3/2015 Mai | Juni
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A: € 6,30 CH: sFr 11,00 BeNeLux: € 6,50 FIN: € 8,10
Das Magazin für Militärgeschichte
Clausewitz Vor 200 Jahren Otto Car ius (✝)
So wurde er szum Tiger-As
Waterloo Preußisch-britischer Triumph über Napoleon
Langemarck Mythos und Realität: Was wirklich geschah
Werner von Fritsch Vater der Wehrmacht, Opfer der Nazis
KRIEGE, KRISEN & KONFLIKTE
Okinawa 1945 Der große Test für den japanischen D-Day?
Afghanistan Warum alle Großmächte im wilden Bergland scheiterten
Packende Echtzeit-Schlachten mit tausenden von Kriegern.
Rundenbasiertes Management von Provinzen, Truppen, Stammbaum und Diplomatie.
Dynamisches Feuer und Verteidigungsanlagen für fesselnde Belagerungen.
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Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, das Wort „Waterloo“ ist fest in unserem Sprachgebrauch verankert und steht gleichbedeutend für eine totale Niederlage. Vor 200 Jahren erlebte Napoleon Bonaparte, der triumphale Sieger von Jena und Auerstedt und vieler anderer Schlachten, sein größtes militärisches Desaster: Am 18. Juni 1815 erlitt der französische Schlachtenlenker mit seiner einst ruhmreichen „Grande Armée“ unweit des belgischen Dorfes Waterloo eine vernichtende Niederlage, die insbesondere die europäische Geschichte stark beeinflusst hat. Die preußischen und britischen Sieger feierten auf der Gegenseite einen überwältigenden Triumph über die Franzosen. Er ging in England als „Victory at Waterloo“ und auf deutscher Seite als „Sieg bei Belle Alliance“ in die Geschichte ein. Noch heute weckt es bei vielen Menschen im In- und Ausland besondere Emotionen. Anders ist es kaum zu erklären, dass Tausende von Teilnehmern im Juni des „Jubiläumsjahres“ 2015 eine spektakuläre Gedenkfeier zur „Waterlooschlacht“ veranstalten wollen – in einer Dimension, die es in Europa bisher wohl noch nicht gegeben hat. Etwa 5.000 Statisten, 300 Pferde und circa 100 Artilleriegeschütze sollen bei diesem gewaltigen Spektakel auf dem ehemaligen Kriegsschauplatz zum Einsatz kommen. Ziel ist es dabei, bestimmte Phasen der Schlacht von 1815 für die Zuschauer nachvollziehbar zu machen. Es wird mit einem gewaltigen Besucherandrang historisch Interessierter und Schaulustiger gerechnet. In unserer Titelgeschichte „Kaiserliche Katastrophe – 200 Jahre Schlacht bei Waterloo“ halten wir auf den Seiten 10 bis 31 alles Wissenswerte zu dieser Entscheidungsschlacht von weltgeschichtlicher Bedeutung für Sie bereit! Eine spannende Lektüre und viele neue Erkenntnisse wünscht Ihnen
Dr. Tammo Luther Verantwortlicher Redakteur
14. Folge Krieger, Söldner & Soldaten
Furchtlose Flieger Fast senkrecht stürzen sich die Stukas auf ihre Ziele am Boden. Dabei erzeugen sie einen „Höllenlärm“, der den Gegner in Angst und Schrecken versetzt.
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ie deutsche Luftwaffe bringt zu Beginn des Zweiten Weltkriegs eine völlig neue Angriffswaffe zum Einsatz – den Stuka (Sturzkampfbomber). Ganze Geschwader sind mit der neuen einmotorigen Junkers Ju 87 ausgerüstet, die der Stuka-Waffe ihren Namen gibt. Das Besondere: In einem Steilsturz von 70 bis 90 Grad greifen Stukaflieger selbst bei heftigster Flak-Abwehr ihre vorgegebenen Ziele am Boden an. Beim Abfangen wirken so hohe g-Kräfte auf die Besatzung, dass sogar eine kurze Bewusstlosigkeit droht. Für ihre Sicherheit wird deshalb eine Abfangautomatik mit Sturzflugbremsen eingebaut. Den nötigen Schutz nach hinten übernimmt ein Bordschütze mit einem beweglichen MG. Dieses Angriffsverfahren ist anfangs äußerst erfolgreich und wird zum Inbegriff des deutschen „Blitzkrieges“. Überall dort, wo man Ju 87
FAKTEN
„BLITZKRIEGER“ IN DER „BATTLE OF BRITAIN“: Unsere Zeichnung zeigt einen Stuka-Pilot in voller Fliegermontur (mit Rettungsweste und Kopfhaube) vor seiner Ju 87. Abb.: Johnny Shumate
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einsetzt, ist der Erfolg praktisch garantiert. Zum Stuka-Ass mit über 2.500 Einsätzen wird Hans-Ulrich Rudel. Doch je länger der Krieg dauert, umso mehr machen sich die Schwächen der Stukas bemerkbar. Gegen schnelle und wendige Jäger sind sie praktisch chancenlos und brauchen Begleitschutz. Für kleine Ziele wie Panzer fehlt ihnen die nötige Treffgenauigkeit. Mehr und mehr müssen die Piloten ihre Ju 87 als Schlachtflugzeug einsetzen. Dafür ist sie nicht schnell genug und zu schwach bewaffnet. Der wassergekühlte Motor erweist sich dabei als großer Schwachpunkt. Treffer im Motor verursachen den größten Teil der Verluste. Ab dem Frühjahr 1944 wird die Ju 87 durch die schnellere Focke-Wulf Fw 190 ersetzt.
Flugzeug: Stuka Junkers Ju 87 B-1 Besatzung: 2 Mann (Pilot und Bordschütze) Bewaffnung: Zwei 7,92-mm-MG starr nach vorn, ein 7,92-mm-MG beweglich nach hinten Bombenlast: Normal bis zu 500 kg (unter Rumpf und Flügelträger) Film: Luftschlacht um England (1969)
Inhalt Titelgeschichte | Waterloo 1815
GEFEIERT: Napoleons Rückkehr aus der Verbannung auf der Insel Elba wird von vielen Franzosen zunächst bejubelt, hier küsst ein ergriffener Soldat die Hand des Kaisers. Bei Waterloo kommt es schließlich zur Entscheidungsschlacht gegen seine zum Widerstand entschlossenen Gegner.Abb.: picture-alliance/akg-images
Titelthema Kaiserliche Katastrophe
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Napoleons Desaster bei Waterloo.
Mit unbändigem Willen ...........................................................................................................24 200 Jahre „Schlacht bei Waterloo“
Kampf der „King’s German Legion“.
Trügerischer Schein ..........................................................................................................................28
18. Juni 1815: Die Heere Napoleons und seiner Widersacher liefern sich einen gewaltigen Showdown. Der Kaiser der Franzosen will seine Feinde bei Waterloo vernichtend schlagen, doch am Ende triumphieren die Gegner. Von Eberhard Birk
Die Armeen und ihre Ausstattung. 10
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Angriff der „Braunschweiger“ bei Quatre Bras am 16. Juni 1815, Farbdruck nach Aquarell von Richard Knötel. Abb.: picture-alliance/akg-images
Magazin Neues zur Militärgeschichte, Ausstellungen und Bücher.
Meinung ......................
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Strategie und Taktik ...........................................................................................................46 Vorsicht, Verwechslungsgefahr!
Militär und Technik
„Massenware“ mit Durchschlagskraft .......................................32
Schlachten der Weltgeschichte
Der meistgebaute US-Panzer des Zweiten Weltkrieges.
Warten auf den „göttlichen Wind“ ....................................................48 Die Schlacht um Okinawa 1945.
Militärtechnik im Detail
Die sowjetische Maschinenpistole PPSh-41 ...............38
Menschen & Geschichten
Billig, robust und passgenau.
„Im Westen nichts Neues“ ...................................................................................54 Ein Meilenstein des Antikriegsfilms.
Krisen, Kriege und Konflikte
Afghanistan, das ewige Schlachtfeld ...........................................40 Krieg gestern, heute – und morgen? 4
Titelfotos: Titelfotos: picture-alliance/Mary Evans Picture Library; picture alliance/Sueddeutsche Zeitung Photo; Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo; picture-alliance/dpa©dpa-Bildarchiv; USNHC; picture-alliance/dpa; picture alliance/Sodapix AG
Militär und Technik | Medium Tank M4 „Sherman“
Kriege, Krisen und Konflikte
Meistgebauter US-Panzer des Zweiten Weltkrieges
KARTE
Volksgruppen in Afganistan
„Massenware“ mit Durchschlagskraft 1942–1945: Die einen nennen ihn den „Panzer, der den Krieg gewann“, die anderen eine „unzulängliche Konstruktion“. Fest steht: Der amerikanische „Sherman“ bildet das Rückgrat der alliierten Panzertruppen im Zweiten Weltkrieg. Von Ulrich Pfaff ei Kriegsausbruch 1939 verfügt das Deutsche Reich über eine moderne Panzerwaffe. Um den bestehenden Rüstungsrückstand aufzuholen, setzen in den USA fieberhafte Aktivitäten ein – denn es scheint klar, dass sich die amerikanische Industriemacht über kurz oder lang nicht aus dem sich ausweitenden Konflikt heraushalten kann. Auf dem Weg zu einem modernen, mittelschweren und gepanzerten Gefechtsfahrzeug, das von der US-Industrie schnell in großer Zahl hergestellt werden kann, hat bereits 1936 das Modell T5 den ersten Schritt markiert. Dieses wurde 1938 als
„Medium Tank M2“ standardisiert, der jedoch noch immer einen unzureichenden Entwurf darstellt.
Abb.: picture-alliance/dpa-Grafik
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KAMPF UM MATSCH UND GERÖLL: Afghanistan ist kein reiches Land. Die geostrategische Lage ist der Grund, weswegen seit 2.500 Jahren Eroberer kommen. Das Bild zeigt einen afghanischen Soldaten in sowjetischen Diensten (und mit russischem Kriegsgerät ausgerüstet). Abb.: picture alliance/AP Images
HILFLOSE HIGHTECH: Die Sowjets können trotz überlegener Feuerkraft – im Bild ein Kampfhubschrauber des Typs Mi-24 – ihre afghanischen Gegner nicht bezwingen.
Forderung nach 75-mm-Geschütz Erst mit dem zur Jahreswende 1940/41 innerhalb kürzester Zeit entworfenen und auf dem M2-Fahrgestell basierenden „Medium Tank M3“ (mit einem 37-mm-Geschütz in einem Drehturm und einem 75-mm-Geschütz rechts in der Wanne) besitzen die USA ein gepanzertes gefechtsfeldtaugliches Kampffahrzeug. Denn die 75-mm-Kanone stellt eine der Hauptforderungen der neu aufgestellten US-Panzerstreitkräfte dar: Ziel ist
Abb.: picture alliance/AP Images
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2001: Truppen der ISAF kämpfen nach den Terroranschlägen vom 11. September gegen die Taliban und al-Qaida in Afghanistan. Doch dies ist nicht der erste Krieg in einem von Gewalt gebeutelten Gebiet… Von Peter Andreas Popp
mmer dort, wo ein Machtvakuum vorhanden ist, entsteht „Druckausgleich“. Dies trifft besonders für den Bereich zu, wo die Welt des Nahen und Mittleren Osten auf den indischen Subkontinent trifft und zugleich an Zentralasien grenzt: auf Afghanistan. Es handelt sich hier um eine „Drehscheibe der Macht“ mit nicht sehr dauerhaften politischen Herrschaften. Seit etwa 2.500 Jahren trägt diese Region den Charakter eines militärischen Durchgangslandes. Es liegt auf dem „Highway of Conquest“, beginnend mit dem Vordringen der Indo-Arier. Diese „Eroberungsroute“ findet ihren „Weiterbau“ mit Alexander dem Großen. Für 200 Jahre etablieren seine Nachfol-
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Krieg gestern, heute – und morgen? MASSENPRODUKTION: Die hohen Stückzahlen erlaubten es den USA, „Sherman“Panzer an Verbündete in großem Umfang abzugeben. Auch die 2. Französische Panzerdivision wurde in Frankreich 1944 mit Panzern dieses Typs ausgerüstet. Foto: SZ Photo/Süddeutsche Zeitung Photo
SPÄTERE VERSION: „Sherman M4A1“ mit modifizierter Gusswanne mit integrierten Luken für Fahrer und Wannen-Schützen sowie dem 76-mm-Geschütz im größeren Foto: Autor „T23“-Turm.
es, im Falle einer möglichen Konfrontation mit deutschen Kräften in Europa eine adäquate Hauptkampfwaffe gegen die Panzer III und IV mit 50-mm- und 75-mm-Geschützen zu besitzen. Dieser „Medium Tank M3“ ist jedoch von vornherein als Zwischenlösung zu sehen – und zwar zu einem Gefechtsfahrzeug mit einem um 360 Grad drehbaren Turm und darin eingebauter wirkungsvoller Kanone. Denn das M2-Geschütz des erwähnten M3, basierend auf dem vielseitigen französischen Feldgeschütz M1897, kann lediglich einen begrenzten Seiten-Schwenkbereich abdecken. Ein weiterer Nachteil des Geschützeinbaus in der Oberwanne ist der daraus resultierende hohe Aufbau des Fahrzeugs: Es be-
sitzt zusätzlich einen zwar voll drehbaren Turm, dieser jedoch ist lediglich mit einer 37mm-Kanone bewaffnet und somit zur Bekämpfung feindlicher Panzerfahrzeuge bereits 1940 ungeeignet.
Böse Überraschung für Rommel Der M3 geht im Frühjahr 1941 in Produktion und kommt in seiner britischen Version – bekannt als „General Grant“ mit einem flacheren, breiteren Turm – zum ersten Mal Mitte 1942 in Nordafrika zum Einsatz. Dabei versetzt er trotz seiner konstruktionsbedingten Nachteile des „Lückenbüßers“ dem deutschen Gegner während der „GazalaSchlacht“ einen regelrechten Schock: „Die Briten hatten eine Überraschung für uns, die nicht zu unserem Vorteil war: die
neuen Grant-Panzer“, schreibt „Wüstenfuchs“ Erwin Rommel nach Hause. Die Feuerkraft der „Grants“ mit dem 75-mm-Geschütz stellt alles in den Schatten, was die Briten bisher in Nordafrika den deutschen Panzern entgegenstellen konnten. Aber der größte Nachteil des M3 sorgt für hohe Verluste: seine Bauhöhe. So können die Fahrzeuge ihr Hauptgeschütz nur aus flachen Deckungen heraus abfeuern, die mehr als die Hälfte des gesamten Panzeraufbaus feindlichem Feuer aussetzen. Und die vernietete Panzerung bietet keinen ausreichenden Schutz gegen Beschuss aus den 50-mm-Kampfwagenkanonen (KwK) 38/L40 und 39/L60 des Panzer III – vom Panzer IV mit seiner langen 75-mmKwK 40 ganz zu schweigen.
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das ewige Schlachtfeld
ger das Baktrische Reich. Danach folgt, getragen von den Yuezhi, das Kuschan-Reich (45–173 n.Chr.). Dieses reicht zeitweilig von Nordindien bis zum Kaspischen Meer und bietet dem Parther-Reich Paroli. Der westliche Teil des Himalayas legt noch heute davon Zeugnis ab mit der Bezeichnung „Hindukusch“. Was den Parthern nicht gelingt, das besorgen deren Nachfolger, die Sassaniden vom 2. bis 6. nachchristlichen Jahrhundert. Sie er-
AUF DEM „HIGHWAY OF CONQUEST“: Auch der „größte Eroberer aller Zeiten“, Alexander der Große, hinterlässt seine Spuren in Afghanistan. Abb.: picture alliance/dpa
richten das zweite persische Großreich der Antike und bringen das Gebiet des heutigen Afghanistan unter ihre Kontrolle. Mit dem Zerfall der antiken Welt und dem Aufkommen des Islam als dritter monotheistischer Religion setzt ein neuer Zeitabschnitt ein: das Eindringen muslimischer Araber, die den neuen Glauben vorerst nur langsam, dafür jedoch nachhaltig, etablieren. Die Dynastien der Taheriden, Safawiden und Sameniden (8. und 9. Jahrhundert) zeugen davon. Sie bereiten der buddhistischen Prägung der Region ein Ende. Erst mit den Dynastien der Ghasnawiden und Ghoriden (9. bis 11. Jahrhundert) wird „Afghanistan“ zum Sprungbrett der Islamisierung des indischen Subkontinents. Massiv wirken die Mongolen unter Dschingis Khan und Tamerlan auf die Region ein. Den Mongolen gelingt weder die Eroberung Europas noch der Arabischen Halbinsel. Doch ihr Zug nach Westen und Südwesten löst eine mittelasiatische Völkerwanderung aus: Das Osmanische Reich wäre ohne den Mongolensturm nicht entstanden (1300).
Keine genauen Grenzen Afghanistan liegt ab dem 7. Jahrhundert im Spannungsfeld der Weltreligionen Islam und Buddhismus. Indirekt kommt der Hinduismus in dem Moment hinzu, als die aus Südund Zentralasien stammenden Paschtunen die Herrschaft übernehmen. Mit ihnen kristallisiert sich ab Mitte des 18. Jahrhunderts das Gebilde heraus, was heute als Vorläufer des Staates Afghanistan gelten kann. Vorab sei erwähnt: Von den zirka 50 Millionen Paschtunen leben etwas mehr als zwölf Millionen in Afghanistan. Das heißt, für die diesseits und jenseits der afghanisch-pakis-
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Menschen & Geschichten | Otto Carius
Schlachten der Weltgeschichte
Die Schlacht um Okinawa 1945
Warten auf den „göttlichen Wind“ 1945: Nach dem Zusammenbruch Deutschlands werden amerikanische Kräfte frei, die von Europa an die „Pazifikfront“ kommen. Die Alliierten holen zum Schlag gegen das Herz des Japanischen Reiches aus. Von Alexander Querengässer
D
ie Vereinigten Stabschefs planen nach dem Erfolg der amerikanischen Strategie des „Inselspringens“ die Einnahme Okinawas, das nur noch 600 Kilometer von der südlichsten japanischen Mutterinsel, Kyushu, entfernt liegt. Am 29. September 1944 entscheiden Ernest King, Douglas McArthur und Admiral Raymund Spruance, Kommandant der 5. Flotte, dass dem Angriff auf die Insel im kommenden Jahr absolute Priorität gegeben werden soll. Sie ist 110 Kilometer lang und nur acht Kilometer breit, bietet aber Platz für mehrere strategische Flugplätze. Für dieses Unternehmen stehen nun erfahrene Truppen zur Verfügung. In vier Jahren Krieg haben die amerikanischen Streitkräfte die amphibische Kriegführung perfektioniert. Die Navy verfügt über spezielle Landungsboote und kann mit der Feuerkraft ihrer Schlachtschiffe und der trägergestützten Luftüberlegenheit die Anlandung der Marines decken.
Tod aus der Luft Aber auch die Japaner erkennen im Frühjahr 1945, dass sie sich auf eine enge Verteidigung des Mutterlandes konzentrieren müssen. Unter dem Decknamen „Ten Ichigo“ planen sie die Verteidigung der Ryukyu-Inseln und stellen dafür 4.800 Flugzeuge ab. Doch die zunehmende Benzinverknappung führt zu einer Verringerung der Ausbildungs- und Einsatzzeiten. Daher sollen die Flugzeuge nun mit Sprengstoff beladen als fliegende Bomben auf die amerikanischen Schiffe herab stürzen. Einen Vorgeschmack dieser
Die heiklen Fronteinsätze des „Tiger“-Kommandanten
MARTIALISCH:
Krieg auf Ketten
Diese Propagandazeichnung zeigt Panzerkampfwagen VI „Tiger“ während ihres Einsatzes an der Ostfront 1943. Tatsächlich sind diese schweren Kampfpanzer beim Gegner gefürchtet.Ihre Kommandanten, darunter Carius, können oftmals zahlreiche Abschüsse erzielen.
24. Januar 2015: Der ehemalige Panzerkommandant Otto Carius stirbt im Alter von 92 Jahren. Während seines bewegten Soldatenlebens bei der Panzerwaffe 1940–1945 empfängt er zahlreiche Auszeichnungen und erzielt höchste Abschusszahlen. Von Lukas Grawe
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r gilt aufgrund seiner Vielzahl an Abschüssen gegnerischer Panzer als einer der erfolgreichsten Panzerkommandanten des Zweiten Weltkriegs. Seine dramatischen Erlebnisse an der Front verarbeitet er in seinem weltweit bekannten Buch „Tiger im Schlamm“, das sich seit seiner Veröffentlichung im Jahr 1960 zu einer Art „Bestseller“ der Kriegserinnerungen entwickelt. Wer war der Mann, der seine Gegner das Fürchten lehrte? Welche Einsätze begründeten seinen Ruf als „Panzer-Ass“?
Der Weg zur Panzerwaffe Rund dreieinhalb Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs wird Otto Carius am 27. Mai 1922 im pfälzischen Zweibrücken geboren. Schnell spielt der Krieg auch in seinem Leben eine prägende Rolle: Bereits kurz nach dem Abitur meldet er sich im Frühjahr 1940 – noch keine 18 Jahre alt – freiwillig zum Dienst bei der Panzerabwehr. Hier will sich Carius an der Ausbildung für die „Panzerbüchse 38“ beteiligen, einem Gewehr zur Bekämpfung leicht gepanzerter Fahrzeuge. Da die Panzerabwehr jedoch keinen Bedarf für
den jungen Soldaten hat, schließt er sich wenig später dem 104. Infanterie-Ersatzbataillon in Posen an. Doch die Faszination der Panzerwaffe lässt ihn nicht los: Rasch verlässt er das Bataillon und meldet sich freiwillig zum Einsatz bei den Panzerstreitkräften. Diese suchen händeringend nach neuen Rekruten, da die deutschen Panzer im Westfeldzug gegen Frankreich endgültig ihre Schlachten entscheidende Tauglichkeit unter Beweis gestellt haben. Carius wird der Panzer-Ersatz-Abteilung 7 in Vaihingen/Stuttgart zugeteilt und soll dort mit der Waffe vertraut gemacht werden. Nach der Ausbildung erhält er seine erste Bewährungsmöglichkeit im Rahmen des Russlandfeldzuges. Beim Angriff auf die Sowjetunion im Sommer 1941 fungiert der junge Rekrut als Ladeschütze in einem Panzer 38(t) aus tschechischen Beutebeständen. Tschechische Panzer dienen in den ersten zwei Jahren des Krieges als wichtiger Bestandteil der deutschen Panzerstreitkräfte. Als Ladeschütze ist Carius verantwortlich für das Laden der 3,72-cm-Kanone des Pan-
Abb.: picture-alliance/Berliner Verlag/Archiv picture-alliance/dpa-Zentralbild
zers. Anders als Fahrer und Schütze kann er während der Fahrt nichts sehen. Er ist allein für die Kanone zuständig. Der Ladeschütze hat aber immerhin etwas mehr Bewegungsfreiheit als der Rest der Besatzung. Lediglich die leeren Hülsen der Geschosse behindern ihn, da es noch keinen Fangsack gibt. Als Teil der Heeresgruppe Mitte stößt Carius’ Panzer-Regiment 21 auf Moskau vor. Schon bald bewährt er sich im arbeitsintensiven und psychisch belastenden Alltag des Ladeschützen und wird im August 1941 zum Unteroffizier befördert. Einige Tage darauf wird er als Offiziersanwärter angenommen.
MIT AUTOGRAMM: Porträtfoto von Otto Carius mit „Eichenlaub zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes“, verliehen am 27. Juli 1944 für seine militärischen Leistungen als Führer der 2. Kompanie der schweren PanzerAbteilung 502 und nach Lazarettaufenthalt im Herbst 1944 überreicht.
Ausbildung für den „Tiger"
Foto: BArch, Bild 146-1979-064-06 (Foto bearbeitet, Person freigestellt)
Nach seiner Ausbildung kehrt Carius wieder zu seinem Regiment zurück. Er übernimmt als Zugführer die III. Abteilung und befehligt nun vier bis fünf Panzer des Typs Panzer III. Gerade in den ersten Jahren des Russlandfeldzuges bildet dieser Panzer den Hauptteil der deutschen Panzerkräfte. Doch ist er mit seiner schwachen Panzerung und der 5-cmKanone dem sowjetischen T-34 eindeutig unterlegen. Carius’ Aufgabe ist es fortan, gegen
Beteiligte Streitkräfte in der Schlacht um Okinawa JAPAN Marine 1 Schlachtschiff, 1 Leichter Kreuzer, 8 Zerstörer Luftstreitkräfte Etwa 6.000 Flugzeuge Landstreitkräfte 32. Armee, etwa 120.000 Mann Verluste Zirka 115.000 Tote bei der Armee, 7.830 Flugzeuge, 1 Schlachtschiff, 4 Zerstörer
GIGANTISCHES LANDUNGSMANÖVER: Die Amerikaner haben im Laufe des Krieges ihr Können in der amphibischen Kriegführung perfektioniert. Die Landung in Okinawa wirkt wie eine Wiederholung des „D-Day“ in Europa.
USA Marine
VERALTET:
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18 Schlachtschiffe, 39 Flugzeugträger, 200 Kreuzer und Zerstörer, 1.139 Transport- und Hilfsschiffe Luftstreitkräfte Etwa 1.900 Flugzeuge Landstreitkräfte 10. US-Armee, zirka 250.000 Mann Verluste 7.613 Tote und Verwundete (U.S. Army und Marines), 4.907 Tote und 4.824 Verwundete (U.S. Navy), 38 Schiffe versenkt, 368 (darunter 10 Schlachtschiffe) schwer beschädigt, 763 Flugzeuge
Abb.: picture alliance/Everett Collection
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Schlachten der Weltgeschichte | Langemarck 1914
Erste Flandernschlacht – Langemarck 1914
„In den sicheren Tod...“ Oktober/November 1914: Bei Langemarck in Belgien rennen deutsche Truppen immer wieder gegen die feindlichen Linien an – Tausende sterben qualvoll, doch ihr Tod wird in Deutschland als „heldenhafter Opfergang“ verherrlicht. Von Holger Hase
TRANSPORT PER SCHIENE: Diese „Tiger“ der schweren Panzer-Abteilung 502, der auch Carius angehörte, tragen die breite Gefechtskette, scheinbar fehlte die Zeit, die schmalere Verladekette (links auf dem WagFoto: Anderson gon sichtbar) aufzuziehen.
IM RUSSISCHEN WINTER: 1942/43 steht die schwere Panzer-Abteilung 502 bei Mga nahe Leningrad. Noch sind wenige Fahrzeuge im Einsatz, die einstellige Nummer „4“ weist auf diesen Umstand hin. Die Soldaten verladen gerade Sprenggranaten. Foto: NARA
AUSGESCHALTET: Bei den schweren Kämpfen um den Narwa-Brückenkopf im Frühjahr 1944 zerstört Carius mehrere sowjetische Panzer, so wie dieses SU-85, das von seiner Besatzung bewegungsunfähig zurückgelasFoto: Anderson sen wurde.
Der PzKpfw 38(t), hier der Chefpanzer der 2./Panzer-Regiment 21, ist 1941 am Ende seiner Leistungsfähigkeit. Beim Beginn des Russlandfeldzuges ist Carius Ladeschütze beim PzRgt 21 auf einem dieser Panzer aus Foto: Hoppe tschechischer Produktion.
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Menschen & Geschichten
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erlin am 11. November 1934: Im Lustgarten, dem traditionellen Kundgebungsplatz im Herzen der Reichshauptstadt, kommt es zu einem imposanten Aufmarsch von Formationen der Reichwehr, Polizei, SA, SS, des Arbeitsdienstes und der Hitlerjugend. Daneben finden sich auch Abordnungen ehemaliger Regimenter der kaiserlichen Armeen sowie Vertreter von Studentenverbindungen aus ganz Deutschland ein. Generalfeldmarschall August von Mackensen, Heerführer im Ersten Weltkrieg, schreitet salutierend die Reihen ab. Sie alle sind gekommen, um den Gefallenen eines militärisch eher unbedeutsamen Gefechtes nahe dem belgischen Dorf Langemarck im Herbst 1914 zu gedenken. Die Veranstaltung im Lustgarten zeigt, wie sehr sich die Erinnerung vom historischen Ereignis gelöst hat, wie Fakten durch Mythen ersetzt worden sind. „Langemarck“ dient der propagandistischen Instrumentalisierung des Ersten Weltkrieges durch das NS-Regime. Wie aber ist es zu dieser Legendenbildung gekommen?
Nach der deutschen Niederlage an der Marne Anfang September 1914 beginnt der sogenannte Wettlauf zum Meer: Deutsche und alliierte Verbände versuchen, dem Gegner die offene westliche Flanke abzugewinnen und sich gegenseitig zu überflügeln. Der deutsche Generalstabschef Erich von Falkenhayn sucht schließlich die Entscheidung in der flandrischen Tiefebene und lässt dazu fünf Reservekorps – insgesamt zirka 150.000 Mann – nach Belgien verlegen und der neu gebildeten 4. Armee unter Generaloberst Albrecht Herzog von Württemberg unterstellen.
Verminderter Gefechtswert Vier dieser Großverbände sind bei Kriegsbeginn aus einem schwachen Kern aktiver Soldaten, größtenteils aber aus Freiwilligen und Reservisten, gebildet worden. Nach zehnwöchiger Ausbildungszeit marschieren sie an die Front. Die unzureichende Ausstattung mit Artillerie und die unter enormem Zeitdruck abgeschlossene Ausbildung mindern den Gefechtswert dieser Truppenteile erheblich.
Mitte Oktober 1914 erreichen deutsche Vorauskräfte bei Ostende die Nordseeküste. Die Reste des belgischen Feldheeres sind dadurch gezwungen, sich nach Westen hinter die Yser zurückzuziehen. Weiter südlich weichen die schwachen Sicherungskräfte der Briten und Franzosen im Raum Ypern ebenfalls zurück. Doch wenige Tage später versteift sich der alliierte Widerstand und es kommt zu erbitterten Gefechten, die zur hässlichen Feuertaufe für die neu aufgestellten deutschen Truppen werden. Die Kämpfe konzertieren sich vor allem auf taktisch wichtige Positionen wie die flache Hügelkette und die Plateaus rund um Ypern. Angriffe wie auch Verteidigung werden meist Stück für Stück geführt und bleiben unkoordiniert. Beiden Seiten werfen frische Formationen sofort ins Gefecht. Dabei zeigt sich schnell die Effizienz des britischen Gewehrfeuers gegen die Massenangriffe der unerfahrenen deutschen Reservetruppenteile. Diese werden mit einer ungeheuren „taktischen Naivität“ eingesetzt. VERLUSTREICH: Deutsche Soldaten stürmen nach vorn, um die feindlichen Linien bei Langemarck zu durchbrechen. Der Angriff fordert besonders auf deutscher Seite einen hohen „Blutzoll“. Abb.: ullstein bild – Archiv Gerstenberg
Generaloberst Werner Freiherr von Fritsch
„Architekt der Wehrmacht“ W
er war der Mann, der als Oberbefehlshaber des Heeres seit 1934/35 maßgeblich am Aufbau der Wehrmacht beteiligt war und damit großen Anteil an der Schaffung von Hitlers militärischem Machtinstrument hatte? Wie konnte es dazu kommen, dass der einst „treue“ Vasall Hitlers als einer der ersten hochrangigen Wehrmachtsoffiziere an vorderster Front fiel? Rückblick in seine frühen Lebensjahre: Werner von Fritsch wird am 4. August 1880 in Benrath unweit von Düsseldorf als Sohn des preußischen Generalleutnants Georg von Fritsch geboren. Sein Vater impft ihm bereits im Kindesalter die „preußischen“ Tugenden wie Vaterlandsliebe, Pflichttreue,
Zuverlässigkeit und Ehrenhaftigkeit ein. Die strenge Erziehung wird Fritsch sein ganzes Leben lang prägen.
Erste Stabserfahrungen Seine militärische Erziehung zahlt sich rasch aus: Im Alter von 18 Jahren tritt Fritsch in die preußische Armee als Artillerist ein und steigt dort innerhalb kurzer Zeit zu einem hoffnungsvollen Nachwuchsoffizier auf. 1908 besucht er die Berliner Kriegsakademie, die ihm nach erfolgreichem Abschluss den Weg in den Generalstabsdienst ebnet. Nach einem dreijährigen Kommando wird Fritsch im Jahr 1913 schließlich fest in den Generalstab versetzt. Dort arbeitet er zunächst in der Kriegsgeschichtlichen Abteilung II, die sich unter anderem mit den Kriegen Friedrichs des Großen auseinandersetzt. Ein Jahr später folgt seine Versetzung in die Aufmarschabteilung, die zu diesem Zeitpunkt die größte Bedeutung innerhalb der Militärbehörde besitzt. So ist Fritsch auch an der Aufmarschplanung für den Ernstfall mitverantwortlich. Als dieser Ernstfall im August 1914 Wirklichkeit wird, ist Fritsch Generalstabsoffizier der 1. Gar-
de-Division. Der junge, ehrgeizige Offizier kommt auf diese Weise mit einem der prestigeträchtigsten preußischen Verbände in Berührung. Mehrfach wechselt Fritsch in den folgenden Kriegsjahren die Dienststellung, arbeitet in verschiedenen Stäben und erhält so Einblick in operative Fragen. 1917 wird er bei einem Frontbesuch durch einen Granatsplitter am Kopf verwundet. Mehrfach ausgezeichnet, beendet Fritsch den Krieg als Offizier beim „Heimatschutz Ost“, der Ostpreußen gegen den neu entstandenen polnischen Staat verteidigen soll. Auch bei der Bekämpfung kommunistischer Verbände im Baltikum wirkt Fritsch als Stabsoffizier mit.
22. September 1939: Ein von Hitler restlos enttäuschter Werner von Fritsch wird vor Warschau verwundet und stirbt. Der steilen Soldatenkarriere bis zum Oberbefehlshaber des Heeres folgt ein jäher Fall mit tragischem Ende. Von Lukas Grawe
DIE ARMEE IM BLICK: Werner von Fritsch ist als Oberbefehlshaber des Heeres maßgeblich am Aufbau der Wehrmacht beteiligt. Foto: picture-alliance/akg-images
Karriere in der Reichswehr Ein Beobachter charakterisiert den preußischen Soldaten als „jung, arrogant und außerordentlich selbstsicher. Es scheint, er hat keine Skrupel, mit der Wahrheit Versteck zu spielen oder unbequemen Fragen auszuweichen. Er weist alle fachlichen Vorzüge und alle Charaktermängel des preußischen Generalstabsoffiziers auf, der sich dem gewöhnlichen Sterblichen häufig – auch zu Recht – überlegen fühlt.“ Nach seiner Rückkehr nach Deutschland muss sich Fritsch mit der neuen Weimarer Republik arrangieren –
DATEN Werner von Fritsch (1880–1939) 1880 1910–1914 1914–1918 1919 1926 1932 Febr. 1934
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Febr. 1938 März 1938 Sept. 1939
Geburt in Benrath Einsatz im Großen Generalstab Stabsdienste im Ersten Weltkrieg „Heimatschutz Ost“ und Einsatz im Baltikum Chef der Operationsabteilung im Truppenamt Befehlshaber des Wehrkreises III Chef der Heeresleitung (seit 1935 Oberbefehlshaber des Heeres) Entlassung in den Ruhestand Chef des Artillerie-Regiments Nr. 12 Einsatz in Polen, gefallen am 22. September
Foto: picture-alliance/akg-images
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Schlachten der Weltgeschichte
Regensburg – Der vergessene Spiegel des Alten Reiches ....................................................................................58
„In den sicheren Tod...“ ................................................................................................68
Vom Außenposten Roms zur Reichsstadt.
Erste Flandernschlacht – Langemarck 1914. Menschen & Geschichten
Menschen & Geschichten
„Architekt der Wehrmacht“.................................................................................74
Krieg auf Ketten ...........................................................................................................................62
Werner von Fritsch: Sein steiler Aufstieg, sein jäher Fall.
Die heiklen Fronteinsätze des Tiger-Kommandanten Otto Carius.
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Claus Bergens spektakuläres Seekriegsgemälde.
Clausewitz Spezial: Deutsche Panzer .........................................66 Das neue Sonderheft über die deutsche Panzertruppe des Zweiten Weltkrieges.
„Schwerer Kreuzer PRINZ EUGEN im Gefecht“ ......80 Vorschau/Impressum............................................................................................................................82 Titelbild: Preußische Truppen greifen den Gegner bei Plancenoit an.
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Faszinierende Einblicke in die Welt der Unterseeboote
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esucher des „U-Boot-Museums Fehmarn“ können das ehemalige U-Boot U 11 der Bundesmarine von innen besichtigen und sich wie ein Besatzungsmitglied fühlen. Hier ist man hautnah dabei. Besonders beliebt ist der Blick durch das echte Periskop sowie das Pro-
beliegen in den engen Mann-
schaftskojen. Technikbegeisterte kommen ebenfalls auf ihre Kosten – spätestens beim Anblick der Original-Torpedorohre oder des Maschinenraums. Auf U 11 kann man das Leben auf engstem Raum nachempfinden und faszinierende Details entdecken. Das U-Boot wurde in den 1960er-Jahren in Kiel gebaut und gehörte bis 1998 dem 1. UBootgeschwader an. Zur Zeit des „Kalten Krieges“ war es bis Mitte der 1980er-
Außen kolossal, innen beeindruckend: Unterseeboot U 11 im Hafen von Burgstaaken auf der Insel Fehmarn.
Jahre als reines Küstenunterseeboot zum Schutz von Seeverbindungswegen und für die Abwehr von Angriffen gegen die deutschen Küsten eingesetzt. Bis 1988 wurde es zu einem „Zweihüllenboot“ umgebaut, um es besser gegen eventuelle Torpedotreffer zu schützen. Das U-Boot wurde 2003 außer Dienst gestellt. Der Eintritt berechtigt zur Besichtigung von U 11 sowie des benachbarten Museums. Dort wird Wissenswertes über die deutsche UBoot-Flotte der Nachkriegszeit vermittelt. Kontakt: U 11/U-Boot-Museum Fehmarn Burgstaaken 89, 23769 Fehmarn/OT Burg Telefon: 04371 / 8891055 www.ostsee-u-boot.de
Foto: picture-alliance/Arco Images GmbH
U-Boot-Museum Fehmarn
Im Jahr 2003 wurde U 11 nach 35 „Dienstjahren“ außer Dienst gestellt.
Soldaten und ihre Tabakspfeifen
Brutaler Tod
Ein ungewöhnlicher Blick auf den Sezessionskrieg
Skelett von Richard III. untersucht
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er Historiker und Tabakexperte Ben Rapaport stellt in seinem reich illustrierten Buch „Tobacco and Smoking Among the Blue and Gray“ einen interessanten Nebenaspekt des Amerikanischen Bürgerkriegs vor: Tabak und Pfeifen auf den Schlachtfeldern, in Kasernen und Gefangenenlagern – also dem Alltag der Soldaten. Es geht um die
Allgegenwärtig: Der Tabakkonsum spielt sowohl bei den Unionstruppen als auch bei den Konföderierten eine große Rolle.
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Bedeutung des „Rauchkrauts“ für die Männer beider Seiten, und um ihre Kreativität, solche Pfei- Edle Aufmachung: Gebunden, 300 Seiten fen selber herzustellen. Die Pfeife mag eine mit 175 Abbildungen. Randnotiz im politischen und militärischen Verlauf des Krieges darstellen. Für die Soldaten aber war sie ein zentrales Objekt von immenser persönlicher Bedeutung. Das Buch von Ben Rapaport zollt diesem Stellenwert den gebührenden Respekt, und ist sowohl Interessierten an der Alltagsgeschichte von Soldaten als auch Pfeifenliebhabern zu empfehlen. Ben Rapaport: Tobacco and Smoking Among the Blue and Gray. Preis: 65 US-$, via ww.briarbooks.com zu bestellen.
ie Wissenschaftler fanden die Überreste von Richard Plantagenet, Duke of Gloucester und König von England, 2012 unter einem Parkplatz in Leicester. Die Überreste wurden forensisch untersucht und einer genauen Analyse unterzogen. Insgesamt konnten elf Wunden am Skelett festgestellt werden, die sich Richard während der Schlacht von Bosworth 1485 gegen die Truppen seinen Widersachers Heinrich zuzog. Dazu gehörten zum Beispiel Dolchstiche. Tödlich waren aber zwei heftige Hiebe – vermutlich mit einem Schwert – auf den Schädel Richards. Die Untersuchungen ergaben, dass der König keinen Helm getragen hat.
Abb.: Picture alliance/akg
Abb.: Briar Books Press/Ben Rapaport (2)
Foto: picture-alliance/dpa/dpaweb
NEUERSCHEINUNG
Otto von Bismarck Urpreuße, Reichsgründer, Eiserner Kanzler, Revolutionär Familienarchiv. Zudem beleuchten die zahlreichen Kapitel kurzweilig und faktenreich die vielen Facetten von Bismarcks Persönlichkeit und die Motive und Ziele seines folgenreichen Handelns. Zum Bismarck-Jubiläum präsentiert das reich illustrierte Buch den aktuellen Stand der Geschichtsforschung und bietet einen fundierten Überblick über Bismarcks ereignisreiches Leben, seine Familie und sein Wirken als Politiker und Staatsmann. Michael Epkenhans, Ulrich Lappenküper, Andreas von Seggern: Otto von Bismarck – Aufbruch in die Moderne, 168 Seiten, zirka 125 Abbildungen ISBN: 978-3-7658-1962-9, Preis: 29,99 €
BUCHEMPFEHLUNG
Die Schlacht bei Waterloo/La Belle Alliance Detailreiche Darstellung zu Napoleons Desaster
Foto: Helios Verlag
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as Buch zu „Napoleons letzter Schlacht“ ist rechtzeitig zum 200. Jahrestag von „Waterloo“ erschienen und enthält unzählige wissenswerte Informationen über die beteiligten Armeen, ihre Pläne und Absichten in dieser Entscheidungsschlacht. Detailliert kann man aufgrund der Schilderung des Autors und anhand der vielen Lageskizzen das Schlachtgeschehen jener dramatischen Tage im Juni 1815 „nachverfolgen“. Sehr lesenswert sind neben den Hauptkapiteln auch
die drei „Unterkapitel“ und die drei „Anhänge“: Das Unterkapitel b. etwa berichtet von dem Stoß Blüchers in die Flanke Napoleons. Die dramatische Entwicklung dieses preußischen Beitrags zum Sieg wird in mehr als einem Dutzend Lageskizzen dargestellt. Hans-Wilhelm Möser: Die Schlacht bei Waterloo/La Belle Alliance am 18. Juni 1815 – Ein Ereignis von europäischer Dimension, 244 Seiten, 51 Abbildungen, ISBN 978-3-86933-114-0, Preis: 28,00 €
Deftiges für den „Duke“: Beef Wellington
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ie so oft ranken sich Legenden auch um Und so geht’s: Das Rinderfilet diese Köstlichkeit (siehe dazu ebenfalls gut salzen und pfeffern. Dann das „Huhn Marengo“ in Ausgabe 3/2014) – das Filet im Butterschmalz anbraten. Anso soll das „Beef Wellington“ (auch „Filet schließend die Schalotten-, Schinken- und Wellington“ genannt) zu Ehren von Arthur Champignonwürfel in Wellesley, dem 1st Duder Butter braten und ke of Wellington und mit der Petersilie und e t s i l n e t Zu t a „Sieger von Waterloo“, dem Senf würzen, so g) 00 et ( 7 - Ri nder filPf kreiert worden sein. dass eine Füllung („Farer f ef & g) - S al z mal z ( 30 30 Manche Varianten der ce“) entsteht. Nun den ( - Bu t t er s tch l e f nwür Sage gehen sogar soBlätterteig auf dem - S ch al ot ienke nwür f e l g) , S ch weit und behaupten, Mehl – möglichst dünn p i gnonam Ch , g) ( 1 00 g) 0 35 Wellington hätte sich – ausrollen. Drei Schei( l e f wür das „Beef“ direkt nach ben Schinken auf den - Bu t t er i e ( kl ei n gehackt) - Pet er si l r ca 1 Tee l öf f el ) der Schlacht am 18. Juni Teig legen und mit der ci ( f - S en g) / Mehl 00 4 ( 1815 servieren lassen. Hälfte der Farce beg ei t er t - Bl ät - Ei ge l b e ch s S ch e i b e n - Ci r ca sS ch i nke n r oh er
Clausewitz 3/2015
Die fünf bekanntesten und fähigsten Feldherren der römischen Antike:
➊ Gaius Iulius Caesar
(100 v. Chr. – 44 v. Chr.) Als großer Taktiker und charismatischer Politiker besiegte er sowohl die Feinde Roms als auch persönliche Gegner – und ebnete damit den Weg zum Imperium.
➋ Hannibal (247 v. Chr. – 183 v. Chr.)
Der karthagische Feldherr war ein brillanter Stratege und Roms Nemesis. Er gewann die bekannteste Schlacht der römischen Antike: Cannae (216 v. Chr.).
➌ Arminius (zwischen 18 und 16 v. Chr. –
um 21 n. Chr.) Der Germane bescherte den Römern eine ihrer traumatischsten Niederlagen, als er mit seinen Männern drei Legionen im Teutoburger Wald 9 n. Chr. völlig aufrieb.
➍ Scipio Africanus (235 v. Chr. – 183 v. Chr.)
Der römische Feldherr besiegte Hannibal in der Schlacht bei Zama (202 v. Chr.). Er eroberte Karthago – und damit Nordafrika für das Römische Reich.
➎ Marcus Agrippa (63 v. Chr. – 12 v. Chr.)
Als einer von Roms fähigsten Feldherren errang er 31 v. Chr. für Octavian den wichtigen Sieg in der Seeschlacht bei Actium.
Foto: picture-alliance
as Jahr 2015 ist ein „Bismarck“-Jubiläum der besonderen Art: Vor 200 Jahren wurde Otto von Bismarck geboren. Aus Anlass dieses Jahrestages bringen die Autoren des Buches „Otto von Bismarck – Aufbruch in die Moderne“, die zu den derzeit besten Bismarck-Kennern Deutschlands zählen, die Schätze der Forschung ans Tageslicht. Sie zeigen die historisch bislang sehr widersprüchlich dargestellte Persönlichkeit aus einer völlig neuen Perspektive – und anhand von teils unveröffentlichten Aufnahmen aus dem Bismarck-
Legendenhafter Ursprung: Das opulente „Beef Wellington“ ist nach dem „Sieger von Waterloo“ benannt. Ausgerechnet Arthur Wellesley ist aber dafür bekannt, sich auf seinen Feldzügen von bescheidener Kost zu ernähren – Schwarztee und Toast.
streichen. Jetzt das Filet auflegen, die zweite Hälfte der Farce auftragen und die restlichen Schinkenscheiben darauf legen. Den Teig auf einer Seite über das belegte Filet klappen. Die so entstandene Kante mit dem (verquirlten) Eigelb bestreichen. Nun die andere Blätterteighälfte überklappen und mit Druck die beiden Enden fest aneinanderfügen. Das so entstandene „Teigpaket“ mit Eigelb bestreichen und im vorgeheizten Ofen bei 220 Grad etwa eine halbe Stunde backen. Das fertige „Beef Wellington“ in dicke Stücke schneiden und mit Gemüse als Beilage servieren.
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Abb.: picture-alliance/United Archives/TopFoto
Foto: Bucher Verlag
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Clausewitz
Magazin
Im Zeichen des Flügelhusaren
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Damals: Soldaten der Roten Armee bei einer Parade nach dem Fall von Berlin vor dem „Alten Museum“, das im Norden des Lustgartens liegt. Schon die Nationalsozialisten nutzten die geschichtsträchtige Kulisse für Aufmärsche und Propagandaveranstaltungen. Heute: Das von Karl Friedrich Schinkel 1825–1830 als Paradebeispiel des Klassizismus erbaute „Alte Museum“ dient als Antikenmuseum von internationalem Rang. Der Bau ist seit 1999 UNESCO-Weltkulturerbe und zieht viele Besucher aus dem In- und Ausland an.
Sensationsfund im Pazifik Microsoft-Mitbegründer Paul Allen entdeckt Schlachtschiff MUSASHI
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US-Flugzeugen angegriffen und schließlich versenkt wurde. Damals fanden mehr als 1.000 Matrosen den Tod. Der Fundort auf dem Grund des Pazifiks liegt in etwa 1.000 Metern Tiefe der Sibuyan-See, einer zwischen den philippinischen Inseln gelegenen Meerenge. Allen nutzte seine Luxusyacht OCTOPUS für seine „Entdeckungstour“ auf der Suche nach dem 70 Jahre lang verschollenen Wrack der MUSASHI.
Foto: ullstein bild – TopFoto/War
ine ferngesteuerte Sonde hat offenbar das Wrack der MUSASHI auf dem Meeresgrund entdeckt. Bei dem 1942 in Dienst gestellten japanischen Schlachtschiff der „Yamato-Klasse“ handelt es sich um eines der stärksten Schiffe, die jemals vom Stapel liefen. Der US-Milliardär Paul Allen veröffentlichte am 2. März 2015 im Internet unter anderem ein Foto des rostigen Bugs des mächtigen Kriegsschiffs, das im Oktober 1944 im Rahmen der Schlacht im Golf von Leyte von
Das japanische Schlachtschiff MUSASHI während der schweren Gefechte im Pazifik im Herbst 1944.
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„Warka“-Bier aus Polen ie polnischen Flügelhusaren gehören zu den optisch beeindruckendsten Kavallerietruppen der Weltgeschichte (siehe CLAUSEWITZ 4/2014). Die „Flügel“ geben diesen „berittenen Dämonen“ eine unverkennbare und furchteinflößende Erscheinung. Besonders ihr Einsatz gegen die Osmanen bei der Schlacht um Wien 1683 ist bis heute bekannt. In Polen ist der „Flügelhusar“ beinahe eine militärhistorische Figur von nationalem Rang. Und da ist es in einem Land mit Nationalfarben: Rot und Weiß dominieso großer Brauren, wie so oft bei tradition fast zu polnischen Bieren erwarten, dass (zum Beispiel Tyskie einer der Reiter oder Karpackie). als Logo eines Doch der FlügelhuBieres dient. sar galoppiert nur Aus der geauf dem Warka-Laschichtsträchtibel – zumindest in gen Stadt Warder Export-Version. ka kommt das gleichnamige Bier – ein helles, unkompliziertes und erfrischendes Getränk mit einem respektablen Alkoholgehalt von 5,7 % vol. Die Warka-Brauerei gehört zu den ältesten des Landes: Bereits im Jahr 1478 soll der Prinz von Masowien dort Bier für seinen Hof bestellt haben. Im Getränkefachhandel, in polnischen Läden und in manchen Supermärkten ist Warka auch hierzulande zu bekommen.
„Wer sich nach allen Seiten richtet, verliert die Richtung.“ Alfred Graf von Schlieffen (1833–1913), preußischer Generalfeldmarschall und Generalstabschef
Abb.: Archiv CLAUSEWITZ
www.sergey-larenkov.livejournal.com
ZEITSCHICHTEN
KURIOSES Die Fotocollage des russischen Fotografen Sergey Larenkov stellt eindrucksvoll visualisiert einen Brückenschlag zwischen Vergangenheit und Gegenwart her. www.sergey-larenkov.livejournal.com
Briefe an die Redaktion
2/2015 März | April
Christel Bauer, per E-Mail Zu „Winterschlacht im Elsass“ in CLAUSEWITZ 2/2015:
Foto auf Seite 43 oben „Vor dem Gefecht“: Der gezeigte Sherman-Panzer weist eine interessante Art der ZusatzPanzerung auf: Sandsäcke! Sinn dieser Maßnahme: Geschosse der Panzerabwehrwaffen der deutschen Infanterie (Panzerfaust, Panzer-
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Clausewitz
Zur Titelgeschichte „Inferno im Osten“ in CLAUSEWITZ 1/2015:
Ich danke Ihnen für den Bericht über die Kämpfe in Ostpreußen. Im Dezember 1935 wurde ich in der Elchniederung, Nähe Tilsit, geboren. Im Oktober 1944 wurden wir nach Medenau/Samland evakuiert. Am 12. Februar 1945 kamen die Russen dorthin. Bis 1948 lebten wir unter Russen, dann Umsiedlung nach Sachsen. Ihr Bericht „Zwischen den Fronten“ entspricht den Tatsachen. Wir waren oft erstaunt, die Front zog weiter und wir lebten noch. Ich danke allen, die Ihr Leben dafür eingesetzt haben, um unser Überleben – wie auch immer – zu ermöglichen.
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Das Magazin für Militärgeschichte
Elsass 1945
Wie die Wehrmacht noch einmal zurückschlug
Film: „Das Boot“
Italiens Verdun am Isonzo
Gebirgskrieg 1915–1918
So entstand das legendäre Meisterwerk
Und: Den magnetischen Haft-Hohlladungen deutscher Nahkämpfer war auf diese Art im wahrsten Sinn des Wortes der Haft-(Unter)Grund entzogen. Gegen Kriegsende war diese Art des Zusatz-Schutz in der US-Panzertruppe weit verbreitet, ebenso wie auf der Panzerung angebrachte Holzplanken. Jürgen Kaltschmitt, per E-Mail
Der Burenkrieg Warum Großbritannien gegen Siedler kämpfte
Paris 1944 Wollte von Choltitz die Stadt gar nicht retten?
MILITÄR & TECHNIK
Armbrust versus Langbogen Duell der mittelalterlichen Fernwaffen
schreck) vorzeitig zur Explosion zu bringen und „verpuffen“ zu lassen, ebenso Panzerwurfminen und auch Brandflaschen nicht zur Wirkung kommen zu lassen.
Zu „Gefürchtete Fernwaffen“ in CLAUSEWITZ 2/2015:
Ich habe zu Ihrem Heft nur zwei kleine Anmerkungen: Auf den Seiten 62 und 63 sind Ihrem Zeichner zwei kleine Detailfehler unterlaufen. Bei dem Bogenschützen liegt der Pfeil auf der falschen Seite des Bogens an. Pfeil wird über den Handrücken und nicht über den Daumen geschossen. Zu dem Armbrustschützen wäre nur zu sa-
Schreiben Sie an:
[email protected] oder CLAUSEWITZ, Postfach 40 02 09, 80702 München Leserbriefe spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe aus Gründen der Darstellung eines möglichst umfassenden Meinungsspektrums sinnwahrend zu kürzen.
gen, dass er, wenn er so geschossen hätte, wohl seinen Daumen durch die vorschnellende Sehne verloren hätte. Ansonsten ist Ihr Heft absolut klasse. Weiter so. Arno Heid, per E-Mail Zu ,,Die Schlacht von Azincourt“ in CLAUSEWITZ 2/2015:
Mit Interesse lese ich immer Ihre Hefte, auch dieses Mal den Bericht über die Schlacht von Azincourt. Bei einer Urlaubsfahrt entdeckte ich das Schlachtfeld und das dazu gehörige Museum. Ich sende Ihnen meinen Bericht, vielleicht können Sie die Adresse des Museums den Lesern in einer der nächsten Ausgaben mitteilen. Horst-Ernst Hahn, per E-Mail
Anm. d. Red.: Die Kontaktdaten des Museums zur Schlacht von Azincourt lauten: „Centre Historique Médiéval“ Adresse: 24, rue Charles VI 62310 Azincourt (France) Internet: www.azincourt-medieval.fr E-Mail:
[email protected]
Numismatische Sammlerliteratur und Bücher zur Geschichte
Geschichte erleben, Werte erkennen und bewahren
Gottfried Loeck (Hrsg.): Pommern in 1000 Bildern
Wulf Wagner (Hrsg.): Ostpreußen in 1000 Bildern
Silke Findeisen (Hrsg.): Schlesien in 1000 Bildern
Peter Schmoll: Die Messerschmitt-Werke im Zweiten Weltkrieg
Kurt Jaeger: Die deutschen Münzen seit 1871
Jörg u. Anke Nimmergut: Deutsche Orden und Ehrenzeichen 1800–1945
1. Auflage 2012, Format 21 x 27 cm, 384 Seiten, Hardcover ISBN 978-3-86646-095-9 Preis: 19.90 EUR
2. Auflage 2012, Format 21 x 27 cm, 400 Seiten, Hardcover ISBN 978-3-86646-094-2 Preis: 19.90 EUR
4. Auflage 2012, Format 21 x 27 cm, 376 Seiten, Hardcover ISBN 978-3-86646-096-6 Preis: 19.90 EUR
3. Auflage, Format 17 x 24 cm, 232 Seiten, Hardcover ISBN 978-3-931904-38-8 Preis: 20.50 EUR
23. Auflage 2014, Format 11,5 x 18,5 cm, 928 Seiten, Broschur ISBN 978-3-86646-554-1 Preis: 24.90 EUR
20. Auflage 2014/2015, Format 12,5 x 19 cm, 1000 Seiten, Broschur ISBN 978-3-86646-110-9 Preis: 39.90 EUR
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Titelgeschichte | Waterloo 1815
GEFEIERT: Napoleons Rückkehr aus der Verbannung auf der Insel Elba wird von vielen Franzosen zunächst bejubelt, hier küsst ein ergriffener Soldat die Hand des Kaisers. Bei Waterloo kommt es schließlich zur Entscheidungsschlacht gegen seine zum Widerstand entschlossenen Gegner.Abb.: picture-alliance/akg-images
200 Jahre „Schlacht bei Waterloo“
18. Juni 1815: Die Heere Napoleons und seiner Widersacher liefern sich einen gewaltigen Showdown. Der Kaiser der Franzosen will seine Feinde bei Waterloo vernichtend schlagen, doch am Ende triumphieren die Gegner. Von Eberhard Birk
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Titelgeschichte | Waterloo 1815
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Kampf bis zum Äußersten
BIS ZUM LETZTEN MANN: Das „letzte Karree“ der französischen „Alten Garde“ leistet den feindlichen Truppen bis zum Schluss entschiedene Gegenwehr. Tatsächlich wogt der Kampf auf dem Schlachtfeld am 18. Juni 1815 lange hin und her, ehe die endgültiZeichnung: Guiseppe Rava/www.g-rava.it ge Entscheidung fällt.
FAKTEN Befehlshaber:
Frankreich Kaiser Napoleon I. (1769–1821)
Truppenstärke: gesamt Infanterie Kavallerie Artillerie
Clausewitz 3/2015
72.000 49.000 15.700 7.300
Geschütze:
246
Verluste:
zirka 25.000 bis 30.000 Tote und Verwundete; 7.000 Gefangene
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Titelgeschichte | Waterloo 1815 FAKTEN
Großbritannien/Preußen
KOALITIONSARMEE DER BRITEN: (Truppen aus Großbritannien, Vereinigte Niederlande, Hannover, Braunschweig, Nassau) Befehlshaber:
Field Marshal Arthur Wellesley, 1st Duke of Wellington (1769–1852)
Truppenstärke:
gesamt Infanterie Kavallerie Artillerie
Geschütze:
156
Verluste:
67.700 49.600 12.400 5.700
zirka 15.000 Tote und Verwundete
PREUßISCHE ARMEE Befehlshaber:
Generalfeldmarschall Gebhard Leberecht von Blücher (1742–1819), Fürst von Wahlstatt
Generalstabschef: Generalleutnant August Wilhelm Graf Neidhardt von Gneisenau (1760–1831)
UMJUBELT: Gebhard Leberecht von Blücher trägt mit seinen preußischen Soldaten entscheidend zum Ausgang der Schlacht und damit zum endgültigen Sturz Napoleons bei. Seine offensive Truppenführung und sein „Führen von vorne“ bringen ihm während der „Befreiungskriege“ den Beinamen „Marschall Abb.: picture-alliance/Judaica-Sammlung Richter Vorwärts“ ein.
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Truppenstärke:
gesamt 48.000
Verluste:
zirka 7.000 Tote und Verwundete
Überwältigender Triumph
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Titelgeschichte | Waterloo 1815
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ährend die gekrönten Häupter Europas und ihre Diplomaten im Frühjahr des Jahres 1815 auf dem Wiener Kongress nach einer tragfähigen Neuordnung des durch blutige Kriege verheerten Kontinents suchen, kehrt Napoleon Bonaparte mit einem „Paukenschlag“ aus dem Exil zurück. Noch einmal will er wie in der Revolutionszeit sein Glück versuchen. Obwohl ihn zunächst nur einige Getreue begleiten, gelingt ihm innerhalb von nur drei Wochen sein „Marsch auf Paris“. Der nach Napoleons erster Abdankung am 6. April 1814 zurückgekehrte Bourbone Ludwig XVIII. flieht. Der Schock von Napoleons Rückkehr einigt die zuvor zerstrittenen Akteure in Wien. Sie betrachten ihn als „Thronräuber“ und wollen nicht mit ihm verhandeln. Sofort
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steht der Entschluss fest: Napoleon muss endgültig militärisch besiegt werden. Und der französische Herrscher steht vor großen Problemen: Frankreich ist „ausgeblutet“ und kriegsmüde. Die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht ist populär. Die Zeit arbeitet gegen den „Rückkehrer“.
Alliiertes Großaufgebot Die Alliierten hingegen wollen fünf Armeen aufstellen. Mit diesem Großaufgebot wollen sie Napoleon am besten direkt in Frankreich angreifen und endgültig niederwerfen: zwei Armeen in Belgien – eine britisch-niederländisch-deutsche unter dem Herzog von Wellington und eine preußische unter Generalfeldmarschall Fürst Blücher. Die drei weiteren Armeen – eine österreichische unter Fürst Schwarzenberg am Mittel- und Ober-
rhein, eine österreichisch-piemontesische in Ober- und Mittelitalien sowie eine russische – spielen beim beginnenden Feldzug keine aktive Rolle. Sie spiegeln aber die grundsätzliche Überlegung wider, mit den Armeen Wellingtons, Blüchers und Schwarzenbergs konzentrisch auf Paris zu marschieren, um letztlich durch ihre numerische Überlegenheit Napoleons Kräfte zu erdrücken. Da die geplante Heranführung der Truppen der Russen wie auch der Österreicher noch Zeit benötigt, wird der Beginn der Operationen auf einen Zeitraum zwischen dem 27. Juni und 1. Juli 1815 veranschlagt. Genau dieses verbliebene „Gelegenheitsfenster“ will Napoleon nutzen – ihm bleibt die Absicht der Verbündeten nicht verborgen. Wenn er überhaupt eine Aussicht auf
Erfolg haben will, kann er auf keinen Fall abwarten. Sein Plan zielt darauf, möglichst schnell die beiden „aktiven“ und in erreichbarer Nähe stehenden Armeen Wellingtons und Blüchers isoliert zu schlagen. Das könnte seinen Nimbus als Schlachtenlenker wieder herstellen. Zudem könnte dieser Schachzug Chancen für „politische“ Lösungen schaffen – schon allein deshalb, weil das Parlament in Paris seine Rückkehr skeptisch sieht. Aber ein „Masterplan“ steht nicht dahinter. Napoleon muss improvisieren und verlegt seine Konzentration auf den militärischen Erfolg. Er muss letztlich darauf setzen, dass sein Name „zieht“. Eine Wiederholung der militärischen Erfolge seiner „großen Zeit“ ist alles andere als einfach. Viele seiner früheren Marschälle stehen ihm nicht mehr zur Verfügung. IM NAHKAMPF: Soldaten der „Jun gen Garde“ versuchen, die preußisc hen Spitzen aufzuhalten, Aquarell von Raymond de Baux. Abb.: picture-alli
ance/akg-images
GRAUSAMES GEMETZEL: Die Schlacht bei Waterloo fordert von den beteiligten Kriegsparteien hohe Verluste, Gemälde von Félix Philippoteaux aus dem Jahr 1874. Abb.: picture-alliance/akg-images
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Titelgeschichte | Waterloo 1815 Sein damaliger Generalstabschef Berthier ist tot. Er muss auf jene vertrauen, die ihm unterstehen: Soult, ein fähiger Truppenführer, wird Generalstabschef, ohne dass er hierzu befähigt wäre. Mit Ney und Grouchy hat er zwei bewährte Kavallerieführer in seinen Reihen. Sie müssen nun aber Großverbände mit Kavallerie, Infanterie und Artillerie kommandieren. Grouchy etwa hat aber noch nie zuvor ein Korps geführt. Hier zeigt sich die Kehrseite von Napoleons „Feldherrentum“: Er hat seine Unterführer – selbst wenn sie Marschälle waren – in der Vergangenheit nie darin gelehrt, eigenständig im Sinne der übergeordneten Führung zu handeln. Davout, seinen besten Marschall, macht er indes zum Kriegsminister. Dieser soll gegen seinen Willen mit 70.000 Mann Paris decken. Dass Napoleon stets die Offensive bevorzugt, wissen auch seine Gegenspieler. Wellington und Blücher gehen aber davon aus,
dass sie einen möglichen französischen Angriff auf eine ihrer Armeen mindestens drei Tage vorher erkennen würden. Diese Zeit könnten sie für das Zusammenführen ihrer
Als ein Methodiker der absolutistischen Kriegführung ist Wellington darauf bedacht, seine Verbindungslinien intakt zu halten. Insbesondere kommt es ihm darauf an, für
„Ew. Hochwohlgeboren ersuche ich, namens meiner dem Herzog Wellington zu sagen, dass, so krank ich auch bin, ich mich dennoch an die Spitze meiner Truppen stellen werde (...).“ Brief Blüchers vom 18. Juni 1815 an seinen Verbindungsoffizier bei Wellington, Karl von Müffling
weit getrennt stehenden Truppen nutzen. Dies würde einen Angriff Napoleons ausschließen.
Defensiver Wellington Der französische Feldherr ist über die räumliche Verteilung der beiden ihm gegenüber stehenden Armeen informiert. Er ist allerdings auch ein Gefangener seiner Vorurteile und glaubt, über das Führungsverhalten seiner Gegner Bescheid zu wissen. Wellington steht mit seiner zirka 100.000 Mann starken Armee weit verstreut im Raum südwestlich von Brüssel – in unmittelbarer Nähe zur französischen Grenze.
den „worst case“ – eine Niederlage – sicher in Richtung „Ärmelkanal“ nach Antwerpen marschieren zu können. Seine Schlachten in Spanien brachten dem britischen Feldherrn den Ruf als „Meister der Defensive“ ein. Der britische „Koalitionspartner“ Gebhard Leberecht von Blücher mit seinem ungestümen Angriffsgeist ist Wellington eher fremd. Aber Blücher hat im Gegensatz zu Wellington die Besetzung seines Landes und die französische Kriegsgefangenschaft erMIT ENTSCHLOSSENEM BLICK: „Schlachtenlenker“ Napoleon erscheint auf dem Kriegsschauplatz bei Waterloo, doch das Kriegsglück sollte ihn endgültig verlassen. Abb.: ullstein bild – TopFoto
Wellington ERFOLGSDUO: Blücher und n. oleo Seite an Seite gegen Nap
kämpfen w.g-rava.it
Zeichnung: Guiseppe Rava/ww
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Ungestümer Angriffsgeist lebt. Er ist ein „Draufgänger“, der sich oft an die Spitze von Kavallerieattacken setzt. Die strategisch-operative Planung überlässt er seinem Stabschef August Neidhardt von Gneisenau. Dieser hat im März 1815 vom preußischen König Friedrich Wilhelm III. einen politisch-strategischen „Blankoscheck“ erhalten: vollkommene Freiheit in allen militärischen Planungen in „steter Verbindung“ mit Wellington. Mitte Juni 1815 steht die preußische „Armee vom Niederrhein“ mit vier Korps und zirka 117.000 Mann im Raum ost-südostwärts von Brüssel an der Sambre zwischen Charleroi und Lüttich. Ihre von der Geographie vorgegebenen rückwärtigen Verbindungslinien weisen nach Osten an den Rhein. Napoleons Position hinter der Sambre vor der französischen Grenze gibt ihm alle Möglichkeiten der Inneren Linie, auf der früher die Masse seiner Schlachtenerfolge basierte. Er hat die Führungseinheit, die Konzentrati-
KARTE
BLICK NACH VORN: „Marschall Vorwärts“ Gebhard Leberecht von Blücher hat an der Seite von Wellington bei „Waterloo“/„Belle Alliance“ mit den verbündeten Truppen einen historischen Sieg erfochten. Abb.: picture-alliance/akg-images
on seiner Truppen vor und auch zwischen seinen Feinden auf seiner Seite. Damit kann und muss er das Zusammenwirken seiner Kontrahenten verhindern. Im Idealfall kann er eine örtliche Überlegenheit für den Erfolg auf dem Feld durch Ausnutzung von Raum und Zeit dann erzielen, wenn er sich mit aller Macht auf einen der Gegner stürzt, um im Anschluss gegen die andere Armee vorzugehen.
Schlacht bei Waterloo, 18. Juni 1815
Da die geplante riesige Armee Schwarzenbergs noch räumlich, zeitlich und personell weit von einem Eingreifen auf dem „Kriegstheater“ entfernt ist, entschließt sich Napoleon zu einem Vorrücken gegen die Preußen. Hierbei kommt ihm eine falsche Lageeinschätzung Wellingtons zu Hilfe. Dieser befürchtet, das erste „Opfer“ zu werden. Um Napoleon eine Umfassung seiner rechten Flanke zu verwehren, marschiert Wellington zunächst in nordwestlicher Richtung – und damit weg von den preußischen Waffenbrüdern.
Napoleons letzter Sieg
Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich
Clausewitz 3/2015
Am 16. Juni kommt es so für die Verbündeten überraschend zu zwei Schlachten: Um ein britisch-preußisches Zusammenwirken zu verhindern, schickt Napoleon Marschall Ney zum Flanken- beziehungsweise Rückenschutz gegen die Briten. Ney bindet die Vorhuten der Armee Wellingtons bei Quatre Bras, wohin dieser sie nach Zurücknahme seines falschen Entschlusses befohlen hat. Tatsächlich haben aber Wellingtons Unterführer bereits zuvor die Initiative ergriffen. Da Wellington nun für ein Aufhalten der Angriffe Neys immer mehr Truppen einsetzt, kann er nicht, wie zuvor angekündigt, Blücher unterstützen. Letztlich lösen sich
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Titelgeschichte | Waterloo 1815 WIE EINE WAND: Britische Soldaten in Erwartung einer französischen Kavallerieattacke. Zeichnung: Guiseppe Rava/www.g-rava.it
die Briten vom Feind und marschieren nach Norden in Richtung Waterloo, ohne von Ney verfolgt zu werden. Nur zehn Kilometer entfernt zwingt Napoleon, der am 15. Juni morgens die Sambre in Richtung Charleroi überschritt, die Preußen bei Ligny zur Schlacht. Dass die Preußen
nicht zustande, da Ney die Briten bei Quatre Bras bindet. Die Hoffnung auf ein erfolgreiches Standhalten gegen den französischen Angriff besteht darin, dass ein verzögertes Eintreffen des IV. Korps im Verlauf einer anzunehmenden Schlacht zwischen ähnlich starken Kräf-
„Der Tag ist unser – die Preußen sind da!“ Aus dem „Bericht über die Schlacht von Waterloo“ von Sergeant Robertson über den Jubel der englischen Truppen angesichts der Ankunft der preußischen Truppen
die Schlacht bei Ligny am 16. Juni nach dem Zurückweichen eines Gefechtsvorpostens des I. Korps und trotz ungünstiger Bedingungen annehmen, hat mehrere Gründe: Ein Marsch nach Nordwesten vor Napoleons Truppen auf Wellingtons Armee zu scheidet aufgrund der hohen Gefechtsbereitschaft der französischen „Nordarmee“ aus. Des Königs Order vom März macht einen Rückzug in Richtung Lüttich aus Gründen der „Koalitionsraison“ unmöglich. Ebenso scheidet ein Ausweichen nach Norden aus, da dies nichts anderes bedeuten würde, als die eigenen Verbindungslinien preiszugeben. Zudem besteht auf preußischer Seite die Hoffnung auf eine Unterstützung durch Wellington. Sie kommt indes
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ten die Entscheidung bringt. Und das Naturell Blüchers und Gneisenaus ist es eben nicht, gegen Napoleon zu marschieren und dann auszuweichen!
HINTERGRUND
Napoleon kümmert sich aber nicht um preußische Planspiele und Entscheidungen: Aus der Bewegung heraus greift er am 16. Juni ab 14:00 Uhr die in einem Halbkreis vor Ligny stehenden ersten drei preußischen Korps frontal an. Die Entscheidung für Napoleon in der sechsstündigen Schlacht bringt am Ende ein Einbruch der „Alten Garde“ in die preußische Verteidigungslinie bei Ligny, ohne dass damit aber ein entscheidender Durchbruch gelungen wäre. Dennoch ist die Schlacht für die Preußen bei Verlusten von 12.000 Toten und Verwundeten verloren. Aufgrund des zunächst ungewissen Verbleibs Blüchers muss Gneisenau die Führung übernehmen. Da die politisch-strategische Gesamtlage des Feldzuges nach wie vor gültig ist, eine Nie-
„Waterloo“ oder „Belle Alliance“?
Es ist schon immer das Recht des Siegers, den Namen für die Schlacht zu bestimmen. Was aber, wenn es zwei Sieger gibt? Wellington entscheidet sich für „Waterloo“, da er hier sein Hauptquartier hat. Gekämpft wurde dort aber nicht. Blücher und Gneisenau wollen symbolträchtig aus der Schlacht bei Waterloo ein „Belle Alliance“ machen. Der Name dieser Gastwirtschaft, in der sich Blücher und Wellington nach der Schlacht ge-
troffen haben sollen, dominiert auch für ein Jahrhundert die preußisch-deutsche (Militär-) Geschichtsschreibung. Als Ausdruck des Triumphes über den einstigen „Besatzer“ Napoleon ist dies nachvollziehbar – für britische Ohren aber zu französisch. Wellington und auch Napoleon haben bereits vor der Schlacht die jeweiligen Stellungen ihrer Truppen mit dem Namen „Waterloo“ in Verbindung gebracht.
Napoleons fataler Fehler derlage in der Schlacht aber die operativen Rahmenbedingungen verändert hat, erfordert dies auch einen unorthodoxen Entschluss: Gneisenau lässt die preußische Armee nicht nach Osten in Richtung Lüttich oder weiter zum Rhein marschieren, um die Verbindungslinien intakt zu halGESCHLAGEN: Napoleon und seine Truppen erleiden am 18. Juni 1815 eine vernichtende Niederlage von historischer Bedeutung . Abb.: picture-alliance/Heritage Images
ten. Er dirigiert sie vielmehr in der Nacht in unbekanntes Terrain nach Norden in Richtung Wavre – weniger, um Napoleons Annahme zu konterkarieren, sondern vielmehr, um die Möglichkeit zum Zusammenwirken mit Wellingtons Armee zu erhalten.
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Dass Napoleon nicht bereits zu diesem Zeitpunkt eigene Kräfte zur Verfolgung ansetzt, wird sich zwei Tage später als schwerwiegendster Fehler seiner militärischen Laufbahn erweisen. Es bleibt selbst nach 200 Jahren ein Rätsel, warum Napoleon den 17. Juni ungenutzt verstreichen lässt. Seine einzige militärische Verfügung von Bedeutung ist jene, dass er am Nachmittag Marschall Grouchy mit 34.000 Mann – einem Drittel seiner Armee – zur Verfolgung der geschlagenen preußischen Armee in den Osten schickt. Durch diesen Zeitverlust hat Napoleon keine Aufklärungserkenntnisse über den Feind und keine Fühlung mit ihm.
Wenn er der Auffassung ist, dass Grouchy so die Preußen verfolgt und von ihm fern hält, kann er sich Wellington „zurechtlegen“. Er marschiert dem britischen Herzog, der seine Truppen auf der Straße nach Brüssel in einer in West-OstRichtung verlaufenden Linie südlich von Mont St. Jean in Stellung gehen lässt, hinterher. Parallel zu Wellington gruppiert er seine „Nordarmee“ nördlich des Gehöfts „Belle Alliance“. Damit stehen sich nun schon am Vorabend der eigentlichen „Schlacht bei Waterloo“ die beiden Armeen auf zwei Höhenrippen gegenüber – getrennt von einer Senke. Hier würde die Schlacht auf einem Terrain stattfinden, auf dem hochstehendes Getreide den Blick des Infanteristen sehr einschränkt. Zudem würde der Regen nachwirken, der seit dem Nachmittag des 17. Juni nicht nur die Soldaten noch während der Nacht durchnässte. Auch die überlegene französische Artillerie würde sich nicht so stark auswirken können. Viele Granaten würden ihre Spreng- und Splitterwirkung im morastigen Boden der Senke einbüßen. Der Schlamm ist darüber hinaus auch nicht von Vorteil für die geplanten Kavallerieattacken. Auf der Gegenseite trifft Wellington seine Entscheidungen für die bevorstehende Schlacht. Er verfügt über 68.000 Mann und 156 Geschütze. Verstärkt wird seine für die Verteidigung optimale Stellung durch vorgelagerte und zum Teil befestigte Gehöfte: Hougoumont, La Haye Sainte, Papelotte und
WEGWEISEND: Blücher und seine Truppen befinden sich im Eilmarsch auf dem Weg nach Waterloo, Holzstich von Adolf Closs (1840–1894) nach Emil Hünten. Abb.: picture-alliance/akg-images
Clausewitz 3/2015
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Titelgeschichte | Waterloo 1815
DRAMATISCHE SZENE: Oberst Hugh Halkett nimmt an der Spitze der 3. hannoverschen Brigade den französischen General Cambronne gefangen, Farbdruck nach Gemälde von Richard Knötel, um Abb.: picture-alliance/akg-images 1900.
La Hay. Sie sollen die Dynamik des erwarteten Angriff Napoleons brechen, bevor der Sturm die britische Verteidigung auf der Höhenrippe erreicht. Hinter dieser hält Wellington große Teile seiner Truppen verdeckt und kann sie somit auch vor Artilleriefeuer schützen. In dieser Position will er verharren, bis Blüchers Truppen – wie versprochen – in die Schlacht eingreifen.
Scheinangriff Tatsächlich ist es die Absicht der Preußen, mit dem I. Korps Wellingtons linken Flügel zu unterstützen und mit dem II. und IV. Korps in Napoleons rechte Flanke zu stoßen. Währenddessen soll das III. Korps bei Wavre den Rücken der eigenen Kräfte frei halten – für den Fall, dass Grouchy kehrt macht. Napoleon hat beiderseits der Straße nach Brüssel seine etwa 72.000 Mann und fast 250 Geschütze zur Schlacht aufgestellt. Sein Angriff soll ab 11:30 Uhr auf
den schwächeren linken Flügel Wellingtons zielen. Dort will er bis zum dahinterliegenden Dorf Mont St. Jean durchbrechen, um sich anschließend auf Wellingtons rechten Flügel zu werfen und diesen zu zerschlagen. Mit einem Scheinangriff des Korps Vieille auf das Schlösschen Hougoumont – im Schwerpunkt mit der 6. Infanteriedivision unter Führung seines Bruders Jérome – will Napoleon von seiner Absicht ablenken. Was als Auftakt und Ablenkung geplant ist, entwickelt sich jedoch im Laufe des Tages immer mehr zu einer „Schlacht in der
DOKUMENT
Schreiben Blüchers vom 19. Juni 1815 „mein freind, die Schönste Schlagt ist geschlagen. Der herligste Sieg ist er fochten. daß Detallie wird er vollgen, ich denke die Bonaparttsche geschigte ist nun wohl zimlig wider zu ende. La Bellaliance den 19ten früh ich kan nicht mehr Schreiben, den ich zittere an alle glider, die anstrengung wahr zu groß. [gez.] Blücher“ (Schreiben an Generalleutnant Karl Friedrich von dem Knesebeck, seit 1813 erster GeneralAbb.: picture-alliance/akg-images adjutant des preußischen Königs)
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Schlacht“: Sie bindet und kostet immer mehr Truppen. Für den geplanten Angriff mit seinem Zentrum auf den linken britischen Flügel zieht Napoleon zunächst 80 Geschütze vor der Front des Korps d’Erlon zusammen. Unmittelbar vor Angriffsbeginn entdeckt Napoleon in zirka acht Kilometern Entfernung eine Truppenansammlung. Die Hoffnung, es seien die Spitzen des zurückkehrenden Grouchy, wird schnell zerschlagen. Es ist die Vorhut des IV. Korps der Preußen unter Führung von General von Bülow. Sofort dirigiert Napoleon je zwei Divisionen Kavallerie und Infanterie (zusammen zirka 10.000 Mann) zu seinem Flankenschutz nach rechts. Sie fehlen ihm beim beabsichtigten Großangriff.
Napoleon gibt nicht auf Um 13:00 Uhr beginnt ein halbstündiges französisches Artilleriefeuer auf die britischen Stellungen. Danach greift das Korps d’Erlon ostwärts der Straße an, wird aber nach harten Kämpfen abgewiesen. Lord Picton, der den angegriffenen britischen Flügel kommandiert, befiehlt seiner Kavallerie den Gegenstoß. Dieser einzige tiefere britische Vorstoß des Tages scheitert zwar an einem französischen Kavalleriestoß in die eigene linke Flanke. Er beendet aber auch den Angriffselan des Korps von d’Erlon. Für Wellingtons defensive Anlage der Schlacht ist dies vorteilhafter als für Napoleon, der in der Offensive bleiben muss.
„Die Preußen kommen!” Nachdem die Ausgangsstellungen auf beiden Seiten wieder eingenommen sind, erhält Napoleon die Meldung, dass Grouchy definitiv nicht mehr an diesem Tag in die Schlacht eingreifen kann. Doch ein Abbruch der Schlacht, trotz des Vormarsches der Preußen gegen seine rechte Flanke, kommt für den Kaiser nicht in Betracht.
Verzweifelte Attacken Gegen 15:30 Uhr deutet Marschall Ney Bewegungen hinter den feindlichen Linien fälschlicherweise als den beginnenden Rückzug der Briten. Er tritt mit 5.000 Kavalleristen zum Angriff an. Infanterie und Artillerie lässt er zurück. Ney erzielt mit seinen Kräften zwar den Einbruch in die britischen Linien bis hin zu deren Artilleriestellungen. Letztlich findet er aber kein Mittel gegen die effektiven Karrees, die die Infanterie gegen seinen Kavallerieangriff bildet. Nach diesem gescheiterten ersten Versuch sammelt und verstärkt er seine Kräfte. Sein zweiter Angriff folgt nun mit 9.000 Mann zwischen La Haye Sainte und Hougoumont – doch auch dieser wird abgewiesen. So wie er das unsinnige Anrennen seines Bruders bei Hougoumont nicht unterbindet, greift Napoleon auch bei Ney nicht ein. Napoleon schickt Ney sogar ein weiteres Mal nach vorne. Dieses Mal führt dieser jedoch auch Infanterie und Artillerie mit. Gegen 18:00 Uhr nimmt er nicht nur La Haye Sainte, sondern erzwingt auch den Einbruch in Wellingtons Zentrum. Zur Ausnutzung des Erfolgs sucht er bei Napoleon darum nach, die Garde für den endgültigen Sieg einsetzen zu dürfen. Dieses wird Ney jedoch verwehrt. Napoleon benötigt sie selbst gegen das IV. preußische Korps, das nun seine rechte Flanke unmittelbar bedroht. Bülows Truppen stehen nordostwärts von Plancenoit dem französischen Korps Lobau gegenüber. Mit Unterstützung des nachstoßenden II. Korps nehmen sie unter großen Verlusten bis 18:00 Uhr die Ortschaft. Damit ist Napoleons tiefe rechte Flanke kurzzeitig in preußischer Hand. Deshalb muss er die Ney verweigerte Reserve, darunter die „Junge“ und die „Alte Garde“, für die Zurückeroberung einsetzen. Erst nachdem seine rechte Flanke somit gesichert ist, kann er sich wieder Wellington zuwenden. Auch wenn Neys Angriff ohne die „Alte Garde“ nicht
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zur Entscheidung der Schlacht führt, setzt er Wellington so sehr unter Druck, dass dieser dem Fiasko entgegensieht. Insbesondere der ungebrochene ungestüme Angriffselan der Franzosen bewegt den britischen Heerführer in dieser Krise der Schlacht zu seinem wohl berühmtesten Ausspruch: „Ich wollte, es wäre Nacht, oder die Preußen kämen“. Und sie kommen – mit ihrem mindestens genauso legendären „Marschall Vorwärts“ Blücher, gelenkt von seinem Generalstabschef Gneisenau. Wie in so vielen Schlachten der Feldzüge von 1813, 1814 und eben auch 1815 spornt er seine Soldaten durch persönliches Führen von vorne an. Durch das massive Erscheinen der preußischen Truppen kann Wellington diese Krise der ERFOLGREICH: Arthur Wellesley, 1st Duke of Wellington, triumphiert nach anfänglichen Rückschlägen gemeinsam mit Blücher über den einst mächtigen französischen Herrscher. Abb.: picture-alliance/Heritage Images
Schlacht überstehen und seine Reihen wieder stabilisieren. Gegen 19:00 Uhr beginnt der letzte Akt der Schlacht von Waterloo. Napoleon muss nun alles auf eine Karte setzen. Er befiehlt 4.000 Mann der Garde aus dem Raum um Belle Alliance den Angriff. Sie ziehen auch die noch kampffähigen französischen Infanteristen mit. Eine Kavallerieunterstützung
BEEINDRUCKEND: Anlässlich des 200. Jahrestages der Schlacht werden im Juni 2015 bei Waterloo Kampfhandlungen mit mehreren Tausend Darstellern aus vielen Ländern Europas nachgestellt, hier eine Szene aus einer früheren Reenactment-Veranstaltung. Foto: picture-alliance/Photoshot
Literaturtipp Eberhard Birk, Thorsten Loch, Peter Popp (Hg.): Wie Napoleon nach Waterloo kam, Freiburg 2015.
haben sie jedoch nicht. Die Garde trifft westlich der Straße auf die Verbände der britischen Generale Maitland und Adams. Deren Soldaten liegen hinter dem Höhenkamm auf dem Boden. Sie stehen erst auf, als die Garde mit ihren Spitzen zirka 30 Meter vor ihnen auftaucht. Der überraschende Feuerüberfall der britischen Truppen führt zur Panik: „La garde recule!“ („Die Garde weicht!“).
Fluchtartiger Rückzug Ziemlich genau zu diesem Zeitpunkt stößt das I. preußische Korps über die Gehöfte La Haye und Papelotte in die zurückweichenden französischen Truppen. Deren Formation löst sich auf. Wellington nutzt den Augenblick und lässt gegen 20:00 Uhr seine gesamte Front vorrücken. Der zeitgleiche Durchbruch preußischer Truppen des IV. und II. Korps bei Plancenoit verwandelt den französischen Rückzug in eine Flucht. Der Garde ist es vorbehalten, den Rückzug der geschlagenen Armee und Napoleons Flucht zu decken. Die Verlustbilanz des achtstündigen Kampfes ist bedrückend: An Toten und Verwundeten hat Wellington 15.000 Mann, die Preußen haben Verluste von 7.000 Soldaten zu beklagen. Napoleon verliert etwa 25.000 Mann und mit dieser dramatischen Entscheidungsschlacht sein Kaiserreich. Es liegt in der Natur der Sache, dass bei einer Schlacht derartiger Dimension die Frage gestellt wird, wer den größeren Anteil am Erfolg hat: die Briten oder die Preußen? Es waren die „Deutschen“, zumal sie die Hälfte von Wellingtons Armee bildeten. Auch die Frage „Was wäre gewesen, wenn?“ führt dabei in die Irre. Napoleon musste mit jenen Kräften, die er hatte, schlagen. Die strategische Überlegenheit seiner Feinde – weniger vor Ort als jene der Reserven – ließ ihm keine Wahl. Deshalb fand auch nach Eintreffen der Preußen kein Abbruch der Schlacht statt. Und selbst ein ordinärer taktischer Sieg gegen Wellington vor dem Eintreffen der Preußen hätte nur bedeutet, dass sein „Waterloo“ dann wohl in der Nähe eines anderen Ortes stattgefunden hätte. Dr. Eberhard Birk, Oberregierungsrat und Oberstleutnant d.R., Dozent für Militärgeschichte an der Offizierschule der Luftwaffe (OSLw) in Fürstenfeldbruck.
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Titelgeschichte | Waterloo 1815
Kampf der „King’s German Legion“
Mit unbändigem Willen D
as heroische Standhalten der Soldaten des 2. Leichten Bataillons der „King’s German Legion“ in La Haye Sainte verdient besondere Beachtung – und ein eigenes Kapitel in jeder Schilderung über Waterloo! Denn die Schlacht wäre für die Alliierten ohne den stundenlangen Kampf dieser Soldaten kaum zu gewinnen gewesen. Sie sind Freiwillige, meist patriotisch gesinnte „freie Deutsche“ aus dem mit Großbritannien in Personalunion verbundenen Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg („Kurhannover“). Als einziger deutscher Verband kämpfen sie im Rahmen der am 19. Dezember 1803 als regulärer britischer Verband aufgestellten „Deutschen Legion“ stets gegen Napoleon – als loyale Untertanen ihres Fürsten.
18. Juni 1815: Am Triumph über Napoleon haben die 400 Männer des 2. Leichten Bataillons der „King’s German Legion“ großen Anteil. Trotz massiver Verluste gegen eine feindliche Übermacht bleibt ihr Kampfesmut ungebrochen. Von Eberhard Birk
Georg von Baring (1773–1848) ist eines der ersten Mitglieder der „Legion“. Er sieht alle wichtigen Gegenden des anti-napoleonischen Kampfes der Briten auf dem Kontinent in West- und Zentraleuropa. Der Gefechtswert der Deutschen findet Achtung beim Feind und Bewunderung beim eigenen „Auftraggeber“.
Verteidigungsmaßnahmen Als Napoleon für die „Herrschaft der Hundert Tage“ von Elba zurückkehrt, stehen sie unter dem Kommando Wellingtons in Belgien. Wie für alle Soldaten des Feldzuges
von 1815 führt sie ihr Weg nach Waterloo. Hier stehen die Soldaten des 2. Leichten Bataillons unter dem Kommando des Majors Baring seit dem 17. Juni in ihrer Stellung – dem Gehöft La Haye Sainte. Es wird, gelegen in einer Senke vor dem zirka 400 Meter entfernten Höhenkamm, auf dem Wellington seine Hauptkräfte für die bevorstehende Schlacht aufstellt, für Napoleon ein „kleines“ im „großen“ Waterloo. Am frühen Morgen des 18. Juni verstärken sie auf Befehl ihres Kommandeurs das Gehöft für die bevorstehende Verteidigung. Baring nutzt zunächst die Möglichkeiten des U-förmigen Gebäudearrangements, dessen nach Osten zeigende „offene“ Seite von einer Mauer geschützt ist. Im Norden davon befindet sich direkt angeschlossen der ebenfalls ummauerte Küchengarten, im Süden der etwas größere Obstgarten.
Wuchtiger Angriff
STURMANGRIFF: Franzosen versuchen, das von Soldaten der „King’s German Legion“ erbitAbb.: picture-alliance/Mary Evans Picture Library tert verteidigte Gehöft La Haye Sainte zu nehmen.
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Seine 378 einsatzfähigen Soldaten verfügen nur über begrenzte Munitionsvorräte, da ihr Munitionswagen am Vortrag auf dem Marsch einen Hang hinabkippte. Vieles in der kommenden Schlacht wird von Barings Führungsverhalten abhängen und vom Kampfgeist seiner Männer. Sie vertrauen ihm fast blindlings. Als Kaiser Napoleon die blutige Schlacht mit Artilleriefeuer beginnen lässt, wird auch La Haye Sainte – zunächst allerdings nur beiläufig – in Mitleidenschaft gezogen. Aber erst mit dem Hauptangriff des Korps d’Erlon gegen 13:30 Uhr trifft französische Infanterie der 2. Division (Donzelot) auf das Gehöft. Ihr Angriff kommt unter das Feuer britischer Artillerie und der Infanterie des östlich von La Haye Sainte neben und in einer Sandgrube positionierten 95. Schützenregiments.
Als die Kolonnen der Franzosen den Hof angreifen, bleibt Baring auf seinem Pferd sitzen. So hat er den Überblick und führt durch Vorbild. Seine Soldaten nehmen den Feuerkampf gegen Tausende von Franzosen auf, die sich nach und nach auf den Hof zu bewegen. Schnell erleiden die Franzosen große Verluste. Durch die Wucht des Angriffs weichen die Männer Barings geordnet in überschlagendem Zurückgehen im Obstgarten zurück. Aus den Dachgauben der Gebäude erhalten sie durch Scharfschützen Feuerdeckung. Nach der Beseitigung der Barrikade auf der Straße stehen Pioniere der Franzosen mit Äxten vor dem Haupttor. Andere Infanteristen vertreiben die Soldaten des 95. Schützenregiments aus der Sandgrube. La Haye Sainte wird so zu einer „Insel“ inmitten der Gesamtschlacht. Wellington schickt einige Verbände zur Unterstützung beidseits des Gehöfts. Teile der Infanterieunterstützung werden von französischer Kavallerie zerschlagen; die anderen erobern den Obstgarten zurück. Gleichzeitig wird der Küchenhof von Franzosen umzingelt. Während
TRAGISCHER TOD: Marschall Michel Ney kann mit seinen Truppen bei La Haye Sainte schließlich die Oberhand gewinnen. Er wird nach Napoleons Abdankung wegen Hochverrats angeklagt und Ende 1815 hingerichtet. Abb.: picture-alliance/akg-images
Kampf im Inneren des Hofes dabei – wieder zunächst hoch zu Ross, erneut wird es unter ihm weggeschossen.
Heftiges Dauergefecht
der Obstgarten wieder verloren wird und die Ersatzkräfte zerschlagen werden, bleiben einzig die Gebäude und der Innenhof in Barings „Besitz“. Seine Soldaten kämpfen im Wissen um die wichtige Position und um ihr Leben mit unbändigem Willen. Baring ist auch beim
Während des stundenlangen „Dauergefechtes“ werden mehrere französische Großangriffe abgewehrt, obwohl zahlreiche Franzosen in Barings Stellungen eindringen. Hinzu kommt der „innere Kampf“ gegen brennende Dächer infolge des Artilleriefeuers. Die Verluste steigen und schon am Nachmittag haben viele seiner Männer nur noch wenige Kugeln. Dreimal schickt Baring die Bitte um Munitionsnachschub „nach hinten“ – ohne Erfolg. Dennoch: selbst, wenn er und seine Offiziere Verwundete zur Versorgung in die Gebäude schicken, weigern sich ihre Män-
ROTRÖCKE: Verschiedene Uniformen der „King’s German Legion“ (1803–1833) werden in einer Vitrine im Bomann-Museum in Celle präsentiert. Foto: picture-alliance/Artcolor
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Titelgeschichte | Waterloo 1815
VERLUSTREICH: Verteidigung des heftig umkämpften Gutshofes La Haye Sainte durch die „Hannoveraner“ der „King’s German Legion“ (KGL), Gemälde von Adolf Northen, 1855. Abb.: ullstein bild – Archiv Gerstenberg
ner. Sie wollen weiterkämpfen. Baring entschließt sich schließlich dazu, nur den Kern des Gehöfts zu verteidigen.
Bis zur letzten Patrone Der letzte Großangriff am frühen Abend ist dann aber zu stark. Napoleon sucht aufgrund des starken Drucks der Preußen auf seiner rechten Flanke eine Entscheidung und drängt Ney zur Einnahme von La Haye Sainte, damit er endlich gefahrlos einen entscheidenden Angriff auf Wellingtons Zentrum durchführen kann. Starke Artillerieund Kavalleriekräfte sowie ein Infanterieregiment und Pioniertruppen unter der persönlichen Führung Neys führen zum Ende des Widerstandes. Barings angeordneter Rückzug der letzten Verbliebenen und ihre Aufnahme in Wellingtons Formation ist aber in erster Linie darauf zurückzuführen, dass sie für ihre „Baker Ri-
Literaturtipps Peter Hofschröer: The Waterloo Campaign – The German Victory, London 1999. Brendan Simms: Der längste Nachmittag. 400 Deutsche, Napoleon und die Entscheidung von Waterloo, München 2014.
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fles“ keine Munition mehr haben und jene der Linientruppen aufgrund eines selteneren Kalibers nicht benutzen können. Zudem sind Barings Truppen auf nur noch 42 einsatzfähige Soldaten zusammengeschmolzen. Wie sehr der Tag an seinen Nerven zehrt, wird auch in seiner Beschreibung der Schlacht deutlich: „Die Division, welche schrecklich ermüdet war und unendlich gelitten hatte, blieb die Nacht über auf dem Schlachtfelde liegen, und mir waren von den 400 Mann, womit ich die Schlacht eröffnet hatte, nicht mehr als 42 übrig geblieben. Nach wem ich auch fragen mochte, die Antwort lautete: todt! – verwundet! – ich gestehe frei, dass mir die Thränen unwillkürlich aus den Augen drangen über diese Nachrichten (…)“. So spricht kein nüchterner Feldherr. So spricht ein fürsorglicher Kommandeur, der über den Verlust seiner Kameraden trauert – im Wissen, dass er und seine Männer alles Notwendige getan haben. Erst danach kommt wieder die Besinnung auf den weiteren Auftrag: „Nachdem etwas gekocht war und die Leute sich nur einigermaßen erholt hatten, bra-
chen wir von dem Schlachtfelde zur Verfolgung des Feindes auf.“ Es ging also weiter. Bei einer Bewertung des Führungsverhaltens Barings und des Weiterkämpfens seiner immer weniger werdenden Männer ist festzustellen, dass sie professionell so lange aushielten und kämpften, solange eine begründete Aussicht auf Erfolg bestand. Keiner wurde „verheizt“. Im Gegenteil: Viele opferten sich freiwillig für ihre Kameraden. Ihre Loyalität gegenüber ihrer Führung war nicht erzwungen, sondern basierte auf Vertrauen: „Nichts konnte indeß den Muth unserer Leute beugen (…) Dies sind die Momente, wo man fühlen lernt, was der Soldat einer dem anderen ist, was eigentlich das Wort Kamerad in sich fasst“ – so Baring. Ihr Standhalten über mehrere Stunden legt einen wesentlichen Grundstein dafür, dass Napoleon bei der Entscheidungsschlacht von Waterloo die Zeit zerrinnt. ZUR ERINNERUNG: Das Ehrenmal in Plancenoit bei Waterloo für die preußischen Gefallenen unter Blücher. Foto: picture-alliance/dpa©dpa-Bildarchiv
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Titelgeschichte | Waterloo 1815 BERÜHMTER ELITEVERBAND: Hochgewachsener Grenadier der „Alten Garde“ Napoleons („Vieille Garde“) mit der charakteristischen Fellmütze. Abb.: picture-alliance/akg-images
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Die Armeen und ihre Ausstattung
Trügerischer Schein 1815: Die bunten Uniformen und blank polierten Waffen der verfeindeten Heerscharen können nicht darüber hinwegtäuschen: Die Ausstattung der Soldaten hat sich seit Jahrzehnten kaum verbessert und weist erhebliche Defizite auf. Von Gerhard Bauer
Veränderte Kriegführung über Kampfgeist, nicht aber über die Kampferfahrung ihrer Landsleute in der „King’s German Legion“. Wellingtons britische und alliierte Armee soll zusammenwirken mit einer preußischen Armee unter dem Oberkommando von Blücher. Die Qualität der preußischen Truppen variiert sehr stark. Blüchers Streitmacht setzt sich aus Kerntruppen zusammen, aber auch aus kurz zuvor aus ehemaligen Freiwilligenverbänden formierten Regimentern. Auch ehemalige „Rheinbündler“ unterstehen Blücher. Es handelt sich um westfälische und
Auf französischer Seite versucht man seit der erneuten Thronbesteigung Napoleons, die Nation gegen eine befürchtete Invasion der alliierten Mächte zu rüsten. Doch es fehlen die Zeit und die Mittel, um die „Grande Armée“ in ihrem alten Glanz wiedererstehen zu lassen. Wichtiger ist, rasch alle waffentauglichen Männer zu mobilisieren, feldtaugliche Bekleidung, Waffen und Pferde zu beschaffen. In den mehr als 20 Jahren seit dem Beginn der Revolution und von Napoleons Herrschaft hat sich die Kriegführung radikal ver-
Schlechte Ausrüstung An ihrer Seite stehen ungeübte und schlecht ausgerüstete niederländische und hannoversche Verbände. Im erst seit 1814 bestehenden niederländischen Heer dienen zahlreiche ehemalige Soldaten der französischen „Großen Armee“. Ungewiss ist, wie solide der Zusammenhalt seiner belgischen und holländischen Anteile ist. Die Truppen des jungen Königreichs Hannover verfügen zwar
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IMPOSANTER ANBLICK: Kanonier einer preußischen reitenden Batterie, ausgestattet mit britischem TarletonHelm, 1815.
RÜCKGRAT DER ARMEE: Musketier der preußischen Infanterie in Felduniform mit Hieb- und Feuerwaffe, 1808–1815.
MIT MANTEL: Grenadier des 1. Regiments Grenadiere zu Fuß der Kaiserlichen Garde in der vermutlich am 18. Juni 1815 getragenen Felduniform.
LEICHT MODIFIZIERT: Grenadier der französischen Linieninfanterie in der laut Vorschrift von 1812 ausgegebenen Uniform, 1812–1815.
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Zeichnungen (4): Gerhard Bauer 2015
E
s ist das schaurige „Schauspiel“ einer arrangierten Feldschlacht. Der Ablauf des Schlachtaufmarschs bei Waterloo erinnert an das ritualisierte „Kriegstheater“ des 17. und 18. Jahrhunderts: Beide Parteien lassen ihre Truppen unter Musik und mit wehenden Fahnen auf ihre Positionen rücken. Am Ende der Epoche entfaltet die napoleonische Kriegsmacht letztmalig ihre martialische Pracht. Leutnant Jacques-François Martin erlebt diese Momente auf der französischen Seite: „Seit dem Morgen hatte es wieder aufgeklart, und jetzt überglänzte prachtvoller Sonnenschein die Linien der Krieger und ließ ihre Waffen blitzen. Es war ein Schauspiel von besonderer Großartigkeit. Die Bajonette, Helme und Kürasse funkelten, im leichten Wind wogten die drei Farben der Fahnen, Standarten und Wimpel der Lanciers; die Trommler trommelten und die Trompeter bliesen (…).“ Die Armeen der Kriegsparteien unterscheiden sich in ihrer Gliederung und Bewaffnung nicht von denen der vorhergehenden zwei Jahrzehnte. Und insgesamt befinden sich die Streitmächte von 1815 bei Waterloo nicht in bester Verfassung. Die Armee des Herzogs von Wellington verfügt über einen kleinen Kern kampferprobter britischer Regimenter, darunter Einheiten der „King’s German Legion“. Dazu kommen Braunschweiger und Nassauer, die bis 1814 auf gegnerischen Seiten gekämpft hatten.
bergische Regimenter. Es sind auch solche darunter, die den früheren französischen Rheindépartements entstammen. Teile des sächsischen Kontingents, das im Ergebnis des Wiener Kongresses zur Hälfte der preußischen Armee zugeschlagen werden soll, meutern in Lüttich.
Titelgeschichte | Waterloo 1815 ändert. Die Bewaffnung und Ausrüstung der europäischen Heere jedoch befindet sich 1815 noch auf dem Stand des Zeitalters der „Kabinettskriege“. Die Gründe für diesen Stillstand sind vielfältig. Neu- oder Weiterentwicklungen sind teuer und zeitraubend. Zudem ist es unmöglich, die für die wachsenden Heere herangezogenen Konskribierten langwierig auszubilden. Die Waffen der nicht spezialisierten Truppengattungen müssen also einfach zu bedienen sein. Innovationen gibt es kaum, sieht man von Einsätzen von Raketenartillerie bei der Royal Navy und durch Batterien der Royal Horse Artillery ab. Ansonsten verfügt die Artillerie meist über bereits im 18. Jahrhundert eingeführtes Gerät. In der Regel unterteilt sie sich in die Feldartillerie zu Fuß und zu Pferd, in Belagerungs-, Festungs- und Küstenartillerie. Bei Waterloo setzen beide Seiten berittene Batterien und Batterien der Fußartillerie ein.
Kaum Neuerungen Die treffsicherste Feuerwaffe der Infanterie ist die Jägerbüchse mit gezogenem Lauf. Büchsen sind allerdings teuer und ihr Gebrauch erfordert Übung. Deshalb sind sie nur bei Formationen zu finden, die man heute als „Spezialeinheiten“ bezeichnen würde. Auch in deutschen Armeen gibt es mit Büchsen bewaffnete Truppenteile. Preußische Jägerbataillone verfügen zum Beispiel über Büchsen, die „Grande Armée“ hingegen führt keine ein. Standardwaffe der französischen Fußtruppen ist stattdessen eine glattläufige Muskete des Modells 1777, auch bekannt als „Charleville“. Sie schießt recht ungenau, ist aber einfach zu handhaben. Glattläufige Musketen sind allgemein die Standardwaffen der Infanterie aller Kriegsparteien. Modelle mit kürzerem Lauf sind bei der Artillerie und den Dragonern in Gebrauch. Die Bewaffnung der Reiterei besteht aus einer Kombination von Handfeuerwaffen und Blankwaffen. Die schwere Kavallerie führt eine Muskete, ein Paar Pistolen und einen Pallasch („Reiterdegen“) mit gerader Klinge. Die leichte Kavallerie ist mit Karabiner, Pistolen und einem Säbel mit gebogener Klinge bewaffnet. Ulanen tragen zusätzlich eine Lanze als Hauptwaffe.
Literaturtipps Eckart Kleßmann (Hg.): Die Befreiungskriege in Augenzeugenberichten, München 1973. Georg Ortenburg (Hg.): Heerwesen der Neuzeit, Abt. III, Bd. 1, Waffe und Waffengebrauch im Zeitalter der Revolutionskriege.
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STANDHAFT: General Pierre Cambronne und Angehörige der „Alten Garde“ während ihres verzweifelten Kampfes bei Waterloo. Abb.: ullstein bild – Roger Viollet
In der Zeit zwischen Napoleons erster Abdankung im Frühjahr 1814 und seiner Rückkehr von Elba gibt es in vielen Staaten Projekte für Neuuniformierungen. Große Veränderungen sind bis zum Beginn der „Hundert Tage“ allerdings nicht umsetzbar. Die Grundformen der Uniformierung gleichen sich in allen Armeen: Über der Unterbekleidung trägt man eine „Veste“, das heißt eigentlich eine gewöhnlich weiße, einreihig geknöpfte Jacke, dazu Kniebundhosen, Strümpfe und derbe Schnürschuhe bei den Fußtruppen beziehungsweise Stiefel bei den berittenen Truppen. Nur leichte Kavalleristen tragen enge Reithosen zu kurzen Stiefeln. Bei den Fußsoldaten verschwinden die Strümpfe unter meist knielangen schwarzen Gamaschen. Über diese Beinbekleidung wird zum Felddienst eine lange Leinenhose gezogen. Angehörige der berittenen Truppen tragen entweder lederne Kniehosen, oder lederbesetzte, lange Überknöpfhosen. Die Oberbekleidung weist durch Farbe und Schnitt einen Soldaten als Angehörigen eines bestimmten Truppenteils aus. Am weitesten verbreitet sind ein- oder zweireihig geknöpfte Röcke oder sogenannte „Spenzer“, deren Brustrabatten vom Hals bis zur Taille zusammengehakt sind. Die Oberbe-
kleidung der Husaren und husarisch uniformierter Truppenteile setzt sich aus einer „Dolman“ genannten kurzen Jacke und einem gleichartigen, pelzverbrämten Kleidungsstück zusammen. Es gibt zahlreiche weitere Typen von Uniformröcken, die oft nur geringfügig von den beschriebenen Varianten abweichen.
Sichtbares Elitekennzeichen Die Silhouette des Soldaten wird stets geprägt von seiner Kopfbedeckung. Bei Waterloo sind nahezu alle in den Napoleonischen Kriegen entwickelten Arten von Kopfbedeckungen bei den verschiedenen Armeen in Gebrauch. Es gibt nur wenige „Alleinstellungsmerkmale“, darunter Schirmmützen mit oder ohne Überzug, die bei Preußen, Briten, Hannoveranern und Niederländern von vielen Feldoffizieren anstelle von Zweispitzen oder Tschakos getragen werden. Fellmützen etwa gelten als Elitekennzeichen und finden sich sowohl bei Fuß- als auch bei berittenen Truppenteilen. Bei letzteren, zumal bei Dragonern und Kürassieren, sind Leder- und Eisenhelme in Gebrauch. Diese sind zum Dekor, aber auch als zusätzlicher Hiebschutz oft mit Bügeln, Woll- oder Fellraupen oder – bei den Preußen – mit Rosshaarbürsten versehen.
Klar, Uwe / Vogel, André
„Exotische“ Schotten Die seltsamste Kopfbedeckung der Epoche ist zweifelsohne die aus Polen stammende „Tschapka“. Sie ist vor allem bekannt als Kopfbedeckung der Lanzenreiter – der „Ulanen“ der europäischen Heere. 1812 erscheint eine neue Uniformvorschrift für das französische Heer. Sie sieht eine einfache und weitgehend standardisierte Bekleidung vor. Bis zur ersten Abdankung Napoleons wird davon wenig umgesetzt. Erst während der Ersten Restauration werden die 1812 vorgeschriebenen Uniformen verstärkt ausgegeben. Als nach der Rückkehr Napoleons von Elba die französische Armee auf Kriegsstärke gebracht wird, sind viele improvisierte Monturen zu sehen.
Die Infanterie der „Alten Garde“ setzt sich aus Grenadieren und Jägern zu Fuß zusammen. Diese Eliteformationen treten nicht in ihrem legendären Paradeanzug zur Schlacht an, sondern in der Feldzugsuniform („Tenue de Campagne“). Auf den Köpfen sitzen Grenadiermützen mit metallenem Stirnschild und rotem Deckel.
Noch weniger als die französische Uniformierung hat sich seit dem Beginn der Napoleonischen Epoche die Bekleidung der britischen Armee gewandelt. Das Gros der britischen Armee marschiert in Scharlachrot. Die roten Röcke der Infanterie sind mit regi-
Aus dem „Bericht über die Schlacht bei Waterloo“ von Sergeant Robertson (britischer Unteroffizier)
IM ROTEN UNIFORMROCK: Englische Soldaten, hier Dragoner, im Jahr 1815. Abb.: Archiv CLAUSEWITZ
Clausewitz 3/2015
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Schlichtheit und Strenge
„Überall flohen die Franzosen, warfen Tornister und Gewehr und alles, was lästig war oder ihre Flucht behinderte.“
Die französischen Uniformen, die besonders mit dem Drama von Waterloo assoziiert werden, sind die der Kürassiere und der Infanterieregimenter der „Alten Garde“. Die Kürassiere tragen im Juni 1815 knappe, einreihig geknöpfte blaue Röcke mit kurzen Schößen und roten Fransenepauletten zu grauen oder beigefarbenen Reithosen und hohen Stiefeln. Ihre Schutzbewaffnung aus Brust- und Rückenpanzer und Bügelhelm mit Fellturban und Rossschweif verleiht den Kürassieren ein unverwechselbares Aussehen.
Brennpunkt „Ostwall“
mentsweise unterschiedlichen Litzen und Tressen auf Brust und Ärmelaufschlägen verziert. Die schottischen Infanterieregimenter sind die Exoten der britischen Fußtruppen. Sie kombinieren ihre roten Uniformröcke mit regimentsweise unterschiedlich gemusterten Kilts zum „Highland Dress“. Die Ausstattung der preußischen Truppen zeugt von den entbehrungsreichen Jahren der französischen Besatzung und den Belastungen durch die Teilnahme an den Feldzügen seit 1812. Die Farbigkeit der altpreußischen Streitmacht von 1806/07 ist seit 1808 Schlichtheit und Strenge gewichen. Das kennzeichnende Bekleidungsstück ist ein zweireihig geknöpfter kurzschößiger Uniformrock, blau für Fußtruppen, Ulanen und Artillerie, mittelblau für Dragoner und weiß für Kürassiere. Nur die Husarenregimenter stechen mit ihren farbenfrohen Dolmanen und Pelzen daraus hervor. Preußische Kürassiere und Dragoner tragen hohe Lederhelme mit Bügel und Rosshaarraupe. Die anderen Truppengattungen sind meist mit dem Tschako von 1808 ausgestattet, der oft unter einem Wachstuchüberzug verborgen ist. Daneben existieren französische Beutestücke, von denen es nach dem „Napoleonischen Waterloo“ auf dem mit Blut getränkten Schlachtfeld eine besonders große Zahl gegeben haben dürfte. Dr. Gerhard Bauer, Jg. 1963, als Historiker Sachgebietsleiter „Uniformen/Feldzeichen“ und Kurator am Militärhistorischen Museum der Bundeswehr in Dresden.
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Militär und Technik | Medium Tank M4 „Sherman“
Meistgebauter US-Panzer des Zweiten Weltkrieges
„Massenware“ mit 1942–1945: Die einen nennen ihn den „Panzer, der den Krieg gewann“, die anderen eine „unzulängliche Konstruktion“. Fest steht: Der amerikanische „Sherman“ bildet das Rückgrat der alliierten Panzertruppen im Zweiten Weltkrieg. Von Ulrich Pfaff
B
ei Kriegsausbruch 1939 verfügt das Deutsche Reich über eine moderne Panzerwaffe. Um den bestehenden Rüstungsrückstand aufzuholen, setzen in den USA fieberhafte Aktivitäten ein – denn es scheint klar, dass sich die amerikanische Industriemacht über kurz oder lang nicht aus dem sich ausweitenden Konflikt heraushalten kann. Auf dem Weg zu einem modernen, mittelschweren und gepanzerten Gefechtsfahrzeug, das von der US-Industrie schnell in großer Zahl hergestellt werden kann, hat bereits 1936 das Modell T5 den ersten Schritt markiert. Dieses wurde 1938 als
„Medium Tank M2“ standardisiert, der jedoch noch immer einen unzureichenden Entwurf darstellt.
Forderung nach 75-mm-Geschütz Erst mit dem zur Jahreswende 1940/41 innerhalb kürzester Zeit entworfenen und auf dem M2-Fahrgestell basierenden „Medium Tank M3“ (mit einem 37-mm-Geschütz in einem Drehturm und einem 75-mm-Geschütz rechts in der Wanne) besitzen die USA ein gepanzertes gefechtsfeldtaugliches Kampffahrzeug. Denn die 75-mm-Kanone stellt eine der Hauptforderungen der neu aufgestellten US-Panzerstreitkräfte dar: Ziel ist
MASSENPRODUKTION: Die hohen Stückzahlen erlaubten es den USA, „Sherman“Panzer an Verbündete in großem Umfang abzugeben. Auch die 2. Französische Panzerdivision wurde in Frankreich 1944 mit Panzern dieses Typs ausgerüstet. Foto: SZ Photo/Süddeutsche Zeitung Photo
SPÄTERE VERSION: „Sherman M4A1“ mit modifizierter Gusswanne mit integrierten Luken für Fahrer und Wannen-Schützen sowie dem 76-mm-Geschütz im größeren Foto: Autor „T23“-Turm.
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Durchschlagskraft
es, im Falle einer möglichen Konfrontation mit deutschen Kräften in Europa eine adäquate Hauptkampfwaffe gegen die Panzer III und IV mit 50-mm- und 75-mm-Geschützen zu besitzen. Dieser „Medium Tank M3“ ist jedoch von vornherein als Zwischenlösung zu sehen – und zwar zu einem Gefechtsfahrzeug mit einem um 360 Grad drehbaren Turm und darin eingebauter wirkungsvoller Kanone. Denn das M2-Geschütz des erwähnten M3, basierend auf dem vielseitigen französischen Feldgeschütz M1897, kann lediglich einen begrenzten Seiten-Schwenkbereich abdecken. Ein weiterer Nachteil des Geschützeinbaus in der Oberwanne ist der daraus resultierende hohe Aufbau des Fahrzeugs: Es be-
Clausewitz 3/2015
sitzt zusätzlich einen zwar voll drehbaren Turm, dieser jedoch ist lediglich mit einer 37mm-Kanone bewaffnet und somit zur Bekämpfung feindlicher Panzerfahrzeuge bereits 1940 ungeeignet.
Böse Überraschung für Rommel Der M3 geht im Frühjahr 1941 in Produktion und kommt in seiner britischen Version – bekannt als „General Grant“ mit einem flacheren, breiteren Turm – zum ersten Mal Mitte 1942 in Nordafrika zum Einsatz. Dabei versetzt er trotz seiner konstruktionsbedingten Nachteile des „Lückenbüßers“ dem deutschen Gegner während der „GazalaSchlacht“ einen regelrechten Schock: „Die Briten hatten eine Überraschung für uns, die nicht zu unserem Vorteil war: die
neuen Grant-Panzer“, schreibt „Wüstenfuchs“ Erwin Rommel nach Hause. Die Feuerkraft der „Grants“ mit dem 75-mm-Geschütz stellt alles in den Schatten, was die Briten bisher in Nordafrika den deutschen Panzern entgegenstellen konnten. Aber der größte Nachteil des M3 sorgt für hohe Verluste: seine Bauhöhe. So können die Fahrzeuge ihr Hauptgeschütz nur aus flachen Deckungen heraus abfeuern, die mehr als die Hälfte des gesamten Panzeraufbaus feindlichem Feuer aussetzen. Und die vernietete Panzerung bietet keinen ausreichenden Schutz gegen Beschuss aus den 50-mm-Kampfwagenkanonen (KwK) 38/L40 und 39/L60 des Panzer III – vom Panzer IV mit seiner langen 75-mmKwK 40 ganz zu schweigen.
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Militär und Technik | Medium Tank M4 „Sherman“
HÄRTETEST: Panzer vom Typ „Sherman M4” während eines Wüstenmanövers in Kalifornien, Oktober 1942. Foto: picture-alliance/akg-images
Doch bei Einführung des M3 sind die Würfel für den „Sherman“ längst gefallen: Der „Medium Tank M4“ als Nachfolger des M3 soll das Rückgrat der alliierten Panzerverbände im Kampf gegen NS-Deutschland bilden. Dabei handelt es sich um ein Panzerfahrzeug, dessen technisches Layout eine Fertigung großer Stückzahlen in hohem Tempo ermöglicht und das den US-Panzer-
TECHNISCHE DATEN
verbänden vor allem eines sichern soll: Mobilität auf dem Schlachtfeld und bei Durchbruchsoperationen. Bereits im März 1941 hat das U.S. Ordnance Department – nach Fertigstellung der M3-Serie – mit den Arbeiten an deren Nachfolger begonnen. Im April sind fünf Prototypen vorhanden, von denen der „Medium Tank T6“ für die Panzerstreitkräfte wegen seiner unkompli-
M4A3
Wannenlänge mit Kanone 6,22 Meter Breite 2,62 Meter Höhe 2,74 Meter Gefechtsgewicht 29,72 Tonnen Motorleistung 500 PS bei 2.600 U/min Hubraum 18.020 cm³ Höchstgeschwindigkeit 42 km/h Munition für Hauptbewaffnung (Geschütz 75 mm M3 L/37,5) 97 Schuss Munition für Nebenbewaffnung (1 MG M1919A4 Kal. .30 koaxial, 1 M1919A4 in der Bugwanne) 4.750 Schuss Panzerung Wanne vorn 51 mm Panzerung Wanne seitlich 38 mm Panzerung Wanne hinten 38 mm Panzerung Wanne oben 19 mm
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GROßES KALIBER: „Sherman M4A3“ mit 105-mm-Haubitze. Dieses Fahrzeug ist als rollende Artillerieunterstützung der Panzerverbände gedacht. Foto: Autor
zierten Konstruktion ausgewählt wird: Im Oktober 1941 wird das Design als „Medium Tank M4“ standardisiert. Produktionsbeginn soll im Frühjahr 1942 sein.
Berühmter Namenspatron Unter der Bezeichnung „Sherman“, benannt nach Nordstaaten-General William T. Sherman (1820–1891), entsteht eine ganze Baureihe. Bedingt durch die produktionstechnischen Kapazitäten der US-Industrie müssen verschiedene Modelle parallel gefertigt werden, damit die erforderlichen Stückzahlen erreicht werden. Nicht alle Zulieferer sind in der Lage, gleiche Teile herzustellen. So ergeben sich unterschiedliche Formen der Oberwanne und verschiedene Motorisierungen. Allen Typen gemeinsam ist das Fahrwerk, das aus jeweils drei Laufrollenwagen mit zwei Laufrollen, einer Rücklaufrolle und einem Antriebsrad im Vorderwagen besteht – ein charakteristisches Merkmal aller „Shermans“ der ersten Serien, ebenso wie der runde gegossene Turm mit dem 75-MillimeterGeschütz M3, einer Weiterentwicklung des M2 aus dem „Medium Tank M3“. Der Turm verfügt über einen hydraulisch-elektrischen Antrieb, das Geschütz über einen gyroskopi-
Großer Variantenreichtum
NEU: Gut erkennbar die zusätzlich aufgeschweißte Panzerung an den Seiten der Oberwanne im Bereich der Munitionslagerung. Dieses Fahrzeug ist ausgestattet mit den sogenannten T48-Ketten. Foto: Autor
„SHERMAN“ M4A1: Erkennbar an der abgerundeten (gegossenen Oberwanne); dieses restaurierte Fahrzeug ist markiert als ein Panzer der 7th US Armored Division, 31st Tank Battalion. Foto: Autor
WANDLUNGSFÄHIG: Auf dem Fahrgestell des Sherman entstanden etliche gefechtsund Unterstützungsfahrzeuge wie etwa der anglo-kanadische „Sexton”, eine Selbstfahrlafette mit 25-Pfünder-Geschütz. Foto: Autor
schen Stabilisator, der bei einer Fahrgeschwindigkeit bis 15 Meilen pro Stunde eine Abweichung von nur 1/8 Grad zulässt. Fünf Mann Besatzung sind vorgesehen: Kommandant und Richtschütze rechts im
weist sich damit als das passende „Gerät“ für die Kriegsschauplätze von Nordafrika bis zum Pazifik. Auf der Strecke bleiben allerdings Panzerschutz für die Besatzung und Wirksamkeit der Hauptbewaffnung: Beides
auf dem Schlachtfeld rankt sich eine Anekdote: Im Juni 1942 erlebt die britische 8. Armee in Nordafrika ein Desaster, das in der Einnahme der libyschen Hafenstadt Tobruk durch deutsche Verbände gipfelt. Das Gefecht dauert nur einen Tag und beendet die über ein Jahr währende Belagerung Tobruks durch das Afrikakorps. Der britische Premierminister Winston Churchill weilt zu diesem Zeitpunkt gerade in den USA zu Konsultationen mit Präsident Roosevelt. Als Churchill dort das Telegramm mit der Hiobsbotschaft aus Afrika erhält, bietet Roosevelt sofort direkte Hilfe an, was es auch sei. „Geben Sie uns so viele Ihrer neuen ,Sherman’-Panzer, wie Sie entbehren können“, soll Churchill gesagt haben. Die Folge: Rund 300 eilig zusammenge-
„In mechanischer Haltbarkeit und einfacher Wartung sind unsere Panzer jedem anderen Panzer auf dem Kriegsschauplatz grenzenlos überlegen." US-General George S. Patton über den „M4 Medium Tank“ im Milwaukee Journal vom 27. März 1945
Turm, Ladeschütze links, Fahrer und Beifahrer (der das rechts in der Wanne untergebrachte Bug-MG bedient). OberwannenForm und Antrieb sind die Erkennungsmerkmale der verschiedenen Varianten. Der M4 hat eine Oberwanne aus verschweißten Stahlplatten und wird ebenso wie der M4A1 mit seiner gegossenen Oberwanne von einem Neun-Zylinder-Sternmotor des Modells Wright Whirlwind, einem Flugzeugmotor, angetrieben. Der M4A2 hingegen hat einen Dieselmotor, der aus zwei gekoppelten Sechszylindern besteht, im M4A4, der ausschließlich im Rahmen des „Lend-Lease-Abkommens“ an Amerikas Alliierte, vor allem Großbritannien und Kanada, geliefert wird, versieht eine komplexe Konstruktion aus fünf Sechszylinder-Lkw-Motoren mit gemeinsamer Kurbelwelle ihren Dienst. Der M4A3 hingegen ist der erste „Sherman“, der über einen speziell für den Panzerantrieb konstruierten Ford-V8 verfügt. Er wird zur Hauptvariante der U.S. Army.
sind Nachteile, die im Laufe der Serie durch Nachbesserungen gemindert werden können, ohne aber jemals vollständig abgestellt zu werden. Um das Debüt des „Sherman“
Debüt auf dem Schlachtfeld Der „Sherman“ gilt als typisches Produkt der amerikanischen Konstrukteurs-Tugenden: Robust, einfach zu bedienen und weitgehend von der Crew selbst zu warten. Er er-
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VORGÄNGER: Der „M3 Grant” markierte den ersten einsatzfähigen Kampfwagen aus US-Produktion auf dem Weg zum „Sherman”. Er kam in Nordafrika ab 1942 zum Einsatz, bis der „Sherman” für die Briten in größeren Stückzahlen verfügbar war. Foto: Autor
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Militär und Technik | Medium Tank M4 „Sherman“ suchte M4, M4A1 und M4A2 werden nach Ägypten verschifft und kommen im August dort an. Der Weg des „Sherman“ auf das Schlachtfeld ist frei. Bei seiner Gefechts-Premiere – im Oktober 1942 bei der Schlacht von El Alamein – setzt die britische 8. Armee vorwiegend die frisch gelieferten Typen M4A1 und M4A2 ein. Dort erweist sich der „Sherman“ den deutschen Standardpanzertypen dieser Zeit, den Panzern III und IV, als zumindest ebenbürtig in der Feuerkraft. Er ist damit für die gegen Rommels Afrikakorps in puncto Panzerausrüstung nach wie vor unterlegenen Briten eine echte „Moralspritze“. Denn das 75-mm-Geschütz kann im Gegensatz zur britischen Standard-Panzerkanone, der rasanten 2-Pfünder (40 mm), sowohl Panzergranaten als auch Explosivgranaten verschießen und damit wirkungsvolle Infanterieunterstützung leisten. Hingegen kann der „Sherman“ den Briten nur wenig Zugewinn beim Panzerschutz bieten: Die deutschen Panzergeschütze, aber vor allem die 75-mm-Panzerabwehrkanonen, können die aus einem Stück gegossenen Oberwannen der M4A1 problemlos frontal durchschlagen (die geschweißten Oberwannen des M4 sind nur wenig widerstandsfähiger). Aber immerhin haben die Alliierten nun einen Panzer im Einsatz, der mit hoher Mobilität und adäquater Gefechtsfeldtauglichkeit den Anschluss wieder herstellt. Und: Er ist in großen Stückzahlen verfügbar.
Schwachpunkt Panzerung Im Laufe der nächsten beiden Jahre soll sich das Blatt jedoch wieder wenden: Mit der Einführung von „Tiger“ und „Panther“ auf deutscher Seite verliert der „Sherman“ erheblich an Gefechtswert. Sein 75-mm-Geschütz kann die Panzerungen dieser schlagkräftigen Gegner, die zunächst in Tunesien („Tiger“) und Italien („Panther“) in zuneh-
INNENANSICHT: Blick durch die Ladeschützen-Luke in den Turm eines „Sherman M4A1“ mit 76-mm-Geschütz. Am unteren Bildrand erkennbar der Sitz des Ladeschützen, oben Mitte der Platz des Richtschützen. Foto: Autor
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SONDERVERSION: Deutsche Soldaten in der Normandie an einem ausgeschalteten britischen „Sherman M4A4“, der als Befehlspanzer diente. Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo
mender Stückzahl auftauchen, nur unter optimalen Bedingungen durchdringen. Dagegen bleibt seine eigene stets sein Hauptschwachpunkt. Wiederum sind die Fahrzeuge der M4-Serie bei ihren Besatzungen
aber ist dieser Kombination keiner der deutschen Panzer gewachsen, nicht einmal der „Tiger I“. Amerikaner, Briten, Kanadier, Franzosen und Polen, die in Westeuropa gegen die deutschen Truppen kämpfen, entwickeln eine besondere Taktik im Gefecht gegen die überlegenen gegnerischen Panzer: Sie versuchen, ihre „Shermans“ hinter den Feind zu manövrieren oder ihn von der verwundbareren Flanke zu beschießen – das Motto lautet: Für einen „Panther“ braucht es vier „Shermans“. Der Vorteil der Alliierten liegt letztlich in der vermeintlich unbegrenzten Verfügbarkeit von Ersatz-Fahrzeugen. Doch die Verluste unter den Panzercrews sind ebenfalls hoch. Der „Sherman“ neigt bei Treffern zu schneller Explosion, was ihm unter den USSoldaten den Spitznamen „Ronson“ einbringt, den Namen einer Feuerzeugmarke. Der deutsche „Landser“ ist da noch sarkastischer und bezeichnet den „Sherman“ schlichtweg als „Tommykocher“.
Stetige Verbesserungen Im Verlauf der Kämpfe in Italien und Frankreich 1943/44 fließen stetig Verbesserungen in die „Sherman“-Serie ein. Zuerst werden an besonders gefährdete Stellen an Wanne und Turm zusätzliche Panzerungen aufgeschweißt. Auch fallen die Sehschlitze weg.
„Die hohe Beweglichkeit des M4 ermöglicht es ihm in der Regel, die langsamen und schwerfälligen TigerPanzer zu umfahren und, anstatt sich auf ein frontales Gefecht einzulassen, ihn von hinten anzugreifen.“ US-General George S. Patton über den „M4 Medium Tank“ im Milwaukee Journal vom 27. März 1945
wegen ihrer Zuverlässigkeit, Geschwindigkeit und Geländegängigkeit beliebt – auch wenn sie auf feuchtem Untergrund wegen der relativ schmalen Ketten zum Festfahren neigen. Den Nachteil der Bewaffnung versucht man auf amerikanischer Seite mit dem Einbau eines langen 76-mm-Geschützes auszugleichen. Doch gilt diese M1A2-Kanone als nur wenig durchschlagskräftiger als ihre Vorgängerin und ist beim Verschießen der High-Explosive-Granaten sogar weniger effektiv. Mehr Erfolg haben die Briten mit einer eigenen Konstruktion: Sie adaptieren das gefürchtete 17-Pfünder-Panzerabwehrgeschütz (76,2 mm) für den „Sherman“-Turm – das Geschütz ist von den Einbaumaßen her so mächtig, dass die Funkanlage aus dem rückwärtigen Teil des Turmes in eine gepanzerte Kiste außerhalb verlegt werden muss. Dafür
Dafür gibt es für Fahrer und Beifahrer Winkelspiegel. Die Form der Frontpanzerung wird geändert: Die späteren Modelle haben keine aufgeschweißten Hauben für Fahrer und Beifahrer mehr, sondern einen stärker geneigten, glatten Bug. Das ehemals dreiteilige Getriebegehäuse – eingesetzt vor allem bei den frühen M4, M4A1 und M4A4 – wird nun bei allen Modellen Zug um Zug durch ein einteiliges Gussteil mit schrägerem Winkel ersetzt. Die Munitionslagerung als Hauptursache für die schnelle Explosion beschossener Fahrzeuge wird verbessert: Die Boxen für die Granaten erhalten eine flüssigkeitsgefüllte Ummantelung. Das ursprüngliche Laufwerk mit vertikaler Federung wird ab Ende 1944 durch eines mit horizontal gefederten Laufrollenwagen und wesentlich breiteren Ketten ersetzt. Bereits vor dem Einbau des
Wichtige Kampfwertsteigerungen RAKETENWERFER: Ein T34 „Calliope“ (benannt nach dem Musikinstrument Calliope/Dampforgel) der U.S. Army auf Basis eines M4 „Sherman“ passiert auf einer Behelfsbrücke einen Fluss, Westfront 1945. Foto: picture-alliance/ Usis-Dite/Leemage
M1A2-Geschützes, die eine neue Form des Turmes (als „T23“ bezeichnet) erfordert, wird eine Luke für den Ladeschützen geschaffen. Sie ermöglicht ein schnelleres Ausbooten. Die Panzercrews aller Nationen ergreifen bereits frühzeitig eigene Maßnahmen, um die unzureichende Panzerung „aufzuwerten“: Vom Schlachtfeld geborgene Kettensegmente werden auf Wanne und Turm aufgeschweißt, Sandsäcke in stählernen Käfigen befestigt. Gegen Hohlladungen aus Panzerfäusten sollen Drahtgitter und Telegrafenmasten an den Wannenseiten helfen. Die Russen greifen sogar zu Bettgestellen, weil sie sich von den Sprungfedern eine Abwehr von Panzerfaust-Projektilen versprechen. US-General George S. Patton soll sich Ende 1944 beschwert haben, seine Panzer sähen aus wie rollende Müllkippen. Zusätzlich zu den Standard-„Shermans“ mit 75- und 76-mm-Geschützen werden
Literaturtipps R.P. Hunnicutt: Sherman – A History of the American Medium Tank. Presidio Press 1978 (nur noch antiquarisch erhältlich). Steven J. Zaloga: Sherman medium Tank 1942–45. New Vanguard 3, Osprey Publishing 1978.
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Fahrzeuge zu speziellen Zwecken umgerüstet. So entsteht durch Aufsetzen eines Mehrfachraketenwerfers ähnlich der berüchtigten russischen „Stalinorgel“ der „Calliope“. Als eine Art „Durchbruchsfahrzeug“ wird Ende 1944 eine kleine Anzahl von M4A3 mit 75und 76-mm-Geschützen von den Amerikanern mit erheblich verstärkter Panzerung aufgerüstet: Der „Jumbo“ soll so bei frontalen Angriffsoperationen im Zusammenspiel mit der Infanterie feindlichem Beschuss besser standhalten können. Auf Unterwannen von M4 und M4A3 setzen die Amerikaner einen umgerüsteten Turm mit 105-mm-Haubitze zur gepanzerten Artillerieunterstützung der Infanterie. Die Briten nutzen vor allem M4A4-Panzer, um durch Ausbau des Geschützes einen Befehlspanzer für vorgeschobene Artilleriebeobachter zu schaffen. Das Geschützrohr wird zur Tarnung durch ein Rundholz ersetzt.
„Nachkriegskarriere” „Shermans“ aus der Serienfertigung werden während des Zweiten Weltkriegs für alle denkbaren Sonderaufgaben umgerüstet: unter anderem als Minenräumpanzer mit einer Art Dreschflegel oder rollenden Stahlscheiben vor dem Bug, mit Räumschilden oder als Schwimmpanzer mit Schraubenantrieb und Segeltuchaufsatz in Form eines
Bootsrumpfs (DuplexDrive oder DD genannt). Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bleibt der „Sherman“ in seiner M4A3Version mit 76-mm-Geschütz weiter in der U.S. Army in Dienst. Er wird sogar noch im Koreakrieg 1950–1953 eingesetzt – obwohl sein Nachfolger, der M26 „Pershing“, bereits im Februar 1945 zum ersten Mal in Deutschland auf das Schlachtfeld rollte. Insgesamt erreicht der „Sherman“ eine Stückzahl von mehr als 49.000, eine der höchsten Produktionsziffern eines einzelnen Panzermodells überhaupt. Dazu kann man noch mehr als 15.000 Fahrwerke rechnen, auf denen die Panzerjäger vom Typ M10 und M36, die Panzerhaubitzen M7 und Bergefahrzeuge aufgebaut werden. Der „Sherman“ wird in zahlreichen Ländern weltweit eingeführt. Stärkster Nachkriegs-Nutzer ist die israelische Armee, in der er als M51 noch im Jom-Kippur-Krieg von 1973 eingesetzt wird – in einer kampfwertgesteigerten Version unter anderem mit 105-mm-Geschütz französischer Herkunft, die sogar dem T-55 russischer Herkunft Paroli bieten kann. Ulrich Pfaff, Jahrgang 1965, ist Redakteur und hat sich als freier Journalist unter anderem auf Militärgeschichte spezialisiert.
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Militärtechnik im Detail
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Illustration: Jim Laurier
Die sowjetische Maschinenpistole PPSh-41 D
Fotos: picture-alliance/akg-images
ie deutsche Invasion der Sowjetunion traf auf eine Rote Armee, die einen Mangel an Handfeuerwaffen zu beklagen hatte. Sie benötigte dringend eine Waffe auf diesem Gebiet, um wieder auf Augenhöhe mit der Wehrmacht zu sein. Sich an den Winterkrieg mit Finnland 1939/40 entsinnend, als die Finnen ihre Suomi KP/-31s gegen die Sowjets ins Feld führten, nutzte der Waffenkonstrukteur Georgi Schpagin die finnische MP als Basis für seine PistoletPulemjot Schpagina-41. Anders als ihr gut geformter Ahne war die ungeladen gut 3,6 Kilogramm wiegende PPSh (auch „PPSch“) eine gänzlich „proletarische“ Erscheinung. Sechs Millionen von ihnen haben improvisierte Fabriken vom belagerten Leningrad über Moskau bis hin zu den Rüstungsbetrieben in Kowrow nahe Schpagins Heimatstadt während des Krieges ausgespuckt. Bei Angriffen der Roten Armee bahnten PPSh-Schützen zu Fuß angreifenden Tanks, auf denen wiederum Kameraden mit PPSh-Maschinenpistolen aufgesessen waren, um den Feind sprichwörtlich niederzumähen, den Weg. An ganze Divisionen ausgegeben, an Partisanen verteilt, sogar unter Flugzeugen montiert funktionierte die Pe-Pe-Sha, wie die einfachen Soldaten sie liebevoll nannten, absolut zuverlässig. Ein Waffenexperte drückte es einmal spaßeshalber so aus: „Die PPSh war ein optimal funktionaler grober Klotz“.
„Klassenkampf“ Den hölzernen Kolben gab es aus Birkenholz zweier Qualitätsstufen.
Schussfeld Die allgegenwärtige sowjetische MPi spuckte Kugeln mit einer Feuergeschwindigkeit von 900 Schuss pro Minute. Beim Schießen verhielt sie sich, als wolle man mit einem Gartenschlauch zielen.
„Beidseitig“ nutzbar PPShs konnten die 9-mm-Munition der russischen Tokarew-Pistole sowie der deutschen Mauser-Pistole verschießen. Die Wehrmacht erbeutete, modifizierte und verwendete so viele PPSHs, dass sie sogar deutsche Gebrauchsanweisungen/Handbücher für sie druckte.
VERGLEICHBARE WAFFEN ANDERER NATIONEN:
Der Autor C.J. Chivers schrieb in seinem Werk „The Gun“, dass es bei Stalingrad (im Bild) und auch anderswo eben jene PPSh war, die „half, in der Roten Armee die Wertschätzung für eine vom Schützen bediente automatische Feuerwaffe zu festigen“.
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Japanische MPi Typ 100 Kaliber: 8 Millimeter Reichweite: zirka 110 Meter Gewicht: 3,8 Kilogramm Kadenz: 400 bis 800 Schuss/Minute Kompliziert, nicht genug Durchschlagkraft und schlecht ausbalanciert aufgrund ihres 30 Patronen fassenden gebogenen Magazins. Kriegsproduktion: 24.000–27.000 Stück
Finnische Suomi KP/-31 (M31) Kaliber: 9 Millimeter Reichweite: zirka 220 Meter Gewicht: 4,5 Kilogramm Kadenz: 750 bis 900 Schuss/Minute Genauer als die sowjetische MPi, für die sie Pate stand, aber teurer in der Herstellung. Kriegsproduktion: 80.000 Stück
Die ikonenhafte PPSh-Maschinenpistole unterstreicht das heroische Pathos an diesem Denkmal für die Schlacht von Stalingrad. Der PPSh-Konstrukteur Georgi Schpagin wurde mit dem Titel „Held der sozialistischen Arbeit“ und anderen Auszeichnungen Foto: picture-alliance/dpa belohnt.
„Fester Blick“ Genau bis zu 270 Meter hatte die PPSh ein fixiertes eisernes Visier, welches bei späteren Modellen durch eine verstellbare Version ersetzt wurde. Geringer Wartungsaufwand Ein Scharnier erlaubte den einfachen Zugang, um den Verschlussmechanismus und das Rohr zu reinigen. Die Chrombeschichtung des Laufes erlaubte es, auch sehr seltene Pflege zu überstehen.
In dieser Serie bereits erschienen: Kampfpanzer Sherman M4 (2/2013) Flugzeugträger Independent-Klasse (3/2013) Deutsches Schnellboot Typ S-100 (3/2013) Maschinengewehr (MG) 42 (4/2013) Amerikanische Haubitze M2A1 (5/2013) Fairey Swordfish (6/2013) Russischer Kampfpanzer T-34/76 (1/2014) Japanischer Jäger A6M Zero (1/2014) Heinkel He 111 (2/2014) Amerikanischer Lastwagen GMC 6x6 (3/2014) Kleinst-U-Boot Typ 127 „Seehund“ (4/2014) Deutsches Kettenkraftrad HK 101 (5/2014) Britischer Lancaster-Bomber (6/2014) Deutscher Panzer „Tiger“ (1/2015) Amerikanisches „Higgins-Boot“ (2/2015)
Geballte Feuerkraft Das Trommelmagazin fasste 71 Patronen. Jedoch füllten erfahrene Schützen das Magazin nur mit maximal 65 Schuss, um Ladehemmungen zu verhindern. Die Grobschlächtigkeit des Trommelmagazins brachte schließlich ein 35 Schuss fassendes vorwärts gebogenes Stangenmagazin hervor, das optisch schon an das Magazin der späteren russischen Sturmgewehre AK-47 erinnerte.
Massenhafter Ausstoß Einfache Arbeiter konnten mit Metallstanzmaschinen fast alle der 58 Metallteile der MPi fertigen. Dadurch wurden höher qualifizierte Arbeiter für anspruchsvollere Aufgaben frei. So konnten Fabriken schon im Frühjahr 1942 bis zu 3.000 Exemplare täglich produzieren.
Aus eins mach zwei Um unter größtem Zeitdruck zwei Läufe für die PPSh zu fertigen, sägten Arbeiter einfach Gewehrläufe in der Mitte durch.
Amerikanische Thompson Kaliber: 11,43 Millimeter Reichweite: zirka 55 Meter Gewicht: 4,9 Kilogramm Kadenz: 600–800 Schuss/Minute Zuverlässig, hohe Schussfrequenz und enorme Stoppwirkung durch das verschossene große Kaliber Kriegsproduktion: zirka 1.500.000 Stück
Clausewitz 3/2015
Britische Sten Kaliber: 9 Millimeter Reichweite: zirka 90 Meter Gewicht: 3,2 Kilogramm Kadenz: zirka 500 Schuss/Minute Billig und einfach zu fertigen, jedoch war der leichtgängige Sicherungsmechanismus oft Grund für unbeabsichtigtes Auslösen. Kriegsproduktion: 3.700.000 bis 4.600.000 Stück
Französische MAS-38 Kaliber: 7,65 Millimeter Reichweite: zirka 90 Meter Gewicht: 2,8 Kilogramm Kadenz: 600–700 Schuss/Minute Partisanen töteten Mussolini mit dieser hochqualitativ gefertigten Waffe. Kriegsproduktion: 1.938 Stück (vor der deutschen Besetzung)
Deutsche MP 40 Kaliber: 9 Millimeter Reichweite: zirka 90 Meter Gewicht: 3,9 Kilogramm Kadenz: 500 Schuss/Minute Günstigere Version der MP 38; die Verwendung des Magazins als Griff verursachte Ladehemmungen. Kriegsproduktion: 1.000.000 Stück
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Kriege, Krisen und Konflikte
KAMPF UM MATSCH UND GERÖLL: Afghanistan ist kein reiches Land. Die geostrategische Lage ist der Grund, weswegen seit 2.500 Jahren Eroberer kommen. Das Bild zeigt einen afghanischen Soldaten in sowjetischen Diensten (und mit russischem Kriegsgerät ausgerüstet). Abb.: picture alliance/AP Images
HILFLOSE HIGHTECH: Die Sowjets können trotz überlegener Feuerkraft – im Bild ein Kampfhubschrauber des Typs Mi-24 – ihre afghanischen Gegner nicht bezwingen. Abb.: picture alliance/AP Images
Krieg gestern, heute – und morgen?
das ewige Schlachtfeld 2001: Truppen der ISAF kämpfen nach den Terroranschlägen vom 11. September gegen die Taliban und al-Qaida in Afghanistan. Doch dies ist nicht der erste Krieg in einem von Gewalt gebeutelten Gebiet… Von Peter Andreas Popp 40
Volksgruppen in Afganistan
Abb.: picture-alliance/dpa-Grafik
KARTE
I
mmer dort, wo ein Machtvakuum vorhanden ist, entsteht „Druckausgleich“. Dies trifft besonders für den Bereich zu, wo die Welt des Nahen und Mittleren Osten auf den indischen Subkontinent trifft und zugleich an Zentralasien grenzt: auf Afghanistan. Es handelt sich hier um eine „Drehscheibe der Macht“ mit nicht sehr dauerhaften politischen Herrschaften. Seit etwa 2.500 Jahren trägt diese Region den Charakter eines militärischen Durchgangslandes. Es liegt auf dem „Highway of Conquest“, beginnend mit dem Vordringen der Indo-Arier. Diese „Eroberungsroute“ findet ihren „Weiterbau“ mit Alexander dem Großen. Für 200 Jahre etablieren seine Nachfol-
Clausewitz 3/2015
ger das Baktrische Reich. Danach folgt, getragen von den Yuezhi, das Kuschan-Reich (45–173 n.Chr.). Dieses reicht zeitweilig von Nordindien bis zum Kaspischen Meer und bietet dem Parther-Reich Paroli. Der westliche Teil des Himalayas legt noch heute davon Zeugnis ab mit der Bezeichnung „Hindukusch“. Was den Parthern nicht gelingt, das besorgen deren Nachfolger, die Sassaniden vom 2. bis 6. nachchristlichen Jahrhundert. Sie er-
AUF DEM „HIGHWAY OF CONQUEST“: Auch der „größte Eroberer aller Zeiten“, Alexander der Große, hinterlässt seine Spuren in Afghanistan. Abb.: picture alliance/dpa
richten das zweite persische Großreich der Antike und bringen das Gebiet des heutigen Afghanistan unter ihre Kontrolle. Mit dem Zerfall der antiken Welt und dem Aufkommen des Islam als dritter monotheistischer Religion setzt ein neuer Zeitabschnitt ein: das Eindringen muslimischer Araber, die den neuen Glauben vorerst nur langsam, dafür jedoch nachhaltig, etablieren. Die Dynastien der Taheriden, Safawiden und Sameniden (8. und 9. Jahrhundert) zeugen davon. Sie bereiten der buddhistischen Prägung der Region ein Ende. Erst mit den Dynastien der Ghasnawiden und Ghoriden (9. bis 11. Jahrhundert) wird „Afghanistan“ zum Sprungbrett der Islamisierung des indischen Subkontinents. Massiv wirken die Mongolen unter Dschingis Khan und Tamerlan auf die Region ein. Den Mongolen gelingt weder die Eroberung Europas noch der Arabischen Halbinsel. Doch ihr Zug nach Westen und Südwesten löst eine mittelasiatische Völkerwanderung aus: Das Osmanische Reich wäre ohne den Mongolensturm nicht entstanden (1300).
Keine genauen Grenzen Afghanistan liegt ab dem 7. Jahrhundert im Spannungsfeld der Weltreligionen Islam und Buddhismus. Indirekt kommt der Hinduismus in dem Moment hinzu, als die aus Südund Zentralasien stammenden Paschtunen die Herrschaft übernehmen. Mit ihnen kristallisiert sich ab Mitte des 18. Jahrhunderts das Gebilde heraus, was heute als Vorläufer des Staates Afghanistan gelten kann. Vorab sei erwähnt: Von den zirka 50 Millionen Paschtunen leben etwas mehr als zwölf Millionen in Afghanistan. Das heißt, für die diesseits und jenseits der afghanisch-pakis-
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Kriege, Krisen und Konflikte | Afghanistan tanischen Grenze lebenden Paschtunen ist diese traditionell nicht existent. Und damit kommt neben dem Faktor „Religion“ als zweites Element, das gegen die Einrichtung von zentraler Staatlichkeit in Afghanistan spricht, die „Stammesstruktur“ hinzu. Die dortigen Stämme fügen sich den im 19. Jahrhundert durch europäische Großmächte gezogenen Grenzziehungen nicht. Eine Kontrolle des gesamten Raumes zwischen dem Persischen Reich und dem Herrschaftsbereich der indischen Moguln ist nur kurzfristig gegeben in Form des Reiches des Achmad Schah Durrani (1747–1773) aus der Stammeskonföderation der Abdali. Seinen Nachfolgern ist es unmöglich, die Verfestigung politischer Herrschaft zu halten. Streitigkeiten zwischen Thronkandidaten aus der Herrscherfamilie, die Konkurrenz des Stammes der Ghilsai, Zerwürfnisse innerhalb verschiedener Clans der Durrani, das Machtgebaren lokaler Stammesführer und wechselnde Koalitionen über Religions- und Stammesgrenzen hinweg vereiteln die Einrichtung einer großflächigen Regierungsautorität. Für die Großmächte Russland und Großbritannien ist diese Konstellation ein „gefundenes Fressen“. Zwischenergebnis: In der Region existiert eine ausgesprochen komplexe religiöse und ethnische Gemengelage, die durch äußerst parzellierte Herrschaftsstrukturen angereichert ist. Kann unter diesen Umständen überhaupt von dem Afghanistan gesprochen werden? Eigentlich nicht. Der Begriff „Afghanistan“ für diesen Raum taucht erstmals mit den Ambitionen Großbritanniens auf, hier einen Stabilisierungsfaktor britischer Herrschaft über den indischen Subkontinent zu schaffen. Abgesehen von dem uns heute plagenden Terror islamischer Prägung beruht das Kernproblem dieser Region gerade darin, dass aus britischer Perspektive mit dem Begriff „Afghanistan“ eine Einheitlichkeit suggeriert wird, die es in Wirklichkeit nicht gibt.
Das „Great Game“ Sehr real wird „Afghanistan“ hingegen in dem Moment, wo es ambitionierten europäischen Mächten dämmert, dass „die Afghanen“ nur eine brüchige Einheit bilden, wenn sie sich durch äußere Mächte fremdbestimmt fühlen. Diese Erfahrung machen die Großmächte im 19. und 20. Jahrhundert. Der bittere Lernprozess dauert bei den Amerikanern noch an. Die Erkenntnis findet jedenfalls Ausdruck in der zynischen Einsicht, dass „man sich einen Afghanen nicht kaufen, sondern allenfalls mieten kann“ Das Interesse der Briten an dieser Region steigt in dem Moment, als sie ihre Herrschaft
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GRENZGEBIET DER GROßMÄCHTE: Ein russischer Reiter trifft auf eine britische Festung in Afghanistan. Nach dem Sieg über Napoleon rückt das unzugängliche Gebirgsland in den Fokus der beiden Mächte. Farbdruck von 1885. Abb.: picture-alliance/akg-images
über Indien von „indirekt“ auf „direkt“ umschalten. Ein weiterer Faktor kommt hinzu: Die Ambitionen Russlands von einer Landmacht zu einer Seemacht zu werden – getreu dem Motto „der Bär will auch im warmen Wasser (= der Indische Ozean) schwimmen“. Mitte des 19. Jahrhunderts beginnt das „Great Game“ um die Region zwischen Bosporus und Indus, zwischen Kaspischem Meer und Indischem Ozean. Aus russischer Perspektive ist die Teilnahme am „ Großen Spiel“ immer legitimiert durch das Argument „Sicherung der russischen Südflanke“. Dies betrifft folgende Gebiete: die Schwarzmeerregion, den Kaukasus und Zentralasien. Alles Territorien, in denen ab den 1840er-Jahren die „Russifizierung“ der nomadischen Bevölkerung betrieben wird. Den Briten geht es primär um wirtschaftliche Interessen, für die Russen hingegen steht die zivilisatorische Mission im Vordergrund.
Kann „Afghanistan“ isoliert vom unmittelbaren geographischen Umfeld oder gar „vom Rest der Welt“ betrachtet werden? So wie sich die internationale Politik als Machtpolitik im 19. und 20. Jahrhundert gestaltet, lautet die Antwort „Nein“.
Blutig errungene Unabhängigkeit Das Erstaunliche ist, dass es der afghanischen Monarchie in der Hochphase des europäischen Imperialismus gelingt, das Land zu neutralisieren. Die Kolonialmächte Großbritannien und Russland stehen sich in Afghanistan Ende der 1870er-Jahre so gegenüber, dass sich die Welt am Abgrund eines Weltkrieges befindet. Keine der beiden Parteien vermag jedoch aufgrund der innerafghanischen Gegebenheiten, das ganze Terrain direkt zu beherrschen. Ab den 1880erJahren entspannt sich das britisch-russische Verhältnis. Der Zar willigt 1907 in die afgha-
Briten und Sowjets scheitern nische Unabhängigkeit ein. Die Briten ziehen 1919 nach. Sie haben in drei anglo-afghanischen Kriegen bitteres Lehrgeld bezahlt: 1838–1842, 1878/1879 und 1919. Der erste Krieg führt zum größten Debakel der britischen Kolonialgeschichte mit 17.000 von Paschtunen abgeschlachteten britischen Militärangehörigen am Khyber-Pass. Experten sind sich nicht ganz einig darüber, ob die Briten in Afghanistan wirklich absolut besiegt worden sind. Tatsache ist, dass sie während und bei Ende des Ersten Weltkrieges in diesem Raum erhebliche logistische Probleme haben, in Europa militärisch gebunden sind, und 1919 erste Erosionserscheinungen hinsichtlich der britischen Herrschaft über Indien auftreten. So erreicht König Amanullah 1919 die Unabhängigkeit Afghanistans. Das Kennzeichen afghanischer Staatlichkeit, ein dem König loyal ergebenes Heer, ist zuvor geschaffen worden – mit britischer Hilfe.
GEFÄHRLICHE GEGNER: Die Afghanen sind im Laufe ihrer blutigen Geschichte zu perfekten Kriegern geworden. Am Khyber-Pass (der wichtigsten Verbindung nach Pakistan) bringen sie den Briten eine schwere Niederlage bei. Das Foto mit den afghanischen Kämpfern stammt von zirka 1920. Abb.: picture alliance/Mary Evans Picture Library
„Problem-Paschtunen“ Gibt es fortan den Staat Afghanistan als fixe Größe? Die Antwort lautet „Ja“ und „Nein“ zugleich. Zunächst das bejahende Element. „Staat“ ist definiert durch Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsmacht. Die Westgrenze Afghanistans ist einigermaßen fixiert seit 1863. Eine russisch-britische Kommission hat 1886 die nördliche Grenze zu Russland am Amudarja bestimmt. Die 1893 gezogene Durand-Linie legt Afghanistans heutige Grenze zu Pakistan fest. Indes: „Who cares?“, durchschneidet sie doch paschtunisches Stammesgebiet. Die Paschtunen bilden seitdem einen geteilten und gleichermaßen brisanten Machtfaktor auf afghanischem und pakistanischem Territorium, was nicht zuletzt die Instabilität beider Gebilde erklärt. Ein Staatsvolk im europäischen Sinne kennt das stammesmäßig sowie islamisch differenziert (Sunniten und Schiiten) geprägte Af-
ghanistan nicht. Die Staatsmacht kann hier – das ist die Lehre des 20. Jahrhunderts – nur existieren, wenn sie sich bewusst dezentral inszeniert, gewissermaßen sich den absoluten Mangel an „Zentralismus“ selbst zum Vorteil macht.
Spielball der Supermächte? Im Ersten Weltkrieg ist Afghanistan neutral – trotz der vergeblichen Bemühungen des „Lawrence vom Hindukusch“, Oskar Ritter von Niedermayer, das Land auf die Seite der Mittelmächte zu ziehen. Unter Aman Ullah (1919–1928) blüht das Land auf. Aus dieser Zeit stammen die für die nächsten gut 70 Jahre währenden exzellenten deutsch-afghanischen Beziehungen. Die Deutschen fahren gut, indem sie als Pädagogen und Händler, nicht als Krieger, auftreten; ungeachtet der Tatsache, dass bereits 1928 der Modernisierer KRIEGSGESCHÄFTE: Die Auslage einer Waffenschmiede in der pakistanischen Stadt Darra Adam Khel (auch „Guncity“ genannt), nahe der afghanischen Grenze. Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 1980, kurz nach dem Einmarsch der sowjetischen Truppen. Abb.: picture alliance/dpa
Clausewitz 3/2015
Aman Ullah von Reformgegnern gestürzt und die Entwicklung des Landes verlangsamt wird. Damit ist ein weiteres Strukturelement beschrieben: Die Beharrungskräfte des Alten sind in Afghanistan nicht zu unterschätzen. Wenn Fortschritt geschieht, dann langsam und gegen erheblichen Widerstand. Er funktioniert dann am besten, wenn das Land von seinen Nachbarn nicht unter Druck gesetzt wird. Die Sowjetunion hält sich daran bis 1973. Im Kalten Krieg scheinen die Supermächte ihre „Hoheitsgebiete“ wie folgt abgesteckt zu haben: Der Iran und Pakistan zählen „zum Westen“, die Sowjetunion definiert sich im Gegenzug als Pate der afghanischen Neutralität. Die Verhältnisse ändern sich in dem Augenblick, als die Sowjetunion den Sturz der afghanischen Monarchie 1973 erst „brüderlich“ inszeniert und 1978 der kommunistischen Partei die „Generalvollmacht“ zum Putsch erteilt. Die eingangs gestellte These über die Auswirkungen eines Machtvakuums trifft dann haargenau für das Jahr 1979 zu, als das vollzogen wird, was sich im Rückblick bereits seit 1973 andeutete: die versuchte Umwandlung indirekter Herrschaft in direkte (sowjetische) Herrschaft auf afghanischem Gebiet. Das Muster der Invasion ist bekannt und bewährt: Eine befreundete Regierung ruft „den Bruder“ um Hilfe. Und so landen in der Nacht vom 25. auf den 26. Dezember 1979 sowjetische Elitesoldaten der 103. Luftlandedivision auf dem Flughafen von Kabul. Am 27. Dezember stürmen „Speznas“ den Regierungspalast. Als afghanische Soldaten
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Kriege, Krisen und Konflikte | Afghanistan KARTE
Die Tragödie mit immensen Flüchtlingsströmen nach Pakistan und in den Iran nimmt ihren Lauf. Sie führt schließlich zum Ende der Supermacht Sowjetunion, die sich in Folge ihres kriegerischen Engagements überdies zunehmend mit dem Problem der Islamisierung an ihrer Südflanke konfrontiert sieht. Im eigenen Interesse hätte „Moskau“ besser bereits Ende der 1970er-Jahre auf Kooperation mit dem Konkurrenten USA setzen sollen. Denn dass die „Rote Armee“ das Land 1988 verlassen muss, ist entscheidend der amerikanischen und saudiarabischen Waffenhilfe an diejenigen geschuldet, die die „ungläubigen“ Sowjets aus dem Land jagen wollen: die Mudschaheddin (Gotteskrieger). Sie sind ihrerseits alles andere als geschlossen und schon gar nicht pro-westlich! Nach dem Ende der kommu-
GEBIRGIGES GRENZGEBIET: Die Region zwischen Pakistan und Afghanistan ist nur schwer zu kontrollieren – das Foto zeigt eine Polizeieinheit auf Patrouille. Beiderseits der Grenze leben Paschtunen, deren Stammesgebiet sich somit auf zwei Staaten verteilt. Abb.: picture alliance/AP Photo
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Die ISAF-Truppe in Afghanistan
Abb.: picture-alliance/dpa-Grafik
verkleidet, liquidieren sie Hafisullah Amin, Präsident und Parteichef der Demokratischen Volkspartei Afghanistans (DVAP). Dessen Nachfolger wird Babrak Karmal. Bis Ende Januar 1980 sind zur Stabilisierung dieses „Genossen“ 80.000 Mann nach Afghanistan verlegt worden. Die Gründe für den sowjetischen Einmarsch sind noch immer nicht ganz klar. Westliche Beobachter erwähnen die Schaffung und Konsolidierung einer Bastion, um in einem weiteren Schritt zum Indischen Ozean vorzudringen. Dafür spricht das sowjetische Bemühen um Indien als Bündnispartner. Dagegen spricht der Umstand, dass das Politbüro und der KGB noch Anfang 1979 mehrheitlich gegen den Einmarsch sind. Doch die Sowjetunion hat sich hinsichtlich der Linientreue der afghanischen Genossen getäuscht. Oberflächlich betrachtet befindet sich das Land seit April 1978 unter der Herrschaft der Kommunisten. Mohammed Tarakis hat sich damals an die Macht geputscht und das seit 1973 regierende Regime des Mohammed Da’du abgesetzt. Die mit Tarakis entstehende „Volksdemokratie“ ist allerdings geprägt durch weiter zurückreichende innerparteiliche Machtkämpfe, gepaart mit traditionellen Führungsrivalitäten entlang der Stämme – eine Konfiguration, die nach „klassischer“ marxistisch-leninistischer Lehre ein Unding darstellt! – und tödlichen Attacken auf sowjetische Militärberater. Getreu der „reinen Lehre“ setzt der Kreml im Dezember 1979 gegen die Führungsfiguren Taraki und Hafisullah Amin auf Babrak Karmal, im Glauben, dieser ließe sich genauso steuern wie andere Ostblockführer.
nistischen Herrschaft unter Mohammed Nadschibullah (1992) sind sie in ihrer völligen Zerstrittenheit nicht in der Lage, eine funktionierende Regierung auf islamischrepublikanischer Grundlage zu bilden.
Terror durch die Taliban Die amerikanische Politik verhält sich nun wie Goethes Zauberlehrling. Sie wird mit den Taliban, radikal-islamistischen Paschtunen aus dem afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet, die Geister nicht los, die sie gerufen hatte: Gerade sie sollten zur Verhinderung eines Bürgerkrieges infolge der kollabierenden Mudschaheddin-Herrschaft Mitte der 1990er-Jahre mit US-Waffentechnik ausgestattet werden, um Ruhe und Ordnung zu stiften. Doch die Taliban („Koranschüler“) errichten ab 1996 einen brutalen „Gottes-
staat“. Sie finanzieren sich durch Drogenhandel und beherbergen Vertreter des „islamischen Terrors“. Die Reste der Mudschaheddin sind nun auf den Norden Afghanistans beschränkt. Sie bilden die „Nordallianz“ afghanischer Usbeken und Tadschiken, die vom 9. November 2001 an für die USA den Garanten dafür bilden sollen, die im Windschatten der Taliban-Herrschaft agierende Terrorformation al-Qaida auszulöschen. Sie vermag es nicht, genauso wenig wie amerikanische Flächenbombardements. Diesen folgen ab Frühjahr 2002 Bodentruppen einer internationalen Allianz zur Befriedung Afghanistans (ISAF). Ein Zustand, der je nach diplomatischer Lesart irgendwie erreicht wurde. Die ISAF-Kontingente sollen schließlich in diesem Jahr abgezogen werden und den Boden dafür bereitet haben, dass das Land sich selbst regieren und den Taliban endlich standhalten kann.
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„Der Versuch, aus Afghanistan einen Nationalstaat nach westlichem Muster zu machen, war ein vergeblicher Anlauf gegen die Tatsache, dass die afghanische Nation in erster Linie darauf gründet, gegen Besatzungstruppen von außerhalb zusammenzustehen. Sobald die ausländischen Truppen abgezogen sind, fällt afghanische Politik in das Muster zurück, dass verschiedene wichtige Stämme und Stammesgruppen wieder in den Wettbewerb darüber treten, wer welches Territorium in welchem Umfang für sich in Anspruch nehmen kann.“
Die Sache wird aber erschwert dadurch, dass unterschiedlichste Kreise – bis weit in die schwache Zentralregierung hinein – kriminellen Machenschaften nachgehen und aus Eigeninteresse den Aufbau einer Staatsbürgergesellschaft auf islamischem Fundament sabotieren. Ob es trotzdem gelingt, wird weiterhin bestimmt von den geopolitischen Akteuren USA, China, Iran, Saudi-Arabien, Russland, Indien und Pakistan; nicht zu vergessen die Türkei und die Staaten Zentralasiens. Doch ob Afghanistan als gefestigte „Einheit in Vielheit“ wird bestehen können, hängt letztlich ganz entscheidend von „den Afghanen“ selbst ab.
Clausewitz 3/2015
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Strategie und Taktik
Von Peter Andreas Popp
Vom Dichter Ernst Jandl stammen die Worte: „Es gibt Leute, die rinks und lechts miteinander velwechsern; werch ein Illtum!“ Diese Erkenntnis hinsichtlich politischer Lager betrifft auch die militärischen Begriffe „Strategie“ und „Taktik“: „Es gibt Leute, die Strategie und Taktik miteinander verwechseln; welch ein Irrtum!“
G
erade, wenn es sich um militärische Entscheidungsträger handelt, kann eine Verwechslung von „Strategie“ und „Taktik“ fatale Folgen haben. Der israelische Militärwissenschaftler Jehuda L. Wallach zeigt in seinem Werk „Das Dogma der Vernichtungsschlacht“ ernüchternd auf, wie die
deutsche Generalität seit Ausgang der 1870er-Jahre – und erst recht im Ersten und Zweiten Weltkrieg – den fundamentalen Denkfehler begeht: Durch eine inkorrekte Clausewitz-Rezeption werden beide Begrifflichkeiten nicht sauber unterschieden – mit den bekannten Folgen. Die Trennung bereitet in der Tat Schwierigkeiten. Beide Begriffe entspringen dem Altgriechischen und finden somit bereits Eingang in das Militärwesen der Antike: • „Strate−gós“ bezeichnet ein militärisches Amt. In dem Wort ist eine aktive Tätigkeit hinsichtlich „des Militärischen“ enthalten. Es setzt sich zusammen aus „ágein“, zu Deutsch „führen/leiten/machen/tun /handeln“, und aus „stratós“, dem altgriechischen Wort für „Heer“. • „Taktiká“ bezeichnet die Fähigkeit, eine militärische Formation – welcher Größe auch immer – in die richtige Schlachtordnung zu stellen. Das Wort leitet sich ab von dem Verb „títe−mi“, zu Deutsch „stellen/setzen/legen“. „Stratege“ ist demnach jener, der nach einem durchdachten Plan befiehlt, wie eine Streitmacht eingesetzt wird. Dies erfordert intellektuelle Fähigkeiten, Abstraktions-
EXPERTE: Moltke der Ältere (1800–1891) – der „große Schweiger“ – ist ein exzellenter Taktiker, der in seiner aktiven Zeit allerdings die Dimension des Politischen nicht wirklich durchdringt. Abb.: picture alliance
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vermögen und vor allem Durchsetzungskraft auf politisch-militärischer Ebene. Der Plan muss ja in der militärischen Hierarchie „nach unten“ vermittelt werden. Und jetzt übernimmt der Taktiker die Ausführung. Er muss eher praktisch orientiert sein, um in einem genau definierten Bereich, dem Schlachtfeld, seine Truppen richtig aufzustellen und den Gegner schlagen oder abwehren. Die dabei angewandte „Taktik“ sollte auch dann funktionieren, wenn der Kontrahent sich anders verhält als gedacht. Das heißt, im Begriff „Taktik“ ist sowohl der Leitwert „Ordnung“ wie auch die Anforderung „praktische Kreativität auf dem ‚Kriegstheater’, also Wendigkeit unter Beibehaltung geordneter Befehlsstrukturen“ enthalten. Es ist unschwer zu erkennen, dass sich „Strategie“ und „Taktik“ auf unterschiedliche Arten von Räumlichkeit beziehen: Der Stratege denkt in räumlich und zeitlich größeren Dimensionen, der Taktiker hingegen hat einen klar definierten Bereich vor Augen. Von einem Strategen ist zu verlangen, dass er sich in den Taktiker hineinversetzt. Und zwar so, dass die Strategie verschiedene Handlungsoptionen in der praktischen Ausführung zulässt. Der Taktiker hingegen muss die Absicht des Strategen erkennen und seine Truppen entsprechend formieren. Die angewandte Taktik sollte mit dem strategischen Konzept übereinstimmen, um aus dem Plan Wirklichkeit werden zu lassen.
Vier vertrackte Fallen Wo liegen nun die Schwierigkeiten? Erstens in der Definition des Raumes: Mochte Krieg in der Antike noch räumlich genau abgrenzbar sein, heute ist er es nicht mehr. Modernes Militärwesen bedeutet „Entgrenzung des Krieges“. Zweitens liegt die Schwierigkeit im Profil des Soldaten als militärischer Führer: Wer sich für den Soldatenberuf entschei-
det, der tut dies in der Regel nicht aus Sehnsucht nach Militärtheorie, sondern weil er die praktische Seite des Militärhandwerks favorisiert. Wenn nun dieses Personal in die Führungsverantwortung jenseits der Brigade- oder Divisionsebene kommt, wird es problematisch. Andererseits: Wer als in der militärischen Hierarchie höher Stehender den „Masterplan“ am grünen Tisch entwirft, der wird oft erkennen, dass die Wirklichkeit etwas anders aussieht als geplant. Drittens: Gemeinhin wird unter dem Taktiker auch derjenige verstanden, der „Spielchen so betreibt, dass andere ausgetrickst werden“. Ein Taktiker kann sich „verrennen“. Von einem Strategen wird dies nicht erwartet. Das heißt, einem Strategen wird normalerweise attestiert, dass seine wohldurchdachte Konzeption in eine erfolgreiche Vorgehensweise mündet, so dass er beim Scheitern der Umsetzung nicht die Verantwortung trägt. Aber: Auch Strategen können irren, zum Beispiel wenn sie eine falsche Lagefeststellung treffen. Kurzum, die zugestandene Fehlerquote ist, betrachtet von außen, beim Taktiker relativ hoch, beim Strategen hingegen „gleich Null“. Die Wirklichkeit sieht anders aus! Viertens: Bereits im alten Griechenland wird ersichtlich, dass der Stratege immer auch politisch denken muss. Es gibt im Athen des 4. vorchristlichen Jahrhunderts zehn jährlich zu wählende Strategen, die als Beamte mit militärischen und zivilen Kompetenzen wirken und unbeschränkt wiederwählbar sind. Entwicklungsgeschichtlich gesehen, muss der Stratege nicht nur militärisch, sondern gerade auch politisch denken. Militärisches Denken ist aufgrund der vorhandenen Hierarchie relativ klar strukturiert: es ist monokausal orientiert, denn es gelten ja Befehl und Gehorsam. Untergebene sind ausführende Organe. Politisches Denken und Handeln hingegen ist anders beschaffen: Politik bewegt sich in einem Dreieck, definiert durch die Eckpunkte „Form“ (polity), „Inhalt“ (policy) und „Prozess“ (politics). Damit ist Politik hoch komplex, Militär hingegen scheint etwas relativ Einfaches
Literaturtipps Beatrice Heuser: Den Krieg denken. Die Entwicklung der Strategie seit der Antike, Paderborn u.a. 2010. Peter Paret (Hg.): Makers of Modern Strategy. From Machiavelli to the nuclear age, Oxford 1986. Albert A. Stahel: Klassiker der Strategie – eine Bewertung, Zürich 2004.
Clausewitz 3/2015
„Kennzeichnend für die Strategie ist es, Zeitpunkt, Gelände, plötzliche Unternehmungen und verschiedene Listen zur Täuschung des Feindes zu gebrauchen – was auch ohne eine Feldschlacht möglich ist, um das Ziel zu erlangen [...]. Typisch für die Taktik ist aber, wenn das Heer in Ordnung und Abstimmung in vielfältiger Weise und sicher Kämpfe und Unternehmungen im Krieg durchführt, sich nicht nur vor den Listen der Gegner schützt, sondern auch gegen sie solche ersinnt.“ Noch verwirrender wird es, wenn der byzantinische Kaiser Leo VI. (866–912) sein Werk mit dem Titel „Taktiké“ versieht, und zugleich – wenigstens ansatzweise – hierarchisierend unter Strategie „die Kunst der Feldzüge“ und unter Taktik das Vermögen versteht, „ein Kriegsheer auf Märschen und im Gefechte zu manövrieren (zu) wissen“. Zugleich wendet er sich jenseits von „Strategie“ und „Taktik“ dem eigenständigen Bereich der „Logistik“ zu. WEITSICHTIG: Erich von Manstein (1887–1973) ist ein strategisch denkender Operateur. Hervorragende Militärtheoretiker jüngeren Datums sind Raymond Aron und Basil Liddell Hart. Abb.: picture alliance / AP Images
darzustellen. Für Nur-Militärs ist Politik in der Regel gerade wegen ihrer Unübersichtlichkeit ein Gräuel. Der Stratege muss diese Unübersichtlichkeit aber durchdringen, will er seine Strategie zur Wirklichkeit werden lassen (aber immer unter Beachtung des Primats der Politik). Der Stratege muss politisch denken, der militärische Taktiker hingegen kann es sich leisten, das „Politische“ auszublenden – zumindest solange nur militärisches Handwerk gefragt ist.
Antike Anfänge Es gibt eine Grauzone zwischen „Strategie“ und „Taktik“, wobei man anstatt von Grauzone besser von einem Übergangsbereich sprechen sollte. Diese durchaus nicht kleine Sphäre heißt „operative Ebene“. Die europäisch neuzeitliche Rezeption antiken Militärwissens, gründend auf der Schrift des spätantiken römischen Autors Flavus Renatus Vegetius „Epitoma Rei Militaris / De Re Militari“ (verfasst 386/388 n.Chr.), vernachlässigt bis zum Epochenjahr 1789 die Dimension des Politischen im Militär. Es wäre Spekulation, anderes zu erwarten, wenn der Ausgangspunkt frühneuzeitlicher Antikenrezeption das Werk des byzantinischen Kaisers Maurikios (539–602) gewesen wäre. Es trägt den bezeichnenden Titel „Strategikón“, nimmt allerdings keine klare Trennung zwischen Strategie und Taktik vor:
Schwindende Schlachtfeldromantik „Logistik“ verkörpert auch beim Schweizer Militärtheoretiker Antoine-Henri Jomini (1779–1869) einen gesonderten Bereich. Ansonsten bilden seine Schriften „Traité des grandes opérations militaires“ (1803) und „Précis de l’art de la guerre“ (1837) den Ausgangspunkt heutigen Strategie- und Taktikverständnisses. Er differenziert zwischen: (1) der Strategie, (2) „la grande tactique“, (3) Logistik, (4) Ingenieurkunst und (5) der Taktik im Detail. Position 2, „La grande tactique“, ist gleichzusetzen mit der heutigen Begrifflichkeit „Operative Führung“ beziehungsweise „Operationskunst“. Eine solch exakte Differenzierung fehlt bei Carl von Clausewitz’ für strategisches Denken im 19. und 20. Jahrhundert grundlegendem Werk „Vom Kriege“ (veröffentlicht nach seinem Tode, 1832–34). Wie der Titel verrät, liegt dessen Vorzug allerdings darin, sich über die Natur des Krieges ab dem historischen Augenblick Gedanken zu machen, wo Politik, wiedergegeben mit der Chiffre „1789“, wirklich total wird und „Gesellschaft“ als politische Wirkungskraft auftritt. Von Schlachtfeldromantik wie vielleicht noch in friderizianischer Zeit kann ab da nicht mehr die Rede sein. Und erst recht nicht, wenn das Militärwesen von den technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen der Industriellen Revolution profitieren will und soll. Dr. Peter Andreas Popp, Oberstleutnant, ist Lehrstabsoffzier für Militärgeschichte und ständiger Mitarbeiter von CLAUSEWITZ.
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Schlachten der Weltgeschichte
Die Schlacht um Okinawa 1945
Warten auf den 1945: Nach dem Zusammenbruch Deutschlands werden amerikanische Kräfte frei, die von Europa an die „Pazifikfront“ kommen. Die Alliierten holen zum Schlag gegen das Herz des Japanischen Reiches aus. Von Alexander Querengässer
GIGANTISCHES LANDUNGSMANÖVER: Die Amerikaner haben im Laufe des Krieges ihr Können in der amphibischen Kriegführung perfektioniert. Die Landung in Okinawa wirkt wie eine Wiederholung des „D-Day“ in Europa. Abb.: picture alliance/Everett Collection
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„göttlichen Wind“ D
ie Vereinigten Stabschefs planen nach dem Erfolg der amerikanischen Strategie des „Inselspringens“ die Einnahme Okinawas, das nur noch 600 Kilometer von der südlichsten japanischen Mutterinsel, Kyushu, entfernt liegt. Am 29. September 1944 entscheiden Ernest King, Douglas McArthur und Admiral Raymund Spruance, Kommandant der 5. Flotte, dass dem Angriff auf die Insel im kommenden Jahr absolute Priorität gegeben werden soll. Sie ist 110 Kilometer lang und nur acht Kilometer breit, bietet aber Platz für mehrere strategische Flugplätze. Für dieses Unternehmen stehen nun erfahrene Truppen zur Verfügung. In vier Jahren Krieg haben die amerikanischen Streitkräfte die amphibische Kriegführung perfektioniert. Die Navy verfügt über spezielle Landungsboote und kann mit der Feuerkraft ihrer Schlachtschiffe und der trägergestützten Luftüberlegenheit die Anlandung der Marines decken.
Tod aus der Luft Aber auch die Japaner erkennen im Frühjahr 1945, dass sie sich auf eine enge Verteidigung des Mutterlandes konzentrieren müssen. Unter dem Decknamen „Ten Ichigo“ planen sie die Verteidigung der Ryukyu-Inseln und stellen dafür 4.800 Flugzeuge ab. Doch die zunehmende Benzinverknappung führt zu einer Verringerung der Ausbildungs- und Einsatzzeiten. Daher sollen die Flugzeuge nun mit Sprengstoff beladen als fliegende Bomben auf die amerikanischen Schiffe herab stürzen. Einen Vorgeschmack dieser
Beteiligte Streitkräfte in der Schlacht um Okinawa JAPAN Marine Luftstreitkräfte Landstreitkräfte Verluste
1 Schlachtschiff, 1 Leichter Kreuzer, 8 Zerstörer Etwa 6.000 Flugzeuge 32. Armee, etwa 120.000 Mann Zirka 115.000 Tote bei der Armee, 7.830 Flugzeuge, 1 Schlachtschiff, 4 Zerstörer
USA Marine
18 Schlachtschiffe, 39 Flugzeugträger, 200 Kreuzer und Zerstörer, 1.139 Transport- und Hilfsschiffe Luftstreitkräfte Etwa 1.900 Flugzeuge Landstreitkräfte 10. US-Armee, zirka 250.000 Mann Verluste 7.613 Tote und Verwundete (U.S. Army und Marines), 4.907 Tote und 4.824 Verwundete (U.S. Navy), 38 Schiffe versenkt, 368 (darunter 10 Schlachtschiffe) schwer beschädigt, 763 Flugzeuge
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Schlachten der Weltgeschichte | Okinawa 1945
ÜBERLEGEN: Die Amerikaner können weit mehr Truppen aufbieten als die Japaner.
Kamikaze- (deutsch: „Göttlicher Wind“) Taktik erhalten die Amerikaner bereits in den Schlachten bei Leyte und Iwo Jima. Die horrenden Verluste, die die Amerikaner auf Iwo Jima hinnehmen müssen, führen dazu, dass die Landung auf Okinawa mit dem schwersten Artilleriebeschuss des Pazifikkrieges eingeleitet werden soll. Eine Woche lang, vom 24. bis 31. März, beschießt eine Armada aus 318 Kriegsschiffen, darunter 18 Schlachtschiffe, den Landeabschnitt. 1.900 Flugzeuge von 40 Trägern sollen die Luftherrschaft erringen. Zu Beginn können die Japaner noch 6.000 Maschinen dagegen set-
einsätze geflogen werden, verlieren die Amerikaner nur einen Träger.
Alles verloren? Am Sonntag, dem 1. April 1945 beginnen die 1. und 6. US Marineinfanteriedivision, bei denen erstmals auch Wehrpflichtige eingesetzt werden, mit der Landung auf Okinawa. Generalleutnant Matsuru Ushijimas 32. japa-
„Es ist zu grotesk zu glauben, dass Männer tatsächlich tage- und nächtelang unter solch fürchterlichen Bedingungen leben und kämpfen können, ohne verrückt zu werden.“ st
Private Eugene B. Sledge (1 Marine Division) über die Kämpfe an der Machinato-Linie
zen. Sie planen den Einsatz mehrerer Wellen mit 300 bis 400 Todesfliegern. Die meisten Kamikazes müssen von Kyushu aus anfliegen. Doch das dichte Sperrfeuer, das ihnen von der amerikanischen Armada entgegen schlägt, ist kaum zu durchdringen. Obwohl am ersten Tag der Invasion 1.465 Kamikaze-
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nische Armee überlässt den Angreifern die Strände ohne größeren Widerstand und zieht sich in das bergige Hinterland zurück. Die 32. Armee ist erst im Laufe des Frühjahrs in Erwartung des amerikanischen Angriffs zusammengestellt worden. In der 24. Division sind die wenigen Soldaten zusammenge-
Der Sohn eines konföderierten Bürgerkriegsgenerals erhält seine Ausbildung auf dem Virginia Military Institute und in Westpoint (Jahrgang 1908) und dient danach zwei Jahre auf den Philippinen. Nach dem Ersten Weltkrieg dient er als Ausbilder, ehe er 1940 als Brigadier General mit der Verteidigung Alaskas beauftragt wird. Bis 1943 ist Buckner hier an der Abwehr mehrerer japanischer Diversionsmanöver beteiligt. Im Juli 1944 wird er nach Hawaii berufen, um die 10. Armee für den Einsatz auf Okinawa zu formieren. Am 18. Juni 1945 trifft ihn der Splitter einer japanischen Granate und verwundet ihn tödlich. Posthum wird er zum Full General befördert.
fasst, die entweder schon länger als ein halbes Jahr beim Heer eingezogen sind oder schon Kampferfahrung gesammelt haben. Die Masse von Ushijimas Männern wurde jedoch erst im Frühjahr einberufen, darunter 20.000 junge Männer aus Okinawa. Die Amerikaner können mehr und mehr Truppen anlanden. Hatten sie am 1. April bereits 50.000 Mann ausgeschifft, so erhöht sich die Stärke der 10. US Armee unter Generalleutnant Buckner schnell auf eine viertel Mil-
Abb.: picture alliance/akg
Der Sieger Simon Bolivar Buckner Jr.
Abb.: picture alliance/Everett Collection
lion, denen Ushijima nur 120.000 Mann entgegensetzen kann. Obwohl der Japaner seine Lage realistisch einschätzt, beschließt er, den Amerikanern in erbitterten Abwehrkämpfen größtmögliche Verluste beizubringen. In den Bergen haben die Japaner bombensichere Tunnel und mit schweren Geschützen gespickte Artilleriestellungen angelegt. Die Speerspitze des amerikanischen Angriffs, die 1. und 6. Marineinfanteriedivision, stößt zunächst in den Norden der Insel vor. Sobald dieser Bereich gesichert ist, will sie nach Süden schwenken und der 7. und 96. Heeresdivision bei der Eroberung des bergigen Südteils helfen. Das Zentrum und der Norden der Insel werden rasch besetzt. Nur am Berg Yae Take auf der Motubu-Halbinsel kann die japanische 44. selbstständige gemischte Brigade längere Zeit Widerstand leisten. Acht Tage lang wird die Festung durch Teile der 6. Marinedivision belagert. Am 16. April fällt der Berg, und vier Tage später sind auch die letzten im Norden der Insel eingesetzten japanischen Streitkräfte aufgerieben. General Buckner ist zufrieden, denn bis hierhin sind die Amerikaner ihrem Zeitplan voraus.
Hoffen auf die YAMATO Doch im Süden, vor den Städten Shuri und Naha, bleibt die Offensive an der japanischen Machinato-Linie zunächst stecken. In Naha befinden sich wichtige Docks und Werften der Kaiserlichen Marine. Die Stadt ist das strategisch wichtigste Ziel auf der Insel. Okinawa selbst ist hier sehr schmal und hügelig. Im Zentrum der Bergkette liegt die
HINTERGRUND
Abb.: Archiv Clausewitz
Erfolgloser Entsatzversuch
Der Verlierer Mitsuru Ushijima Mitsuru Ushijima wird 1887 auf der Insel Kyushu geboren. Nachdem er 1908 die Kaiserliche Militärakademie absolviert hat, dient er überwiegend in höheren Stäben. Seine ersten Kriegserfahrungen sammelt er während einer japanischen Expedition in Sibirien im Russischen Bürgerkrieg. Seit 1939 dient er als Divisionskommandeur in Japan und Burma. 1941 wird Ushijima nach Japan zurück berufen und leitet die Kaiserliche Kriegsakademie bis 1944, als er zum Befehlshaber der 32. Armee auf Okinawa ernannt wird. Er nahm sich am 22. Juni 1945 das Leben.
alte Festung Shuri, deren Mauern sich immer noch erstaunlich beständig gegenüber dem Feuer moderner Kanonen zeigen. Die Japaner haben die Täler mit Panzersperren blockiert, verfügen in diesem Verteidigungsab-
„Die Hölle von Okinawa“ (1950)
„Halls of Montezuma“ lautet der Originaltitel von Lewis Milestones Kriegsepos über die Schlacht von Okinawa. Der Film handelt von dem nervenaufreibenden Kampf eines Marinebataillons an der Machinato-Linie. Bei dem Versuch, einen Höhenzug zu stürmen, soll das Bataillon von Lieutenant Anderson auch noch Gefangene machen. Doch in den Kämpfen müssen die GIs feststellen,
was es bedeutet, gegen einen Gegner zu kämpfen, der bereit ist, in den Tod zu gehen. Trotz der kritischen Untertöne ist „Die Hölle von Okinawa“ (dt. Titel) noch kein Antikriegsfilm. Die Momente des Zweifels und der inneren Zerrissenheit werden umrahmt von bildgewaltigen Schlachtszenen, die letzten Endes als Werbefilm für das U.S. Marine Corps dienen.
schnitt über eine vergleichsweise hohe Anzahl von Geschützen und haben ihre Stellungen tief gestaffelt. An der Machinato-Linie bleibt die US-Offensive stecken. Bis Ende April können die 7., 27. und 96. US-Infanteriedivision trotz hoher Verluste kaum Geländegewinne erzielen. Inzwischen planen die Japaner den entscheidenden Gegenschlag. Am 6. April startet unter dem Decknamen „Kikusui I“ eine weitere Kamikaze-Großoffensive mit 198 Fliegern und 344 Stuka- und Torpedobombern. Sie sollen die amerikanische Flotte zerstreuen und so die Invasionsarmee von ihrem Nachschub abschneiden. Aber nur 200 Maschinen können den Gürtel der amerikanischen Abfangjäger durchbrechen. Von den Schiffen schlägt ihnen ein mörderisches Flakfeuer entgegen. 38 amerikanische Soldaten sterben durch Splitter der eigenen Luftabwehr. Dem „göttlichen Wind“ fallen lediglich zwei Zerstörer, ein Minensucher und ein Transporter zum Opfer. Am gleichen Tag läuft das größte Schlachtschiff der Seekriegsgeschichte, die YAMATO aus. In ihren Tanks befinden sich die letzten 2.500 Tonnen Treibstoff, die im Hafen von Hiroshima zu finden waren. Begleitet von einem Kreuzer und acht Zerstörern, soll der Riese nach Okinawa durchbrechen und so viele amerikanische Schiffe versenken wie möglich. Doch schon am nächsten Tag wird die YAMATO von 280 Flugzeugen der Task Force 58 angegriffen und versenkt. Der Sieg kostet die Amerikaner zehn Flugzeuge.
Kaiserliche Gegenoffensive! Dafür gelingt es den Kamikazefliegern am 7. April, einen Flugzeugträger und ein Schlachtschiff zu beschädigen. Die Amerikaner beginnen nun, einen weiträumigen Sicherungsschirm aus Zerstörern um ihre Flotte zu ziehen, um die Todesflieger rechtzeitig abzufangen. Diese Sicherungsmaßnahmen erweisen sich ihrerseits als Selbstmordeinsätze – 14 der 16 ausgeschickten Zerstörer werden durch Kamikazes versenkt. Insgesamt sterben weit über 5.000 amerikanische
STOLZ DER KAISERLICHEN MARINE: Die Japaner setzen in der Schlacht um Okinawa alles auf eine Karte – und schicken sogar die YAMATO in den Kampf. Abb.: picture-alliance/United Archives/TopFoto
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Schlachten der Weltgeschichte | Okinawa 1945
FLAMMENINFERNO: Der Flugzeugträger USS BUNKER HILL (Spitzname „Holiday Express“) wird durch Kamikazeflieger fast versenkt – nur die schnelle Reaktion von Kapitän George A. Seitz rettet den Träger vor dem Untergang. In der Schlacht von Okinawa setzten die Japaner besonders viele Kamikazes ein – in der verzweifelten Hoffnung, so den Vormarsch der Amerikaner noch stoppen zu können.
HINTERGRUND
Die letzten Jahre des Pazifikkriegs
Auch 1944 können sich die japanischen Streitkräfte in China gegen die schlecht organisierten Truppen Kai Cheks halten und wichtige Produktionszentren verteidigen. Im Sommer 1944 beginnen die Amerikaner mit der Landung auf den Philippinen. Im Oktober gelingt ihnen in der Schlacht im Golf von Ley-
te die nahezu vollständige Zerstörung der japanischen Kriegsflotte. Im März 1945 ermöglicht ihnen die Einnahme der kleinen Vulkaninsel Iwo Jima, Luftangriffe mit schweren Bombern direkt auf Japan zu fliegen. Bis zum Juli 1945 werden die 60 größten japanischen Städte fast vollständig zerstört.
mit Mühe gelingt es den Amerikanern, ihre Stellung zu halten. In der Nacht zum 13. und am 14. April wiederholt die 32. Armee ihre Angriffe, wird aber beide Male abgewehrt. Am 3. Mai startet Ushijima eine weitere überraschende Offensive. Pioniere sollen auf Landungsbooten nahe der Küste die amerikanischen Stellungen umgehen und den Gegner von hinten angreifen. Doch auch dieser Angriff endet in einem Desaster. Während die östliche Gruppe von der U.S. Navy abgefangen und aufgerieben wird, landet die westliche Gruppe nicht hinter den Linien der 1. Marine-Division, sondern direkt an ihrer stark verteidigten Flanke.
Abb.: picture alliance / Everett Collection
Die Festung fällt Vier Wochen nach Invasionsbeginn werden die Verbände der Army durch die 1. und 6. Marinedivision verstärkt. Die Amerikaner konzentrieren ihre Angriffe nun auf die Festung Shuri. Unterstützt werden sie durch das Feuer schwerer 406-mm-Geschütze der Schlachtschiffe MISSOURI und MISSISSIPPI, die die Wälle der Festung schließlich nach tagelangem Beschuss mit panzerbrechender Munition zum Einsturz bringen. Am 7. Mai versuchen die Amerikaner erneut, die in Trümmern liegende Stellung zu stürmen. Aber die Japaner verteidigen jeden Winkel und bringen ihnen empfindliche Verluste bei. Doch auch unter den Verteidigern macht sich Unmut breit. Einige wenige japanische Soldaten wollen sich lieber erge-
Matrosen vor Okinawa, mehr als in Pearl Harbor. Bis zum 10. April werden die Kamikazeeinsätze mit kleineren Wellen fortgesetzt, bei denen sie weitere Flugzeugträger und Schlachtschiffe schwer beschädigen. Die vier britischen Träger halten diesen Angriffen besser stand, weil ihre Decks aus Stahl gefertigt sind, die der Amerikaner nur aus Holz. Letztendlich erweisen sich die Kamikazeeinsätze aber für die japanische Luftwaffe am schädlichsten. Ihre Anzahl nimmt bis Juni immer weiter ab, weil es an Flugzeugen und Piloten mangelt.
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An Land bleibt die amerikanische Offensive im Schlamm stecken. Anhaltender Regen weicht die Hänge der Berge um Shuri soweit auf, dass die amerikanischen Panzer nicht vorwärts kommen. Trotz der heftigen Kritik durch Admiral Nimitz bleibt General Buckner bei seiner Taktik, die japanischen Stellungen nacheinander auszuheben. Am 12. April entscheidet sich General Ushijima sogar, entlang der gesamten Machinato-Linie eine Gegenoffensive durchzuführen. Die japanischen Angriffe sind gut organisiert, mit großer Wucht schlagen die Japaner zu. Nur
DAS ENDE: Ein japanischer Soldat ergibt sich einer Gruppe von Amerikanern. Für beide Seiten ist die Schlacht um die Pazifikinsel eine menschliche Tragödie – den größten Blutzoll entrichten dabei die Zivilsten. Abb.: picture-alliance/MAXPPP
Amerikaner planen Atomschlag
»Frieden und Sozialismus« im Kalten Krieg.
Ein Ende mit Schrecken Am 1. Juni fällt auch die Hafenstadt Naha, die die Japaner ebenfalls zäh verteidigt haben. Ende des Monats ist der japanische Widerstand gebrochen. Am 22. Juni ergeben sich die Reste der 32. Armee, ganze 7.400 Mann. General Ushijima und alle höheren Offiziere begehen Harakiri. Auch Buckner erlebt das Ende der Schlacht um Okinawa nicht. Bei einer Aufklärungsfahrt am 18. Juni gerät sein Jeep unter Artilleriefeuer. Der General wird durch Splitter tödlich verwundet. Die Japaner setzen ihren fanatischen Widerstand in einzelnen Stützpunkten bis Kriegsende fort. Das amerikanisches Heer und die Marines beklagen 7.000 Tote und 31.000 Verwundete. Auch die japanische Zivilbevölkerung hat durch die Kämpfe schwer gelitten. Von den 450.000 Einwohnern sollen je nach Schätzung 60.000 bis 120.000 ums Leben gekommen sein. Der verbissene Widerstand der Japaner und die horrenden eigenen Verluste geben den Amerikanern eine schlimme Vorahnung, was sie bei der 1946 geplanten Invasion des japanischen Mutterlandes erwarten wird. Bei einer Besprechung mit Präsident Truman am 18. Juni rechnet Admiral Leahy vor, dass bei einem Angriff auf Kyushu bis zu 268.000 Mann ihr Leben verlieren könnten. Obwohl auch die für August angekündigte sowjetische Offensive in China einen schnelleren Zusammenbruch des Kaiserreiches verspricht, willigt der Präsident in den Einsatz einer völlig neuartigen Superwaffe ein: der Atombombe.
KAMPF IM PAZIFIK: Das zähe und äußerst blutige Ringen um Okinawa trägt mit dazu bei, dass die Amerikaner beim Angriff auf das japanische Mutterland die Atombombe einsetzen. Das Bild zeigt GIs beim Häuserkampf auf Okinawa. Abb.: picture-alliance/ United Archives/TopFoto
Am 2. Oktober 1990, 24.00 Uhr, endete die Geschichte einer deutschen Streitmacht, die von sich stets behauptet hatte, eine Armee für »Frieden und Sozialismus« zu sein. Die Geschichte der NVA ist untrennbar mit der Geschichte des Kalten Krieges verbunden. Allein dieser Hintergrund macht sie als Gegenstand der Betrachtung spannend. Dies ist das moderne, auf dem neuesten Stand der Forschung stehende und populär geschriebene sowie großzügig illustrierte Standardwerk zur NVA. 224 Seiten · ca. 320 Abb. · 19,3 x 26,1 cm € [A] 30,90 sFr. 39,90 ISBN 978-3-7658-2048-9
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Alexander Querengässer, Jahrgang 1987, ist Militärhistoriker und Autor aus Dresden.
Erlebnis Geschichte Clausewitz 3/2015
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ben, als sterben. Über eine Woche wird in der alten Burg gekämpft, um jede Mauer, jedes Schützenloch, jeden der vielen geheimen Tunnel. Doch schließlich fällt Shuri, und die Machinato-Linie ist in ihrem Zentrum durchbrochen.
Bucher im GeraMond Verlag GmbH, Infanteriestraße 11a, 80797 München
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Film
Meilenstein des Antikriegsfilms
„Im Westen nichts Neues“ 1930: Der herausragende Antikriegsfilm „Im Westen nichts Neues“ entsteht in Hollywood, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Erich Maria Remarque. Er ist ein Meisterwerk mit einer zeitlos gültigen humanistischen Von Daniel Carlo Pangerl Botschaft.
SCHÖPFER EINES DESILLUSIONIERENDEN ANTI-KRIEGSROMANS: Remarque (eigentlich Remark) 1930, dem Jahr, in dem sein berühmtestes Buch als Filmversion uraufgeführt wird. Abb.: picture-alliance/Imagno
W
ir schreiben das Jahr 1916: Seit zwei Jahren tobt der Erste Weltkrieg. In der niedersächsischen Stadt Osnabrück besucht ein hochbegabter achtzehnjähriger Mann namens Erich Paul Remark ein katholisches Seminar, wo er eine Ausbildung zum Volksschullehrer absolviert. Im November wird er mit einem Schlag aus seinem beschaulichen Umfeld gerissen: Er und alle anderen Mitglieder seiner Klasse werden zwangsweise zum Kriegsdienst eingezogen. Nachdem sie eine militärische Grundausbildung durchlaufen haben, reisen sie im Juni 1917 an die Westfront und sollen dort gegen die Franzosen kämpfen. Aber schon kurz darauf zieht sich Remark durch einen Halsschuss und mehrere Granatsplitter schwere Verletzungen zu. Die Zeit bis zum Kriegsende 1918 verbringt er in einem Militärhospital in Duisburg. Die grauenvollen Erlebnisse an der Front prägen Remark ein Leben lang und lassen ihn zu einem radikalen Pazifisten werden. Nach einer kurzen Tätigkeit im Schuldienst versucht er sich als Schriftsteller und legt sich den Künstlernamen „Erich Maria Remarque“ zu, unter dem er bis heute bekannt ist. Mit seinem zweiten Buch gelingt ihm der Durchbruch: Es trägt den Titel „Im Westen nichts Neues“. Dieser Roman basiert auf Remarques eigenen Kriegserfahrungen sowie auf Berichten verletzter Soldaten, die er im Duisburger Krankenhaus kennengelernt hat. Erzählt wird das Schicksal des 19-
TERROR UND TRAGIK STATT TUGENDHAFTER TOD: Der Grabenkampf an der Westfront bringt weder den erhofften Ruhm noch den dramatischen Heldentod. Abb.: picture alliance/United Archives
jährigen Paul Bäumer und seiner Klassenkameraden, die 1914 gemeinsam als Freiwillige in den Ersten Weltkrieg ziehen und an der Westfront die Hölle auf Erden erleben. Ein Teil von ihnen stirbt während der Gefechte, die Überlebenden kehren traumatisiert zurück. Der Krieg hat aus lebensfrohen jungen Menschen körperlich versehrte und seelisch abgestumpfte Wracks gemacht. Remarque betont, sein Buch „soll weder eine Anklage noch ein Bekenntnis sein. Es soll nur den Versuch machen, über eine Generation zu berichten, die vom Kriege zerstört wurde, auch wenn sie seinen Granaten entkam“.
ten und Vertreter des Militärs. Mit ihrer fanatischen Hetze haben sie Erfolg: Der Deutsche Offizier-Bund kann mit wütenden Protesten verhindern, dass Remarque für den Nobelpreis nominiert wird. Nach der NS-Machtergreifung 1933 wird „Im Westen nichts Neues“ bei zahlreichen Bücherverbrennungen ein Opfer der Flammen und schließlich verboten. Hollywood im Jahr 1929: Hier, an der Westküste der USA, residiert die Universal Pictures, eine aufstrebende Filmgesellschaft. Ihr Präsident Carl Laemmle, ein gebürtiger Schwabe, ist stets auf der Suche nach Erfolg versprechenden Stoffen, die sich für eine
Verfilmung eignen. Mit mutigen und ambitionierten Produktionen möchte er MetroGoldwyn-Mayer, Paramount, Warner Brothers und anderen Branchenriesen des Films Markanteile abspenstig machen. Als Carl Laemmle, wie jedes Jahr, in seine deutsche Heimat reist, weist ihn der Literaturagent Otto Klement auf den Bestseller „Im Westen nichts Neues“ hin. Laemmle nimmt Kontakt mit Remarque auf und erwirbt von diesem die Rechte für eine Verfilmung des Romans. Journalisten stellen ihm die Frage, weshalb er das Wagnis eingehe, das heftig umstrittene Buch als Film herauszubringen.
Eine gespaltene Nation
Laemmle bleibt standhaft
„Im Westen nichts Neues“ wird erstmals im November 1928 als Fortsetzungsroman in der Vossischen Zeitung Berlin abgedruckt. Im Januar 1929 erscheint das Werk in Buchform und entwickelt sich rasch zu einem Bestseller: Binnen elf Wochen werden 450.000 Exemplare verkauft. Auch im Ausland findet der Roman reißenden Absatz und wird noch im selben Jahr in 26 Sprachen übersetzt. 1931 ist Remarque sogar als Kandidat für den Friedensnobelpreis im Gespräch. Als Anlass dient die zeitlose humanistisch-pazifistische Botschaft, die der Autor in seinem Roman verkündet. Jedoch gibt es in der Endphase der Weimarer Republik mächtige Gruppierungen, die Remarque in höchstem Maße feindlich gesinnt sind: Nationalkonservative, Nationalsozialis-
Die Antwort des Universal-Präsidenten lautet: „Eine der größten deutschen Filmtheater-Ketten hat mir bereits mitgeteilt, dass sie mit dem Projekt nichts zu tun haben möchte, wenn unser Film in Deutschland gezeigt wird. So etwas habe es nie gegeben, schreiben ja die Kritiker des Buches in Deutschland, alles sei gelogen. Aber was soll es nie gegeben haben – den Krieg? Wir haben das doch auch durchgemacht. Soll es den ganzen Schmutz nicht gegeben haben? Da mussten wir auch durch. Und Einwände gegen das Kämpfen? Das Leiden hatten doch wohl beide Seiten gemeinsam. Ich bin sicher, wir werden einen ganz großen Film haben.“ Die Dreharbeiten beginnen im November 1929 und dauern ganze siebzehn Wochen.
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MARTIALISCHES MARKETING: Ein als Panzer „getarntes“ Werbefahrzeug für „All Quiet on the Western Front“ im Jahr 1930. Abb.: picture-alliance/akg-images
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Film | Im Westen nichts Neues
RESPEKTABLER REALISMUS: Noch heute wirken die Bilder aus „Im Westen nichts Neues“ beindruckend authentisch. Der Regisseur – ein ehemaliger Mitarbeiter in der Fotoabteilung der U.S. Army – besteht auf akribisch rekonstruierte Bauten. Abb.: picture alliance/United Archives
Sie finden auf dem Gelände von Universal Pictures statt, welches mit großem Aufwand in ein originalgetreues Schlachtfeld verwandelt wird. Carl Laemmle fungiert als Produzent. Als Regisseur verpflichtet er den aus Moldawien stammenden Lewis Milestone (eigentlich Lew Milstein), der seit 1918 in den USA arbeitet. Insgesamt wirken etwa 150 Schauspieler und Statisten mit. Diese haben zuvor ein professionelles militärisches Training durchlaufen, um glaubhaft Soldaten an der Front zu verkörpern. Nach Laemmles Willen soll ursprünglich Remarque selbst die Hauptrolle des Paul Bäumer übernehmen. Jener sagt jedoch ab. Als Ersatz wird schließlich Lew Ayres engagiert, ein 21jähriger, damals relativ unbekannter amerikanischer Schauspieler, der durch diesen Film Weltruhm erlangt.
Anspruchsvoll und aufwendig Die Dreharbeiten von „Im Westen nichts Neues“ weisen zwei Besonderheiten auf. Zum einen ist der Film aus Kostengründen in schwarz-weiß gehalten. Zwar wird der Farbfilm bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts erfunden. Er erweist sich aber als technisch so anspruchsvoll und teuer, dass er sich erst ab den 1930er-Jahren langsam durchsetzt. Im Falle von „Im Westen nichts Neues“ ist diese Einschränkung aber zugleich eine Tugend, denn das Vorherrschen von Schwarz-, Weiß- und Grautönen verstärkt beim Zuschauer das Gefühl von Be-
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drückung und Elend. Zum anderen werden gleich zwei Versionen erstellt: eine Tonfilmund eine Stummfilmfassung. Diese Entscheidung ist dem Umstand geschuldet, dass der Tonfilm zu jener Zeit noch in den Kinderschuhen steckt, und viele Kinos über keine entsprechende Soundanlage verfügen. Jedoch ist die Tonfassung vorzuziehen, da sie der künstlerischen Vision des Regisseurs besser entspricht, und der Soundtrack die Atmosphäre erheblich verstärkt. Bei „Im Westen nichts Neues“ handelt es sich zweifellos um ein filmisches Meisterwerk. Regie, Drehbuch, Kameraführung, Schnitttechnik und nicht zuletzt die schauspielerischen Leistungen sind allesamt herausragend. Der Film beschert dem Zu-
Den Kampf ums nackte Überleben zeigt er gänzlich ungeschminkt, ohne in Sentimentalitäten abzugleiten.
Erschütternd realistisch Die Darstellung der Kampfszenen und Verwundungen ist für die damalige Zeit äußerst drastisch und blutig. Der Kameramann Arthur Edeson gleitet mit virtuosen Bewegungen über Schlachtfelder und Schützengräben und fängt so die verwüstete Szenerie äußerst effektvoll ein. Lew Ayres liefert ein sehr überzeugendes Porträt des Titelhelden Paul Bäumer. Mit der von ihm verkörperten Unschuldigkeit und seiner feinen Mimik wirkt er wie ein Vorläufer von James Dean. Originell ist die Gestaltung des Soundtracks. Mu-
„Es ist der bei weitem beste Spielfilm, der je gedreht wurde, egal ob Ton- oder Stummfilm.“ Zeitungskritik des New York Telegraph von 1930 anlässlich der Premiere von „Im Westen nichts Neues“
schauer ein Wechselbad der Gefühle: Zu Beginn sieht man, wie bei den jungen Rekruten noch Optimismus, Überschwang und patriotischer Idealismus dominieren. An der Westfront angekommen, schlägt die Stimmung jedoch prompt um: Angst und Schrecken stehen nun auf der Tagesordnung. Regisseur Lewis Milestone bedient sich eines nüchternrealistischen, fast dokumentarischen Stils:
sik erklingt nur im Vor- und Abspann: pathetische Marschthemen, komponiert von James Brockman. Ansonsten hört man während des Films nur gesprochene Dialoge sowie eine bedrohliche Geräuschkulisse, welche die Spannung verstärkt. Durch die Summe dieser Vorzüge gehört „Im Westen nichts Neues“ zu den besten Antikriegsfilmen überhaupt. Nur
Umstritten und umkämpft
sehr wenige Lichtspiele haben die Schrecken des Krieges derart authentisch auf die Leinwand gebannt.
KONTROVERSEN UND KRAWALLE: Der Film führt zu Handgreiflichkeiten und Störaktionen, wie hier vor dem Wiener Schweden-Kino 1931.
Eine endlose Zensurgeschichte
Abb.: picture-alliance/Imagno
Am 20. April 1930 findet die Uraufführung in Los Angeles statt. Der Film ist sowohl bei den Kritikern als auch beim Publikum ein voller Erfolg und gewinnt zwei Oscars. Seine antimilitaristische Botschaft und seine heftigen Gewaltszenen bereiten aber von Anfang an große Probleme. Bereits vor der Premiere wird das fertige Filmmaterial auf Anordnung der amerikanischen Filmzensur gekürzt, so dass der ursprünglich 150-minütige Film nur noch eine Spielzeit von 140 Minuten aufweist, als er in die Kinos kommt. Für den Export in andere Länder müssen weitere Änderungen vorgenommen werden. Besonders drastisch sind die Schnittauflagen für den deutschen Markt. Dort wird der Film zum ersten Mal am 4. Dezember 1930 im Kino am Berliner Nollendorfplatz gezeigt, in einer eigens erstellten deutschen Synchronfassung von etwa 85 Minuten Länge. Wie zu erwarten, trifft die Verfilmung auf ähnlich massiven Widerstand wie zwei Jahre zuvor Remarques Buch. Die Nationalsozialisten organisieren gezielte Störaktionen, halten Protestkundgebungen vor den Lichtspielhäusern ab und werfen Stinkbomben in die Kinosäle. Damit können
HINTERGRUND
sie erreichen, dass die Oberste Filmprüfstelle die Vorführung von „Im Westen nichts Neues“ im gesamten Deutschen Reich verbietet. Die Begründung: Der Film besitze eine „ungehemmte pazifistische Tendenz“ und gefährde „das deutsche Ansehen in der Welt“. 1931 wird die deutsche Synchronfassung zunächst wieder zugelassen, 1933 nach der NS-Machtergreifung aber endgültig verboten. Stattdessen zeigt man nun im Deutschen Reich eine Bearbeitung des Films:
Das Remake von 1979
Die Verfilmung von 1930 kann aus künstlerischer Sicht kaum übertroffen werden. Jedoch ist es insbesondere in den USA Brauch, von einem bereits erfolgreich verfilmten Stoff ein Remake zu drehen. Und so wagt sich 1979 der amerikanische Regisseur Delbert Mann an eine Neuverfilmung des Romans „Im Westen nichts Neues“. Diese sorgfältig produzierte Version punktet vor allem mit exzellenten Schauspielerleistungen: Neben dem hervorragenden Richard Thomas in der Hauptrolle des Paul Bäumer weist die Besetzungsliste prominente Namen wie Ernest Borgnine, Donald Pleasence und Ian Holm auf. Im Vergleich zur Erstverfilmung ist das Remake in Farbe gedreht und besitzt – angesichts des Entstehungsjahres kaum überraschend – eine bessere Bild- und Tonqualität. Auch weicht die Erzählstruktur von derjenigen des Romans und der Erstverfilmung ab: Die Geschehnisse werden nicht streng chronolo-
gisch angeordnet, sondern es wird immer wieder zwischen Vorkriegs- und Kriegszenen hin und her gesprungen; eine Entscheidung, die dramaturgisch nur bedingt überzeugen kann. So respektabel die Neuverfilmung geraten ist, so ist sie doch dem Original von 1930 deutlich unterlegen, besonders hinsichtlich der Intensität des Ausdrucks und der emotionalen Wirkung: Die fieberhafte Atmosphäre des Krieges und das Grauen in den Schützengräben werden in der Erstverfilmung auf einzigartige Weise dargestellt. Das Remake ist beim Label Concorde erhältlich. Die DVD enthält sowohl die 126-minütige TV-Version als auch den 150-minütigen Director’s Cut. Wer an Remarques Roman und an der Erstverfilmung Gefallen findet, den dürfte zum vertiefenden Verständnis der Thematik das Remake interessieren. NEUAUFLAGE: Richard Thomas als Paul Bäumer in der Filmversion von 1979. Wie Lew Ayres in Milestones Film ist auch Thomas ein „unverbrauchter“ Schauspieler. Abb.: picture alliance/United Archives
Clausewitz 3/2015
1939, nach Kriegsausbruch, wird „Im Westen nichts Neues“ im Auftrag der Nazis zu Propagandazwecken gravierend umgeformt. Neu hinzu kommen zwei eigens gedrehte Komponenten: zum einen ein Dokumentarteil, in dem eine Erzählstimme die deutschen Soldaten des Ersten mit denen des Zweiten Weltkriegs vergleicht; zum anderen eine Schlussszene, die eine Bücherverbrennung zeigt. Dabei wird klar erkennbar auch Remarques Roman in die Flammen geworfen. Aus dem ursprünglichen Antikriegsfilm ist somit eine heldenhafte Verklärung der deutschen Soldaten bei gleichzeitiger Verhöhnung des Pazifismus geworden. Am 25. April 1952 wird „Im Westen nichts Neues“ in Berlin erstmals wieder in einer weitgehend rekonstruierten 120-minütigen Fassung gezeigt, gereinigt von den groben Verfälschungen der Nazis. Damit findet die Zensurgeschichte dieses Films aber noch kein Ende: Gegenwärtig ist keine Version verfügbar, die der amerikanischen Premierenfassung vom 20. April 1930 entspricht. Die seit 2005 erhältliche DVD des Labels Universal hat eine Laufzeit von 128 Minuten. Es fehlen somit ganze 12 Minuten. Dieses Manko wird aber zumindest teilweise durch die hervorragende Bild- und Tonqualität kompensiert. Zudem sind sowohl der englische Originalton als auch eine deutsche Synchronfassung anwählbar. „Im Westen nichts Neues“ ist ein Muss für jeden, der sich für Kriegs- und Antikriegsfilme interessiert, ein zeitloser Klassiker des qualitativ hochwertigen Hollywood-Kinos. Dr. Daniel Carlo Pangerl, Jg. 1983, ist Historiker und Kulturwissenschaftler aus Starnberg.
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Spurensuche
Regensburg
Der vergessene Spiegel des Alten Reiches
179 n. Chr.: Römische Legionäre gründen Regensburg als Militärlager. Daraus entsteht eine Stadt, die Aufstieg und Niedergang erfährt – und dabei immer wieder ein verblüffendes Abbild des Deutschen Reiches darstellt. Von Dominik Schönecker
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ie Einschläge der französischen Geschützbatterien kommen näher, aber noch hält ein Teil der österreichischen Truppen unter Erzherzog Karl die Stellung auf den Wehrgängen der mittelalterlichen Stadtbefestigung Regensburgs. Der Großteil ist im Begriff, sich über die Steinerne Brücke über die Donau zurückzuziehen. Seit der verlorenen Schlacht bei Eggmühl am Tag zuvor fliehen die Österreicher vor den Franzosen. Es ist Sonntag, der 23. April 1809 und Napoleons Angriff auf Regensburg steht kurz bevor. Eine Quelle berichtet vom Zustand der Stadt an diesem Tag. „Immer mehr füllten sich die Straßen mit Truppen, Geschütz- und Bagagewägen, die alle eiligst nach der Brücke drängten; in den hier zusammenführenden Gassen war das Gewirr und der Lärm, der sich treffenden Colonnen unbeschreiblich.“ Bereits am Abend hat Napoleon Regensburg völlig in seiner Hand. Es ist das endgültige Ende von Regensburgs besonderer Rolle im Alten Reich. Die Geschichte der Stadt beginnt an der Peripherie des Römischen
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Imperiums. Im Jahr 179 n. Chr. erbauen die Legionäre der III. Italischen Legion am Zusammenfluss von Donau und Regen ein Legionskastell, dem sie den Namen Castra Regina geben, Lager am Regen. Noch heute zeugen die Überreste der Porta Praetoria, dem ehemaligen Nordtor dieses Lagers, von der Wehrhaftigkeit des Kastells, das die Ostgrenze der Provinz Raetien schützen sollte. Mindestens zwei Mal haben germanische Stämme das Kastell in der Mitte des 3. Jahrhunderts verwüstet, die Einwohner massakriert und das Lager gebrandschatzt, zwei Mal haben es die Legionäre wieder aufgebaut. Das bezeugt die wichtige strategische Lage des Kastells. Es liegt an zwei bedeutenden Wasser- und damit Handelsstraßen und gleichzeitig in einer fruchtbaren Ebene, was für die Versorgung der Legion dringend erforderlich ist. Über das Ende des Lagers weiß man nicht sehr viel. Sicher ist nur, dass Regensburg nie vollständig geräumt worden ist, wie es beispielsweise mit Batavia (Passau) geschehen ist, sondern dass es einen allmählichen
Nieder- und Übergang erlebt hat. Schon im 4. Jahrhundert wird aus dem Legionslager eine Festungsstadt, in der nicht mehr nur Soldaten, sondern auch zivile Bewohner leben und arbeiten. Die Bevölkerungsstruktur, das zeigen Funde germanischer Keramik aus dem 5. Jahrhundert, hat sich allmählich mitverändert. Die einheimische Bevölkerung mischt sich mit den verbliebenden Römern, sodass es noch bis in das frühe Mittelalter einen nachweisbaren und eigenständigen Anteil an römischen Regensburgern gibt.
Zwischen zwei Herren Als Regensburg wieder als Stadt erscheint, ist es von der Peripherie schon etwas ins Zentrum gerückt. Ihr Anblick muss für einen frühmittelalterlichen Menschen beeindruckend gewesen sein. An den Hängen zwischen Regen und Donau wächst der Wein, den wahrscheinlich die Römer mitgebracht haben, und in der fruchtbaren Ebene liegt Regensburg, „die weit ausgedehnte, mit Mauern und Turmbauten bewehrte Stadt“, wie Arbeo von Freising (etwa 723–784) be-
EINE STADT IN FLAMMEN: Napoleon wird am 23. April 1809 vor Regensburg zwar leicht verwundet – seine Truppen können die Österreicher aber aus der Stadt vertreiben. Abb.: picture alliance/Mary Evans Picture Library
STANDORTVORTEIL: Durch die ideale Lage an der Donau (sowie ihren Nebenflüssen Regen und Naab) ist Regensburg ein begehrter und umkämpfter Siedlungsplatz. Bis heute hat die Stadt viel von ihrer mittelalterlichen Erscheinung bewahrt. Abb.: picture alliance/Westend61
richtet. Von ihm stammt die erste Beschreibung des nachantiken Regensburg. Das Geschlecht der Agilolfinger, die ab der Mitte des 6. Jahrhunderts über die bajuwarischen Stämme herrschen, hat sich bereits unter Garibald I. in der ehemaligen Römerfestung niedergelassen. Es entsteht eine Herzogspfalz im Herzen Regensburgs, das so zur ersten bayerischen Hauptstadt wird. Im 7. und 8. Jahrhundert erstarkt auch das Christentum in der Stadt. Im Jahr 739 ordnet der päpstliche Missionar Bonifatius die kirchlichen Verhältnisse in Bayern und macht Regensburg zum Sitz eines Bischofs. Unter Gaubald (739–761), dem ersten Bischof Regensburgs und Abt des Klosters St. Emmeram, wird die Kirche zur zweiten Macht in der Stadt. Regensburg hat nun zwei Stadtherren, die ihre Ansprüche geltend machen.
Ein perfekter Platz Es ist schließlich Karl der Große, der im Jahr 788 der bayerischen Herrschaft ein Ende setzt, als er Herzog Tassilo III. absetzt und Regensburg zu einer bedeutenden Stadt sei-
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nes Reiches macht. Er befördert die ehemalige Herzogspfalz zur Königs- und Kaiserpfalz und hält dort mehrere Reichsversammlungen ab. Regensburg ist jetzt eine Stadt des Kaisers, und Karl nutzt fortan die günstige Lage als Ausgangspunkt für seine Feldzüge gegen die Awaren. Erneut liegt Regensburg an der Peripherie eines großen Reiches, doch die Bedeutung der Stadt hat sich gewandelt und vergrößert. Die Blüte Regensburgs im Mittelalter nimmt von hier aus ihren Anfang. Aber auch die Spiegelung der Zustände im gesamten Reich zeichnet sich im Kleinen schon ab, denn Herzog, Bischof und Kaiser herrschen in je eigenen Bereichen, Grenzen ziehen sich durch die geschäftigen Gassen und die Bewohnerschaft der aufstrebenden Stadt. Nach dem Tode Karls des Großen und dem Zerfall des Fränkischen Reichs wird Regensburg schließlich zur Hauptstadt des gesamten Ostfränkischen Reichs. Vor allem Ludwig der Deutsche (826–876) stellt die Bedeutung Regensburgs heraus, bezeichnet es als „civitas regia“ und errichtet einen Neu-
bau der Pfalz. Denn Regensburg hat alles, was eine Hauptstadt, neben der Pfalz, benötigt: die nötige Infrastruktur an Verkehrswegen, Wäldern, Gutshöfen, Feldern, Weinbergen, um den Herrscher und sein Gefolge zu versorgen. Regensburg wird so die erste Hauptstadt eines Reiches, das man schon bald als das „deutsche“ bezeichnet. Aber mit dem Tod Ludwigs des Kindes im Jahr 911 und der Wahl neuer Könige anderer Blutlinien sinkt die Bedeutung Regensburgs wieder. Nicht jedoch für die erstarkten Herzöge von Bayern. Arnulf (907–937) nennt sich nun unwidersprochen Herzog von Bayern und macht Regensburg wieder zu seiner Hauptstadt.
Freie Reichsstadt Die ideelle Bedeutung, die Regensburg im Laufe des Mittelalters erhält, zeigt sich in ihrer großen und symbolträchtigen Bautätigkeit. Zwischen 1135 und 1146 entsteht mit der Steinernen Brücke eine der ersten Steinbrücken in nachrömischer Zeit, die als einziger fester Donauübergang zwischen Ulm
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Spurensuche | Regensburg
WAHRZEICHEN: Die Steinerne Brücke und der Regensburger Dom (im Hintergrund) sind architektonische Zeugen einer imposanten und bewegenden Stadtgeschichte. Abb.: picture alliance/Westend61
RÖMISCHES RELIKT: Die Legionäre sind die eigentlichen Gründerväter der Stadt – noch heute sind ihre Spuren sichtbar. Das Bild zeigt das Nordtor des ehemaligen Castra Regina, die Porta Praetoria. Abb.: picture alliance/Sueddeutsche Zeitung Photo
und Wien in ihrer Bedeutung gar nicht überschätzt werden kann. Denn die Wichtigkeit der Stadt leitet sich nun vom wirtschaftlichen Erfolg ihrer Bürger ab. Regensburg ist als Residenzstadt gut entwickelt und zieht eine wachsende Zahl von Handwerkern und Händlern an. Mit der Lage an der Donau, die als Verkehrs- und Handelsweg bis ans Schwarze Meer reicht, sowie guten Verbindungen nach Osten das Regental hinauf und nach Süden über die Alpen nach Venedig, hat Regensburg einen idealen Standort. Die ansässigen Händler kommen so bis nach Konstantinopel, dem Ende der Seidenstraße, womit ihnen der Anschluss an den damaligen Welthandel glückt.
Die Bürger können in der Folgezeit die Querelen unter den alten Stadtherren immer wieder zu ihrem eigenen Vorteil nutzen, ihre Privilegien nach und nach ausbauen, und schließlich erhalten sie 1245 von Kaiser Friedrich II. das Privileg einer „Freien Reichsstadt“. Mit dem Privileg der Reichsfreiheit verliert Regensburg zunächst jedoch etwas von seiner politischen Bedeutung, da der Bischof auf seinen Bereich um den Dom zurückgeworfen wird, und auch Herzog und Kaiser nur noch ihre direkten Besitztümer behalten. Die innere Souveränität bleibt durchlöchert, weil Herzog und Bischof ihre eigenen Ge-
Wichtige Daten
Zweitgrößte Stadt im Reich
FAKTEN
Regensburg wird buchstäblich steinreich. Zwei steinerne Symbole stehen deshalb für diese Zeit der größten Blüte: die Steinerne Brücke und der gotische Dom, mit dessen Bau im späten 13. Jahrhundert begonnen wird. Regensburg ist eine Weltstadt geworden, ist mit zirka 20.000 Einwohnern nach Köln die zweitgrößte Stadt im Reich und erweitert um 1300 schließlich auch ihre Mauern, um die neu entstandenen Viertel im Osten und Westen sowie den Hafen und die Flussufer schützen zu können. Innerhalb der Stadt sieht man das Anbrechen der neuen Zeit an der Bautätigkeit der Bürger, die sich im Westen der Stadt – abseits von Bischof und Herzog – ein neues, bürgerliches Zentrum schaffen.
179 n. Chr. 6. Jahrhundert 788 920 1135–1146 1189
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richtsbarkeiten in der Stadt behalten, und gerade die Herzöge von Bayern immer wieder versuchen, die Macht in der Stadt für sich zurückzugewinnen. Die wirtschaftliche Blüte dauert nicht lange. Die Hussitenkriege im 15. Jahrhundert behindern den Handel mit Prag, die Eroberung Konstantinopels und Zerschlagung des Byzantinischen Reichs im Jahr 1453 durch die Osmanen schneiden den Weg zur Seidenstraße ab. Dazu erschweren die bayerischen Herzöge den Handel über die Donau immer mehr. Die Bürger versäumen es, andere Standbeine aufzubauen. Die Patrizier werden bequem, pflegen ihren weltlichen
1245 1273 um 1300 1519 1542 1632–1634 1663–1806 1810
Gründung Regensburgs als Legionslager „Castra Regina“ Errichtung der bajuwarischen Herzogspfalz Karl d. Große setzt Herzog Tassilo III. ab Errichtung der ersten Stadtmauer unter Herzog Arnulf Errichtung der Steinernen Brücke Der 3. Kreuzzug mit Kaiser Friedrich Barbarossa an der Spitze bricht von Regensburg aus auf Privileg der Freien Reichsstadt Baubeginn des gotischen Domes Erweiterung der Stadtbefestigungen Vertreibung der Regensburger Juden Regensburg wird lutherisch Regensburg wird im Dreißigjährigen Krieg mehrfach verheert Sitz des Immerwährenden Reichstages Regensburg wird Teil des Königreichs Bayern
Eine konfessionell gespaltene Stadt
SPIELBALL DER GROßEN MÄCHTE: Besonders im Dreißigjährigen Krieg ist Regensburg hart umkämpft. Die innerstädtischen Verhältnisse machen es zu einer Art „mikroskopischer Version“ des Reiches. Der Kupferstich zeigt die Belagerung der Stadt durch die Schweden. Abb.: picture-alliance/akg-images
Literaturtipp Matthias Freitag: Kleine Regensburger Stadtgeschichte. Regensburg 1999.
Luxus und ihre Machtfülle, aber die Stadt insgesamt stagniert. Politisch zeigt sich Regensburg dabei durchaus beweglich, auch wenn es innenpolitische Spannungen und immer wieder Ärger mit dem Kaiser gibt, denn noch hat man Grund für bürgerliches Selbstbewusstsein. Kaiser Ludwig der Bayer befindet sich ab 1334 in einem mehr oder weniger offenen Streit mit Regensburg, da er der Stadt vorwirft, ihre Pflichten gegenüber seiner Regentschaft nicht zu erfüllen. So hat sich Regensburg erfolgreich dagegen gewehrt, sich finanziell an Ludwigs Italienzug zu beteiligen, der mit seiner Krönung in Rom 1328 endet. 1337 liegt Ludwig schließlich mit einem Heer vor Regensburg, um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen. Aber der Rat ist
Außenbesitzungen bis auf den „Burgfrieden“ an den Herzog abtreten. Die ehemals stolzen und freien Regensburger sind nun allein auf den Schutz des Kaisers angewiesen. Innerhalb der Mauern bleibt die Herrschaft weiterhin durchlöchert, denn die Machtbereiche des Bischofs, des Herzogs, des Kaisers und der freien Klöster bestehen weiterhin. So wird Regensburg im Kleinen mehr und mehr ein Spiegel des gesamten Reichs im Großen, eine verwirrende Vielfalt, die oft genug mit demselben Problem wie das Reich zu kämpfen hat: Lähmung.
Stadt des Reichstages Im Jahr 1542 bekommt dieser Spiegel eine weitere Dimension, als Regensburg evangelisch wird. Gänzlich evangelisch kann die
„Die Stadt war uneinnehmbar, aus Quadern erbaut, mit hochragenden Türmen, und mit Brunnen reichlich versehen.“ Arbeo von Freising in seiner Biographie des Hl. Emmeram
nicht gewillt, dem Kaiser die Tore zu öffnen, und einnehmen kann er die wehrhafte Stadt nicht. Erst 1344 wird ein dauerhafter Frieden zwischen Regensburg und Kaiser Ludwig geschlossen. In den nächsten 100 Jahren sinkt der Stern der Stadt immer weiter. Dabei wird sie zunächst zum Spielball der widerstreitenden Interessen des Kaisers und des bayerischen Herzogs. Der Herzog beansprucht die Stadt immer noch für sich – und Regensburg ist Ende des 15. Jahrhunderts schließlich sogar gewillt, dem „Werben“ des Herzogs nachzugeben. Der Kaiser jedoch besteht ebenso sehr auf seinen eigenen Anspruch. Regensburg muss im Zuge dieser machtpolitischen Entscheidungen, auf die die Stadt wegen ihrer äußerst angespannten wirtschaftlichen Lage nur mehr wenig Einfluss hat, um 1500 alle
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Stadt jedoch nicht werden. So bestimmt der Rat zwar, dass nur Protestanten das Bürgerrecht in der Stadt erhalten dürfen, aber natürlich bleiben diejenigen Einwohner Regensburgs, die dem Bischof oder dem Herzog unterstehen, weiterhin katholisch. In der Zeit größter konfessioneller Spannungen sorgt dieser Umstand immer wieder für Probleme, nicht zuletzt im Dreißigjährigen Krieg. Nach dem Westfälischen Frieden von 1648 ist Regensburg deshalb mehr denn je ein Spiegelbild des Reichs. Diese Eigenschaft bringt die Stadt schließlich zurück auf die große politische Bühne, denn wegen ihrer Struktur ist sie der ideale Standpunkt für Reichstage, weil sie gleichsam neutrales Gebiet darstellt: Sie ist bürgerlich, protestantisch und katholisch. 1663 schließlich löst sich der Reichstag gar nicht mehr auf und
wird hier zum Immerwährenden Reichstag. So kommt barockes, höfisches Leben in die Stadt, was jedoch den Bürgern weniger zugutekommt, da die Delegierten, die nun dauerhaft in Regensburg residieren, als Diplomaten nicht steuerpflichtig sind. Die Existenz der Stadt ist nun gänzlich abhängig, denn ohne den Reichstag könnte sie sich alleine nicht mehr auf den Beinen halten.
Ein doppeltes Ende Die Erschütterungen der Französischen Revolution 1789 sind bald auch in Regensburg zu spüren und machen die Stadt endgültig zum Spielball der Politik. 1800 erobert die Revolutionsarmee erstmals Regensburg, man muss Truppen aufnehmen und versorgen und eine irrwitzige Summe an Kontributionen zahlen. Regensburg ist ruiniert. Nach dem Frieden von 1801, in dem etliche deutsche Fürsten weite Teile ihrer Territorien verlieren, verlangen diese nun Entschädigungen. Der Reichstag in Regensburg verabschiedet 1803 schließlich in seiner allerletzten Sitzung den „Reichsdeputationshauptschluss“, und die Karte des Reiches ändert sich über Nacht. Die kirchlichen Territorien werden im Rahmen der Säkularisierung aufgelöst, und reichsunmittelbare Territorien einem Herren unterstellt. 1806 findet das Heilige Römische Reich sein Ende, und in Regensburg löst sich der Immerwährende Reichstag auf. Der letzte Glanz – bis auf die Fürsten von Thurn und Taxis – verschwindet aus der Stadt. Die Eroberung und teilweise Zerstörung der Stadt am 23. April 1809 durch Napoleon ist nur ein letzter Schlag. Am 22. Mai 1810 schließlich wird Regensburg der Herrschaft des neuen Königs von Bayern Maximilian I. unterstellt. Dominik Schönecker hat in Regensburg studiert, dort nach dem Referendariat in Deutscher Philologie promoviert, und arbeitet als freier Autor und Stadtführer in Regensburg.
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Menschen & Geschichten | Otto Carius
Die heiklen Fronteinsätze des „Tiger“-Kommandanten
Krieg auf Ketten 24. Januar 2015: Der ehemalige Panzerkommandant Otto Carius stirbt im Alter von 92 Jahren. Während seines bewegten Soldatenlebens bei der Panzerwaffe 1940–1945 empfängt er zahlreiche Auszeichnungen und erzielt höchste Abschusszahlen. Von Lukas Grawe
E
r gilt aufgrund seiner Vielzahl an Abschüssen gegnerischer Panzer als einer der erfolgreichsten Panzerkommandanten des Zweiten Weltkriegs. Seine dramatischen Erlebnisse an der Front verarbeitet er in seinem weltweit bekannten Buch „Tiger im Schlamm“, das sich seit seiner Veröffentlichung im Jahr 1960 zu einer Art „Bestseller“ der Kriegserinnerungen entwickelt. Wer war der Mann, der seine Gegner das Fürchten lehrte? Welche Einsätze begründeten seinen Ruf als „Panzer-Ass“?
Der Weg zur Panzerwaffe Rund dreieinhalb Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs wird Otto Carius am 27. Mai 1922 im pfälzischen Zweibrücken geboren. Schnell spielt der Krieg auch in seinem Leben eine prägende Rolle: Bereits kurz nach dem Abitur meldet er sich im Frühjahr 1940 – noch keine 18 Jahre alt – freiwillig zum Dienst bei der Panzerabwehr. Hier will sich Carius an der Ausbildung für die „Panzerbüchse 38“ beteiligen, einem Gewehr zur Bekämpfung leicht gepanzerter Fahrzeuge. Da die Panzerabwehr jedoch keinen Bedarf für
TRANSPORT PER SCHIENE: Diese „Tiger“ der schweren Panzer-Abteilung 502, der auch Carius angehörte, tragen die breite Gefechtskette, scheinbar fehlte die Zeit, die schmalere Verladekette (links auf dem WagFoto: Anderson gon sichtbar) aufzuziehen.
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den jungen Soldaten hat, schließt er sich wenig später dem 104. Infanterie-Ersatzbataillon in Posen an. Doch die Faszination der Panzerwaffe lässt ihn nicht los: Rasch verlässt er das Bataillon und meldet sich freiwillig zum Einsatz bei den Panzerstreitkräften. Diese suchen händeringend nach neuen Rekruten, da die deutschen Panzer im Westfeldzug gegen Frankreich endgültig ihre Schlachten entscheidende Tauglichkeit unter Beweis gestellt haben. Carius wird der Panzer-Ersatz-Abteilung 7 in Vaihingen/Stuttgart zugeteilt und soll dort mit der Waffe vertraut gemacht werden. Nach der Ausbildung erhält er seine erste Bewährungsmöglichkeit im Rahmen des Russlandfeldzuges. Beim Angriff auf die Sowjetunion im Sommer 1941 fungiert der junge Rekrut als Ladeschütze in einem Panzer 38(t) aus tschechischen Beutebeständen. Tschechische Panzer dienen in den ersten zwei Jahren des Krieges als wichtiger Bestandteil der deutschen Panzerstreitkräfte. Als Ladeschütze ist Carius verantwortlich für das Laden der 3,72-cm-Kanone des Pan-
IM RUSSISCHEN WINTER: 1942/43 steht die schwere Panzer-Abteilung 502 bei Mga nahe Leningrad. Noch sind wenige Fahrzeuge im Einsatz, die einstellige Nummer „4“ weist auf diesen Umstand hin. Die Soldaten verladen gerade Sprenggranaten. Foto: NARA
zers. Anders als Fahrer und Schütze kann er während der Fahrt nichts sehen. Er ist allein für die Kanone zuständig. Der Ladeschütze hat aber immerhin etwas mehr Bewegungsfreiheit als der Rest der Besatzung. Lediglich die leeren Hülsen der Geschosse behindern ihn, da es noch keinen Fangsack gibt. Als Teil der Heeresgruppe Mitte stößt Carius’ Panzer-Regiment 21 auf Moskau vor. Schon bald bewährt er sich im arbeitsintensiven und psychisch belastenden Alltag des Ladeschützen und wird im August 1941 zum Unteroffizier befördert. Einige Tage darauf wird er als Offiziersanwärter angenommen.
Ausbildung für den „Tiger" Nach seiner Ausbildung kehrt Carius wieder zu seinem Regiment zurück. Er übernimmt als Zugführer die III. Abteilung und befehligt nun vier bis fünf Panzer des Typs Panzer III. Gerade in den ersten Jahren des Russlandfeldzuges bildet dieser Panzer den Hauptteil der deutschen Panzerkräfte. Doch ist er mit seiner schwachen Panzerung und der 5-cmKanone dem sowjetischen T-34 eindeutig unterlegen. Carius’ Aufgabe ist es fortan, gegen
AUSGESCHALTET: Bei den schweren Kämpfen um den Narwa-Brückenkopf im Frühjahr 1944 zerstört Carius mehrere sowjetische Panzer, so wie dieses SU-85, das von seiner Besatzung bewegungsunfähig zurückgelasFoto: Anderson sen wurde.
MARTIALISCH: Diese Propagandazeichnung zeigt Panzerkampfwagen VI „Tiger“ während ihres Einsatzes an der Ostfront 1943. Tatsächlich sind diese schweren Kampfpanzer beim Gegner gefürchtet.Ihre Kommandanten, darunter Carius, können oftmals zahlreiche Abschüsse erzielen. Abb.: picture-alliance/Berliner Verlag/Archiv picture-alliance/dpa-Zentralbild
MIT AUTOGRAMM: Porträtfoto von Otto Carius mit „Eichenlaub zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes“, verliehen am 27. Juli 1944 für seine militärischen Leistungen als Führer der 2. Kompanie der schweren PanzerAbteilung 502 und nach Lazarettaufenthalt im Herbst 1944 überreicht. Foto: BArch, Bild 146-1979-064-06 (Foto bearbeitet, Person freigestellt)
VERALTET: Der PzKpfw 38(t), hier der Chefpanzer der 2./Panzer-Regiment 21, ist 1941 am Ende seiner Leistungsfähigkeit. Beim Beginn des Russlandfeldzuges ist Carius Ladeschütze beim PzRgt 21 auf einem dieser Panzer aus Foto: Hoppe tschechischer Produktion.
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Menschen & Geschichten | Otto Carius die zahlenmäßig und technisch überlegenen gegnerischen Panzer Lösungen zu finden. Im Winter 1942 wird der nun 20-Jährige in die Heimat zurückbeordert. In der PanzerErsatz-Abteilung 500 in Paderborn soll er mit einigen anderen ausgesuchten Offizieren an der Ausbildung für einen neuen Panzertypen teilnehmen: den „Tiger“. Dieser stellt mit seiner überlegenen Bewaffnung und Panzerung alle bisherigen Kampfpanzer des Krieges in den Schatten, weist allerdings nur eine eingeschränkte Beweglichkeit und Reichweite auf. Mehrere Monate lang übt Carius in der besetzten Bretagne den Umgang mit dem neuen Typ, bei dem man „mit zwei Fingern 700 PS schalten, 60 to. lenken sowie 45 Sachen auf der Straße und 20 im Gelände fahren“ kann. Zum Leutnant befördert, übernimmt Carius im Juni 1943 das Kommando als Zugführer in der 2. Kompanie der schweren Pan-
HINTERGRUND
zer-Abteilung 502 im Raum Leningrad im Nordabschnitt der Ostfront. Anders als herkömmliche Panzereinheiten bestehen die schweren Panzer-Abteilungen ausschließlich aus den neuen Typen „Tiger I“ und „Tiger II“ und gelten damit als besonders kampfkräftig. Innerhalb der Wehrmacht werden sie daher bevorzugt an Brennpunkten der Front eingesetzt. Schließlich sind die beiden Panzertypen den meisten sowjetischen Panzern überlegen. Der T-34 als Standardpanzer der Roten Armee kann der schweren Panzerung der „Tiger“-Panzer mit seiner 75-Millimeter-Kanone nur auf nähere Entfernungen gefährlich werden.
Auf dem Rückzug Als eine der ersten Einheiten an der Ostfront erhält auch Carius’ Abteilung die als „Wunderwaffen“ geltenden Kettenfahrzeuge. Doch das Deutsche Reich befindet sich mitt-
Panzerkampfwagen VI „Tiger“
Der Panzerkampfwagen VI „Tiger“ ist einer der schwersten und kampfstärksten deutschen Panzer des Zweiten Weltkriegs. Seit 1942 an der Front eingesetzt, überzeugt er, ausgestattet mit einer 8,8-cm-Kanone, durch seine hohe Feuerkraft und Panzerung. Der „Tiger“ bringt ein Gewicht von 57 Tonnen auf die Waage und verfügt über einen 700 PS starken Maybach-Motor. Auf gut ausgebauten Straßen erreicht er eine Höchstgeschwindigkeit von zirka 40 km/h, im Gelände etwa 20 km/h. Angesichts des hohen Gewichts ist der „Tiger“ jedoch untermotorisiert. Auch die geringe Reichweite und der hohe Treibstoffverbrauch machen ihn – ge-
paart mit der störanfälligen Technik – zu einem „pflegeintensiven“ Panzer. Im Laufe des Krieges gehen mehr Wagen durch mechanische Defekte als durch direkte Feindeinwirkung verloren. Auch die geneigte Front- und Seitenpanzerung hemmen den Kampfwert des „Tigers“, da panzerbrechende Geschosse auf diese Weise leichter die Panzerung durchschlagen können. Bis Kriegsende werden zudem nur 1.350 Exemplare gefertigt. Trotzdem gilt der „Tiger“ in der Erinnerung deutscher und alliierter Soldaten als „Charakteristikum“ der deutschen Panzerwaffe zwischen 1939 und 1945.
lerweile in einer ausweglosen militärischen Lage. An allen Fronten befindet sich die Wehrmacht auf dem Rückzug. Carius’ „Tiger“ bilden zusammen mit anderen schweren Verbänden die Nachhut der Heeresgruppe Nord und decken die Absetzungsbewegung in Richtung Baltikum. Als sowjetische Truppen in der Nähe der Stadt Wolossowo ein deutsches Divisionshauptquartier einkesseln, bricht Carius mit seiner Einheit durch die gegnerischen Linien und befreit die abgeschnittenen deutschen Truppen. Immer wieder muss seine Panzereinheit nun bedrängte deutsche Verbände decken, um auf diese Weise den Rückzug zu sichern. Besondere Bedeutung hat der Beitrag „seiner“ Panzer bei der Schlacht um den „Narwa“-Brückenkopf. Hier gelingt es der deutschen Wehrmacht, den sowjetischen Vormarsch zwischen Februar und Juli 1944 für fünf Monate zu stoppen und bedrohte Frontabschnitte zu begradigen. Carius ist dabei einer der Hauptakteure des Geschehens. Seine Panzerabteilung wird mehrfach in schwere Gefechte mit russischen Panzern verwickelt. Auch der „Tiger“ von Carius erleidet mehrere Treffer. Durch eine russische Mörsergranate bewegungsunfähig, muss sein Panzer geborgen werden. Das waghalsige Unterfangen gelingt. Bald darauf kehrt Carius mit seiner Crew an die Front zurück. Dort stellt er in den folgenden Wochen die besondere Gefährlichkeit des Panzer VI unter Beweis. Zwischen dem 17. und 22. März 1944 schalten seine ihm unterstellten drei „Tiger“ insgesamt 38 sowjetische Panzer, vier Sturmgeschütze und 17 Artilleriegeschütze aus. Die AUF DEM WEG ZUR FRONT: Im Frühjahr 1943 fährt dieser „Tiger“, Wagen „232“, zum nächsten Einsatz. Das Fahrzeug ist bis zur Unkenntlichkeit verschmutzt. Wieder zeigt sich, dass der lokale Schlamm die beste Tarnung ist. Foto: Münch
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Erbitterte Kämpfe an der Ostfront
BESONDERER MOMENT:
Besatzungsmitglieder dieses Tiger Ausf. E tragen ihr frisch verliehenes Eisernes Kreuz, das Carius in der I. Klasse im November 1943 erhielt.
Foto: Münch
AUSZEICHNUNG:
Otto Carius erhält am 15. Juli 1944 das Panzerkampfabzeichen in Silber in der II. Stufe, unten die Zahl „25“ für die anrechnungsfähigen Einsätze. Weitere Auszeichnungen, darunter die III. Stufe in Silber am 1. September 1944 für 50 Einsätze, folgen. Foto: Volker A. Behr
Kompanie wird im Wehrmachtsbericht namentlich erwähnt. Auch wird Carius als verantwortlichem Offizier am 4. Mai 1944 das „Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes“ verliehen.
Heftige Gefechte Doch seine Einheit erleidet auch empfindliche Rückschläge. Mehrfach wird Carius an der Ostfront Zeuge von Fällen des „friendly fire“, des Eigenbeschusses durch deutsche Artillerie. Seine ihm unterstellten Panzergrenadiere werden im Frühjahr 1944 beim Sturm auf sowjetische Stellungen von eigenen Geschützen unter Feuer genommen und erleiden hohe Verluste. Doch auch dem zum Oberleutnant und Kompanieführer avancierten Offizier selbst bleibt das Glück nicht hold. Durch mehrere sowjetische Panzerabwehrgranaten getroffen, bleibt sein „Tiger“ abermals liegen und muss von der Besatzung aufgegeben werden. Rasch gelingt es Carius und seiner Crew jedoch, in einen anderen Panzer umzusteigen. Die heftigsten Gefechte seiner Soldatenlaufzeit erlebt er indes im Juli 1944. Im Abschnitt der 270. Infanterie-Division erhält der Panzerkommandant am 19. Juli die Nachricht vom Durchbruch von 100 russischen Panzern durch die deutschen Linien in der Nähe der lettischen Stadt Dünaburg. Mit den vierzehn Panzern seiner Kompanie stellt sich Carius den Angreifern entgegen und trifft hier erstmals auf den neuen, kampfkräftigen russischen Panzer JS-2, genannt „Josef Stalin“. Dieser mit einer 12,2-cm-Kanone ausgestattete Kampfwagen ist den deutschen „Tigern“ ebenbürtig. Dennoch gelingt es der Kompanie von Carius, in den folgenden Ta-
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gen 49 „Stalins“ und T-34 auszuschalten. Mehrfach verlässt er während der Gefechte seinen Panzer, um von außerhalb des Wagens das Feuer seiner Einheiten besser leiten zu können. Die Popularität von Carius wächst und macht den erfolgreichen Panzeroffizier in der Folge auch zum Bestandteil der NS-Durchhalteund Kriegspropaganda. Am 24. Juli wird Carius bei einer Erkundungsfahrt mit dem Krad schwer verwundet. Vier Kugeln treffen ihn im Rücken, je ei-
1945 in der Nähe von Iserlohn in amerikanische Gefangenschaft. Der 22-Jährige ist aufgrund seiner militärischen Erfolge einer der bekanntesten und höchstdekorierten Panzerkommandanten der Wehrmacht. Bis Kriegsende gelingen ihm und seiner Crew rund 150 Panzerabschüsse. Bereits Ende 1945 wird Carius aus der Kriegsgefangenschaft entlassen. Nach dem Krieg studiert er von 1948 bis 1951 Pharmazie in Freiburg im Breisgau. 1956 übernimmt
„Die größte Verantwortung für die Einsatzbereitschaft des Wagens fiel selbstverständlich dem Fahrer zu. Der Mann musste unbedingt in Ordnung sein, musste mit dem Kopf, nicht mit dem ‚Hintern‘ fahren.“ Carius über die Bedeutung eines Panzerfahrers.
ne weitere in Arm und Bein. Gerade noch rechtzeitig treffen seine bis dahin zurückgehaltenen Panzer in der erkundeten Ortschaft ein und schaffen ihn in das nächstgelegene Lazarett. Drei Tage später wird der Schwerverwundete mit dem „Eichenlaub zum Ritterkreuz“ ausgezeichnet. Mit der schweren Verwundung ist auch der Einsatz an der Ostfront beendet – der Krieg jedoch noch nicht. Nach der Versetzung in das „Tiger-ErsatzBataillon“ in Paderborn wird Carius Mitte Februar 1945 zum Kompaniechef in der schweren Jagdpanzer-Abteilung 512 ernannt. Mit seinen zehn „Jagdtigern“, schweren Jagdpanzern ohne schwenkbaren Turm, nimmt Carius nun an den Kämpfen an der Westfront teil und gerät dort, Ende April
er eine Apotheke in Herschweiler-Pettersheim (Westpfalz) und benennt diese in „Tiger“-Apotheke um. Im Jahr 1960 veröffentlicht er das Buch „Tiger im Schlamm“, das den Alltag einer Panzerbesatzung plastisch schildert, sich dabei aber auch nicht von „Landser-Jargon“ und nationalkonservativen Ansichten freimacht. Schnell entwickelt sich das Werk zum Verkaufsschlager, erlebt zahlreiche Auflagen und wird in mehrere Sprachen übersetzt. Bis zuletzt verkaufte der Hochbetagte das Buch auch persönlich in seiner Apotheke, die er bis 2011 leitete. Lukas Grawe, Jahrgang 1985, Historiker aus Münster.
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22.11.1942 Einkesselung der 6. Armee
Clausewitz Spezial
Franzosen und Briten traf es wie ein Schock: Hatten sie im Frühjahr 1940 noch mit einem zweiten Schlieffenplan gerechnet, erlebten sie plötzlich ein gigantisches Cannae. Möglich gemacht hatte dies die Panzertruppe und ein Ende dieser verblüffenden Erfolgsserie war noch lange nicht in Sicht. Erst im Russlandfeldzug begann der Motor des „Blitzkrieges“ zu stottern, ehe er schließlich ganz aussetzte.
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Das Unter nehmen „Barbarossa“ gen russischen Straßen gut nutzen konnten . Jetzt, im Oktober, setzten die herbstlichen Regenfälle ein. Die nicht asphaltierten und selten gepflasterten Straßen wichen auf und verwandelten sich in morastige Schlamm löcher. Es zeigte sich, dass die Ketten der deutschen Panzer zu schmal waren, um ihr hohes Gewicht (die PzKpfw III und IV wogen jeweils etwa 23 Tonnen) zu tragen. Die russischen Panzer hingegen hatten breitere Ketten und kamen entsprec hend besser vorwärts .
DRAMA IM OSTEN: Im Russlandfeldzug verausgabte sich die Panzerwaffe völlig. Das Magazin dokumentiert die Ereignisse nicht zuletzt mit einer beeindruckenden Bildsprache. Foto: Archiv CLAUSEWITZ
ten zeigten ihm ein erbeutetes, bisher unbekanntes russische Panzerm odell: den T-34. Gegen die starke, abgeschr ägte Panzerung konnte der PzKpfw III mit seiner 5-cm- und der PzKpfw IV mit seiner kurzen nichts ausrichten. Außerde 7,5-cm-Kanone m beunruhigten den Panzergeneral die neuen taktischen Führungsqualitäten des Feindes: „Die Russen griffen uns frontal mit Schützen an und setzten die Panzer gegen unsere Flanken an, und zwar in Massen. Sie hatten etwas gelernt“, schrieb Frost als falscher der General in seinen Memoiren. Freund Trotzdem begann auch Wie ein Geschenk des „Taifun“ mit einem Himmels erschien der Wehrmacht zunächs spektakulären Erfolg. Hoths Panzergruppe t das frühe Frostwet ter Ende Oktober. Die und die von der Heeresgr Straßen froren zu und uppe Nord abgezodie Panzer konnten genen Panzer unter weiterfahren. General Erich Hoepner vereinigten sich östlich Stalin versuchte derweil von Wjasma und fieberhaft Truppen zusammenzuzieh schlossen vier russische en, um Moskau zu Armeen ein, die am halten. Die andauer 12. Oktober kapitulie nden Erfolge der Wehrrten. Wieder verlor die macht hatten Rote Armee 663.000 die Roten Armee nämlich Mann und 1.200 kräfDer Retter Mosk Panzer. Allerdings machte tig zur Ader gelassen aus Guderian : Auf dem euwährend eines Besuchs ropäischen Kriegssc Marschall Georgi Schukow bei der hauplatz war 4. Panzer-Division eine bisher unaufhaltsamen stoppte den ihre Stärke auf mittlerw unangenehAnsturm der eile nur me Entdeckung. Wehrma Wehrmacht vor der noch knapp eine Million sowjetischen HauptchtssoldaMann zustadt. sammengeschmolzen. Foto: picture-alliance/dpa Des Weiteren hatte sie über 17.000 Panzer ein- ker vor Spezieller Orden der Stadt auszuheben. gebüßt. Stalin betraute Außerdem zog den bewähr- man Die Teilnehmer der Wintersc Truppen aus Sibirien ten General Georgi Schukow hlacht ab und warf sie mit der nach Westen. 1941 erhielten die Aufgabe, die Hauptst Dabei handelte es sich „Ostmed adt zu verteidi- bände, um Vervon den Landsern „Gefrierf aille“ – gen. Schukow mobilisie die leischorden“ rte 250.000 Mos- japanisc sehr viel Erfahrung im Kampf mit genannt. Foto: Sammlung J.-M. kowiter (davon 75 hen Truppen gewonn Hormann Prozent Frauen), um en hatten. Am 16. November Panzergräben und begann die entschei provisorische Bundende Phase der Operatio n „Taifun“, die da„GENERAL WINTER “ SCHLÄGT ZU: Deutsche Soldaten am 16. Dezember 1941. Die Aufnahme suggerie rt, dass der Vormasch weitergeht, doch war der „Blitzkrie g“ hier längst gescheit ert. Foto: picture-allian ce/ZB
elle“ Unternehmen „Zitad
chlacht Die größte Panzers
ieges des Zweiten Weltkr
ste : Stärke und Verlu Das Deutsche Reich 52
Im Auge des Sturms
Befehlshaber: Günther von Kluge Generalfeldmarschall HGr Mitte: Model (9. Armee) Generaloberst Walter Erich von Manstein Generalfeldmarschall HGr Süd: Hoth (4. Panzerarmee) Generaloberst Hermann Werner Kempf ppe General der Panzertru (Armeeabteilung Kempf) 778.907 Personal (gesamt) 518.271 2.699 Gefechtsstärke 7.417 Panzer 1.372 Artillerie/Werfer Luftstreitkräfte Operation „Zitadelle“ der während 54.182 Gesamtverluste te, Vermisste) 252 Personal (Tote, Verwunde k. A. Panzer (Totalausfall) /Werfer 159 Artillerie Luftstreitkräfte
gigantische und die Wehrmacht eine en sich die Rote Armee festlaufen, als ihr Im Sommer 1943 liefert n sich die Deutschen sah es aus, als würde Von Stefan Krüger Materialschlacht. Schon Schwung kam. Angriff unerwartet in
Offensive friert fest
IN DIE DEFENSIVE GEDRÄNGT: Eine 10,5-cm-Feldhau bitze 18 im Winter 1941/42. Den Soldaten machte es sehr zu schaffen, dass das schwere Gerät häufig festfror. Foto: picture-alliance/ZB
rauf abzielte, auch die Verteidiger Moskau s einzukesseln. Die Panzerg ruppen 3 und 4 erhielten den Auftrag, im Norden der Stadt auf Kalinin vorzustoßen, während die Panzergruppe 2 im Süden auf Tula vorrücken sollte. Doch die deutsche n Angriffsspitzen prallten auf Schukows hastig errichtete Verteidigungslinie, die Moscha isk-Stellung, und blieben stecken.
„Die Rote Armee und alle Bürger der Sowjetunion müssen jeden Fußbreit Sowjetbod verteidigen, müss ens en bis zum letzte n Blutstropfen um unsere Städ te und Dörfer kämp Josef Stalin in einer fen.“ Radioansprache am 3. Juli 1941
Russen schlagen mer angewendet hatten. zurück Die deutschen Pandeutschen Division zer lagen teilweise Doch noch gaben en hatten sich vom Adereingefroren fest, sodass die deutschen General e Kosaken zahlreich lass der Winterschlacht nicht auf. Guderia e Kampfwagen erbeuten n umging Tula kurzernoch nicht erholt. Besonders die Panzerw konnten. Bis Weihnac hand, während im Norden die 9. Armee affe hatte darunter hten trieben die Rotarzu am misten ihre Gegner leiden, dass ihre russisch Moskauer Meer und fast 150 Kilometer nach am Wolgakanal durchen Gegner über überlegene Modelle Westen zurück. brach. Am 28. Novemb verfügten. Eine Antwort er war die Panzerwaren die deutschen gruppe 3 nur noch Hitler reagierte entnervt Ingenieu 30 Kilometer vom Kreml re bisher schulund ersetzte dig gebliebe Bock, weil er Moskau entfernt. Doch jetzt n. nicht hatte einnehm schlug der russisch en e können. Auch Guderia Winter erst richtig zu. Außerdem erwies sich n musste gehen, weil Die Temperaturen fiedie russische Generalität nun als taktisch der General es sogar len auf unter minus 20 Grad. Im gesamte gewagt hatte, einen flexibler. Als „Fall n Rückzugsbefehl Blau“ am 28. Juni anlief, Ostheer fielen in der zu erteilen. Gerade Folge innerhalb kürzeszogen sich die Sowdiese jets nämlich Entscheidung unterstre ter Zeit 100.000 Mann auf breiter Front vor icht, dass der „Fühdurch Erfrierungen den Panzerspitzen der Wehrma rer“, anders als seine aus. Am 1. Dezemb cht zurück und gaben er fror die deutsche Gegner, die eigenen ihOf- Erfolge und nen fensive schließlich somit keine die Möglich sowjetischen Misserfo fest – im Sinne des keiten, einen Kessel Wor- nicht richtig lge zu bilden. Diese tes. Bock meldete am analysiert hatte. Taktik war auch aus selben Tag nach Berlin: der Not geboren, denn immerh „Weiteres offensiv es Vorgehen erschein in wartete gut die Wehrm t Hälfte daher sinn- und zwecklo acht überlebt Winte der Roten Armee vor s, insbesondere, da Moskau, währ rend die Deutschen Als der Winter schließli die Zeit naht, wo die aber im Süden angriffen ch seinen eisigen Griff physischen Kräfte der . um das deutsche Ostheer Truppe vollkommen Die Rückzüge bewahrt erschöpft sind.“ en jedenfalls die löste, versuchte Schlagkr Hitler im Frühjahr Am 5. Dezember startete aft der sowjetischen 1942 nicht, die Offensiv Divisionen und e führten dazu, dass Gegenoffensive. Während Schukow seine auf Moskau fortzuse die Deutschen ihre tzen. Stattdessen legte seine bei Moskau Front er massiv verlänge den Schwerpunkt auf zusammengezogenen rten, obwohl sie keine die Heeresgruppe Süd, Truppen frontal geausreichenden Kräfte besaßen, die die weit entfernte gen Bocks Heeresgruppe n kaukasischen Ölfelder um die überdehnten vorgingen, sollten Flanken zu sichern. erobern sollte. Befehlsh Marschall Konjews So standen an den Kaliningradfront (eine aber dieser HeeresFlügeln der Wolgametropole gruppe wurde ausgerec „Front“ entsprach einer deutschen Heereshnet der im DezemStalingrad größtenteils Verbände der ber in Ungnade gefallen gruppe) von Norden Verbündeten (Rumän und Timoschenkos e Generalfeldmaren und Italiener), was schall von Bock. Der Südwestfront von diese sehr anfällig mach„Fall Blau“, wie man Süden die deutsch die en deutsche Sommer Flanken attackieren offensive von 1942 nannte, te. So kam es, wie es kommen musste: – es ist dieselbe StrateGeneral sah vor, dass Bocks gie, die Hitlers Generale Schukow startete am Armeen in drei Phasen 20. November 1942 den ganzen Someinen Zangenangriff, bis zur Wolga vordring mit dem er die 6. Armee en sollten. Doch die in Stalingrad einkesse lte und aufrieb. ■ Clausewitz Spezial
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Stärke und Verluste Die Sowjetunion: ront“) Befehlshaber: n K. Rokossowski („Zentralf Armeegeneral Konstanti Watutin („Woronesch-Front“) F. Armeegeneral Nikolai Konew („Steppenfront“) 1.910.361 Armeegeneral Iwan S. 1.426.352 Personal (gesamt) 4.938 Gefechtsstärke 31.415 Panzer 3.648 Artillerie/Werfer Luftstreitkräfte e“ „Zitadell der Operation (offiziell/geschätzt) Gesamtverluste während 319.000 177.847/ te, Vermisste) 1.614/1.956 Personal (Tote, Verwunde 3.929/k. A. Panzer (Totalausfall) 459/1.961 Artillerie/Werfer Luftstreitkräfte
SCHAURIGER HÖHEPUNKT: Im Sommer 1943 fand an der Ostfront die größte Panzerschlacht des Zweiten Weltkrieges statt. CLAUSEWITZ widmet dieser Schlacht besonders viel Raum. Foto: Archiv CLAUSEWITZ
Die Ardennenoffensive
von Prochorowka GEWALTIG: Das Gefecht „Zitadelle“. An keiner war der Höhepunkt von Weltgeschichte waren ande-ren Schlacht der Hier sind Kampfwa-
so viele Panzer beteiligt. zu sehen. Letzte Großoffens gen der 2. Panzer-Division ive der Wehrmacht im Westen Foto: Sammlung Thomas
Anderson
Hitlers „Sichelschnitt“ von 1944 59
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UMSTRITTEN: Oberst-Gruppenführer und Generaloberst der Waffen-SS Josef Dietrich befehligte während der Ardennenoffensive die 6. SS-Panzerarmee. Seine Fähigkeiten als Truppenführer waren allerdings beschränkt. Das Foto stammt vom 19. Januar 1945.
Alles oder nichts: Am 16. Dezember 1944 brach die Ardennenoffe nsive los, mit der Hitler einen Separatfriede n mit dem Westen erzwingen wollte. Er setzte dabei alles auf eine Karte – mit vorher sehbarem Ausgang.
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Von Lukas Grawe
Foto: picture-alliance/ akg-images
LETZTES AUFBÄUMEN: Während der Ardennen-Offensive 1944 hielten die deutschen Panzer noch einmal die Alliierten in Atem. Das Sonderheft skizziert diesen wichtigen Abschnitt mit detaillierten Karten. Foto: Archiv CLAUSEWITZ
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m Jahr 1944 befand sich die Wehrmacht an und britischen Truppen weit sämtlichen Fronten auf weniger Widerdem Rückzug. In standskra ft zu als den Soldaten der wachsendem Maße machte Roten Arsich die perso- mee. Durch nelle und materielle Überlegen einen überraschenden heit der TypAlli- hoffte er, PzKpfw VI für PzKpfw V Erfolg die Basis ierten geltend. Zudem einen Separatfri wechselten immer mit Ausf E Panther eden den Tiger Westalliierten zu legen, mehr verbündete Staaten um schließdie Seiten, Bewaffnung 8,8 cm L/56, 2 MG 7,5 cm sodass lich den Fokus auf die AbwehrL/70, 2 MG sich das Deutsche Reich der Ende 1944 inFunk ja sowjetieiner schen Armee ja nahezu ausweglosen militärisch verlagern zu können. en und polimm bis 150 mm Schnell 100 tischen Lage befand. Hitler Max. Durchschlagskraft gerieten dabei die Ardennen als auf 1.000 arbeitete daherm bevorzugter Raum im Herbst 1944 an einer für eine Offensive in den GegenoffeBesatzung 5 nsive an Blickpunkt 5 der Westfront, um dort Hitlers. Während die amerikani die Initiative wiederPanzerung, frontal bisbritischen 120 mm Wanne 80 mm, schen und zugewinnen. Er traute Soldaten den amerikanischen Turmnördlich 100 mmund südlich der belgischen Bergwäld er tmassive Gewicht 57 t 45
Technik Schwere Panzer STARK GEPANZERT: Der Panzer VI Tiger war der erste schwere Panzer der Wehrmacht. Dieses Exemplar diente bereits im Februar 1943 in Nordafrika, wo es von den Alliierten erbeutet wurde. Foto: Schneider
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Motorleistung Höchstgeschwindigkeit Leistungsgewicht Bodendruck Reichweite Gebaute Stückzahl
650/700 PS 45,5 11,4 PS/t 0,74 kg/cm² bis 15 km 1.346
700 PS 55 km/h 15,5 PS/t 0,73 kg/cm² bis 200 km ca. 6.000
VERZWEIFLUNGSTAT: Für die Ardennenoffensive massierten die Deutschen enorm starke Kräfte, vor allem Panzertrup pen, die sich wie schon 1940 ihren Weg durch die Ardennen bahnen mussten. Diese Aufnahme stammt vom 18. Dezember, dem dritten Tag des Angriffs. picture-alliance/dpa
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DOMINANT: Der Tiger war nicht nur gut gepanzert. Die mächtige 8,8-cm-KwK verlieh ihm zudem eine hohe Feuerkraft. Erst als die Alliierten ihre Geschütze verbesserten, musste man auch die Tiger vorsichtiger einsetzen.
zösischen Panzers B1 bis und der zu erwartenden englischen Modelle, eigene schwere Kampfpanzer zu entwickeln. Die Firmen Porsche und Henschel erhielten den Auftrag, ein Fahrzeug der 30-Tonnen-Klasse zu entwerfen, erste Prototypen erprobte man bereits. Der Panzerschock im Osten warf diese Pläne jedoch um, das HWA wies der Industrie gegen Ende 1941 neue technische Eckdaten zu. Aufgrund der geänderten Bedrohungslage mussten sowohl die Panzerstärke als auch die Bewaffnung deutlich verstärkt werden. Im Ergebnis lieferten sowohl Henschel als auch Porsche bereits 1942 Vorschläge für einen Panzer der 45-Tonnen-Klasse. Der Porsche Typ 101 war technisch äußerst kompliziert. Zwei Elektromotoren sollten das Ungetüm antreiben, während zwei luftgekühlte Verbrennungsmotoren den Strom erzeugten. Der Turm entstand indes bei Krupp. Als Hauptbewaffnung entwickelte das Unternehmen die 8,8-cm-KwK 36, die auf der er-
Deutschland entwickelt erstmals schwere Panzer
Hatten die Deutschen zunächst große Schwierigkeiten, einen brauchbaren schweren und mittelschweren Panzer zu entwickeln, gelang ihnen Ende 1942 ein gewaltiger Paukenschlag, als der Tiger erstmals an der Front erschien. Von Thomas Anderson
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ie modernen russischen Kampfpanzer T-34 und KW erwischten die Wehrmacht auf kaltem Fuß. Zwar gelang es unter großen Schwierigkeiten weiter vorzurücken, dann jedoch fror der Krieg ein – im Sinne des Wortes. Das wichtigste strategische Ziel, nämlich die sowjetische Hauptstadt Moskau, konnten die Deutschen 1941 nicht mehr einnehmen. Die erbeuteten Panzer brachte man nach Kummersdorf und untersuchte sie dort. Die Situation war ernst, denn die verfügbaren deutschen Panzer waren den russischen Ty-
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pen nicht gewachsen. Eine erste Maßnahme bestand darin, den Kampfwert des Panzer III und IV rasch zu steigern. Innerhalb eines halben Jahres waren brauchbare Lösungen verfügbar, sodass auch das Jahr 1942 erfolgreich für die Panzertruppe verlief. Den Verantwortlichen war jedoch klar, dass die Langrohr-Varianten der PzKpfw III und IV allenfalls Übergangslösungen sein konnten. Wie jedoch sahen die weiterreichenden Pläne des Heereswaffenamtes (HWA) aus? Noch vor Beginn des Krieges überlegte man unter dem Eindruck des schweren fran-
Der erste Auftritt enttäuscht Die ersten dieser Panzer kamen mit der schweren Panzerabteilung (s PzAbt) 502 in den Norden der Ostfront nach Leningrad. Kurzsichtigerweise entschied die Führung, die wenigen verfügbaren Panzer sofort und in schwierigem Gelände einzusetzen. Der Angriff bei Mga geriet daher zu einem Fiasko. Alle Fahrzeuge fuhren sich im aufgeweichten Gelände fest, ein Tiger fiel gar in
die Hände der Russen. Somit hatte man auch das Überraschungsmoment eingebüßt. Immerhin konnten die Ingenieure die anfänglichen technischen Probleme im Laufe der Zeit beheben. Man führte den Tiger Ausf. E sodann als schweren Panzer auf Heerestruppen-Ebene ein, wo er in Schwerpunkt-Bereichen durchaus erfolgreich agierte. Die verblüfften Russen mussten nun erleben, dass ihre Geschosse wirkungslos an der schweren Panzerung abprallten. Der Tiger beherrschte auf diese Weise die Schlachtfelder der Jahre 1942 und 43 sowohl im Osten als auch in Nordafrika. Kriegsentscheidend war der Panzer allerdings nicht. Noch während die Industrie 1942 einen schweren Panzers entwickelte, bestand die Wehrmacht parallel auf einen neuen Massenpanzer, der den PzKpfw IV ablösen sollte. Anders als beim Tiger wollte man hier konstruktive Merkmale des T-34 einfließen lassen, sodass nun allseits geneigte Panzer-
TECHNIK IM DETAIL: CLAUSEWITZ präsentiert sämtliche wichtigen deutschen Panzer mit ausführlichen Datenblättern. Foto: Archiv CLAUSEWITZ
Fotos, soweit nicht anders angegeben, Thomas Anderson
Leistung um jeden Preis
folgreichen 8,8-cm-FlaK basierte. Henschels Entwurf präsentierte sich als deutlich konventioneller und sollte sich bei Vergleichstests durchsetzen. Turm und Waffenanlage waren identisch mit dem Konzept des Mitbewerbers. Die Frontpanzerung erreichte 100 Millimeter, seitlich und hinten war der Panzer durch 80 Millimeter geschützt. Ab Mitte 1942 ging der Tiger Ausf. E in Produktion – mit 56 Tonnen brachte er gute zehn Tonnen mehr auf die Waage als geplant.
AN DER INVASIONSFRONT: Ein Tiger der schweren SSPanzerabteilung 101 im Juni 1944 in der Normandie. Zeichnung: Claudio Fernando
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Schlachten der Weltgeschichte | Langemarck 1914
Erste Flandernschlacht – Langemarck 1914
„In den sicheren Tod...“ Oktober/November 1914: Bei Langemarck in Belgien rennen deutsche Truppen immer wieder gegen die feindlichen Linien an – Tausende sterben qualvoll, doch ihr Tod wird in Deutschland als „heldenhafter Opfergang“ verherrlicht. Von Holger Hase
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erlin am 11. November 1934: Im Lustgarten, dem traditionellen Kundgebungsplatz im Herzen der Reichshauptstadt, kommt es zu einem imposanten Aufmarsch von Formationen der Reichwehr, Polizei, SA, SS, des Arbeitsdienstes und der Hitlerjugend. Daneben finden sich auch Abordnungen ehemaliger Regimenter der kaiserlichen Armeen sowie Vertreter von Studentenverbindungen aus ganz Deutschland ein. Generalfeldmarschall August von Mackensen, Heerführer im Ersten Weltkrieg, schreitet salutierend die Reihen ab. Sie alle sind gekommen, um den Gefallenen eines militärisch eher unbedeutsamen Gefechtes nahe dem belgischen Dorf Langemarck im Herbst 1914 zu gedenken. Die Veranstaltung im Lustgarten zeigt, wie sehr sich die Erinnerung vom historischen Ereignis gelöst hat, wie Fakten durch Mythen ersetzt worden sind. „Langemarck“ dient der propagandistischen Instrumentalisierung des Ersten Weltkrieges durch das NS-Regime. Wie aber ist es zu dieser Legendenbildung gekommen?
Nach der deutschen Niederlage an der Marne Anfang September 1914 beginnt der sogenannte Wettlauf zum Meer: Deutsche und alliierte Verbände versuchen, dem Gegner die offene westliche Flanke abzugewinnen und sich gegenseitig zu überflügeln. Der deutsche Generalstabschef Erich von Falkenhayn sucht schließlich die Entscheidung in der flandrischen Tiefebene und lässt dazu fünf Reservekorps – insgesamt zirka 150.000 Mann – nach Belgien verlegen und der neu gebildeten 4. Armee unter Generaloberst Albrecht Herzog von Württemberg unterstellen.
Verminderter Gefechtswert Vier dieser Großverbände sind bei Kriegsbeginn aus einem schwachen Kern aktiver Soldaten, größtenteils aber aus Freiwilligen und Reservisten, gebildet worden. Nach zehnwöchiger Ausbildungszeit marschieren sie an die Front. Die unzureichende Ausstattung mit Artillerie und die unter enormem Zeitdruck abgeschlossene Ausbildung mindern den Gefechtswert dieser Truppenteile erheblich.
Mitte Oktober 1914 erreichen deutsche Vorauskräfte bei Ostende die Nordseeküste. Die Reste des belgischen Feldheeres sind dadurch gezwungen, sich nach Westen hinter die Yser zurückzuziehen. Weiter südlich weichen die schwachen Sicherungskräfte der Briten und Franzosen im Raum Ypern ebenfalls zurück. Doch wenige Tage später versteift sich der alliierte Widerstand und es kommt zu erbitterten Gefechten, die zur hässlichen Feuertaufe für die neu aufgestellten deutschen Truppen werden. Die Kämpfe konzertieren sich vor allem auf taktisch wichtige Positionen wie die flache Hügelkette und die Plateaus rund um Ypern. Angriffe wie auch Verteidigung werden meist Stück für Stück geführt und bleiben unkoordiniert. Beiden Seiten werfen frische Formationen sofort ins Gefecht. Dabei zeigt sich schnell die Effizienz des britischen Gewehrfeuers gegen die Massenangriffe der unerfahrenen deutschen Reservetruppenteile. Diese werden mit einer ungeheuren „taktischen Naivität“ eingesetzt. VERLUSTREICH: Deutsche Soldaten stürmen nach vorn, um die feindlichen Linien bei Langemarck zu durchbrechen. Der Angriff fordert besonders auf deutscher Seite einen hohen „Blutzoll“. Abb.: ullstein bild – Archiv Gerstenberg
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Schlachten der Weltgeschichte | Langemarck 1914 BEDRÜCKEND: Erstürmung feindlicher Stellungen bei Langemarck durch junge Kriegsfreiwilligenregimenter am 10. November 1914, Aquarell von Rudolf Diederich, 1925. Abb.: picture-alliance/akgimages
Im Verlauf dieser Kämpfe, die später als Erste Flandernschlacht bezeichnet werden, kommt es am 21. Oktober 1914 zum Gefecht bei Langemarck, einem Dorf nördlich von Ypern, das von Truppen der 1. britischen Infanteriedivision gehalten wird. Die zum XXVI. Reservekorps gehörende 51. Reservedivision greift an diesem Tag mit ihren vier Regimentern die Ortschaft und das Gelände nördlich davon an. Schon bei der Annäherung kommt es aufgrund des britischen Abwehrfeuers zu hohen Ausfällen, insbesondere bei den Offizieren. Dabei können die deutschen Infanteristen den Feind, der sie beschießt, zunächst gar nicht sehen. Geschickt nutzt der Gegner die Deckungsmöglichkeiten der vielen freistehenden Gehöfte, Buschreihen und Gräben. Der Angriff der 51. Reservedivision bricht unter hohen Verlusten zusammen. Nicht besser ergeht es der südlich davon eingesetzten 52. Reservedivision, die zwischen Langemarck
HINTERGRUND
Peter Kollwitz
Der jüngere Sohn der deutschen Malerin und Bildhauerin Käthe Kollwitz verlässt 1912 das Berliner Sophiengymnasium und beginnt eine Ausbildung in der Malklasse des Berliner Kunstgewerbemuseums. Als Anhänger der Wandervogel-Bewegung nimmt er 1913 am Freideutschen Jugendtag auf dem Hohen Meißner teil. Er meldet sich mit seinen Freunden im August 1914, gegen den Willen seiner Eltern, freiwillig. Nach kurzer Ausbildung auf den Truppenübungsplätzen Prenzlau und Wünsdorf wird er als Angehöriger des Reserve-Infanterieregiments 207 nach Flandern verlegt. Er fällt bei einem Angriff seines Verbandes auf Dixmuiden. Er
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und Zonnebeke Richtung Westen vorstoßen soll. Auch ihr Angriff bleibt am 21. Oktober unter hohen Verlusten liegen. Im Durchschnitt verlieren die Verbände des XXVI. Reservekorps an diesem Gefechtstag die Hälfte ihres Personalbestandes. Dennoch sieht das Oberkommando der 4. deutschen Armee die Notwendigkeit, den Angriff gegen Langemarck am 22. Oktober zu erneuern, da sonst die nördlich und südlich des XXVI. Reservekorps operierenden Korps nicht ohne Gefahr weiter angreifen können. Dazu erhält die zum XXIII. Reservekorps zählende 46. Reservedivision den Auftrag, von Norden her auf Langemarck vorzustoßen und so in den Rücken des Gegners zu gelangen. Der Angriff der Division, die in Abstimmung mit Teilen der 51. Reservedivision vorgehen soll, bricht im britischen Artilleriefeuer zusammen. Danach beginnt man, sich in diesem Abschnitt einzugraben. Langemarck wird zum nördlichen Schulterpunkt der alli-
(1896–1914)
ruht heute auf dem deutschen Soldatenfriedhof in Vladslo, wo auch die beeindruckende Skulpturengruppe „Trauernde Eltern“ steht. Diese hat seine Mutter 1932 geschaffen und darin die Trauer um den Verlust des geliebten Sohnes verarbeitet. ERGREIFEND: Die Figurengruppe „Trauerndes Elternpaar“ von Käthe Kollwitz. Foto: picture-alliance/dpa-Zentralbild
ierten Verteidigungslinie, die sich halbkreisförmig im Osten um Ypern herumzieht. Das dort kämpfende I. britische Armeekorps erhält Ende Oktober Verstärkung durch starke französische Kontingente. Am 9. und 10. November unternehmen die Deutschen einen letzten Versuch, die Front bei Langemarck aufzureißen. Verschiedene Truppenteile des III., XXIII. und XVI. Reservekorps kommen zum Einsatz, jedoch ohne Erfolg. Der Ort wird von den Deutschen bis zum Ende der Kämpfe nicht eingenommen.
Absingen patriotischer Lieder Fünf Kilometer nordwestlich von Langemarck liegt das Dorf Bixschoote. Auch um diesen Ort wird erbittert gerungen und dort – und nicht in Langemarck – kommt es zu jenen Ereignissen, die den späteren Mythos begründen werden. Gegen das Dorf greift ab dem 22. Oktober das XXIII. Reservekorps mit der 45. und 46. Reservedivision an. In der Nacht vom 22. zum 23. Oktober 1914 gelingt es den Deutschen, in Bixschoote einzudringen. Aus Gründen unzulänglicher Befehlsübermittlung und miserabler Führung wird der Ort jedoch wieder geräumt, bevor die vorgesehene Ablösung eintrifft. Im Zuge dieser chaotischen Nachtkämpfe singen verschiedene Truppenteile des Korps Lieder, um in der Dunkelheit als deutsche Truppe erkannt und nicht von den eigenen Kameraden beschossen zu werden. Und dabei wird auch erstmalig über das Absingen des „Deutschlandliedes“ berichtet, so unter anderem beim Reserve-Jägerbataillon 23 sowie den Reserve-Infanterieregimentern 209, 211, 213 und 215. Ähnliches wiederholt sich am 10. November 1914. Ein Leutnant des Reserve-Infanterieregiments 205 spielt auf ei-
Singend in den Kampf nem in den Ruinen von Bixschoote vorgefundenen Klavier das „Deutschlandlied“. Vorbeiziehende Soldaten stimmen ein und ziehen singend an die Front. Diese Episode findet Eingang in den Gefechtsbericht der 45. Reservedivision an das Armeeoberkommando 4 vom selben Tag und gelangt von dort vermutlich zur Obersten Heeresleitung. Am 11. November erscheint dann jener berühmte Heeresbericht, dessen Kernsatz „Westlich Langemarck brachen junge Regimenter unter dem Gesange ,Deutschland, Deutschland über al-
KARTE
les’ gegen die erste Linie der feindlichen Stellungen vor und nahmen sie“, den „Langemarck-Mythos“ begründet. An diesen Satz knüpfen sich schon bald geradezu „phantastische“ Vorstellungen. Aus der Umschreibung „junge Regimenter“ entsteht die zum Teil bis heute weit verbreitete An-
Erste Flandernschlacht
UMKÄMPFT: Der Kriegsschauplatz in Flandern im Herbst 1914
OBERBEFEHLSHABER: Herzog Albrecht von Württemberg untersteht während der Ersten Flandernschlacht die 4. Armee. Abb.: picture-alliance/akg-images
sicht, die in Flandern eingesetzten Reservekorps haben vollständig oder zumindest mehrheitlich aus sich freiwillig gemeldeten Studenten bestanden, die sich unter den Klängen des „Deutschlandliedes“ für ihr Vaterland opfern. Auch die Briten sprechen von „schoolboy corps“, was zeigt, dass nicht nur in Deutschland der Eindruck entstanden ist, es habe sich damals in erster Linie um höhere Schüler und akademische Jugend gehandelt. Doch „jung“ meint hier eigentlich „neu aufgestellt“. Die meisten Kriegsfreiwilligen sind Männer aller Altersstufen. Hinzu kommen Reservisten und Landwehrmänner. Studenten stellen in den betreffenden Regimentern nur einen sehr geringen Anteil der Mannschaften.
Zweifelhafte Glaubwürdigkeit
Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich
Clausewitz 3/2015
Das Absingen patriotischer Lieder wie des „Deutschlandliedes“ oder „Wacht am Rhein“ als Begleitung des Sturmlaufes ist ein immer wieder berichtetes Phänomen der ersten Kriegsmonate. Es lässt sich selbst in alliierten Quellen finden. Doch im Fall „Langemarck“ vermischen sich diesbezüglich Wahrheit und Fiktion recht bald. Auffallend ist, dass das Schwergewicht all’ dieser Berichte auf der Nacht vom 22. zum 23. Oktober 1914 liegt und nicht etwa auf dem 10. November, dem im offiziellen Heeresbericht angegebenen Datum. In der Erinnerungsliteratur der 1920er- und 1930er-Jahre scheint es einen „Wettlauf“ um das erstmalige Absingen der Zeile „Deutschland, Deutschland über alles“ zu geben. Nur zwei Regimentsgeschichten, nämlich die der Reserve-Infanterieregimenter 205 und 206, „bekennen“ sich zum 10. November. Die Glaubwürdigkeit derartiger Darstellungen erscheint aus heutiger Sicht eher zweifelhaft und als das Produkt einer retrospektiven Geschichtsdeutung in der Zwischenkriegszeit. Dass an der Front bei Langemarck gesungen wurde, ist höchstwahrscheinlich. Strittig bleibt, wann, wo und unter welchen Umständen dies tatsächlich geschah. Bereits zum ersten Jahrestag der Kämpfe bei Ypern veröffentlichen zahlreiche deutsche Zeitungen Artikel über die Ereignisse bei Langemarck, wobei nun erstmals
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Schlachten der Weltgeschichte | Langemarck 1914 ZEITGENÖSSISCH: Darstellung zu den Kämpfen zwischen deutschen und französischen Truppen bei Bixschoote, Farbdruck aus „La Grande Guerre“, Album zum Ersten Weltkrieg. Abb.: picture-alliance/akgimages/Jean-Pierre Verney
der Tod vieler Beteiligter thematisiert und als „Opfergang“ verherrlicht wird. Darüber hinaus gibt es bald Forderungen nach der Etablierung eines „Langemarck-Gedenktages“. Bereits während des Krieges werden Gedenkstätten errichtet sowie Straßen und Plätze zu Ehren der Toten von Langemarck benannt und „Langemarck-Feiern“ durchgeführt. Die einfache und ergreifende Legende einer sich dem Vaterland opfernden Generation von heldischen Studenten, patriotische Lieder auf den Lippen vorwärts stürmend, findet sowohl Eingang in die Alltagskultur als auch in die amtliche Kriegsgeschichtschreibung. Für die national eingestellte Jugend, konservativ ausgerichtet, aber ohne parteipolitische Bindungen, stiftet der „Langemarck-Mythos“ das vereinigende Generationenerlebnis. Bedingungslose Opferbereitschaft, heldenhafter Mut und Enthusiasmus werden zu Werten einer jungen Generation verklärt, der die Zukunft gehört.
Abnehmendes Interesse Nach dem Zusammenbruch des Kaiserreiches 1918 nimmt das öffentliche Interesse an „Langemarck“ zunächst stark ab. In diesen Jahren bleibt die Erinnerung an die Geschehnisse des Jahres 1914 in Flandern vor allem auf die Jugendbewegung und die Universitäten beschränkt. Anlässlich des 10. Jahrestages des Kriegsendes 1928 erlebt Deutschland eine „neue Konjunktur“ in Bezug auf das Weltkriegsgedenken. Das traumatische Schweigen der unmittelbaren Nachkriegsjahre weicht einer
Literaturtipp Karl Unruh: Langemarck. Legende und Wirklichkeit, Koblenz 1986.
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Flut von Kriegserzählungen. In diesem Zusammenhang erlebt auch „Langemarck“ wieder eine verstärkte Aufmerksamkeit. Die Deutsche Studentenschaft, der Dachverband der allgemeinen Studentenausschüsse der deutschen Hochschulen, beschließt, in Lan-
„Drum auf, Kameraden, gegen den Feind! Wir wollen siegen, und wir werden siegen!“ Auszug aus dem Armeebefehl des Herzogs Albrecht von Württemberg vom 1. November 1914
gemarck einen eigenen Friedhof für die Toten der Schlacht zu errichten. Zur Finanzierung wird die „Langemarck-Spende der Deutschen Studentenschaft“ begründet, mit deren Hilfe der Friedhof bis 1932 fertig gestellt werden kann. Am 19. November 1928 wird erstmalig der „Langemarck-Tag“ der Deutschen Studentenschaft begangen. 1929 findet im Berliner Sportpalast eine „Langemarck-Demonstration“ mit 15.000 Teilnehmern statt. Diesen von der nationalen bürgerlichen Jugend gepflegten „Mythos“ machen sich auch die Nationalsozialisten zu Nutze. Schon in „Mein Kampf“ stilisiert sich Hitler als einen der „Langemarck-Kämpfer“, da er im Oktober 1914 als Angehöriger des bayerischen Reserve-Infanterieregiments 16 in der Nähe des westflandrischen Dorfes Geluveld eingesetzt gewesen ist. Doch gleichzeitig distanziert er sich vom unsinnigen Menschenopfer und der Verbindung des „Langemarck-Mythos“ mit vorgeblich rein „studentischen Regimentern“.
Nach der Machtergreifung 1933 werden bereits bestehende Elemente der Erinnerung und des Gedenkens unter der „Schirmherrschaft“ des neuen Regimes fortgeführt. Im gesamten Reichsgebiet etablieren sich nationalsozialistische Gedenkfeiern zu Langemarck. Im Unterschied zu den Ehrungen während der Weimarer Republik wird allerdings versucht, dem Mythos seinen elitären Charakter zu nehmen. 1934 übernimmt die Hitlerjugend von der Deutschen Studentenschaft die Patenschaft für das Ehrenmal in Flandern sowie die „Langemarck-Spende“ (fortan als „Spende der deutschen Jugend“ bezeichnet). Die zentrale Gedenkfeier findet ab diesem Jahr im Berliner Lustgarten statt. Auf dem „Reichssportfeld“ in Berlin wird unterhalb des Glockentrums der Olympiaglocke 1936 eine „Langemarck-Halle“ zu Ehren der an der Schlacht beteiligten Regimenter errichtet.
„Langemarck-Mythos“ der NS-Zeit Nach der militärischen Niederlage Frankreichs und Belgiens kann die „LangemarckFeier“ im November 1940 sogar am Ort des Geschehens stattfinden. Man gedenkt nun der Gefallenen unter dem Motto „Und ihr habt doch gesiegt“ und sieht das „Vermächtnis der Jugend von 1914“ als endlich erfüllt an. Schließlich überschattet die Dramatik des neuen Weltkrieges den „Langemarck-Mythos“ mehr und mehr. Er taugt nach dem Beginn des Feldzuges gegen die Sowjetunion im Jahr 1941 bestenfalls noch zur Formulierung von Durchhalteparolen und geht mit dem Ende des „Dritten Reiches“ schließlich unter. Holger Hase, Jg. 1976, Major und Lehrstabsoffizier für Militärgeschichte an der Offizierschule des Heeres in Dresden.
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Menschen & Geschichten
Generaloberst Werner Freiherr von Fritsch
„Architekt der Wehrmacht“ W
er war der Mann, der als Oberbefehlshaber des Heeres seit 1934/35 maßgeblich am Aufbau der Wehrmacht beteiligt war und damit großen Anteil an der Schaffung von Hitlers militärischem Machtinstrument hatte? Wie konnte es dazu kommen, dass der einst „treue“ Vasall Hitlers als einer der ersten hochrangigen Wehrmachtsoffiziere an vorderster Front fiel? Rückblick in seine frühen Lebensjahre: Werner von Fritsch wird am 4. August 1880 in Benrath unweit von Düsseldorf als Sohn des preußischen Generalleutnants Georg von Fritsch geboren. Sein Vater impft ihm bereits im Kindesalter die „preußischen“ Tugenden wie Vaterlandsliebe, Pflichttreue,
Zuverlässigkeit und Ehrenhaftigkeit ein. Die strenge Erziehung wird Fritsch sein ganzes Leben lang prägen.
Erste Stabserfahrungen Seine militärische Erziehung zahlt sich rasch aus: Im Alter von 18 Jahren tritt Fritsch in die preußische Armee als Artillerist ein und steigt dort innerhalb kurzer Zeit zu einem hoffnungsvollen Nachwuchsoffizier auf. 1908 besucht er die Berliner Kriegsakademie, die ihm nach erfolgreichem Abschluss den Weg in den Generalstabsdienst ebnet. Nach einem dreijährigen Kommando wird Fritsch im Jahr 1913 schließlich fest in den Generalstab versetzt. Dort arbeitet er zunächst in der Kriegsgeschichtlichen Abteilung II, die sich unter anderem mit den Kriegen Friedrichs des Großen auseinandersetzt. Ein Jahr später folgt seine Versetzung in die Aufmarschabteilung, die zu diesem Zeitpunkt die größte Bedeutung innerhalb der Militärbehörde besitzt. So ist Fritsch auch an der Aufmarschplanung für den Ernstfall mitverantwortlich. Als dieser Ernstfall im August 1914 Wirklichkeit wird, ist Fritsch Generalstabsoffizier der 1. Gar-
de-Division. Der junge, ehrgeizige Offizier kommt auf diese Weise mit einem der prestigeträchtigsten preußischen Verbände in Berührung. Mehrfach wechselt Fritsch in den folgenden Kriegsjahren die Dienststellung, arbeitet in verschiedenen Stäben und erhält so Einblick in operative Fragen. 1917 wird er bei einem Frontbesuch durch einen Granatsplitter am Kopf verwundet. Mehrfach ausgezeichnet, beendet Fritsch den Krieg als Offizier beim „Heimatschutz Ost“, der Ostpreußen gegen den neu entstandenen polnischen Staat verteidigen soll. Auch bei der Bekämpfung kommunistischer Verbände im Baltikum wirkt Fritsch als Stabsoffizier mit.
Karriere in der Reichswehr Ein Beobachter charakterisiert den preußischen Soldaten als „jung, arrogant und außerordentlich selbstsicher. Es scheint, er hat keine Skrupel, mit der Wahrheit Versteck zu spielen oder unbequemen Fragen auszuweichen. Er weist alle fachlichen Vorzüge und alle Charaktermängel des preußischen Generalstabsoffiziers auf, der sich dem gewöhnlichen Sterblichen häufig – auch zu Recht – überlegen fühlt.“ Nach seiner Rückkehr nach Deutschland muss sich Fritsch mit der neuen Weimarer Republik arrangieren –
DATEN Werner von Fritsch (1880–1939) 1880 1910–1914 1914–1918 1919 1926 1932 Febr. 1934 Febr. 1938 März 1938 Sept. 1939
Geburt in Benrath Einsatz im Großen Generalstab Stabsdienste im Ersten Weltkrieg „Heimatschutz Ost“ und Einsatz im Baltikum Chef der Operationsabteilung im Truppenamt Befehlshaber des Wehrkreises III Chef der Heeresleitung (seit 1935 Oberbefehlshaber des Heeres) Entlassung in den Ruhestand Chef des Artillerie-Regiments Nr. 12 Einsatz in Polen, gefallen am 22. September
Foto: picture-alliance/akg-images
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22. September 1939: Ein von Hitler restlos enttäuschter Werner von Fritsch wird vor Warschau verwundet und stirbt. Der steilen Soldatenkarriere bis zum Oberbefehlshaber des Heeres folgt ein jäher Fall mit tragischem Ende. Von Lukas Grawe
DIE ARMEE IM BLICK: Werner von Fritsch ist als Oberbefehlshaber des Heeres maßgeblich am Aufbau der Wehrmacht beteiligt. Foto: picture-alliance/akg-images
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Menschen & Geschichten | Werner von Fritsch für den autoritär erzogenen und antidemokratisch denkenden Offizier keine leichte Aufgabe. Fritsch, der im privaten Briefwechsel auch durch antisemitische Äußerungen auffällt, verachtet die Republik, da diese seiner Meinung nach die Zukunft Deutschlands gefährde. Auch den ersten Präsidenten, den Sozialdemokraten Friedrich Ebert, lehnt er ab. „[L]etzten Endes sind Ebert, Pazifisten, Juden, Demokraten, Schwarzrotgold u[nd] Franzosen alles das Gleiche, nämlich die Leute, die die Vernichtung Deutschlands wollen“, schreibt Fritsch Ende 1924. Doch innerhalb der Reichswehr macht der Antidemokrat Karriere. In allen Dienststellungen erhält er hervorragende Beurteilungen durch seine Vorgesetzten. Im Februar 1926 übernimmt Fritsch die Leitung der Operationsabteilung des getarnten Generalstabs. Nach außen hin gibt er sich als unpo-
litischer Nur-Soldat, den das tägliche Parteien-„Gezänk“ nicht interessiert. Selbst im Urlaub liest er ausschließlich militärische Schriften. Vor allem setzt sich Fritsch dafür ein, dass aus der Kriegsniederlage von 1918 die richtigen Lehren gezogen werden. Anfang
der „Heeresdienstvorschrift“ mit. Es entsteht mit dem Handbuch „Die Truppenführung“ das „wohl beste militärische Handbuch, das je verfasst wurde“, urteilt der amerikanische Historiker Williamson Murray. Im Oktober 1932 erhält Fritsch das Kommando über den Wehrkreis III – eine Dienst-
„Dieser Mann ist Deutschlands Schicksal im Guten und im Bösen. Geht es in den Abgrund, so reißt er uns alle mit – zu machen ist da nichts.“ Werner von Fritsch über Hitler, notiert von Ulrich von Hassell (Diplomat)
der 1930er-Jahre wirkt Fritsch gemeinsam mit den kommenden „Wehrmachtsgrößen“ Bock, Leeb und Busch an der Überarbeitung
IM MANÖVER: Adolf Hitler macht sich während einer Militärübung in Munsterlager ein Bild vom Zustand der „Truppe“, zu seiner rechten Seite Werner von Fritsch, September 1935 (nachträgliche Kolorierung). Foto: picture-alliance/akg-images
stelle, die er auch bei der NS-Machtübernahme ausfüllt. Hitler erblickt in ihm einen der kommenden starken Männer und ernennt den nunmehr zum General der Artillerie beförderten Offizier am 1. Februar 1934 zum Chef der Heeresleitung. „Schaffen sie mir ein Heer in größtmöglicher Stärke u[nd] innerer Geschlossenheit und Einheitlichkeit auf dem denkbar besten Ausbildungsstand“, gibt Hitler seinem neuen Oberbefehlshaber des Heeres als Zielsetzung auf den Weg. Stolz vermerkt dieser in der Rückschau: „Nach diesem Auftrag habe ich seitdem gehandelt.“ Fortan lautet die Formel „nationaler Umbruch“. Die Revision des als „Schandfrieden“ verschmähten Vertrags von Versailles und die Wiederaufrüstung der neuen Wehrmacht sollen fortan Hand in Hand gehen.
Aufrüstung unter Hitler Diese Zielsetzung Hitlers, die sich mit den Ansichten der meisten höheren Offiziere deckt, ist Fritsch bereits seit 1933 bekannt. Ende Februar 1934 legen die Spitzen der drei Waffengattungen in einem Gespräch mit Hitler den Zeitrahmen des Aufrüstungsprogramms fest. Innerhalb der nächsten fünf Jahre soll das Heer zur Verteidigung, in den nächsten acht Jahren zum Angriff bereit sein. Die überstürzte Aufrüstung erfüllt Fritsch unter militärisch-praktischen Gesichtspunkten jedoch mit Sorgen. Zwischen den Militärs kommt es zu Meinungsverschiedenheiten über den künftigen Kurs der Rüstungspolitik. Auch zwischen den verschiedenen Waffengattungen entbrennt ein Kampf um die finanziellen Mittel. Ein Wettlauf um die Gunst des Diktators setzt ein. Davon abgesehen sorgt sich Fritsch aber auch um die neue Rolle der bewaffneten Macht im NS-Staat. Er ist nicht bereit, der Partei weitgehende Mitspracherechte in militärischen Belangen einzuräumen. Dem Eindringen der SS in die Wehrmacht steht der
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Massives Rüstungsprogramm
FÜHRUNGSTRIO: Reichskriegsminister Werner von Blomberg (li.), Oberbefehlshaber der Kriegsmarine Erich Raeder und Oberbefehlshaber des Heeres Werner von Fritsch (re.) im Jahr 1937. Foto: picture-alliance/Everett Collection
preußische Soldat äußerst skeptisch gegenüber. Auch die Übernahme der nationalsozialistischen Symbolik lehnt er ab, ebenso wie den Fahneneid der Wehrmacht auf Hitler. Widerspruch legt Fritsch allerdings nicht ein – Gehorsam und Pflichterfüllung gehören für ihn zu den anerzogenen Tugenden.
ENTMACHTET: Nach seinem Sturz im Zuge der „Blomberg-Fritsch-Affäre“ wird Fritsch bereits im Frühjahr 1938 rehabilitiert, seinen Posten als Oberbefehlshaber des Heeres erhält er aber nicht zurück.
Skepsis gegenüber NS-Ideologie Als Hitler in der „Nacht der langen Messer“ am 30. Juni 1934 neben der SA-Führung auch zwei Reichswehrgeneräle ermorden lässt, bleibt ein Protest Fritschs aus. Und dies, ob-
HINTERGRUND
Der Oberbefehl über die Wehrmacht
Nach dem Ersten Weltkrieg und mit dem Inkrafttreten der Weimarer Verfassung werden alle Kriegsministerien auf Länderebene (Sachsen, Bayern, Württemberg, Preußen) sowie der Große Generalstab aufgelöst. Die Befehlsgewalt geht auf das neu geschaffene Amt des Reichswehrministers über, während die Kommandogewalt dem Chef des Truppenamts obliegt. Zwei Jahre nach der Machtübernahme Hitlers wird 1935 im Zuge der Restrukturierung der deutschen Streitkräfte das Oberkommando des Heeres (OKH) geschaffen, dem fortan der Generalstab des Heeres untersteht. Der Oberbefehlshaber des Heeres tritt damit die Nachfolge des Truppenamtschefs an. Das OKH ist fortan die höchste Kommandobehörde des Heeres. Parallel dazu erhalten auch die Marine (OKM) und die Luftwaffe (OKL) eigene Oberkommandos.
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Unklar bleibt aber in vielen Bereichen die Abgrenzung zum Reichswehrministerium, das 1935 in „Reichskriegsministerium“ umbenannt wird. Im Zuge der „Blomberg-Fritsch-Krise“ übernimmt das neu geschaffene Oberkommando der Wehrmacht (OKW) die Geschäfte des Reichskriegsministeriums. Im Gegensatz dazu bleibt das OKH selbstständig. Das OKW kann nur Befehle Hitlers weitergeben. Der im OKW angesiedelte „Wehrmachtsführungsstab“ führt ab 1940 jedoch die Operationen auf den Nebenkriegsschauplätzen. Nach der deutschen Niederlage vor Moskau im Dezember 1941 entlässt Hitler Walther von Brauchitsch und übernimmt neben seiner Eigenschaft als Oberbefehlshaber der Wehrmacht fortan auch den Oberbefehl über das Heer persönlich.
Foto: picture-alliance/ dpa©dpa-Bildarchiv
wohl er durch zahlreiche Freunde zum Handeln gedrängt wird. Der nach außen verschlossene, kühl, hochmütig, gehemmt und unpersönlich wirkende Offizier bleibt sich allerdings treu und leistet keinen Widerstand. Doch aufgrund der Tatsache, dass er zwar dem nationalkonservativen, nicht aber dem nationalsozialistischen Gedankengut nahesteht, macht sich Fritsch in der Partei einige Feinde. Auch Hitler ist nicht restlos von Fritsch, der ihm bislang nicht durch ideologischen Eifer aufgefallen ist, überzeugt. Hinzu kommen Auseinandersetzungen mit Reichswehrminister (seit 1935 Reichskriegsminister) Werner von Blomberg. Dieser trachtet danach, die Arbeit der drei Wehrmachtteile zu kontrollieren. Angesichts der knappen finanziellen und materiellen Mittel
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Menschen & Geschichten | Werner von Fritsch
MIT BEFEHLSGEWALT: Fritsch gibt während eines Großmanövers Anweisungen. Anders als im Polenfeldzug 1939 besitzt er bis Anfang 1938 als OB des Heeres hohe Machtbefugnisse. Foto: ullstein bild – ullstein bild
wäre eine Koordination der Rüstungsprogramme sicher sinnvoll gewesen. Doch Fritsch und auch der Chef des Generalstabes, Ludwig Beck, kämpfen erfolgreich für ihre Eigenständigkeit. Die beiden Heeresoffiziere können auf eine breite Basis von Unterstützern bauen, da auch Luftwaffe und Marine um ihre Selbstständigkeit besorgt sind.
Aufbau der Panzerkräfte Ungeachtet der Meinungsverschiedenheiten erfüllt Fritsch, seit Juni 1935 Oberbefehlshaber des Heeres, als einer der „Architekten der Wehrmacht“ aber die hochgesteckten Erwartungen. Systematisch bereitet er das Heer auf den kommenden Krieg vor. Wert legt der Oberbefehlshaber vor allem auf eine praxisnahe Ausbildung und Taktik. Die Schaffung flexibler gemischter Verbände, durch die Auftragstaktik in Selbstständigkeit geschult und durch Motorisierung zum schnellen Eingreifen befähigt, erscheint Fritsch als erstrebenswertes Ziel. Von seinen
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Befehlshabern und Truppenführern erwartet er ehrliche Berichte über den Leistungsstand ihrer Truppen. Schonungslos kritisiert Fritsch dabei das Verfehlen von Vorgaben. Auch das Ausnutzen der neuesten Technik für Kriegszwecke liegt Fritsch, seit 20. April 1936 Generaloberst, am Herzen. Am Aufbau der Panzerkräfte ist er zusammen mit Heinz Guderian und Beck maßgeblich beteiligt.
tator sein außenpolitisches Programm dar und kündigt erneut seine baldigen Kriegsabsichten an. Erstmals erhebt Fritsch jedoch Widerspruch und weist darauf hin, dass das Heer seiner Ansicht nach noch lange nicht für einen Krieg bereit sei. Eine aggressive Außenpolitik sei vorerst zu vermeiden. Andere Anwesende pflichten Fritschs Ansichten bei.
„Ich komme noch immer nicht darüber hinweg, dass der Mann, für den ich auch persönlich vier Jahre gearbeitet habe, und gerade dieser Mann mich verraten und im Stich gelassen hat.“ Werner von Fritsch zu einer Freundin über seine Entlassung im Jahr 1938
Was aber soll mit der aufgerüsteten Wehrmacht letztlich geschehen? General Fritsch geht dieser Frage aus dem Weg. Am 5. November 1937 ruft Hitler die Spitzen der Wehrmacht und Reichsaußenminister Konstantin von Neurath zu einer Besprechung in Berlin zu sich, um die kommenden Ziele zu erläutern. Ausführlich legt der Dik-
Allerdings lehnt Hitler die kritische Auseinandersetzung mit seinen Vorstellungen ab. Fortan hält er die oberste Heeresführung nicht mehr für zuverlässig. Schnell ist er daher um ein großangelegtes personelles Revirement bemüht, das die Wehrmacht endgültig unter seine eigene Kontrolle bringen soll. Der willkommene Anlass dazu bietet sich
Spekulationen über Fritschs Tod dem „Führer“ nur wenige Monate später. Am 12. Januar 1938 heiratet Blomberg in zweiter Ehe Margarethe Gruhn, ein „Mädchen aus dem Volke.“ Die ohnehin nicht standesgemäße Heirat, bei der Hitler und Hermann Göring als Trauzeugen fungieren, wird durch eine delikate Tatsache zum Politikum: Gruhn ist eine ehemalige Prostituierte aus der Berliner Halbwelt. Als Blomberg auch nach Hitlers Aufforderung, die Ehe zu annullieren, an seiner Frau festhält, wird er am 27. Januar 1938 entlassen.
Tiefer Fall Im Zuge dieser Affäre tauchen nun auch Polizeiakten über Fritsch auf. Er wird der Homosexualität beschuldigt. Hitler ist zunächst darum bemüht, den Skandal klein zu halten und bestellt Fritsch daher Ende Januar 1938 zu sich in die Reichskanzlei. Dort gibt Fritsch sein „Ehrenwort“, zu Unrecht beschuldigt zu werden und nicht homosexuell zu sein. Doch Hitler schenkt dem Belastungszeugen Otto Schmidt, der sich später als Lügner und Erpresser herausstellt, mehr Glauben und bleibt misstrauisch. Er fordert Anfang Februar auch Fritsch zum Rücktritt auf. Fritsch, der sich als Opfer einer Intrige sieht, muss seinen Posten räumen. Der willfährige Walther von Brauchitsch tritt seine Nachfolge an. Hitler nutzt die dadurch entstandene Lage und löst anschließend das Reichwehrministerium auf. Mit der Schaffung des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW) installiert er bald darauf eine neue Institution, die die Wehrmacht noch näher an Partei und Staat heranführen soll. In der Folge hadert der „Geschasste“ mit sich und seinem Schicksal. Auch als das Reichskriegsgericht wenige Wochen später die Unschuld Fritschs „in allen Punkten“ bestätigt und den hochrangigen Heeresoffizier rehabilitiert, zeigt sich Fritsch unversöhnlich. Seine unrühmliche Verabschiedung wird er nicht vergessen. Unfreiwillig in den Ruhestand versetzt, leidet Fritsch an Depressionen. Auch die Verleihung des „Ehrentitels“ als Chef seines alten Artillerie-Regiments
FELDZUG GEGEN POLEN: Generaloberst von Fritsch nimmt als „Beobachter“ am Krieg gegen den östlichen Nachbarn Deutschlands teil und findet am 22. September 1939 vor Warschau den Tod. Foto: picture-alliance/akg-images
Nr. 12 in Schwerin hilft ihm nicht über die innere Leere hinweg. Er fühlt sich nutzlos. An den unmittelbaren Kriegsvorbereitungen ist er nicht mehr beteiligt. Für Fritsch ist es schwer mit anzusehen, „wie jeder Soldat fieberhaft militärisch beschäftigt ist, für mich gibt es aber weder im Frieden noch im Krieg eine Tätigkeit im Deutschland des Herrn Hit-
Jähes Ende
Literaturtipps Horst Mühleisen: Generaloberst Werner Freiherr von Fritsch. In: Gerd R. Ueberschär (Hg.): Hitlers militärische Elite Bd. 1, Darmstadt 1998, S. 61–70. Williamson Murray: Werner Freiherr von Fritsch – Der tragische General. In: Ronald Smelser/Enrico Syring (Hg.): Die Militärelite des Dritten Reiches 27. Biographische Skizzen, Berlin 1998, S. 153–170.
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ler.“ Seine Enttäuschung über den Diktator veranlasst Fritsch jedoch nicht, den Weg des Widerstands zu wählen, wie ihn sein ehemaliger Weggefährte Ludwig Beck einschlagen sollte. Stattdessen begleitet er nach dem deutschen Angriff auf Polen im September 1939 sein Regiment als Kommandeur in den beginnenden Zweiten Weltkrieg. Doch auch im Zuge des Feldzuges gegen Polen hat der ehemalige Oberbefehlshaber zunächst keinerlei Aufgaben beziehungsweise höhere Befehlsgewalt, da die Geschäfte ein „praxisnäherer“ Offizier versieht.
INSZENIERT: Von Fritschs Sarg wird im Rahmen des von Hitler angeordneten Staatsbegräbnisses in einer feierlichen Zeremonie aufgebahrt, Ende September 1939. Foto: ullstein bild – Heinrich Hoffmann
Die daraus resultierende Langeweile veranlasst ihn am 22. September, seine Einheit im Kraftwagen zu begleiten. Bei Gefechten mit polnischen Soldaten wird Fritsch im Warschauer Vorort Praga durch eine Kugel am Oberschenkel getroffen, die eine Arterie zerfetzt. Ein Abbinden des getroffenen Beins lehnt er mit den Worten „Lassen Sie nur...“ ab. Wenige Minuten später erliegt Werner von Fritsch seinen Verletzungen. Beweise dafür, dass er an diesem Tag bewusst den Soldatentod an der Front gesucht hat, gibt es nicht. Fritschs Schwester äußert nach seinem Tod: „Mein Bruder hat den Tod gefunden, den er als Soldat immer für den ehrenwertesten hielt.“ Lukas Grawe, M.A., geboren 1985, Historiker aus Münster.
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Spurensuche
Claus Bergens spektakuläres Seekriegsgemälde
„Schwerer Kreuzer PRINZ EUGEN im Gefecht“
24. Mai 1941: Das Seegefecht zwischen den Schlachtschiffen und Kreuzern BISMARCK und PRINZ EUGEN sowie HMS HOOD und HMS PRINCE OF WALES gibt Claus Bergen die Motivanregung für sein bekanntes Gemälde von 1943. Von Jörg-M. Hormann
I
m Gegensatz zum Ersten Weltkrieg hat der berühmte Marinemaler Claus Bergen (1885–1964) im Zweiten Weltkrieg nur wenig Gelegenheit, Einheiten der Kriegsmarine in Einsatzsituationen zu beobachten. Vom Besuch beim Befehlshaber der U-Boote, Vizeadmiral Karl Dönitz, in Lorient Ende Juni bis Anfang Juli 1941 leben seine danach gemalten U-Bootsmotive. Sein kurzer Aufenthalt auf dem Schweren Kreuzer PRINZ EUGEN in Gotenhafen, dem ehemaligen Ost-
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seehafen Gedingen (dem heutigen polnischen Gdynia) im Juni 1943, vervollständigt auch schon Bergens Besuche bei der Kriegsmarine. Diese „Visite“ auf Einladung des Kommandanten Kapitän zur See Erhardt, und Gespräche mit Besatzungsmitgliedern dürften die Motivwahl des Marinemalers für seine letzte Einlieferung in die Große Deutsche Kunstausstellung (GDK) in München 1944 beeinflusst haben. Claus Bergen benennt sein 1,50 x 3,00 Meter großes Ölgemälde
„Schwerer Kreuzer PRINZ EUGEN im Gefecht in der Dänemarkstraße“. Gefolgt vom Schlachtschiff BISMARCK (hinten links) befindet sich die PRINZ EUGEN am Morgen des 24. Mai 1941 im Gefecht mit dem britischen Schlachtkreuzer HMS HOOD, der im Hintergrund (rechts) explodiert. Links daneben ist das Aufblitzen des Geschützfeuers der PRINCE OF WALES dargestellt. Ihre Granatenfontänen steigen um die PRINZ EUGEN in die Höhe. Der „Prinz“,
TITANENKAMPF: In der Dänemarkstraße trifft die Kriegsmarine auf die Royal Navy. Foto: Jörg-M.Hormann © VG Bildkunst 2015
wie der Schwere Kreuzer von seiner Besatzung genannt wird, erhält keinerlei Treffer in diesem berühmten Gefecht. Das zeitgeschichtliche Geschehen um den Schweren Kreuzer PRINZ EUGEN ist Titelgeschichte der aktuellen Ausgabe von SCHIFF CLASSIC (2/2015). Als Nummer 1148 in die GDK-Ausstellung von 1944 eingeliefert, hängt das PRINZEUGEN-Gemälde als Katalognummer 49 im Saal 9 des Hauses der Deutschen Kunst. Es
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wird vom „Claus-Bergen-Fan“ Adolf Hitler für 25.000 Reichsmark erstanden. Sicherlich wandert das Bild nicht mehr in die Offiziersmesse der PRINZ EUGEN, wie in vergleichbaren Fällen. Doch genauso wie der Kreuzer selbst wird es amerikanische Kriegsbeute. Viele Jahre ist es als „Heavy Cruiser PRINZ EUGEN“ im Naval Memorial Museum in Washington D.C. ausgestellt. Die öffentliche Resonanz bei
einer bemerkenswerten Restitution von zehn Gemälde Claus Bergens durch die USA 1979 und der weitere Verbleib dieses und vieler weiterer Gemälde des wohl bekanntesten deutschen Marinemalers des 20. Jahrhunderts sind im gerade erschienenen Buch des Autors spannend beschrieben: „Claus Bergen, Marinemaler beider Weltkriege“, Bucher Verlag, München, ISBN 978-3-7658-2055-7.
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Nr. 25 | 3/2015 | Mai-Juni | 5. Jahrgang
Vorschau Internet: www.clausewitz-magazin.de
Westfeldzug 1940 – „Fall Gelb“ „Blitzkrieg“ der Wehrmacht 10. Mai 1940: Die Wehrmacht überschreitet die Grenzen zu Deutschlands westlichen Nachbarstaaten. Hauptziel des Feldzuges ist es, Frankreich rasch niederzuwefen, was überraschend schell gelingt. Warum streckte Frankreichs Armee so schnell die Waffen?
Redaktionsanschrift CLAUSEWITZ Infanteriestr. 11a, 80797 München Tel. +49 (0) 89.130699.720 Fax +49 (0) 89.130699.700
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Das Gefecht von Solferino Entscheidungsschlacht in Italien
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1859: Mitte des 19. Jahrhunderts versuchte Italien, die Herrschaft Österreichs über den Nordosten des Landes abzuschütteln. Ihnen zur Seite standen die Franzosen unter Kaiser Napoléon III. Bei Solferino kam es schließlich zur entscheidenden Schlacht, die über das Schicksal Italiens bestimmen sollte.
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Im selben Verlag erscheinen außerdem:
SCHIFFClassic AUTO CLASSIC FLUGMODELL SCHIFFSMODELL TRAKTOR CLASSIC ELEKTROMODELL BAHN EXTRA LOK MAGAZIN STRASSENBAHN MAGAZIN Militär & Geschichte
„Prager Frühling“ 1968 Erschütterung des Sowjetimperiums 1968: Reformer in der Tschechoslowakei wagen das Experiment des „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“. Die UdSSR duldet dies nicht und lässt Truppen des Warschauer Paktes einmarschieren. Moskau griff hart durch. Doch wie ernst war die ˇSSR tatsächlich? Situation in der C
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