit Schnellbergeeinrichtung unter Panzerschutz. Außerdem die Kranassistenz beim Ein- und Ausbau von Motoren, das Räumen von Hindernissen und bei Bedarf auch Erdarbeiten.“ Zur Durchführung dieser Aufgaben sind Berge- und Pionierpanzer im Westen und im Osten des geteilten Deutschlands mit entsprechenden Gerätschaften und Vorrichtungen versehen. Hierzu gehören Seilwinden, Hebegeräte und auch Kräne. Außerdem werden Materialien und gängige Ersatzteile mitgeführt. Umfangreiche Werkstattausrüstungen bis hin zu Schneid- und
HINTERGRUND
Messerschmitt setzt ab Oktober sein Projektbüro auf ein entsprechendes Jagdflugzeug an. Man legt es vorsichtshalber zweistrahlig aus, da klare Angaben zum An-
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Spornradfahrwerk. Die Bordwaffen sind in die Bugspitze, die Triebwerke in die Flächen integriert.
Erstflug mit Kolbenmotor Der Entwurf ist typisch für Willy Messerschmitts Vorstellung einer aerodynamisch optimalen Gestaltung. Doch vieles davon sieht seine Entwicklungsmannschaft anders. Zum Beispiel setzt sie in der Folge einen dreieckigen Rumpfquerschnitt durch: er ist aerodynamisch wie statisch günstiger, ermöglicht problemlos ein Bugrad und vereinfacht die Unterbringung des Hauptfahrwerks, dessen breite Räder nun im ausladenden Dreiecksrumpf Platz finden. Im Gegenzug kann der Flügel dünn, leicht und damit „schnell“ gehalten werden. Der Bau erster Versuchsmuster (V) wird am 1. März 1940 freigegeben. Zwischenzeitlich steigen
1943 entsteht der „Bergepanther“, bei dem der Drehturm mit Kanone weggelassen wird. Auf dem Fahrgestell des „Panther“ befindet sich nun ein quadratischer Holz- und Metallaufbau und in der Panzerwanne eine Winde mit einer Längszugkraft von 40 Tonnen. Ein großer Erdsporn dient zu Abstützung und ein einfacher Kranausleger mit 1,5 Tonnen Hebekraft ergänzt die Ausrüstung. Da sind bereits erste Fahrzeugähnlichkeiten zu den Bergepanzern zu erkennen, die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges entwickelt werden.
URVATER „BERGEPANTHER“: Die technische Grundkonstruktion zukünftiger Bergepanzer ist beim „Bergepanther“ bereits zu erkennen.
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WUNDERVOGEL: Die Me 262 hat das Potential, jedem Gegner die Stirn zu bieten. Hier die V6 anlässlich einer Vorführung am 2. November 1943 mit Hermann Göring (in Lechfeld), sie ist Foto: DEHLA die erste Me 262 mit einziehbarem Bugrad.
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Feldherren
HERRSCHAFTLICH: Hitlers Anwesen auf dem „Obersalzberg“ wird in den 1930er-Jahren mehrfach aus- und umgebaut. Hier empfängt der „Führer“ zahlreiche Spitzenpolitiker und Militärs aus dem In- und Ausland. Foto: ullstein bild – Walter Frentz
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as Areal „Obersalzberg“ war von 1933/34 bis in den Zweiten Weltkrieg hinein eines der größten Bauvorhaben im NS-Staat. Nach der alliierten Bombardierung wenige Tage vor Kriegsende bleiben zahlreiche Fundamente und Ruinen zerstörter oder beschädigter Gebäude des ehemaligen „Führersperrgebietes Obersalzberg“ noch lange Zeit erhalten. Mit der Besetzung durch US-Truppen entsteht das AFRC („American Forces Recreation Center“), in dem GIs in den alten NS-Gebäuden entspannen. Die Amerikaner nutzen und pflegen die Häuser und deren Innenausstattung, die sie 1945 vorfanden, bis zu ihrem Abzug im Jahr 1995. Nach der Übergabe an den Freistaat Bayern werden die Gebäude und Ruinen des „Obersalzbergs“, dem Verfall preisgegeben und schließlich größtenteils abgetragen. Rückblick: Am 9. November 1923 versuchte Adolf Hitler durch einen Putsch in München, an die Macht in Deutschland zu gelangen. Dieser Putsch misslang und Hitler wurde zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt. Während dieser Zeit begann er, sein Buch „Mein Kampf“ zu schreiben. Nach seiner vorzeitig beendeten Haft versteckte sich Hitler – ähnlich wie der „Schriftleiter“ des NS-Organs „Völkischer Beobachter“ Dietrich Eckart – in einer kleinen Hütte oberhalb des „Platterhofs“ am „Obersalzberg“. Ende der 1920er-Jahre fühlte sich Hitler nicht mehr verfolgt und mietete zunächst das „Haus Wachenfeld“. Später – nach der NS-Machtübernahme im Deutschen Reich – kaufte der neue Reichskanzler das Landhaus, auf das Hitler bereits 1932 ein Vorkaufsrecht erworben hatte, und ließ es groß-
Feldmarschall Radetzky
Österreichs erfolgreicher Heerführer
UNTERSCHLUPF: Erstes Versteck des gescheiterten Putschisten nach seiner Festungshaft. Eine primitive Holzhütte oberhalb des „Platterhofs“. Foto: Sammlung John Provan
zügig umbauen und erweitern. Heinrich Hoffmann, sein Leibfotograf, stellte den „Berghof“ auf seinen Fotopostkarten anfangs als bescheidenen Wohnsitz dar. Nach 1933 erwarb die NS-Führung neue Gebäude am „Obersalzberg“. Eigentümern, die nicht bereit waren, ihr Anwesen zu verkaufen, wurde mit Inhaftierung gedroht. So konnten Hitler und die NS-Partei innerhalb kurzer Zeit zahlreiche Gebäude am „Obersalzberg“ erwerben. Das einst abgelegene Dorf inmitten einer idyllischen Berglandschaft wurde nun zur größten Baustelle Deutschlands. Die rege Bautätigkeit geht in der zweiten Hälfte der 1930er-Jahre ununterbrochen weiter. Aber auch im nahe gelegenen Berchtesgaden wurde viel gebaut. Vor allem Politiker aus dem Ausland sollten durch den Ausbau der Infrastruktur einen positiven Eindruck vom „neuen Deutschland“ bekommen. So wurden ein am 21. Januar 1934 offiziell
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enn es eine personalisierte Symbiose zwischen Militär und Staat im Kaiserstaat Österreich im 19. Jahrhundert gab, dann war es der am 2. November 1766 in Trebnic (Böhmen) geborene, fünf Monarchen dienende Johann Joseph Wenzel Graf Radetzky von Radetz. Der später legendenverklärte „Soldatenvater“ Feldmarschall Graf Radetzky fand nicht nur in der militärischen Traditionsbildung allgemein und in dem bis zum Ende der k.u.k.-Monarchie 1918 existierenden Husarenregiment Nr. 5 „Radetzky“ seine menschenmögliche „Unsterblichkeit“. Er war auch der erste Ehrenbürger Wiens. Für ihn schrieb der Dichter Grillparzer seine bekannte Grußadresse: „Glück auf, mein Feldherr, führe den Streich! Nicht bloß um des Ruhmes Schimmer – In deinem Lager ist Österreich.“
PROST AUF DEN SIEG: Im Mai 1945 kommen die Amerikaner und bleiben 50 Jahre. Foto: Sammlung John Provan
„Führersperrgebiet Obersalzberg“
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Ambitioniertes Vorhaben
Ende 1944: Die Me 262 bringt ihren zahlenmäßig überlegenen Gegnern das Fürchten bei. Doch es gibt auch Schattenseiten: Unausgereifte Technik und mangelnde Ausbildung fordern einen hohen Blutzoll in den eigenen Reihen. Von Wolfgang Mühlbauer
triebsaggregat fehlen. Nur ein geplanter Standschub von 600 kp und ein Höchstdurchmesser von 600 mm stehen im Raum. Zwischenzeitlich, am 4. Januar 1939, gibt das RLM die „vorläufigen Richtlinien für schnelle Jagdflugzeuge mit Strahltriebwerk“ heraus. Darin sind ein Jäger sowie ein Heimatschützer verlangt; beide maximal 900 km/h schnell. Als theoretische Basis für das P 1065 genannte MesserschmittProjekt dienen zwangsweise oft reine Schätzwerte. Der Startschuss zur Entwicklung fällt am 1. April 1939. Etwa zeitgleich beginnt Bramo (Brandenburgische Motorenwerke), mittlerweile ein Zweigbetrieb von BMW, mit der Entwicklung des Strahltriebwerks P 3302. Das erste Projektangebot zur P 1065 vom 7. Juni 1939 zeigt einen kleinen Tiefdecker mit Trapezflügeln, ovalem Rumpf und
Bergepanzer im Zweiten Weltkrieg
Solange eingesetzte Panzer kritische Gewichtsgrenzen nicht überschreiten, ist die Bergung mit üblicher Kranhilfe und Winden möglich. Doch im Zweiten Weltkrieg werden die Kampfpanzer immer schwerer und die Bergung liegengebliebener oder abgeschossener Panzer auf dem Gefechtsfeld immer schwieriger. Es setzt sich die Erkenntnis durch, dass nur ein gleichschwerer Panzer einen „Gewichtskameraden“ bergen kann. Doch genau solche Bergeaktionen sind auf dem Schlachtfeld verboten, um der Gefahr des doppelten Abschusses zu begegnen.
Spurensuche
Hitlers Residenz in den Bergen
ie staatlich unterstützte Arbeit an Turbinen-Luftstrahl-Triebwerken (TL) nimmt in Deutschland ab Frühling 1938 konkrete Formen an. Das Technische Amt des Reichsluftfahrtministeriums (RLM), zuständig für alle Entwicklungsprogramme, informiert zu Herbstanfang schließlich führende Vertreter der Zellenund Flugmotorenindustrie offiziell über die neuen Antriebe. Dabei wird die Bildung eines „süddeutschen Entwicklungsschwerpunktes" durch Messerschmitt und BMW angeregt, die beide noch im selben Jahr erste Studienaufträge erhalten.
Abb.: Sammlung Jörg-M. Hormann
Ketten, als das Schleppfahrzeug. Fast spielerisch zieht der „Bergeleo“ seine Last durch das Gelände.
Gepanzertes Arbeitsgerät
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Ein Leben für Österreich
Mai 1945: US-Truppen besetzen das weitläufige Areal um Hitlers „Berghof“ und bleiben dort bis 1995. Heute sind viele Spuren der NS-Vergangenheit weitgehend „verwischt“. Von John Provan
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Meinung
Die Logik des „Overkill“.
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Radetzkys individuelle militärische Biographie beeindruckt noch immer: Nach seinem Eintritt in das Kürassierregiment Caramelli (Nr. 2) am 1. August 1784 beginnt eine rasante und abwechslungsreiche Karriere, die durch einen Wechsel von Truppen- und Stabsverwendungen, die Teilnahme an vielen Feldzügen und Schlachten, zahlreichen Verwundungen und Auszeichnungen aufgrund außergewöhnlicher persönlicher Tapferkeit und couragierter Führungsleistungen geprägt ist. Als junger Ordonnanzoffizier bei den Feldherren Lacy und Laudon ist er im „Türkenkrieg“ von 1788/89 dabei. In den
22. September 1849: Bei einer Truppenschau in Wien ertönt zu Ehren des greisen Feldmarschalls der „Radetzky-Marsch“ – eine habsburgische „Marseillaise“. Der österreichische Kaiserstaat feiert sich und seinen größten Feldherrn. Von Eberhard Birk
Schlachten
16.–19.10.1813 06.05.1848 11.06.1848 22.08.1848 21.03.1849 23.03.1849
Völkerschlacht bei Leipzig Santa Lucia Vicenza Custozza Mortara Novara
ersten Jahren der Koalitionskriege gegen das revolutionäre Frankreich kämpft er auf Schlachtfeldern Mitteleuropas und steigt in den Jahren bis 1805 zum Generalmajor auf. Der Krieg Österreichs gegen Napoleon von 1809 zeigt ihn dann bereits als souveränen Truppenführer und gleichzeitig als furchtlosen Kämpfer. Seine Laufbahn erreicht ihren ersten großen Höhepunkt in der Beförderung zum Feldmarschallleutnant und der Ernennung zum Chef des Generalquartiermeisterstabes. Zu diesem Zeitpunkt ist er schon längst ein mit mehreren Orden – wie etwa Ritter des Militär-Maria-TheresiaOrdens – ausgezeichneter und populärer „Kriegsheld“. 1813 wird er folgerichtig zum Generalstabschef der großen Allianz gegen Napoleon, die diesen nach dessen gescheitertem Russlandfeldzug von 1812 aus Zentraleuropa über den Rhein vertreiben soll.
Generalstabschef gegen Napoleon Österreich, Russland und Preußen hatten in den Jahren 1805–1809 schmerzhaft die Überlegenheit Napoleons erfahren, den Radetzky als „Schreckensmann unserer Zeit“ bezeichnet. Der „Frühjahrsfeldzug“ Preußens und Russlands gegen Napoleon endete im Waffenstillstand vom Juni 1813 unentschieden. Diplomatische Verhandlungen führen Österreich im Geheimvertrag von Reichenbach vom 27. Juni 1813 an die Seite von Preußen Russland und Schweden. Am 11. August 1813 erklärt Österreich Napoleon den Krieg. Radetzky ist zu dieser Zeit der Chef des
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ERFOLGREICHER FELDHERR: Radetzky wirft die Revolution in Oberitalien nieder und erzwingt einen Waffenstillstand mit Piemont-Sardinien. Das Gemälde von Albrecht Adam zeigt den Generalissimus mit seinem Stab vor Mailand 1848. Abb.: picture alliance/akg
Clausewitz 4/2013
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Feldherren
Feldmarschall Radetzky.
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US-Atompolitik während des Kalten Krieges
Österreichs erfolgreicher Heerführer
Das außergewöhnliche Exponat
Ein Bild erzählt Geschichte
Das Deutsche Panzermuseum Munster präsentiert einen restaurierten Panzerkampfwagen VI („Tiger I“)
Marinemaler Olaf Rahardt über sein Bild zum Schlachtschiff BISMARCK
Deutschlands einziger „Tiger“. .....................................................................66
FAKTEN
Vom Foto zum Gemälde.
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Vorschau/Impressum ...........................................................................................................................82
Spurensuche
„Führersperrgebiet Obersalzberg“. ...................................................68 Hitlers Residenz in den Bergen
Titelfotos: picture-alliance/Mary Evans Picture Library; picture-alliance/akg-images; picture-alliance/Judaica-Sammlung Richter; ullstein bild; picture-alliance/akg-images/ Erich Lessing; Sammlung Jörg-M. Hormann; Sammlung Dirk Krüger
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Magazin Vielseitige Exponate: Blick in die Ausstellungsräume.
Foto: © Oberschlesisches Landesmuseum
VÖLKERSCHLACHT-JUBILÄUM
„Das Vaterland ist frey“ Das Oberschlesische Landesmuseum zeigt bis 27. Oktober eine Sonderausstellung zu den „Befreiungskriegen”
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esentliche Etappen der „Befreiungskriege“ werden im Oberschlesischen Landesmuseum in Ratingen mit herausragenden Leitobjekten dokumentiert. Rund 500 Exponate beleuchten seit dem 28. April in der neuen Sonderschau „Das Vaterland ist frey – 200 Jahre antinapoleonische Befreiungskriege“ die Entwicklungen der napoleonischen Ära sowie die unterschiedlichen Sichtweisen darauf. Die Ausstellung widmet sich besonders dem Geschehen der napoleonischen Zeit aus preußischer Sicht. Wie wirkten sich die preußischen Reformen aus? Was waren die wichtigsten Ereignisse in Schlesien? Wie gestaltete sich das Leben unter Napoleons Herrschaft?
Wo gab es Widerstand und wie entwickelte er sich letztlich zum Aufstand? Wie erlebten unterschiedliche Bevölkerungsgruppen die Kriegsjahre 1813 bis 1815? Wie groß war die Beteiligung wirklich? Und wie wurden die Befreiungskriege in späterer Zeit bewertet? Antworten auf diese Fragen geben auf 500 Quadratmeter mehrere hundert Exponate aus in- und ausländischen Sammlungen. Besondere Objekte der Ausstellung sind handschriftliche Entwürfe des berühmten „Aufrufes an mein Volk“, die Rheinbundakte von 1806, der Friedensvertrag von Tilsit (1807) sowie das Schlussdokument des Wiener Kongresses von 1815. Die Ausstellung eignet sich nicht nur für den individuellen
Besuch, sondern spricht auch gleichermaßen Gruppen, Familien und Schulklassen an. Multimediale Elemente sowie spezielle Texte für Jugendliche lassen den Ausstellungsbesuch für Jung und Alt zu einem spannenden Erlebnis werden. Kontakt: Oberschlesisches Landesmuseum Bahnhofstraße 62 | 40883 Ratingen (Hösel) Info-Telefon: 0 21 02 / 96 50 E-Mail:
[email protected] www.oslm.de Öffnungszeiten: Di.–So. 11:00–17:00 Uhr, Mo. geschlossen
DVD-TIPP
Stalins Beziehungen zu Hitler, Churchill und Roosevelt
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ie „offizielle“ Version historischer Ereignisse ist oft verzerrt oder geschönt – dies versucht die Dokumentation „Geheimakte Zweiter Weltkrieg“ zu demonstrieren. Die Spielszenen basieren auf Archivmaterial, das erst zugänglich wurde, als die von Stalin geschaffene Welt ab 1989 zerfiel. Manche Aussage hochrangiger Politiker wird somit als reine Propaganda entlarvt. Der Zweiteiler hat ein ausgewogenes Verhältnis von Reenactments, Originalaufnahmen und
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Interviews mit Zeitzeugen (darunter ehemalige Opfer der sowjetischen Geheimpolizei und Veteranen aller Kriegsparteien). Was wussten Churchill und Roosevelt über das wirkliche Vorgehen ihres Verbündeten im Osten? Oder: Wie viel wollten sie wissen und welche Kompromisse war ihnen der Bund mit Stalin wert? In der westlichen Öffentlichkeit wurde der sowjetische Diktator lange Zeit bewusst falsch dargestellt, um diese Allianz nicht zu gefährden (die Vertuschung des Massakers von Katyn ist nur ein
Beispiel). Erst gegen Ende des Zweiten Weltkriegs – als bereits über die Neuordnung Europas verhandelt wurde – traten die Differenzen offener zu Tage. Wer wissen will, was hinter verschlossenen Türen gesprochen wurde sollte einen Blick in diese Geheimakte wagen (Originaltitel: „Behind Closed Doors“).
Geheimakte Zweiter Weltkrieg. Hitler, Stalin und der Westen. BBC/Großbritannien 2009, circa 180 Minuten Laufzeit. Stalin, Hitler, Churchill und Roosevelt: Die Entscheidungen einzelner „Staatslenker“ beeinflussen das Schicksal von Millionen Menschen. Fotos: polyband Medien GmbH
Geheimakte Zweiter Weltkrieg
Im Dienst der Volksmarine Innenansichten der DDR-Seestreitkräfte
Foto: Steffen Verlag
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nteressante und auf diese Weise bislang unerzählte Innenansichten der DDR-Seestreitkräfte vermittelt Herausgeber Fregattenkapitän a.D. Dieter Flohr in seinem Buch „Im Dienst der Volksmarine“. Abseits der gängigen technischen, historischen und politischen Publikationen lässt der Journalist und ehemalige Marineoffizier eben diejenigen erzählen, die hautnah dran waren am Geschehen: Vom Stabsmatrosen bis zum Kapitän zur See berichten die Protagonisten in übersichtlichen Essays von ihrem Dienst in der Seepolizei und in der Volksmarine. Dabei spannt der Titel einen großen Bogen über die verschiedenen schwimmenden Einheiten, die unterschiedlichen Verwendungsreihen an Bord sowie 34 Jahre Historie der DDR-Mari-
175
Foto: picture-alliance/akg-images
Vor 175 Jahren – am 8. Juli des Jahres 1838 – wurde Ferdinand Graf von Zeppelin in Konstanz geboren. Nach dem berühmten General und Luftschiffkonstrukteur werden die von ihm entworfenen sogenannten Starrluftschiffe noch heute als „Zeppeline“ bezeichnet. Er starb am 8. März 1917 in Berlin.
Aus Sicht der Soldaten: Im Dienst der Volksmarine, 2010. 328 S. / zahlreiche Abbildungen.
ne. So manche Anekdote bringt den Leser zum Schmunzeln, doch handelt es sich keinesfalls um ein humoristisches Werk. Nicht selten werden kritische Worte gefunden – gegenüber dem damaligen „Klassenfeind“, aber auch gegenüber dem Regime sowie der militärischen Führung an Bord und in den Stäben. Gerade die von Dieter Flohr gewählte individuelle Erzählform durch unmittelbar Beteiligte macht das Buch zu einem spannenden, subjektiv-wissenschaftlichen Zeitdokument.
BUCHEMPFEHLUNG
Wie Friedrich „der Große“ wurde Idealer Einstieg in die Geschichte des Siebenjährigen Krieges
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as Militär und die Kriege Friedrichs des Großen sind seit jeher ein zentraler Gegenstand der (Militär-)Geschichtsschreibung. Gleichwohl fehlt bisher ein griffiger, in kompakten Abschnitten flüssig formulierter Einstieg in die Thematik. Die in diesem Band vorliegenden facettenreichen Beiträge führen in die politischen und militärischen Grundlagen des Zeitalters ein. Dabei werden die gesellschaftlichen Konfliktlinien genauso behandelt wie Organisation, Ausbildung, Schlachten und die Rezeptionsgeschichte der preußischen Armee unter dem berühmten Monarchen. Das mit zahlreichen Abbildungen und farbi-
gen Karten versehene, mehr als 300 Seiten umfassende Buch wurde in Zusammenarbeit mit dem Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Potsdam und dem Militärhistorischen Museum in Dresden herausgegeben. Eberhard Birk, Thorsten Loch und Peter Andreas Popp (Hg.): Wie Friedrich „der Große“ wurde – Eine kleine Geschichte des Siebenjährigen Krieges 1756–1763, Rombach Verlag, Freiburg/Br. 2012.
AUSSTELLUNGSTIPP
„Nur Fliegen ist schöner...“ Sonderausstellung zur Marinefliegerei
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en in diesem Jahr zu feiernden 100. Geburtstag der Marineflieger begeht das Deutsche Marinemuseum in Wilhelmshaven bis zum 3. November 2013 mit einer Sonderausstellung. Unter dem Titel „Nur Fliegen ist schöner!? Die Marine entdeckt die dritte Dimension“ nähern sich die Ausstellungsmacher ihrer The-
matik vor allem auf einer regionalen Ebene. Neben allgemeinen technischen und historischen Informationen haben sie den inhaltlichen Schwerpunkt auf die „fliegenden blauen Jungs“ in Wilhelmshaven während der frühen Jahre der militärischen Seefliegerei gesetzt. Zwei Fotoalben aus dem Nachlass
Originalexponate werden in der Ausstellung gezeigt, hier ein Flugfunkgerät der ersten Generation. Fotos: Ulf Kaack
Clausewitz 4/2013
Facettenreich: Neue Publikation über den „Siebenjährigen Krieg”.
Foto: Rombach Verlag
BUCHVORSTELLUNG
Klassiker: Das Modell der „Friedrichshafen F33“ ist eine Leihgabe des Deutschen Museums in München und das bekannteste deutsche Wasserflugzeug seiner Zeit.
des Werkmeisters Tonius Pollmann mit hochwertigem Bildmaterial aus der Zeit von 1913 bis 1920 bilden die Basis dazu. Auf diese Weise ist ein detailliertes Portrait der Marinefliegerabteilung II in Wilhelmshaven und der seinerzeit angeschlossenen Flugwerft entstanden. Von dem Fliegerstützpunkt an der Jademündung wurden während des Ersten Weltkriegs Aufklärungs- und Kampfeinsätze über der gesamten Nordsee geflogen. Originalexponate wie eine Bordkanone, ein Funkgerät oder ein Propeller veranschaulichen die Thematik ebenso wie Modelle der damaligen Flugzeuge und Luftschiffe.
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Magazin
ZEITSCHICHTEN
Die Fotocollage des russischen Fotografen Sergey Larenkov stellt eindrucksvoll visualisiert einen Brückenschlag zwischen Vergangenheit und Gegenwart her. www.sergey-larenkov.livejournal.com
Damals: Im Juni 1940 posiert Adolf
Hitler zusammen mit den Architekten Albert Speer (links) und Arno Breker vor dem zur Weltausstellung 1889 erbauten Eiffelturm. Das nationale Symbol Frankreichs wird somit kurz nach dem Sieg über die „Grande Nation“ propagandistisch von Hitler ausgenutzt.
Heute: Der 324 Meter hohe Turm
prägt auch heute noch das Stadtbild der Seine-Metropole und gehört mit etwa sieben Millionen Besuchern pro Jahr zu den populärsten Touristenattraktionen überhaupt. Menschen aus aller Welt bestaunen täglich diese moderne Architektur-Ikone.
ERINNERUNGSTRUNK
NEUERSCHEINUNG
Whisky-Destillerie ehrt Wikinger
Neuer Band der Imhof-Kulturgeschichte
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„Warrior“-Serie aus Schottland ie schottische Destillerie Highland Park (HP) liegt als nördlichste Brennerei des Landes auf den Orkneys. Tradition und Pflege des geschichtlichen Erbes sind auf der alten Wikinger-Insel allgegenwärtig. HP brachte schon zahlreiche Abfüllungen mit Skandinavien-Bezug auf den Markt. Ganz aktuell ist nun eine kleine Serie zu Ehren der Krieger Svein, Einar Kriegerisches Erbe: Insgesamt sechs limitierte Flaschen erscheinen – hier abgebildet „Einar“, dessen „Wahrzeichen“ eine mächtige Streitaxt war. Foto: Highland Park
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und Harald. Alle drei spielten eine wichtige Rolle in der Geschichte der Orkneys. Wie bei Highland Park üblich, sind alle drei Flaschen schön aufgemacht und bieten neben dem hochprozentigen Inhalt (40%) Informationen über die drei Wikinger. Alle drei Single Malts sind geschmacklich komplex und kosten zwischen 50 und 80 Euro. In nächster Zeit erscheinen noch Sigurd (43%), Ragnavald (44,6%) und Thorfinn (45,1%), um die Reihe komplett zu machen. Erhältlich im Fachhandel und an Flughäfen („Travel Value“).
www.sergey-larenkov.livejournal.com
Clausewitz
„Friedrich der Siegreiche“
ie Neuerscheinung stellt Kurfürst Friedrich I. von der Pfalz – eine der dominierenden Persönlichkeiten in der Mitte des 15. Jahrhunderts im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation – in Wort und Bild ausführlich vor. Hochgebildet und persönlich tapfer zeigte er sich seinen Gegnern gegenüber kompromisslos, verfolgte hartnäckig und erfolgreich seine Ziele. Er regierte nach dem Tod seines Bruders und Vorgängers Ludwig IV. von 1449 bis 1451 als Vormund seines kleinen Neffen Philipp, adoptierte ihn 1451, verzichtete selbst (zunächst) auf eine Ehe
Reich illustriert: Das 2013 erschienene Buch verfügt über mehr als 80 farbige Abbildungen. Foto: Michael Imhof Verlag
und leitete aus dieser „Arrogation“ sein Recht zum wirklichen Kurfürsten ab. Dadurch zog er sich die Feindschaft des Kaisers zu, aber trotz Reichsacht und Kirchenbann blieb Friedrich I. siegreich. Unbotmäßige Vasallen und mächtige Reichsfürsten bezwang er dank seiner Feldherrenkunst.
Clausewitz
3/2013 Mai | Juni
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Das Magazin für Militärgesc hichte
Militärtechnik im Detail
Flugzeugträger der IndependenceKlasse
Briefe an die Redaktion
MULTIMEDIA
Kriegsjahr 1914 Erste iPad-App von SZ Photo: 100 Jahre Erster Weltkrieg
Foto: Süddeutsche Zeitung Photo
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um im kommenden Jahr bevorstehenden 100. Jahrestag des Kriegsausbruchs 1914 hat Süddeutsche Zeitung Photo ausgewählte Bilder aus dem Archiv zu einer App zusammengestellt, die die vielfältigen Perspektiven des Ersten Weltkriegs zeigen. Zahlreiche Bilder illustrieren die Hauptthemen Kriegsbeginn, West- und Ostfront, See- und Luftkrieg, Kriegsalltag und Kriegsende. Jedem Thema geht eine kurze Einführung voraus. Die Fotos der App stehen stellvertretend für über 6.000 Bilder zu diesem einschneidenden Ereignis, die in über 70 Dossiers auch auf der Homepage von SZ Photo unter www.sz-photo.de/erster-weltkrieg zu finden sind. Somit steht sowohl foto- und geschichtsinteressierten Privatkunden als auch professionellen Bildkunden ein kompakter Überblick zum Thema „Erster Weltkrieg“ für das iPad zur Verfügung. Design und Layout: Fabian Gampp. Die App ist zum Preis von 1,79 Euro ab sofort im App Store erhältlich. Weitere Apps von Süddeutsche Zeitung Photo sind in Planung. Mehr Infos unter www.sz-photo.de
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Zu „Geballte Feuerkraft“ in CLAUSEWITZ 2/2013: Unter den aufgezählten sowjetischen Panzern fehlt der Pz.Kpfw.III, von dem mehr als 200 erbeutete Stücke als Selbstfahrlafette SU-76i mit festem Kasematt-Aufbau auf Basis des T 34 umgebaut wurden, die gegen die Wehrmacht eingesetzt wurden. Stefan Semerdjiev, Bulgarien, per E-Mail Zu „Hitlers umstrittener Stratege“ in CLAUSEWITZ 2/2013: In Ihrem Bericht über Erich von Manstein haben Sie auf Seite 78 geschrieben: „Zwei eigens aus Frankreich herangeführte 80-cmEisenbahngeschütze des Typs ,Dora’ schießen die mächtigen Festungsanlagen sturmreif, bis die Verteidiger schließlich Anfang Juli kapitulieren.“ Es wurden zwei Geschütze vom Typ ,,Dora" hergestellt, jedoch wurde nur eins auf der Krim eingesetzt. Die zwei Geschütze, die hier erwähnt werden, sind die Mörser ,,Odin" und ,,Thor" vom Kaliber 60 cm. Dieter Hübner, per E-Mail Zu „Der gefiederte Tod“ in CLAUSEWITZ 3/2013: Mit Begeisterung habe ich die Ausgabe 3/2013 gelesen. Die Beiträge sind ordentlich recherchiert und sehr schön zu lesen. Allerdings hat sich in Ihrem Editorial ein kleiner Fehler eingeschlichen. Zum Thema „Der gefiederte Tod“
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wird der englische Langbogen falsch beschrieben. Sie schreiben: „Die schweren Kriegsbögen sind etwa 1,8 Meter lang und bestehen aus einem Stück Eibenholz, das so gewählt ist, dass sich das dichte Kernholz in der Mitte des Bogens befindet, während das elastischere Holz die Bogenarme bildet.“ Als traditioneller Bogenschütze und Militärhistoriker möchte ich diese Beschreibung verbessern. Das dunklere Kernholz der Eibe zieht sich über den ganzen Bogen. Er wird so gebaut, dass Kernholz und Splintholz wie ein natürlicher Kompositbogen wirken. Das festere Kernholz hat bessere Druckeigenschaften, während das weichere Splintholz die besseren Zugeigenschaften besitzt. Bastian Eisenbart, per E-Mail Zu „Der Krieger auf dem Königsthron“ in CLAUSEWITZ 3/2013: Die Denkweise des Richard Plantagenet, Coeur de Lion, nachmals „the Lionheart“, entsprach der praktisch aller mittelalterlichen Herrscher in Europa und im Orient: Das imperiale-royale Streben galt der eigenen Dynastie, der Familie, der Sippe, nicht einem Volk oder einer Nation. Auch die Religion, speziell im Kreuzzug, war nur Mittel zum Zweck. Eben diese übernationale Denk-
8,8-cm-FlaK
Das steckt hinter dem Ruf der „Acht-Acht“
Hamburgs Brandnächte im Jahr
Krimkrieg 1853
Vorstufe zu einem Weltkrieg?
Richard Löwenherz
1943
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„Gomorrha“ MILITÄR & TECHNIK:
König, Krieger und Kreuzritter Westland „Sea King“
Deutsche Marineflieger im Kalten Krieg
Mi-8T
weise wird heute gern übersehen. (...) Interessant ist auch die landsmannschaftliche Zusammensetzung des Heeres, mit dem er gegen seinen Vater zu Felde zog: zu je einem Viertel Engländer, Flamen, Schotten und Franzosen. Nach damaliger Rechtsauffassung war Herzog Leopold V. von Österreich nicht berechtigt, sein Banner neben denen zweier Könige aufzustellen, zumindest – da er nicht von ebenbürtigem Adel war – in gleicher Höhe. In niedrigerer Position wäre es statthaft gewesen. Es gibt auch Berichte, dass Richard Leopolds Banner nicht nur entfernen, sondern auch in eine Latrinengrube hat werfen lassen. Es wäre dann nicht weiter verwunderlich, dass Leopold auf Vergeltung, Genugtuung, Rache sann. Man kann vergangene Zeiten mit ihren Herrschern nicht so einfach aus heutiger Sicht beurteilen, Richard I. von England ist hierfür ein Paradebeispiel. Jürgen Kaltschmitt, per E-Mail
Schreiben Sie an:
[email protected] oder CLAUSEWITZ, Postfach 40 02 09, 80702 München Leserbriefe spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe aus Gründen der Darstellung eines möglichst umfassenden Meinungsspektrums sinnwahrend zu kürzen.
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Titelgeschichte
200 Jahre „Völkerschlacht“ – Leipzig 1813
Jahrhundertschlacht Die
MASSENHEERE IM KAMPF:
Bei Leipzig treffen Mitte Oktober 1813 insgesamt mehr als eine halbe Million Soldaten beider Lager im Kampf aufeinander. Die Zahl der Toten und Verwundeten ist erschreckend hoch. Abb.: picture-alliance/maxppp
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16. bis 19. Oktober 1813: Mehr als 500.000 Soldaten stehen sich bei Leipzig gegenüber. Der Ausgang der bis dato größten Schlacht der Weltgeschichte hat erhebliche Auswirkungen auf die Herrschaft Napoleons über weite Teile Europas. Von Eberhard Birk
Clausewitz 4/2013
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Titelgeschichte | „Völkerschlacht“
FAKTEN
Frankreich
Befehlshaber: Truppenstärke:
Napoleon I, Kaiser der Franzosen (1769–1821) circa 191.000 Mann (Franzosen, Polen, Italiener, Schweizer, Holländer, Kroaten; zudem circa 20.000 Soldaten aus „Rheinbund“-Staaten)
Geschütze:
690
Verluste:
circa 30.000 Tote circa 38.000 Verwundete circa 37.000 Gefangene
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Krieg gegen die Allianz
UNTER DRUCK: Dem französischen Kaiser Napoleon I und seiner Armee steht im Herbst 1813 auf den Schlachtfeldern bei Leipzig ein mächtiges Aufgebot der Verbündeten gegenüber. Sie sind fest entschlossen, die Grande Armée zu besiegen. Abb.: ullstein bild – Photo 12/Fondation Napoléon
Clausewitz 4/2013
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Titelgeschichte | „Völkerschlacht“
FAKTEN
Verbündete
Böhmische Armee Befehlshaber: Karl Philipp Fürst von Schwarzenberg (1771–1820) Stabschef: Feldmarschallleutnant Joseph Wenzel von Radetzky (1766–1858) Truppenstärke: circa 130.000 Mann Geschütze: 550 Schlesische Armee Befehlshaber: Gebhard Leberecht von Blücher (1742–1819) Stabschef: Generalmajor August Neidhart von Gneisenau (1760–1831) Truppenstärke: circa 55.000 Mann Geschütze: 310 Geschütze Nordarmee Befehlshaber: Truppenstärke: Geschütze:
Kronprinz Karl Johann von Schweden (1763–1844) (vormals frz. Marschall Bernadotte) circa 95.000 Mann k.A.
Kräfteverhältnis am 18. Oktober 1813 nach Eintreffen der russisch-polnischen Reservearmee: Franzosen: circa 160.000 Mann Geschütze: 630 Verbündete: circa 300.000 Mann Geschütze: 1.466 Verluste: Tote und Verwundete:
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22.600 Russen 16.000 Preußen 15.000 Österreicher 200 Schweden
Hoffnung auf Befreiung
BIS ZUR TOTALEN ERSCHÖPFUNG:
Die mehrtägige „Völkerschlacht“ verlangt den Soldaten beider Kriegsparteien alles ab. Für die Verbündeten bietet die Entscheidungsschlacht bei Leipzig die Möglichkeit, sich vom Joch der französischen Fremdherrschaft Abb.: picture-alliance/akg-images zu befreien.
Clausewitz 4/2013
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Titelgeschichte | „Völkerschlacht“ ne Schritte können sich die Generale der Alliierten trotz aller „Lernerfolge“ der vergangenen Jahre niemals sicher sein. Obwohl der Russlandfeldzug katastrophal endete, ist es ihm gelungen, in kürzester Zeit eine neue, circa 300.000 bis 400.000 Mann starke und vorwiegend national-französische Truppe aus dem Boden zu stampfen. Wenn es ihm gelingt, die einzelnen Kontingente seiner Gegner zu isolieren und in getrennten Schlachten zu besiegen, kann er daraus politisches Kapital schlagen.
Kongeniales Generalstabsduo Mit den im Mai 1813 gewonnenen Schlachten von Großgörschen und Bautzen scheinen seine Soldaten wieder auf der alten napoleonischen Siegesstraße zu marschieren. Nach dem österreichischen Allianzbeitritt aber stehen sie zahlenmäßig weit überlegenen Armeen gegenüber. Und deren Generalstabschefs heißen Radetzky und August Neidhardt von GneiseTÖDLICH GETROFFEN: Józef Antoni Poniatowski, Befehlshaber des VIII. Korps der Grande Armée und von Napoleon am 16. Oktober 1813 zum Marschall von Frankreich ernannt, fällt am 19. Oktober 1813 bei einem Rückzugsgefecht der geschlagenen napoleonischen Armee. Abb.: picture-alliance/akg-images
N
ach dem Scheitern seines Russlandabenteuers von 1812 befindet sich Napoleon in der strategischen Defensive: Die Unzufriedenheit und Kriegsmüdigkeit in Frankreich, der Verlust nahezu sämtlicher kriegsgeübter Soldaten seiner Grande Armée, die Entwicklung nationaler Befreiungsbewegungen und die beginnende Siegeszuversicht bei den Ostmonarchien Russland, Österreich und Preußen lassen seine Machtposition erodieren. Napoleon hat genug damit zu tun, den „Rheinbund“ zusammenzuhalten. Seine gezwungenen Bündnispartner sind nicht mehr alle davon überzeugt, auf der richtigen Seite zu stehen. Im Frühjahrsfeldzug 1813 kann er sich noch gegen die preußisch-russische Allianz behaupten. Nach einem Waffenstillstand im Juni läuft die Diplomatie von Napoleons Gegnern auf Hochtouren – Österreich wird als Bündnispartner gewonnen.
Freigesetzte Kräfte Die Chance auf die Befreiung von der französischen Hegemonie setzt Kräfte frei, während Napoleons Ressourcen schwinden. Der Faktor Zeit soll für die Alliierten arbeiten. Ihr strategisches Ziel ist sehr ehrgeizig: Napoleon muss über den Rhein zurückgeworfen werden. Damit wäre ihm der Zugriff auf die militärischen Ressourcen des Rheinbundes verwehrt und sein verbleibender strategischer Radius empfindlich eingeengt.
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Den Oberbefehl über die alliierten Streitkräfte besitzt der österreichische Feldmarschall Karl Philipp Fürst zu Schwarzenberg. Seine Rolle ist mehr die eines Militärdiplomaten. Er muss die politischen Ziele der Bündnispartner, die auch schon auf die „Nachkriegszeit“ schielen, unter einen Hut bringen. Nicht alle Monarchen sind bereit, ihre politischen Bestrebungen von militärischen Notwendigkeiten diktieren zu lassen. Schwarzenbergs Generalstabschef Radetzky (s. a. S. 74) muss daher strategische und operative Bewegungen mit den übergeordneten außenpolitischen Zielen synchronisieren. Napoleon bleibt indes gefährlich: Über sei-
SYMBOLTRÄCHTIG: Am 10. März des Jahres 1813 stiftet der preußische König Friedrich Wilhelm III. in der niederschlesischen Stadt Breslau für den Verlauf der „Befreiungskriege“ das von Karl Friedrich Schinkel entworfene Eiserne Kreuz. Foto: picture-alliance/dpa
NAH AM ZIEL: Schwarzenberg und die verbündeten Fürsten auf dem Monarchenhügel am Abend des 18. Oktober 1813 – dem Vorabend des alliierten Triumphes über Napoleon. Foto: picture-alliance/akg-images
Verbündete zahlenmäßig überlegen nau, der hinter Blücher die Schlesische Armee lenkt. Beide sind als kongeniales Generalstabsduo die Verkörperung eines langen und erfolgreichen Lernprozesses. Sie haben über Jahre hinweg Napoleons Feldzüge studiert. Ihre Lehre aus den vorangegangenen
positionen zu zermürben, „um den Hauptzweck in den gemeinschaftlichen Operationen nicht zu verfehlen, nämlich: den Hauptschlag mit Sicherheit zu führen (...) den Kaiser Napoleon von seinen Stützpunkten an der Elbe abzudrängen, sodann möglichst na-
„Wir haben den französischen Kaiser ganz umstellt. Diese Schlacht wird über das Schicksal von Europa entscheiden.“ Blüchers Stabschef General Gneisenau in einem Brief an seine Frau vom 18.Oktober 1813.
seiner Marschälle erreicht werden. Dafür stehen aufseiten der Alliierten zu Beginn des Feldzuges drei Armeen zur Verfügung: die Böhmische Armee unter dem Oberbefehl von Schwarzenberg mit 127.000 Österreichern, 82.000 Russen und 45.000 Preußen; die Schlesische Armee unter dem Oberbefehl von dem später so genannten „Marschall Vorwärts“ Blücher mit 66.000 Russen und 38.000 Preußen sowie die Nordarmee unter dem Oberbefehl von Bernadotte, dem schwedischen Kronprinzen und vormaligen Marschall Napoleons, mit 73.000 Preußen, 29.000 Russen und 23.000 Schweden.
Beginn des „Herbstfeldzuges“ Koalitionskriegen ist es, sich nicht von ihm auseinanderdividieren zu lassen. Die militärische Zielsetzung des anstehenden Feldzuges formuliert Radetzky bereits am 7. Juli 1813: Zunächst gilt es zu verhindern, sich in einzelne Schlachten gegen Napoleon einzulassen, ihn durch kluge Dis-
Clausewitz 4/2013
he zu umstellen, jede teilweise Niederlage zu vermeiden und am Ende in einer Entscheidungsschlacht vollends zu vernichten.“ Dieses Ziel soll durch ein elastisches Ausweichen von weit getrennt stehenden Armeen vor der Hauptmacht Napoleons bei gleichzeitigem Schlagen der Nebenarmeen
Sowohl die Alliierten als auch Napoleon haben die Zeit des zwischenzeitlichen Waffenstillstandes vom 4. Juni 1813 genutzt, um ihre Truppen aufzustocken. Nach mehr als zwei Monaten Waffenstillstand, Diplomatie und Aufrüstung beginnt Mitte August 1813 der „Herbstfeldzug“: Operatives Zurücknehmen
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Titelgeschichte | „Völkerschlacht“
BEEINDRUCKEND: Im Jahr 2012 wurden in Leipzig-Markkleeberg Kampfhandlungen mit mehr als 1.700 Darstellern aus vielen Ländern Europas nachgestellt. Anlässlich des 200. Jahrestages der Schlacht bei Leipzig finden über einen Zeitraum mehrerer Monate hinweg zahlreiche Veranstaltungen, darunter auch aufwendig inFoto: Anne Schulz/Westend-PR szenierte Reenactments, statt.
der alliierten Truppen vor den zur Schlacht treibenden napoleonischen Marschällen, gepaart mit Initiative auf lokaler Ebene, führt zu einer Reihe von Erfolgen gegen die französischen Truppen: Den alliierten Erfolgen bei Großbeeren am 23. August, an der Katzbach am 26. August, Hagelberg am 27. August, Kulm am 29. August, Nollendorf am 30. August und Dennewitz am 6. September steht nur ein Sieg der französi-
JUBILÄUM: Erinnerung an den 100. Jahrestag der „Völkerschlacht“ mit den siegreichen „Helden der Befreiungskriege“ und dem unterlegenen Napoleon I. Das im Jahr 1913 eingeweihte, imposante Völkerschlachtdenkmal wird seit mehreren Jahren aufwendig restauriert. Foto: ullstein bild - Photo 12/Fondation Napoléon
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schen Waffen entgegen. Napoleon persönlich führt am 26./27. August 1813 seine Truppen in der Schlacht bei Dresden zum Erfolg – sein letzter nennenswerter Schlachtensieg auf deutschem Boden. Aber auch die alliierten Erfolge kosten Blut. Dies können die Österreicher und die Russen eher „verkraften“ als die Preußen. Blücher und Gneisenau drängen daher auf eine schnellere Entscheidung und
DOPPELJUBILÄUM: Erinnerung an den 200. Jahrestag der „Völkerschlacht“ und den 100. Jahrestag der Einweihung des „Völkerschlachtdenkmals“. Vom 16. bis 20. Oktober 2013 wird in Leipzig aus diesem Anlass eine Gedenkwoche mit zahlreichen Veranstaltungen stattfinden. Mehr Infos dazu unter: www.voelkerschlacht-jubilaeum.de Foto: Westend-PR/Methode 21
Schwarzenbergs Probleme ergreifen die Initiative. Bei Wartenburg südlich von Wittenberg überschreiten sie am 3. Oktober die Elbe. Damit werden Napoleons rückwärtige Verbindungen bedroht. Er belässt 30.000 Mann in Dresden und führt seine Hauptmacht in Richtung Leipzig. Am 14. Oktober bereits treffen vor Liebertwolkwitz und Güldengossa 15.000 Kavalleristen zum größten Reitergefecht des Feldzuges aufeinander. Sie werden auch von starken Infanterieverbänden unterstützt. Von der Geländeerhebung Galgenberg aus, auf dem die Franzosen ihren Beobachtungspunkt und ihre Artillerie haben, starten sie zur Überraschung der Alliierten einen Kavallerieangriff, der erst vor Güldengossa zum Stehen gebracht werden kann. Der im Gegenzug eroberte Galgenberg wird bei Einbrechen der Dämmerung von den Verbündeten ebenso geräumt wie das parallel dazu eroberte Liebertwolkwitz. Der siebenstündige, letztlich unentschiedene Kampf verdeutlicht, dass Napoleon bereit ist, sich zur Entscheidungsschlacht zu stellen.
KARTE
Völkerschlacht bei Leipzig
16.–19. Oktober 1813
VON ALLEN SEITEN: Die Karte zeigt die Ausgangssituation der französischen Truppen und das Vordringen der verbündeten Armeen zwischen dem 16. und 19. Oktober 1813.
Drohende Umklammerung Napoleons zentrale Position auf der „inneren Linie“ zwischen Connewitz, Markkleeberg, Wachau, Liebertwolkwitz und Holzhausen bildet einen weiträumigen Halbkreis mit Leipzig im Mittelpunkt. Seine Armee mit einer Gesamtstärke von circa 191.000 Mann mit 690 Geschützen setzt sich aus Franzosen, Polen, Italienern, Schweizern, Holländern und Kroaten zusammen, einschließlich circa 20.000 Mann an „Rheinbund“-Kräften aus Sachsen, Württemberg, Westfalen und Hessen-Darmstadt. Seine numerische Unterlegenheit zwingt ihn zur Schwerpunktbildung: Das Korps Bertrand mit nur wenigen Tausend Mann und 16 Geschützen soll westlich der Stadt Leipzig die kleine Ortschaft Lindenau sichern. Im Norden stehen über 40.000 Mann mit 186 Geschützen, um unter dem Oberbefehl von Marschall Ney den erwarteten Anmarsch und Angriff der Schlesischen Armee abzuweisen. Priorität hat aber der Süden Leipzigs. Hier ist es Napoleons Absicht, eine drohende Umklammerung durch die alliierten Kräfte mit einem wuchtigen Stoß, vorgetragen von 138.000 Mann und 488 Geschützen gegen die Böhmische Armee, zu unterbinden. Diese steht mit 130.000 Mann und 550 Geschützen unter dem Oberbefehl Schwarzenbergs südlich von Leipzig. Durch eine Umgehung des rechten Flügels der Böhmischen Armee mit starken Kavallerieverbänden will er deren Zentrum erschüttern und einen frühzeitigen Reserveneinsatz erzwingen, um dann mit seiner hinter Liebert-
Clausewitz 4/2013
Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich
wolkwitz stehenden Reserve den finalen Stoß auf die Reste der Böhmischen Armee zu führen.
Zeitliche Risiken Im Gegensatz zu Napoleons Schwerpunktbildung aber werden deren Kräfte „verzettelt“. An seinem linken Flügel plant Schwarzenberg die rund 20.000 Mann starke Abteilung Gyulai für einen Demonstrationsangriff auf Lindenau ein. Daneben setzt er etwa 30.000 Mann
im Überschwemmungsgebiet zwischen den Flüssen Elster und Pleiße auf Connewitz an. Knapp 72.000 Mann seines Hauptkontingentes stellt er ostwärts davon Napoleon entgegen. Durch diese Verteilung seiner Kräfte, getrennt durch Geländehindernisse, muss Schwarzenberg drei Teilkämpfe führen. Damit hat er sich Führungs- und Koordinationsprobleme und Napoleon zudem die örtliche Überlegenheit genau dort geschaffen, wo dieser seinen Schwerpunkt plant.
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Titelgeschichte | „Völkerschlacht“ HINTERGRUND
Der Rheinbund
Die Ausdehnung französischer Macht in den napoleonischen Kriegen führt ostwärts des Rheins zu vielfältigen politisch-territorialen Flurbereinigungen. Nach dem Frieden von Lunéville kommt es 1803 zum Reichsdeputationshauptschluss. Dabei verschwinden freie Reichstädte, Reichsritterschaften und kleinere Herrschaften im Zuge der sogenannten Mediatisierung sowie geistliche Territorien durch die Säkularisation. Dies ändert den Charakter des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation grundlegend. Im Juli 1806 gründet Napoleon als „Protektor“ den Rheinbund – einen Staatenbund mit zunächst 16 Mitgliedern, denen später noch 23 weitere beitreten. Sie bilden ohne Preußen und Österreich ein „Drittes Deutschland“, das sich im Kern gegen „Kaiser und Reich“ richtet. Am 1. August erfolgt deren formaler Austritt aus dem Reichsverband, worauf Joseph II. am 6. August 1806 die Kaiserkrone niederlegt. Viele Mitgliedstaaten – auch die größeren wie Bayern, Württemberg und Sachsen – beginnen nach dem Vorbild Frankreichs mit Modernisierungsprozessen in Staat, Gesellschaft, Bildung und Wirtschaft. Für Napoleon ist indes das militärische Potenzial des Rheinbundes wichtiger. Er bündelt und nutzt dessen personelle und materielle Ressourcen. Im Jahre 1811 stellt der Rheinbund circa 120.000 Soldaten. Ein Großteil von ihnen stirbt beim Russlandfeldzug Napoleons 1812 und in den 1813 beginnenden „Befreiungskriegen“. Nach Napoleons Niederlage in der „Völkerschlacht“ bei Leipzig im Oktober 1813 bricht der Rheinbund auseinander.
Für Napoleon hängt alles vom Gelingen seines ersten Angriffes ab. Insgesamt ist sein Plan zwar mit erheblichen zeitlichen Risiken behaftet, weil er vom stetigen Zuführen alliierter Verbände auszugehen hat. Zwangsläufig indes muss er die Schlacht mit diesem Plan nicht verlieren. Vielleicht setzt er etwas überheblich darauf, dass der Stern seiner Feldherrentätigkeit auch über Leipzig leuchtet, wenn er sein Schicksal in die eigenen Hände nimmt.
Entscheidender Stoß Aber nicht Napoleon, sondern die Verbündeten eröffnen am Morgen des 16. Oktober kurz nach 8:00 Uhr die Schlacht am südlichen Frontabschnitt. Auf der Linie Markkleeberg–Wachau–Liebertwolkwitz stoßen sie auf die französischen Kolonnen vorwärts, nehmen die Dörfer ein und verteidigen sie kurzfristig unter großen Verlusten. Aber die Dynamik des Angriffs ist gebrochen. Die Geländegewinne müssen aufgrund eines massiven französischen Gegenstoßes wieder aufgegeben werden. Auch der zeitgleich im sumpfigen Gelände zwischen den Flüssen Elster und Pleiße von Gautzsch auf Connewitz vorgetragene Flankenangriff der Alliierten wird durch französisches Feuer abgewehrt. Ihr Vorgehen ist dadurch erschwert,
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dass am Vortag nahezu alle Brücken im Vorfeld der französischen Stellungen gesprengt wurden. Und die Abteilung Gyulai scheitert trotz deutlicher Überlegenheit am französischen Widerstand bei Lindenau. Nun will Napoleon die Initiative auf dem Gefechtsfeld an sich reißen. Für den entscheidenden Stoß gegen die Böhmische Armee wartet er noch auf das Eintreffen seines VI. Korps. Es gilt mit seinen vier Regimentern Marineinfanterie unter der Führung von Marschall Marmont als der kampfkräftigste Großverband Napoleons. Die bestens ausgebildeten Soldaten haben im laufenden Feldzug noch keine Niederlage erlitten. Bereits um 7:00 Uhr hat er das Korps per Befehl von
der Nordfront in Richtung Süden beordert. Mit ihm will er Schwarzenbergs Armee zertrümmern. Aber das Eintreffen von zwei Korps der Schlesischen Armee vor Möckern erlaubt kein Abziehen französischer Kräfte im Norden. Marmonts Korps steht hier in vorberei-
TRAGISCH: Gerhard von Scharnhorst erlebte den Sieg der Verbündeten über Napoleons Truppen bei Leipzig nicht mehr. Er wurde in der Schlacht von Großgörschen am 2. Mai 1813 verletzt und starb wenige Wochen später am 28. Juni an den Folgen dieser medizinisch unzureichend versorgten Verwundung. Scharnhorst gilt bis heute als einer der bedeutendsten preußischen Militärreformer. Foto: picture-alliance/akg-images
Hin und her wogender Kampf
DRAMATISCHER AUGENBLICK: Erstürmung des Grimmaischen Tores am 19. Oktober 1813. Die Niederlage der Franzosen nimmt durch das Vorrücken der Verbündeten in die Leipziger Innenstadt Abb.: picture-alliance/ZB immer konkretere Züge an.
teten Stellungen. Er verfügt über eine vortreffliche Artillerie, die er auf den Höhen ostwärts von Möckern positioniert. Da sein Abschnitt im Westen von der Elster begrenzt wird, können die preußischen Truppen unter dem Kommando von Yorck nur frontal vorgehen. Entsprechend hoch sind die Verluste. Er lässt sie mehrmals auf Möckern hin zum Angriff antreten. Doch jedes Mal werden sie nach Austritt aus der Ortschaft von der französischen Artillerie mit präzisem Feuer belegt und von der Infanterie im Gegenstoß abgewiesen.
Napoleon will den Sieg erzwingen Als der Einsatz der französischen Reserve beginnt, befiehlt Yorck drei Eskadronen Brandenburger Husaren nach vorne. Sie werfen die anrückenden französischen Kolonnen zurück, da diese aufgrund von Gefechtslärm und Pulverdampf den Angriff zu spät erkennen und keine Karrees mehr bilden können. Möckern ist in preußischer Hand. Am Ende des Tages belaufen sich die Verluste auf beiden Seiten auf circa 15.000 Mann. Die Bindung der französischen Kräfte an der Nord-
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front durch die Schlesische Armee erzielt aber eine große Wirkung. Das hier kämpfende VI. Korps fehlt Napoleon im Süden. Dadurch sind seine Kräfte für die angestrebte Entscheidung zu schwach. Dennoch entschließt er sich – alternativlos – gegen 14:00 Uhr zum allgemeinen Angriff auf die Stellungen der Böhmischen Armee. In den bis zur Dämmerung verbleibenden Stunden entbrennt ein zähes Ringen um Vorteile. Französische Infanterie rückt, unterstützt von Kavallerie, in tiefgestaffelten Kolonnen nach vorne, wie sie es in den unzähligen Schlachten Napoleons gewohnt war. Napoleon will den Sieg erzwingen. Sein XI. Korps unter Macdonald soll Schwarzenbergs Stellung an deren rechten Flügel umgehen. Diese Bewegung wird jedoch von russischer Kavallerie der Böhmischen Armee und von den ersten
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Spitzen der anrückenden russisch-polnischen Armee unter General Bennigsen zurückgeschlagen.
Schwerer Rückschlag Napoleons massiver Kavallerieangriff mit circa 8.000 Reitern im Zentrum in Richtung Güldengossa scheitert ebenfalls. Die russische Infanterie der Böhmischen Armee steht unerschüttert. Auch die wankenden Linien der Alliierten im Raum Markkleeberg halten gegen einen Angriff der „Jungen Garde“ Napoleons stand. Das Durchbrechen der „böhmischen“ Front gelingt Napoleon nirgends. Am Abend des Tages haben die Alliierten die Krise der Schlacht überstanden. Napoleons Misserfolg am Südabschnitt und die Zerschlagung seines besten Korps im Nordabschnitt bei Möckern sind der Grundstein für den alliierten Erfolg in der Gesamtschlacht. Von nun an arbeitet die Zeit gegen Napoleon. Der zweite Tag der Schlacht bei Leipzig ist von einer ausgedehnten Ruhephase geprägt. Beide Seiten sind von den schweren Kämpfen am
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Titelgeschichte | „Völkerschlacht“ Vortag erschöpft. Nur Blücher erobert im Norden die Flecken Gohlis und Eutritzsch. Napoleon nutzt den Tag zum Umdisponieren seiner Kräfte. Die Verluste des Vortages veranlassen ihn, Wachau und Liebertwolkwitz zu räumen und seine verbliebenen 160.000 Mann näher auf Leipzig zurückzunehmen. Damit verkürzt er seine Frontlinie um einige Kilometer. Auch wenn Napoleon ahnt, dass seine Stellung einen weiteren Schlachttag nicht überstehen wird, denkt er nicht daran aufzugeben oder seine Truppen aus dem immer prekärer werdenden Ring der alliierten Kräfte herauszunehmen.
Bitte um Waffenstillstand Er setzt nun aber auf familiäre Beziehungen. Im Lager der Böhmischen Armee befindet sich sein Schwiegervater – der österreichische Kaiser Franz. Den bei Connewitz gefangengenommenen General Merveldt schickt er mit der Bitte um einen Waffenstillstand zur Böhmischen Armee. Im Gefühl ihres nahenden Sieges erhält er von den Alliierten jedoch nicht einmal eine Antwort auf seinen letzten diplomatischen Versuch. Nach der gescheiterten Entscheidung des Vortages muss sich Napoleon nun endgültig auch Gedanken für den „worst case“, eine mögliche Niederlage, machen. Der sich abzeichnenden alliierten Option zur Einkesselung der französischen Kräfte begegnet Napoleon mit einem Truppendetachement im Westen Leipzigs, um die einzige „Fluchtstraße“, die über Lindenau und Weißenfels führt, zu sichern.
IN STEIN GEMEIßELT: Gedenkstein mit Inschrift zur Erinnerung an den Standort von Napoleons Befehlsstand während der Schlacht am 18. Oktober 1813. Ursprünglich stand hier die Quandtsche Tabaksmühle, die im Rahmen der „Völkerschlacht“ zerstört wurde. Foto: picture-alliance/ZB
Auch die Alliierten bleiben nicht untätig. Die polnisch-russische Reservearmee unter dem Kommando von General Bennigsen verstärkt die Böhmische Armee an deren rechten Flügel südostwärts von Leipzig. Hinzu kommen die Verstärkungen, die der österreichische General von Colloredo-Mansfeld zuführt. Und im Nordosten Leipzigs schließt die langsam eintreffende Nordarmee unter Bernadotte den Ring um die napoleonische Aufstellung. Damit stehen den Franzosen
ERFOLGREICHE ALLIANZ: Die verbündeten Heere Preußens, Russlands, Österreichs und Schwedens setzen der napoleonischen Armee heftig zu. Die „Völkerschlacht“ sollte die Vorentscheidung im Kampf gegen Napoleons Fremdherrschaft in Europa bringen, Gemälde von Peter von Hess (1853/54). Abb.: picture-alliance/akg-images
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circa 306.000 Alliierte mit 1.200 Geschützen gegenüber – nahezu das Doppelte der napoleonischen Kräfte. Für die erhoffte Entscheidung des kommenden Tages formieren die Alliierten sechs Angriffskolonnen – die ersten drei bei der Böhmischen Armee. Die 50.000 österreichische Truppen umfassende I. Kolonne unter Hessen-Homburg soll von Markkleeberg aus in Richtung Leipzig vorstoßen. General Barclay de Tolly soll mit seinen 50.000 Russen und Preußen als II. Kolonne von Güldengossa aus zwischen Wachau und Liebertwolkwitz die französische Schlüsselposition Probstheida angreifen, während die III. Kolonne mit 65.000 Mann unter der Führung von Bennigsen gegen die französischen Stellungen bei Zuckelshausen, Holzhausen, Zweinaundorf und Mölkau marschiert.
Angriff der Verbündeten Im Nordosten wird die Nordarmee als IV. Kolonne mit 95.000 Mann unter Bernadotte von Taucha aus gegen die französischen Kräfte zwischen Schönefeld und Paunsdorf angesetzt. Die Blücher nach den verlustreichen Kämpfen verbliebenen 25.000 Mann seiner Schlesischen Armee sollen als V. Kolonne versuchen, den Norden Leipzigs zu erreichen. Die VI. und mit 20.000 Mann kleinste Kolonne wird erneut in Richtung Lindenau in Marsch gesetzt. Die weiträumige Aufstellung der alliierten Truppen macht deren zentrale Führung unmöglich. Sie greifen im Verlauf des 18. Oktobers zu unterschiedlichen Zeitpunkten und mit unterschiedlichem Erfolg an: Die
Napoleon zieht sich zurück I. Kolonne erobert zwar Dösen, Dölitz und Lößnig, wird aber durch französische Truppen der jungen und alten „Garde“ zurückgeworfen. Teile der VI. Kolonne greifen zur Unterstützung ein. Dieses Manöver führt jedoch dazu, dass die Rückzugsstraße Napoleons nach Westen offen bleibt.
Das „Finale” beginnt Die II. Kolonne scheitert mit ihrem Frontalangriff auf Probstheida, dessen Verteidigung von Napoleon geleitet wird. Nur die III. Kolonne der Böhmischen Armee kann das Angriffsziel erreichen. Nach Einnahme der vor ihm liegenden Dörfer entscheidet sich Bennigsen zum Sturmangriff auf Stötteritz, der allerdings erfolglos bleibt. Der IV. Kolonne gelingt es aufgrund ihrer drückenden personellen Überlegenheit, den französischen linken Flügel der Aufstellung zurückzudrängen. Von der Aussichtslosigkeit ihrer Situation überzeugt, gehen in diesem Frontabschnitt sächsische und württembergische Rheinbundsoldaten während der Schlacht auf die Seite der Alliierten über. Im Norden indes bleiben die Angriffe der V. Kolonne weitgehend erfolglos ohne größere Geländegewinne im französischen Gegenfeuer liegen. Gleichwohl zwingen die enormen Verluste Napoleon am Abend dazu, seine Niederlage einzugestehen. Seine Truppen stehen zwar noch auf der Linie Connewitz– Probstheida–Stötteritz–Crottendorf–Reudnitz–Gohlis. Die Gesamtlage ist jedoch hoffnungslos. Er entschließt sich zum Rückzug. Um den Vormarsch der Alliierten zu verzögern, lässt Napoleon circa 30.000 Mann
ERLÖSUNG: Kaiser Franz I. von Österreich (Mitte) und König Friedrich Wilhelm III. von Preußen (knieend links im Bild) und Russlands Zar Alexander I. Foto: ullstein bild - Imagno
alliierten Korps auf die in der Stadt eingekesselten französischen Kräfte. Im Nordosten kämpfen sich russische Truppen unter der Führung von Langeron und von Sacken unter Verlusten in Richtung Hallesches Tor vor. Im Südosten dringen preußische Kräfte unter General von Bülow in die Grimmaische Vorstadt ein. Im Süden wird neben der Pleißenburg das Peterstor durch russische Infan-
„Es gibt kein beseligenderes Gefühl als Befriedigung einer solchen Nationalrache. Unaufhaltsam schreiten wir jetzt an den Rhein vor, um diesen vaterländischen Strom von seinen Fesseln zu befreien.“ Gneisenau in einem Brief an seine Frau am 24. Oktober 1813.
meist nicht-französischer Herkunft – in dem Wissen, dass die Alliierten diese erst noch niederzuringen haben – in Leipzig zurück. Dies verschafft ihm einen Zeitvorsprung. Am 19. Oktober beginnt das „Finale“ um 10:00 Uhr mit einem Sturmangriff von drei
Literaturtipp 1813 – 1913 – 2013: Leipzig und die Völkerschlacht (Broschur, dt.-engl., 52 Seiten), Leipzig 2013.
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teristen unter Bennigsen genommen. Nach der Sprengung der Elsterbrücke beim Ranstädter Tor im Norden Leipzigs – der einzige Fluchtweg der französischen Truppen – bricht die Verteidigung der Stadt im Chaos zusammen. Um 13:00 Uhr ist Leipzig in der Hand der Verbündeten. Der französische Herrscher weicht mit seinen noch immer weit mehr als 100.000 Mann umfassenden Kräften geordnet zurück. Durch seinen Rückzug überlässt er fast 80.000 Mann seiner Besatzungstruppen in eingeschlossenen Festungen ihrem Schicksal. Über
Weißenfels, Erfurt, Eisenach, Fulda und Frankfurt erreicht er am 2. November 1813 Mainz, wo er über den Rhein geht. Auch wenn er nicht energisch genug von den Alliierten verfolgt wird – nur Blücher und Gneisenau wollen stärkeren Druck aufbauen –, schrumpft seine verbliebene Armee auf eine Stärke von nur noch 60.000 Mann zusammen. Nach dem Rhein-Übergang der Alliierten Ende Dezember 1813/Anfang 1814 führt ihr Frühjahrsfeldzug 1814 in Frankreich letztlich zur Abdankung Napoleons und seinem zwischenzeitlichen Exil auf Elba. Seine „Herrschaft der 100 Tage“ im folgenden Jahr wird durch die Schlacht bei Waterloo am 18. Juni 1815 endgültig beendet. Die „Völkerschlacht“ bei Leipzig hat als die bis dato größte Feldschlacht der Weltgeschichte tiefe Spuren im Gedächtnis der europäischen Völker hinterlassen. Schließlich kämpften Soldaten aus allen Regionen des Kontinents vor und in Leipzig. Der Eindruck der an der Schlacht beteiligten Soldaten und Zeitzeugen war – in positivem wie negativem Sinn – überwältigend. Gneisenau schrieb über das Ringen in einem Brief an seine Frau am 24. Oktober 1813: „Es sind dieses Tage gewesen, wie sie die Geschichte nie gesehen hat.“ Dr. Eberhard Birk, Oberregierungsrat und Oberstleutnant d.R., Dozent für Militärgeschichte an der Offizierschule der Luftwaffe (OSLw) in Fürstenfeldbruck.
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Titelgeschichte | „Völkerschlacht“
200 Jahre „Völkerschlacht“ – Leid der Menschen
Im Angesicht des Todes Herbst 1813: Krieg – gemessen an den Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung – erfahren die Leipziger in der selben Dimension wie einst die Bewohner Magdeburgs, als deren Stadt von den Truppen des kaiserlichen-katholischen Feldherrn Tilly im Jahr 1631 niedergebrannt wurde. Von Peter Andreas Popp
BELASTEND: Die Totengräber in Leipzig haben im Oktober 1813 viel zu tun. Die Gefahr der Ausbreitung von Seuchen durch die überall in der Stadt herumliegenden Leichen ist zu dieser Zeit sehr groß. Abb.: picture-alliance/akg-images
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ie Entwicklung Leipzigs und Magdeburgs wurde durch den Krieg um Jahrzehnte zurückgeworfen. In beiden Fällen brannte sich das „Ereignis Krieg“ tief in das Kollektivgedächtnis ein. Und so grenzt es im Falle Leipzigs fast an ein Wunder, dass diese Kommune 100 Jahre später, also vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, zu den bedeutendsten Großstädten Deutschlands zählen sollte. Dabei hatten die Leipziger im Herbst 1813 noch Glück: Die Stadt war in ihrer Bausubstanz noch intakt, weil Napoleon das Terrain Hals über Kopf geräumt, die vorbereite Zerstörung der Leipziger Vorstädte durch Brand nicht umgesetzt und seine fürchterlichste Waffe, die Artillerie, nicht entsprechend zum Einsatz gebracht hatte. Wie schrecklich diese Waffe wirkte, belegt die Schlacht von Wagram (5./6. Juli 1809) – doch dies geschah nicht auf dicht besiedeltem Boden. Was macht „Leipzig im Oktober 1813“ so besonders? Eine derart große „militärische Menschenmenge“ auf engstem Raum war etwas Neues in der Geschichte. Mit etwas ernüchterndem Blick sei festgestellt: Dies wäre kein Thema, wenn nicht zahlreiche eindringliche Erlebnisberichte aus unterschiedlicher Perspektive existieren würden, die das Elend der Stadt, ihrer Menschen und der Soldaten eindringlich beschreiben.
Völkerschlacht und Öffentlichkeit Die „Völkerschlacht“ wurde zum publizistischen Ereignis auch aus sozialgeschichtlicher Perspektive, kaum dass sie geschlagen war. Sie blieb es bis zu ihrem 100-jährigen Jahrestag im Jahr 1913. Sie wurde es wieder anhand des Neudrucks zeitgenössischer Augenzeugenberichte in der letzten Phase der DDR. Und spätestens heute zur 200-jährigen Wiederkehr entgeht dem Interessierten nicht, was Krieg eben vor allem für die Zivilbevölkerung bedeutet: Tod, Leid und Elend.
DOKUMENT
Unter den Augenzeugenberichten stechen zwei Autoren besonders hervor: der Arzt Johann Christian Reil (1759–1813) und der Musikwissenschaftler Johann Friedrich Rochlitz. Reil gilt als der Begründer der modernen Psychiatrie. Dieser Umstand ist besonders deshalb erwähnenswert, weil die Forschung über Kriegstraumata ein zentrales medizinpolitisches Aufgabenfeld darstellt. Die sensible Darstellung des Geschehens aus der Feder von Rochlitz wertete Goethe als „eine der wundersamsten Produktionen, die sich je ereignet haben“. Mit Rochlitz findet die publizistische Darstellungsform der Kriegsreportage jenseits der bloßen Kriegsberichterstattung ihren Ausgangspunkt im deutschsprachigen Raum.
Reils Report Lassen wir Reil direkt zu Wort kommen – aus seinen Sätzen spricht tiefste Humanität und nicht allein dies. In seinem Bericht über die Situation in den Lazaretten der mit Preu-
Augenzeugenbericht eines Totengräbers
„Möchte der allerhöchste Weltregierer nie wollen, dass die Menschheit dergleichen Angst- und Schreckensszenen wieder erlebe, als die guten Bewohner Leipzigs im Jahre 1813 sahen. (...) Durch die Schrecknisse der vorhergehenden Tage und die verpestete Luft starben viele Einwohner Leipzigs an ansteckenden Krankheiten. Die Sterblichkeit in den Monaten November und Dezember 1813 war so groß, dass ich oft nicht wusste, wie ich die Toten beerdigen sollte, und oft geschah es, dass die für den folgen-
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VERLUSTREICH: In Leipzig toben im Oktober 1813 in weiten Teilen der Stadt schwere Straßenkämpfe, die eine Vielzahl von Opfern fordern. Abb.: picture-alliance/Judaica-Sammlung Richter
den Tag mit aller Anstrengung gemachten Gräber schon von den Soldaten mit ihren Leichen belegt und zugemacht waren, obgleich zur Aufrechterhaltung der Ordnung Bürgerwache auf dem Gottesacker war, die jedoch von den Russen wie von den Franzosen nicht beachtet wurde.“ Johann Daniel Ahlemann: Erlebnisse des Totengräbers vom Johannisfriedhof, in: Vor Leipzig 1813. Die Völkerschlacht in Augenzeugenberichten, Hg. Karl-Heinz Börner, Berlin (O) 1988, S. 271 u. 277.
ßen verbündeten Staaten vom 26. Oktober 1813 schreibt er von „Untaten“, die „nicht für die Tagesgeschichte verloren gehen dürf(t)en“ und fährt fort: „In Leipzig fand ich ungefähr 20.000 Verwundete und kranke Krieger aller Nationen. Die zügelloseste Phantasie ist nicht im Stande, sich ein Bild des Jammers in so grellen Farben auszumalen, als ich es hier in Wirklichkeit vor mir fand (...) Die Verwundeten liegen entweder in dumpfen Spelunken, in welchen selbst das Amphibienleben nicht Sauerstoffgas genug finden würde, in scheibenleeren Schulen und hochgewölbten Kirchen, in welchen die Kälte der Atmosphäre in dem Maße wächst, als ihr Verderbnis abnimmt.“ Für Reil ist das Verhalten der Leipziger Behörden unfassbar: „Bei dem Mangel öffentlicher Gebäude hat man doch nicht ein einziges Bürgerhaus den gemeinen Soldaten zum Spitale eingeräumt. An jenen Orten liegen sie geschichtet, wie die Heringe in ihren Tonnen, alle noch in den blutigen Gewändern, in welchen sie aus der heißen Schlacht hereingetragen sind. Unter 20.000 Verwundeten hat nicht ein einziger ein Hemde, Betttuch, Decke, Strohsack oder Bettstelle erhalten.“ Fassungslos beendet er seinen Report: „Ich schließe meinen Bericht mit dem grässlichsten Schauspiel, das mir kalt durch die Glieder fuhr und meine ganze Fassung lähmte. Nämlich auf dem offenen Hofe der Bürgerschule fand ich einen Berg, der aus Kehricht und Leichen meiner Landsleute bestand, die nackend lagen und von Hunden und Ratten angefressen wurden, als wenn sie Missetäter und Mordbrenner gewesen wären. So entheiligt man die Überreste der Helden, die dem Vaterlande gefallen sind!“
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Titelgeschichte | „Völkerschlacht“ AUGENZEUGE: Der Arzt, Anatom und Psychologe Johann Christian Reil schildert eindringlich das Leid und Elend der an der „Völkerschlacht“ beteiligten Soldaten und der Bevölkerung von Leipzig. Er selbst stirbt im November 1813 an den Folgen einer FleckfieberErkrankung. Foto: picture-alliance/ akg-images
GEDENKEN: Findling zur Erinnerung an die in der „Völkerschlacht“ bei Leipzig gefallenen Soldaten beider Seiten auf dem Leipziger Nordfriedhof. Dieses schlichte Denkmal wurde bereits 1899 eingeweiht, 14 Jahre vor dem mächtigen „Völkerschlachtdenkmal“. Abb.: picture-alliance/ZB
Reil starb kurz darauf an einer der Folgen dieser katastrophalen hygienischen Zustände, an Fleckfieber. Seine Sätze regen zum Nachdenken darüber an, ob nicht gerade durch die Kampfhandlungen und die rücksichtslosen militäradministrativen Maßnahmen aller beteiligten Kriegsparteien im Vorfeld der Schlacht die Einwohnerschaft Leipzigs nicht geradezu zwangsläufig in einen Zustand tiefster Paralyse versetzt worden war.
Die menschliche Psyche Krieg stumpft in mehrfacher Hinsicht ab. Nicht nur die Militärverwaltung, auch die Zivilbehörden waren total überfordert. Zahlreiche Berichte legen Zeugnis ab über die problematische Ernährungslage vor Wintereinbruch, über Plünderungen und über aktiv betriebene Leichenfledderei auf dem Schlachtfeld. Besonders begehrt sind neben dem Uniformtuch und den Waffen der toten Soldaten deren Gebisse. Hier entstand ein neuer „Markt“, und wir dürfen davon ausgehen, dass besonders skrupellose Zeitgenossen dem Soldatentod auch etwas nachgeholfen haben, solange das infolge der Kampfhandlungen selbst zunächst desorganisierte Militär nichts dagegen unternahm. Lebensmittel waren rationiert, und dies ist wie in anderen Notlagen immer die Ge-
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burtsstunde des Schwarzmarktes. An strikt sachrationaler Herangehensweise zur Lösung der Not mangelte es deutlich. Stattdessen gab es – wie fast immer in Zeiten tiefster Desorientierung – zweifelhafte „Lösungsan-
der Leipziger Kaufmannschaft am 1. November 1813 eine Spendenaktion mit der englischen Öffentlichkeit als Hauptzielgruppe. Es ist auch die Stunde engagierter Intellektueller. Der sächsische Buchhändler Rudolph Ackermann trägt über die „Westminster Association“ circa 250.000 £ zusammen. Das Geld wird über kommunale Beamte und evangelische Pastoren an die notleidenden Bürger von Leipzig und Umgebung verteilt. Quer durch alle Schichten erblüht nach dem
„Noch lagen die Toten und Halbtoten auf dem GottesAcker, von dem vorhergehenden Tag umher, und man konnte kaum einige Schritte gehen, ohne nicht auf einen Toten oder verwundeten Menschen zu stoßen (...)“. Aus: Johann Daniel Ahlemann, Totengräber zu Leipzig, über die Verhältnisse im Umfeld des Leipziger Johannesfriedhofs, in: Zeugen des Schreckens. Erlebnisberichte aus der Völkerschlachtzeit in und um Leipzig, zusammengestellt von Thomas Nabert, Leipzig 2012, S. 69.
sätze“! So wird den Leichenbergen zunächst mit den „Prendel’schen Räucherkerzen“ – angezündeten Pferdemisthaufen – der Garaus gemacht. Sie verhindern nicht, dass von Ende November 1813 bis Anfang April 1814 knapp 2.000 Leipziger an Fleckfieber erkranken und davon rund 500 sterben – darunter auch der Vater von Richard Wagner. Wir kennen von kriegerischen Ereignissen der Gegenwart, dass sich der Mensch auch neu organisieren kann. In Leipzig war Bürgersinn seit den Tagen des Mittelalters immer vorhanden. So starten drei Vertreter
ersten Schock der Bürgersinn. So steht die „Völkerschlacht“ mittelbar auch für das, was der Krieg gemeinhin zerstört: die Überwindung der Krise durch Bürgerlichkeit und Bürgersinn. Dr. phil. Peter Andreas Popp, Oberstleutnant, Jg. 1958, seit 2005 tätig an der Offizierschule der Luftwaffe (OSLw), Fürstenfeldbruck, als Lehrstabsoffizier für Militärgeschichte und Politische Bildung. Zuvor langjähriger Mitarbeiter im Militärgeschichtlichen Forschungsamt (MGFA), Potsdam.
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Titelgeschichte | „Völkerschlacht“
„Völkerschlacht“ – Waffen und Technik
Mittel des Krieges
Leipzig 1813: Die Ausrüstung der verfeindeten Armeen weist in vielen Bereichen Defizite auf. Eine zweckentsprechende Bewaffnung kann die Voraussetzungen des kriegerischen Erfolges deutlich erhöhen. Von Holger Hase
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eränderungen in Strategie und Taktik während der „Napoleonischen Kriege“ sind eher auf organisatorische und effizienzsteigernde Maßnahmen zurückzuführen als auf die Einführung technischer Neuerungen. Die Weiterentwicklung der Linearzur Kolonnentaktik im Bereich der Infanterie basiert vor allem auf dem veränderten System der Heeresaufbringung, mit dem sich zudem die bestehenden waffentechnischen Defizite besser ausgleichen lassen. Die Hauptbewaffnung des wichtigsten Teils des Heeres, der Infanterie, sind Vorderladergewehre mit Steinschloss. Diese werden von den Soldaten aufrecht stehend geladen und verfügen über glatte Läufe. Die Ladung wird von vorn eingebracht. Die dafür verwendeten Kugeln sind kleiner als der Laufinnendurchmesser. Sie rollen in den Lauf hinein und werden deshalb als „Rollkugeln“ bezeichnet. Dies ist notwendig, weil sich bei der Verbrennung des Pulvers Rückstände in den Läufen absetzen. Dies führt dazu, dass sich das Kaliber der Waffen „schussweise“ verringert. Das Normkaliber der Rohre liegt zwischen 17 und 20 Millimetern je nach Land und Hersteller, weicht aber aufgrund produktionsbedingter Umstände oft bis zu 0,5 Millimeter vom Soll ab. Durch diese Ungenauigkeiten haben die Kugeln einen großen Spielraum im Lauf. Eine genaue Führung – und damit einhergehend ein präziser Schuss – sind somit nicht möglich. Man verzichtet deshalb fast völlig auf eine Visiereinrichtung und versucht die mangelhafte Präzision des Einzelschusses durch massiertes Salvenfeuer auszugleichen. Der Einzelschütze besitzt kaum Kampfkraft,
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einzig die geschlossene Formation ist durchsetzungsfähig. Schnelles Laden und gemeinsames Schießen stehen daher im Vordergrund der infanteristischen Ausbildung. Sie entscheiden oft über Sieg oder Niederlage auf dem Schlachtfeld. Die wirksame Schussweite der Gewehre beträgt in der Regel 300 Meter.
MIT VOLLER WUCHT: Szene aus der Schlacht bei Dennewitz am 6. September 1813 im Vorfeld der „Völkerschlacht“ von Leipzig. Reiter des 1. Kurmärkischen Landwehr-Kavallerie-Regiments attackieren ein Karree gegnerischer Infanterie, Farbdruck, 1890, nach Richard Knötel. Foto: picture-alliance/akg-images
Gefährlich unzuverlässig Die Lauflänge bestimmt wesentlich die Entfernung, die die Kugeln bis ins Ziel zurücklegen können. Zeitgenössische Gewehre besitzen Lauflängen zwischen 100 und 115 Zentimetern. Das glattläufige Gewehr des Infanteristen heißt nach dem zur Zündung benutzten Steinschloss meist Flinte (franz. fusil), traditionell in manchen Armeen noch Muskete. Der Name leitet sich vom verwendeten Feuer- oder Flintstein ab. Mit dessen Hilfe wird durch ein mechanisches Schlagen auf eine stählerne Fläche am Schloss des Gewehres ein Zündfunken erzeugt, der von außen durch ein in der Laufwandung liegendes Zündloch das Schwarzpulver im Inneren zündet. Die Störanfälligkeit ist hoch. Statistisch gesehen versagt jeder siebente Schuss.
Bei starkem Wind oder Regen schließt sich eine Zündung praktisch aus. Nicht selten werden daher Gefechte mit dem Bajonett ausgetragen. Dazu wird eine eiserne Hülse, die „Dille“, über die Laufmündung geschoben. Ein horizontal abgeknickter Arm verbindet Dille und Klinge und ermöglicht das Laden und Schießen mit aufgepflanztem Bajonett.
AUSSCHNITT: Steinschloss des 1801 in der preußischen Armee eingeführten „Nothardt“Infanteriegewehrs, benannt nach seinem Konstrukteur Friedrich Magnus von Nothardt. Bei dem Modell M/1801 wurde erstmals eine bahnbrechende Neuerung eingesetzt, die Visiereinrichtung mit Kimme und Korn, die gezieltes Feuern ermöglichte. Foto: picture-alliance/Artcolor
Bajonettfechten gehört neben der Schießausbildung zum „Handwerkszeug“ eines jeden Infanteristen. Die nach der Französischen Revolution eingeführte Kolonnentaktik mit der im Nahkampf die Entscheidung suchenden Fechtweise trägt wesentlich zum verstärkten Gebrauch dieser Blankwaffen bei.
Das in Europa am weitesten verbreitete Gewehr der Epoche ist das französische Infanteriegewehr Modell 1777. Bis 1839 werden davon sieben Millionen Stück gebaut. Mit 113 Zentimetern Lauflänge ist es eine verhältnismäßig lange Waffe, die es bei aufgepflanztem Bajonett sogar auf 190 Zentimeter bringt. Das Laufkaliber beträgt 17,5 Millime-
DETAIL: Das Steinschloss eines preußischen Infanteriegewehrs M/1809, auch Neupreußisches Gewehr genannt, mit einem zwischen den Lippen des Hahns festgeklemmten Flintstein. Diese Waffe wurde 1811 eingeführt und während der „Befreiungskriege“ eingesetzt. Sie wurde später abgelöst durch Gewehre mit Perkussionsschloss. Foto: Archiv CLAUSEWITZ
Clausewitz 4/2013
ter. Das zum Teil aus Messing hergestellte, sehr stabile Schloss der Waffe bietet indes keine Garantie für einen zuverlässigen Zündvorgang. Bei den französischen Gewehren kommt es häufig zu Zündversagern. Preußen führt 1801 das Nothardt-Gewehr ein, das ein Laufkaliber von 15,7 Millimetern besitzt, sehr leicht ist und als das modernste Infanteriegewehr der Zeit gilt.
Uneinheitliche Bewaffnung Im Zuge der Reorganisation ihres Heeres führen die Preußen 1809 das „Neupreußische Gewehr“ ein. Dieses lehnt sich stark an das französische Modell 1777 an. Österreich führt 1798 ebenfalls ein Gewehr nach französischem Vorbild ein, bei dem nur geringe Adaptionen vorgenommen werden. Die Engländer setzen hingegen voll und ganz
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Titelgeschichte | „Völkerschlacht“ 112.000 von England gelieferten französischen Beutewaffen ausgerüstet. Angesichts dieser Tatsache versucht man wenigstens auf der Bataillons-Ebene, taktische Verbände mit einheitlicher Bewaffnung zu schaffen. Sonderbewaffnung gibt es für Infanteristen, die mit gezieltem Feuer vorgehen, wie etwa Jäger oder „Tirailleure“ (Plänkler). Diese kämpfen mit gezogen, oft selbstbeschafften Büchsen.
Schwere und leichte Kavallerie Der zweite, wesentlich kleinere Teil eines jeden Heeres besteht aus der Kavallerie. Pferde und Reiter bewegen sich unter Kommando in geschlossenen Formationen und entscheiden oftmals den Kampf durch schnelle und raumgreifende Bewegungen. Speziell für die Schlacht trainierte Pferde sind daher unverzichtbar für den Erfolg auf dem Gefechtsfeld. Dabei können diese selbst als „Waffe“ eingesetzt werden: Ein Pferd kann im Schritt einen Menschen umlaufen, stößt NACHGESTELLT: Artilleristen beim Ladevorgang in der „Schlacht von Borodino“ auf einem Militärhistorischen Festival im Jahr 2000. Der Einsatz leichterer, mobiler Artilleriewaffen ermög- ihn im Trab zur Erde und ist im Galopp solichte der jeweiligen Kriegspartei eine flexiblere Gefechtsführung. Foto: picture-alliance/akg-images gar dazu in der Lage, eine Formation zu durchbrechen. Diese Wirkung lässt sich steigern, wenn auf die bereits 1717 eingeführte „Long Land Alle Armeen der Zeit sind weit davon entMusket“, auch „Brow Bess“ genannt. Sie be- fernt, über eine einheitliche Bewaffnung zu ein geschlossener Anritt mit großen und sitzt ein Kaliber von 19,05 Millimetern und verfügen. So ist die preußische Armee im schweren Tieren durchgeführt wird. Einer ein sehr solides Steinschloss. Die Waffe ist in Herbstfeldzug 1813 mit 126.000 Gewehren im vollen Galopp anreitenden Kavallerieforvielen Heeren der Gegner Napoleons ver- unterschiedlicher Bauart aus eigener Produk- mation kann freistehende Infanterie in Linie tion, 30.000 in Österreich gekauften und oder Kolonne nicht viel entgegensetzen. Einbreitet.
WEIT VERBREITET: Das Infanteriegewehr M 1777 (Abb. ganz rechts) wird während der napoleonischen Epoche in großen Stückzahlen gebaut und ist in dieser Zeit das Standardgewehr der französischen Armee. Die Steinschlossgewehre anderer Armeen, etwas Preußens und Russlands, orientierten sich an diesem „Vorbild“. Abb.: Militärverlag der DDR
BEWÄHRT: Die Engländer setzen auch noch während der Napoleonischen Kriege auf die bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts eingeführte und nahezu unveränderte „Long Land Musket“, auch „Brown Bess“ genannt (sieAbb.: picture-alliance/Mary Evans Picture Library he Abb. A).
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Artillerie von großer Bedeutung zig das Karree bietet in einem solchen Fall Schutz. Die Kavallerie wird nach schwerer und leichter Kavallerie unterschieden. Zur schweren Kavallerie zählen Kürassiere, Karabiners, Grenadiere zu Pferde und Dragoner. Diese tragen teilweise Brustpanzer – in Preußen „Kürasse“ genannt. Ausgehend von Frankreich wird dieser zunächst abgeschaffte Körperschutz ab 1802 wieder eingeführt, in Preußen jedoch erst 1813/14. Bewaffnet sind die Reiter mit Hieb- und Faustfeuerwaffen verschiedener Bauart und Herkunft. Normwaffe der Kürassiere ist der schwere, mit einer geraden Klinge versehene Reiterdegen, „Pallasch“ genannt. Dieser hat eine Länge von 90 bis 100 Zentimetern. Die Handhabung dieser Waffe erfordert viel Geschick und Übung, vor allem dann, wenn Hieb und Stoß miteinander verbunden werden sollen. Bei einem Hieb muss man zur
als „Kavalleriesäbel M 1811“ in großen Stückzahlen eingeführt und bis 1857 als Standardwaffe in der preußischen Kavallerie Verwendung findet. Lanzenreiter wie Ulanen oder Kosaken führen Reiterlanzen mit zweischneidiger oder vierkantiger Spitze, deren Längen zwischen 2,65 und 3,15 Meter liegen.
Bewegliche Artillerie Der dritte wichtige Bestandteil des Heeres ist die Artillerie. Hier verdient vor allem die Entwicklung hin zu leichteren und damit auch mobileren Geschützen Erwähnung. Dies ist ein wesentlicher Baustein für Napoleons Erfolge auf dem Schlachtfeld. Der Kaiser der Franzosen baut anders als die Strategen des 18. Jahrhunderts nicht auf fest gefasste Operationspläne, sondern setzt auf eine flexible Gefechtsführung. Dazu sind schnelle Schwerpunktverlagerungen sowohl mit der Infanterie als auch
„Die Franzosen sahen uns kommen und fingen an zu schießen, dass ich glaubte, wir müssten alle stürzen. Die Salven krachten und unsere Leute fielen wie gemäht...“ Johann Karl Hechel, preußischer Soldat, über seine Erlebnisse im Gefecht bei Möckern am 16. Oktober 1813.
optimalen Kraftentfaltung den Gegner mit dem letzten Viertel der Klinge treffen. Eine richtige Abstandseinschätzung ist daher wichtig. Als noch gefährlicher entpuppt sich der Stoß, welcher für den Stechenden nicht selten mit einer Verstauchung des Handgelenks und damit der Wehrlosigkeit endet.
Wirksame Hiebwaffen Dragoner und Grenadiere zu Pferde sind eigentlich berittene Infanteristen, die sich im Laufe der Zeit zu vollgültigen Kavalleristen gewandelt haben. Bewaffnet sind sie mit Reiterkarabinern, leichten, kurzläufigen Gewehren, die ein wesentlich kleineres Kaliber als Infanteriewaffen besitzen. Zur leichten Kavallerie zählen Husaren, Chevaulegers, Jäger zu Pferde, Ulanen bzw. Lanciers sowie irreguläre Formationen der Kosaken, Baschkiren, Kalmücken und Tataren. Husaren führen Hiebwaffen mit gekrümmten Klingen, die als Säbel bezeichnet werden. Die Klingenlänge beträgt in der Regel 80 Zentimeter. Der Säbel ist eine reine Angriffswaffe und hervorragend im Handgemenge zu gebrauchen. Er trifft beim Schlag fast überall mit der gleichen Kraft. Das wohl bekannteste Modell seiner Zeit ist der sogenannte „Blücher-Säbel“, ein Nachbau des englischen „Light Cavalry topers sword M 1796“, der
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mit der Artillerie notwendig. Die leichte, sechspfündige Kanone wird zum Standardgeschütz der Feldartillerie jener Zeit. Sie besitzt die notwendige Beweglichkeit. Die Geschütze werden klassifiziert in Kanonen für den direkten Schuss auf ein Ziel und Mörser für den indirekten „Wurf“. Die sogenannten Haubitzen können sowohl werfen als auch schießen, werden aber zu den Wurfgeschützen gezählt. Kanonen werden nach dem Gewicht der eisernen Vollkugeln bezeichnet, die sie verschießen, Mörser und Haubitzen analog dazu nach dem Gewicht der Steinkugeln, welche sie werfen. Aufgrund der unterschiedlichen Dichte von Stein und Gusseisen ist das Kaliber der Rohre bei gleicher Benennung unterschiedlich. Eine Besonderheit bei der Munition sind die sogenannten Kartätschen, die gegen massiert auftretende Kavallerie oder Infanterie auf kurze Distanz eingesetzt werden. Dabei handelt es sich um Hohlkugeln, die mit kleinen Kugeln aus Gusseisen oder Blei gefüllt
Literaturtipp Georg Ortenburg (Hg.): Heerwesen der Neuzeit, Abt. III, Bd. 1, Waffe und Waffengebrauch im Zeitalter der Revolutionskriege, Koblenz 1988.
ÄHNLICHE BAUART: Diese Skizze zeigt ein Steinschloss eines altpreußischen Infanteriegewehrs. Die Bauart des Schlosses ist weitgehend identisch mit der des neupreußischen Infanteriegewehrs M/1809. Foto: Archiv CLAUSEWITZ
sind und als eine Art Schrottschuss aus einer Kanone heraus abgegeben werden. Die Schussweite im artilleristischen Feuerkampf beträgt im Schnitt 1.200 Meter. Die Rohre sind auf hölzernen Lafetten montiert und durch Schildzapfen starr miteinander verbunden, was beim Feuerkampf aufgrund des Rückstoßes zu einem Herausrollen aus der Stellung nach hinten führt. Zum Schießen genügt – unabhängig vom Kaliber – eine vierköpfige Mannschaft. Der bei allen Geschütztypen gleiche Ladevorgang besteht aus folgenden Schritten: Wischen des Rohres, Ansetzen der Schwarzpulverladung, Einsetzen des Geschosses, Anrichten des Zieles, Einsetzen des Zünders, Abfeuern. Eine geübte Besatzung kann zwei bis vier Schuss pro Minute abfeuern. Für das Fahren gehört zu jeder Lafette eine zweirädrige Protze, die bei der Feldartillerie meist einen Aufsatzkasten besitzt, in dem Munition mitgeführt wird. Als neue Gattung entsteht in den 1780erJahren die reitende Artillerie, deren hoher Mobilisierungsgrad dem Truppenführer die Schwerpunktbildung im Gefecht erleichtert und welche die bis dahin den Regimentern oder Bataillonen zugeteilten Kanonen entbehrlich macht. Holger Hase, Jg. 1976, Major und Lehrstabsoffizier für Militärgeschichte an der Offizierschule des Heeres in Dresden.
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Schlachten der Weltgeschichte
Dritte Schlacht um Charkow 1943
Mansteins „unvollendeter Sieg“
Frühjahr 1943: Der gesamte Südflügel der deutschen Ostfront befindet sich auf dem Rückzug. Um die Front zu stabilisieren, entscheidet sich Hitler für eine Gegenoffensive unter Mansteins Führung in Richtung Charkow. Von Lukas Grawe
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er teilweise ungeordnete Rückzug nach der Vernichtung der 6. Armee bei Stalingrad führt zu Beginn des Jahres 1943 zu einer Frontlücke zwischen den Heeresgruppen (HGr.) Mitte und Süd, durch die
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sowjetische Truppen nach Westen durchstoßen und den Südflügel des deutschen Heeres bedrohen können. Innerhalb dieser Lücke stellt die Großstadt Charkow ein wichtiges strategisches und prestigeträchtiges Ziel dar.
Hitler weist daher den Befehlshaber der HGr. Süd, Generalfeldmarschall Erich von Manstein, an, die Offensivbemühungen auf die erst wenige Wochen zuvor geräumte Stadt zu konzentrieren.
SPUREN DES KAMPFES: Schützenpanzerwagen vom Typ Sd.Kfz. 250 einer Einheit der Waffen-SS beim Durchqueren eines von deutschen Truppen eroberten Dorfes südwestlich von Foto: picture-alliance/ZB Charkow.
Zahlenmäßig ist die HGr. Süd den sowjetischen Truppen weit unterlegen. Unter hohem Risiko und mit Hilfe einer Truppenrochade vom Südflügel der HGr. nach Nordwesten gelingt es Manstein Mitte Februar jedoch, einen schlagkräftigen Angriffsverband zusammenzustellen. Nach den vorangegangenen Niederlagen im Osten ist die deutsche Militärführung dringend auf Erfolge angewiesen, um das sehr angeschlagene Ostheer zum Weiterkämpfen zu motivieren.
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HEERESGRUPPENCHEF: Generalfeldmarschall Erich von Manstein kann mit den Verbänden seiner HGr. Süd den Gegner aus Charkow verdrängen, doch dieser Erfolg ist nicht von langer Dauer. Foto: picture-alliance/Artcolor
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Schlachten der Weltgeschichte | Charkow 1943
IN KOLONNE: SS-Panzergrenadiere dringen mit ihren Schützenpanzerwagen ins Stadtinnere des wiedereroberten Charkow vor. Foto: ullstein bild
Am 19. und 20. Februar beenden die deutschen Verbände ihren Rückzug und treten zum Gegenangriff an. Der Schwerpunkt des Angriffs liegt dabei auf der 4. Panzerarmee unter Generaloberst Hermann Hoth, die im Zusammenwirken mit der Armeeabteilung Kempf und der 1. Panzerarmee unter General der Kavallerie Eberhard von Mackensen ein weiteres Vordringen der Roten Armee nach Westen verhindern soll. Die sowjetische Führung verkennt die deutschen Offensivabsichten völlig, da man mit einem weiteren weiträumigen Rückzug gerechnet hat. Auf diese Weise stößt Hoths Panzerarmee erfolgreich vor und Mackensens Panzer erreichen schon nach kurzer Zeit
HINTERGRUND
zen, sind die wesentlichen Ziele Mansteins. Dabei muss dieser vor allem die Wetterverhältnisse beachten. Durch das einsetzende
„Trotzdem muss der Feind geschlagen werden. Wenn wir dennoch stecken bleiben, schadet es nichts.“ Generalfeldmarschall Manstein am 7. März 1943 zu General der Panzertruppe Werner Kempf.
der geschwächten Armeeabteilung Kempf. Die Armeeabteilung Kempf zu entlasten und durch einen weiteren Vorstoß über Charkow nach Norden die HGr. Mitte zu unterstüt-
„Heißumkämpftes“ Charkow
Die alte Hauptstadt der Ukraine ist zu Beginn des deutschen Angriffs die viertgrößte Stadt der Sowjetunion und bildet einen wichtigen Verkehrs- und Handelsknotenpunkt. Auch die Rüstungsindustrie spielt eine große Rolle, unter anderem wird in Charkows Fabriken der legendäre Kampfpanzer T-34 entworfen. Die Stadt selbst wechselt während des Krieges mehrmals den „Besitzer“ und ist Schauplatz schwerer Kämpfe. Im Oktober 1941 erobert die Wehrmacht die Stadt und kann sie gegen einen sowjetischen Befreiungsversuch im Mai 1942 verteidigen. Nach der deutschen Niederlage bei Stalingrad muss sich der gesamte deut-
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den Donez. Während im südlichen Angriffsabschnitt Erfolge verzeichnet werden, verschlechtert sich die Lage weiter nördlich bei
sche Südflügel zurückziehen, sodass die Rote Armee am 16. Februar 1943 Charkow zurückerobern kann. Hitler hatte zuvor den deutschen Verteidigern, die sich vor allem aus Soldaten des II. SS-Panzerkorps von Hausser zusammensetzen, die Aufgabe der Stadt untersagt. Auch in diesem Fall handelt Hausser höchst eigenwillig und gegen anderslautenden Befehl, um eine drohende Einkesselung seiner Einheit zu verhindern. Nach der deutschen Rückeroberung im März 1943 fällt Charkow im Anschluss an das gescheiterte Unternehmen „Zitadelle“ im August 1943 endgültig wieder in russische Hand.
Tauwetter werden viele Straßen und Wege unpassierbar, der Schlamm erschwert den Vorstoß erheblich. Die deutschen Truppen sind nach mehreren Tagen ohne Gefechtspause am Ende ihrer Kräfte, doch treibt sie die Aussicht auf einen prestigeträchtigen Erfolg in Charkow weiter voran. Besonders das SS-Panzerkorps unter der Führung von SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS Paul Hausser mit den SS-Panzergrenadier-Divisionen „Das Reich“, „Totenkopf“ und „Leibstandarte Adolf Hitler“ brennt förmlich auf die Rückeroberung der Stadt. Eben jene Divisionen haben kurz zuvor noch der Übermacht der Roten Armee weichen und aus Charkow abziehen müssen, wobei Hausser gegen den ausdrücklichen Haltebefehl Hitlers handelte. Am 5. März 1943 steht die Angriffsfront der 4. Panzerarmee noch 50 Kilometer südlich von Charkow, flankiert zur Linken von der Armeeabteilung Kempf und zur Rechten
SS „brennt” auf Rückeroberung von der 1. Panzerarmee. Hitler befiehlt die Einnahme der Stadt, während das Vorhaben Mansteins eher die Vernichtung gegnerischer Truppen vorsieht. Um die sowjetischen Armeen im Raum Charkow – Donezbogen einkesseln zu können, sieht der Feldmarschall ein Vorgehen der 4. Panzerarmee ostwärts des Donez und ein anschließendes Übersetzen über den Fluss in Richtung Charkow vor. Auf diese Weise würden die gegnerischen Armeen zwischen Hoths Panzerarmee und der Armeeabteilung Kempf aufgerieben.
KARTE
Kampfhandlungen um Charkow im März 1943
NICHT VON LANGER DAUER: Wenige Monate nach dem deutschen Erfolg gelang der Roten Armee die erneute und dauerhafte Rückeroberung der Stadt Charkow.
Beginn des deutschen Angriffs Die Eroberung der Stadt selbst ist für Manstein zweitrangig, da er auf jeden Fall ein „zähes Festbeißen“ in den Verteidigungsanlagen verhindern und ein zweites „Stalingrad“ vermeiden will. Diese „große Lösung“ mit der weiträumigen Umgehung der Stadt wird jedoch in dem Moment unmöglich, in dem einsetzendes Tauwetter den Vormarsch aufhält. Alternativ arbeiten Manstein und sein Armeeoberbefehlshaber Hoth daher eine „kleine Lösung“ aus, die den Vorstoß der 4. Panzerarmee in nördlicher Richtung in Anlehnung an die Armeeabteilung Kempf vorsieht. Anschließend soll Charkow nördlich umgangen und von Nordosten und Osten her angegriffen werden. Die Verteidiger sollen auf diese Weise am Entweichen aus dem entstehenden Kessel gehindert werden. Der Infanteriedivision „Großdeutschland“, die dem Verband Kempfs untersteht, kommt dabei die Rolle des Flankenschutzes für das II. SS-Panzerkorps zu, das den linken Flügel von Hoths 4. Panzerarmee bildet. Hoth und Manstein vertagen jedoch die Entscheidung über die Vorgehensweise, um die weitere Entwicklung abwarten zu können.
Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich
Am Morgen des 6. März greift Hoths Armee auf einer 60 Kilometer breiten Front die sowjetischen Stellungen südlich von Charkow an. Vor allem das SS-Panzerkorps macht große Geländegewinne, während der rechte Flügel der 4. Panzerarmee gegen zähen Widerstand der sowjetischen Verteidiger kaum vorankommt. PROPAGANDAAUFNAHME: Dieses Foto eines Kriegsberichterstatters der Wehrmacht zeigt sowjetische Kriegsgefangene nach der 3. Schlacht um Charkow, in der Bildmitte ein „Kindersoldat“. Foto: ullstein bild – Heinrich Hoffmann
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Schlachten der Weltgeschichte | Charkow 1943 GESCHLAGEN: Pawel S. Rybalko muss sich mit seiner 3. sowjetischen Panzerarmee aus Charkow zurückziehen. Foto: ullstein bild – rps
SS-Panzerkorps gut voran. Das Heeresgruppenoberkommando ist zu diesem Zeitpunkt völlig unentschlossen, wie der Kampf weiter geführt werden soll. Sogar eine Einstellung des Angriffs wird erwogen, zu der vor allem Generaloberst Hoth drängt, da die eroberte Stellung am Msha leicht zu verteidigen ist.
Günstige Witterungsverhältnisse
Marschall der Panzertruppen: Pawel S. Rybalko Der spätere Führer der 3. sowjetischen Panzerarmee wird 1894 in der nördlichen Ukraine geboren und tritt bereits in jungen Jahren der kaiserlichen Armee bei. Nach der Oktoberrevolution stellt sich Rybalko in den Dienst der Roten Armee und nimmt am Russischen Bürgerkrieg und am RussischPolnischen Krieg des Jahres 1920 teil. Seine Fähigkeiten werden bald erkannt, sodass Rybalko schnell in der sowjetischen Militärhierarchie aufsteigt. Er erwirbt sich den Ruf eines Fachmanns für Panzerkriegführung. Bei der Abwehr des deutschen Angriffs auf den Kursker Frontbogen im Sommer 1943 zeichnet sich Rybalko als hervorragender Truppenführer aus und wird mit dem Titel „Held der Sowjetunion“ geehrt. 1948 erliegt er einem Krebsleiden.
Haussers Panzerkorps beginnt noch am selben Tag mit dem Übersetzen über den Fluss Msha, dessen Verlauf südlich von Charkow ein natürliches Hindernis bildet. Einen Tag später greift auch die Infanteriedivision „Großdeutschland“ in die Kämpfe ein. Sie dringt nach Nordosten vor und soll so ein Zurückweichen des Gegners aus der südlichen Msha-Stellung abschneiden. In den folgenden Tagen entwickelt sich die Lage südlich von Charkow anders als von Manstein ursprünglich beabsichtigt: Anstelle von großen Fortschritten auf dem rechten Flügel, die eine östliche Umgehung der Stadt erlauben, kommt besonders das
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Die Vorhersage der Meteorologen hilft Manstein bei seinem Entschluss. Diese melden für die folgenden Tage starken Frost, der die Schlammmassen wieder passierbar werden lässt und somit weitere Operationen beweglicher Verbände sinnvoll macht. Für eine weiträumige östliche Umfassung der Stadt fehlt mittlerweile jedoch die Zeit. Auch ein Weiterführen des frontalen Angriffs auf den Südteil der Stadt schließt Manstein aus, da die sowjetischen Verteidigungsstellungen hier besonders stark ausgebaut sind. Der Generalfeldmarschall entschließt sich daher für eine Angriffsstoßrichtung westlich an Charkow vorbei, um bei erfolgreichem Verlauf entweder nach Nordwesten einzudrehen und die sowjetischen Truppen einzu-
kesseln oder Charkow von Nordosten anzugreifen. Bedenken seiner Armeeführer weist Manstein ab. Die Meteorologen behalten recht. Die Temperaturen sinken in den folgenden Tagen deutlich unter null Grad und machen die Wege und Straßen für Angriffsoperationen nutzbar. Die Lage der 4. Panzerarmee bleibt auch in den kommenden Tagen unverändert: Während der rechte Flügel mit dem XXXXVIII. und LVII. Panzerkorps gegen hartnäckigen Widerstand kaum an Boden gewinnt, macht das II. SS-Panzerkorps auf dem linken Flügel große Fortschritte und treibt die schwachen und völlig überraschten sowjetischen Kräfte Richtung Norden. Die 3. sowjetische Panzerarmee unter dem Befehl von Generalleutnant Rybalko sammelt sich daraufhin in und um Charkow und errichtet Verteidigungsstellungen. Die deutsche Führung nimmt daher an, dass der Gegner die Stadt unter allen Umständen verteidigen will. Auf diese Weise hält man es für möglich, die neu gebildete sowjetische Abwehrfront von Norden her zu umfassen und von Nordosten einen Vorstoß in den Rücken des Gegners zu wagen. Generaloberst Hoth weist daher das SS-Panzerkorps am 9. März an, mit hoher Geschwindigkeit westlich an Charkow vorbei vorzustoßen, um die günstige Gelegenheit wahrzunehmen. Die Einnahme der alten
DRAMATISCHE SZENE: Deutsche Soldaten – darunter auch Verwundete – suchen hinter ihren Schützenpanerwagen Deckung vor feindlichem Beschuss. Foto: ullstein bild – ullstein bild
Haussers umstrittene Entscheidung
AUSGESCHALTET: Ein sowjetischer Panzer T-34 am Stadtrand von Charkow nach der Rückeroberung durch deutsche Foto: picture-alliance/ZB Truppen.
ukrainischen Hauptstadt ist zu diesem Zeitpunkt nicht vorgesehen, es geht vorrangig um die Einkesselung des Gegners. Nur für den Fall, dass Charkow „handstreichartig“ zu nehmen sei, gestatten Hoth und auch Manstein den direkten Angriff auf die Stadt. Währenddessen haben das XXXXVIII. und LVII. Panzerkorps große Mühe, ihre Front gegen die mit überlegenen Kräften vorgetragenen Angriffe der Roten Armee zu halten. Beide Verbände kommen noch immer nur langsam voran und müssen Ortschaft für Ortschaft in erbitterten Kämpfen erobern. Ihre Beteiligung an den direkten Gefechten um Charkow ist somit ausgeschlossen.
Unklare Befehle Entsprechend des letzten Armeebefehls von Generaloberst Hoth stößt das SS-Panzerkorps am 9. März gegen Abend weiter nach Norden vor. Rasch gelingt die Überschreitung des Flusses Udy, der Charkow von Nordwesten nach Südosten durchfließt. Immer wieder betont das Armeeoberkommando (AOK), dass „das Ziel der Operationen nicht die Wegnahme der Stadt, sondern die Umfassung und Vernichtung des Gegners“ sei. Dennoch bleibt der Befehl des „handstreichartigen Nehmens“ der Stadt, der verschieden interpretiert werden kann, bestehen. Nachdem Hausser vom Armeeoberkommando keine Antwort erhält, ob der bisherige Auftrag der Umfassung Charkows von
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Norden bestehen bleibt, entscheidet er selbst: Er entschließt sich zu einem konzentrisch vorgetragenen Angriff auf die Stadt. Die Division „Das Reich“ soll von Westen und Nordwesten, die Division „Leibstandarte SS Adolf Hitler“ von Norden, Nordosten
Eigenwilliger Kommandeur: Paul Hausser Hausser wird 1880 als Sohn eines preußischen Offiziers in Brandenburg/Havel geboren. Unter anderem im Generalstab ausgebildet, erwirbt er sich im „Dritten Reich“ schnell den Ruf eines militärsachkundigen Organisators. Bereits 1934 bietet ihm Reichsführer-SS Heinrich Himmler an, die neu entstehende SS-Verfügungstruppe auszubilden. Als im Oktober 1939 die erste Division der Waffen-SS aufgestellt wird, erhält Hausser das Kommando über den neuen Verband. Seine erfolgreiche Führung macht die Aufstellung weiterer Verbände der Waffen-SS möglich. Während des Zeiten Weltkriegs wird Hausser auf zahlreichen Kriegsschauplätzen eingesetzt und erweist sich dabei als durchaus fähiger, aber eigenwilliger Kommandeur. Sogar Haltebefehle Hitlers werden von ihm missachtet, wenn Hausser sie für falsch hält. Nach 1945 gelangt der hochdekorierte General in US-Kriegsgefangenschaft, aus der er 1948 entlassen wird. Hausser stirbt 1972. UNFOLGSAM: Paul Hausser, Kommandeur des (II.) SS-Panzerkorps, widersetzt sich bei den Kämpfen um Charkow 1943 einem Befehl Hitlers und Weisungen des ArmeeoberkomFoto: ullstein bild mandos.
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Schlachten der Weltgeschichte | Charkow 1943 INFO
Die Kriegsparteien im Vergleich Wehrmacht
Rote Armee
Zielsetzung
Stoppen der sowjetischen Offensive; Wiedererlangen der Initiative an der Ostfront
Oberbefehl
Erich von Manstein (Heeresgruppe Süd)
Zerschlagung des Südflügels des deutschen Ostheeres; Weiterer Vormarsch nach Westen Nikolai F. Watutin („Südwestfront“), Filipp I. Golikow („Woroneschfront“) 3. Panzerarmee (Rybalko) und 6. Armee (Charitonow)
Einsatzverbände 4. Panzerarmee (Hoth) mit dem XXXXVIII. und LVII. Panzerkorps und dem II.* SS-Panzerkorps (*offizielle Bezeichnung seit Juni 1943), Armeeabteilung Kempf mit der Infanteriedivision „Großdeutschland“ Nicht unmittel1. Panzerarmee (Mackensen), bar beteiligte 2. Armee (Weiss) Verbände
40. Armee (Moskalenko) und 69. Armee (Kasakow), Gruppe Popow
Truppenstärke
circa 270.000 Mann
circa 750.000 Mann (geschätzt)
Verluste
k.A.; das II. SS-Panzerkorps verliert fast 12.000 Mann an Gefangenen, Verwundeten und Gefallenen
50.000 Gefallene, 20.000 Soldaten gehen in deutsche Kriegsgefangenschaft; 3.300 Geschütze und 1.400 Panzer
und Osten gegen die Stadt vordringen. Die Nordflanke soll währenddessen von der „Totenkopfdivision“ geschützt werden. Obwohl noch rechtzeitig vor Angriffsbeginn ein Befehl des AOK bei Hausser eintrifft, der einen direkten Stoß auf die Stadt verbietet, ändert der Panzerkorpsführer seinen Entschluss nicht mehr.
Angriff auf die Stadt Am 10. März beginnt Hausser mit dem Sturm auf die Stadt. Trotz massiver Luftunterstützung gelingt es jedoch keiner seiner Divisionen, über die Vororte Charkows hinauszukommen. Die Divisionen „Das Reich“ und „Leibstandarte“ müssen etwa zehn Kilometer jenseits des Stadtrandes stehenbleiben. Im Oberkommando der Heeresgruppe Süd ist man mittlerweile der Meinung, dass die Rote Armee Charkow nur noch halten will, um möglichst viele Truppen aus der drohenden Einkesselung nach Osten zu retten. Nach Ansicht von Manstein und Hoth ist daher Eile geboten. Will man das Entweichen der 3. sowjetischen Panzerarmee aus
ERSCHÖPFT: Ein Panzer einer SS-Division mit aufgesessenen Grenadieren im Zentrum von Charkow. Nach heftigem Kampf ist der Widerstand des Gegners gebrochen. Foto: BArch, Bild 101III-Zschaekel-190-29/Fotograf: Zschäkel, Friedrich
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Erbitterte Straßenkämpfe der Stadt verhindern, muss ein zeitraubender Angriff auf die Verteidigungsanlagen unterbleiben und die Umfassung von Norden und Nordosten ist weiter voranzutreiben. Im Westen soll die Stadt hingegen nur „abgeriegelt“ werden. Der Befehl, der Haussers kompletten Operationsentwurf obsolet macht, wird vom SS-Obergruppenführer jedoch nicht beachtet. Seiner Truppe teilt er mit: „Die bereits am 10. März an die Divisionen gegebenen Aufträge mit Einzelheiten für die Wegnahme der Stadt brauchen dadurch nicht geändert werden.“ Am 11. März beginnen die SS-Divisionen „Das Reich“ und „Leibstandarte“ den erneuten Angriff auf die Stadt. Haussers Missachtung des Armeebefehls vom Vortag sorgt im Armeeoberkommando und bei der Heeresgruppe für Verärgerung. Schon längst haben die sowjetischen Verteidiger mit der Befestigung der Stadt begonnen, die eine handstreichartige Eroberung unmöglich machen. Generaloberst Hoth und Generalfeldmarschall Manstein drängen auf einen Abbruch der Kämpfe, um den Gegner, der vor dem XXXXVIII. Panzerkorps verbissen verteidigt, in den Rücken fallen zu können. Doch der Plan der HGr. wird durch das eigenmächtige Handeln Haussers gefährdet. Hoth setzt dem widerspenstigen General der WaffenSS daraufhin am 12. März ein Ultimatum: „Ich mache Komm. General SS-Pz.-Korps für umgehende Durchführung meines Befehls verantwortlich, SS-Div. D[as] R[eich] aus Kampf Charkow herauszulösen und nördlich Charkow herum auf den Ostflügel heranzuführen. Vollzugsmeldung ist nunmehr umgehend vorzulegen.“
Der Kessel schließt sich Erst jetzt lenkt Hausser ein und fügt sich dem Befehl. In aller Eile wird die Division „Das Reich“ nun nördlich an der Stadt vorbeigeführt und im Kampf an ihrer östlichen Seite eingesetzt. Für die deutschen Truppen völlig überraschend räumt die Rote Armee am selben Tag das bis hierhin verbissen verteidigte Gelände südlich von Charkow und erlaubt dem XXXXVIII. und dem LVII. Panzerkorps somit ein weiteres Vorrücken. Manstein sieht nun die Gelegenheit gegeben, auch die südli-
Literaturtipp Eberhard Schwarz: Die Stabilisierung der Ostfront nach Stalingrad. Mansteins Gegenschlag zwischen Donez und Dnjepr im Frühjahr 1943 (= Studien und Dokumente zur Geschichte des Zweiten Weltkriegs 17), Göttingen 1986.
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che Zange zu schließen und die 3. sowjetische Panzerarmee zu vernichten. Am 14. März gelingt es den SS-Verbänden Haussers, in den nördlichen Teil der Stadt einzudringen und die letzten Widerstände des Gegners zu brechen. Nach dem Abzug der Division „Das Reich“ liegt die Hauptverantwortung vor allem bei der Division „Leibstandarte SS Adolf Hitler“ unter dem Kommando von Josef Dietrich. Diese muss sich von Straßenzug zu Straßenzug vorankämpfen.
Vorstoß zum Donez Doch bereits am Abend desselben Tages können die Gefechte innerhalb der Stadt erfolgreich abgeschlossen werden. Jedoch misslingt die Einkesselung und totale Vernichtung der sowjetischen 3. Panzerarmee. Zwar erleidet der Verband große Verluste, doch gelingt es Generalleutnant Rybalko, den Zeitverlust Haussers auszunutzen und der deutschen Zangenbewegung auszuweichen. Er nimmt seine Armee über den Donez zurück. Die Einnahme Charkows bleibt somit ein „unvollendeter Sieg“. Nach der Eroberung Charkows gibt Manstein seinen Verbänden den Befehl, den letzten sowjetischen Widerstand westlich des Donez zu brechen. Im Süden der Stadt gelingt es dem LVII. Panzerkorps, den Gegner über den Donez zu drängen, nördlich von Charkow rückt die Infanteriedivision „Großdeutschland“ auf Belgorod vor. Um sowjetische Gegenmaßnahmen in diesem Abschnitt zu verhindern, befiehlt der Generalfeldmar-
GEFALLEN: Im Kampf um Charkow getötete sowjetische Soldaten. Im Bildhintergrund sind britische Panzer vom Typ Matilda II erkennbar, von denen im Zweiten Weltkrieg mehr als 1.000 an die Sowjetunion geliefert wurden. Foto: picture-alliance/Süddeutsche Zeitung Photo
schall auch der 4. Panzerarmee den Stoß nach Norden, um das Westufer des Donez zu sichern. Bereits am 18. März tritt das II. SS-Panzerkorps zum Angriff auf Belgorod an. Noch am selben Tag gelingt den deutschen Divisionen die Einnahme der Stadt und damit die Schaffung einer zusammenhängenden Front am Donez. Manstein drängt in der Folge darauf, den auf diese Weise im Raum Kursk entstandenen Frontbogen in einem großangelegten Angriff zu begradigen. Doch Hitler und das Oberkommando des Heeres lehnen den Vorschlag ab, da man erst genügend Truppen für eine Großoffensive sammeln will. Mit dem erfolgreichen Abschluss der deutschen Gegenoffensive unterscheidet sich die Front nur gering von jenem Frontverlauf, der zu Beginn der deutschen Sommeroffensive des Jahres 1942 existierte. Vor allem das strategische Geschick Mansteins, die gute Kampfmoral der deutschen Truppen und die Fehleinschätzungen der russischen Militärführung sorgen auf deutscher Seite für eine im Osten nicht mehr für möglich gehaltene – vorübergehende – Stabilisierung der militärischen Lage. Lukas Grawe, M.A., Jahrgang 1985, Historiker aus Münster.
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Museen und Militärakademien
„Ausbildungsschmiede“ der US-Armee
West Point
Etwa 80 Kilometer nördlich von New York befindet sich am Hudson River die Militärakademie West Point, einfach „The Point“ genannt. Der Campus ist ein populäres TouristenVon Michael Solka ziel, auch das älteste Museum der US-Armee findet sich hier.
D
ie Militärakademie West Point wird am 16. März 1802 gegründet. Kadetten im Alter von 12 bis 37 Jahren besuchen die Einrichtung sechs Monate bis sechs Jahre lang. Aufgrund des Krieges von 1812 gegen Großbritannien bestimmt der Kongress ein formaleres System der Ausbildung und erhöht die Anzahl der Kadetten auf 250. Im Jahr 1814 wird durch den Direktor Alden Partridge eine graue Uniform für die Kadetten eingeführt. 1817 amtiert Oberst Sylvanus Thayer als Leiter und führt ein Curriculum ein, das bis 2011 Bestand hat. Als „Vater der Militärakademie“ wird er auf dem Campus durch ein Denkmal geehrt. Von 523 Absolventen werden 452 im Verlauf des Krieges gegen Mexiko 1846-48 befördert oder ausgezeichnet. Während der
KONTAKT Mehr Informationen gibt es auf der Internetseite der Akademie unter: http://www.usma.edu Detaillierte Angaben über Besuchsmöglichkeiten und Anfahrt finden sich (in englischer Sprache) auf folgender Seite: http://www.usma.edu/ Visiting/SitePages/Home.aspx Das äußerst empfehlenswerte West Point Museum ist täglich von 10:30 Uhr bis 16:15 Uhr geöffnet. Angeschlossen sind auch zwei „Historic Sites“ (Constitution Island und Fort Putnam), der West Point Cemetery sowie ein Visitor Center. Für genauere Informationen sowie Bilder siehe obige Website und zudem www.westpointtours.com
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1850er-Jahre wird West Point modernisiert. Neue Baracken werden besser geheizt und Gasbeleuchtung eingeführt. Einige Generale des Amerikanischen Bürgerkrieges idealisieren später die Institution. Im Krieg zwischen den Nord- und Südstaaten dienen 294 Absolventen der Akademie für die Union, 151 für die Konföderation. 105 fallen im Kampf, 151 werden verwundet. Die meisten nehmen an den 60 wichtigsten Schlachten teil.
Nach dem Bürgerkrieg Als schwierig erweist sich nach 1865 die Aufnahme von Kadetten aus der ehemaligen Konföderation. 1868 werden die Ersten zugelassen, 1870 wird der Afroamerikaner James Webster Smith aus South Carolina Kadett in West Point. 1874 wird er jedoch unter ungeklärten Umständen entlassen. 1877 graduiert dann schließlich der farbige Henry O. Flipper in der Akademie. In dieser Zeit machen auch George W. Goethals und John J. Pershing ihren Abschluss. Goethals wird als Chefkonstrukteur des Panamakanals bekannt werden, Pershing als Kommandeur der US-Truppen im Ersten Weltkrieg. 1900 wird die Anzahl der Kadetten auf 481 erhöht. Im Jahr 1919 erhält Dou-
glas MacArthur den Posten des Direktors und legt größeren Nachdruck auf die Unterrichtung in Geschichte. Außerdem fördert er die sportliche Ausbildung, wozu er sagt: „Hinsichtlich des freundschaftlichen Wettbewerbs werden sich eines Tages die Früchte des Sieges zeigen.“ 1925 wird West Point offiziell als Lehranstalt anerkannt. Seit 1933 bekommen alle Kadetten einen wissenschaftlichen Abschluss. Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges lässt der Kongress die Zahl der Kadetten 1942 auf 2.496 erhöhen. Vier der Fünf-SterneGenerale sind Absolventen der Akademie, an die 500 Abgänger fallen im Krieg. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs ändert der neue Leiter Maxwell Taylor die Ausbildung und schafft Kurse im Fechten und Reiten ab. HOHES RENOMMEE: Die United States Military Academy in West Point ist eine der angesehensten Hochschulen des Landes. Der Photochromdruck von 1901 zeigt einen Teil des Akademie-Gebäudes. Abb.: picture alliance/akg
HINTERGRUND John „Black Jack“ Pershing Ohne Zweifel ist er einer der bekanntesten Absolventen von West Point. John Joseph Pershing (1860–1948) hat zunächst keine Absicht, eine militärische Laufbahn einzuschlagen. Dennoch besucht er von 1882 bis 1886 West Point. Obgleich er eher ein durchschnittlicher Schüler ist, zeigt er bereits früh beachtliche Führungsqualitäten. Nach Abschluss der Ausbildung in West Point wird Pershing dem 6. Kavallerieregiment zugeteilt, danach dem 10. Reiterregiment, das sich aus afroamerikanischen Soldaten zusammensetzt. Aus
FAKTEN
dieser Zeit stammt sein Spitzname „Black Jack“. Nach mehreren Posten – u. a. Militärtaktikausbilder in West Point – wird er 1917 Oberbefehlshaber der US-Truppen in Europa. Die von ihm geführten Offensiven helfen mit, die Deutschen zurückzuwerfen. Nach dem Krieg wird Pershing 1919 vom Kongress der Rang „General of the Armies of the United States“ verliehen. Er dient bis 1924, erhält 1946 die Goldene Ehrenmedaille des Kongresses. Pershing stirbt am 15. Juli 1948 im Walter-Reed-Militärkrankenhaus in Washington.
NAMENSGEBER: Nach dem bekannten WestPoint-Absolventen John Pershing sind die Pershing-Rakete sowie ein USKampfpanzer (M26 Pershing) benannt.
Weitere bekannte Absolventen
Ulysses S. Grant Robert E. Lee
George A. Custer George W. Goethals
In den 1960er-Jahren werden 4.400 Kadetten zugelassen, darunter Afroamerikaner und 1968 die erste Frau.
Moderne Zeiten Nach dem Ende des Vietnamkrieges, in dem 333 Absolventen der Akademie ums Leben kamen, werden 1976 als Kadetten 119 Frauen aufgenommen. Kristin Baker wird 1989 erster weiblicher Hauptmann. 2004 und 2006 folgen ihr Grace H. Chung und Stephanie Hightower. Den Rang eines Brigadegenerals
John „Gatling Gun“ Parker Omar N. Bradley
Douglas MacArthur George S. Patton
erhält schließlich Rebecca „Becky“ Halstead aus der Klasse von 1981. Erster weiblicher Hauptmann afroamerikanischer Abstammung ist Vincent Brooks.
Curriculum 45 Lehrer unterrichten Fremdsprachen, Management, Geschichte, Wirtschaftswissenschaften und Maschinenbau. 75 Prozent der Fakultätsmitglieder sind Offiziere, die übrigen zivile Lehrer. Das akademische Programm beinhaltet 31 Kurse und dauert vier
William Westmoreland Norman Schwarzkopf
Jahre. Alle Kadetten haben den Rang eines Leutnants. In den Sommermonaten können sie in aktiven Armee-Einheiten oder anderen Militärschulen tätig sein. Großer Wert wird natürlich auch auf die körperliche Fitness gelegt. Männer müssen boxen, Frauen Selbstverteidigung lernen. Mannschaftsspiele sind Football, Lacrosse (ein indianisches Ballspiel), Rugby und Basketball. Zweimal im Jahr ist ein Fitnesstest zu absolvieren. Zudem gibt es eine moralisch-ethische Ausbildung. Der Ehrenkodex besagt, dass „ein Kadett nicht lügt, betrügt, stiehlt und andere, die dies tun, nicht deckt.“
Zusammensetzung der Kadetten Die meisten Kadetten kommen aus den 50 US-Bundesstaaten. Bis zu 60 internationale Austauschkadetten werden zugelassen. Die Studiengebühren zahlt die US-Armee. Etwa 15 Prozent der Kadetten sind heute Frauen. Die meisten Kadetten sind weiße Amerikaner, gefolgt von Amerikanern spanischer Abstammung, Afroamerikanern, asiatischen Amerikanern und einigen Indianern.
Literaturtipps Maureen Oehler DuRant: West Point. Charleston 2007. Agostino Hassell: West Point. Charlottesville 2002.
GRUND ZUM FEIERN: Kadetten einer Abschlussklasse erhalten ihre Diplome und Offizierspatente. Auf diesem Foto von 1942 sind die typischen Kadetten-Uniformen der West Point Akademie gut zu erkennen, die heute noch genauso aussehen. Foto: picture-alliance/akg
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Michael Solka, M.A., Jg. 1953, studierte Geschichte und Amerikanistik in München und Eugene/USA; freier Autor und Redakteur; Verfasser zahlreicher Bücher.
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Schlachten der Weltgeschichte
Wien 1683
Die Schlacht um den „Goldenen Apfel“ Die Osmanische Armee Etwa 100.000 Mann Knapp 200 Geschütze
Das Entsatzheer 39.400 Infanteristen 34.400 Kavalleristen 152 Geschütze
Die Verteidiger Wiens 16.000 Soldaten und eingezogene Landwehr etwa 130 bis 140 Festungsgeschütze
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15. bis 17. Jahrhundert: Neben allen internen Konflikten hält spätestens seit dem Fall von Konstantinopel 1453 eine große Gefahr Europa in Atem: die türkische Expansion. 1529 sind die Osmanen bereits ein erstes Mal die Donau hinauf nach Wien gezogen. Gut 150 Jahre später stehen sie wieder vor den Toren der Stadt… Von Alexander Querengässer
D
ie strategisch wichtige Stadt, die wie ein Korken zwischen den steilen Bergwänden der Alpen und den Karpaten sitzt, gilt den Türken als „Goldener Apfel“. Ein früh einbrechender Winter und die hartnäckige Verteidigung der Landsknechtsbesatzung verhinderten 1529 zwar den Fall der Stadt, doch nicht die Inbesitznahme des gesamten Balkanraums durch die Heere des Sultans. Im 17. Jahrhundert erreicht die Macht der Osmanen ihren Höhepunkt. Die Entwicklung des Reiches beginnt langsam, aber spürbar zu stagnieren, und es setzt die innere Fäulnis ein, die das Weltreich in den nächsten 300 Jahren zernagen wird. Davon merken die Habsburger jedoch zunächst nur sehr wenig. In den Siebzigerjahren befinden sie sich in einem kräftezerrenden Krieg mit den Armeen des Sonnenkönigs am Rhein und in Italien, sowie dem aufsässigen protestantischen Adel in Nordungarn. Die Osmanen machen sich diese Situation zunutze und schicken ein neues starkes Heer, welches den „Goldenen Apfel“ zu Fall bringen soll, nach Westen. Es untersteht dem Großwesir Kara Mustafa, einem erfahrenen und erfolgreichen Soldaten. Den Vortrab seiner Armee bilden 40.000 Tataren, leichte schnelle Kavallerie, die die wenigen österreichischen Verbände westlich Wiens schnell vertreibt. Die Elite des Heeres besteht aus den Janitscharen, zum Islam konvertierte Christenkinder, die nun als Infanterie dienen, und den Spahis. Diese rekrutieren sich aus dem niederen Adel und fungieren als Mehrzweckkavallerie: sie können schnell in weit entlegene Gebiete vorstoßen und aufklären, bilden aber auch das berittene Rückgrat des Heeres in der Schlacht.
Anti-Osmanisches Bündnis
IN LETZTER MINUTE: Das christliche Entsatzheer bringt am 12. September die Rettung für das belagerte Wien. Das Ölgemälde zeigt die entscheidende Schlacht Abb.: picture-alliance/akg am Kahlenberg.
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Durch das schnelle Vordringen des Feindes sieht sich Kaiser Leopold am 7. Juli dazu veranlasst, von Wien nach Linz zu fliehen. In der bedrohten Stadt verbleiben 16.000 Mann unter dem Grafen Ernst Rüdiger von Starhemberg. Einen guten Teil dieser Truppen stellen Landwehrformationen aus der Studentenschaft und den einzelnen Zünften dar. Doch auch Österreich ist nicht ganz unvorbereitet. Am 26. Januar war unter Vermittlung des Papstes ein Bündnis mit Polen geschlossen worden. Das Land ist eine alte Großmacht, deren Niedergang schon viel weiter voran geschritten ist, als der des Osmanischen Reiches. Doch unter Jan III. Sobieski kann das
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Schlachten der Weltgeschichte | Wien 1683 STARK BEFESTIGT: Wien verfügt über ein gut ausgebautes Verteidigungssystem, sodass die Garnison trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit lange genug standhalten kann. Abb.: IAM/akg
vallerie des Herzogs Karl von Lothringen, der auf das Eintreffen eines Ersatzheeres wartet. Am 13. Juli trifft Kara Mustafas Heer vor den Toren Wiens ein und errichtet eine gewaltige Zeltstadt, die sich zwischen den Vororten St. Marx und Oberpöltling erstreckt. Nachdem seine Truppen ihre Stellungen bezogen haben, bietet er Starhemberg zwei Tage später die ehrenvolle Kapitulation an, welche dieser selbstverständlich umgehend ablehnt.
Krieg unter der Erde
Land wieder einige militärische Erfolge erringen. Nun verspricht er 40.000 Mann zu stellen, wenn ihm der Oberbefehl übertragen wird. Zudem sagen die Kurfürsten von Bayern und Sachsen jeweils 10.000 Mann für den bevorstehenden Krieg zu, ebenso die südwestdeutschen Reichsfürsten.
Keine Kapitulation! Habsburg selbst ist verpflichtet, 60.000 Soldaten ins Feld zu führen, kann aber aufgrund der angespannten Lage am Rhein dieser Verpflichtung nur schwer nachkommen. Auch
DER VERTEIDIGER Graf von Starhemberg muss Wien gegen einen zahlenmäßig weit überlegenen Angreifer verteidigen.
Abb.: picture alliance/akg
Ernst Rüdiger von Starhemberg wird 1638 in Graz geboren. In den 1660er-Jahren gilt er als ein bewährter Oberst des Feldmarschall Montecuccoli, kämpft am Rhein gegen die Franzosen und in Ungarn gegen die Türken. Für seine erfolgreiche Verteidigung Wiens ernennt ihn der Kaiser zum Feldmarschall. Starhemberg kämpft wieder im Feldheer und wird 1686 bei der Belagerung Ofens so schwer verwundet, dass er sein aktives Kommando niederlegen muss. 1691 wird er Präsident des Hofkriegsrates und macht sich als Reorganisator des Heeres verdient, ehe er 1701 stirbt.
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um Wien selbst haben sich die Habsburger seit 1529 umfangreich gekümmert. Die Stadt ist nach französischem Vorbild zu einer der modernsten Festungen Europas ausgebaut worden. Zwölf mächtige Bastionen und ein kompliziertes System von Vorwerken schützen den „Goldenen Apfel“. Die Vorstädte lässt Starhemberg beim Eintreffen des Feindes abbrennen, damit die rund 140 Geschütze freies Schussfeld haben. Auf dem westlichen Donauufer befindet sich zudem die Ka-
Wie Wien eine moderne Verteidigungsanlage nach den Prinzipien des französischen Baumeisters Vauban darstellt, so gelten die Türken damals als Meister des Festungskrieges. Kara Mustafas Truppen führen 50 schwere Belagerungskanonen und etwa 150 leichtere Feldgeschütze mit sich. Außerdem befinden sich in ihren Reihen Mineningenieure aus Frankreich, die damit beginnen, Tunnel unter die als Schwachpunkt in der Stadtbefestigung ausgemachte Löwenbastion vorzutreiben. Sowie die Tunnel bis unter die Fundamente der Mauer vorgetrieben sind, sollen sie mit großen Mengen Schießpulver gesprengt werden, damit die Sturmtruppen durch das so entstandene Loch in die Stadt gelangen können. Die Wiener Besatzung erkennt das Vorhaben der Türken und treibt Gegentunnel vor, um die Sprengladungen zu sabotieren. Trotzdem gelingt den Angreifern am 23. Juli eine Sprengung an der Burgbastion. Der darauf folgende Sturmversuch der Janitscharen kann jedoch abgewehrt werden. Zwei Tage später verpufft die Wirkung einer Mine an der Löwenbastei. Auch Starhemberg lässt Tunnel unter die Schanzen der Osmanen treiben, wo am 26. Juli eine Mine explodiert ohne größeren Schaden anzurichten. Vier Tage später sprengen die französischen Ingenieure Kara Mustafas eine weitere Mine vor der Löwenbastei, während die Wiener eine Gegensprengung unter den Laufgräben der Türken durchführen. Diese bringen 30 Geschütze vor den bröckelnden Mauern in Stellung, um ihren nächsten Angriff zu unterstützen. Die Kanonen richten weitere schwere Beschädigungen an den
Die Rettung naht Festungswerken an. Teilweise haben sich die türkischen Laufgräben den zusammengeschossenen Vorwerken der Österreicher schon so sehr genähert, dass es zu harten Nahkämpfen kommt. Einen alles entscheidenden Sturm zögern die Türken aber hinaus.
DER ANGREIFER
Der Sohn eines kleinen türkischen Ritters (Spahi) aus Kleinasien wächst als Kind im Kreis des türkischen Großwesirs auf. Durch eine Mischung aus eigenem Geschick und Günstlingswirtschaft erringt er hohe militärische Ämter, wird 1661 Großadmiral und Stellvertreter des Großwesirs. Dieses Amt übernimmt er 1676 selbst. Er führt lange Kriege gegen die Kosaken der Ukraine und in Ungarn, ehe er den alten türkischen Traum der Eroberung Wiens wahr machen will. Nach seiner Niederlage am Kahlenberg wird er auf Befehl des Sultans erdrosselt.
Das christliche Entsatzheer Am 14. Juli erfährt der polnische Hof in Warschau, dass das türkische Heer vor Wien eingetroffen ist. Der König erlässt sofort den Befehl zum Sammeln seines Heeres, was jedoch Zeit benötigt. Erst am 15. August verlässt Jan Sobieski mit seinen Truppen Krakau. Auch die Sachsen, Bayern, Badener und Schwaben marschieren bereits nach Oberösterreich. Die verbündete Armee ist nicht nur in ihrer Zusammensetzung sehr heterogen, auch die Qualität ist durchwachsen. Sachsen und Bayern stellen jeweils 10.000 sehr gute Soldaten. Die beiden Kurfürstentümer haben erst vor kurzen begonnen, stehende Heere nach französisch-holländischem Vorbild aufzubauen. Johann Georg III., der als „Sächsischer Mars“ bekannt werden sollte, ist zudem ein erfahrener und ehrgeiziger Heerführer. Anders steht es um die polnischen Truppen. Jan Sobieski hatte mit seinen 24.000 Mann nur etwa zwei Drittel der versprochenen Menge ins Feld gebracht. Die angeworbene Infanterie gilt als unzuverlässig. Ein Großteil des Heeres wird von Kosakenaufgeboten aus der Ukraine gebildet, die damals Teil des Königreiches ist. Diese haben einige Erfahrung im Kampf gegen die Türken. Die polnische Adelskavallerie, die Husaren, zählen zur Elite der Armee. Sie
sind mit prächtigen Rüstungen gekleidet und tragen hohe Flügel mit Federn, die beim Angriff ein furchteinflößendes Geräusch erzeugen sollen. Ihre Lanzen (Copias) sind hohl, sodass sie im Gefecht zerbrechen, damit der Reiter beim Aufprall nicht aus dem
„Das Heer des Islam wurde von den Kugeln aus den Geschützen und Flinten der Feinde wie mit Regen überschüttet.“ Der Zeremonienmeister des Sultans
Sattel gehoben wird. Es gilt als unehrenhaft, seine Waffe nicht zu zerbrechen. Der Ritter, dem dies passiert, wird aus dem Korps ausgestoßen. Die kommende Schlacht sollten nur sechs Lanzen heil überstehen. Trotz ihres elitären Status gelten die Flügelhusaren aber ebenfalls als undiszipliniert.
Erbitterter Kampf um die Stadt Im August intensiviert sich der Beschuss Wiens durch die Türken. Ihre Kanoniere neh-
DER RETTER Seit der Schlacht am Kahlenberg gilt Johann (polnisch: Jan) III. Sobieski als „Retter Wiens”. Jan III. aus dem Geschlecht der Sobieskis gehört zu den führenden Adelsfamilien Polens. In den 1640er- und 1650er-Jahren bekämpft er Kosakenaufstände und die türkischen Invasoren in der Ukraine. Er ist ein langgedienter und erfahrener Soldat, als ihn der Sejm 1674 zum polnischen König wählt. Sein Versuch, die polnische Großmachtstellung gegen Brandenburg und Schweden wiederherzustellen, scheitert an mangelnder französischer Unterstützung. In der Folge konzentriert er sich auf den Krieg mit den Türken, führt 1683 das christliche Entsatzheer nach Wien. Nach dem Sieg am Kahlenberg führt er den Krieg gegen die Osmanen mit wechselnden Erfolgen in der Ukraine fort, bis er 1696 stirbt. Abb.: picture-alliance / Mary Evans Picture Library
Clausewitz 4/2013
men die Kirchen der Stadt, vor allem den prächtigen Stephansdom, ins Visier. Starhemberg lässt die Lebensmittelpreise regulieren und die männliche Bevölkerung, die noch nicht auf den Wällen steht, bewaffnen. Es nützt wenig. Medikamente, Fleisch und
Brot werden von denen, die volle Speicher haben, zu steigenden Wucherpreisen weiterverkauft. Dem Einberufungsbefehl muss mit der Todesstrafe für Wehrverweigerer Gewicht verschafft werden. Die Kuriere, die zu Karl von Lothringen durchbrechen sollen, verlangen immer mehr Geld. Die Wiener haben eine panische Angst vor Spionen. Am 26. August wird ein verdächtiger fünfzehn Jahre alter Junge geköpft. Währenddessen geht der Kampf vor den Wällen weiter. Kara Mustafa konzentriert sich verstärkt auf die Löwenbastei. Ein Minengang wird unter die Bastei gegraben, und bei einem Artillerieduell fliegt ein Pulvermagazin in die Luft. Am 1. September erreicht ein erschöpfter Kurier die Stadt. Er meldet, dass die Entsatzheere sich bald vereinigen würden. Das wird auch Zeit, denn die Lebensmittelvorräte gehen zur Neige. Was Starhemberg nicht weiß: auch Kara Mustafa muss die Rationen seiner Truppen sparsam verwenden. Daher forciert der Großwesir den Angriff auf die Löwenbastei weiter und lässt auch neue Minen unter die Burgbastei legen. Anfang September können die Janitscharen in mehreren Sturmangriffen bis auf die Mauern der Stadt vordringen, werden aber mit letzter Kraft von den Verteidigern zurückgeworfen.
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Abb.: picture-alliance/akg-images
Kara Mustafa kann Wien nicht erobern und bezahlt dieses „Versäumnis“ mit dem Leben.
Schlachten der Weltgeschichte | Wien 1683
HAARSCHARF: Anfang September gelingt es den Türken fast die Stadt einzunehmen – osmanische Soldaten sind bereits auf den Mauern. Das Diorama fängt den kritischen Moment ein, der fast zu einem anderen Ausgang der Schlacht geführt hätte. Foto: akg/De Agostini Pict.Lib.
Da erscheinen in der Nacht vom 11. auf den 12. September große Leuchtfeuer auf dem Kahlenberg, nordwestlich der Stadt. Belagerer und Belagerte wissen, dass da das Entsatzheer naht. Kara Mustafa erfuhr es bereits vor einigen Tagen durch Gefangene. Trotz-
rechten Flügel verwickelt und arbeiten sich mühsam zu den Zelten der Belagerer vor. Der sächsische Kurfürst Johann Georg III. kämpft an der Spitze seiner Regimenter. Jan Sobieski führt einen wenig koordinierten Angriff gegen die türkische Linke, der zu-
„Die ganze Artillerie, das ganze Lager der Osmanen, unermessliche Reichtümer sind uns in die Hände gefallen. Gott sei hochgelobt in alle Ewigkeit!“ Jan III. Sobieski an seine Frau
dem haben die Türken die Höhen, welche die Stadt umgeben, nicht besetzt und zu festen Stellungen ausgebaut.
Flucht der Osmanen Am Morgen des 12. September greifen die Verbündeten an. Karl von Lothringen befehligt die Reichskontingente auf dem linken Flügel, Jan Sobieski seine Polen auf dem Rechten. Kara Mustafa zieht eiligst Truppen aus dem Belagerungsring ab und wirft sie dem Entsatzheer entgegen. Gleichzeitig versucht er den Druck auf Wien aufrecht zu erhalten. Karl von Lothringens Truppen werden in schwere Kämpfe mit dem türkischen
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nächst von der feindlichen Artillerie abgewehrt wird. Doch es gelingt dem König, seine Truppen zu sammeln. Am Nachmittag preschen seine Reiter ein zweites Mal die Hänge des Berges hinab. Die wuchtige Attacke überwindet den Widerstand der Janitscharen und der Spahis. Die Polen dringen in das türkische Lager ein. Die Fahne des Propheten, eines der größten Heiligtümer der Osmanen, geht verloren. Ihre Armee bricht vollständig auseinander und wälzt sich in wilder Flucht die Donau hinab. Die Verluste der Schlacht sind schwer zu beziffern, besonders bei den Türken, die da-
rüber keine verlässlichen Statistiken führten. Es ist aber davon auszugehen, dass Kara Mustafa allein in der Schlacht am Kahlenberg 10.000 bis 15.000 Mann verloren hat. Die Verbündeten lassen 4.000 bis 5.000 Mann auf dem Feld. Kara Mustafa versucht die Schuld für die Niederlage zu vertuschen und lässt einen seiner Unterführer in Ungarn köpfen. Es rettet ihn nicht. Auf Befehl des Sultans wird der Großwesir am 25. Dezember in Belgrad mit der seidenen Schnur erdrosselt. Nachdem die kleineren Reichskontingente in ihre Heimatländer abgerückt waren, versucht ein österreichisch-polnisches Heer die Türken zu verfolgen. Sobieskis Truppen werden am 7. Oktober bei Parkany so schwer geschlagen, dass er den Kriegsschauplatz ebenfalls verlässt.
Österreichische Expansion Das Haus Habsburg hat die letzte große Bedrohung durch die Türken erfolgreich abgewehrt. In den folgenden Jahren macht es sich an die schrittweise Rückeroberung Ungarns. Alexander Querengässer, Jg. 1987, Militärhistoriker und Autor aus Dresden.
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CL
NEUE SERIE
Militärtechnik im Detail
„Hitlersäge“
Das deutsche Maschinengewehr (MG)42
U
nglaublich schnell und Furcht erregend; das MG42 war das wohl am meisten gefürchtete Infanteriemaschinengewehr, das jemals entworfen wurde. Keiner anderen Waffe während des Zweiten Weltkrieges fielen mehr alliierte Soldaten zum Opfer. Die Kadenz von 1.200 bis 1.500 Schuss pro Minute war enorm. Die Deutschen nannten das MG42 daher auch „Hitlersäge“. Ein Anzio-Veteran behauptete, dass „von einem MG42 beschossen zu werden, einen Soldaten lehren würde, mit bloßen Händen ein Deckungsloch in Beton zu graben.“ Im Jahr 1942 in Dienst gestellt ergänzte beziehungsweise ersetzte das MG42 in den meisten Fällen das MG34, obwohl beide bis zum Ende des Krieges hergestellt und verwendet wurden. Wenn es mit der Dreibein-Feldlafette verwendet wurde, dann diente die ungeladen 10,6 Kilogramm schwere Waffe als schweres Maschinengewehr und kam üblicherweise in dieser Rolle hauptsächlich bei defensiven Aufgaben zum Einsatz. Das MG42 konnte aber auch mit seinem klappbaren Zweibein als leichte offensive Waffe verwendet werden. Das MG42 war bis 1953 im Dienst, dann wurde es modifiziert und von MG53, MG1 und dem MG3 ersetzt. Das Letztgenannte ist immer noch bei der NATO und der deutschen Bundeswehr im Einsatz.
Die konventionelle offene Schiebevisiereinrichtung kam zur Anwendung in der MG42Rolle als leichtes Maschinengewehr.
Der kurz zurücklaufende Lauf mit Rückstoßverstärkung durch Mündungsgasdruck trug schließlich auch zur hohen Kadenz des MG42 bei.
Das MG42 war mit einem einklappbaren Zweibein ausgestattet.
Der luftgekühlte, auswechselbare Lauf wurde seitlich herausgedrückt und regelmäßig, um Beschädigung durch Überhitzung zu vermeiden, ausgetauscht. Den Rohrwechsel konnten eingespielte Teams in unter zehn Sekunden bewerkstelligen.
CLAUSEWITZ dankt dem „World War II magazine“ sowie der Weider History Group für die Zurverfügungstellung der Grafiken. Mehr Informationen unter www.HistoryNet.com.
Illustration: Jim Laurier
Gegurtete 7,92-MillimeterMauser-Munition.
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In dieser Serie bereits erschienen: Kampfpanzer Sherman M4 (2/2013) Flugzeugträger Independence-Klasse (3/2013) Deutsches Schnellboot Typ S-100 (3/2013) Demnächst: M2A1 105-mm-Haubitze (5/2013) „Swordfish“ Torpedobomber (6/2013)
Das Bild zeigt das Vorgängermodell des MG42, ein MG34 (hier auf Fliegerabwehrlafette). Es konnte sogar von einem einzelnen Soldaten eingesetzt werden, wenn eine Munitionstrommel verwendet wurde (siehe Kreis). Diese Option gab es auch für das MG42. Foto: picture alliance/akg
Das Gehäuse bestand beim MG42 überwiegend aus Stanz- und Druckgussmetallteilen im Gegensatz zum MG34 mit seinen teuren gedrehten Metallkomponenten. Somit war es möglich, ein MG42 in der halben Zeit zu fertigen, die noch für das MG34 benötigt wurde.
Eine MG42-Besatzung (hier in einer Stellung im feldmäßigen Ausbau) bestand aus drei Mann: dem Schützen, dem Munitionsschützen und dem Beobachter. Der Schütze war darauf trainiert mit dem MG42 kurze Feuerstöße abzugeben, um den Lauf vor Beschädigung durch Überhitzung zu bewahren. Dennoch war der Munitionsbedarf enorm. Daher war es üblich, dass zahlreiche andere Soldaten zusätzliche Munitionskisten mitführten, um dem Munitionsbedarf Rechnung zu tragen. Foto: picture alliance/akg
Der Kolben wurde meist aus Kunststoff gefertigt. Wie beim gesamten Design der Waffe wurde auch hier Wert auf einfache Fertigung gelegt.
Der große „Pistolengriff“ war ergonomisch optimiert worden.
DIE KONKURRENTEN: Das leichte japanische Maschinengewehr Typ 99 Feuerrate: 700 Schuss pro Minute Entwickelt, um die gleiche Munition wie das Gewehr Arisaka Typ 99 zu verschießen. Die Munition wurde durch ein oben platziertes 30-Schuss-Magazin zugeführt. Das russische Degtyaryov Infanteriemaschinengewehr (DP) Feuerrate: 500 bis 600 Schuss in der Minute Das DP war billig zu produzieren und einfach in der Handhabung. Doch das Zweibein brach leicht, und das pfannenförmige 47-Schuss-Magazin war recht unzuverlässig.
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Das amerikanische M1918A2 Browning Automatic Rifle (BAR) Feuerrate: 500 bis zu 650 Schuss in der Minute Das BAR war leicht aber schwer zu bedienen und erforderte häufige Reinigung. Das zu kleine 20Schuss-Magazin war nicht dazu geeignet, durchgehend lange Feuerunterstützung zu liefern. Das leichte britische Bren-Maschinengewehr Feuerrate: 500 bis 520 Schuss in der Minute Das Bren ging aus einem modifizierten tschechischen Entwurf hervor. Mit seinem oben liegenden gebogenen Stangenmagazin und dem wechselbaren Lauf war es eine zuverlässige und effektive Unterstützungswaffe.
Das leichte italienische Maschinengewehr Breda 30 Feuerrate: 500 Schuss in der Minute Mit einem einzigartigen auf der rechten Seite des MG befestigten schwenkbaren Magazin, das 20 Schuss fasste, erforderte das Breda 30 einen geübten Ladeschützen. Das MG war anfällig für Störungen und verfügte nur über eine geringe Feuergeschwindigkeit.
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Militär und Technik
Berge- und Pionierpanzer aus West und Ost
Starke „Alleskönner“ Kalter Krieg: Das Herausziehen festgefahrener oder beschädigter Kampfpanzer ist ihr „Alltagsgeschäft“. Berge-, Pionier- und Kranpanzer sind in beiden deutschen Armeen die Kraftprotze unter den Fahrzeugen für die Kampfunterstützung. Von Jörg-M. Hormann
„BERGELEO“: Die gängige Bezeichnung der Bundeswehr für den Bergepanzer 2. Foto: BW Heer/Carsten Heide
S
ommer 1972: Es ist schießfreies Wochenende auf dem NATO-Truppenübungsplatz Bergen-Hohne in der Lüneburger Heide. Doch aus dem erhofften entspannten Wochenende wird nichts: „Wenn wir nicht schießen können, weil sich die Touristen die Hünengräber der ‚Sieben Steinhäuser’ inmitten des Platzes ansehen wollen, dann fahren wir eben. Also meine Herren, Fahrübungen im Kompanieverband“, so der Befehl des Kompaniechefs. Die rund 80 Mann seiner Panzerbesatzungen denken alle das Gleiche: Mit unseren betagten M48-Kampfpanzern sollen wir stundenlang durch das Gelände preschen? Na dann viel Spaß! Panzerschützen ist die imponierende Außenwirkung ihrer rund 47,5 Tonnen Stahl in Bewegung oft eher gleichgültig. Für sie ist die „Innenwirkung“ ihrer Waffe von Bedeutung: Blaue Flecken beim Durchschlagen der Fahrwerke in zügiger Fahrt durch welliges
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Gelände, Rohrreinigen nach Staubwolkenfahrt, Endverbinder anziehen bei jedem technischen Halt – und so weiter und so weiter. Alles Dinge, die in der brütenden Sommerhitze wahre Freude bei den Männern aufkommen lassen.
Mit Motorschaden im Gelände Dieses Mal erwischt es meinen Kampfpanzer. In einem Kusselgelände auf irgendeiner Schießbahn bleibt er mit Motorschaden liegen. Alle Bemühungen des Fahrers, die „alte Dame“ wieder in Gang zu bringen, schlagen fehl. Nun heißt es: gelbe Signalflagge raus und warten. In der beginnenden Dämmerung quält sich der „Munga“ des Chefs zu seinem fehlenden Panzer. „Fahnenjunker Hormann, Sie bleiben beim Fahrzeug, hier haben sie noch ein EPa [Einmannpackung; kleines Verpflegungspakt der Bundeswehr]. Ich schicke ihnen einen ,Bergeleo’, restliche
Besatzung bei mir aufsitzen!“ Weg waren sie und ich stehe mit meinem M48 in der „Walachei“. Übrigens: Der bequemste Schlafplatz im Sommer ist der auf dem Tarnnetz in der Heckablage des Panzerturmes. Geweckt werde ich von dem morgendlichen Vogelgezwitscher und dem näherkommenden typischen „Leo-Brummen“. Ziemlich schnell wird der dunkle Punkt unter der gelbgrauen Staubfahne größer. Wo wir uns mit dem M48 durch jede Bodenwelle der Schießbahn gekämpft haben, rauscht der „Bergepanzer 2 Leopard 1“, so die offizielle Bezeichnung, mit Tempo 50 über die Wellen hinweg. Das Anschlagen der Schleppstangen ist Minutensache. Mit dem Aufbrüllen des 830 PS starken Mehrstoffmotors beginnt das „Alltagsgeschäft“ des Bergepanzers. In diesem Fall ist es das Abschleppen eines liegengebliebenen Panzers, aber mit immerhin zehn Tonnen mehr Gewicht auf den
BERGEPANZER T-72TK: Das letzte Modell eines Bergepanzers der NVA ist vor der Wende noch mit ganzen drei Exemplaren zum Einsatz gekommen. Foto: Sammlung Dirk Krüger
Gepanzertes Arbeitsgerät Nach offizieller „Lesart“ der Bundeswehr handelt es sich bei den Bergepanzern um schwere Kampfunterstützungsfahrzeuge: „Diese gepanzerten Arbeitsgeräte kommen im Gefechtsfeld zum Einsatz, um zerstörte oder beschädigte Panzer, Lkw und schweres Gerät zu bergen und sie den Instandsetzungseinheiten zuzuführen. Das Einsatzspektrum eines modernen Bergepanzers umfasst auch das Sichern von Kettenfahrzeugen bei Gewässerdurchfahrten, die Einsatzunterstützung bei Instandsetzungsarbeiten und das Bergen von Kampfpanzern mit Schnellbergeeinrichtung unter Panzerschutz. Außerdem die Kranassistenz beim Ein- und Ausbau von Motoren, das Räumen von Hindernissen und bei Bedarf auch Erdarbeiten.“ Zur Durchführung dieser Aufgaben sind Berge- und Pionierpanzer im Westen und im Osten des geteilten Deutschlands mit entsprechenden Gerätschaften und Vorrichtungen versehen. Hierzu gehören Seilwinden, Hebegeräte und auch Kräne. Außerdem werden Materialien und gängige Ersatzteile mitgeführt. Umfangreiche Werkstattausrüstungen bis hin zu Schneid- und
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HINTERGRUND
Bergepanzer im Zweiten Weltkrieg
Solange eingesetzte Panzer kritische Gewichtsgrenzen nicht überschreiten, ist die Bergung mit üblicher Kranhilfe und Winden möglich. Doch im Zweiten Weltkrieg werden die Kampfpanzer immer schwerer und die Bergung liegengebliebener oder abgeschossener Panzer auf dem Gefechtsfeld immer schwieriger. Es setzt sich die Erkenntnis durch, dass nur ein gleichschwerer Panzer einen „Gewichtskameraden“ bergen kann. Doch genau solche Bergeaktionen sind auf dem Schlachtfeld verboten, um der Gefahr des doppelten Abschusses zu begegnen.
1943 entsteht der „Bergepanther“, bei dem der Drehturm mit Kanone weggelassen wird. Auf dem Fahrgestell des „Panther“ befindet sich nun ein quadratischer Holz- und Metallaufbau und in der Panzerwanne eine Winde mit einer Längszugkraft von 40 Tonnen. Ein großer Erdsporn dient zu Abstützung und ein einfacher Kranausleger mit 1,5 Tonnen Hebekraft ergänzt die Ausrüstung. Da sind bereits erste Fahrzeugähnlichkeiten zu den Bergepanzern zu erkennen, die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges entwickelt werden.
URVATER „BERGEPANTHER“: Die technische Grundkonstruktion zukünftiger Bergepanzer ist beim „Bergepanther“ bereits zu erkennen.
Abb.: Sammlung Jörg-M. Hormann
Ketten, als das Schleppfahrzeug. Fast spielerisch zieht der „Bergeleo“ seine Last durch das Gelände.
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Militär und Technik | Berge- und Pionierpanzer „BERGEPANZER 2“ AUF „LEOPARD 1“-FAHRGESTELL
Schweißanlagen erlauben kleinere Reparaturen direkt im Einsatzgebiet. Mit vorhandenem Räum- und Stützschild können auch leichtere Pionieraufgaben, wie zum Beispiel die Erdbewegungen für Rampen zur Wasserdurchfahrt, erledigt werden. Bei der Aufstellung der Bundeswehr Mitte der 1950er-Jahre erhalten die Panzer- und Panzerjägerbataillone als Erstausstattung den mittleren Bergepanzer M74 aus amerikanischen Beständen. Das Fahrzeug basiert auf dem Fahrgestell des im Zweiten Weltkrieg eingeführten Kampfpanzers M 4 „Sherman“.
1 Auslass der hydraulischen Hauptwinde mit Seilspannvorrichtung (90 m langes Seil für max. 350 kN Zugkraft) 2 Räum- und Stützschild mit Öffnungen zum Einhängen von Reißzähnen 3 Umlenkrolle zur Erhöhung der Zugkraft auf 700 kN 4 Kugelblende für das Bugmaschinengewehr 5 Ersatzkettenglieder 6 Winkelspiegel für den Fahrer 7 Kommandantenluke mit Fliegerabwehrlafette für das MG 3 8 Rückfahrspiegel 9
9 hydraulische Krananlage mit Hebewinde für Lasten bis 200 kN 10 Abgasgitter der Vielstoffmotorenanlage 11 Werkzeug: Spitzhacke, Spaten, Hebelvorschneider, Kettenspannschlüssel 12 Fahrgestell des Kampfpanzers „Leopard 1“ 13 Seitenluke 14 Lastschild 15 Werkzeug: Axt, Brechstange 16 Kranbettung mit 270 Grad Drehbereich und für 70 Grad Hebung des Auslegers 17 Fahrscheinwerfer
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Der M74 bewährt sich nicht 4
Foto: picture-alliance/Sodapix AG
In der Praxis bewährt sich der bereits relativ alte M74 bei der Bundeswehr nicht. Zu schwach, zu langsam und mit unzuverlässigem Fahrwerk und Motor werden die 300 beschafften Fahrzeuge bis 1960 aus der aktiven Truppe genommen und durch den Bergepanzer M88 A1 ersetzt. Seit 1960 wird der M88, der auf der Fahrzeugkonstruktion des Kampfpanzers M48 basiert, in den USA – mit entsprechenden Modernisierungen – bis heute gefertigt. In der Bundeswehr wird er als „Bergepanzer 1“ ab 1961 eingeführt. An der aus Gussstahl hergestellten Wanne befinden sich die Kettenfahrwerke. Ursprünglich sorgt ein Zwölfzylinder-Benzinmotor mit 47 Litern Hubraum und 850 PS für den Antrieb. Ein Handicap stellt der nicht schwenkbare Kranausleger dar. Krandrehungen müssen mit dem kompletten Panzer vollführt werden. Dafür ist der „Bergepanzer 1“ wegen seines großzügigen Innenraumes und einer wirkungsvollen Heizung bei den Besatzungen beliebt – ganz im Gegensatz zur berüchtigten Innenheizung des M48, die wegen Vergiftungsgefahr nicht benutzt werden darf. Ab 1985 werden die „Bergepanzer 1“
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der Bundeswehr zum M88 A1 aufgerüstet. Sie erhalten anstelle des Benzinmotors einen MTU-Dieselantrieb und eine leistungsstärkere Bergewinde. Im Jahr 2000 sind alle „Bergepanzer 1“ außer Dienst gestellt. Ein Exemplar ist heute im Deutschen Panzermuseum in Munster zu besichtigen.
Gleichzeitige Entwicklung Parallel zur Entwicklung des Kampfpanzers „Leopard 1“ beginnt die Entwicklungsplanung und Baudurchführung für einen Bergepanzer, der auf dem Fahrgestell des
IN AKTION: Oderflut im August 1997. Pionierpanzer vom Typ „Dachs” planiert eine Fläche für den provisorischen Bau eines Notdeichs. Foto: picture-alliance/dpa
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Kampfpanzers aufbaut. Durch Verwendung vieler Gleichteile entsprechen die Einsatzmöglichkeiten des Bergepanzers in Bezug auf Marschgeschwindigkeit, Geländegängigkeit, Tauchfähigkeit, ABC-Schutz und Dauerstandfestigkeit der des Kampfpanzers. Der Schutz für Besatzung und Fahrzeug wurde bei der Fahrzeugentwicklung besonders berücksichtigt. Am 9. September 1966 erfolgt die Übergabe des ersten Bergepanzers – von insgesamt 444 zu bauenden Fahrzeugen – durch den Hersteller Atlas-MaK an die Bundeswehr. Drei Jahre später ist der Auftrag abgeschlossen und zukünftig verrichtet der „Bergepanzer 2“, in der Truppe nur kurz „Bergeleo“ genannt, seinen Dienst. Seine Wanne besteht aus geschweißtem Panzerstahl und verfügt über eine einlagige Panzerung, wobei das Schutzniveau dem des „Leopard 1“ entspricht. Zur Selbstverteidigung verfügt der „Bergepanzer 2“ über zwei Maschinengewehre MG 3, die als BugMG und als Fla-MG auf der Fliegerabwehrlafette der Kommandantenkuppel installiert sind. Eine Nebelmittelwurfanlage mit sechs Wurfbechern an der linken Seite des Aufbaus ermöglicht es der Besatzung, sich im Gefecht den Blicken des Gegners zu entziehen. Zur Bergeausstattung zählen der Kranausleger, das Räum- und Stützschild am Bug sowie die Berge- und Windeneinrichtung, außerdem verschiedene Gerätschaften zur
Der „Bergeleo” bewährt sich
UNZUVERLÄSSIG: Ein M74 beim Bergeversuch eines Schützenpanzers im Jahr 1959. Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann
BERGEPANZER 1: Mit A-förmigem und fest verbundenem Kranausleger. Foto: Wikimedia/Sammlung Jörg-M. Hormann
Instandsetzung: eine Schneid- und Schweißanlage sowie ein umfangreicher Satz Werkzeuge. Auf dem Heck des „Bergepanzers 2“ sind Vorrichtungen zum Transport eines Ersatztriebwerks für den „Leopard 1“ angebracht. Somit kann ein Motorenwechsel am
INFO
KRANPANZER T-55TK: Der große Stützschild zum Stabilisieren des Kranauslegers bei der Arbeit ist unterhalb der Benzinfässer gut zu erkennen. Foto: Sammlung Dirk Krüger
defekten Fahrzeug direkt im Gelände erfolgen. Mit einem aufgesetzten Schacht auf der Kommandantenluke wird der Bergepanzer tauchfähig bis zu einer Wassertiefe von vier Metern. Damit ist der Einsatz als Sicherungsfahrzeug möglich, wenn „Leopard“-Panzer
Technische Daten Berge- und Pionierpanzer der Bundeswehr
Gefechtsgewicht Länge Breite Höhe Panzerung Besatzung Hubraum Leistung Höchstgeschwindigkeit Bodenfreiheit Watfähigkeit Tiefwatfähigkeit mit Ausrüstung Unterwasserfahrt mit UWF-Schacht Überschreitfähigkeit Steigfähigkeit Wendekreis Schleppleistung Reichweite Bergeeinrichtung
Baujahre Verwendung Stückzahl Bundeswehr Stückzahl gesamt
M74
Bergepanzer 1 M88 A1
Bergepanzer 2 Leopard 1 „Bergeleo“
42,5 t 5,84 m 2,62 m 2,74 m 12–63 mm 4 Mann 24 l 316 kW/506 PS 34 km/h – – – – – – – 42,5 t 125 km Straße 1 x hydraulischer Hebekran 22,7 t 1 x hydraulische Winde 40,9 t 1946 bis 1952 1956 bis 1960 300 1.940
50,8 t 8,45 m 3,43 m 3,12 m 50–90 mm 3 Mann 37,4 l 640 kW/1.014 PS 42 km/h 0,43 m 1,43 m 2,59 m – 2,60 m 54 Grad – 44,0 t 480 km Straße 1 x hydraulischer Hebekran 22,5 t 1 x hydraulische Winde 35 t 1958 bis 1964 1961 bis 2000 125 1.000
39,8 t 7,68 m 3,25 m 2,69 m 10–35 mm 4 Mann 37,4 l 610 kW/830 PS 62 km/h 0,44 m 1,20 m 2,25 m 4,00 m 2,50 m 54 Grad 4,96 m 44,0 t 855 km Straße 1 x Krananlage max. 20 t 1 x Hauptwinde max. 40 t 1966 bis 1970 1966 bis heute 444 3.800 Quellen: Herstellerangaben
Clausewitz 4/2013
in Tauchfahrt Flüsse durchfahren. Bei der Einführung des Flugabwehrkanonenpanzers „Gepard“ und ferner des Kampfpanzers „Leopard“ der zweiten Generation werden 110 „Bergepanzer 2“ in den Jahren 1977 und 1978 in ihrer Leistung gesteigert und führen nun die Bezeichnung A2. Damit einher geht die Lieferung von 75 Fahrzeugen des Bergepanzers 3 „Büffel“, die auf dem Fahrgestell des „Leopard 2“aufgebaut sind.
Leopard 2 als „Büffel” Der „Büffel“ besitzt eine um 270 Grad drehbare Krananlage, die vorne rechts mit dem Chassis des Fahrgestells verbunden ist. Die für Bergungszwecke erforderliche Hauptwinde und eine zusätzliche Hilfswinde sind im gepanzerten Aufbau platziert. Dieser fungiert gleichzeitig als Kampfraum für die dreiköpfige Besatzung. Eine Innovation gegenüber dem Bergepanzer 2 ist die Schnellbergeeinrichtung, die unter Panzerschutz bedient werden kann. Der Bergepanzer 3 ist in der Lage, am eigenen Fahrzeug einen Motorwechsel vorzunehmen. Dazu bedienen sich die Soldaten des elektrisch betriebenen Kranauslegers. Wie bereits sein Vorgänger kann der „Büffel“ einen Ersatzmotor des Kampfpanzers auf seinem Heck mitführen, um diesen abseits von festen Werkstätten im Gelände auszutauschen. Eine Elektroschweißanlage sowie diverse Werkzeuge gehören außerdem zur Ausrüstung, mit der kleinere Reparaturen im Gelände erledigt werden. Die Aufrüstung mit Panzern beginnt in der jungen DDR bereits unmittelbar nach der Gründung des „Arbeiter- und Bauernstaats“.
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Militär und Technik | Berge- und Pionierpanzer PANZERZUGMASCHINE T-55T: Markant ist hier das verlastete Ausstiegsrohr für Unterwasserfahrt, das beim Einsatz über der Kommandantenluke aufgerichtet und festgeschraubt wird.
Noch im Jahr 1949 erhält die Kasernierte Volkspolizei ihre ersten 19 Kampfpanzer vom Typ T-34/76 vom „großen Bruder“ Sowjetunion geliefert. Nochmals um 100 Panzer aufgestockt, ergibt sich schon vor Gründung der Nationalen Volksarmee (NVA) und der folgenden Ausrüstung mit modernen Kampfpanzern ab 1958 der Bedarf eines entsprechenden „Sicherungsfahrzeugs“. Sicherungsfahrzeug ist der Oberbegriff aller Fahrzeuge in der NVA, die irgendwie mit der technischen Sicherstellung liegengebliebener, festgefahrener, oder im K-Fall abgeschossener Panzer und schwerer Fahrzeuge befasst sind. Der Mangel an solchen Fahrzeugen veranlasst die NVA, Panzerzugmaschinen auf dem
Foto: Sammlung Dirk Krüger
PANZERZUGMASCHINE T-55T AUF DEM FAHRGESTELL DES KAMPFPANZERS T-55 1 2 3 4 5 6 7
Bugsier- und Abschleppvorrichtung Fahrscheinwerfer Fahrerluke Stützschild Unterwasserfahrt (UF) Ausstiegsrohr mit Leiter Reling am Ausstiegsrohr Verspannung des Ausstiegsrohres
8 Hauptseilwinde mit 250 kN Zugkraft mit zwei Seilrollen erweiterbar auf 750 kN 9 Kranausleger mit Hebewinde für Lasten bis 20 kN (ab 1978) 10 Wanne und Fahrwerk des Kampfpanzers T-54 11 Werkzeugkiste mit Schweißgerät 12 Sechs Meter langes Abschleppseil hier als Sicherung bei UF-Übung 13 Arbeitsscheinwerfer 6
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Foto: Sammlung Dirk Krüger
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Fahrgestell des T-34/76 entwickeln zu lassen. AIs Vorbild dienen seinerzeit sowjetische Zugmaschinen, von denen die NVA 15 Stück als Gründungsbestand erhält. So entstehen die Panzerzugmaschinen T-34T und T-34TB mit Bergesatz. Eine Panzerplatte ersetzt den Turm und zusätzliche technische Vorrichtungen und Geräte ergeben die Einsatzmöglichkeiten als Bergefahrzeug. Beide Fahrzeugtypen verfügten über Bugsiervorrichtungen, Abschleppseile sowie Werkzeuge und Gerätschaften für Instandsetzungsarbeiten. Der T-34TB konnte mit Zusatzausrüstung, im Flaschenzugeffekt, eine Zugkraft von bis zu 140 t entwickeln und damit seine Aufgabe als Bergepanzer erfüllen. 1959 werden die ersten 15 Panzerzugmaschinen der Truppe übergeben. Die folgende Umrüstung sämtlicher T-34/76 zieht sich bis Ende 1963 hin. Bis 1970 bleiben sie in den aktiven Gefechtsstrukturen in Verwendung und die letzten 33 Fahrzeuge werden erst 1989 verschrottet.
Häufig eingesetztes Modell Nach Einführung der Kampfpanzers T-54 erweisen sich die Panzerzugmaschinen T-34T und T-34TB wegen ihres geringen Eigengewichts als zu schwach zum Bergen eines havarierten T 54. Außerdem taugen sie nicht zur Unterwasserfahrt (UF) und genügen somit nicht den Anforderungen. Um diesen zukünftig zu entsprechen, entsteht nach dem sowjetischen Vorbild des BTS-2 die Panzerzugmaschine T-54T, versehen mit Bugsier- und Abschleppvorrichtung, UF-Ausrüstung, autogener Schweißausrüstung und einem montierbaren 1-Mp-Kran. Beim Bergepanzer T-54TB wird diese Ausrüstung durch einen Bergesatz, bestehend aus einer elektrisch betriebenen Seiltrommel mit 270 Metern Seil nebst Stromerzeugungsaggregat, erweitert. Mit einer Zugkraft von maximal 140 t kann jedes NVA-Fahrzeug geborgen werden. Mit dem Aussondern der T-54 aus den aktiven
Jahrzehntelang im Einsatz INFO
Technische Daten
Panzerzugmaschinen und Kranpanzer der NVA
Panzerzugmaschine T-34TB Panzerzugmaschine T-54TB mit Bergesatz mit Bergeausrüstung
Kranpanzer T-55TK
Bergepanzer T-55T 35 t 7,12 m 3,27 m 2,84 m 3 Mann 38,88 l 425 kW/580 PS 45–50 km/h 0.42 m 1,40 m 5.0 m 2,70 m 0,80 m 32 Grad 600 km Straße Hauptseilwinde 25 t Zugkraft, elektrisch Hilfsseilwinde 0,8 t Zugkraft, elektrisch hydraulischer 1,5-t-Kran, Abschlepp- und Bugsiervorrichtung 1967 bis 1990 250
Gefechtsgewicht Länge Breite Höhe Besatzung Hubraum Leistung Höchstgeschwindigkeit Bodenfreiheit Watfähigkeit Unterwasserfahrt mit UF-Schacht Überschreitfähigkeit Kletterfähigkeit Steigfähigkeit Reichweite Bergeeinrichtung
29,0 t 6,10 m 3,0 m 2,6 m 2 Mann 38,88 l 368 kW/500 PS 55 km/h 0,39 m 1,30 m – 2,50 m 0,73 m 30 Grad 540 km Straße Bugsiereinr. auf Wannenbug Winde mit 200 m Seillänge 140 t max. Zugkraft
34,5 t 7,05 m 3,27 m 2,65 m 2 Mann 38,88 l 382 kW/520 PS 50 km/h 0,43 m 1,40 m 5,0 m 2,60 m 0,75 m 30 Grad 550 km Straße Bugsier- und Abschleppvorrichtung, elektrische Winde mit 270 m Seillänge, 140 t Zugkraft UF-Ausrüstung montierbarer Kran
42,0 t 9,74 m 3,38 m 2,90 m 3 Mann 38,88 l 425 kW/580 PS 35–40 km/h 0,38 m 1,40 m – 2,70 m 0,80 m 32 Grad 600 km Straße hydraul. Krananlage, max. 20 t Planiereinrichtung BTU-Rammsporn am Heck
Verwendung Stückzahl NVA
1957 bis 1965 203
1965 bis 1970 20
1968 bis 1990 119
Quellen: Herstellerangaben
Verbänden verschwinden auch die T-54T/TB in die Reserveeinheiten. Ab Dezember 1964 erhält die NVA ihren ersten Panzer vom Typ T-55, der seit 1958 in Serie gefertigt wird. Er kommt nicht aus der UdSSR, sondern die ersten 376 Stück werden aus CˇSSR-Produktion in die DDR importiert. Mit mehr als 2.100 Fahrzeugen ist der T-55 zahlenmäßig der am häufigsten eingesetzte Panzer bei der NVA.
Import aus der Tschechoslowakei Wiederum aus der Tschechoslowakei kommen 1967 auch die ersten Panzerzugmaschinen T-55T. Zu ihrer Ausstattung gehören eine Hauptseilwinde mit einer Zugkraft von 25 t sowie eine Hilfsseilwinde mit 0,8 t Zugkraft. Mit Hilfe zweier Seilrollen lässt sich die Zugkraft auf 50 t erhöhen. Ein hydraulischer Kran für 1,5 t Hebekraft sowie Abschlepp- und Bugsiervorrichtungen, eine UF- und Schweißausrüstung vervollständigen die Ausrüstung. Die Aufgabe der Panzerzugmaschine besteht hauptsächlich im Herausziehen, Bergen, Bugsieren und Abschleppen beschädigter Fahrzeuge. Sie unterstützt die Instandsetzung von Panzern unter feldmäßigen Bedingungen, die Sicherstellung der Unterwasserfahrt mit Panzern und die technische Beobachtung des Gefechtsfeldes. Bis 1982 erhalten die Instandsetzungseinheiten und die Panzerwerkstätten 250 Panzerzugmaschinen. Im Rahmen der Moderni-
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sierung des T-55 werden auch die Zugmaschinen mit neuen Gleisketten ausgerüstet. Die Hubleistung des Kranes wird ab Baujahr 1978 auf zwei Tonnen erhöht und die Zugkraft der Hauptseilwinde auf 30 t (mit Seilrollen auf 90 t) verstärkt. 1968 importiert die DDR ihren ersten Kranpanzer T-55TK auf Basis des T-55, ebenfalls aus der CˇSSR. Der Kranpanzer verfügt über eine ähnliche Ausrüstung wie die Panzerzugmaschine. An Stelle des großen UFAusstiegrohrs ist ein hydraulischer 20-t-
FRONTANSICHT: Kranpanzer T-55TK mit Stütz- und Räumschild am Bug und Kranausleger. Foto: Sammlung Dirk Krüger
Kran montiert. Die Planiereinrichtung BTU und ein Rammsporn am Heck ermöglichen auch die Bergung von besonders schwer festgefahrenen Fahrzeugen.
NVA-Kranpanzer Die Streitkräfte der NVA erhalten 119 Kranpanzer bis 1979. Auch sie werden einer Leistungssteigerung wie bei der Panzerzugmaschine T-55T unterzogen. Die Panzerzugmaschine T-55T und der „Bergepanzer 2“ der Bundeswehr lassen sich durchaus miteinander vergleichen. Letzter Panzer in der Geschichte der NVA ist der T-72. Ab 1967 entwickelt, wird er 1973 zunächst in der sowjetischen Armee eingeführt. Fünf Jahre später rollen die ersten 35 Exemplare des T-72 in der NVA. Zur Bergung und Unterstützung der feldmäßigen Instandsetzung kommt der Bergepanzer T-72TK auf Basis des T-72M1 ab 1989 zur Erprobung aus der Tschechoslowakei in die DDR. Nur drei Fahrzeuge mit 19-t-Kran, Planierschild, Seilwinde (Zugkraft 30 t), Seilhaspe mit 200 Meter langem Seil und UF-Ausrüstung kommen noch bis zur Wende 1989 und der anschließenden Auflösung der NVA zum Einsatz. Jörg-M. Hormann, Jg. 1949, Freier Journalist und Sachbuchautor aus Rastede mit Schwerpunkten bei der deutschen Luftfahrt-, Marine- und Militärgeschichte mit über 30 Buchveröffentlichungen zu den Themen.
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Aus dem Inhalt
Schiff & Zeit 77
U NE
Piraten Piraten –– Geißel Geißelder derWeltmeere Weltmeere ■ Die Männer ● Männer des des Kleinen kleine Kreuzers Kreuzers EMDEN EMDEN ■ Shetland Bus: Bus:auf aufden denSpuren Spuren ● norwegischer Wiederständler norwegischer Widerständler ■ Panzerkreuzer GEORGIOS AVEROFF ● Panzerkreuzer GEORGIOS AVEROFF ■ Olaf Rahard: ein Marinemaler erzählt ● Olaf Rahard: ein Marinemaler erzählt ■ Flugboote und -schiffe -schiffe ● Flugboote und ■ der letzte letzteSchweizer Schweizer ● Greif: Greif: der Schraubendampfer Schraubendampfer ■ Funk, ASDIC, Radar: als Schiffe ● Funk, ASDIC, Radar: als Schiffe Hören und Sehen lernten Hören und Sehen lernten ■ Alexander Behm und sein Echolot ● Alexander Behm und sein Echolot ■ Die Geschichte der Seemannslieder ● Die Geschichte der Seemannslieder ■ H.M.S. WARSPITE als Modell ● H.M.S. WARSPITE als Modell ■ Marinedolch als Kaisergeschenk ● Marinedolch als Kaisergeschenk ■ ●
negeschichte Magazin für Schifffahrts- und Mari
Panzerkreuzer AVEROFF Maritime Rarität
TITANIC-Untergang: Initialimpuls für die Radartechnik
te Seeräuber von Stör tebeker bis heu
PIRATEN
Außerdem in jeder Ausgabe
Neuer Film: Die Männer der EMDEN
Schweizer Rarität: Dampfschiff GREIF
4 198450 008908
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Geißel der Weltmeere Über den Atlantik: Flugboote der 30er-Jahre
(DGSM). Mit SCHIFF CLASSIC verlässt das Heft nun den exklusiven ,,Hafen“ des DGSM und öffnet sich mit neuer Aufmachung jedem an Schifffahrt und Geschichte interessierten Leser. SCHIFF CLASSIC lädt Sie ein, mit uns die ,,Häfen“ der Vergangenheit anzusteuern.
●
Das besondere Bild
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Nachrichten zur Schifffahrts- und Marinegeschichte
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Aktuelles aus der DGSM
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Bücherbord und Veranstaltungen
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Ein Bild auf Zeitreise
Online blättern oder Testabo unter: www.schiff-classic.de/abo 56
MARITIME TECHNIK | Flugboote und -schiffe
TITELGESCHICHTE
Piraten von Störtebeker bis heute
Geißel der Weltmeere 21. Oktober 1401: Von johlenden Hamburgern angefeuert, läuft der geköpfte Klaus Störtebeker an seinen Kumpanen entlang. Der Legende nach rettet er ihnen so das Leben. Die Realität der Seeräuberei ist bis heute brutal und gnadenlos. Von Eberhard Kliem
Beginn des Transatlantikluftverkehrs
Warum Schiffe fliegen mussten Auf dem Grasbrook in Hamburg werden die Köpfe der enthaupteten Seeräuber um Klaus Störtebeker auf einen Balken genagelt und als Mahnung an seine Vitalienbrüder zur Schau gestellt. Die Hanse lässt nicht mehr mit sich spaßen. Hier als Reproduktion im Museum für Foto: Maurizio Gambarini, picture-alliance/dpa Hamburgische Geschichte.
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ITALIEN WILL MITMISCHEN: Eine der zwei für Italien gebauten Do X. Sie sollte den Luftverkehr über das Mittelmeer hinweg mit den italienischen Mandatsgebieten in Afrika eröffnen.
Immer schneller über den Atlantik: Zwischen den Weltkriegen geht es nicht nur auf, sondern auch in hundert Meter Höhe über den Wellen nach Amerika. So werden Flieger zu Seeleuten und Flugzeuge zu Schiffen. Von Jörg-M. Hormann
Mittelalterliche Abschreckung
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SEERÄUBER: Piraten wie Störtebeker erlebten die letzten Minuten ihres Lebens häufig im Angesicht des Henkers. Doch dies hält moderne Piraten wie etwa in Somalia nicht von ihrem ,,Beruf“ ab …
SCHIFF & ZEIT | GEORGIOS AVEROFF
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Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann
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FLUGBOOTE: Wem es nicht schnell genug ging, der nutzt die ,,fliegenden Schiffe“. Doch wie komfortabel, wie sicher waren diese gewaltigen Vögel?
SCHIFF & ZEIT | S.M.S. EMDEN
1914: Legendäre Kriegsepisode als Spielfilm
Panzerkreuzer als maritime Rarität
Matrosen an Land und in der Wüste
Filmkulisse und Besuchermagnet
Zerstörung einer alliierten Telegrafenkabelstation auf Direction Island lautet der Befehl am 9. November 1914. Für fünfzig Mann Marineinfanterie des Kleinen Kreuzers EMDEN der Anfang einer abenteuerlichen Odyssee… Von Eberhard Kliem
Für den Spielfilm „Die Männer der EMDEN“ präsentierte sich der Kreuzer GEORGIOS AVEROFF im Hafen von Piräus als realistische Filmkulisse. Der Panzerkreuzer aus dem frühen 20. Jahrhundert ist einer der letzten seiner Art. Von Ronald Hopp
NICHT NUR PLAKATIV: Seit Februar läuft der Spielfilm, mit Starbesetzung an weltweiten Schauplätzen gedreht, in deutschen Kinos. Nächstes Jahr ist die Ausstrahlung des Zweiteilers im Fernsehen geplant. Foto: Berengar Pfahl Film ENDGÜLTIG FESTGEMACHT: Panzerkreuzer AVEROFF im Yachthafen von Palaio Faliro, bei Piräus. Position: 37°56'1"N – 23°41'1"O. Foto: Tilemahos Efthimiadis, Wikimedia Commons
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MUSEUMSSCHIFF: Die Zeiten der Großkampfschiffe sind vorbei, doch es gibt diese ,,Dinosaurier“ noch. In Griechenland wartet der Panzerkreuzer GEORGIOS AVEROFF auf Besucher. MARITIME TECHNIK | Elektronik auf See
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BESATZUNG DER EMDEN: Die Seeleute des Kleinen Kreuzers EMDEN brachen 1914 zu einer abenteuerlichen Odyssee auf. Ein Spielfilm erzählt ihre spannende Geschichte. LANDGANG | Shanty
Funk, ASDIC und Radar: zivil entwickelt, militärisch genutzt
Als Schiffe Hören und Sehen lernten
Gesang der Seemänner
VERMEIDBAR? In den Augen der damaligen Fachleute wäre der Untergang der TITANIC mit der neuartigen Funkmesstechnik zu verhindern gewesen. Dieses Bild von Willy Stöwer gab der Katastrophe ein Gesicht.
Der Untergang der TITANIC – nie wieder sollte die zivile Schifffahrt von einer solchen Katastrophe heimgesucht werden. Er war Auslöser für das Bestreben, die Schifffahrt mithilfe der Funkmesstechnik Von Sigurd Hess sicherer zu machen.
Foto: picture alliance/akg images
Kräftige Lieder an Bord der Segler
Was wäre das Meer ohne die alten Gesänge der Segler und Fahrensleute? Die Berichte von Stürmen, Schiffbrüchen und bezwungenen Gefahren lassen sich viel emotionaler in Von Elena Romana Gasenzer Musik ausdrücken. Ein Lied klingt „Meer als 1000 Worte“!
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enn von Musik und Meer die Rede ist, denkt man an die unzähligen Seemannslieder, die aus Fernsehen und Rundfunk jedem geläufig sind. Musikhistorisch korrekter ist es, von einem Shanty zu sprechen und damit bereits eine Eingrenzung hinsichtlich einer bestimmten Form und Gattung vorzunehmen. Typischerweise ist ein Shanty ein Seemannslied mit Refrain. Die Bezeichnung Shanty soll aus dem Französischen entlehnt sein, von „chanter“ (singen). Ursprünglich waren Shanties die Lieder der Seeleute, die auf den alten Seglern während der Arbeit gesungen wurden. Der Rhythmus dieser Lieder war in vielen Fällen derart gestaltet, dass er bei bestimmten gemeinschaftlichen Arbeiten wie beim Brassen der Segel oder beim Pumpen als Taktgeber fungierte, damit alle im Rhythmus des Gesanges im selben Takt arbeiteten. Dies zeigt die Form des typischen Shanty, das aus einer Strophe besteht, die von einem Vorsänger, dem Shantyman, solo vorgetragen wurde, und einem Refrain, der sich strophenweise wiederholt und von der ganzen Crew im Chor gesungen wurde. Diese Tradition wurde bis zum Aufkommen der Dampfschiffe gepflegt.
Erste Shanty-Erwähnung
BLICK IN DIE TAKELAGE: Bevor die Segel so im Wind stehen, ist kräftiges Zupacken angesagt. Das geht am besten mit einem arbeitsrhythmischen Lied auf den Lippen.
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FUNK UND RADAR: Der Untergang der TITANIC brachte vielen Menschen den Tod, doch war er auch Anstoß für einen technischen Sprung nach vorne, der die Schifffahrt sicherer machen sollte.
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Erstmals wurden die Arbeitslieder der englischen Seeleute 1549 in „The Complaynt of Scotland“ erwähnt. Die Blüte erreichte das Shanty als musikalische Gattung zweifellos mit dem Aufkommen des vollgetakelten Segelschiffs. Zwar befuhren bereits wagemutige Seefahrer wie Leif Eriksson, Christopher Columbus, Bartolomeu Dias, Fernando Magellan und andere die Meere unter Segeln und entdeckten dabei neue Kontinente und Handelswege, und sicher wurde auch auf ihren Schiffen gern gesungen, jedoch konnte das Shanty erst mit dem Aufkommen einer umfangreichen Seewirtschaft und des Seehandels zur Blüte gelangen. In einer Zeit, in der nur die Kraft des Windes und menschliche Mus-
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kelkraft zur Verfügung standen, um ein Schiff zu bewegen, waren die Arbeitsabläufe und Wachen an Bord streng geregelt. Nicht nur die Segel mussten gehisst und gebrasst werden, besonders die Arbeit an den Pumpen galt als Schwerstarbeit. Bis zum Aufkommen der Stahlindustrie und des Vernietens von Stahlplatten wurden alle seegängigen Schiffe aus Holzplanken gebaut. Zum Abdichten standen als einzige Methoden nur das Kalfatern und das Imprägnieren mit Pech zur Verfügung. Fast alle hölzernen Schiffe leckten, was kein Problem darstellte, solange die Crew schneller pumpen konnte, als das Schiff Wasser machte.
Gegen Wassermachen anpumpen Die Musik sollte dabei die Zusammenarbeit in der Gruppe vereinfachen und den Teamgeist fördern. Rhythmus und Form des Shanty koordinierten die Arbeitskräfte, richteten die Konzentration der Männer auf die Arbeit und lenkten von der Schwere der Tätigkeit ab – ein Effekt, der heute noch durch Musikbeschallung in Fitnessstudios erzielt wird. Daneben gaben Shanties der Mannschaft die Möglichkeit, ihre Ansichten und Gefühle auszudrücken, ohne mit Bestrafung rechnen zu müssen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Shanties an Bord und in den
Traditionen der Seeleute eine so große Rolle spielten. Man sagte, ein guter Shanty sei so viel wert wie zehn Mann an einem Tau.
Shanty als Abgrenzung Das Shanteying unterschied auch die Mannschaft von den Offizieren an Bord. Die Form des Shanty – Vorsänger und Chor – demonstrierte, wer die Arbeit machte und wer die Order an Bord gab. Diese Form des Liedgesangs entstand in der europäischen Musikgeschichte schon sehr früh und reicht bis zur kirchlichen Gesangspraxis des gregorianischen Chorals im 9. Jahrhundert zurück. Auch hier drückte sich durch den Wechsel von Vorsänger und Chor der Standesunterschied von Priester und Gemeinde aus. Der Shantyman war keine offizielle Position an Bord, auch gab es dafür keine besondere musikalische Unterweisung. Der Rang eines Seemanns innerhalb der Crew hing von seiner Berufserfahrung ab: Je mehr Erfahrungen ein Seemann hatte, desto höher war auch seine Bezahlung. Die Fähigkeit, Shanties zu singen, und das Repertoire an Liedern wuchsen ebenfalls mit den Berufsjahren. Dabei erlernten die Seeleute das Singen im Lauf ihrer Fahrenszeit. Wer eine natürliche Begabung und eine gute Stimme hatte, wurde von der Crew als Shantyman akzeptiert und nahm dann die Position des Vorsängers ein. Lieder wurden von Mann zu Mann weitergegeben. Typischerweise wurden die Texte und Melodien aufgrund einer fehlenden schulmusikalischen Ausbildung der Seeleute in erster Linie mündlich überliefert. Schriftliche Aufzeichnungen von Shanties kamen nur zustande, wenn musikgelehrte Passagiere die Gesänge der Seeleute abhörten und in Notenschrift notierten oder ein Shanty aus irgendeinem Anlass selbst komponierten. ALLE MANN ZUGLEICH: Crew beim Setzen der Segel. Abbildung: Sammlung Gasenzer
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SEEMANNSLIEDER: Die kernigen Seeleute und ihr Gesang sind untrennbar mit der Segelschifffahrt verbunden. Doch wieviel Romantik und wieviel harte Realität stand tatsächlich hinter der Musik?
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Militär und Technik | Me 262
Der erste in Serie gebaute Strahljäger der Welt
Messerschmitts „Turbo“ Ende 1944: Die Me 262 bringt ihren zahlenmäßig überlegenen Gegnern das Fürchten bei. Doch es gibt auch Schattenseiten: Unausgereifte Technik und mangelnde Ausbildung fordern einen hohen Blutzoll in den eigenen Reihen. Von Wolfgang Mühlbauer
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ie staatlich unterstützte Arbeit an Turbinen-Luftstrahl-Triebwerken (TL) nimmt in Deutschland ab Frühling 1938 konkrete Formen an. Das Technische Amt des Reichsluftfahrtministeriums (RLM), zuständig für alle Entwicklungsprogramme, informiert zu Herbstanfang schließlich führende Vertreter der Zellenund Flugmotorenindustrie offiziell über die neuen Antriebe. Dabei wird die Bildung eines „süddeutschen Entwicklungsschwerpunktes" durch Messerschmitt und BMW angeregt, die beide noch im selben Jahr erste Studienaufträge erhalten.
Ambitioniertes Vorhaben Messerschmitt setzt ab Oktober sein Projektbüro auf ein entsprechendes Jagdflugzeug an. Man legt es vorsichtshalber zweistrahlig aus, da klare Angaben zum An-
triebsaggregat fehlen. Nur ein geplanter Standschub von 600 kp und ein Höchstdurchmesser von 600 mm stehen im Raum. Zwischenzeitlich, am 4. Januar 1939, gibt das RLM die „vorläufigen Richtlinien für schnelle Jagdflugzeuge mit Strahltriebwerk“ heraus. Darin sind ein Jäger sowie ein Heimatschützer verlangt; beide maximal 900 km/h schnell. Als theoretische Basis für das P 1065 genannte MesserschmittProjekt dienen zwangsweise oft reine Schätzwerte. Der Startschuss zur Entwicklung fällt am 1. April 1939. Etwa zeitgleich beginnt Bramo (Brandenburgische Motorenwerke), mittlerweile ein Zweigbetrieb von BMW, mit der Entwicklung des Strahltriebwerks P 3302. Das erste Projektangebot zur P 1065 vom 7. Juni 1939 zeigt einen kleinen Tiefdecker mit Trapezflügeln, ovalem Rumpf und
Spornradfahrwerk. Die Bordwaffen sind in die Bugspitze, die Triebwerke in die Flächen integriert.
Erstflug mit Kolbenmotor Der Entwurf ist typisch für Willy Messerschmitts Vorstellung einer aerodynamisch optimalen Gestaltung. Doch vieles davon sieht seine Entwicklungsmannschaft anders. Zum Beispiel setzt sie in der Folge einen dreieckigen Rumpfquerschnitt durch: er ist aerodynamisch wie statisch günstiger, ermöglicht problemlos ein Bugrad und vereinfacht die Unterbringung des Hauptfahrwerks, dessen breite Räder nun im ausladenden Dreiecksrumpf Platz finden. Im Gegenzug kann der Flügel dünn, leicht und damit „schnell“ gehalten werden. Der Bau erster Versuchsmuster (V) wird am 1. März 1940 freigegeben. Zwischenzeitlich steigen
WUNDERVOGEL: Die Me 262 hat das Potential, jedem Gegner die Stirn zu bieten. Hier die V6 anlässlich einer Vorführung am 2. November 1943 mit Hermann Göring (in Lechfeld), sie ist Foto: DEHLA die erste Me 262 mit einziehbarem Bugrad.
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Militär und Technik | Me 262 AM ANFANG: Die Me 262 V1 mit einem Kolbenmotor des Typs Jumo 210 absolviert ihren Erstflug am 18. April 1941. Erst elf Monate später fliegt sie mit zusätzlichen Strahltriebwerken. Foto: DEHLA
aber Gewichte und Ausmaße des Triebwerks mehr als erwartet an, was gravierende konstruktive Änderungen am Flugzeug nach sich zieht. So erhalten die Außenflügel eine leichte Pfeilung der Vorderkante – eine Notlösung, um den verschobenen Schwerpunkt mit wenig Aufwand auszugleichen. Die Me 262 wird also aus recht profanen Hintergründen der erste mit pfeilflügelähnlichen Tragflächen versehene Düsenjäger
der Welt. Eine weitere Änderung betrifft den Einbau der Turbinen in zwei hängende Gondeln unter den Flügeln. Im März 1941 ist der erste Prototyp fertig – ohne Antrieb, denn das P.3302 ist über erste Probeläufe noch nicht hinaus. Um aber die Me 262 V1 dennoch rudimentär zu erproben, rüstet man im Rumpfbug einen Kolbenmotor des Typs Jumo 210 G ein. Damit startet sie am 18. April 1941 zum Erst-
INFO
Technische Daten Messerschmitt Me 262 A-1a
Besatzung Antrieb Schubleistung Spannweite Länge Höhe Flügelfläche Leergewicht Rüstgewicht Startgewicht max. Höchstgeschwindigkeit
NICHT UNVERWUNDBAR: Nachdem diese Maschine des JG 7 mehrere Treffer durch amerikanische P-51D-Begleitjäger davonträgt, muss ihr Pilot abspringen. Foto: USAF
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Startrollstrecke Reichweite normal maximal Dienstgipfelhöhe Bewaffnung Außenlasten
1 2 x Junkers Jumo 004 B-1 2 x 900 kp 12,65 m 10,60 m 3,83 m 21,70 m2 3.800 kg 4.120 kg 6.775 kg 800 km/h in 0 m 870 km/h in 6.000 m 845 km/h in 9.000 m ca. 920 m ca. 520 km in 6.000 m ca. 700 km in 9.000 m 11.800 m (bei 5.100 kg) 4 x MK 108 – 30 mm (gesamt 360 Schuss) 24 R4M-Raketen 500 kg Bomben (Rüstsatz) od. 2 x 300 l Zusatztank
flug. Bei BMW gibt es dagegen weitere Verzögerungen – überhaupt wird der Antrieb zum größten Hemmschuh der Me 262 werden. Erst am 25. März 1942 hebt die V1 endlich mit Turbinen ab. Zum Glück hat man den Jumo-Motor beibehalten, denn beide Düsentriebwerke, die ohnehin nur je 450 kp Schub liefern, fallen kurz nach dem Start aus. So gelingt Pilot Fritz Wendel wenigstens eine glimpfliche Notlandung.
Premiere mit Folgeproblemen Da kein Ende der Misere abzusehen ist, sollen zunächst die V3, V4 und V5 mit dem mittlerweile verfügbaren Aggregat Jumo 004 A von Junkers ausgerüstet werden. Es ist zwar schwerer, aber mit 850 kp auch schubstärker. Am 18. Juli 1942 kann die V3 damit in Leipheim zum ersten rein strahlgetriebenen Flug einer Me 262 abheben, den Wendel als „reines Vergnügen“ bezeichnet. Die Maschine kann also mit den Jumo Aggregaten überzeugen, wenngleich noch viel Detailarbeit anfallen wird. Beispielsweise vergrößert man wenig später die Tiefe des Innenflügels aus aerodynamischen Gründen durch ein „Füllstück“. Als Nebeneffekt reicht die Pfeilung nun über die ganze Tragfläche. Anfang März 1943 wird der Bauzustand der Me-262-Serienmaschine offiziell verbindlich festgelegt: als Jäger wie als Jagdbomber (Jabo) mit 500 Kilogramm Abwurflast. Das Me-262-Programm als solches hat schon seit Dezember 1942 eine hohe Dringlichkeitsstufe. Dass Entwicklung und Er-
Noch nicht tauglich für die Front
PREMIERE: Fritz Wendel hebt in Leipheim am 18. Juli 1942 mit der V3 zum ersten rein strahlgetriebenen Flug einer Me 262 ab. Doch noch ist die Maschine nicht bereit für den Kampfeinsatz. Foto: DEHLA
probung trotzdem nur zäh vorankommen, hängt mit der viel zu geringen Anzahl verfügbarer Triebwerke zusammen. Sie treffen lange Zeit nur stückweise ein. Ihre technischen Probleme werden ebenso unterschätzt wie die Herstellungsschwierigkeiten im Rahmen einer Kriegswirtschaft, der es immer eklatanter an hochwertigen Rohstoffen (Sparstoffen), Universalwerkzeugmaschinen oder Facharbeitern fehlt. Unfälle im Erprobungsbetrieb sorgen zudem dafür, dass wochenlang oft nur ein einziger Prototyp startklar ist.
Antrieb bremst Serienlauf Am 22. Mai 1943 fliegt der General der Jagdflieger Adolf Galland mit der V4. Er ist tief beeindruckt und hält den Strahljäger in erheblicher Verkennung der Realität bereits für einsatzreif. Drei Tage später ordnet das RLM den Bau von 100 serienmäßigen Jägern bis Jahresende an – schon wegen der nicht vorhandenen Triebwerke utopisch. Erst im Sommer kann Junkers die ersten sparstoffarmen 004-B-Turbinen nach Augs-
VORBEREITUNG FÜR DEN KAMPF: Das Erprobungskommando 262 hat ab Dezember 1943 die Aufgabe, den „Turbo“ für den militärischen Einsatz als Jäger tauglich zu machen. Foto: DEHLA
burg liefern. Sie werden sofort in die V6 eingerüstet, die damit am 17. Oktober 1943 erstmals abhebt. Zudem ist sie die erste Maschine mit einziehbarem Bugrad, das erleichtert die Handhabung am Boden erheblich. Während bei Messerschmitt die Vorbereitungen zum Serienbau einigermaßen planmäßig laufen, hinkt man bei Junkers weiter hinterher. Zu Weihnachten gilt das 004 B noch immer nicht als betriebsreif.
HINTERGRUND
Das im Dezember 1943 in Lechfeld aufgestellte Erprobungskommando 262 (EKdo.) soll den Jäger trotzdem frontreif machen. Piloten, die zweimotorige Maschinen gewohnt sind, gelten dafür als am besten geeignet. Kommandeur wird deshalb Hauptmann Thierfelder vom ZG 26. Auf mehr als ein paar V-Muster kann er aber bis ins Frühjahr 1944 hinein nicht zurückgreifen. Erst dann sind die ersten Serienjäger
War ein früherer Einsatz möglich?
Glaubt man allen voran Adolf Galland, so war es nur Hitlers Schuld, dass die Me 262 erst ab Herbst 1944 zum Jagdeinsatz kam. Einzig und allein der „Führer“ habe, so behauptete nicht nur er, die Entwicklung um mehr als ein Jahr verzögert. Tatsächlich hatten dessen diesbezügliche Befehle kaum spürbare Auswirkung auf Entwicklungs- und Erprobungszeit der Me 262, die mit fünf Jahren im üblichen Zeitrahmen lag. Selbst das Jumo 004 war schneller produktionsreif als damalige Kolbenmotoren. Hitlers nachhaltige Forderung einer bomben-
tragenden Ausführung – des Blitzbombers – kam im November 1943 weder überraschend, noch verursachte sie ernsthafte Störungen im Entwicklungsablauf. Verwendung und Bau der Me 262 auch als Jabo war schon Monate zuvor serienmäßig festgelegt. In Anbetracht aller technischen und kriegswirtschaftlichen Faktoren, insbesondere der über lange Zeit kaum verfügbaren Triebwerke, ließ sich die Me 262 schwerlich früher bereitstellen. Alles andere war Wunschdenken – oder schlicht das Abwälzen der eigenen Verantwortung. FILMOBJEKT: Vor ihrer Überstellung an das Ergänzungs-Jagdgeschwader 2 (EJG 2) rollt eine Me 262 A-1a für Filmaufnahmen an Foto: DEHLA der Kamera vorbei.
Historisch, authentisch, …
Militär und Technik | Me 262
VARIATION: Im Gegensatz zur Me 262 A-1a verfügt die serienmäßig als Jagdbomber gebaute Me 262 A-2a nur über zwei Bordkanonen. Foto: DEHLA
LETZTES AUFBÄUMEN: Als effiziente Abstandswaffen kommen ab März 1945 R4/M-Raketen zum Einsatz. Sie werden an zwei Holzrosten unter den Flächen mitgeführt. Foto: DEHLA
Als junger Eisenbahnpionier im Inferno des Zweiten Weltkriegs: Packend und detailreich erinnert sich Willy Reinshagen an seine Erlebnisse auf dem Russlandfeldzug, an Stalingrad, die Landung der Alliierten in Frankreich und die Kapitulation. Er erzählt von Kameradschaft, vom harten Alltag an der Front und von vielem mehr. Ein authentischer Bericht eines der letzten Zeitzeugen der alten Reichsbahn. Reich illustriert mit zahlreichen Fotoraritäten. 192 Seiten · ca. 40 Abb. · 14,3 x 22,3 cm € [A] 25,70 sFr. 34,90 ISBN 978-3-86245-142-5
Me 262 A-1a ausgeliefert. Mittlerweile zwingen die immer stärkeren Bombenangriffe zur Dezentralisierung sowie zur zunehmenden unterirdischen Verlagerung oder Verbunkerung der Luftfahrzeug- und Motorenfertigung. Um die Flugzeugproduktion mit allen Mitteln zu beschleunigen und zu straffen, wird ab 1. März 1944 der Jägerstab mit weitreichenden Befugnissen ins Leben gerufen. Da es an regulären Arbeitskräften längst mangelt, gewinnt die SS hier zunehmend an Einfluss, da sie Zehntausende von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen bereitstellt.
Zaghaftes Debut Im Mai wird aus einer Staffel des KG 51 das Kommando Schenk gebildet, das die Me 262 als Schnellbomber einsetzen soll. Das Kommando kämpft zwar ab 20. Juli gegen die Invasionstruppen, bleibt aber relativ erfolglos. Nicht zuletzt, da man im Kampfgebiet nicht tiefer als 4.000 Meter fliegen darf. Hitler hat schlicht Angst, die überlegene Technik der Me 262 frühzeitig preiszugeben! Wie sich zeigt, können selbst erfahrene Piloten mit dem „Turbo“ und seinen empfindli-
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Literaturtipp Willy Radinger/Walter Schick: Messerschmitt Me 262 – Entwicklung, Erprobung und Fertigung des ersten einsatzfähigen Düsenjägers der Welt. Aviatic Verlag, 4. Auflage 2004.
Faszination Technik www.geramond.de oder gleich bestellen unter Tel. 0180-532 16 17 (0,14 €/Min.)
Mangelhafte Ausbildung
… spannend.
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chen Triebwerken überfordert sein. Thierfelder fällt beispielsweise am 18. Juli 1944 der unausgereiften Technik zum Opfer.
Tückische „Wundertechnik“ Ganz zu schweigen von den hastig eingewiesenen Umschülern oder den völlig unzureichend ausgebildeten Neulingen. Außerdem fehlt es vorerst an passenden Angriffsverfahren oder taktischen Richtlinien. Echte Gefechtsvorteile hat die Me 262 nur dann, wenn sie ihre Geschwindigkeit, die im Horizontalflug bis zu 860 km/h beträgt, voll auszuspielen vermag. Erst so wird sie zur taktisch überlegenen Waffe, die sich selbst angesichts einer stetig wachsenden gegnerischen Luftüberlegenheit behaupten
oder die Initiative ergreifen kann. Dabei beschränkt sich der sinnvolle Einsatz als Jäger jedoch auf die Abfangrolle – für den klassischen Kurvenkampf fehlt es dem „Turbo" nämlich an ausreichender Wendigkeit und vor allem an passendem Antrieb. Denn wenn der Pilot wie bisher gewohnt die Leistung ruckartig oder schnell erhöht, reagieren die Jumo-004-Turbinen im Regelfall mit einem Flammabriss. Beim Wegnehmen der Leistung ist ebenfalls viel Aufmerksamkeit verlangt, da bereits eine nur geringe Reduktion den Triebwerksschub überproportional stark sinken lässt. Probleme, die nie vollständig gelöst werden, so dass hier bis zuletzt das Fingerspitzengefühl der Piloten entscheidet.
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GEGEN KRIEGSENDE: Die 7. (J)/KG 54 liegt mit ihren bunt zusammengewürfelten Maschinen im März 1945 auf dem FliegerFoto: DEHLA horst Neuburg an der Donau.
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Faszination Technik Clausewitz 4/2013
Militär und Technik | Me 262 AUSGIEBIGE TESTS: In Lechfeld unterzieht man jede ausgelieferte Maschine, sofern sie dort ankommt, einer strengen Abnahmeprüfung. Erst dann gelangt sie zum Einsatz. Foto: DEHLA
Eine Herausforderung stellen zudem einige der aerodynamischen Eigenheiten dar. Zum Beispiel nimmt die Me 262 im Stech- und Sturzflug ungewöhnlich schnell Fahrt auf, wird zunehmend kopflastig und dringt rasch in den transsonischen Geschwindigkeitsbereich über 950 km/h vor. Die dann lokal auftretenden Kompressionswellen gaukeln in Einzelfällen gar den Durchbruch der Schallmauer vor – was nach allen heutigen Erkenntnissen mit der Me 262 unmöglich ist. Werkseitig gelten Mach 0,86 (1.042 km/h) als Höchstgrenze, um sie noch sicher abzufangen.
Kampf gegen Bomber Das EKdo.262 erzielt die ersten Luftsiege im August 1944; Anfang Oktober wird es zur regulären Jagdstaffel umgebildet. Zeitgleich steigt die Fertigungsrate der Me 262 stetig. Doch von den insgesamt wohl 1.433 „Turbos“, die unter oft unmenschlichen Bedingungen gebaut werden, kommen etwa nur 20 Prozent an die Front. Der Rest fällt mehr-
HINTERGRUND
Glückloser Konkurrent: Heinkel He 280
Von Ernst Heinkel privat finanziert, gelingt es dem Team um Hans Joachim von Ohain im Februar/März 1937, das weltweit erste lauffähige TL-Triebwerk in Betrieb zu nehmen. Die Arbeiten bilden den Grundstein für Heinkels eigene Turbinen- und Strahlflugzeugentwicklung. Wie Messerschmitt arbeitet man ab Frühjahr 1939 an einem zweistrahligen Jäger, später He 280 genannt. Als Antrieb sind zunächst Triebwerke eigener Herstellung geplant, deren Entwicklung aber schwer vorankommt. Die He 280 V1 steigt darum als Segler in die Luft – erstmals am 22. September 1940. Der erste strahlgetriebene Flug bleibt am 30. März 1941 der V2 vorbehalten. Heinkels Jäger ist der Me 262
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heitlich den permanenten Angriffen auf das Transportnetz zum Opfer. Trotzdem sind zum Spätherbst 1944 mit dem JG 7, dem KG(J) 54 sowie dem EJG 2 weitere Jagdeinheiten aufgestellt. Daneben rüstet das gesamte KG 51 auf den „Turbo“ um, nutzt ihn bis Februar 1945 als Jabo und dann als Jäger. Weiterhin steht er in geringer Zahl in der zweisitzigen, mit Funkmessanlagen bestückten Nachtjagdversion B-1a/U-1 beim Kommando Welter im Dienst. Am bekanntesten dürfte der Jagdverband 44 sein, der im Januar 1945 unter Gallands Führung entsteht. Während die wenigen Behelfsaufklärer Me 262 A-1a/U3 eine Randerscheinung bleiben, tauchen die zweisitzigen Schulmaschinen Me 262 B-1a häufiger auf. Bevorzugte Ziele im Luftkampf sind Bomberverbände, wobei es nicht leicht ist, die hohe Angriffsgeschwindigkeit, die kaum Zeit zum Zielen lässt, mit der niedrigen Mündungsgeschwindigkeit der vier schweren Bordkanonen in Einklang zu bringen. Als Abstandswaffe führt man da-
jedoch konzeptionell unterlegen, so dass die Entwicklung im Juli 1943 eingestellt werden muss.
OHNE ERFOLG: He 280 mit Triebwerken Foto: DEHLA des Typs Heinkel He S 8 A.
rum ab Februar 1945 die ungelenkte R4/MRakete, die in Salve verschossen wird, ein. Übliche Angriffsformation sind Dreieroder Viererkette, die sich im Stechflug von hinten mit etwa 850 km/h dem Bomberverband nähert, kurz zum Geradeausflug übergeht, um zu schießen, und dann im flachen Steigflug wegzieht. Auch wenn das Auftauchen der Me 262 die Alliierten anfangs wie ein Schlag trifft, haben sie die größte Schwachstelle der „Jetfighter“ rasch erkannt: Bei Start und Landung sind sie langsam und extrem verwundbar. Bald lassen sie keinen ihrer Einsatzplätze mehr aus den Augen und verursachen herbe Verluste. Zudem wird systematisch versucht, jedes geeignete Flugfeld auszuschalten, so dass die Me 262 zuletzt teilweise von Autobahnteilstücken aus operiert.
Nachhaltige Wirkung Obwohl sie eine technische Spitzenleistung ist, bleibt die Me 262 für das Kriegsgeschehen unbedeutend. Ihre Erfolge – grob 150 Luftsiege – werden durch eigene Verluste bei Einsatz und Ausbildung mehr als aufgewogen, während das Produktionsumfeld wenigstens 15.000 Menschenleben fordert. Für die Alliierten ist die Me 262 zwar bevorzugte Kriegsbeute und interessanter Technologieträger, doch haben deutsche Forschung und Entwicklung bis Kriegsende nicht nur bei Messerschmitt weit fortschrittlichere Konzepte hervorgebracht. Auf die taktischen Anforderungen an künftige Jagdflugzeuge hat der „Turbo“ dagegen nachhaltig Einfluss. Wolfgang Mühlbauer, Jg. 1963, studierte physische Geographie an der Universität München. Seit 2001 arbeitet er freiberuflich als Autor für Luftfahrtgeschichte und veröffentlicht regelmäßig Fachartikel.
Meinung
US-Atompolitik im Kalten Krieg Von Benjamin Richter ber mehr als 30.000 Atomwaffen verfügten die USA auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges, zur Zeit der KubaKrise. Kritiker der amerikanischen Nuklearpolitik sahen darin eine irrationale „Overkill“-Kapazität, den Beleg dafür, dass Washington nicht etwa auf sowjetische Aufrüstung reagiere, sondern den Forderungen eines militärisch-industriellen Komplexes entspreche. Dagegen wiederum wurde argumentiert, dass das nukleare Arsenal seinen Zweck, die UdSSR von einem Angriffskrieg abzuschrecken, erfüllt habe. Und hat man den Osten am Ende nicht sogar „totgerüstet“? Ein genauerer Blick zeigt jedoch, dass die Dinge nicht so einfach liegen. Die Bomben auf Hiroshima und Nagasaki waren kaum gefallen, da begannen Intellektuelle, die Implikationen des Atomzeitalters zu durchdenken. Weitgehende Einigkeit herrschte darüber, dass Kriege künftig noch viel zerstörerischer sein könnten als die beiden Weltkriege und dass die Staaten vom Gebrauch von Atomwaffen abgeschreckt werden sollten. Über die Frage jedoch, wie Abschreckung erreicht werde, entwickelten sich zwei unterschiedliche Denkschulen, die meist Minimalismus und Maximalismus genannt werden. Bernard Brodie, der Gründervater des Minimalismus, bezeichnete die Atombombe als „absolute Waffe“, weil es gegen sie keine Verteidigung gebe. Bei konventionellen Luftangriffen sei es für die Luftabwehr schon ein
Erfolg, einen Teil der Flugzeuge abzuschießen. Nun aber reiche ein einziges mit Atombomben bestücktes Flugzeug aus, um jedes beliebige Ziel zu zerstören. Und da es praktisch unmöglich sei, alle Angreifer abzufangen, mache Verteidigung von vornherein keinen Sinn. Brodie folgerte daraus, dass ein minimales nukleares Arsenal zur Abschreckung reiche. Es müsse nur groß genug sein, um den Gegner glauben zu machen, dass seine Städte ausgelöscht werden könnten, falls er angriffe. William Borden, ein früher Maximalist, teilte diese Zuversicht nicht. Seiner Prognose nach würden Städte in einem Atomkrieg gar nicht das primäre Ziel bilden. Denn es brauche viel Zeit, um deren Ressourcen für den Kampf zu mobilisieren, und ein Atomkrieg werde nicht lange dauern. Daher seien
ERSCHRECKENDES VERNICHTUNGSPOTENZIAL: Unser Hintergrundbild zeigt die weltweit erste Kernwaffenexplosion, die im Rahmen des Manhattan-Projekts am 16. Juli 1945 in New Mexico durchgeführt Foto: picture alliance/akg wurde („Trinity-Test“). Was halten Sie von der Meinung Benjamin Richters? Schreiben Sie uns! Clausewitz, Infanteriestr. 11a, 80797 München oder an
[email protected]
Clausewitz 4/2013
Städte als Ziele bedeutungslos. Stattdessen würden beide Seiten alles daransetzen, die feindlichen Streitkräfte zu zerschlagen, von denen im Atomzeitalter eine tödliche Bedrohung ausgehe. Und um dieses Ziel zu erreichen, könne man gar nicht zu viele Atomwaffen haben. Die tatsächliche US-Atompolitik entsprach während des Kalten Krieges eher dem maximalistischen als dem minimalistischen Ideal. Schon die in den 1950er-Jahren geltende Strategie der „massiven Vergeltung“ setzte zur Abschreckung auf ein gewaltiges nukleares Arsenal. Als die sowjetische Atomrüstung nachzog, ging der Westen zur Strategie der „flexiblen Reaktion“ über, im Zuge derer insbesondere die konventionellen Truppen aufgerüstet wurden. Das nukleare Arsenal wuchs nun nicht mehr, aber seine Ausrichtung zielte mehr denn je auf die gegnerischen Streitkräfte ab. Damit ist freilich nicht ausgeschlossen, dass ein militärisch-industrieller Komplex bei der US-Atompolitik seine Finger im Spiel hatte. Andererseits lässt sich die pauschale Behauptung, über 30.000 Atomwaffen seien eine „Overkill“-Kapazität und mithin irrational, vor maximalistischem Hintergrund auch nicht halten. Die gleiche Zurückhaltung ist bei der Bewertung der Argumente von Regierungsunterstützern angebracht. Die „Totrüstungs“These ist sehr gewagt. Gorbatschows Reformen, die den Zerfall der UdSSR einleiteten, haben sicherlich eine komplexere Erklärung verdient und waren – wenn man sich etwa die Entwicklung Chinas vor Augen führt – keineswegs alternativlos. Und wie steht es mit der Abschreckung? Wir können lediglich vermuten, dass es Atomwaffen waren, die einen Dritten Weltkrieg verhindert haben. Womöglich wäre er auch ohne „die Bombe“ nicht ausgebrochen. Nur wenn die Abschreckung versagt hätte, könnten wir das mit Sicherheit sagen. Oder auch nicht – denn dann wären wir jetzt höchstwahrscheinlich nicht am Leben. Dr. Benjamin Richter, Jahrgang 1977, hat an der Universität Mannheim Politikwissenschaft und Philosophie studiert. Seine Dissertation über US-Nuklearpolitik nach dem Ost-West-Konflikt ist im Verlag Dr. Kovacˇ erschienen.
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Das außergewöhnliche Exponat
Sensation im Panzermuseum Munster
Deutschlands einziger „Tiger“ Frühjahr 2013: Einen spektakulären Neuzugang kann das Panzermuseum in Munster verzeichnen. Seit April komplettiert ein Kampfpanzer VI „Tiger“ die Sammlung – der einzige auf deutschem Boden... Von Ulf Kaack
EINZIGARTIG IN DEUTSCHLAND: Seine Restaurierung war ein riesiges Puzzlespiel aus großdimensionierten Stahlteilen. Foto: DPM
GROßER ERFOLG: Mit dem „Tiger“ ist die größte Lücke im Panzermuseum Munster geschlossen – zumindest für Foto: Ulf Kaack die nächsten drei Jahre.
GEFECHTSPAUSE: Ein „Tiger“ und seine Besatzung atmen vor ihrem nächsten Einsatz während einer „Zigarettenlänge“ tief durch. Foto: Alfred Rubbel
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MÄCHTIG: Die Hauptbewaffnung des „Tiger“, die 8,8-cm-KwK, erzielte eine enorme Durchschlagsleistung. Foto: Ulf Kaack
RÄTSELHAFT: Ein Einschuss auf der rechten Seite der Wanne. Ursache und Wirkung liegen im Verborgenen. Foto: Ulf Kaack
uf internationaler Ebene nimmt das Deutsche Panzermuseum im niedersächsischen Munster unter den militärhistorischen Sammlungen einen Spitzenplatz ein. Lediglich eine „ Lücke“ gab es in der schwergewichtigen Kollektion: Es fehlte ein Panzerkampfwagen VI „Tiger“. Weltweit haben nach offiziellem Kenntnisstand nur sechs Kampfpanzer „Tiger I“ den Zweiten Weltkrieg „überlebt“. Zwei befinden sich in Russland, zwei in Frankreich und jeweils einer in Großbritannien und den USA. Im Magazin des Panzermuseums Kubinka bei Moskau sollen zwei weitere Exemplare stehen, doch das wird von offizieller Seite nicht bestätigt. „In der Vergangenheit stand uns bereits zweimal ein ,Tiger’ für einen begrenzten Zeitraum zur Verfügung,“ berichtet Museumsdirektor Ralf Raths. „Aber natürlich wollten wir ein Exemplar dauerhaft in unserer Sammlung haben. Ein solcher Panzer gehört einfach aus technikhistorischen Gründen nach Deutschland und natürlich in die Lücke innerhalb der unserer Sammlung.“ Vollkommen unerwartet klingelte Ende Fe-
bruar 2013 Raths Telefon. Der Teilnehmer am anderen Ende der Leitung sagte: „Ich besitze den ,Tiger’, der Ihnen fehlt, und stelle ihn dem Panzermuseum zunächst für drei Jahre als Leihgabe zur Verfügung.“ Für den engagierten Museumschef ging ein Traum in Erfüllung. Die Herkunft dieses „Tigers I“ (Ausf. E) liegt teilweise im Verborgenen. Fakt ist, dass sich das Exemplar aus mindestens zwei unterschiedlichen Panzern zusammensetzt, die vermutlich bei der Kesselschlacht von Falaise im August 1944 in der Normandie aufgegeben oder ausgeschaltet worden waren. Metallverwerter haben nach den Kampfhandlungen die Reste der Schlacht auf einem Schrottplatz zusammengetragen. Ralf Raths: „Der Eigentümer unseres Ausstellungsstücks hat in Frankreich praktisch einen ganzen Berg Panzerschrott gekauft und den ,Tiger’ aus diesem gigantischen Puzzlespiel aus Stahl neu aufgebaut.“ Wanne und Turm – sie stammen nachweislich von zwei unterschiedlichen Fahrzeugen – waren in mehrere Teile zerlegt. Da die Schnittstellen exakt aneinander passten,
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BUCHTIPP
Persönliches Kriegstagebuch
Im Panzer IV und Tiger an der Ostfront Es ist ein relativ kurzer Abschnitt aus einem langen Soldatenleben, den Alfred Rubbel detailliert in seinem persönlichen Kriegstagebuch beschreibt – für den heute 91-Jährigen der wichtigste. Nüchtern und sachlich erzählt Alfred Rubbel seine ganz individuelle Geschichte in Tagebuchchronologie. Dabei reichert er die einzelnen Abschnitte mit historischem, militärischem und technischem Hintergrundwissen an. Der ehemalige Panzersoldat erzählt von der Euphorie, mit der er wie nahezu seine gesamte Generation damals in den Krieg zog. Und er nennt die Gründe dafür. Er schildert seine dramatischen Erlebnisse an der ZEITZEUGE: Alfred Rubbel schildert seine persönlichen Erlebnisse vom Einsatz an der Front. Foto: Flechsig Verlag
Clausewitz 4/2013
Ostfront, darunter die berühmte Panzerschlacht bei Kursk. Alfred Rubbel erlebt den Krieg im Panzer IV, im „Tiger“ und im „Königstiger“. Mehrfach wird er abgeschossen und verwundet, erzielt selbst mit seiner Besatzung 57 Panzerabschüsse. Im Panzer IV und Tiger an der Ostfront. Das persönliche Kriegstagebuch des Alfred Rubbel Dezember 1939–Mai 1945, Flechsig Verlag Würzburg, 256 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, 350 Bilder, Karten und Abbildungen. ISBN 978-38035-0008-3, 24,95 Euro.
SICHTBAR: Treffer auch am Turm, die der Tiger mutmaßlich bei der Kesselschlacht von Falaise einstecken musste. Foto: Ulf Kaack
KONTAKT Das Deutsche Panzermuseum in Munster hat täglich von 10:00 bis 18:00 Uhr geöffnet. Ab dem 1. Oktober ist montags Ruhetag. Der Eintritt für Erwachsene beträgt 7 Euro. Kinder im Alter von 6 bis 13 Jahren sowie Schüler, Studenten und Bundesfreiwilligendienst Leistende zahlen 3,50 Euro. Für Gruppen, Familien und Führungen gibt es spezielle Tarife. www.panzermuseum-munster.de konnten sie wieder zusammengesetzt werden. Die Herkunft des Fahrwerks, der Waffenanlage sowie diverser Anbauteile ist nicht mehr nachvollziehbar. Eine Antriebsanlage besitzt der „Tiger“ nicht. Ebenso fehlt ein Großteil der Innenausstattung. „Der Panzerkampfwagen VI ,Tiger‘ ist von 1941 bis 1942 entwickelt und von 1942 bis 1945 eingesetzt worden“, berichtet Direktor Raths über den spektakulären Neuzugang. „Nur 1.350 Exemplare dieses extrem teuren und aufwendig zu bauenden Panzers wurden hergestellt, weil er nur für eine spezielle Aufgabe entwickelt worden ist: Es sollte mit hoher Feuerkraft und stark gepanzert Löcher in die feindlichen Linien reißen. Der ,Tiger’ war somit ein teurer Vorschlaghammer für Spezialeinsätze.“ Die hohe Feuerkraft und starke Panzerung in Verbindung mit einer markanten Formgebung führten dazu, dass der „Tiger“ zum Inbegriff motorisierter Kampfkraft wurde. Die NS-Propaganda griff diese Symbolik auf und konstruierte damals in den Medien aktiv das Bild eines „Superpanzers“ – ein Image, das trotz der zahlreichen Schwächen des Panzers bis heute weitgehend Bestand hat. Ulf Kaack, Jg. 1964, Redakteur und Autor aus Bassum mit den Spezialgebieten Marine und Panzer. Demnächst erscheint sein Buch „Panzer. Alle Fahrzeuge von 1956 bis heute“ in der Reihe „Typenatlas Bundeswehr“. Er steht in engem Kontakt zum Panzermuseum Munster.
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Spurensuche
„Führersperrgebiet Obersalzberg“
Hitlers Residenz in den Bergen 68
HERRSCHAFTLICH: Hitlers Anwesen auf dem „Obersalzberg“ wird in den 1930er-Jahren mehrfach aus- und umgebaut. Hier empfängt der „Führer“ zahlreiche Spitzenpolitiker und Militärs aus dem In- und Ausland. Foto: ullstein bild – Walter Frentz
D
as Areal „Obersalzberg“ war von 1933/34 bis in den Zweiten Weltkrieg hinein eines der größten Bauvorhaben im NS-Staat. Nach der alliierten Bombardierung wenige Tage vor Kriegsende bleiben zahlreiche Fundamente und Ruinen zerstörter oder beschädigter Gebäude des ehemaligen „Führersperrgebietes Obersalzberg“ noch lange Zeit erhalten. Mit der Besetzung durch US-Truppen entsteht das AFRC („American Forces Recreation Center“), in dem GIs in den alten NS-Gebäuden entspannen. Die Amerikaner nutzen und pflegen die Häuser und deren Innenausstattung, die sie 1945 vorfanden, bis zu ihrem Abzug im Jahr 1995. Nach der Übergabe an den Freistaat Bayern werden die Gebäude und Ruinen des „Obersalzbergs“, dem Verfall preisgegeben und schließlich größtenteils abgetragen. Rückblick: Am 9. November 1923 versuchte Adolf Hitler durch einen Putsch in München, an die Macht in Deutschland zu gelangen. Dieser Putsch misslang und Hitler wurde zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt. Während dieser Zeit begann er, sein Buch „Mein Kampf“ zu schreiben. Nach seiner vorzeitig beendeten Haft versteckte sich Hitler – ähnlich wie der „Schriftleiter“ des NS-Organs „Völkischer Beobachter“ Dietrich Eckart – in einer kleinen Hütte oberhalb des „Platterhofs“ am „Obersalzberg“. Ende der 1920er-Jahre fühlte sich Hitler nicht mehr verfolgt und mietete zunächst das „Haus Wachenfeld“. Später – nach der NS-Machtübernahme im Deutschen Reich – kaufte der neue Reichskanzler das Landhaus, auf das Hitler bereits 1932 ein Vorkaufsrecht erworben hatte, und ließ es groß-
UNTERSCHLUPF: Erstes Versteck des gescheiterten Putschisten nach seiner Festungshaft. Eine primitive Holzhütte oberhalb des „Platterhofs“. Foto: Sammlung John Provan
zügig umbauen und erweitern. Heinrich Hoffmann, sein Leibfotograf, stellte den „Berghof“ auf seinen Fotopostkarten anfangs als bescheidenen Wohnsitz dar. Nach 1933 erwarb die NS-Führung neue Gebäude am „Obersalzberg“. Eigentümern, die nicht bereit waren, ihr Anwesen zu verkaufen, wurde mit Inhaftierung gedroht. So konnten Hitler und die NS-Partei innerhalb kurzer Zeit zahlreiche Gebäude am „Obersalzberg“ erwerben. Das einst abgelegene Dorf inmitten einer idyllischen Berglandschaft wurde nun zur größten Baustelle Deutschlands. Die rege Bautätigkeit geht in der zweiten Hälfte der 1930er-Jahre ununterbrochen weiter. Aber auch im nahe gelegenen Berchtesgaden wurde viel gebaut. Vor allem Politiker aus dem Ausland sollten durch den Ausbau der Infrastruktur einen positiven Eindruck vom „neuen Deutschland“ bekommen. So wurden ein am 21. Januar 1934 offiziell
PROST AUF DEN SIEG: Im Mai 1945 kommen die Amerikaner und bleiben 50 Jahre. Foto: Sammlung John Provan
Mai 1945: US-Truppen besetzen das weitläufige Areal um Hitlers „Berghof“ und bleiben dort bis 1995. Heute sind viele Spuren der NS-Vergangenheit weitgehend „verwischt“. Von John Provan
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Spurensuche | „Obersalzberg“
BEEINDRUCKEND: Vom Kehlsteinhaus in 1.800 Metern Höhe bietet sich ein fantastischer Ausblick. Hitler weilte hier nur selten. Foto: picture-alliance/dpa REICHSKANZLEI: Die sogenannte „Kleine Reichskanzlei“ ist seit 1945 bis zu deren Abzug das USHauptquartier. Foto: Sammlung John Provan
eingeweihter Flugplatz in Ainring und später eine große Empfangshalle für den bereits bestehenden Bahnhof in Berchtesgaden gebaut. Weiterhin wurden zwei Zufahrtsstraßen zum „Obersalzberg“ ausgebaut, die mit ihrer starken Straßenneigung damaligen Kraftfahrzeugen durchaus zu schaffen machten. Hitler sollte zu jeder Zeit und bequem zu seiner neuen Alpen-Residenz gelangen können, die sich im Laufe der Jahre zu einer Art zweitem Regierungssitz des „Dritten Reiches“ entwickelte.
„Berghof” als Pilgerstätte Zu den Räumlichkeiten in Hitlers 1936 weitgehend fertig gestelltem „Berghof“ führte eine lange Außentreppe. Zahlreiche zeitgenössische Propagandafotos zeigen Staatsgäste und führende Militärs beim Hinaufsteigen der Stufen. Charakteristisch für das Hauptgebäude war vor allem das circa 9 x 3,6 Meter große Panoramafenster, von dem aus sich dem Betrachter ein malerischer Blick auf die Berglandschaft bot. Das Fenster konnte mithilfe eines elektrischen Antriebs in die Kellerräume herunter gelassen werden. Von dieser Empfangshalle führte eine Tür zum alten Teil des „Hauses Wachenfeld“. In der ersten Etage befanden sich die Schlafzimmer von Adolf Hitler und Eva Braun, Lebensgefährtin und spätere Ehefrau des „Führers“, sowie sein Arbeitszimmer. In der zweiten und dritten Etage waren die Schlafzimmer für Gäste und die Kammern für das Hauspersonal untergebracht. Zahlreiche bekannte Staatsgäste empfing Hitler auf seinem „Berghof“, darunter – im Jahr 1938 im Vorfeld des „Münchener Abkommens“ – den britischen Premierminister Arthur Neville Chamberlain, außerdem 1939 den italienischen Außenminister Graf Ciano sowie im Jahr 1942 den „Duce“. In diesen Jahren wurden mehrfach Erweiterungs- und Umbaumaßnahmen am „Berg-
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AUSGEBRANNT: Ein US-Soldat vor dem scheibenlosen Panoramafenster in der zerstörten Ruine des „Berghofes“. Die Brandruine des Hauptgebäudes wurde 1952 geFoto: picture-alliance/dpa sprengt.
hof“ durchgeführt. Der „Obersalzberg“ entwickelte sich besonders während der Friedensjahre zu einer wahren Pilgerstätte. Tausende „treuer Anhänger“ kamen, um das Anwesen ihres „Führers“ zu sehen. Um zumindest einen Teil dieser Besucher unterzubringen, wurde das Hotel „Platterhof“, zuvor bekannt als „Pension Moritz“, errichtet. Der Bau wurde allerdings erst 1941 vollendet und wurde nie für seinen ursprünglichen Zweck genutzt. In den Nachkriegsjahrzehnten war der „Platterhof“ bei den Amerikanern als „Hotel General Walker“ besonders beliebt. Heute, nach dem Abriss des Hauptgebäudes der al-
ten Anlage im Jahr 2000, steht dort das Luxushotel „InterContinental Berchtesgaden“. Unweit vom einstigen „Platterhof“ lag ein Postamt und unterhalb in Richtung „Berghof“ stand bis 1935 die Pension „Haus Hoher Göll“. Das Gebäude wurde von der NSDAP gekauft und als Gästehaus für Parteimitglieder ausgebaut. Martin Bormann nutzte es zudem als Büro und zum Empfang von Besuchern. Nach dem Abzug der US-Truppen in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre wurde auf den Fundamenten dieses Hauses ein Neubau im Stile moderner Architektur errichtet, der heute dem Zentrum „Dokumentation
Großer Touristenmagnet
BRÖCKELNDER PUTZ: Nebengebäude des ehemaligen Hotels, rechts Foto: Sammlung John Provan im Bild sind Teile des Neubaus zu erkennen.
KOSTSPIELIG: Der Abriss des ehemaligen Krankenhauses in Stanggaß wird teurer als gedacht und schreckt Foto: Sammlung John Provan Investoren ab.
Obersalzberg“ dient und die Vielzahl der Touristen über die Geschichte des ehemaligen „Führersperrgebietes“ im Berchtesgadener Land informiert.
Geschenk an den „Führer” „Reichsleiter“ Martin Bormann war die zentrale Figur beim Umbau des „Obersalzbergs“. Er kontrollierte alle Baumaßnahmen. Anlässlich des 1939 bevorstehenden 50. Geburtstags von Hitler hatte Bormann den Bau eines „Teehauses“ am 1.834 Meter hohen Kehlsteingipfel als Geschenk der Partei angeordnet. Fritz Todt, Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen, wurde im Jahr 1938 die Leitung für den Bau einer Straße bis zum geplanten „Kehlsteinhaus“ übertragen. In der kurzen Bauzeit von Mai bis Oktober sind 3.000 Arbeiter rund um die Uhr an dem Bau dieser Zufahrtsstraße beschäftigt. Die noch heute erhaltene Straße ist sieben Kilometer lang, verfügt über mehrere Tunnel und eine Haarnadelkurve.
Der Bau des „Kehlsteinhauses“ begann unter der Leitung von Prof. Roderich Fick. Die Steinblöcke wurden im Tal gemeißelt und mit einem Flaschenzug nach oben gezogen. Um den Fertigstellungstermin einhalten zu können, wurden die Straße und das Kehlsteinhaus gleichzeitig gebaut. Die Straße endet an einem kleinen Platz, 124 Meter unterhalb des Kehlsteinhauses. Vom dort aus führt ein stollenartiger Gang in den Fels hinein. Ein prachtvoll ausgekleideter Aufzug aus Kupfer und Messing bringt die Touristen nach oben ins „Kehlsteinhaus“, das die US-Amerikaner unter dem Namen „Eagle’s Nest“ kennen. Heute ist dieses Haus, von dem sich ein beeindruckender Blick über das umliegende Berchtesgadener Land bietet, eine der populärsten Sehenswürdigkeiten der Region. Vom Aufzug geht man durch einen Gang bis zum ehemaligen Wachzimmer, daneben befinden sich Toiletten und die Küche. In entgegengesetzter Richtung gelangt man in ein holzvertäfeltes Esszimmer und von dort in das runde „Konferenzzimmer“. Dieser
ZUSÄTZLICH GEBAUT: Kaserne der „Leibstandarte“ und Quartier der SS-Bewacher für Hitlers „Berghof“. Foto: Sammlung John Provan
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Raum wird von einem großen Kamin aus rotem Carrara-Marmor beherrscht, einem Geschenk von Benito Mussolini. Hitler weilte jedoch nur selten in seinem Teehaus knapp unterhalb des Kehlsteingipfels. Zu seinen Lieblingsorten auf dem Areal des „Obersalzbergs“ zählte dagegen der 1937 errichtete Pavillon am Mooslahnerkopf. Hitler ist oft mit Vertrauten und Besuchern zu dem kleinen Gebäude spaziert. Der Teepavillon bot einen faszinierenden Ausblick und lag nicht weit vom Berghof entfernt, etwa eine dreiviertel Stunde zu Fuß. Er existiert heute nicht mehr.
Sorge um Hitlers Sicherheit Um die Sicherheit des „Führers“ und die Unterbringung der entsprechenden Wachpersonals zu gewährleisten, wurden laufend neue Bunker, Sicherungsanlagen und Kasernen auf dem Areal des „Obersalzbergs“ bzw. im Berchtesgadener Land errichtet. Oberhalb des „Berghofs“ entstand eine SS-Kaserne als Quartier für Soldaten der „Leibstandarte“. Im in unmittelbarer Nachbarschaft zu Hitlers Residenz gelegenen Gasthof „Zum Türken“ waren zeitweise Beamte und Angehörige des
QUALMENDER REST: Von den Alliierten zerbombt und von der SS angesteckt. Der „Berghof“ im Mai 1945. Foto: Sammlung John Provan
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Spurensuche | „Obersalzberg“
VERSCHWUNDEN: Das aus dem wiederhergestellten ehemaligen „Platterhof” errichtete Hotel „General Walker” musste dem Neubau eines LuxushoFoto: picture-alliance/dpa tels weichen.
PILGERZUG: Vor Kriegsausbruch kommen täglich Tausende, um zu sehen, wo ihr „Führer“ wohnt. Foto: Sammlung John Provan
Unterirdisches Bunkersystem Während der Kriegsjahre wurden zahlreiche Einheiten zur Abwehr feindlicher Fliegerangriffe in stationären Stellungen aufgestellt. Dazu zählten neben zehn Flakbatterien auch 270 Nebelmaschinen. Letztere konnten weite Teile des Tales innerhalb von 20 bis 30 Minuten einnebeln. Hinzu kam in der ersten Hälfte der 1940er-Jahre ein kilometerlanges unterirdisches und weit verzweigtes Bunkersystem, das vor möglichen alliierten Bombenangriffen Schutz bieten sollte: zum Beispiel um Hitlers „Berghof“ herum, nahe Görings Haus, am „Platterhof“ sowie bereits erwähnt am Gasthaus. Zur Versorgung mit Lebensmitteln wurde unterhalb des „Berghofs“ ein Gutshof mit Wirtschaftsanlagen errichtet. Führende Nationalsozialisten legten sich einen Wohnsitz am oder in der näheren Umgebung des „Obersalzbergs“ zu. Während
HINTERGRUND
Zerstörung des Areals Am 25. April 1945 begann der Anfang vom Ende des „Führersperrgebietes“. Gegen 9:30 Uhr wurde Fliegeralarm ausgelöst. Zunächst warfen britische Lancaster-Bomber Luftmi-
Audio-Guide zum „Obersalzberg”
Seit dem Abzug der US-Amerikaner im Jahr 1995 wurden zahlreiche Bauwerke und Ruinen des ehemaligen NS-Areals auf Anordnung der Behörden des Freistaates Bayern abgetragen, darunter auch die von Bäumen und Sträuchern überwucherte Garage der 1952 gesprengten Ruine des „Berghofes“. Nun existiert eine „Application Software“, mit der US-Historiker Dr. John Provan modernste Technologie einsetzt, um die Möglichkeit zu bieten, vor allem Angehörigen
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sich beispielsweise Hermann Göring ein vergleichsweise bescheidenes Haus unweit des „Berghofs“ errichten ließ, baute man für Martin Bormann und seine Familie ein bereits bestehendes Haus in eine luxuriöse Villa um. Auch Hitlers bevorzugter Architekt, Albert Speer, und Reichsführer-SS Heinrich Himmler verfügten über eigene Domizile am „Obersalzberg“. In Stanggaß wurde zudem der Bau der „Reichskanzlei Dienststelle Berchtesgaden“, auch „Kleine Reichskanzlei“ genannt, in Angriff genommen. Vor knapp zehn Jahren wurden diese Gebäude an eine Gruppe privater Investoren verkauft. Darüber hinaus entstanden Wohnsiedlungen für Mitarbeiter der Einrichtungen des „Führersperrgebietes“. Etwa 3.000 Bauarbeiter wurden in einer großen Siedlung, im „Lager Antenberg“ unweit des „Platterhofes“ untergebracht. Später kam eine zweite Arbeitersiedlung hinzu.
der jüngeren Generationen die Vergangenheit des „Obersalzbergs“ näher zu bringen. Um mehr über die Geschichte des „Obersalzbergs“ nicht nur vor Ort, sondern auch zu Hause erfahren zu können, hat der LZCVerlag in Zusammenarbeit mit der VirtualRealtity-Fabrik in Halle/Saale eine „App“ in englischer Sprache erstellt, die mit den GPS-Koordinaten die verschiedenen ehemaligen NS-Gebäude und deren Vergangenheit mit Fotos und Bauplänen verbindet.
Dokumentation Obersalzberg Salzbergstraße 41 D-83471 Berchtesgaden Tel.: +49 (0) 8652 / 947960 Fax: +49 (0) 8652 / 947969 E-Mail:
[email protected] www.obersalzberg.de Öffnungszeiten: Montag–Sonntag 9:00–17:00 Uhr, letzter Einlass 16:00 Uhr
nen ab. Anschließend legten mehr als 300 alliierte Bomber einen Bombenteppich über den „Obersalzberg“. Ein Großteil des Gebietes wurde in Schutt und Asche gelegt. Hitlers „Berghof” wurde durch das Bombardement der Alliierten nahezu vollkommen zerstört. Kurze Zeit später erreichten die ersten US-Soldaten Hitlers ausgebrannte Residenz. US-Leutnant Sherman Pratt war einer der ersten Soldaten, die am „Berghof“ ankamen. Er erinnerte sich später: „Wir waren alle still, beeindruckt von diesem Moment und diesem Ort. Nach so viel Kampf, Zerstörung, Elend, Schmerz und Tod, hier am Obersalzberg war jetzt alles vorbei.“ Dr. John Provan, US-Amerikaner, seit 1974 bei Frankfurt heimisch, promovierte in Deutschland, präsentierte unter anderem zahlreiche Bücher und Ausstellungen zum Kalten Krieg.
Foto: picture-alliance/chromorange
Sicherheitsdienstes und der Geheimen Staatspolizei untergebracht. Hier errichtete man einen noch heute vorhandenen Zugang zu einem Bunkersystem. Heute wird das „Hotel Zum Türken“ wieder für touristische Zwecke genutzt.
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Feldherren
Feldmarschall Radetzky
Österreichs erfolgreicher Heerführer W
enn es eine personalisierte Symbiose zwischen Militär und Staat im Kaiserstaat Österreich im 19. Jahrhundert gab, dann war es der am 2. November 1766 in Trebnic (Böhmen) geborene, fünf Monarchen dienende Johann Joseph Wenzel Graf Radetzky von Radetz. Der später legendenverklärte „Soldatenvater“ Feldmarschall Graf Radetzky fand nicht nur in der militärischen Traditionsbildung allgemein und in dem bis zum Ende der k.u.k.-Monarchie 1918 existierenden Husarenregiment Nr. 5 „Radetzky“ seine menschenmögliche „Unsterblichkeit“. Er war auch der erste Ehrenbürger Wiens. Für ihn schrieb der Dichter Grillparzer seine bekannte Grußadresse: „Glück auf, mein Feldherr, führe den Streich! Nicht bloß um des Ruhmes Schimmer – In deinem Lager ist Österreich.“
Ein Leben für Österreich Radetzkys individuelle militärische Biographie beeindruckt noch immer: Nach seinem Eintritt in das Kürassierregiment Caramelli (Nr. 2) am 1. August 1784 beginnt eine rasante und abwechslungsreiche Karriere, die durch einen Wechsel von Truppen- und Stabsverwendungen, die Teilnahme an vielen Feldzügen und Schlachten, zahlreichen Verwundungen und Auszeichnungen aufgrund außergewöhnlicher persönlicher Tapferkeit und couragierter Führungsleistungen geprägt ist. Als junger Ordonnanzoffizier bei den Feldherren Lacy und Laudon ist er im „Türkenkrieg“ von 1788/89 dabei. In den
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ersten Jahren der Koalitionskriege gegen das revolutionäre Frankreich kämpft er auf Schlachtfeldern Mitteleuropas und steigt in den Jahren bis 1805 zum Generalmajor auf. Der Krieg Österreichs gegen Napoleon von 1809 zeigt ihn dann bereits als souveränen Truppenführer und gleichzeitig als furchtlosen Kämpfer. Seine Laufbahn erreicht ihren ersten großen Höhepunkt in der Beförderung zum Feldmarschallleutnant und der Ernennung zum Chef des Generalquartiermeisterstabes. Zu diesem Zeitpunkt ist er schon längst ein mit mehreren Orden – wie etwa Ritter des Militär-Maria-TheresiaOrdens – ausgezeichneter und populärer „Kriegsheld“. 1813 wird er folgerichtig zum Generalstabschef der großen Allianz gegen Napoleon, die diesen nach dessen gescheitertem Russlandfeldzug von 1812 aus Zentraleuropa über den Rhein vertreiben soll.
Generalstabschef gegen Napoleon Österreich, Russland und Preußen hatten in den Jahren 1805–1809 schmerzhaft die Überlegenheit Napoleons erfahren, den Radetzky als „Schreckensmann unserer Zeit“ bezeichnet. Der „Frühjahrsfeldzug“ Preußens und Russlands gegen Napoleon endete im Waffenstillstand vom Juni 1813 unentschieden. Diplomatische Verhandlungen führen Österreich im Geheimvertrag von Reichenbach vom 27. Juni 1813 an die Seite von Preußen Russland und Schweden. Am 11. August 1813 erklärt Österreich Napoleon den Krieg. Radetzky ist zu dieser Zeit der Chef des
22. September 1849: Bei einer Truppenschau in Wien ertönt zu Ehren des greisen Feldmarschalls der „Radetzky-Marsch“ – eine habsburgische „Marseillaise“. Der österreichische Kaiserstaat feiert sich und seinen größten Feldherrn. Von Eberhard Birk
FAKTEN
Schlachten
16.–19.10.1813 06.05.1848 11.06.1848 22.08.1848 21.03.1849 23.03.1849
Völkerschlacht bei Leipzig Santa Lucia Vicenza Custozza Mortara Novara
ERFOLGREICHER FELDHERR: Radetzky wirft die Revolution in Oberitalien nieder und erzwingt einen Waffenstillstand mit Piemont-Sardinien. Das Gemälde von Albrecht Adam zeigt den Generalissimus mit seinem Stab vor Mailand 1848. Abb.: picture alliance/akg
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Feldherren
MONARCHEN UND FELDHERREN: Radetzky zusammen mit Alexander I., Friedrich Wilhelm III. sowie Blücher, Gneisenau und anderen Militärs auf dem Marktplatz von Leipzig. Der österreichische Feldherr hat maßgeblichen Anteil am Sieg über Napoleon. Abb.: picture-alliance/akg-images
Generalquartiermeisterstabes der alliierten Gesamtarmee unter dem Oberbefehl des Fürsten Schwarzenberg. Hier steht er vor politischen und militärischen Herausforderungen. Die Führungs- und Koordinationsarbeit für ein Koalitionsheer mit auseinander strebenden nationalen Zielsetzungen für die Zeit nach dem Krieg bleibt nicht ohne Auswirkungen auf Planung und Verlauf der Operationen.
Operative Idee Das Operieren Napoleons auf der „inneren Linie“ zwingt die alliierten Heere auf die „äußere Linie“. Damit wird – ohne moderne
Kommunikations- und Transportmöglichkeiten – die Konzentration auf das Wesentliche schwierig. Radetzky formuliert am 7. Juli 1813 seine Zielsetzung, die als Grundlage des nicht schriftlich niedergelegten „TrachenbergerReichenbacher Operationsplanes“ in die Militärgeschichte eingeht: „In allen, wie immer angenommenen, Wechselfällen bleibt es bei dem gegenwärtigen Stand der Armee stets die erste und wesentlichste Hauptbeobachtung, dass keine Armee einzeln und auf keine Weise sich gegen eine ihr überlegene Macht in ein Hauptgefecht einlasse, um den Hauptzweck in den gemeinschaftlichen Operatio-
„Man soll nicht wagen, solange man ohne Wagnis ausreichen kann, wenn man aber wagen muß, dann soll man seinen Entschluß rasch fassen und kühn durchführen.“ Zit. nach Oskar Regele: Feldmarschall Radetzky, Wien 1957, S. 391f.
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nen nicht zu verfehlen, nämlich: den Hauptschlag mit Sicherheit zu führen.“ Radetzky will damit dem napoleonischen Vorteil von innerer Linie und Führungseinheit entgegentreten und diesem die Option zur operativen Isolierung einzelner Armeen und deren Ausschaltung im Gefecht nehmen. Dieses Ziel soll durch ein elastisches Ausweichen von drei weit getrennt stehenden Armeen vor der Hauptmacht Napoleons bei gleichzeitigem Schlagen der Nebenarmeen seiner Marschälle erreicht werden. „Die alliierte Strategie zahlte sich mithin aus: Für Napoleon bot sich keine Gelegenheit, einen großen Schlag zu führen; er sah sich wie ein Stier in der Arena hin und her gehetzt und seine ständig marschierenden Truppen fielen vor Müdigkeit fast um“ – so der britische Militärhistoriker David Chandler. Eine Serie von Niederlagen seiner nachgeordneten Truppenführer – Katzbach, Kulm, Dennewitz, Groß-Beeren und Hagelsberg – bringen den „Schlachtenkaiser“ schließlich dazu, bei Leipzig am 16. Oktober 1813 die von den Alliierten angebotene Entscheidungsschlacht anzunehmen. Nach dem Sieg in der „Völker-
Vorbild für Europa schlacht“ erhält Radetzky noch auf dem Schlachtfeld den kaiserlich-österreichischen Leopolds-Orden und den russischen GeorgsOrden. Radetzkys Strategie ist der Grundstein für Napoleons Niedergang im Jahr 1813. In der Folge ist er zusammen mit Blüchers Generalstabschef Gneisenau der treibende Kopf, um die Herrschaft des „Schreckensmannes“ endgültig zu beseitigen.
in den oberitalienischen Revolutions- und Kriegsjahren 1848/49 bevorstehen. Der Frühling von 1848 wird zum europäischen Völkerfrühling. Nationale und demokratische Sehnsüchte führen zu Aufständen, Barrikadenkämpfen und Kriegen. Die Restaurationsphase stößt an ihre Grenzen. Insbesondere der Habsburgerstaat als übernationales Gebilde, das im Kern nur durch Krone, Klerus, Beamtenschaft und Militär zusammengehalten wird, driftet in einen Existenzkampf.
Zwischenkriegszeit Nach den „Befreiungskriegen“ wird Radetzky zwar weiterhin mit scheinbar höherwertigen Aufgaben betraut – Divisionär in Ödenburg und später in Ofen 1816 bis 1829 sowie Festungskommandant in Olmütz von 1829 bis 1831 –, die de facto aber einen seinen Fähigkeiten diametral entgegengesetzten „Karriereknick“ bedeuten. Er verfasst jedoch wieder viele militärpolitische und militärhistorische Schriften, wie er es zuvor schon in der napoleonischen Ära machte. Darin beklagt er die ungenügende Weiterentwicklung der österreichischen Armee in der nach dem Wiener Kongress beginnenden Restaurationszeit. Am 2. März 1831 wird Radetzky – fast 65jährig – im Arbeitszimmer von Kaiser Franz Joseph I. zum Generalkommandanten der österreichischen Armee im lombardo-venezianischen Königreich ernannt. In seinen unterstellten Generalen sieht er „alte Faulpelze, die nicht wollen, dass man sie aus ihrem behaglichen Schlaf wecken soll.“ Resolut, tatkräftig und energisch geht Radetzky an seine Transformation der österreichischen Italienarmee. Sein Ziel: Umsetzung der von ihm als unabdingbar betrachteten Herstellung und Steigerung der Kriegstauglichkeit. Ab 1833 werden jährliche freilaufende Manöver mit Großverbänden in Oberitalien durchgeführt. Bis 1835 arbeitet Radetzky mit seinem Generalquartiermeister Freiherr von Heß zahlreiche bis dato in ihrer schriftlichen Präzision unerreichte Feld- und Manöverinstruktionen aus. Für die Ausbildung werden alle Jahreszeiten genutzt. „Winterspiele“ dienen dazu, taktische Zusammenhänge auf unteren Führungsebenen an Geländemodellen einzustudieren. Die von Radetzky eingeführten Manöver erstrecken sich von Mai bis Mitte Oktober. Dabei sind die Manöver methodisch und didaktisch so aufgebaut, dass, beginnend vom einzelnen Soldaten aufwärts über die Unteroffiziere, Offiziere, Stabsoffiziere und Generale sämtliche militärischen Führungsebenen von den kleinsten Teileinheiten über Bataillone und Brigaden bis hinauf zu den Divisionen und Korps ihr Zusammenwirken erproben können.
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Radetzkys Krieg in Oberitalien ABERMALS SIEGREICH: Radetzky auf dem Schlachtfeld von Novara 1849 inmitten seiner Soldaten. Der erste italienische Unabhängigkeitskrieg ist mit dem österreichischen Sieg beendet. Abb.: picture alliance/Mary Evans Picture Library
Den Abschluss bilden einwöchige, freilaufende Übungen in einer Stärke von ca. 60.000 Mann. Diese Großmanöver erfreuten sich bald einer großen europäischen militärischen Öffentlichkeit – Manöverbeobachter aus Preußen, Russland, England und Frankreich, aber auch aus Sardinien, erhalten so einen Eindruck von der Leistungsfähigkeit der Armee Radetzkys. Seine Italienarmee wird zur Mustertruppe und er damit auch zum „Schulmeister Europas“. Ihre Bewährung sollte der von Radetzky in 17 Jahren nach seinen Vorstellungen geformten Armee
Auch auf der italienischen Halbinsel ist der Eingang der Meldung von der Demission des österreichischen Staatskanzlers Metternich der Auslöser für vielfältige Erhebungen. Am 18. März beginnt der Aufstand in Mailand. Der 1836 zum Marschall beförderte Radetzky verfügt in seiner Mailänder Garnison über 14.000 Mann. Doch seine Truppen sind in „le cinque giornate di Milano“ dem Häuser und Barrikadenkampf nur bedingt gewachsen – insbesondere wegen logistischer Probleme. Radetzky führt seine Truppen aus der Stadt. Kurz darauf erfolgt die Kriegserklärung durch König Carl Albert von Piemont-Sardinien an Österreich.
Verehrt Radetzky ist der volkstümlichste Heerführer Österreichs im 19. Jahrhundert. Heute lebt sein Andenken vor allem im Radetzky-Marsch fort. Porträt-Gemälde von Georg Decker. Abb.: picture alliance/akg
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Feldherren gelungen, der den Fortbestand der Monarchie als europäische Großmacht sichert. Nach dem Krieg wird er Generalgouverneur. Der mit unzähligen in- und ausländischen Orden ausgezeichneten Radetzky wird am 28. Februar 1857 nach 72 Dienstjahren vom letzten seiner fünf Kaiser, Franz Joseph I, ,,pensioniert“. Er stirbt am 5. Januar 1858 und wird in Niederösterreich beigesetzt.
Fazit und Tradition
KRIEG IN ITALIEN: In der Schlacht von Santa Lucia 1848 besiegt Radetzky seinen Gegenspieler Carl Albert. Die Abbildung zeigt ein österreichisches Jäger-Regiment bei der Verteidigung ihrer Stellung im Dorf (heute ein Stadtteil von Verona). Abb.: picture-alliance/akg-images
Radetzky marschiert zunächst in das Festungsviereck Mantua–Peschiera–Verona– Legnano. Eintreffende Truppenverstärkungen verleihen neue Zuversicht. Die Schlacht bei Santa Lucia bei Verona am 6. Mai 1848 gilt als wichtiger Abwehrerfolg, der einen Kulminationspunkt darstellt. Im Juni ergreift er die Initiative und geht zur Gegenoffensive über. Der Sieg bei Vicenza am 11. Juni hat zur Folge, dass fast ganz Venetien von Radetzkys Truppen kontrolliert wird. Den entscheidenden Sieg erringt Radetzky mit seinen Truppen am 25. Juli 1848 bei Custozza südlich des Gardasees über die piemontesischen Streitkräfte. Am 6. August erfolgt der triumphale Einmarsch in das im März noch so verzweifelt umkämpfte und von Radetzky verlassene Mailand. Parallele Erfolge österreichischer Truppen in Böhmen und Ungarn restabilisieren den Kaiserstaat, der noch wenige Monate zuvor zu zerfallen schien. Der Habsburgerstaat hat dank Radetzkys Triumphen zunächst alle äußeren und inneren Erschütterungen überstanden. Aber in Ungarn und Oberitalien ist die Lage weder ruhig noch stabil. Carl Albert drängt auf eine Revanche. Bereits im Herbst 1848 werden hierfür erneut große Rüstungsanstrengungen unternommen. Im März 1849 stehen 150.000 Mann unter dem Kommando des polnischen Generals Albert Chrzanowski für einen neuen Feldzug bereit. Auch Radetzky bleibt nicht untätig;
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für ihn ist klar, „dass Piemont uns wieder angreift, ich bin (...) auf alles gefasst.“ Seine Vorbereitungen lassen ihn für das Frühjahr auf einen eher kurzen Feldzug hoffen. Am 23. März kommt es bei Novara tatsächlich zur schnellen, katastrophalen Niederlage Carl Alberts gegen Radetzky, obwohl dieser nur über rund 73.000 Mann verfügt. Damit ist ihm ein Sieg in einem 100-Stunden-Krieg
Feldherrenpose Radetzky auf einem Schlachtfeld. In der österreichischen Hauptstadt sind Straßen und Plätze nach ihm und seinen Schlachtensiegen benannt. Abb.: picture-alliance/ akg-images/ Erich Lessing
Radetzky ist ein militärischer Führer, der zu Recht das Interesse der Militärgeschichtsschreibung auf sich zog. Dass hierbei seine Rolle in der Bezwingung Napoleons einen geringeren Stellenwert einnahm, mag darin begründet sein, dass es 1813 nicht, so wie es eben 1848/49 der Fall war, um den Fortbestand der Habsburgermonarchie ging. Für die Donaumonarchie erwies sich 1848/49 als die ultimative Herausforderung. Der österreichische Kaiserstaat übersteht das Krisenjahr maßgeblich durch die Erfolge des Feldmarschalls. Seiner anhaltenden Popularität kommt zugute, dass er vornehmlich einen „normalen“’ Staatenkrieg gegen einen äußeren Feind des Reiches führt, der darüber hinaus 1848 und 1849 ein Verteidigungskrieg ist. Es muss an dieser Stelle jedoch auch der Hinweis erlaubt sein, dass Radetzky während seiner Feldzüge von 1848/49 im Gegensatz zu 1813 keine gleichrangigen Truppenführer gegenüber stehen – wer würde etwa die nominellen Oberbefehlshaber Carl Albert oder Chrzanowski als solche betrachten wollen? Gleichwohl würdigt das militärhistorisch-wissenschaftliche Urteil neben seiner individuellen Tapferkeit, seinen militärpolitischen Schriften und organisatorischen Konzepten auch seine Führungsleistung in den „Befreiungskriegen“ und seine Feldherrntätigkeit im italienischen Krieg. Dabei werden seine unorthodoxen Bewegungsmanöver mit den napoleonischen und sein Operationsstil mit einer „fast spielerisch-tänzerischen Kampfweise“ verglichen. Oft gelang es ihm tatsächlich, sein Feldherrn-Credo umzusetzen – nämlich „den Hauptstoß mit Sicherheit zu führen“. Was 1813 zur Zerschlagung der französischen Machtstellung in Zentraleuropa führt, ist auch die Grundlage für seinen Erfolg in den beiden Feldzügen von 1848 und 1849, durch die das Phänomen Radetzky zum „Mirakel des Hauses Österreich“ beiträgt. Dr. Eberhard Birk ist Oberregierungsrat und Oberstleutnant d.R. sowie Dozent für Militärgeschichte an der Offiziersschule der Luftwaffe in Fürstenfeldbruck.
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Ein Bild erzählt Geschichte IMPOSANTE DARSTELLUNG: Das Gemälde (Öl auf Leinen) „Schlachtschiff BISMARCK im Gefecht“ von Olaf Rahardt aus dem Jahr 2000. Ziel war es, die unbeschädigte BISMARCK darzustellen. Deshalb zeigt das Bild die Anfangsphase des Gefechts gegen die HOOD. Abb.: Olaf Rahardt
Ein Gemälde mit Geschichte
„Die BISMARCK im Gefecht“ Die BISMARCK gehört zu den beliebtesten Motiven maritimer Malerei. Gründe dafür sind sicherlich Technikbegeisterung und Schiffbauästhetik. Aber auch die Brutalität des Von Olaf Rahardt Krieges, die sich im Schicksal des Schiffes manifestiert.
I
ch habe mich in den letzten Jahren mehrmals mit dem Thema „Schlachtschiff BISMARCK“ befasst und dabei immer wieder erlebt, was für ein faszinierendes Sujet es für mich als Kunstmaler ist. Hier tritt vor allem ein Gemälde in den Vordergrund, welches ich im Jahre 2000 angefertigt habe. Vor dem Hintergrund der historischen Ereignisse 1941 ist es nur allzu verständlich, dass die BISMARCK auch heute noch von einem ganz besonderen Nimbus umgeben ist. Schon der Name erzeugt Bilder im Kopf eines Jeden, der um diese Geschichte weiß. Allerdings sind historische Motive mit einer solchen Popularität nicht einfach darzustellen. Die erste Frage, die sich mir stellte, war die nach dem Zeitpunkt, zu dem das Schiff im Gemälde zu sehen sein soll. Die Faszination an dem Schiff kommt natürlich nur in seiner Unversehrt-
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heit zum Ausdruck. Will man die Kampfkraft, die es verkörperte, und sein tragisches Schicksal dokumentieren, braucht man allerdings ein Schlachtengemälde. Will man mit seiner Arbeit dann auch kritischen Betrachtern gerecht werden, muss bereits den Vorzeichnungen ein umfangreiches Quellenstudium zugrunde liegen. Für meine Gemälde habe ich mich auf den Bericht von Freiherr von Müllenheim-Rechberg gestützt, der das Unternehmen „Rheinübung“ miterlebte. Das erste Gefecht gegen die HOOD und PRINCE OF WALES ist noch gut durch Fotos eines Kriegsberichters von der PRINZ EUGEN aus dokumentiert. Das letzte Gefecht der BISMARCK jedoch ist uns heute nur noch aus Texten überliefert. Meines Wissens werden diese Berichte lediglich durch eine farbige Skizze eines begabten
Seemanns von der DORSETSHIRE ergänzt. Bekannter ist uns heute das Gemälde mit dem Titel „Schlachtschiff BISMARCK im Endkampf am 27. Mai 1941“. Claus Bergen malte es 1949, also einige Jahre nach dem Krieg und auf der Grundlage von Erlebnisberichten. Dieses Bild avancierte, trotz einiger historischer Unkorrektheiten, zu einem der meist publizierten der BISMARCK im Endkampf. Im typischen Bergen-Stil zeigt diese überaus dynamische und aktionsreiche Darstellung in grau-braunen Farbtönen die von Granataufschlägen, Salven- und Feuerrauch umwölkte BISMARCK durch die See jagen. Besser geht es gestalterisch kaum. Und so ist die Masse der neuzeitlichen Darstellungen dieser Szenerie bestenfalls eine Annäherung an das bekannte Bergen-Bild. Mit dieser Ge-
UMFANGREICHE STUDIEN: Dies ist die finale Entwurfsskizze zum Ölgemälde von 2000. Im Gegensatz zum späteren Bild zeigt der Entwurf noch beide Schiffe im Artillerieduell. Dies hätte aber ein extremes Querformat erfordert und wurde deshalb letztendlich vom Künstler verworfen. Abb.: Olaf Rahardt
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Versenkung der HMS Hood
An Bord der BISMARCK
Kommandant Lindemann und seine Männer
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HINTERGRUND
Zeitgenössische Fotos als Vorlage
Bei der Erarbeitung des Gemäldes und seiner Vorstudien waren besonders historische Fotos von enormer Wichtigkeit, da sie neben dem Schiff vor allem die Dimensionen der
WICHTIGE QUELLE: Da hier zu erkennen ist, dass der frühere Tarnanstrich während des Kampfeinsatzes übertönt wurde, spielt dieses Foto für das Gemälde eine große Rolle.
Clausewitz 4/2013
Abschüsse, Qualmwolken und Granateinschläge zeigen. Die Beispielfotos unten stammen von einem Fotografen auf der PRINZ EUGEN.
IM KAMPF: Die BISMARCK feuert eine eindrucksvolle Salve ab. Fotos: Sammlung Marinemaler Olaf Rahardt
wissheit machte ich mich in der Vorbereitungsphase über eine lange Zeit hinweg mit den Geschehnissen im Mai 1941 vertraut. Ich studierte Gefechtsskizzen, notierte die Wetter- und Lichtverhältnisse und die Folgen der Granateinschläge. Da der Rumpf im Vorschiff aber schon im Duell gegen die HOOD schwere Treffer hinnehmen musste, kam für mich nur der Anfang dieses Gefechts in Frage. Da ich die Faszination an diesem Schiff und seiner Geschichte wiedergeben wollte, konnte es nur das intakte Äußere der BISMARCK sein. Die Beurteilung liegt letztlich allein beim Betrachter. Der Marinemaler Olaf Rahardt, Jg. 1965, ist Autor und Illustrator mit dem Schwerpunkt Geschichte der Marine. Informationen unter: www.marinemaler-olaf-rahardt.de
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Nr. 14 | 4/2013 | Juli-August | 3.Jahrgang
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Dünkirchen 1940 Das „alliierte Wunder“ in Frankreich Mai 1940: Die deutsche Wehrmacht stößt während des „Westfeldzuges“ unerwartet schnell bis zur Kanalküste durch. Als den bei Dünkirchen eingekesselten Alliierten – mehr als 350.000 Mann – die Vernichtung droht, trifft Hitler mit seinem „Halt-Befehl“ eine folgenschwere Entscheidung...
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