6/2015 November | Dezember
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Das Magazin für Militärgeschichte
Clausewitz
Dicke Bertha So wurde sie zur „Wunderwaffe“
Schturmovik Der „fliegende Panzer“
Norwegen 1940
Warum die Wehrmacht zuschlug Unternehmen Weserübung
Englands Invasion Wie der Hundertjährige Krieg eskalierte
Pétain Frankreichs tragischer Held
MILITÄR UND TECHNIK
Raketen gegen Jagdbomber Die Luftabwehr von Bundeswehr und NVA
Ein Prosit auf
Tante Ju!
Personalisierter Bierkrug zu Ehren einer großen Legende
„Die legendäre Tante Ju“
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as sonore Brummen ihrer drei Sternmotoren kündigt sie an. Dann erscheint sie – fast stehend – am Himmel: die legendäre Tante Ju! Mit ihrer geringen Reisegeschwindigkeit von nur 180 km/h und ihrer niedrigen Flughöhe bietet dieses einzigartige Flugzeug ein einmaliges Flugerlebnis über unserer schönen Heimat. Stoßen Sie jetzt darauf an, dass die alte Dame mit der Wellblechhaut noch lange ihr sonores Brummen erklingen lässt – mit dem ersten personalisierten BierDie maßstabsgetreue Figur krug für alle Fans der „Tante Ju“ aus Zinkguss der „Tante Ju“.
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Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, ich kann mich noch gut erinnern, als ich als Student an der Christian-AlbrechtsUniversität zu Kiel im Studienfach Neuere Geschichte gebannt den Ausführungen der Professoren zur Militärgeschichte gelauscht habe – besonders, wenn es in den Vorlesungen und Seminaren um das Unternehmen „Weserübung“ ging. Vor allem der renommierte, im Jahr 2010 verstorbene Historiker Prof. Dr. Michael Salewski ist mir in diesem Zusammenhang in Erinnerung geblieben. Er hat eingehend über die deutsche Besetzung Dänemarks und Norwegens geforscht und einen viel beachteten Artikel mit dem Titel „Das Wesentliche von ,Weserübung’“ veröffentlicht. In seinem Beitrag widerspricht er der von vielen Historikern bis heute verbreiteten „Wettlauftheorie“. Er sah in der Operation „Weserübung“ keinen Präventivschlag, sondern vielmehr eine „blanke Aggression“. Fest steht: Die Durchführung des Unternehmens „Weserübung“ war mit enormen Risiken verbunden. Großadmiral Erich Raeder äußerte gegenüber der Seekriegsleitung und den beteiligten Frontbefehlshabern, dass eine zwingende Notwendigkeit vorliege und man daher die entsprechenden Operationen „gegen alle Regeln der Kriegskunst“ durchführen müsse. Für den Kampf um den wichtigen norwegischen Erzhafen Narvik wählte die deutsche Militärführung Eduard Dietl aus, der von der NS-Propaganda später als „Held von Narvik“ gefeiert wurde. Nach Dietls Unfalltod bei einem Flugzeugabsturz im Jahr 1944 beklagte Hitler den Verlust eines seiner „treuesten Kameraden aus langer, schwerer, gemeinsamer Kampfzeit.“ In unserer Titelgeschichte „Brennpunkt Narvik“ zeichnen wir die dramatischen Ereignisse nach, die seit April 1940 über Dänemark und vor allem Norwegen hereinbrachen. Eine kurzweilige Lektüre wünscht Ihnen
Dr. Tammo Luther Verantwortlicher Redakteur
17. Folge Krieger, Söldner & Soldaten
Kanadas kühne Krieger Die Fallschirmjäger des „1st Canadian Parachute Battalion“ kämpfen in mehreren Schlachten des Zweiten Weltkrieges besonders tapfer. Sie genießen bis heute ein hohes Ansehen.
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as 1st Canadian Parchute Battalion wird im Sommer 1942 als Teil der kanadischen Armee aufgestellt – dies allerdings gegen großen Widerstand, da die Armeeführung am Bedarf für eine Fallschirmtruppe zweifelt. Erst die erfolgreichen Einsätze und Kommandounternehmen deutscher Fallschirmjäger – sowie das unermüdliche Drängen von Generalleutnant Eedson Louis Millard Burns (1897–1985) – überzeugen die Skeptiker. Nur die fähigsten und besten Männer werden ausgewählt, was das Bataillon zu einer Eliteeinheit macht. Die Ausbildung beinhaltet unter anderem Nahkampf und ein intensives Fallschirmtraining. Ein Jahr später werden die Soldaten nach England verlegt und dort in die britische 6th Airborne Division eingegliedert. Nach einem weiteren Ausbildungsjahr wird es ernst: In der Nacht vom 5. auf den 6. Juni 1944 springt das Bataillon über Frankreich ab, um dort Brücken zu zerstören und strategisch wichtige Punkte zu besetzen („Operation Tonga“). Die Fallschirmjäger sind die erste kanadische Einheit auf französischem Boden. Am 26. August werden sie von der Front in der Normandie abgezogen – in den bis dahin ausgetragenen Gefechten lassen insgesamt 367 Männer ihr Leben. Anfang Januar 1945 folgen Bodenkämpfe im Rahmen der deutschen Ardennenoffensive und später Einsätze in Holland („Operation Varsity“). Nach der Heimkehr wird das Bataillon am 30. September 1945 offiziell aufgelöst. Der bis heute anhaltende exzellente Ruf der Einheit speist sich aus der Tatsache, dass alle gegebenen Missionsziele stets erreicht worden sind. Die Kanadier des „1st Parachute Battalion“ haben niemals einen Kampf abgebrochen. Sie gehören zu bekanntesten Militäreinheiten, die Kanada jemals hervor gebracht hat.
FAKTEN Zeit: 1942–1945 Mannschaftsstärke: 616 (davon 26 Offiziere) Kampftaktik: Kommandounternehmen, Teilnahme an Bodenkämpfen Wichtige Einsätze: Operation Tonga, Ardennenoffensive, Operation Versity Literatur: John A. Willes: Out of the Clouds: The History of the 1st Canadian Parachute Battalion (1995)
IM GEBIET DES GEGNERS: Dieser kanadische „Para“ ist Teilnehmer eines Kommandounternehmens im Vorfeld des „D-Day“. Er trägt den typischen Fallschirmjäger-Helm (mit Netz), ist gut getarnt und verfügt mit dem leichten Bren-MG über eine relativ Abb.: Johnny Shumate starke Feuerkraft
3 Clausewitz 6/2015
Inhalt Fahrt ins Ungewisse: Deutsche Gebirgsjäger überqueren während des Unternehmens „Weserübung“ einen norwegischen Fjord Foto: picture-alliance/akg-images
Titelthema
Titelgeschichte
Angriff auf Dänemark und Norwegen 1940
Brennpunkt Narvik..................................................................................................................10 Deutscher Angriff auf Dänemark und Norwegen 1940.
IM FOKUS: Eine deutsche Wachmannschaft zieht an einem Küstenabschnitt in Norwegen auf. Der deutschen Militärführung geht es bei der „Weserübung“ vor allem um die Sicherung von Stützpunkten entlang der norwegischen Küste, um Großbritannien stärker unter Druck zu setzen. Zweitens möchte man schwedische Erzlieferungen über Narvik sicherstellen
Brennpunkt Narvik
Foto: ullstein bild – ullstein bild
9. April 1940: Die Wehrmacht fällt in Dänemark und Norwegen ein. Während die riskante Militäroperation die Kontrolle über Norwegens Küste sicherstellen soll, entbrennt um den für die NS-Rüstungsindustrie „lebenswichtigen“ Erzhafen Narvik ein besonders dramatischer Kampf Von Heiner Bumüller
In der „Fjord-Falle“ ...................................................................................................................24 Debakel für die Kriegsmarine.
Auf schwierigem Terrain ............................................................................................28 Waffen und Ausrüstung im Kriegseinsatz.
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Magazin Neues zur Militärgeschichte, Ausstellungen und Bücher.
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Clausewitz 6/2015
Schlachten der Weltgeschichte ......................
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Eingeschlossen im Eis.....................................................................................................40 Die Kesselschlacht von Cholm 1942.
Schlachten der Weltgeschichte
Napoleons größter Triumph................................................................................32
Menschen & Geschichten
Dramatische „Dreikaiserschlacht“ bei Austerlitz 1805.
„Wenn schon fallen, dann auch nobel!“
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Deutsche Offiziere zu Beginn des Ersten Weltkrieges. Militärtechnik im Detail
Tod aus der Luft ............................................................................................................................38
Militär und Technik
Die sowjetische Iljuschin IL-2 Schturmowik M3.
Gefürchtetes „Trio“ ..................................................................................................................50
Titelfotos: ullstein bild – ullstein bild; picture-alliance/akg-images; Weider History Group/Jim Laurier; picture-alliance/akg-images; picture-alliance/Everett Collection; picture-alliance/dpa©dpa-Bildarchiv; Sammlung Dirk Krüger
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Luftabwehr von Bundeswehr und NVA im Kalten Krieg. Titelbild: Deutsche Truppen auf dem Vormarsch in Norwegen im April 1940.
Schlachten der Weltgeschichte | Austerlitz 1805
Schlachten der Weltgeschichte | Cholm 1942
Folgenreiche „Dreikaiserschlacht“
Napoleons größter Triumph
2. Dezember 1805: Gegen eine österreichisch-russische Übermacht erringt Napoleon einen herausragenden Erfolg. Warum begründete ausgerechnet der Triumph von Austerlitz den „Feldherren-Ruhm“ des französischen Herrschers? Von Eberhard Birk
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as Jahr 1805 sollte für Napoleon I. entscheidend werden. Bereits seit 1803 hat er mit etwa 200.000 Mann große Teile seiner ab 30. August 1805 so bezeichneten Grande Armée in einem gigantischen Ausbildungslager im Raum Boulogne-surMer gegenüber den weißen Felsen von Dover zusammengezogen. Gerichtet ist diese Drohkulisse gegen seinen Hauptgegner Großbritannien. Ob Napoleon die Invasion ernsthaft beabsichtigt hat, ist auch heute noch fraglich: Die für das Übersetzen notwendige Seeherrschaft hat Frankreich nicht, und nach der Niederlage bei Trafalgar am 21. Oktober 1805 ist diese Option endgültig
passé. Napoleon ist auf sein Metier – die Landkriegführung – zurückgeworfen. Der ihm gegenüberstehenden „Dritten Koalition“ gehören auch die beiden Kontinentalreiche Österreich und Russland an. Für ein energisches Ausgreifen in Richtung Zentraleuropa ist Napoleon auf Geschwindigkeit und Flankenschutz angewiesen.
Geschicktes Manöver Es gilt, ein militärisches Eingreifen Preußens im Norden und das Eintreffen österreichischer Verbände von der italienischen Halbinsel aus zu unterlaufen beziehungsweise zu unterbinden.
Nach Möglichkeit will er die Armeen der beiden Kaiserreiche isolieren und einzeln schlagen. Nach Überschreiten des Rheins marschiert er entlang der Donaulinie und manövriert österreichische Truppen unter deren Feldherrn Karl Mack von Leiberich Ende Oktober bei Ulm aus. Napoleon stößt anschließend mit seiner zirka 180.000 Mann starken Armee – aufgeteilt in mehrere Großverbände – weiter vor und nutzt dabei die wirtschaftlichen Ressourcen Süddeutschlands. Augsburg und Passau werden zum Rückgrat der Versorgung seiner marschierenden Truppen auf dem Weg über Salzburg nach Wien.
ANGRIFF: Sowjetische Soldaten – hier in Wintertarnung – attackieren immer wieder die „Kampfgruppe Scherer“, die erbitterten Widerstand Foto: picture-alliance/akg-images leistet
Kesselschlacht an der Ostfront
Eingeschlossen im Eis Januar 1942: Bei Cholm kesseln sowjetische Truppen mehrere Tausend Soldaten der Wehrmacht ein. Im strengsten Winter muss die „Kampfgruppe Scherer“ klirrender Kälte und einem übermächtigen Gegner trotzen
ENTSATZ: Auf Ketten kommt nach 105 Tagen Einkesselung Anfang Mai 1942 der Entsatz für die Eingeschlossenen herangerollt
Von Jörg-M. Hormann
Foto: picture-alliance/ Hans-Joachim Rech
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RUHE VOR DEM STURM: Biwak Napoleons am Vorabend der Schlacht von Austerlitz, Ölgemälde von LouisFrançois Lejeune (1775–1848) Abb.: picture-alliance/akg-images
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Clausewitz 6/2015
m Frühjahr 1942 erscheint keine Zeitung oder Zeitschrift im „Großdeutschen Reich“ ohne Titelzeilen über die „Kampfgruppe Scherer“ und die „tapferen Verteidiger“ des Kessels von Cholm. Die russische Kleinstadt an der Einmündung des Flusses Kunja in den Lowat und die zusammengewürfelte Truppe sind ab Januar 1942 in aller Munde. Nachdem „General Winter“ den vorwärtsstürmenden Deutschen Ende 1941 Einhalt bot, startet zur Jahreswende 1941/42 die russische Gegenoffensive. Der Mittel- und
Nordabschnitt der Front beginnt unter dem Druck neu herangeführter sibirischer Winterkampfverbände zu wanken. An der Nordfront gelingt der 3. russischen Stoßarmee bereits in der ersten Januarhälfte 1942 der Durchbruch. Zusammen mit der 11. russischen Armee wird in einer Zangenbewegung der Raum um Demjansk mit dem II. deutschen Armeekorps (A.K.) eingeschlossen. Auf der Linie der gehaltenen Kleinstadt Staraja Russa am Ilmensee und der Stadt Welikije Luki im Süden liegt etwa 100 Kilometer südwestlich von Demjansk die Stadt
DOKUMENT
Tagesbefehl des „Führers“ „Verteidiger von Cholm! Mit tiefer Dankbarkeit begleite ich Euren Heldenkampf um Cholm. Eure tapfere Verteidigung stellt einen Schlüsselpunkt sicher, der für die erfolgreiche Wiederaufnahme unserer Operationen von größter Bedeutung ist…“ Auszug aus Hitlers Tagesbefehl an die „Kampfgruppe Scherer“ vom 3. März 1942
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Cholm als unentbehrliches Bindeglied. Für Hitlers Operationspläne des Frühjahrs 1942 und die Wiederaufnahme des Angriffs auf Leningrad und Moskau stellt der Verkehrsknotenpunkt Cholm eine Schlüsselposition dar. Der „Führer“ befiehlt daher, Cholm bis zum letzten Mann zu halten.
Heikler Sonderauftrag Generalmajor Theodor Scherer ist Kommandeur der 281. Sicherungsdivision und erhält den Sonderauftrag, die Verteidigung der zunächst von starken Partisaneneinhei-
ten angegriffenen Kleinstadt zu organisieren. Mit nur wenigen Männern seines Stabes eilt er in die akut bedrohte Stadt und findet dort eine aus verschiedensten Einheiten zusammengesetzte Truppe vor, darunter drei Kompanien des Reserve-Polizeibataillons 65, unvollständige Kampftruppenteile mehrerer Infanterie-Regimenter und des Jagd-Kommandos 8. Und dies sind nur einige wenige der zahlreichen Splitterverbände. Zusammen und unter Einbeziehung aus dem Osten zurückgefluteter Truppenteile
sind es letztlich insgesamt etwa 5.000 bis 6.000 Mann. Ihnen sollte in den nächsten 105 Tagen ein harter Kampf bevorstehen. Auch Oberstleutnant im Generalstab Hans Freiherr von Bodenhausen, Erster Generalstabsoffizier der 218. Infanteriedivision (I.D.), gehört mit den Männern seines Vorauspersonals (V.P.) zu den Eingeschlossenen. Die 218. I.D. befindet sich auf dem Weg von Dänemark nach Cholm. Das V.P. soll dort den Gefechtsstand der Division errichten. Neben Bodenhausen gehört zum V.P. der Ic der Division Major Grabs und Oberleutnant Neu-
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Clausewitz 6/2015
Kriege, Krisen und Konflikte | Der Hundertjährige Krieg
Militär und Technik | Flugabwehrraketen
LÖWE GEGEN LILIE: Der Krieg um den französischen Thron ist eigentlich dynastischer Natur, bei dem sich zwei große Lehnsverbände gegenüberstehen – und weniger ein Konflikt zwischen zwei Staaten im modernen Sinn
IM DIENSTE DER USA: „Hawk“-Raketen der USRaketenartillerie in Fürth im Jahr 1962 Foto: picture-alliance/Karl Schnörrer
Zeichnung: Guiseppe Rava/ www.g-rava.it1
MACHTDEMONSTRATION: Startrampen mit 3M9M-Flugabwehrraketen der Truppenluftabwehr während einer Militärparade in Ostberlin in den 1970er-Jahren Foto: ullstein bild – Ulli Winkler
Luftabwehr im Kalten Krieg
Gefürchtetes „Trio“ 1960er-Jahre: Gegen schnelle Kampfjets ist kein „artilleristisches Kraut“ mehr gewachsen. Als Luftabwehr dienen den deutschen Armeen fortan funkgelenkte Feststoffraketen, um den Gegner im Ernstfall auszuschalten Von Jörg-M. Hormann
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chräg von unten vorn kommt der schwarze Punkt mit dem Rauchschweif rasend schnell auf die F-4 Phantom II der israelischen Luftstreitkräfte zu. Dem kurzen Blick des Jetpiloten auf sein stummes Radarwarngerät, das ihm eigentlich die Anstrahlung feindlichen Lenkradars signalisieren soll, folgt instinktives Handeln. Der Pilot reißt die Arme vor das Helmvisier und greift nach dem gelb-schwarzen Schleudersitzbügel über dem Helm als die Phantom durch den Splitterregen der krachend detonieren 3M9-Boden-Luft-Rakete scheppert. Entsetzt beobachten seine Kameraden des PhantomSchwarms, wie der Kampfjet wegtrudelt und in der Wüste aufschlägt. Während des JomKippur-Krieges im Oktober 1973 holen ägyptische Flugabwehreinheiten mit ihren russischen Boden-Luft-Raketensystemen 2K-12 „Kub“ allein etwa 50 Phantoms der israeli-
schen Luftstreitkräfte vom Himmel. Diese nennen die Kettenfahrgestelle der Startrampe mit ihren drei markant aufgerichteten schlanken Feststoffraketen in einer Mischung aus Respekt, Verachtung und Angst „Three Fingers of Death“. Mit drei „Todesfingern“ haben die Flugabwehrraketensysteme von Ost und West im Kalten Krieg eine vergleichbare Größe. Denn auch das westliche Pendant zum 2K-12 „Kub“, das amerikanische System MIM-23 „Hawk“, trägt drei Raketen auf seinem Startwagen.
Eifriges Wettrüsten Während des Kalten Krieges entwickeln sich seit Mitte der 1950er-Jahre drei militärische Angstpotenziale: Das ist zum Ersten der Erstschlag mit Atomwaffen, zweitens die Panzerlawine im Bodenkampf und drittens Jagdbomber als ständige Bedrohung aus der
Luft. In diesen Feldern wird ständig propagandistisch Stimmung gemacht und die Wettrüstungsspirale am Laufen gehalten. So gestaltet sich die Luftverteidigung in den beiden deutschen Staaten – im Schulterschluss mit den jeweiligen Militärbündnissen – sehr ähnlich. Der Jagdbomber als definierte Einsatzmaschine für niedrige Flughöhen und in den Erdkampf eingreifend stellt für alle Bodenoperationen eine große Gefahr dar. Zusätzlich wird die Abwehr von Jagdbombern durch die gesamte Flugzeugtechnik selbst erschwert. Gegen überschallfähige Strahlflugzeuge ist ein optisch manuell geführter Feuerkampf mit Rohrartillerie zur Flugzeugabwehr unrealistisch. Angesichts der neuen Bedrohungslage entschließt sich die Bundeswehr, moderne amerikanische Flugabwehrraketensysteme einzuführen. Sie sollen die überforderte Rohrartillerie der
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Flugabwehr ablösen. Fortan soll das Flakraketensystem MIM-23 A „Hawk“ gegnerische Flugzeuge in niedrigen und mittleren Höhen aufs Korn nehmen. Im Technologiebereich funkgesteuerter Feststoffraketen zur Flugzeugabwehr war das Deutsche Reich Ende des Zweiten Weltkrieges führend. Unter den Fittichen der Luftwaffe wurden Fla-Raketensysteme durchgeplant und teilweise auch gebaut. Sie fielen 1945 den Alliierten in die Hände. So ist die relativ schnelle Entwicklung der „Hawk“ durchaus verständlich. 1953 vergibt die U.S. Army den Entwicklungsauftrag für ein „Raketensystem zur Abwehr schnell fliegender Flugzeuge im niedrigen bis mittleren Luftraum. Nach der Auftrags-
vergabe an die Firma Raytheon startet die erste „Hawk“-Rakete bereits zwei Jahre später. Der erste „scharfe Schuss“ wird am 22. Juni 1956 verzeichnet. Mit der Serienfertigung beginnt Raytheon 1958.
Tödliche Explosionswolke Die erste Version der Flugabwehrrakete MIM-23 A reicht 25 Kilometer weit bis in eine Höhe von maximal 13.700 Metern. Sie verbreitet mit ihrem 54 Kilogramm schweren Gefechtskopf eine Explosionswolke von 1.700 Splittern, sobald sie ein Ziel trifft. Bis heute bei vielen Staaten auf der Welt noch im Arsenal, erfahren das System und die Rakete „Hawk“ mehrere Kampfwertsteigerungen. So auch während des Einsatzes des
„Hawk“-Systems bei der Bundeswehr in den Jahren von 1965 bis 2005. Die grundlegendste Modifikation verbessert die Feststoffrakete entscheidend. Zwischen Februar 1975 und Oktober 1978 wird aus der MIM-23 A eine sogenannte „Improved Hawk“. Jetzt verfügt der Lenkflugkörper mit der neuen Typbezeichnung MIM-23 B über folgende Leistungsparameter: Mit einer Reichweite von 40 Kilometern und einer maximalen Wirkungshöhe von 17.700 Metern ist die „Hawk“ der russischen Flugabwehrrakete 3M9M deutlich überlegen. In 900 Metern pro Sekunde kommt sie mit 300 Metern pro Sekunde schneller an als ihr „Ostpendant“. Damit lässt sie den Jagdbomberpiloten mit rotem Stern oder NVA-Symbol auf dem Rumpf im Ernstfall kaum eine Chance, selbst durch heftige Ausweichmanöver ihrer Explosionswolke zu entgehen. Wenn der 75 Kilogramm schwere Gefechtskopf der modernisierten „Hawk“ detoniert, erzeugt er 16.000 kleine Splitter, die jede Flugzeugbeplankung durchschlagen und auf alle Systeme im Innern vernichtend wirken.
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Schutz von Atomwaffenlagern AUF DEM SCHIRM: Radar-Komponente des Systems MIM-23 A „Hawk“, Zielverfolgungsradar zur Lenkung der Flugkörper ans Ziel Foto: picture-alliance/ZB©dpa-Report
GROßE REICHWEITE: 110 Kilometer weit reicht das Impuls-Erfassungsradar zur Luftraumüberwachung des Systems „Hawk“ Foto: picture-alliance/ZB©dpa-Report
Die Entscheidung für das Flugabwehrsystem „Hawk“ fällt Anfang der 1960er-Jahre, wodurch man den NATO-Flugabwehrraketengürtel der „Nike“-Raketen ergänzt. Diese sollen vor allem hochfliegende und über-
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Clausewitz 6/2015
Militär und Technik | „Dicke Bertha“
Kampf um Frankreichs Thron D
ie Ursachen des Hundertjähren Krieges liegen in komplizierten dynastischen Verhältnissen, deren Wurzeln bis in die Zeit der Normannen reichen. Nachdem Wilhelm der Eroberer, der Herzog der Normandie, im Jahr 1066 England besetzt, wird er dort zum König gekrönt. Gleichzeitig sind er und seine Nachfolger aber weiterhin nicht nur Herzöge der Normandie, sondern sie beherrschen durch ihre Verbindung mit dem Haus Anjou auch im Westen Frankreichs weite Gebiete. Damit müssen sie, obwohl selbst Könige, die Lehnshoheit des Kö-
nigs von Frankreich anerkennen. Nach dem Aussterben des französischen Königshauses der Kapetinger erhebt der englische König Edward III. aufgrund seiner Abstammung (seine Mutter ist die Tochter König Philipp IV. von Frankreich) Ansprüche auf den französischen Thron. Nachdem der neue Herrscher Philipp VI. 1337 auch noch in Frankreich gelegene englische Territorien erobert, kommt es zum Krieg. Der Verlauf des Hundertjährigen Krieges ist durch lange Unterbrechungen gekennzeichnet, die auf halbherzige Friedens-
Kaiserliche „Wunderwaffe“ August 1914: August 1914: Deutsche Truppen erobern die als uneinnehmbar geltende belgische Festungsstadt Lüttich. Großen Anteil daran hat Deutschlands erste „Geheimund Wunderwaffe“: der 42cm-Mörser von Krupp Von Lukas Grawe
30,5-cm-Mörser L/8, umgangssprachlich auch „Beta-Gerät“ genannt, verfügt zwar über ein großes Kaliber. Doch die Schussweite mit 8.200 Metern ist mehr als unzureichend und kann die Ansprüche der APK nicht befriedigen.
Enorme Durchschlagskraft Dadurch angespornt setzt Krupp in den folgenden Jahren die Entwicklung von schweren Geschützen und Mörsern fort. Aufbauend auf dem „Beta-Gerät“ konstruiert die Waffenschmiede einen weiteren 30,5-cm-Mörser, der eine Schussweite von 11.700 Metern und deutlich bessere ballistische Leistungen als sein Vorgänger aufweist. Doch auch mit diesem Entwurf sind die Experten der APK nicht vollständig zufrieden. Da die französischen und belgischen Festungen laufend ihre Panzerungen verstärken, wird das Kaliber des Mörsers als nicht ausreichend angesehen. Tests zeigen, dass seine Granaten moderne Beton- und Stahldeckungen nicht durchschlagen. Die APK und der Große Generalstab fordern von der Firma Krupp im Jahr 1906 daher eine Erhöhung des Kalibers auf 42 Zentimeter. Gestützt auf die vorherigen Mörser legt die Essener Schmiede rasch einen neuen Ent-
E
Von Otto Schertler
schlüsse folgen, bei denen ein Wiederaufflammen der Feindseligkeiten nur eine Frage der Zeit ist.
Seekrieg oft nur wenig Aufmerksamkeit geAUSLÖSER: 1328 schenkt. stirbt Karl IV. Der Thronfolge-Streit war Dabei spielen sich besonders zu Beginn ein wichtiger Kriegs- wichtige Seegefechte ab, die für den Fortgrund Abb.: gang des Konfliktes von Bedeutung sind. picture-alliZunächst sind die Franzosen, die zahlreiche ance/akggenuesische Galeeren in Dienst nehmen, images sehr erfolgreich. Die Städte Portsmouth, Southampton und Hastings werden geplündert und teilweise zerstört. Eine von König Philipp VI. geplante Invasion Englands scheitert jedoch an einem Sturm, der viele Schiffe in Mitleidenschaft zieht. Nach dem
Ein Sturm rettet England Die erste Phase beginnt mit maritimen Operationen, da England und Frankreich durch den Ärmelkanal getrennt sind. Über diesen Meeresarm erhebt die englische Krone seit dem Ende des 13. Jahrhunderts – aufgrund der wichtigen Seehandelsrouten – einen Hegemonie-Anspruch. Bei Betrachtungen zum Hundertjährigen Krieg wird dem
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FAKTEN
Chronologie
1337/39 Beginn des Krieges 1340 Seeschlacht von Sluis 1346 Schlacht von Crécy 1347 Engländer erobern Calais 1356 Schlacht von Poitiers 1360 Vertrag von Brétigny: Frankreich verzichtet auf Territorien, Edward III. verzichtet auf den Thron Frankreichs 1372 Seeschlacht von La Rochelle 1415 Schlacht von Azincourt 1420 Vertrag von Troyes: Der englische König Heinrich V. wird Regent und Erbe der französischen Krone 1429 Aufhebung der Belagerung von Orléans 1435 Vertrag von Arras: Burgund löst die Allianz mit England 1436 Eroberung von Paris 1453 Schlacht von Castillon, Ende des Krieges
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wurf vor, der die Militärs auf Anhieb überzeugt. Der neue 42-cm-Mörser L/16, auch „Gamma-Gerät“ genannt, punktet vor allem mit einer großen Reichweite und einer enormen Durchschlagskraft. Allerdings fordern diese Attribute auch einen hohen Preis. So weist das „Gamma-Gerät“ in fertiger Feuerstellung ein Gewicht von bis zu 175 Tonnen auf. An eine schnelle Verschiebung der Geschütz-Einheit ist nicht zu denken. Da der Mörser nicht über Räder verfügt, muss die Bedienmannschaft ein 25 Kubikmeter fassendes Bettungsloch ausheben, in das das „Gamma-Gerät“ einbetoniert wird. Für einen Weitertransport muss der Mörser aufwendig aus der Bettung herausgesprengt werden. Zudem ist aufgrund des beschränkten Seitenrichtfelds nur eine geringe Zielabweichung möglich. Der Aufbau des Geschützes nimmt selbst bei einer eingespielten Mannschaft bis zu vier Tage in Anspruch und funktioniert nur mit Hilfe eines Krans. Für den Transport in mehrere, bis zu 25 Tonnen wiegende Einzelteile zerlegt, muss der Mörser auf eigens gelegte Eisenbahnschienen antransportiert werden. Diese münden direkt in die Geschützstellung. Zudem muss die bis zu 1.160 Kilogramm schwere Munition mit
einem Munitionsaufzug auf die Feuerhöhe von 3,40 Meter befördert werden. Diese Nachteile nimmt die APK angesichts der enormen Durchschlagskraft jedoch in Kauf.
Gewaltiger Aufwand Um die Geheimhaltung zu wahren und die gegnerische Spionage zu täuschen, wird der Mörser 1911 unter dem Namen „Kurze Marine-Kanone 12“ in die deutsche Armee eingeführt, ohne zuvor ausführlichen Tests unterzogen worden zu sein. Das „unnütze“ Abfeuern des Mörsers wird aufgrund der hohen Aufwendungen für Munition und Be-
Philippe Pétain
Der „gefallene Held“ von Verdun D
FURCHTEINFLÖSSEND: Der 42-cm-Mörser der Firma Krupp sorgt zu Beginn des Ersten Weltkriegs für Aufsehen bei allen beteiligten Mächten
ass er einmal als einer der größten Generale des Ersten Weltkriegs gelten wird, hat ihm niemand an der Wiege gesungen. Auch nicht, dass nach dem Aufstieg ein tiefer Fall folgen wird. Henri Philippe Pétain wird 1856 als Sohn eines Bauern im nordfranzösischen Cauchy-à-la-Tour geboren. Als Kind lauscht er den Erzählungen seines Großonkels, einem Veteran der Grande Armée Napoleons. Er möchte ebenfalls Soldat werden und tritt 1876 der Militärschule St. Cyr bei. Seine Ausbildung lässt noch keine Schlüsse über seine spätere Karriere zu. Pétain schließt sie 1878 im unteren Drittel sei-
nes Jahrgangs ab und wird Souslieutnant bei den Chasseurs à pied. In den nächsten Jahren wechseln seine Garnisonen häufig, allerdings verlässt er Frankreich nie. 1888 wird er an die Militärakademie von Paris geschickt und nimmt an einer zweijährigen Ausbildung zum Generalstabsoffizier teil.
Kritisierte Kampftaktik Die Zeit zwischen dem Deutsch-Französischen Krieg und dem Ersten Weltkrieg ist geprägt von enormen technischen Innovationen. Die Wirkung moderner Waffen steigt rapide, aber da diese Jahre in Mittel-
europa friedlich bleiben, können die Generalstäbe der lokalen Großmächte nur über das Wesen zukünftiger Schlachten spekulieren. In Deutschland wie in Frankreich setzen die Taktiker nach wie vor auf ein offensives Vorgehen der Infanterie. „Stoßkraft“, oder „attaque à outrance“, Angriff bis zum Äußersten, werden die Schlagworte dieser Doktrin. Pétain zeigt sich ihr gegenüber sehr skeptisch. Noch bevor europäische Beobachter Berichte von den Schlachtfeldern des RussischJapanischen Krieges schicken, erkennt er die Bedeutung des Maschinengewehrs für de-
Foto: picture-alliance/akg-images
marschs durch Belgien, um anschließend die gesamte deutsche Streitmacht gegen das russische Zarenreich wenden zu können. Die problematische geografische Mittellage zwischen den beiden Großmächten scheint andere Lösungen auszuschließen. Dabei kann sich die deutsche Armee nicht erlauben, Festungen langwierig zu belagern.
1337–1453: Der Hundertjährige Krieg zwischen England und Frankreich ist eine der größten und längsten Auseinandersetzungen des Mittelalters. Durch das Wechselspiel der militärischen Allianzen wird halb Europa in das blutige Geschehen mit hineingezogen.
Menschen & Geschichten
42-cm-Mörser von Krupp
s herrscht eine Art „Wettstreit“ gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts – zwischen der wachsenden Durchschlagskraft der Artillerie und den immer widerstandsfähigeren Bunker- und Festungsanlagen. Bis unmittelbar vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs scheinen die Beton- und Stahlwände den Sieg über die Kanonen und Haubitzen davon zu tragen. Vor allem die deutsche Armee und ihre Führung, das preußische Kriegsministerium und der Große Generalstab in Berlin, bemühen sich aber um eine Verschiebung der Kräfte zugunsten der Artillerie. Die deutschen Militärs sind auf eine durchschlagskräftige Waffe angewiesen, um die stark ausgebauten französischen Festungen im Falle eines Waffengangs einnehmen zu können. Nach der Niederlage im deutsch-französischen Krieg von 1870/71 hat sich die Französische Republik förmlich verbarrikadiert und entlang der Grenze zum Deutschen Reich einen mächtigen Sperrriegel errichtet. Auf diese Weise hofft die französische Führung, einen erneuten deutschen Angriff abwehren zu können. Der deutsche Kriegsplan setzt hingegen seit dem Amtsantritt Alfred von Schlieffens als Chef des Generalstabs auf einen raschen Sieg über Frankreich mit Hilfe eines Durch-
Der Hundertjährige Krieg
PROPAGANDA: Zeitgenössische Postkarte, die die vermeintliche Überlegenheit der „Dicken Bertha“ herausstellt
Von Alexander Querengässer
fensiv geführte Gefechte. Im Jahr 1900 wird er Major und Instrukteur an der Militärschule von Châlons-sur-Marne. Hier erregt er Aufsehen, weil er die „attaque à outrance“ offen ablehnt. Die französische militärische Führung ist nach wie vor von der Doktrin überzeugt – und so fällt Pétain vorerst in Ungnade. 1901 wird er abgelöst und zum 5. Infanterieregiment nach Paris versetzt, wo er zwischen 1904 und 1911 wieder als Ausbilder für Infanterietaktik arbeitet. Danach erhält er seine Beförderung zum Oberst und übernimmt das 33. Infanterieregiment in Arras. Zu seinem Stab gehört ein erst einundzwanzigjähriger Absolvent der Militärschule St. Cyr: Charles de Gaulle. Am 20. März 1914 erhält Pétain den Befehl über die 4. Brigade, allerdings ohne die eigentlich übliche Beförderung zum Brigadegeneral. Noch immer steht er beim Kriegsministerium wegen seiner defensiven Denkweise in der Kritik.
Bewährung an der Front
Abb.: picture-alliance/akg-images
DER TIEFE FALL: Pétain trifft am 24. Oktober 1940 Adolf Hitler. Seine Kollaboration mit den Deutschen hat die Erinnerung an den einst gefeierten Pétain in Frankreich verdunkelt Abb.: picture-alliance/AP Images
Doch dann kommt der Krieg. Pétains Brigade gehört zur 5. Französischen Armee unter General Lanrezac. Dieser versucht Ende August bei St. Quentin in einem überraschenden Gegenstoß die deutsche 2. Armee zurückzudrängen. Bei den Großangriffen am 29. August erringen die Franzosen unter horrenden Verlusten kleine taktische Erfolge – und müssen sich am folgenden Tag zurückziehen, da ihre Flanken offen sind. Pétain sieht sich in seiner Kritik an der offensiven Doktrin bestätigt. Er selbst fällt positiv auf und erhält endlich seine Beförderung zum Brigadegeneral. Als Befehlshaber der 6. Division nimmt er an der Marneschlacht teil, wo er erfolgreiche Gegenstöße gegen die 2. Armee leitet, die mit zum Zusammenbruch der deutschen Offensive führen. In kurzen Abständen klettert er die Karriereleiter hinauf. Am 18. Dezem-
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Clausewitz 6/2015
Erste Entwürfe Angesichts dieser Pläne nimmt die deutsche Militärführung in Zusammenarbeit mit der deutschen Rüstungsindustrie seit den 1880er-Jahren die Entwicklung schwerer Mörser und Haubitzen in Angriff. Federführend erweist sich dabei die „Artillerie-Prüfungskommission“ (APK), die für die Planung neuer Geschütztypen verantwortlich ist und mit zahlreichen neuen Vorschlägen und Anforderungen an die Waffenschmieden des Reichs herantritt. Vor allem die Firma Krupp zeichnet in den kommenden Jahren für die Herstellung der schwersten Geschütze verantwortlich. Anfang der 1890er-Jahre legt Krupp einen ersten Entwurf vor. Der
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1945: General Pétain wird vom französischen Obersten Gerichtshof zum Tode verurteilt. Was ist im Leben des „Retters von Verdun“ geschehen, um ihn vom „Helden“ zum „Verräter“ werden zu lassen?
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GEFEIERT UND GEÄCHTET: Pétain ist bis zum heutigen Tag eine besonders umstrittene Figur in seinem Heimatland. Im Ersten Weltkrieg ist er der „Verteidiger Frankreichs“, im Zweiten Weltkrieg dann der „Verräter Frankreichs“. Zwischen diesen Polen changiert das öffentliche Bild des Soldaten und Politikers Pétain Abb.: picture-alliance/united archives
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Meinung
Menschen & Geschichten
Der „Fall Nordkorea“ ...........................................................................................................56
„Spartacus“ ..............................................................................................................................................70
Zwischen Irrsinn und Isolation.
Ein filmisches Freiheits-Manifest.
Krisen, Kriege und Konflikte
Der „gefallene Held“ von Verdun ............................................................74
Kampf um Frankreichs Thron ........................................................................58
Frankreichs umstrittener Marschall Philippe Pétain.
Der Hundertjährige Krieg.
Spurensuche
Die erste „deutsche“ Schlacht Militär und Technik
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Museum und Park zur „Varusschlacht“ in Kalkriese.
Kaiserliche „Wunderwaffe“ ..................................................................................64 Der 42-cm-Mörser von Krupp.
Vorschau/Impressum............................................................................................................................82 5
Clausewitz 6/2015
Magazin MUSEUMSTIPP
Größte Sammlung zur Luftschifffahrt Das Zeppelin Museum in Friedrichshafen präsentiert sich neu gestaltet
Außenansicht des Zeppelin Museums in Friedrichshafen Foto: picture-alliance/Arco images GmbH
Im Zeppelin Museum ausgestellte Büste des berühmten Luftschiffkonstrukteurs Ferdinand Graf von Zeppelin
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as Jahr 2015 ist ein ganz besonderes Jahr für das Zeppelin Museum in Friedrichshafen: Nach einer mehrjährigen und umfangreichen Umbau- und Umgestaltungsphase präsentiert das Zeppelin Museum die weltweit größte Sammlung zur Luftschifffahrt neu. Besucher können sich auf moderne Ausstellungsräume mit rund 1.500 Exponaten freuen. Viele bisher im Depot aufbewahrte „Highlights“ werden nun präsentiert. Der Rundgang durch das Museum startet im Medienraum. Dort sind auf einer großen Leinwand Filmdokumentationen berühmter Originalaufnahmen zu den wichtigsten historischen Ereignissen zu sehen. Ein 3D-Film veranschaulicht darüber hinaus die imposanten Ausmaße der Luftschiffe.
Außerdem erhielt das Museum 2015 einen neuen Sensationsfund: Jüngst wurden beim Umbau eines Hamburger Fischerhauses von den neuen Eigentümern Gerippeteile des Marine-Luftschiffes SL 6 aus dem Ersten Weltkrieg entdeckt. Das Schütte-LanzLuftschiff explodierte im Jahr 1915, die gesamte Besatzung kam ums Leben. Die Witwe eines Offiziers erhielt als Erinnerung Teile des Luftschiffes und machte daraus eine Art Regal, das jedoch später in Vergessenheit geriet. Die neuen Hauseigentümer entdeckten die ungewöhnliche Konstruktion auf dem Speicher und nahmen Kontakt zum Zeppelin Museum in Friedrichshafen auf. Kontakt: Zeppelin Museum Seestraße 22 88045 Friedrichshafen www.zeppelin-museum.de
„Markenzeichen“ Augenklappe: Mosche Dajan ist nur einer von mehreren bekannten Feldherren, die im Laufe ihrer kriegerischen Karriere ein Auge verloren
sen. Lord Nelson, der Held von Trafalgar, verlor 1794 in einem Seegefecht durch Splitter ein Auge (was nicht das einzige Körperteil bleiben sollte, das der Admiral in einer Schlacht einbüßt). Sir Archibald Wavell, britischer Feldmarschall, verlor während der Zweiten Flandernschlacht 1915 im Kampf ein Auge. Und der israelische General – und spätere Verteidigungsminister – Mosche Dajan bezahlte seinen Einsatz 1941 in Syrien gegen Vichy-Truppen mit dem Verlust eines Auges.
KURIOSES
Holzauge, sei wachsam! Einäugige Feldherren
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as haben Hannibal, König Philipp II., Marschall Masséna, Lord Nelson, Sir Archibald Wavell und Mosche Dajan gemeinsam – außer, dass sie bekannte Feldherren gewesen sind? Richtig, alle sechs haben auf die ein oder andere Weise ein Auge verloren. Hannibal, die karthagische Nemesis Roms, hat
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aufgrund einer Infektion während seines Feldzuges in Italien ein Auge eingebüßt. Phillip II. von Makedonien, der Vater Alexanders des Großen, hat in einer Schlacht ein Auge gelassen. André Masséna, Marschall Napoleons, bekam eines seiner Augen bei einem tragischen Unfall von Marschall Berthier ausgeschos-
Abb.: picture-alliance/dpa
Foto: picture-alliance/dpa©dpa
Wie Napoleon nach Waterloo kam Eine kleine Geschichte der Befreiungskriege 1813 bis 1815
Foto: rombach verlag
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ie Französische Revolution sowie die Ära Napoleon beendeten die politischen und gesellschaftlichen Organisationsprinzipien des „alten“ Europas. Sie waren außerdem ein Katalysator für Europas Weg in die Moderne. Die machtpolitische Kehrseite jener Epoche war jedoch geprägt von zahlreichen Kriegen. Die in diesem 2015 erschienenen Band versammelten, sehr facettenreichen Beiträge führen in die politischen und militärischen Grundlagen des Zeitalters und deren Rezeption ein. Ein besonderes Augenmerk liegt auf dem neuen Kriegsbild sowie dessen Einfluss auf Organisation, Ausbildung und Kriegführung. Die Darstellung und Analyse des Kampfes gegen den napoleonischen Machtanspruch im
Rahmen der „Befreiungskriege“ bis zur Schlacht bei Waterloo im Jahr 1815 bilden dabei einen operationsgeschichtlichen Schwerpunkt. Der insgesamt mehr als 35 Beiträge umfassende Sammelband verfügt darüber hinaus im 4. Teil „Krieg und Schlacht“ über eine Vielzahl an detailreichen Karten zur Veranschaulichung. Eberhard Birk, Thorsten Loch und Peter Andreas Popp (Hrsg.): Wie Napoleon nach Waterloo kam, 340 S., zahlreiche Abbildungen und farbige Karten, Pb. 16,5 x 24 cm ISBN 978-3-7930-9802-7, Preis: 24,80 Euro (D)
Aus der Tiefe geholt Foto: picture-alliance/United Archives/TopFoto
Schiffsglocke der HMS HOOD geborgen
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er „Stolz der Royal Navy“, der britische Schlachtkreuzer HMS HOOD, wurde 1941 vom deutschen Schlachtschiff BISMARCK nahe Island im Nordatlantik versenkt. Nun hat ein Tauchroboter einer US-Suchmannschaft die insgesamt gut erhaltene Schiffsglocke aus dem Wrack der HMS HOOD in einer Tiefe von etwa 2.800 Metern aus dem Meer geborgen – 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Ein erster Bergungsversuch war 2012 gescheitert. Der britische Schlachtkreuzer HMS HOOD
Klassiker der britischen Armee-Küche: „Corned Beef Hash“
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as Jahr 2009 ist im Hinblick auf die (engDie klein gehackte Zwiebel in etwas Butlische) Militärküche einschneidend gewe- ter (oder Öl) rösten. Dann die gekochten sen. Denn in diesem Jahr ist das Corned Beef und gewürfelten Kartoffeln – die verwen(gepökeltes Rindfleisch) offiziell aus der Feld- dete Menge hängt ganz vom jeweiligen Geküche verschwunden. Und das, obwohl es schmack ab – und das Corned Beef hinzusich hierbei fast schon um eine britische Insti- geben. Alles zusammen so lange in der heitution handelt. Es gibt zahlreiche Gerichte, die ßen Butter lassen, bis das Essen angebräunt mit Corned Beef zubereitet (und leicht knusprig werden können, denn geworden) ist. ZwiZu tate nl is te über eine sehr lange schendurch immer Beef (in Zeit war es im Reperwieder umrühren, da- eine Dose Corned nitten) toire jedes englischen mit nichts anbrennt – kleine Stücke gesch m Armeekochs. Clausewitz aber dabei sehr vor- 300 bis 400 Gram hat sich für das sehr einsichtig vorgehen, um gekochte Kartoffeln ten) fach und schnell herzudas Corned Beef nicht (in Würfel geschnit te stellende „Corned Beef vollständig aufzulö- eine klein gehack Zw iebel Hash“ entschieden: sen (die kleinen StüÖl) - etwas Butter (oder
Clausewitz 6/2015
Fünf Filme zum Thema „Vietnam“, die man gesehen haben sollte:
❶ Platoon (1986)
Oliver Stones cineastische Verarbeitung seines Vietnameinsatzes ist DER Vietnamfilm schlechthin.
❷ Flucht aus Laos /
Little Dieter needs to fly (1997)
Faszinierender Dokumentarfilm von Werner Herzog über die Erlebnisse des deutschen Airforce-Piloten Dieter Dengler. 2006 entsteht eine Spielfilmversion („Rescue Dawn“), die aber nicht die Intensität des Originals hat.
picture alliance/United Archives/WHA
BUCHTIPP
❸ Apocalypse Now (1979)
Coppolas verstörende „Reise ins Herz der Finsternis“ inszeniert den Vietnamkrieg als apokalyptischen Alptraum. Laut Coppola „Kein Film über Vietnam, sondern Vietnam selbst.“ Die „Redux-Version“ enthält Szenen, die in der Kinofassung fehlen.
❹ Full Metal Jacket (1987)
Kinolegende Stanley Kubrick schildert die erbarmungslose Realität des Krieges anhand einer Gruppe von U.S. Marines. Ein schonungsloser Film, der an die Nieren geht!
❺ Die durch die Hölle gehen (1978) Michael Ciminos höchst umstrittenes Drama in epischer Länge – und mit hervorragenden Schauspielern besetzt – zeigt, dass der Krieg oftmals nicht mit den Kampfhandlungen aufhört. „Jacknife“ (1989) gilt als inoffizielle Fortsetzung.
Perfektes Frühstück: „Corned Beef Hash“ mit Spiegelei – das schnell zubereitete Gericht gibt Kraft für den ganzen Tag Abb.: picture alliance/Foodcollection
cke sollten erhalten bleiben). Wer sein Essen noch ein wenig verfeinern möchte, der kann am Ende Pilze hinzugeben und/oder ein Spiegelei hinzufügen. Heiß servieren! Der Vorteil des „Corned Beef Hash“ ist seine schnelle Zubereitung und die vergleichsweise wenigen Bestandteile, die dazu nötig sind. Das Essen macht satt – und ist ideal als Frühstück geeignet (besonders in der Version mit Spiegelei), wenn ein langer Marsch oder schwere körperliche Arbeiten anstehen. Eine Tasse Kaffee oder Schwarztee ergänzen diesen MilitärküchenKlassiker. Enjoy!
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Clausewitz
Magazin
AUSSTELLUNGSTIPP
„Glänzende“ Gaben Sonderausstellung zeigt Offiziersgeschenke aus zwei Jahrhunderten
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Die Ausstellung zeigt einen Querschnitt an vielfältigen Arten von Offiziersgeschenken aus preußischen, bayerischen und sächsischen Regimentern. Neben Silberpokalen aus der Frühzeit enthält die Sammlung des WGM Geschenke wie silberne Tabletts, Schalen, Becher, Geschenksäbel, Büsten und Statuetten aus dem Zeitalter nach 1870. Geschenke vom Ende des 19. Jahrhunderts wie Silberpokale, Karaffen, Silberteller und Schalen sowie Spazierstöcke und vieles mehr ergänzen die beeindruckende Ausstellung. Zur Sonderausstellung gibt es einen Begleitband. Weitere Informationen unter Tel. 07222 34244 sowie im Internet unter www.wgm-rastatt.de
NEUERSCHEINUNG Die Fotocollage des russischen Fotografen Sergey Larenkov stellt eindrucksvoll visualisiert einen Brückenschlag zwischen Vergangenheit und Gegenwart her. www.sergey-larenkov.livejournal.com
Verdun 1916
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Damals: Sowjetische Soldaten vor der beschädigten Front des Katharinenpalastes in Puschkin, 25 Kilometer südlich von St. Petersburg. Während des Rückzuges der Wehrmacht 1944 wird die ehemalige Sommerresidenz der Zaren von den Deutschen zerstört. Heute: Heute ist der Rokoko-Bau vollständig rekonstruiert und erstrahlt in neuem Glanz. Seit 2003 ist auch eine aufwendige Nachbildung des 1941 von der Wehrmacht verschleppten (und bis heute verschollenen) Bernsteinzimmers für Besucher zugänglich – eine ganz besondere Attraktion.
Clausewitz Spezial
Clausewitz Spezial Das Magazin für Militärgeschichte
D: €
9,90 A: € 10,90 CH: sFr 19,80
BeNeLux: € 11,40
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ISBN 978-3-86245-460-0
VERDUN
Planung Verlauf Folgen
den
VERDUN
Deutschland Krieg entscheiden wollte 1916 Wie
Die Urschlacht des 20. Jahrhunderts Warum Verdun?
Materialschlacht
Erich von Falkenhayn und das „Unternehmen Gericht“
Die neue Dimension des Schreckens
Soldaten und Schicksale
Wie sie die Kämpfe erlebten
Das Schlachtfeld heute
Vauquois
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er Vauquois beherrschte, der konnte dem Gegner in die Karten schauen und dessen Nachschublinien beschießen. Das erklärt, warum sowohl bei den Kämpfen in den Argonnen als auch um Verdun Deutsche und Franzosen hier hartnäckig um den Ort rangen: Die Deutschen besetzten den Hügel 1914 bei ihrem Umfassungsversuch von Verdun. Erst 1915 gelang es den Franzosen, sich in der südlichen Dorfhälfte festzusetzen – ihre Gegner hielten den Nordrand des Dorfes, das damals auf der Spitze des Hügels lag. Tiefe, nach hinten gestaffelte Schützengräben entstanden. Schließlich verlagerte man auf beiden Seiten Stellungen un-
ter die Erde, die Deutschen hauten eine unterirdische Kaserne für über 2.000 Mann in den Berg. Was schließlich folgte, war ein Minenkrieg: Pioniere, Mineure und Sappeure versuchten immer wieder, sich unter die gegnerischen Stellungen zu graben und diese in die Luft zu jagen. 519 Sprengungen löschten das Dorf aus (siehe Foto unten links), verwandelten den Hügel in eine von teils gigantischen Trichtern gezeichnete Anhöhe. Heute kümmert sich ein Verein um die über- und unterirdische Wiederherstellung der Stellungen (http://butte-vauquois.fr/de). Neben einem interessanten Museum lohnen geführte Touren einen Besuch des Ortes 40 Kilometer westnordwestlich von Verdun. Fotos (3) www.commedesimages.de
Relikte des Krieges
Gefechtsfeld
Zahlreiche Orte auf dem zentralen Schlachtfeld, in der Umgebung von Verdun sowie auf dem linken Maasufer zeugen von den bestalischen Kämpfen – und deren Opfern. Eine Wanderung über das Schlachtfeld
Von Markus Wunderlich
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o einst Artilleriefeuer die Land- der verseuchte und vergiftete Boden voller der 100. Jahrestag wird der letzte bedeutende schaft in eine kraterübersäte Toten- Blindgänger die Bauern davor abschreckte, sein, der Verdun noch einmal in die Weltöflandschaft umpflügte, wuchert je wieder zu pflügen oder anzubauen. Bäume fentlichkeit rückt. heute die Vegetation. Boden und Klima sind und Sträucher verdecken nur die TrichterDoch auch wenn hundert Jahre vergangen gut, auf den ersten Blick wirkt die Gegend landschaft. Es dauert lang, bis die Vergangen- sind und beide Völker heute mehr eint als um Verdun heute im Sommer wie eine safti- heit zerfällt. entzweit, auch wenn von keinem Denkmal, ge, gedeihende Landschaft mit Wäldern volWellige Hügel zwischen den Bäumen ent- von keiner Hinweistafel Kriegsschuld verteilt ler Wild. Weite Teile des zentralen Schlacht- puppen sich als Schützengräbern, eingeebnet wird, auch wenn kein Touristenführer mehr feldes sind heute dank umfangreicher Auf- von verrottendem Laub und aufgefüllt vom auch nur ein böses Wort fallen lässt, so sind forstung bewaldet. Die Landschaft scheint Holz der Waldarbeiter. Bald wird hier der es die stummen Zeugen in der Landschaft, geheilt. große Erinnerungsrummel losgehen, für den die einen weitaus stärkeren Eindruck hinterDen Krieg muss man suchen. Erst der Mai 2016 ist eine große Gedenkveranstaltung lassen als es Mahnmale jemals könnten. Und zweite Blick offenbart die Narben, die der geplant. Dann werden die Orte des Schre- vor denen ein jeder Besucher für sich die FraErste Weltkrieg hinterlassen hat – dort, wo ckens für kurze Zeit dem Vergessen entrissen, ge des „Wofür?“ stellen kann …
Zwischenwerk Thiaumont
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ur an wenigen Orten entluden sich ein eiserner Durchbruchswille und zähe Verteidigung so wie an dieser Schlüsselstellung – sie liegt auf halbem Wege zwischen Douaumont und dem Maastal. Was intensivstes Artilleriefeuer anzurichten vermag, lässt sich hier erkennen. Nur wenige Schritte entfernt liegt der ehemalige Kampfschutzbunker P.C.118 (links) Foto: www.commedesimages.de
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Clausewitz Spezial
Clausewitz Spezial 11 Verdun 1916 96 Seiten, ca. 150 Abbildungen; GeraMond Verlag GmbH; ISBN 978-3-86245-460-0; Preis: 9,90 Euro; Bezugsquelle: www.verlagshaus24.de
VERDUN
ie Schlacht um Verdun jährt sich 2016 zum 100. Mal – Clausewitz widmet sich daher in seiner neuesten Spezialausgabe dem blutigen Ringen um die französische Festung. Warum griffen die Deutschen ausgerechnet, an einer der stärksten Positionen der Alliierten an? War ein deutscher Sieg am Ende sogar zum Greifen nahe? Diese und andere Fragen beantwortet Clausewitz und bietet obendrein eine Fülle an unveröffentlichten Bildern und Karten!
Abb.: CLAUSEWITZ
www.sergey-larenkov.livejournal.com
ZEITSCHICHTEN
as Wehrgeschichtliche Museum Rastatt (WGM) präsentiert seit dem 15. August und bis zum 22. November 2015 die Sonderausstellung „Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft – Offiziersgeschenke aus zwei Jahrhunderten“. Die Geschenke der Offiziere waren im 19. Jahrhundert fester Bestandteil der sozialen „Militärkultur“. Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges war es üblich, bei bestimmten Anlässen wie Dienstjubiläen, Geburtstagen, Beförderungen Modell der Radfregatte „Hansa” als Abund so weiter Offiziere mit Geschenken zu schiedsgeschenk an einen Contre-Admiral würdigen. Erstmals greift das WGM in Rastatt dieses bisher wenig beachtete Thema der besondere Form von Geschenk. Viele der ausMilitärgeschichte auf und präsentiert Offi- gestellten Objekte befinden sich in Privatziersgeschenke aus zwei Jahrhunderten. Her- sammlungen und werden zum ersten Mal eivorzuheben sind die Blankwaffen – eine ganz nem breiten Publikum vorgestellt.
Abb. (3) Wehrgeschichtliches Museum Rastatt
Einzigartiges Bowlengefäß in Form einer Pelzmütze der Garde-Husaren und Kristalldeckeldose aus dem 19. Jahrhundert
Schadewitz, Michael
Zwischen Ritterkreuz und Galgen Skorzenys Geheimunternehmen Greif in Hitlers Ardennenoffensive 1944/45
BUCHTIPP
Der Erste Weltkrieg 1914–1918
220 Seiten, fest geb., 252 Fotos, Abb., Karten, Großformat; ISBN 978-3-938208-48-9
Reich illustrierter Überblick über „Die große Katastrophe“
Foto: Verlag E.S. Mittler & Sohn
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er Erste Weltkrieg hat das Schlachtfeld ungeheuer technisiert und dabei alle verfügbaren Kräfte entfesselt: an der Front, wo das Feuer sich gegen die Bewegung durchsetzte, zu Hause, wo alles auf die Kriegswirtschaft ausgerichtet war. Dieser mit vielen seltenen Fotos und Abbildungen ausgestattete Band gibt einen anschaulichen Überblick über die Vorgeschichte des Waffengangs und den politischen und militärischen Verlauf 1914 bis 1918. Der Autor analysiert Siege und Niederlagen zu Lande, zu Wasser und in der Luft und
geht dabei ausführlich auf technische Details von Waffen und Gerät der Kriegsparteien ein. Er berücksichtigt auch die jüngst kontrovers geführte Debatte um die „Kriegsschuld“. Guntram Schulze-Wegener: Der Erste Weltkrieg 1914–1918. Die große Katastrophe 256 Seiten, 21 x 27 cm, gebunden mit Schutzumschlag, Preis: 29,95 Euro (D)
„Im Krieg gibt es keine Alternative zum Sieg. Wer glaubt, ein Füller sei mächtiger als ein Schwert, der hat noch nie ein Maschinengewehr erlebt.“ Douglas MacArthur (1880–1964), befehligte US-Truppen im Ersten und Zweiten Weltkrieg sowie im Koreakrieg
5/2015 September | Oktober
€ 5,50
A: € 6,30 CH: sFr 11,00 BeNeLux: € 6,50 SK, I: € 7,45 FIN: € 8,10
Clausewitz Das Magazin für Militärgeschichte
Briefe an die Redaktion Zu „Kampf gegen Kolosse“ in CLAUSEWITZ 5/2015: In der aktuellen Clausewitz-Ausgabe 5/2015 hat sich eine kleine Ungenauigkeit eingeschlichen. Im Artikel über die Panzerjäger wird eine „verkürzte Panzerbüchse 39" erwähnt. Das stimmt so nicht ganz. Die Panzerbüchse 39 wurde zwar unter anderem verkürzt, aber nur um sie mit einem Gewehrgranat-Schießbecher auszustatten. Somit wurde daraus die „Granatbüchse 39" zum Verschießen von Gewehr-Panzergranaten. Sie wurde nur vom Dezember 1942 bis April 1943 gefertigt (insgesamt 28.023 Stück), aber ihre Leistung war ungenügend. Ansonsten wieder ein prima Heft! Michael Heidler, per E-Mail Zu „Geballte Feuerkraft“ in CLAUSEWITZ 5/2015: In Ihrer wie stets sehr informativen und lesenswerten Ausgabe ist doch ein kleiner Fehler enthalten. Auf der Doppelseite 38/39 „40-mm-Bofors" wird in der Zeichnung des Geschützes die rechts sichtbare Gabel als Schleppstange bezeichnet. Dies ist aber die Rohrhalterung, die die Aufgabe hat, während der Fahrt das Rohr zu arretieren, um die Stöße
Clausewitz 6/2015
Herrmann, Gerd-Ulrich / Klar, Uwe
Der Schlüssel für Berlin Hintergründe, Vorbereitung und Verlauf der Schlacht um die Seelower Höhen
240 Seiten, fest geb., 107 Abb.; ISBN 978-3-86933-022-8
19,90 € Herrmann, Gerd-Ulrich
Festung Küstrin 1945 Anspruch und Wirklichkeit
224 Seiten, Hardcover, 101 Abb.; ISBN 978-3-86933-130-0
23,50 €
Panzerjäger
Zu „Ein Sieg für Italien!“ in CLAU1936 So verlief der Testlauf SEWITZ 4/2015: für die Wehrmacht Als treuer Leser Ihrer „Legion Zeitschrift – und das Condor“ beinhaltet ja schon ein Lob – möchte ich Brücke von Remagen Ihnen dennoch einen Verbesserungsvorschlag machen: Anlass ist der Artikel „Die Schlacht von Allgemein zu CLAUSEWITZ Solferino" in der jetzigen August 5/2015: Ausgabe. Ich vermisse in dem ArtiIch halte gerade die neueste Ausga- kel jegliche Karte! Was nützen mir die genauen Angaben über Ortbe (5/2015) in Händen und muss schaften, und Flüsse, wenn ihre togestehen, es ist, meiner Meinung pographischen Beziehungen nicht nach, eure bisher beste Arbeit! Ein durch Kartenmaterial anschaulich ganz großes Lob von mir für diese gemacht werden. ganz besondere Vielfalt an Themen! Als Prinzip möchte ich gerne Da ich schon mal hier bin: Die ExtraAusgabe zur deutschen Panzerwaffe formulieren: Jede in einem Artikel angesprochene topographische (Teil 1) habe ich verschlungen. TexGegebenheit sollte sich in Karten te, (ganz besonders) Fotos, Themenauch auffinden lassen. wahl, und Fachwissen, hinterlassen Ansonsten vielen Dank für die bei mir tiefe Spuren. Die Ausgabe Freude, die mir Ihre Zeitschrift jedes über den D-Day war genauso exzelMal mit ihren neuen Ausgaben belent! Frank Kruft, per E-Mail reitet. Herbert Kritzler, per E-Mail vom Richtmechanismus fern zu halten. Die Schleppstange ist sichtbar am anderen Ende des Geschützes zu sehen. Dr. Bernd-Rüdiger Ahlbrecht, per EMail
34,00 €
Wie die schwere Panzerabwehr entstand
Lees größter Sieg
Chancellorsville 1863
Zypern 1974
Ursachen des türkischgriechischen Konflikts
Montgomery
Wer war Rommels Bezwinger?
SCHLACHTEN DER
WELTGESCHICHTE
Wie der letzte Rheinübergang den Alliierten in die Hände fiel
Schreiben Sie an:
[email protected] oder CLAUSEWITZ, Postfach 40 02 09, 80702 München Leserbriefe spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe aus Gründen der Darstellung eines möglichst umfassenden Meinungsspektrums sinnwahrend zu kürzen.
Nagel, Günter
Himmlers Waffenforscher Physiker, Chemiker, Mathematiker und Techniker im Dienste der SS
388 Seiten, fest geb., 83 Abb.; ISBN 978-3-86933-068-6
36,00 € Sawinski, Rolf
Die Ordensburg Krössinsee in Pommern Von der NS-Ordensburg zur polnischen Kaserne
148 Seiten, fest gebunden, 208 Fotos, 12 Karten; ISBN 3-933608-77-2
25,90 €
Helios.de Postfach 39 01 12, 52039 Aachen Tel.: 0241-555426 Fax: 0241-558493 eMail:
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Titelgeschichte
Angriff auf Dänemark und Norwegen 1940
Brennpunkt Narvik
9. April 1940: Die Wehrmacht fällt in Dänemark und Norwegen ein. Während die riskante Militäroperation die Kontrolle über Norwegens Küste sicherstellen soll, entbrennt um den für die NS-Rüstungsindustrie „lebenswichtigen“ Erzhafen Narvik ein besonders dramatischer Kampf Von Heiner Bumüller
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IM FOKUS: Eine deutsche Wachmannschaft zieht an einem Küstenabschnitt in Norwegen auf. Der deutschen Militärführung geht es bei der „Weserübung“ vor allem um die Sicherung von Stützpunkten entlang der norwegischen Küste, um Großbritannien stärker unter Druck zu setzen. Zweitens möchte man schwedische Erzlieferungen über Narvik sicherstellen Foto: ullstein bild – ullstein bild
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Titelgeschichte | „Weserübung“ 1940
VON DEN STRAPAZEN GEZEICHNET: Soldaten der 163. Infanteriedivision im Kampf; neben Briten und Franzosen leistet auch die norwegische (Miliz-)Armee den Verbänden der Wehrmacht zum Teil Foto: ullstein bild – ullstein bild erbitterten Widerstand
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Massiver Widerstand
FAKTEN
Deutsches Reich
Oberbefehlshaber: Oberbefehl Marineoperationen:
Generaladmiral Alfred Saalwächter Oberbefehl Luftoperationen: General der Flieger Leonhard Kaupisch Oberbefehl Bodenoperationen: General der Infanterie Nikolaus von Falkenhorst Truppenstärke: zirka 130.000 Mann Verluste: Etwa 2.900 Gefallene und Verwundete, etwa 2.370 Vermisste Verluste an Material: 242 Flugzeuge, 1 Schwerer Kreuzer (BLÜCHER) , 2 Leichte Kreuzer, 10 Zerstörer, 1 Torpedoboot, 4 U-Boote
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Titelgeschichte | „Weserübung“ 1940
AN DIE FRONT: Britische Soldaten vor ihrer Ausschiffung nach Norwegen, wo sie sich kurze Zeit später unter extremen Bedingungen heftige Gefechte mit Soldaten der Wehrmacht liefern werden Foto: ullstein bild – ullstein bild
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Riskantes Unterfangen
FAKTEN
Norwegen/Dänemark – Alliierte
Norwegen: Generalstabschef Kristian Laake, ab 11. April 1940 Generalmajor Otto Ruge Dänemark: General William Wain Prior Großbritannien: Oberbefehl Marineoperationen vor Narvik:
Admiral Sir William Jock Whitworth Oberbefehl Marine- und Bodenoperationen in Narvik:
Admiral William Boyle, 12th Earl of Cork und 12th Earl of Orrery Polen: General Zygmunt Bohusz-Szyszko Frankreich: General Raoul Magrin-Vernerey Truppenstärke: zirka 60.000 Mann norwegische Streitkräfte zirka 35.000 Mann britische, französische und exil-polnische Streitkräfte Verluste: Norwegen: schätzungsweise mehr als 1.300 Gefallene Dänemark: schätzungsweise 26 Gefallene Großbritannien: Land: fast 1.900 Tote, zur See: 2.500 Tote Frankreich und Exil-Polen: 530 Tote
Verluste an Material (Schiffsverluste gesamte Alliierte): 112 Flugzeuge (nur Royal Air Force und Fleet Air Arm) 1 Flugzeugträger, 2 Leichte Kreuzer, 9 Zerstörer, 6 U-Boote, diverse Hilfsfahrzeuge
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Titelgeschichte | „Weserübung“ 1940
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s ist ein höchst dramatischer Moment: Der Schwere Kreuzer BLÜCHER gleitet am 9. April 1940 in den frühen Morgenstunden an der Spitze der Kriegsschiffgruppe 5 in den knapp 120 Kilometer langen Oslofjord ein. Plötzlich erschüttern mehrere Explosionen das Schiff und die umliegende Fjordlandschaft. Die Geschütze der Festung „Oscarsborg“ und zwei Torpedos der Torpedobatterie „Kaholmen“ schießen das Schiff mit mehreren Treffern manövrierunfähig. Die BLÜCHER krängt und nimmt Wasser auf. Die irrige Annahme Berlins, dass man in Oslo freundlich empfangen werde, wird dem modernsten Kreuzer der Kriegsmarine zum Verhängnis. Es sind ausgerechnet alte deutsche 28-Zentimeter-Krupp-Kanonen und Torpedos österreichisch-ungarischer Herkunft, die das Schicksal des mächtigen Kriegsschiffs besiegeln. Die erst kurz zuvor im September 1939 in Dienst gestellte BLÜCHER sinkt binnen zwei Stunden und reißt mehrere Hundert Männer in die Tiefe. Das Unternehmen „Weserübung“ beginnt mit einem sehr schmerzlichen Totalverlust für die Kriegsmarine und einer frühzeitigen Hiobsbotschaft für die oberste deutsche Militärführung.
MIT SCHLAGSEITE: Leichter Kreuzer KÖNIGSBERG brennend am Skoltegrunnskaien in Bergen nach einem Angriff britischer Flugzeuge, im Vordergrund eine Ju 52 Foto: picture-alliance/WZ-Bilddienst
Denn nach ihrem Willen sollen die neutralen Staaten Dänemark und Norwegen im Zuge dieser „triphibischen“ Militäroperation zügig unter Kontrolle der Wehrmacht gebracht werden. Dabei sollte dem Unternehmen „Weserübung“, so der Tarnname, laut Weisung Hitlers vom 1. März 1940 der „Charakter einer friedlichen Besetzung“ ge-
geben werden. Wörtlich heißt es darin weiter: „Die Entwicklung der Lage in Skandinavien erfordert es, alle Vorbereitungen dafür zu treffen, um mit Teilstreitkräften der Wehrmacht Dänemark und Norwegen zu besetzen (,Fall Weserübung’). Hierdurch soll englischen Übergriffen nach Skandinavien und der Ostsee vorgebeugt, unsere
AUF DEM VORMARSCH: Deutsche Truppen stoßen bei ihrem Vordringen durch Dänemark auf geringen militärischen Widerstand; lediglich vergleichsweise kleine Gefechte finden statt Foto: picture-alliance/akg-images
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Erzbasis in Schweden gesichert und für Kriegsmarine und Luftwaffe die Ausgangsstellung gegen England erweitert werden.“ Die Operation gliedert sich in „Weserübung Süd“, die Besetzung Dänemarks, und in „Weserübung Nord“, der Einmarsch in Norwegen.
Kein zurück mehr Die deutsche Militärführung ist im Frühjahr 1940 fest entschlossen, den vorbereiteten Plan umzusetzen und mit Verbänden aus Heer, Marine und Luftwaffe gleichzeitig anzutreten. An einem bestimmten Tag („Wesertag“) sollen sieben Punkte („Landungsplätze“) in Dänemark und Norwegen von jeweils einer Kampfgruppe zur selben Zeit („Weserzeit“) angegriffen werden. Es war vor allem der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, Großadmiral Erich Raeder, der 1939 erste Überlegungen anstellte, auf deren Grundlage man nun konkrete Pläne entwirft und den Einsatz der drei Teilstreitkräfte koordiniert. Die Operation unterliegt strengster Geheimhaltung und muss möglichst schnell zum Abschluss kommen. Denn auf deutscher Seite fürchtet man die
HINTERGRUND
Zur Vorgeschichte der „Weserübung“
Die Erfahrung des Ersten Weltkrieges hat gelehrt, wie wichtig Welthandelswege und Rohstoffe für die Kriegführung sind. Hierbei spielt Skandinavien für das Deutsche Reich eine existenzielle Rolle, da die Erzlieferungen aus dem schwedischen Kiruna über Narvik laufen und einen Großteil des deutschen Erzbedarfs ausmachen. Erfahrungen mit Unternehmen, bei denen die Teilstreitkräfte eng zusammenarbeiten, haben die Deutschen bereits im Ersten Weltkrieg gemacht, als Heer, Marine und Marineflieger 1917 die estnischen Inseln Dagö, Moon und Ösel im „Unternehmen Albion“ erfolgreich besetzen. Kriegsmarine und Luftwaffe benötigen für den möglichen Waffengang mit dem britischen Weltreich Häfen und Flugplätze in Norwegen. Zudem können so auch die Ostseezugänge gesperrt werden. Die besondere Bedeutung Norwegens für die deutsche Seite ist den Briten nicht entgangen. Das zeigt unter anderem die „Altmark-Affäre“ im Frühjahr 1940: Der britische Zerstörer HMS COSSACK dringt am 16. Februar auf Befehl von Premierminister Winston Churchill in norwegisches Hoheitsgebiet ein, um britische Gefangene auf dem deutschen Versorger ALTMARK zu befreien. Diese Verletzung der norwegischen Neutralität verstärkt die Furcht der deutschen Militärführung, dass die norwegische Regierung den neutralen Status ihres Landes nicht entschieden gegenüber Übergriffen
BEDRÄNGT UND BESCHÄDIGT: Das Versorgungsschiff ALTMARK spielte eine zentrale Rolle im Vorfeld von „Weserübung“ Foto: picture-alliance/dpa©dpa-Bildarchiv
durch britische Truppen verteidigen würde. Wenige Tage nach diesem Ereignis beauftragt Hitler den General der Infanterie Nikolaus von Falkenhorst damit, die mögliche Invasion Norwegens zu planen und zu leiten. Der Befehl für die „Weserübung“ wird Anfang März von Hitler unterzeichnet, am 20. März meldet Falkenhorst den Abschluss der Vorbereitungen. Am 8. April 1940 wird der deutsche Truppentransporter RIO DE JANEIRO von einem polnischen U-Boot in britischen Diensten versenkt. 183 Mann finden dabei den Tod. Trotz des Drängens durch Generalstabschef Rasmus Hatledal sieht die Regierung in Oslo noch immer keinen Grund, ihre Streitkräfte zu mobilisieren.
GEFÄHRLICHE ÜBERFAHRT: Ein Matrose der Kriegsmarine auf seinem Schiff im Hafen der im April 1940 besetzten dänischen Hauptstadt Kopenhagen Foto: picture-alliance/picture-alliance
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Titelgeschichte | „Weserübung“ 1940
ABTRANSPORT: Verladung von Panzern für die Wehrmacht in Norwegen – die zumeist eingesetzten Panzerkampfwagen I und II waren bei den Kämpfen von eher untergeordneter Bedeutung Foto: picture-alliance/akg-images
UNTER ANSPANNUNG: Deutsche Soldaten werden von einem kleineren Schiff übernommen, um an der norwegischen Küste an Land gebracht zu werden Foto: picture-alliance/akg-images
BEI EISIGEN TEMPERATUREN: Deutscher MG-Schütze während der erbittert geführten Kämpfe um Narvik Foto: picture-alliance/akg-images
mit Datum vom 1. April 1940 wider. Dieser ist in die Operationen „Stratford“ und „Avonmouth“ unterteilt. „Stratford“ richtet sich mit der kleineren Streitmacht gegen die norwegischen Städte Trondheim, Bergen
Kommandeurs Harold de Riemer Morgan in Stavanger. Am folgenden Tag erhält er jedoch den Befehl, wieder einzuschiffen und seine Soldaten zurück nach England zu führen. Bei der Ankunft in der Heimat herrscht
alliierte Überlegenheit zur See im Falle einer länger andauernden Auseinandersetzung.
Alliierte Pläne und Aktionen Auch auf britischer und französischer Seite existieren seit längerer Zeit Überlegungen, den Einfluss der Alliierten auf Norwegen, aber auch Schweden zu vergrößern. Der Ende 1939 ausgebrochene sowjetisch-finnische Winterkrieg bot Monate zuvor eine günstige Gelegenheit zum Eingreifen. Doch das recht schnelle Ende des Waffengangs in der ersten Märzhälfte 1940 verhinderte eine Umsetzung. Schon Ende März sieht die Lage wieder ganz anders aus. Die alliierten Pläne, die vorsehen Norwegen zu besetzen, werden konkreter und spiegeln sich im „Plan R4“
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„Ziel der Besetzung Norwegens ist es, dieses Land in einen starken deutschen Stützpunkt zu verwandeln (...)“ Auszug aus dem Operationsbefehl der Gruppe XXI für die Besetzung Norwegens Nr. 1 vom 5. März 1940
und Stavanger, „Avonmouth“ mit dem deutlich größeren Verband gegen den bedeutenden Erzhafen Narvik. Bereits am 6. April 1940 landet die 148. Infanterie-Brigade der britischen Armee unter Führung ihres
völliges Chaos. Dabei wird ein großer Teil der Ausrüstung entweder beschädigt oder geht verloren. Nach diesem Vorfall kommen Spitzenvertreter des Außenministeriums und die Mitglieder des „Storting“ (Parla-
Die Ereignisse überstürzen sich ment) in Oslo zu mehreren Sondersitzungen zusammen. Zentraler Diskussionspunkt ist die angemessene Reaktion auf die Briten, die die norwegische Neutralität verletzt haben. Doch die Beratungen werden von den Ereignissen förmlich überrollt. Denn die alliierten Aktionen werden fortgesetzt: Am 8. April 1940 legen britische Kriegsschiffe im Rahmen der Operation „Wilfred“ Minen in norwegischen Küstengewässern. Ziel ist es, die für die deutsche Kriegsindustrie wichtigen Erzlieferungen aus Schweden zu stören und die deutschen Schiffe auf die offene See zu zwingen. Dort würden sie im Ernstfall leichte Beute für die Kriegsschiffe der Royal Navy sein, so die Hoffnung der Briten. Zudem könnte man den deutschen Diktator dadurch provozieren, Südnorwegen überstürzt zu besetzen. Die Landung eines britisch-französischen Expeditionskorps in Narvik wäre damit gerechtfertigt gewesen, so das Kalkül des Obersten Allliierten Kriegsrates in London.
KARTE
Besetzung Dänemarks und Norwegens 1940
Ungleicher Kampf In Südnorwegen befiehlt der norwegische Generalstab unterdessen am 9. April 1940 eine Teilmobilisierung, da sich das Ausmaß von „Weserübung Nord“ abzeichnet. Die norwegischen Küstenforts weisen danach jedoch lediglich ein Drittel ihrer Sollstärke auf. Die Infanterie ist zudem schlecht ausgerüstet. Hinzu kommt, dass die Luftstreitkräfte mit weniger als 80 Flugzeugen unterschiedlicher Muster Görings kampferprobter Luftwaffe nicht viel entgegensetzen können. Die meisten Maschinen der Norweger werden bereits am Boden zerstört. Schon bald be-
Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich
KEINE CHANCE: Der Zerstörer ERICH KOELLNER der Kriegsmarine im Ofotfjord; das Schiff ging am 13. April 1940 nach mehreren Granat- und Torpedotreffern schließlich durch Selbstversenkung unter Foto: ullstein bild – Olaf Rahardt
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Titelgeschichte | „Weserübung“ 1940 FLAMMENDES INFERNO: Schwere Brände im Hafen von Narvik während der verbissen geführten Kämpfe Foto: picture-alliance/WZ-Bilddienst
wegen des Bodennebels, Flugzeuglandungen aufgrund feindlichen Flakfeuers nicht möglich. Andere Luftlandeoperationen verlaufen jedoch größtenteils erfolgreich. Nach Angriffen durch die Luftwaffe können Fallschirmjäger und Soldaten der Infanterie den Flugplatz schließlich doch noch am 9. April 1940 besetzen.
Norwegen kämpft
herrschen deutsche Flieger den Luftraum über den besonders für den Nachschub wichtigen Schifffahrtsrouten nach Norwegen. Eine norwegische Panzertruppe und damit auch eine trainierte Panzerabwehr existieren praktisch nicht. Dem deutschen Operationsplan zufolge sollten die von der Marine angelandeten Heeresverbände das skandinavische Land in Narvik, Trondheim, Bergen, Christiansand, Egersund, Arendal und Oslo sichern. Nur Stavanger soll aus der Luft erobert werden. Weitere deutsche Truppen sollen auf Handelsschiffen folgen. Ihr Auftrag lautet zunächst, die Hafenstädte gegen die Briten zu
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sichern. Die einzige nach Plan durchgeführte Landung der Wehrmacht findet in Bergen statt. Doch sind die norwegischen Streitkräf-
Kurz zuvor übergab Oberstleutnant Hartwig Pohlmann, Erster Generalstabsoffizier der in Dänemark und Norwegen eingerückten (Armee-)Gruppe XXI, der norwegischen Regierung ein Memorandum. Darin wird diese aufgefordert, den Widerstand sofort einzustellen. Deutschland habe nicht die Absicht, „die territoriale Integrität und politische Unabhängigkeit des Königreichs Norwegen jetzt oder in Zukunft anzutasten“, heißt es darin. Die norwegische Regierung lehnt dieses „Angebot“ jedoch ab, zumal die angedrohten Kampfhandlungen schon im Gang sind. Am 9. April verlässt die Regierung Oslo und verlagert ihren Sitz mittels eines Sonderzuges zunächst nach Hamar, später in die 30 Kilometer östlich gelegene Kleinstadt Elverum. Der überforderte Generalstabschef Kristian Laake reicht 65-jährig seinen Abschied ein. Sein Nachfolger wird Otto Ruge, dessen Improvisationstalent unter
„Die Nerven sind zum Zerreißen gespannt. Liegt unter dem Schotter doch eine Mine?“ Originalbildunterschrift eines von einem Angehörigen der Wehrmacht während der „Weserübung Nord“ geschossenen Fotos
te im Umland nunmehr voll mobilisiert worden – die Angreifer stecken fest. Somit schlägt die Inbesitznahme des Flugplatzes Oslo-Fornebu zunächst fehl: Fallschirmeinsätze sind
den gegebenen Umständen äußerst gefragt ist. Unterdessen schließen die Deutschen „Weserübung Süd“, die Besetzung Däne-
Tödlicher Torpedofächer
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UNBRAUCHBAR: Gesprengte Brückenkonstruktion; besonders die Zerstörung der Erzbahn nach Narvik wollten die Deutschen verhindern Foto: Privatarchiv Autor
Kampf um Narvik Problematisch gestaltet sich hingegen die Situation der deutschen Truppen in Nordnorwegen – speziell in Narvik. Hier toben seit Beginn des Unternehmens „Weserübung“ besonders heftige Kämpfe. Die Kriegsschiffgruppe 1 mit zehn Zerstörern unter dem Be-
HITLERS „LIEBLINGSGENERAL“: Eduard Dietl (1890–1944), Kommandeur der bei Narvik eingesetzten 3. Gebirgsdivision, wird am 19. Juli 1940 als erster Soldat der Wehrmacht mit dem „Eichenlaub zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes“ ausgezeichnet (hier noch mit „Ritterkreuz“); von der NS-Propaganda wird er zum „Held von Narvik“ stilisiert, der „Führer“ schätzte ihn Foto: ullstein bild – DRK besonders
Clausewitz 6/2015
fehl von Kommodore Friedrich Bonte wurde bereits am 9. April („Wesertag“) vor Narvik von den einzigen beiden größeren, aber völlig veralteten Küstenpanzerschiffen NORGE und EIDSVOLD aufgehalten. Die Forderung lautete: Rückzug. Nach erfolglosen Verhandlungen feuert die deutsche Seite drei Torpedofächer auf die norwegischen Schiffe ab. Die NORGE sinkt innerhalb weniger als einer Minute und reißt mehr als der Hälfte der 191 Mann umfassenden Besatzung in die Tiefe. Bei der EIDSVOLD überleben den Untergang sogar nur sechs Männer der etwa 180 Matrosen. Daraufhin wird die Stadt Narvik vom dortigen Kommandanten Oberst Konrad Sundlo kampflos übergeben. Die wegen Versorgungsschwierigkeiten verbliebenen Zerstörer ha-
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marks, bereits am 10. April 1940 nach wenigen Gefechten erfolgreich ab – auch, weil der dänische König Christian X., nachdem er sich mit der Regierung in Kopenhagen mehrfach beraten hatte, seinen Landsleuten den bewaffneten Kampf rasch untersagte und die deutschen Kernforderungen, „keinerlei Widerstand“ zu leisten, „unter Protest“ annahm. Die Wehrmachtteile können daher sehr kurzfristig dänische Bahn- und Straßenverbindungen für ihren Nachschub nach Norwegen nutzen. Gleiches gilt für die Flugplätze und Häfen des Landes.
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Titelgeschichte | „Weserübung“ 1940
KRIEGSGEFANGENE: Norwegische Soldaten vor dem Abtransport auf dem Bahnhof Kristiansand, Aufnahme aus dem Fotoalbum eines Oberleutnants der Wehrmacht Foto: picture-alliance/akg-images
ben dort am Abend des 9. April Feindberührung mit einem britischen Zerstörerverband, bestehend aus fünf Schiffen. Dieser kommt mit seiner Aufgabe, den Hafen von Narvik zu sichern, zu spät. Das in den frühen Morgenstunden des 10. April einsetzende Gefecht endet mit je zwei versenkten Schiffen auf beiden Seiten. Unter diesen befindet sich das deutsche Flaggschiff – der Zerstörer WILHELM HEIDKAMP. Dem zweiten britischen Angriff am 13. April, vorgetragen von dem Schlachtschiff HMS WARSPITE und neun Zerstörern, hat der deutsche Verband nicht mehr viel entgegenzusetzen. Von den verbliebenen acht Zerstörern der Kriegsmarine sind fünf beschädigt und die Munition geht zur Neige.
Schwerste Krise Der ungleiche Kampf endet mit dem Verlust aller Zerstörer auf deutscher Seite. Dagegen haben die Briten „nur“ einen schwer – die HMS ESKIMO wird vom letzten Torpedo der Z2 GEORG THIELE getroffen – und einen leicht beschädigten Zerstörer zu verkraften. Es ist kein Zufall, dass bei den Kämpfen um Narvik die schwerste operative Krise des deutschen Norwegenfeldzugs einsetzt: Denn die Hafenstadt im Norden des Landes spielt auch in den strategischen Planungen von Briten und Franzosen eine besondere
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AUSZEICHNUNG: Der am 19. August 1940 gestiftete Ärmelschild „Narvik“ (Heer), die Darstellung mit kreuzendem Anker und Propeller sowie Edelweißblüte soll den gemeinsamen Kampf der drei Wehrmachtteile symbolisieren Foto: picture-alliance/Artcolor
Rolle : Sie wissen um die lebenswichtige Bedeutung des Erzhafens für die deutsche Rüstungsindustrie, die via Narvik einen Großteil des kriegsnotwendigen Erzes aus Kiruna und Gällivare in Schweden bezieht.
Landseite nahezu eingeschlossenen deutschen Truppen wird die Situation äußerst kritisch. Es handelt sich um etwa 2.000 Gebirgsjäger unter Generalleutnant Eduard Dietl und zirka 2.600 Marinesoldaten des aus dem vernichteten Zerstörerverband in aller Eile aufgestellten „Marineregiments Narvik“. Schlechtes Wetter verhindert Versorgungsflüge. Auch entwirft man Pläne, die Eigeschlossenen zu entsetzen, umsetzbar sind diese jedoch nicht. Stattdessen bringen die Alliierten schließlich fast 25.000 Mann um Narvik herum in Stellung. Die zumeist gut ausgerüsteten Soldaten treten zur Offensive gegen Dietls zusammengewürfelte und vollkommen unzureichend mit Nachschub versorgte Truppe an. Die Deutschen müssen sich aufgrund
„Bei diesem zweimonatigen Kampf in Nordnorwegen habe ich meine alten Erfahrungen bestätigt gefunden: Kämpfen können viele Soldaten in der Welt, aber mutig, schneidig und kühn angreifen kann nur der Deutsche.“ General der Gebirgstruppe (seit 19. Juli 1940) Eduard Dietl
Als am 13. April die deutsche ZerstörerFlotte vollständig ausgeschaltet ist und in den folgenden Tagen alliierte Truppen bei Narvik landen, wird die Lage für die Deutschen auch an Land bedrohlich. Für die schließlich in der Hafenstadt von See- und
des enormen Feinddrucks Ende April größtenteils in die umliegenden Berge zurückziehen und am 28. Mai die Stadt ganz räumen. Nur Teile der Berge um Narvik und die Stellungen an der wichtigen Erzbahn werden noch gehalten.
Deutscher Pyrrhussieg
PROPAGANDAZEICHNUNG: Wellington-Bomber der Royal Air Force attackieren den von den Deutschen genutzten Flugplatz Stavanger Abb.: picture-alliance/(c)Illustrated London News Ltd/picture-alliance/Mary Evans Picture Library
Die Situation scheint aussichtslos. Dietl vermerkt dazu in seinem persönlichen Tagebuch: „1.6.: Die Truppe ist durch Kälte und Nässe stark überbeansprucht. Bei der dünnen Besetzung, der geringen Bewaffnung und den ohne Ablösung dauernd eingesetzten und daher in ihrer Widerstandskraft geschwächten Stellungsbesatzungen ist von einer Verteidigung im üblichen Sinne keine Rede mehr.“
Der deutsche Westfeldzug („Fall Gelb“), der am 10. Mai 1940 begann, bringt die Alliierten in arge Bedrängnis. Darauf hin beschließt die französische Armee in der ersten Junihälfte, ihre Verbände in Richtung Heimat einzuschiffen. Auch die Briten bringen ihre Truppen auf dem Seeweg nach Frankreich.
Nun sieht der ins Exil nach England geflohene norwegische König Haakon VII. keine Chance mehr für einen aussichtsreichen militärischen Widerstand gegen die deutschen Invasoren. Er erteilt dem Oberbefehlshaber der norwegischen Streitkräfte Generalmajor Otto Ruge den Befehl zur Kapitulation. Die Waffen schweigen am 10. Juni 1940, die fünfjährige Besatzungszeit des Landes nimmt ihren Anfang.
„Wunder von Narvik“
Ernüchternde Bilanz
Drei Tage später läuft mit der Operation „Juno“ der Kriegsmarine eine groß angelegte Entlastungsaktion für die „Narvik Gruppe“ an. In ihrem Verlauf wird die zum Flugzeugträger umgebaute HMS GLORIOUS versenkt. Im Rahmen des geplanten Unternehmens „Naumburg“ beabsichtigt die deutsche Führung zudem, frische Truppen nach Narvik zu schicken. Die Verantwortlichen müssen dieses ambitionierte Vorhaben jedoch fallen lassen. Denn die alliierten Angriffe lassen Anfang Juni spürbar nach. Die bei Narvik stehenden Deutschen können daher erstmal ein wenig durchatmen. Für sie geschieht am 8. Juni 1940 dann ein Wunder: Die gegnerischen Attacken kommen gänzlich zum Erliegen. Die kurz vor dem Durchbruch stehenden, zahlenmäßig mehrfach überlegenen alliierten Truppen ziehen sich plötzlich zurück. Sie räumen das einst erbittert umkämpfte Narvik – und zwar kampflos. Was ist geschehen?
Der militärische Erfolg in Dänemark und Norwegen und gegen die Alliierten wird von deutscher Seite teuer erkauft: Die Luftwaffe verliert viele Maschinen, die im Kampf an der Westfront und für den Krieg gegen Großbritannien eigentlich dringend benötigt werden. Die Kriegsmarine muss ebenfalls ziemlich herbe Verluste hinnehmen – vor allem die Zerstörerwaffe, die im Kampf um den „Brennpunkt Narvik“ ein Debakel erlebt. Hinzu kommt die große Zahl an Besatzungstruppen für Dänemark und Norwegen, die Hitler in den folgenden Jahren an anderen Kriegsschauplätzen schmerzlich fehlen.
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PROPAGANDISTISCHE RECHTFERTIGUNG: In einem zeitgenössischen „Groschenheft“ wird der Angriff auf den neutralen Staat Norwegen als „Gegenschlag“ bezeichnet Foto: Privatarchiv Autor
Heiner Bumüller, M.A., Hauptmann d.R., Jg. 1975, studierte Nordistik, Neuere und Neueste Geschichte und Recht und schrieb seine Magisterarbeit über „Propaganda und Gegenpropaganda in Norwegen 1940–1945“. Sein Onkel, Franz Bumüller war als Soldat der Kriegsmarine am Unternehmen „Weserübung“ beteiligt.
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Titelgeschichte | „Weserübung“ 1940
SYMBOLHAFT: Das Grab eines deutschen Soldaten nahe der Hafenstadt Narvik, in der sich eine deutsche Kriegsgräberstätte für fast 1.500 Gefallene der Wehrmacht befindet Foto: ullstein bild – ullstein bild
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Debakel für die Kriegsmarine
In der „Fjord-Falle“ Die idyllische Fjordlandschaft Norwegens wird 1940 zum Grab für viele Matrosen und Heeressoldaten. Besonders die „Zerstörerwaffe“ der Kriegmarine muss beim Kampf um Narvik massive Verluste hinnehmen Von Tammo Luther
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er Tod schlägt erneut unbarmherzig zu: Bereits am Morgen des 10. April 1940 verliert die Kriegsmarine mit Kommodore Friedrich Bonte ihren „Führer der Zerstörer“ und Oberbefehlshaber der Kriegsschiffsgruppe 1, die im Rahmen des Unternehmens „Weserübung“ zum Angriff auf Narvik angetreten ist. Im Seegefecht mit mehreren Zerstörern der Royal Navy wird Bontes Flaggschiff, der am 20. Juni 1939 in Dienst gestellte Zerstörer WILHELM HEIDKAMP, durch Torpedotreffer versenkt. Dieser ist nach dem Obermaschinisten Wilhelm Heidkamp benannt, der auf dem Schlachtschiff SEYD-
LITZ an dem Gefecht auf der Doggerbank im Januar 1915 teilnahm. Seinem schnellen Handeln nach einem schweren Treffer hat ein Großteil der Besatzung des Schiffes ihr Leben zu verdanken. Neuer „Führer der Zerstörer“ wird im Mai 1940 Kapitän zur See Erich Bey, der Ende 1943 auf dem Schlachtschiff SCHARNHORST den Tod finden sollte.
Gebirgsjäger an Bord Wenige Tage vor der Versenkung der WILHELM HEIDKAMP hat das Schiff in Wesermünde Gebirgsjäger an Bord genommen, die für den Einsatz in Narvik bestimmt sind. Unter ihnen befinden sich auch Eduard Dietl, Kommandeur der 3. Gebirgsdivision, und sein Stab. Die Kriegsmarine nutzt aufgrund des Mangels an geeigneten Transportschiffen ihre Großkampfschiffe zur Beförderung der Gebirgsjägereinheiten, die sich an Bord der schwimmenden Stahlkolosse auf dem Weg zum Einsatzort befinden. Etwa 2.000 Mann verteilt auf zehn Zerstörern laufen aus, um den britischen Truppen zuvorzukommen. Diese befinden sich ebenfalls auf dem Weg nach Norwegen.
Heftige Seegefechte Zwischen dem 10. und dem 13. April 1940 kommt es bei den Kämpfen um Narvik zu weiteren Auseinandersetzungen mit starken Schiffseinheiten der Royal Navy. Innerhalb der vier Tage vom 10 bis 13. April werden alle an den Seegefechten beteiligten zehn Zerstörer der Kriegsmarine vernichtet. Schwere Treffer oder aber Selbstversenkung besiegeln ihr Schicksal. Die Aufbauten der aus dem Wasser der Fjorde ragenden Wracks bieten eine gespenstische Szenerie. In Berlin wird
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die Meldung vom „Totalverlust“ mit größter Sorge aufgenommen. Generalmajor Alfred Jodl, Chef des Wehrmachtführungsstabes, notiert in sein Tagebuch: „Aufregung fürchterlich“. Tatsächlich erlebt die Kriegsmarine vor Narvik ein wahres Debakel, denn neben den Zerstörern gehen unter anderem auch ein Schwerer Kreuzer (BLÜCHER), zwei Leichte Kreuzer (KÖNIGSBERG und KARLSRUHE) und mehrere U-Boote verloren. Durch den Verlust dieser und weiterer Schiffe und GEFALLEN: Friedrich Bonte fand zu Beginn der „Weserübung“ am 10. April 1940 auf dem Zerstörer WILHELM HEIDKAMP den Tod Foto: picture-alliance/WZ-Bilddienst
Titelgeschichte | „Weserübung“ 1940 GRUPPENFOTO: Angehörige der Kriegsmarine an Deck eines Schiffes; viele ihrer Kameraden fanden im April 1940 vor Narvik den Soldatentod. Vorne links in der ersten Reihe: Franz Bumüller Foto: Privatarchiv Sabine Wolf
TOTALVERLUST: Wrack des von der Besatzung am 13. April 1940 selbstversenkten Zerstörers Z 11 BERND VON ARNIM im Rombakken-Fjord Foto: picture-alliance/WZ-Bilddienst
Boote sowie schwerwiegende Beschädigungen an anderen Kriegsschiffen büßt die Kriegsmarine rund ein Drittel ihres Bestandes ein.
Ringen um Narvik Unterdessen wird auch in Narvik selbst besonders erbittert gekämpft. Mittlerweile eingeschlossen und durch die überlebenden Besatzungsmitglieder der Zerstörer verstärkt, kämpfen die von Eduard Dietl befehligten Soldaten gegen eine fünffache Übermacht von Alliierten und Norwegern. Wenngleich der zwischenzeitlich von den Alliierten er-
Am 10. Juni 1940 gibt das Oberkommando der Wehrmacht bekannt: „Der heldenhafte Widerstand, den die Kampfgruppe des Generalleutnants Dietl seit vielen Wochen, vereinsamt unter schwersten Bedingungen in Narvik gegen eine überwältigende feindliche Übermacht geleistet hat, erhielt heute seine Krönung durch den vollen Sieg.“ Für die Nationalsozialisten wird Dietl
„An Ob.d.M.: (...) Lage bei Narvik erfordert äußersten Einsatz der Kriegsmarine.“ Hitler an Erich Raeder, den Oberbefehlshaber der Marine (Geheime Kommandosache vom 13. April 1940)
oberte Erzhafen Narvik erst nach deren Abzug als Reaktion auf die Ereignisse in Frankreich kampflos besetzt werden kann, wird das Ausharren der „Gruppe Narvik“ unter schwierigsten Bedingungen von Hitler „honoriert“.
NACHWEIS: Besitzzeugnis für den Narvikschild, verliehen am 9. April 1941 an den Gefreiten Hans Renner des Gebirgsjäger-Regiments 139, unterschrieben von Eduard Dietl Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann
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schnell zum „Volkshelden“. Vom „Führer“ erhält er als erster Soldat der Wehrmacht am 19. Juli 1940 das „Eichenlaub zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes“. Für die Angehörigen der Wehrmacht, „die an der Landung in Narvik oder an den Kämpfen der Gruppe Narvik ehrenvoll beteiligt waren“, stiftet der „Führer und Oberste Befehlshaber der Wehrmacht“ am 19. August 1940 den Narvikschild.
Er wurde bis Mitte 1941 fast 8.600 Mal verliehen und am linken Oberarm der Uniform getragen. Eine Verleihung posthum war ebenfalls möglich.
Letzte Ruhestätte Für viele der an Bord der Schiffe getöteten oder in den Fluten des Meeres und seiner Fjorde versunkenen Matrosen von Royal Navy und Kriegsmarine gibt es keine Grabstelle. Sie ruhen nun auf dem Meeresboden. Für die an Land Gefallenen hingegen werden noch während des Krieges Grabfelder errichtet – auf deutscher Seite in Narvik bereits 1940. Heute ist die vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge betreute Grabstätte, auf der 1.474 deutsche Gefallene ruhen, Teil des städtischen Friedhofes. Dieser befindet sich oberhalb des RombakkenFjords und bietet einen Ausblick auf den Schauplatz jener dramatischen Ereignisse. Dr. Tammo Luther, Jg. 1972, verantwortlicher Redakteur von CLAUSEWITZ. freier Autor und Lektor in Schwerin mit Schwerpunkt „Deutsche Militärgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts“.
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Titelgeschichte | „Weserübung“ 1940
Waffen und Ausrüstung im Kriegseinsatz
Auf schwierigem Terrain Frühjahr 1940: Deutsche und Alliierte kämpfen nicht nur gegeneinander, sondern auch gegen die extremen Gegebenheiten der norwegischen Landschaft, die höchste Anforderungen an Mensch und Material stellen Von Heiner Bumüller
SCHUSSGEWALTIG: Norwegische Soldaten in einer von den Deutschen übernommenen Küstenbatterie; sie demonstrieren den Einsatz des gefürchteten Geschützes Foto: ullstein bild - ullstein bild
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er Kampf der Wehrmacht um Norwegen ist aufgrund der besonderen geografischen und klimatischen Bedingungen hauptsächlich ein Krieg der Marine, der Luftwaffe und der Infanterie. Zum Einsatz kommen spezialisierte Truppen wie Gebirgs- und Fallschirmjäger. Marineeinheiten spielen sowohl beim Truppen- und Materialtransport als auch bei den Kämpfen selbst eine große Rolle. Die Luftwaffe hat in erster Linie die Aufgabe, Flak-Stellungen des Gegners
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auszuschalten, hartnäckigen Widerstand zu brechen und für die Sicherstellung und den Transport des Nachschubs zu sorgen. Ein Zusammenspiel der einzelnen Teilstreitkräfte ist im Hinblick auf die „Erstschläge“ essenziell und wird von deutscher Seite zunächst wirksam umgesetzt. Danach liegt die Hauptlast des Kampfes jedoch in der Hand der Infanterie und – mit weniger Erfolg – bei der Kriegsmarine. Ähnlich wie im Ersten Weltkrieg unterstützt die
Panzertruppe in Norwegen lediglich die Infanterie. Ein Kuriosum stellt das „Neubaufahrzeug“ dar – der erste schwere Panzer, der in Deutschland nach dem Weltkrieg der Jahre 1914–1918 gebaut wurde. Die drei fertig gestellten Exemplare werden hauptsächlich zu propagandistischen Zwecken in Oslo entladen, doch schließlich auch eingesetzt. Einer der Panzer wird bei den Kämpfen abgeschossen, danach repariert und mit den anderen beiden wieder nach Deutschland
HARTE LANDUNG: Für die per Fallschirm abgesetzten Soldaten erweist sich die norwegische Gebirgslandschaft als unangenehmes Terrain Foto: picture-alliance/Süddeutsche Zeitung Photo
NEUGIERIG: Norwegische Zivilisten beäugen einen deutschen Panzer „Neubaufahrzeug“. Er entstand Anfang der 1930er-Jahre und war als Mehr-Turmpanzer ausgelegt, nicht ungewöhnlich für diese Phase Foto: NARA
transportiert. Die Kriegsmarine spielt beim Unternehmen „Weserübung Nord“, der Besetzung Norwegens, eine tragende Rolle: Sie soll einerseits die Royal Navy von der Küste Norwegens fernhalten und andererseits die deutschen Heeresverbände in die Einsatzräume bringen. Abgesehen von einigen polnischen Marineeinheiten in britischen Diensten, wie zum Beispiel der Zerstörer GROM und das U-Boot ORZEL, sind im Kampf um Norwegen die Royal Navy und die Kriegsmarine die Hauptkontrahenten. Einige polnische Zerstörer und U-Boote sind bereits vor dem deutschen Angriff auf Polen von ihrem Befehlshaber Konteradmiral Józef Unrug im Rahmen der „Operation
Peking“ nach Großbritannien überführt worden, um sie dem Zugriff der Kriegsmarine zu entziehen. Die deutsche Seite sticht mit sechs Kampfgruppen mit insgesamt zwei Schlachtschiffen, drei Schweren Kreuzern, fünf Leichten Kreuzern, 14 Zerstörern sowie diversen Minenräumern, Schnell-, Untersee- und Torpedobooten in See. Die britischen Seestreitkräfte sind hier jedoch im Vorteil, wie sich bei der direkten Konfrontation in Narvik zeigt. Bereits nach der ersten Begegnung der Gegner am Abend des 9. April ist die deutsche Zerstörerflotte dezimiert und stark angeschlagen. Das zweite Gefecht ist von einem ungleichen Kräfteverhältnis geprägt. Denn die Briten führen neben neun Zerstörern auch ein Schlachtschiff, die HMS WARSPITE, ins Feld. Die ebenbürtige Bewaffnung – 12,7-cm- gegen
NEUBAUFAHRZEUG Kommandantenkuppel
Seitliche Turmluke
7,5-cm-Kanone, achsparallele 3,7-cm-Kanone nicht sichtbar
Hinterer MG-Turm
Vorderer MG-Turm
320 PS BMW Flugmotor
Tückische Torpedokrise
Foto: historyfacts
Motorlüfter
Treibrad hinten
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12-cm-Geschütze – und der leichte Geschwindigkeitsvorteil der deutschen Zerstörer wird durch Treibstoff- und Munitionsmangel sowie die Beschädigungen infolge des ersten Gefechts zunichte gemacht. Dies zeigt sich an der Tatsache, dass beim ersten Kampf jeweils zwei Zerstörer versenkt, beim zweiten Gefecht aber sechs der acht verbliebenen deutschen Zerstörer selbstversenkt beziehungsweise auf Grund gesetzt werden. Z2 GEORG THIELE trifft mit seinem letzten Torpedo die HMS ESKIMO so schwer, dass das ganze Vorschiff abgerissen wird. Die Stärke der Royal Navy zeigt sich daran, dass sie allein in den europäischen Gewässern sieben Schlachtschiffe und zwei Flugzeugträger aufbieten kann, während der Kriegsmarine zu diesem Zeitpunkt nur zwei Schlachtschiffe zur Verfügung stehen. Bei den Zerstörern sieht das Verhältnis zunächst besser aus: Hier hat die Kriegsmarine 22, die Royal Navy nur 17 – in europäischen Gewässern. Weltweit können die Briten jedoch insgesamt 181 Zerstörer – davon 68 ältere Modelle – mobilisieren. Unter diesem Gesichtspunkt wiegt der Verlust von allein zehn Zerstörern in Narvik für die deutsche Seite sehr schwer.
10 Rollen-Laufwerk mit Gummibandagen
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Spannrolle
Auch die U-Boot-Waffe hat mit erheblichen Problemen zu kämpfen. Die „Torpedokrise“ erreicht während der „Weserübung Nord“ ihren „Höhepunkt“. Die Meldungen, dass die G7-Torpedos mit dem eigentlich wirkungsvolleren Magnetzündern versagen, häufen sich im Frühjahr 1940. Bei Heer und Luftwaffe gibt es unterdessen andere Probleme. Die deutschen Bodentruppen im Süden Norwegens sind mit ihrer kompletten Ausrüstung an Land gegangen.
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Titelgeschichte | „Weserübung“ 1940 Die Wehrmacht ist zudem, was Luftlandeoperationen angeht, in Norwegen absolut im Vorteil. Die hoch spezialisierten Fallschirmjäger-Verbände stellt man im Deutschen Reich bereits seit 1936 auf. Ausgestattet sind sie mit leichten Waffen wie dem Karabiner 98k, Maschinenpistolen, Panzerbüchse 38, Granatwerfer (5 und 8 cm) und dem Universal-MG 34. Die Gebirgsjäger verfügen zudem noch über in Teillasten zerlegbare Gebirgsgeschütze.
Kampf ohne Nachschub In Narvik ist die Situation jedoch eine besondere: Das Transportschiff RAUENFELS wird vom britischen Zerstörer HMS HAVOCK gestellt und in der Nähe der Küste versenkt. Die Ladung besteht aus großen Mengen Nahrung, Munition, Gewehren, drei 15-cmArtilleriegeschützen, vier 10,5-cm-Flakgeschützen und zehn 20-mm-Flakgeschützen. Alles Dinge, die von den Truppen Dietls sehnsüchtig erwartet werden. Die Norweger können Teile der Ausrüstung, unter anderem auch eine 20-mm-Flak, bergen und setzen sie nun gegen die deutschen Verbände in Narvik ein. Dringend benötigter Nachschub trifft dort zunächst nicht ein. Die Fallschirmjäger springen als Unterstützung erst am 3. Juni 1940 ab. Betrachtet man die Gegenseite, so bietet sich bei den norwegischen Streitkräften ein anderes Bild. Standard-Infanteriebewaffnung ist das Gewehr Krag-Jørgensen 1894.
KAMPFKRÄFTIG: Das 1915 in Dienst gestellte britische Schlachtschiff HMS WARSPITE greift 1940 in die Kämpfe um Narvik ein Foto: picture-alliance/Mary Evans Picture Library
Zwar sind die Waffen alle als Scharfschützengewehr ausgelegt – in den Armeen jener Zeit eine Besonderheit. Doch besitzt das Gewehr im Vergleich zum Karabiner 98k eine etwas geringere Mündungsgeschwindigkeit und mit 6,5 x 55 Millimetern zu 7,92 x 57 Millimetern eine deutlich schwächere Munition und somit geringere Kampfentfernung. Ein klassisches Universal-MG gibt es bei der norwegischen Armee – wie auch bei anderen Streitkräften zu jener Zeit – nicht. Verwendet wird das wassergekühlte Browning M/29-Maschinengewehr, das bereits ohne das Kühlwasser fast drei Kilogramm mehr als das deutsche MG 34 wiegt. Das MG 34 weist allerdings im Einsatz in Schnee und Eis durch seine hochwertige Verarbeitung mit geringen Toleranzen eine Neigung zur Störung auf. Trotzdem
ist es den anderen Maschinengewehren, wie dem ebenfalls wassergekühlten Vickers-MG der Briten in puncto Kadenz – das MG 34 liegt 300 Schuss/Minute über den genannten Waffen – und damit verbundenem engen Trefferbild auf weite Entfernungen deutlich überlegen. Auch ist die Munition des Vickers-MGs wieder etwas schwächer, das Gesamtgewicht hingegen sehr hoch. Die leichten Maschinengewehre, wie das französische Châtellerault und die tschechoslowakisch-britische Entwicklung Bren, können aufgrund ihrer 25–30-Schuss-Magazine kaum als Maschinengewehr bezeichnet werden. Maschinenpistolen werden in den britischen Streitkräften erst nach den Erfahrungen in Norwegen und Frankreich in großer Zahl eingeführt. Artillerie ist bei den norwegischen Streitkräften kaum vorhanden. Bei dieser handelt sich ausschließlich um Feldhaubitzen aus der Zeit des Ersten Weltkriegs, hauptsächlich vom Kaliber 7,5 und 12 cm.
MÜHSAMER VORMARSCH: Schwer bepackt kämpfen sich Gebirgsjäger während der Kämpfe um Narvik durch Eis und Schnee, die körperlichen Strapazen für die Soldaten sind enorm Foto: picture-alliance/Süddeutsche Zeitung Photo
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Großer „Aderlass“ Briten und Franzosen sind diesbezüglich besser ausgestattet. Zum Einsatz kommen bei der Wehrmacht neben dem „Neubaufahrzeug“ auch Panzerkampfwagen I und II. Sie dienen in der am 8. Mai 1940 aufgestellten „Panzerabteilung zur besonderen Verwendung 40“ dazu, die Infanterie zu unterstützen. Diese leichten Panzer sind jedoch den in Norwegen eingesetzten Tanks des Gegners, wie zum Beispiel dem Hotchkiss H 35, in Panzerung und Bewaffnung unterlegen. Die Briten setzen außerdem den „Universal Carrier“, wegen des zumeist eingebauten Maschinengewehrs auch „Bren Carrier“ genannt, ein.
Stuka gegen Flugzeugträger Für Luftlandungen und Transportaufgaben kommt auf deutscher Seite hauptsächlich die Junkers Ju 52 zum Einsatz. Die für das Unternehmen „Weserübung“ zuständige Luftflotte 5 stellt außerdem Messerschmitt Bf 109 als Jagdschutz, Junkers Ju 87 „Stuka“ sowie Bomber des Typs Heinkel He 111 und Junkers Ju 88 zur Verfügung. Am 1. Mai 1940 attackiert eine Ju-87Staffel die Flugzeugträger HMS GLORIOUS und HMS ARK ROYAL, sie verfehlt die beiden Schiffe nur sehr knapp. Um die angelandeten Truppen zu versorgen, setzt man außerdem Dornier-Flugboote ein. Die norwegischen Luftstreitkräfte mit veralte-
HINTERGRUND
Einziger „norwegischer“ Panzer
In den 1930er-Jahren beschließt die norwegische Armee, einen Panzer zu kaufen, um mit anderen modernen Armeen Schritt halten zu können. Man entscheidet sich für den Landsverk L-120 aus Schweden. Die Konstruktion baut auf den ersten deutschen leichten Kampfwagen LK I und LK II aus dem Ersten Weltkrieg auf. Die norwegische Regierung beschafft aufgrund der horrenden Transportkosten nur ein Exemplar ohne Turm. Das Fahrzeug erhält nach der Ankunft einen eigens entwickelten Turm aus ordinären Eisenplatten, die wenig bis gar keinen Schutz bieten. Die Bewaffnung besteht aus einem wassergekühlten Browning M/29-MG, von dem sich 1.800 Exemplare im Bestand der norwegischen Streitkräfte befinden. Der Panzer erhält bald den Spitznamen „Rikstanken“ (=Reichspanzer), da er zu Manövern durch das ganze Land transportiert wird. Zum Zeitpunkt des Angriffs der Wehrmacht befindet sich der Panzer zusammen mit drei gepanzerten Radfahrzeugen in der Kaserne des Dragoner-Regiments Nr. 1 in Gardermoen. Als der Befehl zur Mobilmachung ergeht, rückt das Regiment aus und
liierten angewiesen. Die Royal Air Force fliegt Angriffe auf deutsche Stellungen. Ihre Einsätze leiden jedoch darunter, dass die RAF über keine Flugplätze in Norwegen
„Trotz schwieriger Geländeverhältnisse wurde Voss mit Teilen des I.R. 159 und I.R. 193 im Kampf genommen.“ Auszug aus dem Bericht des Wehrmachtführungsstabes zur Lage der Gruppe XXI vom 25./26. April 1940 (Voss liegt nordöstlich von Bergen)
ten Flugzeugen wie dem Doppeldecker „Gloster Gladiator“ wirken dagegen wie aus einer anderen Zeit. Auch hier ist die norwegische Armee schließlich auf die Al-
verfügt., stellt aber bald den taktischen Nachteil fehlender Flugplätze in Norwegen fest. Besonders für die auf kurze Strecken ausgelegten Jäger ist dies höchst problema-
SCHIFFSGRAB: Der Zerstörer Z2 GEORG THIELE wird vom Kommandanten auf Grund gesetzt nachdem sämtliche Munition verschossen ist Foto: Privatarchiv Autor
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lässt den Panzer sowie die drei anderen Fahrzeuge zurück. Nach einer kurzen Episode als beliebtes Fotoobjekt für die deutschen „Invasoren“ verliert sich die Spur vom einzigen Panzer der königlich-norwegischen Streitkräfte.
VERGLEICHBAR: Ungarn entwickelte Mitte der 1930er-Jahre einen leichten Panzer auf der Basis des schwedischen Landsverk L-60, der wiederum das Chassis des L-120 nutzte. So entstand ein bewegliches Fahrzeug mit einer 20-mm-Panzerbüchse, die später durch eine 40-mm-Kanone ersetzt werden sollte Foto: Sammlung Anderson
tisch. Man besinnt sich auf das Marineflugzeug „Blackburn Roc“, das testweise mit Schwimmern ausgestattet worden ist, und baut kurzerhand eine Schwimmer-Version von „Hawker Hurricane“ und „Supermarine Spitfire“. Im Gegensatz zur „Spitfire“ ist die „Hurricane“ der Messerschmitt Bf 109 bei Luftkämpfen grundsätzlich unterlegen. Die Schwimmerkonstruktion verschlechtert deren Flugeigenschaften zusätzlich. Doch bevor die Maschinen überhaupt einsatzreif sind, ziehen sich die alliierten Truppen aus Norwegen zurück.
Pyrrhussieg statt Paukenschlag Die Anforderungen an das Material der Boden- und Luftstreitkräfte der beteiligten Armeen im Krieg in Norwegen sind äußerst hoch. Meist sind es Spezialkräfte wie die französischen Alpen- oder die deutschen Gebirgsjäger sowie die mit den geografischen Beschaffenheiten des Landes vertrauten norwegischen Truppen, deren Ausrüstung dem Krieg im hohen Norden gewachsen ist. Die Fjorde und Berge Norwegens sind der Kriegsschauplatz, auf dem die Wehrmacht ihre eigentliche „Kernkompetenz“ – Panzerverbände mit Infanterieunterstützung massiert einzusetzen – aufgrund der Geografie und des Klimas nicht ausschöpfen kann und dies mit hohen Verlusten an Mensch und Material bezahlt. Vor allem bei der Kriegsmarine sollte sich dieser „Aderlass“ in den folgenden Jahren bitter rächen.
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Schlachten der Weltgeschichte | Austerlitz 1805
Folgenreiche „Dreikaiserschlacht“
Napoleons größter Triumph
RUHE VOR DEM STURM: Biwak Napoleons am Vorabend der Schlacht von Austerlitz, Ölgemälde von LouisFrançois Lejeune (1775–1848) Abb.: picture-alliance/akg-images
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2. Dezember 1805: Gegen eine österreichisch-russische Übermacht erringt Napoleon einen herausragenden Erfolg. Warum begründete ausgerechnet der Triumph von Austerlitz den „Feldherren-Ruhm“ des französischen Herrschers? Von Eberhard Birk
D
as Jahr 1805 sollte für Napoleon I. entscheidend werden. Bereits seit 1803 hat er mit etwa 200.000 Mann große Teile seiner ab 30. August 1805 so bezeichneten Grande Armée in einem gigantischen Ausbildungslager im Raum Boulogne-surMer gegenüber den weißen Felsen von Dover zusammengezogen. Gerichtet ist diese Drohkulisse gegen seinen Hauptgegner Großbritannien. Ob Napoleon die Invasion ernsthaft beabsichtigt hat, ist auch heute noch fraglich: Die für das Übersetzen notwendige Seeherrschaft hat Frankreich nicht, und nach der Niederlage bei Trafalgar am 21. Oktober 1805 ist diese Option endgültig
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passé. Napoleon ist auf sein Metier – die Landkriegführung – zurückgeworfen. Der ihm gegenüberstehenden „Dritten Koalition“ gehören auch die beiden Kontinentalreiche Österreich und Russland an. Für ein energisches Ausgreifen in Richtung Zentraleuropa ist Napoleon auf Geschwindigkeit und Flankenschutz angewiesen.
Geschicktes Manöver Es gilt, ein militärisches Eingreifen Preußens im Norden und das Eintreffen österreichischer Verbände von der italienischen Halbinsel aus zu unterlaufen beziehungsweise zu unterbinden.
Nach Möglichkeit will er die Armeen der beiden Kaiserreiche isolieren und einzeln schlagen. Nach Überschreiten des Rheins marschiert er entlang der Donaulinie und manövriert österreichische Truppen unter deren Feldherrn Karl Mack von Leiberich Ende Oktober bei Ulm aus. Napoleon stößt anschließend mit seiner zirka 180.000 Mann starken Armee – aufgeteilt in mehrere Großverbände – weiter vor und nutzt dabei die wirtschaftlichen Ressourcen Süddeutschlands. Augsburg und Passau werden zum Rückgrat der Versorgung seiner marschierenden Truppen auf dem Weg über Salzburg nach Wien.
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Schlachten der Weltgeschichte | Austerlitz 1805
TRIUMPHATOR: Napoleon bei der Schlacht von Austerlitz gegen eine österreichisch-russische Allianz, Gemälde von François Gérard Abb.: picture-alliance/Heritage Images
Zu diesem Zeitpunkt steht der russische Befehlshaber Michail I. Kutusow mit 50.000 Mann erst im Raum Braunau am Inn in einer stabilen Stellung zum Schutz der habsburgischen Lande. Parallel zu seinem Marsch auf Wien befiehlt Napoleon das Korps seines Marschalls Edouard Adolphe Mortier nördlich der Donau an Kutusows Truppen vorbei, um deren Verbindungslinien in Richtung Russland zu bedrohen. Als dieser seine Truppen am 9. November über die Donau nach Nordosten auf Krems hin zurücknimmt, stößt Marschall Joachim Murat über Wien dann in Richtung Norden. Er beabsichtigt, die Russen damit auch an der südlichen Flanke unter Druck zu setzen. Kutusows Ausweichen in Richtung Olmütz bewirkt, dass er damit von zusätzlicher österreichischer Unterstützung abge-
drängt wird, sich dafür jedoch der russischen Grenze nähert. Am 19. November 1805 steht Kutusow südlich von Olmütz und vereinigt seine Armee mit der von General Friedrich Wilhelm Buxhoeveden zu einer Gesamtstärke von 85.000 Mann. Währenddessen steht Napoleons Grand Armée nach schnellen Bewegungen mit Murats 40.000 Mann starken Verbänden in Mähren, Bernadottes 20.000 Köpfe zählende Truppen befinden sich in Böhmen. Napoleons Marschälle Louis-Nicolas Davout und Mortier stehen in Wien.
ein Hasardeur. Schließlich stehen 40.000 Österreicher in Tirol, 50.000 in Italien und 75.000 Russen und Österreicher vor ihm. Napoleon aber setzt auf Geschwindigkeit
Napoleon ein Hasardeur?
IM DIENSTE DES ZAREN: Pjotr I. Bagration deckt nach der Schlacht erfolgreich den Rückzug Abb.: picture-alliance/akg-images
GEGNER NAPOLEONS: Zar Alexander I. kämpfte Jahre später erfolgreich gegen die Franzosen Abb.: picture-alliance/akg-images
und Dynamik. Er vertraut auf die Marschleistung und den Enthusiasmus sowie die Ausbildungsqualität seiner Truppen. Da er aber zur Sicherung der Verbindungslinien große Teile seiner eigenen Truppen im süddeutschen Raum und in Österreich zurücklässt, schrumpft die ihm für seine Operation zur Verfügung stehende Truppenzahl mehr und mehr. Napoleon beschleunigt sein Tempo und setzt nun alles auf eine Karte. Er will zeitnah trotz deutlicher numerischer Unterlegenheit – mit seinen nur 60.000 mitgeführten Franzosen gegen 80.000 Russen – zuschlagen. Doch mit diesem Stärkeverhältnis kann er keine rein offensive Schlacht wagen. Er muss den Gegner zum Angriff verleiten. Dann kann er aus der Defensive heraus die Entscheidung suchen. Zudem greift er zu einer diplomatischen Finte: Er suggeriert seinen Gegnern, dass er zu Verhandlungen bereit sei. Dies bestärkt jene – insbesondere den erst 28-jährigen Zaren Alexander I. – in dem Glauben, dass nun der Zeitpunkt erreicht sei, an dem sie selbst zur Offensive übergehen können. Auch sie
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Legt man die Regeln absolutistischer Landkriegführung des 18. Jahrhunderts zugrunde, denen sich seine Kontrahenten verpflichtet fühlen, so handelt Napoleon wie
„Ihr habt Eure Adler mit unsterblichem Ruhm bedeckt.“ Aus Napoleons „Bulletin an seine Soldaten“
Riskante Operationsführung suchen das Gefecht. Sollten sie siegen, müsste Napoleon kapitulieren. Doch daran denkt der ehrgeizige Korse nicht.
KARTE
Schlacht von Austerlitz, 2. Dezember 1805
Dominierender Pratzenberg Das Terrain, auf dem die Schlacht am 2. Dezember 1805 stattfindet, erstreckt sich über Dutzende von Quadratkilometern. Es wird im Norden und Westen von zwei wichtigen Verbindungsstraßen begrenzt: jene von Olmütz nach Brünn und von Brünn nach Süden in Richtung Wien. Die erste ist für die Zuführung der russischen Kräfte von Bedeutung. Die zweite ist für den Anmarsch eines französischen Korps von Relevanz. Auch zwei fließende Gewässer sind von taktischer Bedeutung. Die Franzosen stehen zunächst westlich des in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Goldbachs. Er soll einen hinreichenden Schutz für die Franzosen in der Defensive bilden. Die russisch-österreichische Armee hat diesen vor sich und die Littawa hinter sich. Ihre sumpfigen Ausläufer schränken zudem ihre Manövrierfreiheit ein. Dominiert wird das Gelände durch den zentral gelegenen Pratzenberg. Er wird zu Beginn der Schlacht von den Russen besetzt. Beiden Seiten ist das Gelände bekannt. Die Österreicher haben hier im Jahr zuvor Manöver durchgeführt, und auch Napoleon hat zuvor das Schlachtfeld intensiv persönliche erkundet. Er will im südlichen Abschnitt seiner Stellung nur ein Korps aufbieten, dessen Breite genau jener der drei nördlich davon stehenden Korps entspricht. Für die Durchhaltefähigkeit dieses Korps setzt
Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich
er darauf, dass die tags zuvor angeforderten Truppen von Marschall Davout durch einem Eilmarsch – 40 Kilometer bei Nacht – rechtzeitig aus südwestlicher Richtung eintreffen. Wenn dann die Alliierten gen Südwesten angreifen, will er über den Pratzen-
berg diesen Kräften in deren Flanke und Rücken stoßen. Sie würden dann je eine Front nach Westen und eine gegen Osten haben. Möglicherweise hofft er auf ein „mährisches Cannae“. Er vertraut auf sein „FeldherrnGenie“ – die richtige Entscheidung im richtigen Augenblick, im Vertrauen auf die Fähigkeiten seiner Truppen.
Aufmarsch zum Showdown
VON ANGESICHT ZU ANGESICHT: Napoleon Bonaparte und Kaiser Franz II. verhandeln am 4. Dezember 1805 über einen Waffenstillstand, Ausschnitt eines Gemäldes von AntoineJean Gros Abb.: picture-alliance/akg-images
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Napoleon massiert den Großteil seiner Truppen im Norden. Im Einzelnen stellt er in Nord-Süd-Ausrichtung folgende Korps auf: Im Zuge der Straße nach Olmütz steht das Korps Lannes, rechts dahinter gestaffelt die Kavallerie unter Murat, gefolgt von Bernadotte, dahinter – der Sicht der Alliierten verborgen – die Reserveverbände einschließlich seiner Garde. Ein drittes Korps unter Soult bildet mit den zwei Divisionen Vendôme und St. Hilaire den Abschluss der französischen Verbände im Norden. Sie sind Zentrum und gleichzeitig beabsichtigter Drehpunkt. Mit größerem Abstand im Süden steht das schwächere Korps Legrand als ein scheinbares „Bauernopfer“. Zwei Divisionen von Davouts Korps sollen jedoch zu Legrand aufschließen, um diesen zu unterstützen. Zu Beginn der Schlacht verfügt Napoleon über insgesamt 73.000 Mann und 140 Geschütze.
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Schlachten der Weltgeschichte | Austerlitz 1805 ZU PFERDE: Napoleon und Offiziere auf dem Schlachtfeld in Südmähren, Farblithographie nach Zeichnung, 1854 Abb.: picture-alliance/akg-images
Die alliierten Pläne sehen komplementär dazu vor, Napoleon frontal im Norden zu binden. Für den massiven Angriff im Süden stehen insgesamt etwas mehr als 85.000 Mann, davon zirka 16.000 Österreicher, und 278 Kanonen zur Verfügung. Von den sieben Angriffskolonnen soll jene von Pjotr I. Bagration mit 13.000 Mann im Norden als rechter Flügel die Franzosen fesseln. Die restlichen stehen nacheinander aufgereiht in Nord-Süd-Ausrichtung. Der Quartiermeister der russischösterreichischen Armee, der österreichische General Franz von Weyrother, will die beherrschende Höhe Pratzen FRIEDENSMONUMENT: Denkmal zur Erinnerung an die Schlacht bei Austerlitz bei Prace (dt.: Pratzen) nahe Brünn. Im Inneren des 1910 bis 1912 errichteten Mahnmals befindet sich eine Ausstellung zur „Dreikaiserschlacht“ Foto: picture-alliance/blickwinkel/McPHOTO
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dazu nutzen, um einen Keil zwischen die französischen Kräfte zu treiben. Die Hauptachse des beabsichtigten Angriffs zielt auf den schwächeren südlichen französischen Abschnitt. Hier soll ein Durchbruch Napoleons Verbindungslinie in Richtung Wien abschneiden. Nach dem erwarteten Erfolg im Süden sollen dann die Kräfte gen Norden drehen und in Napoleons nun offene Flanke stoßen oder aber ihn mindestens auf Brünn zurückwerfen. Weyrothers Planung ist schematisch. Er denkt zudem gar nicht daran, dass auch Napoleon aus der stabilen Defensive heraus durchaus zum Gegenangriff übergehen könnte. Hinzu kommt, dass der Anmarsch der einzelnen Kolonnen der Alliierten am Morgen des 2. Dezember 1805 unkoordiniert ist: Einige russische Generale erhalten die in der Nacht übersetzten Befehle Weyrothers erst während der
Schlacht, die Österreicher verlaufen sich auf dem ihnen bekannten Terrain. Sie stehen zu Beginn des Gefechts daher an der falschen Stelle. Doch als sie sich quer zu den nach vorne marschierenden russischen Kolonnen umgruppieren, verursachen sie gravierende Verzögerungen und hemmen die Wucht des Angriffs.
Napoleons Chance Die alliierte Vorhut unter dem österreichischen General Michael von Kienmayer stößt seit 7:00 Uhr auf die französischen Stellungen bei Tellnitz vor. Hilfe erhalten sie gegen 8:00 Uhr von der 1. Kolonne unter Dimitri S. Dochturow. Nach dem Einbruch in die Divison Legrand folgen um 8:30 Uhr die Angriffe der 2. (Langeron) und 3. Kolonne (Przybyszewski) auf Sokolnitz. Den Verbündeten gelingt es, beide Dörfer einzunehmen. Dadurch werden aber mit „nur“ 12.000 Franzosen etwa 40.000 Russen sowie Österreicher und damit auch fast zwei Drittel der Alliierten gebunden. Damit hat Napoleon die erhoffte Chance, von seinem Zentrum unter Marschall Soult aus seinen Plan umzusetzen. Die Division St. Hilaire erobert das Dorf Pratzen, die links von ihm angreifende Division Vendôme attackiert die Russen auf dem 325 Meter hohen Pratzen. Dies geschieht jedoch nicht im Sturm, vielmehr marschieren sie geradezu gemessenen Schrittes. In Paradeuniform und den charakteristischen Bärenfellmüt-
Den Zenit erklommen zen, entfalteten Legionsadlern und dem Ruf „Vive l’Empereur“ nehmen sie den Hügel. Nachdem die Russen gegen 9:30 Uhr vertrieben sind, stehen die Franzosen über zwei Stunden im Kampf mit den Divisionen Miloradowitsch und Kollowrat der 4. russischen Kolonne unter Kutusow.
Überraschender Vorstoß Parallel dazu wirken sie auch auf die österreichische Kavallerie unter General Liechtenstein, die den vollkommen unerwarteten Angriff des zuvor gedeckt bereitgestellten Korps Bagration auf der nördlichen Straße in Richtung Brünn unterstützen will. Bagration ist mit der ihm zugewiesenen passiven Rolle nicht einverstanden. Er unternimmt mit 13.700 Mann und 42 Geschützen einen überraschenden Vorstoß. Napoleon schickt dessen Truppen sein V. Korps unter Marschall Lannes entgegen, das ursprünglich ebenfalls für den Angriff auf den Pratzen vorgesehen war. Bagration versucht, dessen beide Divisionen Suchet und Caffarelli südlich zu umfassen. Den lange Zeit unentschiedenen Kampf im Norden beenden die Angriffe der Kavallerie unter Murat und des Korps von Bernadotte. Nach Bagrations Rückzug und dem fast gleichzeitigen Erfolg seiner Truppen gegen
Literaturtipp Frederick C. Schneid: Napoleon’s Conquest of Europe. The war of the third coalition, London 2005.
Die Verluste der Alliierten sind mit 4.000 Österreichern und 11.000 Russen sowie zirka 12.000 Gefangenen enorm. Die Franzosen verzeichnen demgegenüber 1.290 Tote und 7.000 Verwundete.
Totaler Triumph die den Pratzen angreifenden Russen lässt Napoleon seine Verbände nun aus der Bewegung heraus um 90 Grad schwenken. Sie sollen die russischen Kolonnen im Süden angreifen. Damit entblößt er aber Flanke und Rücken dieser beiden Divisionen. In diese Bresche stößt die bisher in Reserve gehaltene Garde der Russen unter ihrem Befehlshaber Konstantin – Großfürst und Bruder des Zaren – mit über 10.000 Mann. Die anfänglichen Erfolge der Gardekavallerie haben keinen Bestand. General Rapp zerschlägt sie im Gegenstoß mit seiner Elite-Mameluken-Reiterei. Die beiden Divisionen von Soult können ihren Angriff in den Rücken der alliierten Kolonnen fortsetzen. Deren Ausweichmanöver über einen engen Damm und das dünne Eis der im Süden des Schlachtfeldes gelegenen Satschaner und Menitzer Teiche endet nach dem französischen Artilleriebeschuss verheerend. Viele Flüchtende brechen ein und ertrinken im eisigen Wasser. Damit ist die Schlacht im Süden entschieden.
Nicht nur die Schlacht selbst, bereits der Verlauf des gesamten Feldzuges vom Herbst/ Winter 1805 ist ein Musterbeispiel der Überlegenheit Napoleons auf dem Höhepunkt seiner militärischen Führungskunst. Auch die Qualität seines „Instrumentes“ – die französische Armee – hat zu diesem Zeitpunkt den Zenit erklommen. Napoleons Sieg bei Austerlitz – in seinen Augen sein größter – beendet alle Operationen der Alliierten, auch auf den anderen „Kriegstheatern“. Keiner seiner Kriege wurde schneller beendet. Die „Dreikaiserschlacht“ erschüttert die Stellung des Habsburgerreiches kolossal. Aber auch der russische Zar zahlt Lehrgeld. Der korsische Schlachtenkaiser hingegen steht zu jener Zeit sicherlich auf dem Höhepunkt seiner Macht. Dr. Eberhard Birk, Jg. 1967, Oberregierungsrat und Oberstleutnant d.R., Dozent für Militärgeschichte an der Offizierschule der Luftwaffe in Fürstenfeldbruck.
Militärtechnik im Detail
Die sowjetische Iljuschin IL-2 Schturmowik M3
Tod aus der Luft D
as robuste Erdkampfflugzeug IL-2 erlitt in seiner Karriere schwere Verluste. Im Schnitt überstand eine IL-2 nur 30 Einsätze. Doch auch bereits nur einigermaßen angelernte Arbeitskräfte konnten diese Ikone sowjetischen Trotzes gegen die deutschen Angreifer montieren. Die Deutschen nannten die IL-2 den „Schwarzen Tod“. Neben dem Verfeuern von Unmengen von Maschinengewehr- und Kanonengeschossen, Raketen und Bomben, legten IL-2Besatzungen Nebelvorhänge, schossen Aufklärungsfotos und lenkten Artilleriefeuer. Dieses sieben Tonnen schwere Flugzeug
nannten Joseph Stalins Soldaten den „Fliegenden Panzer“. Schließlich wies seine gegossene Rumpfwanne eine bis zu acht Millimeter starke Panzerung aus einer Metalllegierung auf. Die Schturmowik hatte dabei immerhin noch eine Höchstgeschwindigkeit von gut 400 km/h und eine Reichweite von etwa 760 Kilometern.
Illustration: Jim Laurier
„Die Rote Armee braucht die IL-2 wie sie Luft und Brot benötigt“, telegrafiert Stalin dem Leiter eines Iljuschin-Werkes im Dezember 1941. Und weiter, „Ich verlange, dass mehr Iljuschins produziert werden.“ Der „Stählerne“ erhielt seinen Willen. Mit 36.163 gebauten Exemplaren übertrifft die IL-2 hinsichtlich gefertigter Stückzahlen jedes andere Militärflugzeug dieses Zeitraums.
Weiße Streifen Die Linien auf der gepanzerten Cockpitfrontscheibe dienten als Geschütz- und Bombenvisier.
Kraftvoller Antrieb Die Schturmowik wurde von einem flüssigkeitsgekühlten Zwölfzylinder-Motor angetrieben, der 1.720 PS entwickelte.
Mehr als eine halbe Tonne Offensivpotenzial Vier 100-Kilogramm-Bomben transportierte die IL-2 in Bombenschächten. Zusätzlich konnte sie noch je eine Bombe unter jedem Flügel zum Gegner tragen.
Für einen harten Aufschlag geschaffen Die IL-2 war robust genug, um reichlich Beschussschäden verkraften zu können. Ihr Fahrwerk war gut für Landungen auf unbefestigten Pisten geeignet
Obwohl die Produktion stockend startete, wuchs sie schnell durch verbesserte und effektivere Arbeitsabläufe. Der Ausstoß neuer IL-2 erreichte bald über 300 Maschinen im Monat. „IL“ steht für das Kürzel des Konstrukteurs Sergei Iljuschin Abb.: picture-alliance/akg-images
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In dieser Serie u. a. bereits erschienen: Deutscher Panzer „Tiger“ (1/2015) Amerikanisches „Higgins-Boot“ (2/2015) Sowjetische MPi PPSh-41 (3/2015) Amerikanische L-5 „Sentinel“ (4/2015) Schwedische 40-Milimeter-Flak (5/2015)
Rückwärtsverteidigung (1) Die IL-2 begann ihre Karriere als Einsitzer. Aber im Februar 1942 erhielten die Maschinen ein zweites Besatzungsmitglied, welches ein rückwärtiges 12,7- oder 7,62-MillimeterMaschinengewehr bediente. Das so entstandene Extragewicht wirkte sich zunächst negativ auf das Handling der Maschine aus. Doch nur bis 1944, denn dann sorgte eine Neukonstruktion der Flügel, die fortan leicht nach hinten gepfeilt waren, dafür, dass die IL-2 ihre ursprüngliche Agilität wiedererlangte.
Angreifende IL-2 Piloten erreichten nur äußerst selten die Dienstgipfelhöhe ihrer Maschine von zirka 3.500 Metern. Sie flogen häufig viel tiefer. Dabei waren Flughöhen von zehn Metern nicht ungewöhnlich. Das tat man, um die Ziele aus geringer Überhöhung auf deren Rückseite, wo die Panzerung meist am dünnsten war, hart zu treffen und so zu vernichten Abb.: picture alliance/Mary Evans Picture Library
„Held der Sowjetunion“ Iwan F. Pavlov, der Pilot der abgebildeten Maschine, flog insgesamt 204 Einsätze. Die Rumpfaufschrift bedeutet: „Dem Landsmann und Helden der Sowjetunion, Kamerad Pavlov, von den Arbeitern der Stadt Kostanai.“
Rückwärtsverteidigung (2) Um Verfolgern das Leben schwer zu machen, konnte der MG-Schütze Fallschirmgranaten loslassen, die dann zirka 100 Meter hinter dem Flugzeug explodierten.
Schwer bewaffnet Die IL-2M3 verfügte über zwei 7,62-Millimeter-MG in den Flügeln und zwei 23-Millimeter-Kanonen (manchmal auch 37-Millimeter-Kanonen). Für die Munitionszuführung zu den Kanonen waren 300Schuss-Patronengurte zuständig.
Raketenplattform Acht Startschienen boten die Möglichkeit, unterschiedlich große, ungelenkte Raketen elektrisch abzufeuern.
DIE KONKURRENZ
Die amerikanische Republic P-47 Thunderbolt Besatzung: 1 Mann Höchstgeschwindigkeit: 696 km/h Gewicht: 6,6 Tonnen Reichweite: 1.290 Kilometer Dienstgipfelhöhe: 13.100 Meter Bewaffnung: acht 12,7-Millimeter-MG, zehn Raketen, zirka 1.200 Kilogramm Bomben Produktion: 15.600 Stück Spitzname: „Jug“ (Krug)
Clausewitz 6/2015
Die deutsche Junkers Ju 87 G Stuka Besatzung: 2 Mann Höchstgeschwindigkeit: 389 km/h Gewicht: 4,75 Tonnen Reichweite: 500 Kilometer Dienstgipfelhöhe: 9.000 Meter Bewaffnung: drei 7,92-Millimeter-MG, zwei 37-Millimeter-Kanonen, 1.000 Kilogramm Bomben Produktion: 6.500 Stück Spitzname: „Kanonenvogel“
Die deutsche Henschel Hs 129 Besatzung: 1 Mann Höchstgeschwindigkeit: 407 km/h Gewicht: 5,75 Tonnen Reichweite: 690 Kilometer Dienstgipfelhöhe: 9.000 Meter Bewaffnung: zwei 13-Millimeter-MG, zwei 20-Millimeter-Kanonen, sechs 100-Kilogramm-Bomben oder zwei Bomben und eine panzerbrechende 30-Millimeter-Kanone Produktion: 865 Stück Spitzname: „Panzerknacker“
Die britische Hawker Typhoon Besatzung: 1 Mann Höchstgeschwindigkeit: 663 km/h Gewicht: 5,7 Tonnen Reichweite: 820 Kilometer Dienstgipfelhöhe: 10.700 Meter Bewaffnung: vier 20-MillimeterKanonen, acht ungelenkte Raketen, 1.000 Kilogramm Bomben oder zwei Bomben und eine panzerbrechende 30-Millimeter-Kanone Produktion: 3.317 Stück Spitzname: „Tiffy“
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Schlachten der Weltgeschichte | Cholm 1942
Kesselschlacht an der Ostfront
Eingeschlossen im Eis Januar 1942: Bei Cholm kesseln sowjetische Truppen mehrere Tausend Soldaten der Wehrmacht ein. Im strengsten Winter muss die „Kampfgruppe Scherer“ klirrender Kälte und einem übermächtigen Gegner trotzen Von Jörg-M. Hormann
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m Frühjahr 1942 erscheint keine Zeitung oder Zeitschrift im „Großdeutschen Reich“ ohne Titelzeilen über die „Kampfgruppe Scherer“ und die „tapferen Verteidiger“ des Kessels von Cholm. Die russische Kleinstadt an der Einmündung des Flusses Kunja in den Lowat und die zusammengewürfelte Truppe sind ab Januar 1942 in aller Munde. Nachdem „General Winter“ den vorwärtsstürmenden Deutschen Ende 1941 Einhalt bot, startet zur Jahreswende 1941/42 die russische Gegenoffensive. Der Mittel- und
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Nordabschnitt der Front beginnt unter dem Druck neu herangeführter sibirischer Winterkampfverbände zu wanken. An der Nordfront gelingt der 3. russischen Stoßarmee bereits in der ersten Januarhälfte 1942 der Durchbruch. Zusammen mit der 11. russischen Armee wird in einer Zangenbewegung der Raum um Demjansk mit dem II. deutschen Armeekorps (A.K.) eingeschlossen. Auf der Linie der gehaltenen Kleinstadt Staraja Russa am Ilmensee und der Stadt Welikije Luki im Süden liegt etwa 100 Kilometer südwestlich von Demjansk die Stadt
DOKUMENT
Tagesbefehl des „Führers“ „Verteidiger von Cholm! Mit tiefer Dankbarkeit begleite ich Euren Heldenkampf um Cholm. Eure tapfere Verteidigung stellt einen Schlüsselpunkt sicher, der für die erfolgreiche Wiederaufnahme unserer Operationen von größter Bedeutung ist…“ Auszug aus Hitlers Tagesbefehl an die „Kampfgruppe Scherer“ vom 3. März 1942
ANGRIFF: Sowjetische Soldaten – hier in Wintertarnung – attackieren immer wieder die „Kampfgruppe Scherer“, die erbitterten Widerstand Foto: picture-alliance/akg-images leistet
ENTSATZ: Auf Ketten kommt nach 105 Tagen Einkesselung Anfang Mai 1942 der Entsatz für die Eingeschlossenen herangerollt Foto: picture-alliance/ Hans-Joachim Rech
Cholm als unentbehrliches Bindeglied. Für Hitlers Operationspläne des Frühjahrs 1942 und die Wiederaufnahme des Angriffs auf Leningrad und Moskau stellt der Verkehrsknotenpunkt Cholm eine Schlüsselposition dar. Der „Führer“ befiehlt daher, Cholm bis zum letzten Mann zu halten.
Heikler Sonderauftrag Generalmajor Theodor Scherer ist Kommandeur der 281. Sicherungsdivision und erhält den Sonderauftrag, die Verteidigung der zunächst von starken Partisaneneinhei-
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ten angegriffenen Kleinstadt zu organisieren. Mit nur wenigen Männern seines Stabes eilt er in die akut bedrohte Stadt und findet dort eine aus verschiedensten Einheiten zusammengesetzte Truppe vor, darunter drei Kompanien des Reserve-Polizeibataillons 65, unvollständige Kampftruppenteile mehrerer Infanterie-Regimenter und des Jagd-Kommandos 8. Und dies sind nur einige wenige der zahlreichen Splitterverbände. Zusammen und unter Einbeziehung aus dem Osten zurückgefluteter Truppenteile
sind es letztlich insgesamt etwa 5.000 bis 6.000 Mann. Ihnen sollte in den nächsten 105 Tagen ein harter Kampf bevorstehen. Auch Oberstleutnant im Generalstab Hans Freiherr von Bodenhausen, Erster Generalstabsoffizier der 218. Infanteriedivision (I.D.), gehört mit den Männern seines Vorauspersonals (V.P.) zu den Eingeschlossenen. Die 218. I.D. befindet sich auf dem Weg von Dänemark nach Cholm. Das V.P. soll dort den Gefechtsstand der Division errichten. Neben Bodenhausen gehört zum V.P. der Ic der Division Major Grabs und Oberleutnant Neu-
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Schlachten der Weltgeschichte | Cholm 1942 ber von der Nachrichten-Abteilung 218 mit einem Funktrupp. Die Kampfführung in Cholm wird dem Kommandeur des Infanterie-Regiments 386, Oberstleutnant Johannes Manitius, übertragen. Als Kampfgruppenkommandeur behält sich Generalmajor Scherer aber die Entscheidung in besonders wichtigen Fragen vor. Scherers Stab ist zuständig für alle Versorgungsangelegenheiten: Zuführung von Ersatz, Luftwaffenunterstützung, Zusammenarbeit mit den zum Entsatz angetretenen Verbänden und mit der Artillerie.
KARTE
Demjansk und Cholm, Frühjahr 1942
Am seidenen Faden Nach der Einschließung und bis zum Entsatz am 5. Mai 1942, an dem vor allem die 218 I.D., die Sturmgeschütz-Abteilung 184 sowie die 122 I.D. mit ihrem Infanterie-Regiment 411 beteiligt sein werden, hängt das Schicksal der Soldaten in Cholm am seidenen Faden. Die russische Seite lässt den Eingekesselten nicht viel Zeit, ihre Stellungen wirksam zu verbessern. Nach verschiedenen Einzelvorstößen gelingt es der Roten Armee Ende Januar 1942, den Stützpunkt von seinen rückwärtigen Verbindungen abzuschneiden. Noch einmal stellt ein eigenes Stoßtruppunternehmen diese wieder her. Teile des MGBataillons 10 werden in den Kessel eingeschleust. Die Männer dieses Bataillons sollen später besonderen Anteil an den deutschen Abwehrerfolgen haben. Schließlich stellt sich heraus, dass die Masse von drei russischen Schützendivisionen um Cholm versammelt ist, um das unliebsame Hindernis aus dem Weg zu räumen. Joachim Dettmann wird als Verbindungsoffi-
Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich
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Hohe Sterblichkeit unter Verwundeten zier und „vorgeschobener Beobachter“ des Artillerie-Regiments 218 in den Kessel eingeflogen. Er berichtet später über seine Eindrücke: „Es ergab sich von selber, dass die Hauptkampflinie [HKL] an dem Stadtrand verlief. Damit hatte der Kessel einen größten Durchmesser von nur zwei Kilometern. Auf diesen engen Raum konzentrierte sich das Feindfeuer aus allen Himmelsrichtungen. Hier gab es kein ,vorne’ und ,hinten’. Von Eingraben konnte keine Rede sein, denn der Boden war etwa einen Meter tief gefroren. So konnten nur Blenden aus Schnee geschaufelt werden um die Männer in der HKL der Gegnersicht zu entziehen. Schutz gegen Beschuss fanden sie nur in wenigen Kellern des Ostteils der Stadt, auf denen die Trümmer zusammengeschossener Häuser sich türmten. Die übrigen Stadtteile bestanden aus Holzhäusern, deren Keller einen nur sehr fragwürdigen Splitterschutz boten, soweit sie überhaupt welchen hatten. Der Schwerpunkt des Kampfes lag im Ostabschnitt. Hier wurde Tag für Tag und Nacht für Nacht um Häuserruinen gekämpft, von denen die Ruine des GPU-Gefängnisses wegen seiner dicken Mauern eine besondere Rolle spielte. Ausreichender Schlaf und regelmäßige Verpflegung wurden unbekannte Begriffe. Der Selbsterhaltungstrieb forderte gebieterisch ständige Abwehrbereitschaft bis zum Umfallen.“
Versorgung aus der Luft
VERSORGUNG AUS DER LUFT: „Bestellungen“ werden nicht selten schon am nächsten Tag per „Luftfracht“ geliefert Foto: picture-alliance/Berliner Verlag /Archiv/picture alliance/dpa-Zentralbild
am nordwestlichen Stadtrand unter Beschuss landen und mit Verwundeten an Bord wieder starten müssen, funktioniert nur kurze Zeit. Ein auf Befehl
CHOLMSCHILD: Bereits im Kessel von Polizei-Rottwachtmeister (=Obergefreiter) Schlimmer entworfen und von einem Professor überarbeitet, wird er wenige Monate später von Hitler als Auszeichnung gestiftet Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann
Den Cholmer Kessel zu versorgen, entpuppt sich als ein großes Problem. Das anfängliche Einfliegen von Waffen, Munition und Verpflegung mit Junkers Ju-52-Maschinen, die auf einem Wiesengelände im Niemandsland
der 1. Luftflotte durchgeführter Landeversuch von sieben Ju 52 Ende Februar führt zum Totalverlust von fünf Maschinen. Danach werden Lasten in Versorgungsbehältern an Fallschirmen abgesetzt. Zur Orientierung der Flugzeugbesatzungen für den Abwurf wird die „Haarnadelkurve“ benutzt. Der Zusammenfluss von Lowat und Kunja bietet durch die markanten Uferkonturen der zugefrorenen Flüsse ein Zurechtfinden in der tief verschneiten Landschaft. Die „Kampfgruppe Scherer“ braucht täglich mindestens 60 Versorgungsbehälter mit Verpflegung und Infanteriemunition so-
wie Medikamenten und Verbandstoffen. Diese werden auch täglich abgeworfen. Doch so manche „Verpflegungsbombe“ schwebte – vom Winde abgetrieben – zum Gegner oder landete im kaum erreichbaren Vorfeld. Für den Transport schwerer Waffen, an denen es besonders mangelt, gibt es nur einen Weg. Sie werden mit Lastenseglern vom Typ Gotha Go 242 im Schlepp von He-111-Kampfflugzeugen eingeflogen. Die Lastensegler, von den „Cholmern“ kurz „Gos“ genannt, sind von vornherein abgeschrieben und rund 80 Wracks von ihnen sowie 27 zerstörte Ju 52 werden später die Landestellen säumen. Die Besatzungen dieser Maschinen verstärken die sich lichtenden Reihen der „Cholm-Kämpfer“. Besonders die Verwundeten haben unter dem Umstand zu leiden, dass es später nicht mehr möglich ist, den Kessel auf dem Luftweg zu verlassen. Rund 700 können anfangs noch ausgeflogen werden. Doch dann „sammelt“ sich eine Zahl von 2.200 Verwundeten an, unter denen die Sterblichkeit sehr hoch ist. Rund 1.500 von ihnen finden schließlich ihre letzte Ruhestätte in Cholm.
Kaum schwere Waffen
AM FALLSCHIRM: Nachschub schwebt über dem Kessel von Cholm ein. Hunderte von Versorgungsbehältern werden für die Eingeschlossenen abgeworfen Foto: SZ Photo/Süddeutsche Zeitung Photo
Der Mangel an schweren Waffen im Kessel wirkt sich äußerst nachteilig auf aus. Es sind nur ein paar Acht-Zentimeter-Granatwerfer, wenige 3,7- beziehungsweise 5-ZentimeterPak und zwei leichte Infanteriegeschütze verfügbar. Die erwähnten Teile des Artillerie-Regiments 123 sind nur noch infanteristisch eingesetzt. Sie haben keine Geschütze mehr, für die es im schrumpfenden Kessel
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Schlachten der Weltgeschichte | Cholm 1942 ohnehin keine geeigneten Feuerstellungen mehr gegeben hätte. Dennoch liegen die Sturmausgangspositionen des Gegners Tag und Nacht unter Beschuss, legt sich deutsches Sperrfeuer schützend bei Feindangriffen vor die bedrohten Abschnitte. Es kommt aus den Rohren schwerer Haubitzen- und Kanonenbatterien, die zu einer vorgeschobenen
Uckermann“. Sie wird zum sofortigen Entsatz von Cholm angesetzt. Dabei gelingt es ihr, die Linien der russischen Front kurzzeitig zu unterbrechen und Teile des MG-Bataillons 10 in den Kessel einzuschleusen. Danach muss sich die Kampfgruppe, durch starke Feindkräfte bedrängt, wieder zurückziehen. Noch Ende Januar 1942 tritt die Kampfgruppe erneut an und
„Unter den vielen und dauernden schweren Sorgen, die Führer und Mannschaften in den 105 Tagen bedrängten, war und blieb bis zuletzt die schwerste: Werden wir es schaffen?“ Generalmajor Scherer in seinem Geleitwort zu dem Bildband von Richard Muck: „Kampfgruppe Scherer – 105 Tage eingeschlossen“
deutschen Kräftegruppe unter dem Befehl des Generals Horst Freiherr von Uckermann gehören. Mit der Führung der 218. I.D. in Dänemark beauftragt, verlegt er mit dieser Mitte Januar 1942 in den Nordabschnitt der Ostfront.
Auf dem Präsentierteller Noch nicht in Cholm angekommen, sieht sich Uckermann direkt mit der bedrohlichen Lage um die Stadt konfrontiert. Am 25. Januar 1942 bildet er auf Befehl des Generalkommandos des XXXIX. A.K. (mot.) aus den ersten eintreffenden Kräften seiner Division und anderen Verbänden die „Kampfgruppe
kämpft sich bis auf etwa zehn Kilometer an die Cholmer Stadtgrenze heran. Es gelingt ihr aber nicht, sich mit der „Kampfgruppe Scherer“ zu vereinigen. Uckermanns Kampfgruppe kann ihre Position gegen unzählige russische Angriffe behaupten. Ihre Stellungen bilden einen regelrechten Schlauch, der im Wesentlichen aus der „Rollbahn“ Loknja-Cholm und den anliegenden Dörfern besteht und bis etwa zehn Kilometer vor Cholm reicht. Dieses Kuriosum einer Stellung gilt es, nach Norden und Süden zu verteidigen. Und an das Ende dieses Schlauches sind gegen alle Regeln der Kriegskunst die Batterien des Artil-
AM WEGESRAND: Ein sowjetischer Kavallerist passiert einen während der Winterkämpfe 1941/42 aufgegebenen deutschen Panzer Foto: picture-alliance/ASSOCIATED PRESS
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lerie-Regiments 218 und der schweren Artillerie-Abteilung 536 vorgezogen. Sie stehen wie auf dem „Präsentierteller“ für die russische Artillerie.
Waffen auf dem „Wunschzettel“ Das Feuer dieser Batterien leiten vorgeschobene Beobachter und Verbindungsoffiziere von Cholm aus. Sie werden zu diesem Zweck extra eingeflogen und haben ohne jegliche Hilfsmittel artilleristische Führungsaufgaben zu lösen. Ihre größte Sorge ist, dass sie das Feuer nur verzögert auslösen können. Da der gesamte Funkbetrieb sich im Tastverkehr abwickelt, ist der Weg des Feuerkommandos vom vorgeschobenen Beobachter im Kessel bis zum Richtkanonier „draußen" sehr umständlich. Im Laufe der Kämpfe schrumpft die Spanne auf zehn Minuten. Viele „Augenblicksziele“ können so nicht bekämpft werden. Die Beobachter sitzen oft auf „glühenden Kohlen,“ wenn sie nach ihrer Zielansprache auf die Einschläge warten. Auch modernste Waffen werden im Kessel von Cholm von den Eingekesselten ein-
Rettung naht
gesetzt. Täglich fallen Gewehre, MG und vieles mehr aus und müssen schnellstens ersetzt werden. Oft kommt der abendliche Versorgungsfunkspruch einem langen, schier unerfüllbaren Wunschzettel gleich. Doch der wird häufig erfüllt. Nicht selten kommt die angeforderte Ausrüstung schon am nächsten Abend mit dem Lastensegler, unter anderem 2-cm-Flak, 5-cm-Pak, Funkgeräte und Granatwerfer. Die „Kampfgruppe Scherer“ erhält neues Gerät, darunter schwere Wurfkörper, Stielgranaten für die 3,7-cm-Pak, der bis dahin nur vereinzelt eingesetzte Ladungswerfer und Pak mit konischem Rohr, das sich von 4,5 auf 3,7 cm verjüngt. Als dann nach wochenlangen Abwehrkämpfen die Natur allmählich aus ihrer eisigen Winterstarre erwacht, wächst die Hoffnung, dass die Kameraden die Eingekesselten bald befreien.
Drohender Einbruch Schließlich scheint es, als würden die Verbände der Roten Armee doch noch dem Entsatzangriff zuvorkommen. Aus allen Himmelsrichtungen greifen sowjetische Truppen in den ersten Maitagen mit verstärkter Wucht an. Das Artilleriefeuer steigert sich zu bisher nicht gekannten Ausmaßen. Doch nun haben sich die Deutschen eingegraben, die Granaten des Gegners reißen nicht mehr so große Lücken, wie in den vorangegangenen Winterkämpfen. Wenngleich ein sowjetischer Einbruch äußerst dicht an das Lowat-Ufer herankommt, kann der Gegner die entscheidenden letzten 100 Meter nicht überwinden.
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NS-Propaganda feiert „Erfolg“ Nach überstandenem Kampf wird Generalmajor Scherer für das Halten der „Schlüsselstellung Cholm“ am 5. Mai 1942 als 92. Soldat der Wehrmacht das „Eichenlaub zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes“ durch Hitler verliehen. Die sowjetischen Verbände ziehen sich mehr und mehr zurück. Bis zur vollständigen Kontrolle der Stadt durch deutsche Truppen in der ersten Junihälfte vergehen noch etwa vier Wochen. In Anlehnung an den „Narvikschild“ entsteht bereits im Kessel die Entwurfszeichnung für einen „Cholmschild“, den die Führung am 1. Juli 1942 stiftet. Die Auszeichnung erhalten alle Soldaten, die „in dem eingeschlossenen Raum um Cholm an dem Verteidigungskampf ehrenvoll beteiligt“ waren. Unterdessen feiert die NS-Propaganda die Gefechte um Cholm als großen Erfolg über die Rote Armee und als weiteres Beispiel für den „Heldenkampf“ der Wehrmacht an der Ostfront, die damit einen kleinen Teilerfolg erringen konnte. Doch ein ungleich größerer deutscher Misserfolg sollte bald folgen: Ende 1942 wird der „Kessel von Stalingrad“ zur „eisigen Todesfalle“ für die 6. Armee. Jörg-M. Hormann, Jg. 1949, Sachbuchautor mit Schwerpunkten bei der deutschen Luftfahrt-, Marine- und Militärgeschichte mit über 40 Buchveröffentlichungen.
GeraMond Verlag GmbH, Infanteriestraße 11a, 80797 München
TRAGISCHES ENDE: Theodor Scherer, „Kopf“ der bei Cholm in schwersten Abwehrkämpfen stehenden Kampfgruppe. Er kommt 1951 bei einem Autounfall ums Leben Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann
Aus Liebe zum Detail
Am Morgen des 5. Mai 1942 sichtet ein Artilleriebeobachter in westlicher Richtung Sturmgeschütze. Sie kämpfen sich langsam aber sicher durch den sowjetischen Einschließungsring hindurch. Seit Beginn der Kesselschlacht versuchte die „Kampfgruppe Uckermann“ mehrmals vergeblich, den Ring der Belagerer zu durchbrechen. Doch während der extremen Wintermonate blieben ihre Angriffe im brusttiefen Schnee stecken. Die darauf folgende Schlammperiode wirkte sich ebenfalls alles andere als günstig auf die Entsatzangriffe aus. Doch jetzt erreicht die deutsche Angriffsspitze die Cholmer HKL innerhalb eines Tages. Der Durchbruch zur „Kampfgruppe Scherer“ kommt gerade noch rechtzeitig, denn die Grabenstärke der Verteidiger ist auf nur noch 1.200 Mann herabgesunken. Etwa 1.500 Verwundete warten auf ihren Abtransport. Neben dem übermächtigen Druck des Feindes werden die Soldaten durch eine weitere tödliche Gefahr bedroht: Unter der verbliebenen Zivilbevölkerung von Cholm bricht Flecktyphus aus, der auf die Kampfgruppe überzugreifen droht.
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Menschen & Geschichten | Offizierkorps
Deutsche Offiziere zu Beginn des Ersten Weltkrieges
„Wenn schon fallen, dann auch nobel!“
OHNE ERFAHRUNG AN DER FRONT: Deutsche Offiziere in einem Schützengraben. Abgesehen von kleinen kolonialen „Abenteuern“ hat sich das deutsche Heer vor Beginn des Ersten Weltkrieges seit 1871 an keinem Krieg mehr beteiligt. Die Masse der Offiziere besitzt keinerlei Kampferfahrung Abb.: picture alliance/akg-images
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ie Vorstellungen, die gerade subalterne Offiziere vom Krieg besitzen, sind noch stark von den Erlebnissen der väterlichen Garnison geprägt. In jeder deutschen Kaserne gibt es ein Offizierskasino, in dem Gemälde vom Ruhm vergangener Waffentaten künden. In der wilhelminischen Ära entwickelt sich sogar ein Markt für romantisch verklärte Szenenbilder, mit denen diese Einrichtungen geschmückt werden. Gleichzeitig nimmt die militärgeschichtliche Publizistik immer weiter zu. Historisch interessierte Offiziere erarbeiten in nahezu jedem Regiment eine eigene Einheitsgeschichte. Das Garnisonsleben ist geprägt von der Erinnerung an vergangene Siege, die an besonderen Jahrestagen, wie dem im ganzen Reich zelebrierten Sedantag, gefeiert werden. Sie bilden neben den Paraden zu den Geburtstagsfeierlichkeiten königlicher Familienmitglieder die Höhepunkte des Garnisonsalltags. Nicht unwichtig für die Prägung gerade der jungen Offiziere sind auch die Zentenar-
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der steigende Anteil bürgerlicher Offiziere macht es notwendig, dass sich das Offíziersbild neu definiert, um als soziale Elite erhalten zu bleiben. Dazu grenzt man sich schärfer von den niederen Rängen ab. Dies geschieht dadurch, dass die hohe Todesgefahr, die den Beruf des Soldaten ja prinzipiell von ziviler Arbeit unterscheidet, bei Offizieren besonders betont wird. Im Gefecht soll der Offizier „Haltung“ und „Charakter“ zeigen. Auch in der gefährlichsten Situation muss er für seine Untergebenen weithin sichtbar sein. Damit wird er aber zum bevorzugten Ziel feindlicher Schützen. Dieses Bild, und die damit verbundene Erwartungshaltung, sind dem Offizierskorps eigen.
Angst und Aggression Im Krieg wird sich jedoch zeigen, dass „Charakter“ und „Haltung“ nicht jedem Offizier zu Eigen sind und nicht einfach kollektiv „herbeidefiniert“ werden können. In Anbetracht einiger absurder Szenen, die sich wie-
Alle Abbildungen Sammlung Alexander Querengässer falls nicht anders angegeben
1914: Bedingt durch eine beeindruckende Siegesserie in den Reichseinigungskriegen, genießt das deutsche Heer – und seine Offiziere – vor Ausbruch des Weltkrieges einen guten Ruf. Doch stimmt die (Selbst-)Wahrnehmung des Offiziers? Von Alexander Querengässer
feiern der Befreiungskriege 1913. Da diese mit dem 25-jährigen Regierungsjubiläum Wilhelms II. zusammenfallen, bietet sich die Gelegenheit für ein großes Gedenkjahr. Das Rahmenprogramm dieser Veranstaltungen wird intensiv genutzt, um eine Kontinuitätslinie von den Befreiungs- über die Einigungskriege hin zum Szenario eines bedrohten Deutschlands in einer „Welt von Feinden“ zu entwerfen. Nicht zuletzt deswegen kann der Kaiser am 28. März 1913 auch bekannt geben, die Friedensstärke der Armee von 544.000 auf 661.000 Mann zu erhöhen.
Offiziere erfinden sich neu Trotz der relativ langen Friedensperiode wird ein standesgemäßer Offizierstod in der Literatur, aber auch durch die Besuche und Gespräche mit Offiziersveteranen in den Kasinos, weiterhin am Leben erhalten. Das Offizierskorps entwickelt ein neues Standesbewusstsein. Die wachsende Stellenvermehrung und
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derholt in den Anfangsmonaten des Weltkrieges abspielen, stellt sich die Frage, inwiefern die jungen Offiziere in den Kasernen neue militärische Entwicklungen verfolgt haben. Natürlich laufen die Kaisermanöver nach der Jahrhundertwende anders ab, als die Schlachten von 1864, 1866 und 1870/71. Das Maschinengewehr hat längst Einzug in das Waffenarsenal der Infanterie gehalten, während die Artillerie immer leistungsfähigere Geschütze erhält. Doch auch in der oberen Führung herrscht bis zum Kriegsausbruch ein nahezu unbändiger Wunsch vor, im taktisch-operativen Rahmen offensiv agieren zu können. Das Exerzierreglement von 1906 gibt den Offensivgeist daher als eine der wichtigsten Tugenden des Soldaten aus. „Unausgesetzter Drang nach vorwärts und das Bestreben, es dem Nachbar hierin zuvorzutun, muß alle Teile der Angriffstruppe beseelen“, heißt es
dort. Die Infanterie soll nur von dem einen Gedanken beherrscht sein: „Vorwärts auf den Feind, koste es, was es wolle!“ Dass die traditionellen Bilder, besonders in Bezug auf den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71, sich fest in den Köpfen der jungen Offiziere verankert haben, macht sich vor allem in der Anfangsphase des Krieges bemerkbar. Aufgestachelt durch die Berichte altgedienter Kameraden, herrscht im deutschen Offizierskorps eine fast hysterische Furcht vor Franctireur-Überfällen (Partisanen). Diese Angst führt dazu, dass Offiziere, die überall einen Hinterhalt vermuten, oft beim geringsten Verdacht mit Brutalität gegen die Zivilbevölkerung vorgehen. Der Umstand, dass die Anzahl und Ausmaße solcher Ausschreitungen ab Oktober 1914 rasant abnehmen, scheint den Verdacht nur zu unterstreichen, dass ihre Ursache kaum in einer Verrohung der deutschen Soldaten liegt. Vielmehr liegt sie in der typischen – auf Unerfahrenheit basierenden – Feindhysterie zu Beginn eines Feldzu-
VERKLÄRTE REALITÄT: Ein weiteres Bild soldatischer Tugend – der Offizier führt seine Truppen mit gezogenem Degen ins Gefecht. Auf dieser Postkarte erobert eine deutsche Landsturmeinheit ein russisches Geschütz
ges. Daher verwundert es kaum, dass ein deutscher Oberst dem Bürgermeister der belgischen Stadt Herve entgegnet: „Seit unserem Einmarsch in dieses Land beschießt man unsere Truppen [gemeint ist aus dem Hinterhalt]. Die Gesetze des Krieges berechtigen zu Repressalien.“ Belgische Nonnen, die in Blégny nahe Lüttich deutsche Verwundete versorgen, berichten: „Einige von ihnen hatten große Angst, man hatte ihnen gesagt, daß in Belgien den Verwundeten die Augen ausgestochen, daß sie vergiftet würden und daß man ihnen den Gnadenschuß geben würde.“
Mit gezücktem Degen Ein jahrhundertealtes Bild soldatischer Tugend ist jenes vom Offizier, der seine Soldaten mit dem Degen in der Hand anführt. Gerade die adligen Offiziere führen Blankwaffen mit sich, die sich bereits seit mehreren
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Menschen & Geschichten | Offizierkorps Generationen im Familienbesitz befinden. Noch 1915 ist das Bild des mit dem Degen führenden Offiziers ein beliebtes Motiv auf Feldpostkarten. Der Kriegsalltag – vor allem im Stellungskrieg – führt jedoch dazu, dass Offiziere und Soldaten den Gegner kaum noch zu Gesicht bekommen. Im Nahkampf spielt der Degen ohnehin keine Rolle mehr. Er wird zunehmend von Revolvern und modernen Mehrladepistolen verdrängt. Daher schicken deutsche Offiziere spätestens ab 1915 ihre
sind solche Szenen auch noch 1914/15 auf Feldpostkarten. Jeder Berufsoffizier kennt Geschichten aus den Befreiungs- oder Einigungskriegen, in denen junge Offiziere mit der Fahne in der Hand gefallen sind. Diese Form des Todes hat sich als besonders ehrenvoll etabliert. In den Gräben an der Westfront erweisen sich die Fahnen schließlich nicht zuletzt wegen der beengten Verhältnisse als hinderlich. Ludwig Renn schildert den Umgang mit einem
ne allerhöchste Kabinettsorder vom 12. Juli 1915 werden alle deutschen Regimenter schließlich ihre Fahnen los.
Mit wehenden Fahnen Eine Reihe von Offizieren bedient die traditionellen Rollenbilder aber durchaus auch 1915 noch sehr bewusst. Überfordert mit den Anforderungen des modernen Krieges, versuchen sie zumindest standesgemäß zu sterben. Besonders grotesk mutet ein Beispiel vom 12. Königlich Sächsischen Infanterieregiment Nr. 177 an, das am 9. Januar 1915 letztmals einen Angriff mit wehender Fahne ausführt. Hauptmann Karl Theodor Graf Vitztum von Eckstädt von der 1. Kompanie ist zwar gegen den Angriff, sieht dem bevorstehenden Tod jedoch äußerst tapfer ins Auge, wie Leutnant d. R. Walter Wackwitz schildert: „[E]r befahl dem Fahnenträger, die Fahne aus der Hülle zu ziehen und aufzurollen; dem Burschen ihm das Pferd zu satteln und in die Gräben zu bringen – im Grabenkrieg geradezu absurd, aber wenn schon fallen, ÜBERHOLTE KRIEGFÜHRUNG: Die Postkarte zeigt das Königlich Sächsische Schützenregiment Prinz Georg Nr. 108 bei einer Schießübung 1913
ANACHRONISMUS: Obwohl Wilhelm II. bei einem Manöver 1912 noch persönlich eine große Reiterattacke führt, büßt die Kavallerie im Krieg sehr schnell ihre Bedeutung ein. Das Bild zeig einen deutschen Ulan – romantisierend in Szene gesetzt, als ob der alte Ruhm der Kavallerie noch nicht vergangen wäre
Blankwaffen nach Hause. „Wir Offiziere der Front hatten schon nach den ersten Kämpfen den Säbel als unbrauchbar fortgeworfen. Der kam einem ja auch beim Gehen zwischen die Beine“, berichtet Leutnant Arnold Vieth von Golßenau, der im sächsischen Leibgrenadierregiment dient – und später als Ludwig Renn bekannt wird.
In den Dreck geworfen Das gleiche gilt für die Fahne, dem Symbol des Korpsgeistes eines Regiments schlechthin. Die Einheiten erhalten ihre Fahnen aus der Hand ihrer jeweiligen Landesfürsten. Die Offiziere werden im Fahnenraum vereidigt, indem sie direkt auf das „heilige Tuch“ schwören. Der Verlust einer Fahne gilt als die schwerste Schande, die ein Regiment erleiden kann. Im Gegenzug hat es einen hohen Stellenwert, feindliche Fahnen zu erobern. Als Lohn winken Geld und eventuell sogar eine Beförderung. Entsprechend populär
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solchen Ehrenzeichen. 1915 fragt er seinen Waffenmeister, wo die Fahne des Regiments verblieben sei. Er bekommt folgende Antwort: „Bei den Angriffen in Schützenlinie hat sie nicht entfaltet werden können. Der Kommandeur der Leibkompanie hielt es aber für nötig, sie in den Schützengraben mitzunehmen. Sie ging wegen der Länge ihres Stocks in keinen Unterstand hinein und lag daher einfach im Graben. In den Nächten, wenn man sie nicht sah, latschte man darauf herum. Dabei ist es vielleicht geschehen, daß ihr Stock brach. […] Als endlich die Fahne aus dem Schützengraben zu uns in die Waffenmeisterei kam, haben wir den Bruch mit einer einfachen Eisenklammer geheilt, ich bin nur froh, daß wir sie jetzt loswerden.“ Durch ei-
dann auch nobel! – Hoch zu Ross führte er die Komp. zum Sturm und fiel.“ Diese Vorstellungen vom standesgemäßen Tod, dem sich viele deutsche Berufsoffiziere gerade in den Kriegsjahren 1914/15 vermutlich aus einem Gefühl psychologischer Überforderung hingeben, tragen dazu bei, dass ihre Verlustquoten höher liegen, als die der Mannschaften. Jeder vierte deutsche Berufsoffizier (exakt 25 Prozent) fällt im Krieg. Damit liegt diese Quote leicht über dem Durchschnittswert des gesamten Offizierskorps (23 Prozent) und deutlich über dem der Unteroffiziere und Mannschaften (14 Prozent).
Reserveoffiziere an die Front! Die Moral der Truppe 1915 schildert Generaloberst Falkenhayn in der Retrospektive dagegen positiv: „Diese [die deutschen Streitkräfte] standen im Westen auf einem Höhepunkt der Leistungsfähigkeit. Im festen Vertrauen auf die Führung und die sich täglich verstärkenden Stellungen, getragen von dem Bewußtsein der inneren Überlegenheit über die Feinde, sahen sie weiteren Durchbruchsversuchen mit sicherem Selbstvertrauen entgegen, ohne sich darin durch das zahlenmäßige Kräfteverhältnis beirren zu lassen.“ Dieser Einschätzung widerspricht Ludwig Renn. Im Winter 1914/15 soll sich sein Oberstleutnant Tettenborn ihm gegenüber sehr beunruhigt über das Trommelfeuer franzö-
grundlegende Probleme. Zum einen schätzen nicht alle Offiziere die Haltung der deutschen Soldaten so optimistisch ein wie Falkenhayn. Zum anderen unterstreicht Renn die Barriere, die zwischen Offizierskorps und Mannschaftsstand besteht – und die sich überwiegend aus mangelndem Verständnis und Vorurteilen speist.
Soldaten 1. und 2. Klasse? Diese Barriere, nicht nur zwischen Mannschaftern und Offizieren, sondern auch zwischen Frontsoldaten und den „Etappenhengsten“, vertieft sich im Laufe des Jahres 1915 immer mehr. Das geht auch aus mehreren Briefen des Kriegsfreiwilligen Ernst Jünger an seine Eltern hervor. Bereits im Februar 1915 trägt sich Jünger mit dem Gedanken, als Fahnenjunker eine Offizierslaufbahn einzuschlagen, schreibt dazu jedoch am
Verpflegung, mehr Urlaub und bevorzugter Beförderung und Auszeichnung bemerkbar macht, spalten die Armee. Dieser Bruch zwischen Offizieren und Mannschaften darf jedoch nicht zu allgemein aufgefasst werden. Walter Wackwitz notiert am 16. November 1916 in sein Tagebuch: „Heute haben wir gemault: Es fällt schon etwas auf: Reserve-Offiziere in die Stellung; aktive Offiziere, selbst jüngere als wir, verschwinden in den Stäben! Steht eine ,Schweinerei’ bevor, so werden sie abkommandiert; ist sie vorüber, sind sie wieder da.“ Diese Beobachtung kann an fast allen Fronten gemacht werden. Im Laufe des Krieges ersetzt man die Berufsoffiziere an der Front zunehmend durch Reserveoffiziere, durch junge, schnell ausgebildete Männer (wie Wackwitz oder Ernst Jünger). Unter den Frontsoldaten entsteht der Vorwurf der Feigheit und Günstlingswirtschaft gegenüber den Etappenoffizieren im rückwärtigen Dienst. Im Hinblick auf die enormen Verluste des Berufsoffizierskorps erscheint dies aber militärisch nachvollziehbar, da diese
FALSCHE VORSTELLUNG: Im Gefecht bei Lagarde (August 1914) gelingt es deutscher Infanterie, eine französische Fahne zu erbeuten. Das Ereignis wird in zahlreichen Motiven festgehalten – und verbreitet somit überholte Vorstellungen, die mit der modernen Kriegführung nicht mehr viel zu tun haben
sischer Artillerie in einem Nachbarabschnitt geäußert haben. „Und mit denen trommeln sie stundenlang, oft mehrere Tage, auf unseren Gräben herum. Wenn das bei uns geschähe – ich weiß nicht, ob unsere Soldaten das aushielten.“ Renn teilt diese Einstellung nicht. Er hat Vertrauen in seine Soldaten und zeigt sich eher über Tettenborns Analyse verwundert: „Dieser Oberstleutnant war zwar fleißig und gewissenhaft, aber dachte er nicht noch wie ein Offizier des Absolutismus vor zweihundert Jahren, wo die analphabetischen, zum Militärdienst gepreßten ,Kerls’ Friedrichs ,des Großen’, oder ,des Einzigen’ von Preußen nur einen Gedanken hatten: Wie kannst du dieser Hölle entfliehen? […] Die Soldaten des Weltkriegs aber waren in der Überzeugung in den Krieg gezogen, für Deutschland zu kämpfen. Und sie kämpften weiter, wenn auch kein Offizier mehr da war.“ Diese Analyse verdeutlicht zwei
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6. Februar skeptisch: „Befördert scheinen mir meistens solche Leutchen zu werden, die sich während der Frontzeit bei der großen Bagage herumdrücken und sonst nur während der Ruhezeit große Bögen spucken wollen. Von den Mannschaften werden sie jedenfalls sehr mißgünstig betrachtet, und ich mag diese Schmarotzer auch nicht leiden, wenn es auch Akademiker sind.“ Noch abfälliger schildert er bald darauf seine Kameraden auf dem Lehrgang: „Meine Kameraden sind meist jünger als ich, größtentheils Offizierssöhne mit großer Schnauze, etwas Geld und minimalem Wissen […]. Es ist eben alles Vetternwirtschaft.“ Das Bild von der Standes- und Rangunterschiede überschreitenden Frontgemeinschaft innerhalb der deutschen Armee wird heute von Forschern zunehmend in Zweifel gezogen. Offiziersprivilegien und Günstlingswirtschaft, die sich in Form besserer
Männer wesentlich schwerer zu ersetzen sind als Reserveoffiziere.
Was ist ein guter Offizier? Dennoch bildet sich so ein neues Offiziersbild. Der Frontoffizier gewinnt seine Autorität nicht aus überholten Standesbildern, sondern aus der Bereitschaft, Gefahren mit seinen Männern zu teilen. Letztendlich machen die neu ausgebildeten Reserveoffiziere von 1916 dieselben Erfahrungen, wie viele langgediente Berufsoffiziere 1914. Ein guter Offizier entsteht nicht durch standesbewusste Klischees, sondern durch individuelle Persönlichkeit. Alexander Querengässer, Jahrgang 1987, ist Militärhistoriker und Autor aus Dresden.
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Militär und Technik | Flugabwehrraketen
IM DIENSTE DER USA: „Hawk“-Raketen der USRaketenartillerie in Fürth im Jahr 1962 Foto: picture-alliance/Karl Schnörrer
Luftabwehr im Kalten Krieg
Gefürchtetes „Trio“ 1960er-Jahre: Gegen schnelle Kampfjets ist kein „artilleristisches Kraut“ mehr gewachsen. Als Luftabwehr dienen den deutschen Armeen fortan funkgelenkte Feststoffraketen, um den Gegner im Ernstfall auszuschalten Von Jörg-M. Hormann
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chräg von unten vorn kommt der schwarze Punkt mit dem Rauchschweif rasend schnell auf die F-4 Phantom II der israelischen Luftstreitkräfte zu. Dem kurzen Blick des Jetpiloten auf sein stummes Radarwarngerät, das ihm eigentlich die Anstrahlung feindlichen Lenkradars signalisieren soll, folgt instinktives Handeln. Der Pilot reißt die Arme vor das Helmvisier und greift nach dem gelb-schwarzen Schleudersitzbügel über dem Helm als die Phantom durch den Splitterregen der krachend detonieren 3M9-Boden-Luft-Rakete scheppert. Entsetzt beobachten seine Kameraden des PhantomSchwarms, wie der Kampfjet wegtrudelt und in der Wüste aufschlägt. Während des JomKippur-Krieges im Oktober 1973 holen ägyptische Flugabwehreinheiten mit ihren russischen Boden-Luft-Raketensystemen 2K-12 „Kub“ allein etwa 50 Phantoms der israeli-
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schen Luftstreitkräfte vom Himmel. Diese nennen die Kettenfahrgestelle der Startrampe mit ihren drei markant aufgerichteten schlanken Feststoffraketen in einer Mischung aus Respekt, Verachtung und Angst „Three Fingers of Death“. Mit drei „Todesfingern“ haben die Flugabwehrraketensysteme von Ost und West im Kalten Krieg eine vergleichbare Größe. Denn auch das westliche Pendant zum 2K-12 „Kub“, das amerikanische System MIM-23 „Hawk“, trägt drei Raketen auf seinem Startwagen.
Eifriges Wettrüsten Während des Kalten Krieges entwickeln sich seit Mitte der 1950er-Jahre drei militärische Angstpotenziale: Das ist zum Ersten der Erstschlag mit Atomwaffen, zweitens die Panzerlawine im Bodenkampf und drittens Jagdbomber als ständige Bedrohung aus der
Luft. In diesen Feldern wird ständig propagandistisch Stimmung gemacht und die Wettrüstungsspirale am Laufen gehalten. So gestaltet sich die Luftverteidigung in den beiden deutschen Staaten – im Schulterschluss mit den jeweiligen Militärbündnissen – sehr ähnlich. Der Jagdbomber als definierte Einsatzmaschine für niedrige Flughöhen und in den Erdkampf eingreifend stellt für alle Bodenoperationen eine große Gefahr dar. Zusätzlich wird die Abwehr von Jagdbombern durch die gesamte Flugzeugtechnik selbst erschwert. Gegen überschallfähige Strahlflugzeuge ist ein optisch manuell geführter Feuerkampf mit Rohrartillerie zur Flugzeugabwehr unrealistisch. Angesichts der neuen Bedrohungslage entschließt sich die Bundeswehr, moderne amerikanische Flugabwehrraketensysteme einzuführen. Sie sollen die überforderte Rohrartillerie der
MACHTDEMONSTRATION: Startrampen mit 3M9M-Flugabwehrraketen der Truppenluftabwehr während einer Militärparade in Ostberlin in den 1970er-Jahren Foto: ullstein bild – Ulli Winkler
Flugabwehr ablösen. Fortan soll das Flakraketensystem MIM-23 A „Hawk“ gegnerische Flugzeuge in niedrigen und mittleren Höhen aufs Korn nehmen. Im Technologiebereich funkgesteuerter Feststoffraketen zur Flugzeugabwehr war das Deutsche Reich Ende des Zweiten Weltkrieges führend. Unter den Fittichen der Luftwaffe wurden Fla-Raketensysteme durchgeplant und teilweise auch gebaut. Sie fielen 1945 den Alliierten in die Hände. So ist die relativ schnelle Entwicklung der „Hawk“ durchaus verständlich. 1953 vergibt die U.S. Army den Entwicklungsauftrag für ein „Raketensystem zur Abwehr schnell fliegender Flugzeuge im niedrigen bis mittleren Luftraum. Nach der Auftrags-
vergabe an die Firma Raytheon startet die erste „Hawk“-Rakete bereits zwei Jahre später. Der erste „scharfe Schuss“ wird am 22. Juni 1956 verzeichnet. Mit der Serienfertigung beginnt Raytheon 1958.
Tödliche Explosionswolke Die erste Version der Flugabwehrrakete MIM-23 A reicht 25 Kilometer weit bis in eine Höhe von maximal 13.700 Metern. Sie verbreitet mit ihrem 54 Kilogramm schweren Gefechtskopf eine Explosionswolke von 1.700 Splittern, sobald sie ein Ziel trifft. Bis heute bei vielen Staaten auf der Welt noch im Arsenal, erfahren das System und die Rakete „Hawk“ mehrere Kampfwertsteigerungen. So auch während des Einsatzes des
„Hawk“-Systems bei der Bundeswehr in den Jahren von 1965 bis 2005. Die grundlegendste Modifikation verbessert die Feststoffrakete entscheidend. Zwischen Februar 1975 und Oktober 1978 wird aus der MIM-23 A eine sogenannte „Improved Hawk“. Jetzt verfügt der Lenkflugkörper mit der neuen Typbezeichnung MIM-23 B über folgende Leistungsparameter: Mit einer Reichweite von 40 Kilometern und einer maximalen Wirkungshöhe von 17.700 Metern ist die „Hawk“ der russischen Flugabwehrrakete 3M9M deutlich überlegen. In 900 Metern pro Sekunde kommt sie mit 300 Metern pro Sekunde schneller an als ihr „Ostpendant“. Damit lässt sie den Jagdbomberpiloten mit rotem Stern oder NVA-Symbol auf dem Rumpf im Ernstfall kaum eine Chance, selbst durch heftige Ausweichmanöver ihrer Explosionswolke zu entgehen. Wenn der 75 Kilogramm schwere Gefechtskopf der modernisierten „Hawk“ detoniert, erzeugt er 16.000 kleine Splitter, die jede Flugzeugbeplankung durchschlagen und auf alle Systeme im Innern vernichtend wirken.
Schutz von Atomwaffenlagern AUF DEM SCHIRM: Radar-Komponente des Systems MIM-23 A „Hawk“, Zielverfolgungsradar zur Lenkung der Flugkörper ans Ziel Foto: picture-alliance/ZB©dpa-Report
Clausewitz 6/2015
GROßE REICHWEITE: 110 Kilometer weit reicht das Impuls-Erfassungsradar zur Luftraumüberwachung des Systems „Hawk“ Foto: picture-alliance/ZB©dpa-Report
Die Entscheidung für das Flugabwehrsystem „Hawk“ fällt Anfang der 1960er-Jahre, wodurch man den NATO-Flugabwehrraketengürtel der „Nike“-Raketen ergänzt. Diese sollen vor allem hochfliegende und über-
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Militär und Technik | Flugabwehrraketen BLITZSTART: „Hawk“Start vom Launcher M-78. Vor dem Brennschluss ihrer Feststoffrakete ist die „Hawk“ 900 Meter in der Sekunde schnell Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann
GEN HIMMEL GERICHTET: Flugabwehrraketen vom Typ „Hawk“, Aufnahme aus dem Jahr 1990 Foto: ullstein bild – amw
schallschnelle Ziele wie Bomber oder Bomberpulks bekämpfen. Der Jagdbombergefahr muss ein gestaffelter Abwehrgürtel in Mitteleuropa Paroli bieten. Für diesen Abwehrgürtel auf der Westseite des Eisernen Vorhangs wird die „Hawk“ von der Bundesrepublik Deutschland, den Niederlanden, Belgien und Frankreich eingeführt. Auch die US-Armee stationiert das System ab 1960 in Westdeutschland. Von diesen „Hawk“-Stellungen aus werden vor allem die US-Atomwaffenlager gesichert. Mit den europäischen NATO-Partnern wird eine Lizenzherstellung einiger Komponenten des Lenkwaffensystems durch Produktionsstätten in Westeuropa beschlossen. Dort beginnt die Fertigung ab 1961. Im Rahmen des geplanten Luftverteidigungsgürtels wird die „Hawk“ dann ab 1963 von der Luftwaffe der Bundeswehr auch in Niedersachsen stationiert.
„Hawk“-Gürtel Alle Komponenten des Systems sind auf Rädern – auf Lkw oder Anhängern verladen – voll mobil ausgelegt. In Spannungszeiten sollen erkundete Feldstellungen bezogen werden, die jederzeit schnell gewechselt werden können: Ein überlebenswichtiger Faktor für den Raketeneinsatz, der durch Lärm und extreme Rauchentwicklung vom Gegner nicht lange unaufgeklärt bleibt. In Friedenszeiten sind dagegen fest ausgebaute Einsatzstellungen eingerichtet, die innerhalb eines geschützten militärischen Bereichs zur Luftraumsicherung genutzt wer-
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den. Im Falle eines Überraschungsangriffs wäre aus diesen Arealen der Kampf aufgenommen worden. Jede Batterie verfügt darüber hinaus über bis zu fünf vorerkundete Wechselstellungen für den weiteren Kampf nach dem Erstschlag. Der östliche Rand des „Nike“-Gürtels liegt etwa 150 Kilometer westlich des Eisernen Vorhangs. Der Gürtel der „Hawk“-Stellungen wird zwischen Grenze und dem „Ni-
TECNISCHE DATEN
Flugabwehrraketen Land–Luft
MIM-23 A „Hawk“ Hersteller Land Antrieb Länge Durchmesser Spannweite Gewicht Reichweite Gipfelhöhe Maximalgeschwindigkeit Gefechtskopf Lenkverfahren Einsatzverfahren Starteinrichtung Kampfbeladung Kampfsatz Feuereinheit Feuergeschwindigkeit Einführung Einführung Deutschland Produktionszeitraum Menge
ke“-Gürtel aufgebaut. Durch die anfangs relativ geringe Reichweite der „Hawk“ musste eine entsprechende Menge an Raketenstellungen installiert werden. Zum „Hawk“Gürtel gehört eine vordere und eine hintere Linie. Diese 1st und 2nd Row sind etwa 30 Kilometer voneinander entfernt. Auch in der Nord-Süd-Ausdehnung werden diese Entfernungen kaum überschritten. In Niedersachsen sind es dabei überwiegend nur rund 20
MIM-23 B „Hawk“ „Improved Hawk“
3M9M
Raytheon Raytheon Ulyanovsk Mechanical Plant USA USA UdSSR Feststoff einstufig Feststoff einstufig Feststoff zweistufig 5,08 m 5,03 m 5,85 m 0,37 m 0,37 m 0,33 m 1,19 m 1,19 m 0,93 m 584 kg 635 kg 604 kg 25 km 40 km 23,5 km 13.700 m 17.700 m 25 m bis 14.000 m 900 m/s Mach 2,5 900 m/s Mach 2,5 600 m/s 54 kg 1.700 Splitter 75 kg 16.000 Splitter 59 kg 3N12 Splitterladung halbaktives Zielsuchlenkverfahren halbaktive Funkmesslenkung Bedienergeführt o. halbauto. m. Rechner proportionale Annäherung M-76 Launcher LCHR 2P 25M 1 3 3 3 40 Lenkflugkörper 40 Lenkflugkörper 18 Lenkflugkörper 1 LFK alle 3 Sek. 1 LFK alle 3 Sek. 1 LFK alle 6 Sek. 1962 U.S. Army 1967 UdSSR 1965 Luftwaffe 1975–2005 1973–1981 NVA 1962–2014 1967–1985 37.000 Stk. 10.000 Stk.
Überlebenswichtiger Faktor Kilometer. Die ersten der voll ausgebauten Einsatzstellungen in Niedersachsen werden von der niederländischen Luftwaffe im August 1964 bezogen. Die letzten nimmt die Luftwaffe der Bundeswehr 1971 in Betrieb.
Kampfwertsteigerungen Eine „Hawk“-Flugabwehrraketengruppe entspricht etwa der Personalgröße eines Bataillons. Zu ihr gehören am Ende der Einsatzzeit des Systems bei der Bundeswehr bis zu acht Feuereinheiten. Sie werden zusammen von einer Kampfführungsanlage GEHOC (German „Hawk“ Operation Center) gesteuert. Eine Feuereinheit der kampfwertgesteigerten Version „Hawk“ PIP II besteht aus der Feuerleit- und der Abschussgruppe. Zur Feuerleitgruppe mit ihrem Feuerleitstand PCP (Platoon Command Post), in dem das Freund-Feind-Kenngerät IFF (Identification Friend or Foe) sowie der Waffenrechner (ADP) untergebracht sind, gehört zudem ein Dauerstrich-Erfassungsradar CWAR (Continuous Wave Acquisition Radar). Die Abschussgruppe nach PIP II setzt sich zusammen aus einem Dauerstrich-Beleuchtungsradar HPIR (High-Powered Illuminator Radar), zusammen mit dem Infrarot-Erfassungssystem HEOS („Hawk“ Electro-Optical Sensor). Bleiben noch die drei Werfer und Ladefahrzeuge im Abschussbereich. Dort sind drei Dreifachstartgeräte auf Anhängern LCHR (Launcher M-78) mit je drei Lenkflugkörpern pro Startgerät aufgestellt. Beladen werden diese mit einem Ladefahrzeug auf Kettenfahrgestell. Der Loader M-501 dient zum UmlaMARTIALISCH: Drohend in Schussbereitschaft, Startrampen des Flugabwehrraketenkomplexes 2K-12 bei einer Nachtübung Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann
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GEFÄHRLICH: Im Takt von drei Sekunden kann das Flugabwehrsystem „Hawk“ eine Rakete auf gegnerische Jagdbomber abfeuern Foto: picture-alliance/dpa©dpa-Bildarchiv
den der Flugkörper vom einachsigen Transport- oder Palettenanhänger PAL (Pallet M-390C) mit Halterungen für drei Raketen auf das Startgerät. Bei einer Feuereinheit sind sechs solcher Anhänger mit je drei Raketen vorhanden. Bis zum Ende des Kalten Krieges stehen die „Hawk“-Stellungen der NATO im Luftverteidigungsdienst. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands und geänderten geografischen und politischen Ausgangssituationen entfällt der Sinn des Flugabwehrraketengürtels. Zunächst sind Umorganisationen, schließlich Verbandsauflösungen die Folge. Trotzdem dauert es noch mehr als zehn Jahre bis die letzten „Hawk“Stellungen aufgelöst und die Areale an zivi-
le und private Nutzer verkauft werden. Seit 2005 gibt es in Deutschland keine stationären „Hawk“-Stellungen mehr.
NVA-Raketenkomplexe Während des Kalten Krieges spielt das militärische Element der Bewegung im Gelände aller Raketensysteme – oder Raketenkomplexe wie es im zeitgenössischen Sprachgebrauch heißt – östlich des Eisernen Vorhangs eine besondere Rolle. Auch die Startrampen für das Flugabwehrraketensystem der NVA kommen deshalb auf Ketten daher. Sie sollen gemeinsam mit den Panzer-, Artillerie- und Schützenverbänden vorrücken und tragen im Ernstfall zu einer hohen Dynamik des Gefechts bei. Aufgrund ihrer Mobilität können
TECNISCHE DATEN Gefechtsmasse Besatzung Abmessungen L / B / H Bodenfreiheit Fahrzeugbasis Flugabwehr Rakete Kampfsatz Watfähigkeit Fahrbereich Straße / Gelände Höchstgeschwindigkeit Steigfähigkeit Motor Leistung Kraftstoffvorrat Kühlung Federung
Startrampe 2P-25 M 20,6 t 3 Soldaten 6,965 m / 3,043 m / 3,196 m 40,0 cm GM-578 3M9M 3 1m 380 km / 330 km 50 km/h 30 Grad W 6M 4-Takt-Diesel / R 6 280 PS / 206 kW 680 Liter Wasser Drehstab
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Militär und Technik | Flugabwehrraketen
AUSGEMUSTERT: Flugabwehrrakete vom Typ 3M9M in einem Depot in Eggesin (Mecklenburg-Vorpommern) nach dem Ende der DDR Foto: ullstein bild – Mehner Klaus Mehner
Startrampen und ihr Tross an Geräten auf Kette und auch auf Rädern schnell an die Brennpunkte des Kampfgeschehens beordert werden. Der Fla-Raketenkomplex 2K-12 „Kub“ verwendet als Startrampe für seine Flugabwehrraketen das Panzerfahrgestell GM-578 als Fahrzeugbasis. Mit der montierten Raketentechnik ist es danach die Startrampe 2P-25 M1, die von drei Soldaten in das Gefecht geführt wird. Mit ihr werden drei russische Flugabwehrraketen 3M9M transportiert. Diese starten im Zusammenwirken mit einer Aufklärungs- und Leitstation (ALS) 1S91M2 im Sechs-Sekunden-Intervall gegen eines oder mehrere Luftziele. Ziele zwischen 25 Metern und 14 Kilometern Höhe können auf diese Weise bekämpft werden.
Waffensystem 2K-12 „Kub“ Ab 1970 beschafft die DDR-Staatsführung das sowjetische Waffensystem 2K-12 „Kub“ (russisch: Würfel) für die Nationale Volksarmee (NVA), das als SA-6 „Gainful“ in den NATO-Sprachgebrauch eingeht. Es dient zur Luftabwehr gegnerischer Jagdbomber und später auch von Kampfhubschraubern bei den Panzer- und Mot.-Schützendivisionen im Angriff, in der Verteidigung und auf dem Marsch. Eingesetzt ist das System dann ab 1976 in den Flugabwehrraketenregimentern der Truppenluftabwehr. Diese avancierte ab 1961 zur eigenen Waffengattung innerhalb der NVA. Von Anfang an sind die Fliegerabwehrraketenregimenter (FRR) 7 und 9 der NVA mit je fünf Batterien ausgerüstet. Für die Panzerdivisionen (PD), die mot.-Schützendivisionen (MSD) sind dagegen in den zugeordneten Fla-Raketenregimentern 1, 4, 8 und 11 nur vier Batterien vorgesehen. Ab 1984 wird das FRR-8 der 8. MSD und ab 1987 das FRR-11 der 11. MSD auf das modernere Waf-
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fensystem 9K33 umgestellt. Die vorhandenen 2K12-Systeme dieser Regimenter werden den Reservedivisionen übergeben. Das Fliegerabwehrraketenregiment beziehungsweise die Brigade setzt sich aus vier bis sechs Flugabwehrraketenbatterien, einer Führungsbatterie und einer Technischen Batterie zusammen. Eine Flugabwehrraketen-
452 T, einer Kabine zur Gefechtsführung (KBU) 9S416, einem Fahrzeug für zentralisierte Feuerleitung FuKS, einer Rundblickstation (RBS) 40 und weiteren Rundblickstationen, das heißt Radargeräten zur Aufklärung, Freund-Feind-Erkennung sowie Zielfindung. Die Technische Batterie, zuständig für Versorgung, Prüfung und Instandsetzung, besteht aus Raketentransportfahrzeugen 9T22, Transport- und Ladefahrzeugen 2T7, verschiedenen Kontroll- und Prüffahrzeugen, Kränen und sonstiger Ausrüstung. Der Führungsbatterie obliegen die Aufklärung des Luftraumes und die Zielzuweisung. Die Flugabwehrraketenbatterie ist dafür zuständig, Luftziele unmittelbar zu bekämpfen. Die Technische Batterie hat für die Montage, Betankung, Kontrolle und Zuführung weiterer Flugabwehrraketen zu sorgen.
Auflösung und Demontage Das Waffensystem „Kub“ arbeitet mit einem halbaktiven Verfahren. Dazu muss das Luftziel bis zur finalen Annäherung des Lenkflugkörpers nach dem Brennschluss des Raketenmotors und des Weiterfluges mittels Staustrahltriebwerk durch einen
„Three Fingers of Death“ Bezeichnung des Raketenkomplexes 2K-12 „Kub“ durch israelische Piloten während des Jom-Kippur-Krieges
batterie des Systems „Kub M“ besteht am Ende seiner Verwendungszeit in der NVA aus einer Aufklärungs- und Leitstation (ALS) 1S91M2, vier Startrampen 2P25M2, zwei Transport- und Ladefahrzeugen 2T7M, einer Kabine zum Empfang der Zielzuweisung (KPC) 9S417, 18 Flugabwehrraketen 3M9M sowie einem Schützenpanzerwagen BRDM-2 oder BTR-60 als Aufklärungs- und Führungsfahrzeug. Die Führungsbatterie setzt sich zusammen aus einem Vermessungsfahrzeug UAZ
IM MANÖVER: Training des Auf- und Absitzens an einer Startrampe 2P25M des FlaRaketensystems „Kub“ der NVA Foto: Sammlung Dirk Krüger
Funkstrahl fixiert werden. Hinsichtlich der Anzahl der Raketen, die gleichzeitig ein Ziel bekämpfen, ist der Einsatz von mehr als drei Raketen nicht vorgesehen. Die zweistufige Feststoffrakete 3M9 wird dabei nicht direkt auf das Luftziel gelenkt, sondern auf einen veränderlichen Vorhaltepunkt. Die Aufklärungs- und Leitstation 1S91M ist der Führungspunkt der Flugabwehrraketenbatterie. Im Gefecht mit Luftzielen erfasst die ALS diese und „begleitet“ sie. Bei ihrem Anflug folgt die Flugabwehrrakete einem Radarsignal, mit dem die Leitstation das Zielflugzeug anstrahlt. Ein solches Signal vermisste der eingangs erwähnte israelische Phantompilot kurz vor seinem Abschuss: Ein tragischer Programmierfehler der israelischen Radarwarngeräte, wie sich später herausstellen wird. Im Bestand der Truppenluftabwehr der NVA befinden sich bei der Auflösung der Verbände rund 1.200 Boden-Luft-Raketen von Typ 3M9M. Sie werden von einer Privatfirma im ehemaligen Instandsetzungswerk für die Raketen in Pinnow demontiert und entsorgt. Ähnliches geschieht auch mit den Startrampen und Leitstationen des Raketenkomplexes „Kub“.
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Meinung
Nordkorea: zwischen Irrsinn und Isolation
Opfer der Geschichte? Militär, Raketen, eine unterdrückte Bevölkerung und ein grinsender Diktator an der Spitze. So sieht das Bild vom Norden der koreanischen Halbinsel aus. Welchen Anteil hat die Vergangenheit an dieser Situation? Von Alexander Losert
O
ffizielle Filmaufnahmen aus Nordkorea: Kim Jong-un bei einem Truppenbesuch, Kim Jong-un besichtigt Kasernen, Kim Jong-un lächelnd an der Seite von Pilotinnen seiner Luftwaffe, Kim Jongun in einem Panzer und so weiter. Diese und ähnliche Bilder aus diesem abgeschotteten Land dominieren die westlichen Nachrichten. Ihre Botschaft: Ein aggressiver Diktator lässt die Muskeln spielen. Besonders die drei Atomwaffentests und das neue Raketenprogramm erfüllen die Nachbarn, vor allem Südkorea und Japan, mit Unbehagen. Sanktionen, eingefrorene Konten, gemeinsame Militärmanöver und andere Maßnahmen sind die Folge dieses Säbelrasselns. Auf lange Sicht
JUNGER DIKTATOR: Wie wahnsinnig ist Kim Jong-un wirklich? Der Mann mit dem markanten Haarschnitt und Herr über eine gewaltige Streitmacht besucht hier Soldaten bei einem Manöver. Im Westen gilt er als „Bad Guy“ par excellence – doch wie zielführend sind Embargos und Drohungen gegen den „SchurkenAbb.: picture alliance/dpa staat“?
soll natürlich das stalinistische Regime verschwinden, das zur „Achse des Bösen“ zählt. So drückte sich einst zumindest der ehemalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld aus. Auch die humanitäre Karte wird gerne gespielt, wenn es darum geht, neue Aktionen gegen Nordkorea zu beschließen. Ähnliche Missstände im direkten Nachbarland China werden dagegen höchstens mit dem erhobenen Zeigefinger bedacht – Absatzmarkt bleibt schließlich Absatzmarkt.
Korea in der Klemme Doch zeigt sich die Kim-Dynastie bisher als äußerst langlebig und widerspenstig gegenüber dem Westen, seinen Nachbarn und den verhängten „Strafen“. Bislang, soweit man den Informationen Glauben schenken kann, sind keine Anzeichen für einen Wechsel erkennbar. So setzt der neue starke Kim nur
fort, was sein Großvater Kim Il-sung begonnen und sein Vater Kim Jong-il fortgeführt hat: Den Aufbau eines National-Kommunismus, an dem alle Werktätigen gemeinsam mitwirken sollen. Vor allem der Gemeinschaftssinn ist eine der Tugenden, an die nordkoreanische Medien immer wieder erinnern, wenn die „Aggressoren“ wieder gegen „das schönste Land der Welt“ vorgehen. Denn dass Wirtschaftsembargos die regierende Clique eher stärken als schwächen, scheint bei manchen „Falken“ der westlichen Politik auf taube Ohren zu stoßen. Der Druck von außen, erzeugt genau das, womit die Koreaner, zumal im Norden, in ihrer Geschichte ständig konfrontiert waren: eine externe Bedrohung. Dazu drei Beispiele: 5.000 Jahre Geschichte lassen sich auf der Halbinsel finden, die äußerst wechselvoll verliefen. Einige Episoden zeigen, dass diese Ecke der Welt in den vergangenen Jahrhunderten ein Spielball der Mächtigen gewesen ist. Ende des 16.
Jahrhunderts führt etwa der Japaner Toyotomi Hideyoshi ein Samurai-Heer nach Korea, um das Land zu unterwerfen. Und auch einige Jahrhunderte später sollten es wieder die Japaner sein, die sich anschicken das Land unter ihr Joch zu zwingen. Beginnend mit der Meji-Restauration (1868) strebt das „Land der aufgehenden Sonne“ nach Modernisierung. Wirtschaft, Verwaltung und Militär sollen westlichen Standards entsprechen. Auch ist man erpicht darauf, Kolonien zu besitzen. Korea ist eines der Objekte der Begierde. Im Jahr 1876 muss es den Vertrag von Kanghwa unterschreiben, der Japan unter anderem exterritoriale Rechte und die Öffnung von drei Häfen für den Handel zusichert. Dies läuft im Endeffekt auf die Ausbeutung des Landes hinaus. Vergeblich hoffen die Koreaner auf ihre Schutzmacht China. Der dortige Kaiser ist aber selbst geschwächt und kämpft um seinen Machterhalt. Dennoch kommt es 1895 zum Krieg zwischen China und Japan – ausgetragen in Korea. 1905 sichern schließlich die USA und Großbritannien den Japanern Handlungsfreiheit in Korea zu. So vollzieht sich 1910 nur etwas, was inoffiziell schon lange Realität ist: Korea wird zur Kolonie des Inselstaates. Die folgende Zeit ist ein schwerer Schlag für den Nationalstolz der Koreaner. Zwangsprostitution, die Unterdrückung der Kultur, wirtschaftliche Ausbeutung und vieles mehr müssen sie die nächsten 35 Jahre erleiden. Zum Ende hin taucht aber ein Mann auf, dessen Familie die Geschicke Nordkoreas bis heute dominiert. Kim Il-sung, um den sich in diesem Zusammenhang viele Mythen ranken, kämpft gegen die japanischen Besatzer – die Basis für seine Verehrung. Doch sind es nicht seine Rebellen, die schlussendlich den Aggressor in die Knie zwingen. Im August 1945 tritt die UdSSR in den Pazifik-Krieg ein und besetzt die koreanische Halbinsel nördlich des 38. Breitengrades. Nach dem in Europa bereits erfolgreich praktizierten Modell unterstützen die Sowjets ihnen wohlgesonnene Gruppierungen. Davon gibt es mehrere und am Ende sollte die zunächst kleinste von ihnen (Kapsan-Fraktion) aus den Machtkämpfen hervorgehen, und diese führt eben Kim
Literaturtipps Christian Eisert: Christian Eisert: Kim und Struppi – Ferien in Nordkorea, Berlin 2014. Rüdiger Frank: Nordkorea – Innenansichten eines totalen Staates, München 2014.
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Kurioses aus Korea
Viele der alten Omnibusse in Pjöngjang tragen rote Sterne an den Seiten. Einer war mit 39 davon unterwegs. Dies ist aber keine Verzierung. Vielmehr steht ein Stern für 50.000 gefahrene Kilometer, also fast zwei Millionen Kilometer für dieses eine Fahrzeug!
In Nordkorea gibt es eine Kunstfaser, die es nur dort gibt: Vinalon. In ihr sind die heimischen Rohstoffe Anthrazit und Kalkstein zu finden. Ganz im Sinne des Autarkiegedankens.
Kim Il-sung und Kim Jong-il sind eigene Blumenzüchtungen gewidmet. Die Kimilsungien (eine Orchideen-Sorte) und die Kimjongilien (eine Begoniensorte).
Il-sung. Begünstigend für seine Position erweist sich das dritte einschneidende Erlebnis der Koreaner: der Korea-Krieg. Wer auch immer die ersten Schüsse abgeben haben mag – darüber herrschen in beiden Landesteilen natürlich unterschiedliche Ansichten – der dreijährige Konflikt verändert das Gesicht der Halbinsel. Schließlich einigt man sich auf eine Teilung des Landes am 38. Breitengrad mit einer demilitarisierten Zone. Diese Grenze existiert noch heute.
Abwehr äußerer Aggressoren Auf diese Weise etabliert sich im durch Luftangriffe zerstörten Nordkorea das Regime der Kims, die sich im Kalten Krieg auf die Seite des Ostblocks schlagen. Dabei folgt man aber keiner bestimmten Richtung, sondern entwickelt bald eine eigene Auslegung des Kommunismus als Legitimation: die Chuche-Ideologie, eine Art National-Kommunismus. Auch will man aus der Vergangenheit lernen und sich nicht mehr als Spielball missbrauchen lassen. Deswegen standen und stehen noch heute einige zentrale Punkte auf der Agenda dieses Staates: Nationalismus, Autarkie und ein starkes Militär als Schutzmacht. Der Nationalismus, der auch im Süden anzutreffen ist, ist quasi eine Trotzreaktion auf die Unterdrückung der Koreaner durch die Japaner. Mit der Autarkie will man sich unabhängig vom Ausland und anderen Mächten machen. Dies ist auch einer der Gründe, warum Nordkorea den Zusammenbruch der Sowjetunion übersteht. Dass diese Autarkie aber beispielsweise vom Agrarsektor her betrachtet utopisch ist, zeigen die Hungersnöte Ende der 1990er-Jahre und die Unterernährung großer Bevölkerungsteile. Das starke Militär (Nordkorea unterhält die fünftgrößte Armee der Welt)
soll verhindern, dass noch einmal fremde Mächte über das Land herfallen. Und das ist genau die Angst, die das Regime immer wieder aufs Neue schürt. Kontraproduktiv haben die Amerikaner nichts Besseres zu tun, als mit Südkorea gemeinsame Manöver vor der Haustür der Kims abzuhalten. Es ist ein bekanntes Phänomen: Bei einer großen Bedrohung von außen rückt das Volk zusammen – das ist keineswegs nur in einer Diktatur so! Und natürlich hat man in Pjöngjang auch 2003 verfolgt, unter welchen fadenscheinigen Begründungen die USA und Großbritannien in den Irak einmarschiert sind. Wer laut Definition zur „Achse des Bösen“ gehört, sucht natürlich nach Mitteln und Wegen, um sich vor solchen Strafaktionen zu schützen. Was würde daher näher liegen, als sich in den Besitz von Atomwaffen zu bringen? Deswegen sollte man die Atommacht Nordkorea anerkennen und ihr nicht nur ausschließlich aggressives Offensivpotenzial unterstellen. Wohin das Land unter seinem neuen Führer steuert, ist bislang noch unklar. Veränderungen sind sichtbar, Reformen kommen langsam in Gang, doch ist es kontraproduktiv, vor allem von westlicher Seite, seinen Willen mit Sanktionen und Militärmanövern durchsetzen zu wollen. Geduld dürfte wohl das Gebot der Stunde sein, denn kein Regime besteht ewig. Deswegen: Die Vergangenheit verstehen, heißt die Gegenwart zu meistern und eine gute Zukunft zu bauen.
Daten zu „Nordkorea“ Ländername: Demokratische Volksrepublik Korea (DVRK), meist einfach als „Nordkorea“ bezeichnet. Nachbarländer: Im Süden die Republik Korea (meist als „Südkorea“ bezeichnet), im Norden die Volksrepublik China sowie die Russische Föderation. Größe: 122.762 Quadratkilometer (etwas kleiner als Griechenland), Nord-Süd-Ausdehnung ungefähr 500 Kilometer. Bevölkerung: Zirka 25 Millionen. Hauptstadt: Pjöngjang, etwa 2,5 Millionen Einwohner. Nationalfeiertag: 9. September (Gründung der DVRK am 9. September 1948). Regierungsform: Sozialistische Volksdemokratie, unter Führung der Kim-Dynastie. Das Militär und die Sicherheitskräfte haben eine starke Stellung im Staat. Opposition: Es gibt keine Opposition. Quelle: Auswärtiges Amt
Alexander Losert M.A., Journalist und Politologe.
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Kriege, Krisen und Konflikte | Der Hundertjährige Krieg LÖWE GEGEN LILIE: Der Krieg um den französischen Thron ist eigentlich dynastischer Natur, bei dem sich zwei große Lehnsverbände gegenüberstehen – und weniger ein Konflikt zwischen zwei Staaten im modernen Sinn Zeichnung: Guiseppe Rava/ www.g-rava.it1
Der Hundertjährige Krieg
Kampf um Frankreichs Thron D
ie Ursachen des Hundertjähren Krieges liegen in komplizierten dynastischen Verhältnissen, deren Wurzeln bis in die Zeit der Normannen reichen. Nachdem Wilhelm der Eroberer, der Herzog der Normandie, im Jahr 1066 England besetzt, wird er dort zum König gekrönt. Gleichzeitig sind er und seine Nachfolger aber weiterhin nicht nur Herzöge der Normandie, sondern sie beherrschen durch ihre Verbindung mit dem Haus Anjou auch im Westen Frankreichs weite Gebiete. Damit müssen sie, obwohl selbst Könige, die Lehnshoheit des Kö-
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nigs von Frankreich anerkennen. Nach dem Aussterben des französischen Königshauses der Kapetinger erhebt der englische König Edward III. aufgrund seiner Abstammung (seine Mutter ist die Tochter König Philipp IV. von Frankreich) Ansprüche auf den französischen Thron. Nachdem der neue Herrscher Philipp VI. 1337 auch noch in Frankreich gelegene englische Territorien erobert, kommt es zum Krieg. Der Verlauf des Hundertjährigen Krieges ist durch lange Unterbrechungen gekennzeichnet, die auf halbherzige Friedens-
schlüsse folgen, bei denen ein Wiederaufflammen der Feindseligkeiten nur eine Frage der Zeit ist.
Ein Sturm rettet England Die erste Phase beginnt mit maritimen Operationen, da England und Frankreich durch den Ärmelkanal getrennt sind. Über diesen Meeresarm erhebt die englische Krone seit dem Ende des 13. Jahrhunderts – aufgrund der wichtigen Seehandelsrouten – einen Hegemonie-Anspruch. Bei Betrachtungen zum Hundertjährigen Krieg wird dem
1337–1453: Der Hundertjährige Krieg zwischen England und Frankreich ist eine der größten und längsten Auseinandersetzungen des Mittelalters. Durch das Wechselspiel der militärischen Allianzen wird halb Europa in das blutige Geschehen mit hineingezogen. Von Otto Schertler AUSLÖSER: 1328 stirbt Karl IV. Der Thronfolge-Streit war ein wichtiger Kriegsgrund Abb.: picture-alliance/akgimages
Seekrieg oft nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Dabei spielen sich besonders zu Beginn wichtige Seegefechte ab, die für den Fortgang des Konfliktes von Bedeutung sind. Zunächst sind die Franzosen, die zahlreiche genuesische Galeeren in Dienst nehmen, sehr erfolgreich. Die Städte Portsmouth, Southampton und Hastings werden geplündert und teilweise zerstört. Eine von König Philipp VI. geplante Invasion Englands scheitert jedoch an einem Sturm, der viele Schiffe in Mitleidenschaft zieht. Nach dem
FAKTEN 1337/39 1340 1346 1347 1356 1360
1372 1415 1420
1429 1435 1436 1453
Chronologie Beginn des Krieges Seeschlacht von Sluis Schlacht von Crécy Engländer erobern Calais Schlacht von Poitiers Vertrag von Brétigny: Frankreich verzichtet auf Territorien, Edward III. verzichtet auf den Thron Frankreichs Seeschlacht von La Rochelle Schlacht von Azincourt Vertrag von Troyes: Der englische König Heinrich V. wird Regent und Erbe der französischen Krone Aufhebung der Belagerung von Orléans Vertrag von Arras: Burgund löst die Allianz mit England Eroberung von Paris Schlacht von Castillon, Ende des Krieges
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Kriege, Krisen und Konflikte | Der Hundertjährige Krieg HINTERGRUND
Johanna von Orléans (Jeanne d’Arc)
Obwohl viele Faktoren und große Heerführer wie beispielsweise Bertrand du Guesclin zur englischen Niederlage beigetragen haben, bleibt Johanna von Orléans’ moralischer Einfluss von höchster Bedeutung für den Verlauf des Hundertjährigen Krieges. Johanna wird 1410/12 in Domrémy-la-Pucelle als Tochter wohlhabender Landleute geboren. Bald hat sie religiöse Visionen, die sie berufen, den Dauphin (Thronfolger, später Karl VII.) zur Krönung nach Reims zu führen, sowie die Engländer aus Frankreich zu vertreiben. Im Jahre 1429 wird sie von Karl empfangen und kann diesen von ihrer Mission überzeugen. In voller Rüstung begleitet sie die Truppen. Durch ihren Ansporn und persönli-
NATIONALHELDIN: Jeanne d’Arc gehört neben Napoleon und Charles de Gaulle zu den bekanntesten Franzosen und „Rettern Galliens“. Das 1858 entstandene Gemälde zeigt die spätere Märtyrerin beim Entsatz des belagerten Orléans 1429 Abb.: akg-images/François Guénet
chen Einsatz gelingt es den Franzosen, die Belagerung von Orléans durch die Engländer aufzuheben. Damit ist ein entscheidender Wendepunkt im Verlauf des Krieges erreicht. Noch im selben Jahr wird Karl in Reims gekrönt. Das Kriegsglück bleibt Johanna aber nicht treu. Schließlich gerät sie 1430 bei Compiègne in die Gefangenschaft der mit den Engländern verbündeten Burgunder. Diese liefern sie den Engländern aus, die ihr den Prozess als Ketzerin und Zauberin machen – während der französische Hof untätig zusieht. 1431 wird Johanna in Rouen auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Bereits 1456 wird ihre Verurteilung von der Kirche aufgehoben, da sie schon den Zeitgenossen als große Heldin Frankreichs erscheint. Im Jahr 1920 spricht man sie schließlich heilig und erklärt sie zur zweiten Patronin Frankreichs.
auf einer Anhöhe auf. Das Zentrum wird durch abgesessene Panzerreiter und schwere Infanterie gebildet, während an den Flanken, vielleicht auch zusätzlich vor der Infanterie, die Bogenschützen in halbmondförmiger Formation Aufstellung nehmen. Dies erzeugt ein sich überschneidendes Schussfeld, wodurch die Wirkung des Pfeilhagels verstärkt wird. Die voller Siegesgewissheit zu Pferde anstürmenden französischen Ritter geraten in den gewaltigen Pfeilhagel der englischen Bogenschützen. Die dabei entstehende Verwirrung wird durch einen Gegenangriff der schweren englischen Infanterie genutzt, während die Masse der französischen Angreifer durch nachdrängende Truppen zusammengepresst wird. Auf dem beengten Raum sind die Franzosen weitgehend hilflos und können ihre zahlenmäßige Überlegenheit nicht ausspielen. Das Ergebnis ist eine schwere Niederlage.
Die englische Kampftaktik Rückzug der Genuesen ist die französische Flotte zusätzlich geschwächt und versucht, die flandrische Küste zu blockieren, da aufgrund des Bündnisses zwischen England und Flandern hier die Anlandung der englischen Invasionsarmee erwartet wird. Bei Sluis kommt es 1340 zur Seeschlacht, bei der die französische Flotte völlig vernichtet wird. Hier zeigt sich, noch lange vor den großen Feldschlachten, bereits die Effektivität der englischen Langbogenschützen: Die gegnerischen Schiffe werden unter schwersten Beschuss genommen. Nachdem er 1346 in der westlichen Normandie erneut an Land gegangen ist, macht
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sich Edward III. daran, einen ausgedehnten, „chevauchée“ genannten, militärischen Streifzug durch Nordfrankreich zu führen. Diese planmäßige Verwüstung weiter Landstriche soll nicht nur Beute einbringen und die eigenen Truppen versorgen, sie dient auch dazu, die Autorität des französischen Königs zu untergraben – indem man dessen Machtlosigkeit, die betroffenen Gebiete zu schützen, demonstriert. Dies zwingt den französischen König zur Feldschlacht. 1346 treffen die Heere bei Crécy aufeinander. Edward III. hat aufgrund genauer Ortskenntnisse möglicherweise das Schlachtfeld selbst ausgewählt und stellt seine Truppen
Der Ablauf der Schlacht von Crécy wird sich im Verlauf des Krieges noch einige Male ganz ähnlich wiederholen: Die meist personell unterlegenen Engländer nutzen natürliche Hindernisse wie Anhöhen, Wälder und Hecken, um Umgehungsmanöver zu verhindern und um ihre Bogenschützen zu decken. Nach Möglichkeit legen diese als zusätzlichen Schutz noch Feldbefestigungen an, die aus in den Boden gerammten Pfählen oder Bagagewagen bestehen. Das geschickte Zusammenspiel zwischen der Nutzung des Geländes, des Pfeilhagels und dem Gegenangriff der Fußtruppen verfehlt seine Wirkung nicht. Die französischen Rit-
Englands spektakulärster Sieg
Die Gegner Frankreich
England
Wichtige Heerführer Bertrand du Guesclin, Charles d’Albret, Edward III., Heinrich V., John Talbot, Johanna von Orléans, Jean Bureau Edward Plantagenêt (Der Schwarze Prinz) Verbündete Kastilien, Schottland
Flandern, Burgund
Truppen bei Crécy um die 25.000 Mann, Verluste: um die 14.000 Mann, Verluste: mehrere tausend Mann mehrere hundert Mann
ter hingegen führen ihre zwar tapferen, doch unüberlegten Angriffe aus – und werden meist verlustreich geschlagen. Dabei mangelt es den Franzosen nicht an guten Heerführern, die Erfolg versprechende Schlachtpläne ausarbeiten. Deren Gelingen hängt aber von Disziplin ab, die sich auf Grund der Eitelkeiten des Adels meist nicht durchsetzen lässt.
Der Krieg geht weiter 1347 fällt Calais an die Engländer und 1356 erleiden die Franzosen bei Poitiers erneut eine verheerende Niederlage, bei der der französische König Johann II. in Gefangenschaft gerät. Im Vertrag von Brétigny wird 1360 festgelegt, dass der englische König zahlreiche Territorien in Frankreich erhält und für diese nicht die Lehnshoheit des französischen Königs anerkennen muss. Im Gegenzug gibt die englische Krone den Anspruch auf den französischen Thron auf. Beide Seiten halten sich nicht an die Vereinbarungen und 1369 brechen die Feindseligkeiten erneut aus. Gleichzeitig wird Frankreich seit 1358 durch innere Unruhen erschüttert. Dennoch gelingt es den Franzosen unter dem Befehl von Bertrand du Guesclin die
Clausewitz 6/2015
Engländer bis auf wenige Gebiete in Westfrankreich zurückzudrängen, während die kastilische Flotte 1372 vor La Rochelle einen Seesieg gegen die Engländer davonträgt. In-
LEGENDÄRER SIEG: Zu den bekanntesten Schlachten des gesamten Krieges gehört Crécy. Im Jahr 1346 besiegt König Eduard III. von England seinen Kontrahenten König Philipp VI. von Frankreich. Die Rekonstruktionszeichnung von Peter Dennis zeigt englische Bogenschützen im Kampf mit französischen Rittern Abb.: akg-images/Osprey Publishing/The Longbow/Peter Dennis
söhnen sich Frankreich und Burgund aus, und 1436 können die Franzosen Paris zurückgewinnen. 1450 müssen die Engländer die Normandie räumen und 1453 kommt es
„Die englischen Bogenschützen machten einen Schritt nach vorne und schossen ihre Pfeile mit solcher Kraft und Schnelligkeit ab, dass es den Eindruck machte es schneite...“ Der französische Chronist Froissart über die Schlacht von Crécy
nerfranzösische Machtkämpfe führen schließlich zum Eingreifen König Heinrichs V. von England, der 1415 Harfleur erobert und im selben Jahr bei Azincourt einen legendären Sieg gegen die Franzosen erringt. Er gewinnt die Normandie zurück und kann Paris besetzen. 1420 erlangt Heinrich V. im Vertrag von Troyes die Anerkennung als Erbe der französischen Krone. Mit Johanna von Orléans, die es schafft die Belagerung von Orléans im Jahr 1429 aufzuheben, und der Krönung Karls VII. in Reims zum König wendet sich der Krieg schließlich zugunsten Frankreichs. 1435
zur letzten großen Schlacht bei Castillon, die die Engländer verlieren. Damit endet der Krieg.
Das Ende der Panzerreiter Insgesamt ist der Hundertjährige Krieg durch „chevauchées“, große Feldschlachten, Belagerungen und Angriffe von See her gekennzeichnet. In gewisser Hinsicht macht der Hundertjährige Krieg auch den Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit deutlich. „Trends“ treten zutage, die die mit Beginn des 14. Jahrhunderts erscheinenden Änderungen in der Kriegführung des euro-
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Kriege, Krisen und Konflikte | Der Hundertjährige Krieg päischen Mittelalters verfestigen. Dies zeigt sich beim verstärkten Einsatz von Belagerungsartillerie ebenso deutlich wie durch die schlachtentscheidende Rolle des in festen Formationen kämpfenden – und mit Fernwaffen (Langbogen) – ausgerüsteten Fußvolks. Gleichzeitig wird dadurch das Ende der militärischen Vorherrschaft der Ritter eingeläutet. Die englischen Panzerreiter tragen diesen Veränderungen bereits Rechnung, indem sie meist abgesessen kämpfen. Die französischen Befehlshaber schwören ihre Panzerreiter bald ebenfalls auf den Kampf zu Fuß ein, doch ganz lässt sich das ungestüme Angreifen zu Pferd nicht verhindern, wie es sich im Jahr 1415 bei Azincourt zeigt. Schwachpunkt bei diesen Attacken sind eindeutig die nicht so stark gepanzerten Tiere, bei denen jeder Treffer eine starke Wirkung zeigt. Die getroffenen Rösser stürzen und begraben ihre Reiter unter sich. Dadurch können die Bogenschützen die Reiter auf kürzeste Entfernung „unter Feuer“ nehmen.
Das Geheimnis des Sieges Die schwer gepanzerten Reiter werden von nun an immer mehr zu einer Waffengattung im Gesamtkonzept von Armeen, in denen die Infanterie die Hauptrolle spielt. Gleichzeitig werden durch den Krieg in Frankreich ab 1439 die Grundlagen für die Schaffung stehender Heere gelegt, die allein der König aushebt und einsetzt. Trotz der glänzenden militärischen Siege bei Crécy, Poitiers und Azincourt macht der Hundertjährige Krieg deutlich, dass die Entscheidung in einem Krieg nicht nur von siegreichen Feldschlachten abhängt. Der zähe Kleinkrieg und die vielen Belagerungen erweisen
HINTERGRUND
Die neue Macht der Fernwaffen
Der Verlauf des Hundertjährigen Krieges zeigt ganz klar, wie von nun an Fernwaffen den Fortgang des Krieges beeinflussen. Herausragend hierbei ist natürlich der englische Langbogen, dessen verheerender Pfeilhagel ein überaus bedeutendes taktisches Element innerhalb von Feldschlachten darstellt – das oft über Sieg oder Niederlage entscheidet. Dahinter tritt die Armbrust etwas zurück, wobei bei deren Einsatz auch taktische Fehler seitens der Franzosen begangen werden: Bei Crécy lassen die Genueser Armbrustschützen ihre Pavesen (großer Standschild) beim Gepäcktrain zurück und entbehren so den wichtigen Schutz, der das Laden ihrer Waffen in relativer Sicherheit ermöglicht. Wären die Pavesen zum Einsatz gekommen, hätte dies den Ausgang der Schlacht durchaus beeinflussen können.
Eine große Rolle spielt auch die noch relativ neuartige, aber immer besser werdende, Belagerungsartillerie. Dies hat einen fundamentalen Einfluss auf die zukünftige Gestaltung von Befestigungen, da die Bauweise mittelalterlicher Burgen der Wirkung der mächtigen Bombarden nicht lange standhalten kann. Der Krieg sieht vor allem in seiner späteren Phase auch den vermehrten Einsatz von Artillerie in offenen Feldschlachten, zum Beispiel in der letzten großen Schlacht von Castillon im Jahr 1453. Hier bringen die Franzosen 300 Geschütze zum Einsatz, an deren Feuerkraft eine Attacke der englischen Panzerreiter blutig scheitert.
UNTERGANG DER ENGLÄNDER: So wie die Franzosen bei Crécy durch die englischen Langbogenschützen besiegt werden, rennen etwa 100 Jahre später bei Castillon englische Panzerreiter vergeblich gegen französische Artillerie an Abb.: picture-alliance/akg-images
sich langfristig vorteilhaft für die zahlenmäßig überlegenen Franzosen, die auch ihre Kampfweise ändern, indem sie selbst Einheiten von Bogenschützen und stehende Truppen aufstellen und verstärkt Artillerie einsetzen. Zudem kämpfen sie im eigenen Land und werden, vor allem nach dem Erscheinen der charismatischen Johanna von Orléans, zusätzlich von einer Art „heiligem Nationalgefühl“ ergriffen. Anders als in vorhergehenden mittelalterlichen Kriegen, wo UMKÄMPFT: Die Burg Beynac in Aquitanien. Der Krieg um den französischen Thron besteht aus einer Reihe großer Feldzüge sowie lokal begrenzter Aktionen Abb.: picture alliance
die „Nationalität“ der Teilnehmer keine Rolle spielt, erscheinen die Engländer zunehmend als Invasoren.
Frankreichs neue Macht Das Ergebnis des Hundertjährigen Kriegs zeigt sich in tiefgreifenden Folgen: Das französische Königtum geht gestärkt aus dem Konflikt hervor, und das Land befindet sich auf dem Weg zum nationalen Einheitsstaat, während der Feudaladel sein Recht zur Aufstellung von Truppen einbüßt. Durch die endgültige Niederlage verlieren die englischen Könige ihren gesamten Festlandsbesitz (bis auf Calais). Gleichzeitig beginnt sich analog zu Frankreich auch in England ein überregionales Nationalgefühl zu entwickeln, das sich auch in einer Verdrängung der französischen Sprache zugunsten des Englischen zeigt. Otto Schertler, 1962, studierte Archäologie, Ethnologie sowie Vor- und Frühgeschichte an der Universität München. Er arbeitet als Autor und Übersetzer und ist Experte für die Kriege der Antike und des Mittelalters.
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Militär und Technik | „Dicke Bertha“
42-cm-Mörser von Krupp
Kaiserliche „Wunderwaffe“ August 1914: Deutsche Truppen erobern die als uneinnehmbar geltende belgische Festungsstadt Lüttich. Großen Anteil daran hat Deutschlands erste „Geheim- und Wunderwaffe“: der gewaltige 42-cmMörser von Krupp Von Lukas Grawe
E
s herrscht eine Art „Wettstreit“ gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts – zwischen der wachsenden Durchschlagskraft der Artillerie und den immer widerstandsfähigeren Bunker- und Festungsanlagen. Bis unmittelbar vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs scheinen die Beton- und Stahlwände den Sieg über die Kanonen und Haubitzen davon zu tragen. Vor allem die deutsche Armee und ihre Führung, das preußische Kriegsministerium und der Große Generalstab in Berlin, bemühen sich aber um eine Verschiebung der Kräfte zugunsten der Artillerie. Die deutschen Militärs sind auf eine durchschlagskräftige Waffe angewiesen, um die stark ausgebauten französischen Festungen im Falle eines Waffengangs einnehmen zu können. Nach der Niederlage im deutsch-französischen Krieg von 1870/71 hat sich die Französische Republik förmlich verbarrikadiert und entlang der Grenze zum Deutschen Reich einen mächtigen Sperrriegel errichtet. Auf diese Weise hofft die französische Führung, einen erneuten deutschen Angriff abwehren zu können. Der deutsche Kriegsplan setzt hingegen seit dem Amtsantritt Alfred von Schlieffens als Chef des Generalstabs auf einen raschen Sieg über Frankreich mit Hilfe eines Durch-
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marschs durch Belgien, um anschließend die gesamte deutsche Streitmacht gegen das russische Zarenreich wenden zu können. Die problematische geografische Mittellage zwischen den beiden Großmächten scheint andere Lösungen auszuschließen. Dabei kann sich die deutsche Armee nicht erlauben, Festungen langwierig zu belagern.
Erste Entwürfe Angesichts dieser Pläne nimmt die deutsche Militärführung in Zusammenarbeit mit der deutschen Rüstungsindustrie seit den 1880er-Jahren die Entwicklung schwerer Mörser und Haubitzen in Angriff. Federführend erweist sich dabei die „Artillerie-Prüfungskommission“ (APK), die für die Planung neuer Geschütztypen verantwortlich ist und mit zahlreichen neuen Vorschlägen und Anforderungen an die Waffenschmieden des Reichs herantritt. Vor allem die Firma Krupp zeichnet in den kommenden Jahren für die Herstellung der schwersten Geschütze verantwortlich. Anfang der 1890er-Jahre legt Krupp einen ersten Entwurf vor. Der
PROPAGANDA: Zeitgenössische Postkarte, die die vermeintliche Überlegenheit der „Dicken Bertha“ herausstellt Abb.: picture-alliance/akg-images
30,5-cm-Mörser L/8, umgangssprachlich auch „Beta-Gerät“ genannt, verfügt zwar über ein großes Kaliber. Doch die Schussweite mit 8.200 Metern ist mehr als unzureichend und kann die Ansprüche der APK nicht befriedigen.
Enorme Durchschlagskraft Dadurch angespornt setzt Krupp in den folgenden Jahren die Entwicklung von schweren Geschützen und Mörsern fort. Aufbauend auf dem „Beta-Gerät“ konstruiert die Waffenschmiede einen weiteren 30,5-cm-Mörser, der eine Schussweite von 11.700 Metern und deutlich bessere ballistische Leistungen als sein Vorgänger aufweist. Doch auch mit diesem Entwurf sind die Experten der APK nicht vollständig zufrieden. Da die französischen und belgischen Festungen laufend ihre Panzerungen verstärken, wird das Kaliber des Mörsers als nicht ausreichend angesehen. Tests zeigen, dass seine Granaten moderne Beton- und Stahldeckungen nicht durchschlagen. Die APK und der Große Generalstab fordern von der Firma Krupp im Jahr 1906 daher eine Erhöhung des Kalibers auf 42 Zentimeter. Gestützt auf die vorherigen Mörser legt die Essener Schmiede rasch einen neuen Ent-
wurf vor, der die Militärs auf Anhieb überzeugt. Der neue 42-cm-Mörser L/16, auch „Gamma-Gerät“ genannt, punktet vor allem mit einer großen Reichweite und einer enormen Durchschlagskraft. Allerdings fordern diese Attribute auch einen hohen Preis. So weist das „Gamma-Gerät“ in fertiger Feuerstellung ein Gewicht von bis zu 175 Tonnen auf. An eine schnelle Verschiebung der Geschütz-Einheit ist nicht zu denken. Da der Mörser nicht über Räder verfügt, muss die Bedienmannschaft ein 25 Kubikmeter fassendes Bettungsloch ausheben, in das das „Gamma-Gerät“ einbetoniert wird. Für einen Weitertransport muss der Mörser aufwendig aus der Bettung herausgesprengt werden. Zudem ist aufgrund des beschränkten Seitenrichtfelds nur eine geringe Zielabweichung möglich. Der Aufbau des Geschützes nimmt selbst bei einer eingespielten Mannschaft bis zu vier Tage in Anspruch und funktioniert nur mit Hilfe eines Krans. Für den Transport in mehrere, bis zu 25 Tonnen wiegende Einzelteile zerlegt, muss der Mörser auf eigens gelegte Eisenbahnschienen antransportiert werden. Diese münden direkt in die Geschützstellung. Zudem muss die bis zu 1.160 Kilogramm schwere Munition mit
einem Munitionsaufzug auf die Feuerhöhe von 3,40 Meter befördert werden. Diese Nachteile nimmt die APK angesichts der enormen Durchschlagskraft jedoch in Kauf.
Gewaltiger Aufwand Um die Geheimhaltung zu wahren und die gegnerische Spionage zu täuschen, wird der Mörser 1911 unter dem Namen „Kurze Marine-Kanone 12“ in die deutsche Armee eingeführt, ohne zuvor ausführlichen Tests unterzogen worden zu sein. Das „unnütze“ Abfeuern des Mörsers wird aufgrund der hohen Aufwendungen für Munition und Be-
FURCHTEINFLÖSSEND: Der 42-cm-Mörser der Firma Krupp sorgt zu Beginn des Ersten Weltkriegs für Aufsehen bei allen beteiligten Mächten Foto: picture-alliance/akg-images
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Militär und Technik | „Dicke Bertha“
SPÄTER EINSATZ: Wehrmachtsoldaten beim Laden eines 42-cm-Mörsers während des Angriffs auf Sewastopol 1942 Foto: picture-alliance/ZB©dpa
triebsaufwand verboten. Das Kriegsministerium veranschlagt die Kosten für einen Schuss auf bis zu 2.000 Mark. Zudem verfügt das Deutsche Reich über keinen Schießübungsplatz, der ausgedehnt genug ist, um die volle Reichweite des „Gamma-Geräts“ von bis zu 14 Kilometern unter Gewährleistung der Sicherheit zu testen.
Generäle sind begeistert Um den großen Nachteil des 42-cm-Mörsers, die mangelnde Beweglichkeit, auszugleichen, entwickelt Krupp seit 1908 erstmals ein schweres Geschütz mit Radgürtel. Zunächst liefert die Essener Firma einen rädergestützten 28-cm-Mörser an das Heer, der die deutschen Militärs sofort überzeugt. Die Generäle des Großen Generalstabs sind derart begeistert, dass sie 20 Exemplare ordern wollen. Doch das Kriegsministerium legt sein Veto gegen diese ambitionierten Anschaffungspläne ein. Bei Kriegsausbruch befindet sich daher nur der leihweise von Krupp zur Verfügung gestellte Test-Mörser bei der Truppe.
TECHNISCHE DATEN
GEWALTIG: Bettung eines „Gamma-Gerätes“ in Crépy-en-Laonnois, Pressefoto aus dem Jahr 1918 Foto: picture-alliance/akg-images
Angesichts der positiven Erfahrungen bei der Entwicklung des rädergestützten Mörsers plant Krupp nun auch eine „Räderversion“ des „Gamma-Geräts“, die ebenfalls über ein Kaliber von 42 Zentimetern verfügen soll. Hier betritt die Firma völliges Neuland, schließlich hat man es bei einem solchen Geschütz mit Kräften zu tun, die zuvor noch nie bewältigt werden mussten. In Zusammenarbeit mit der APK, die ständig neue Detailanforderungen stellt, legt Krupp schließlich ein Geschütz vor, das 1912 in die deutsche Armee eingeführt wird. Der 42-cmMörser L/12, der – ursprünglich als Minenwerfer konzipiert – die Bezeichnung „M-Gerät“ erhält, wiegt „lediglich“ 42,6 Tonnen und ist dank seines Radgürtels weitaus beweglicher als das „Gamma-Gerät“. Die Mobilität erzielt Krupp jedoch zu Lasten der ballistischen Leistungen. So ist die Reichweite des „M-Geräts“ mit 9,3 Kilometern deutlich geringer. Allerdings ist der Aufbau des Mörsers durch geübte Mannschaften bereits in einigen Stunden zu bewältigen.
Überzeugendes Versuchsschießen Da das „M-Gerät“ mobil und nicht auf eine Bettung angewiesen ist, lassen Krupp und die APK den neuen Mörser umfassend testen. Der Mangel an geeigneten Schießplätzen wird dadurch behoben, dass die preußische Armee zwischen den Plätzen Kummersdorf und Jüterbog in der Nähe des Ortes Kolzenburg einen behelfsmäßigen Schießstandort einrichtet. Dieser macht eine Erprobung des neuen Mörsers möglich. Das erste Versuchsschießen der neuen Waffe ver-
Schwere Mörser der deutschen Streitkräfte
K30,5-cm-Mörser L/8 („Beta30,5-cm-Mörser L/16 Gerät“) („Beta/09-Gerät in Bettung“) Kaliber 305 mm Mündungsgeschwindigkeit k.A. Gewicht 34 Tonnen, Bettung 10 Tonnen
305 mm 395 m/s 46 Tonnen, Bettung 10 Tonnen
42-cm-Mörser L/16 („Gamma-Gerät“)
42-cm-Mörser L/12 („MGerät“ oder „Dicke Bertha“) 420 mm 450 m/s 42,6 Tonnen
Schussweite
8,8 Kilometer
11,9 Kilometer
420 mm 450 m/s 140 Tonnen, mit Bettung 175 Tonnen 12,5 bis 14 Kilometer
Seitenrichtfeld Höhenrichtfeld Aufbauzeit Gewicht der Munition Feuergeschwindigkeit Lebensdauer Rohrlänge
30 Grad nach jeder Seite 50 bis 60 Grad k.A. 410 kg k.A. k.A. 2,44 Meter
20 Grad nach jeder Seite 43 bis 67 Grad 36 Stunden 410 kg k.A. k.A. 4,88 Meter
23 Grad nach jeder Seite 43 bis 66 Grad 36 bis 48 Stunden 930 oder 1.160 kg 8 Schuss pro Stunde 2.000 Schuss 6,72 Meter
Quellen: Turra, „Dicke Berta“; Korsar, „Die schwersten Geschütze der Welt“
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Auch der Transport des Geschützes verläuft wesentlich unkomplizierter. Das zerlegte „M-Gerät“ lässt sich mit Hilfe von Dampfschleppern verschieben. Dank der Räder ist auch ein weiterer Nachteil des „Gamma-Geräts“, das beschränkte Seitenrichtfeld, kein Problem mehr. Der mit einem Rohrrücklauf versehene Mörser verfügt über einen gigantischen Erdsporn. Dieser soll ein rückschlagbedingtes Verschieben des Geschützes verhindern.
9,3 Kilometer (ab 1916 auch 12 km) 10 Grad nach jeder Seite 0 bis 65 Grad 8 bis 12 Stunden 810, 960 oder 1.160 kg 8 Schuss pro Stunde 2.000 Schuss 5,04 Meter
GEWALTIGES KALIBER: Das Gewicht eines Geschosses beträgt 900 Kilogramm, wie auf der Granate am rechten Bildrand vermerkt Foto: picture-alliance/arkivi UG
läuft schließlich derart überzeugend, dass der Große Generalstab zwei Exemplare ordert. Unter der Bezeichnung „Kurze Marine Kanone 14“ werden sie in die Bestände des Heeres übernommen. In der Truppe greift aber rasch der Name „Dicke Bertha“ (auch: „Dicke Berta“) um sich. Ob die Bezeichnung auf die Erbin des Krupp-Konzerns, Bertha Krupp von Bohlen und Halbach, auf den Morsenamen für den Buchstaben B oder möglicherweise auf die bekannte Pazifistin Bertha von Suttner zurückgeht, bleibt allerdings unklar.
Angriff auf Lüttich Neben den beiden „Dicke Bertha“-Mörsern verfügt die deutsche Armee im August 1914 über fünf „Gamma-Geräte“ sowie über einige 30,5-cm-Mörser. Bereits zu Beginn des Weltkriegs kommt den schweren Geschützen eine entscheidende Rolle zu. Sie sollen die belgische Festung Lüttich sturmreif schießen, die den deutschen Armeen den Weg nach Nordfrankreich versperrt. Sechs größere und sechs kleinere Forts umgeben die Stadt wie einen Gürtel, die nach den deutschen Plänen bereits vor der eigentlichen Mobilmachung genommen werden sollen. Als am 5. August 1914 erste deutsche Infanterieangriffe an den hervorragend armierten und verbissen verteidigten belgischen Forts scheitern, befiehlt die oberste deutsche Heeresleitung die Unterstützung durch die 42-cm-Mörser. Bereits seit dem 2. August sind Krupp-Techniker fieberhaft damit beschäftigt, die Mörser einsatzbereit zu machen. Eine Woche später sind die beiden „Dicken Berthas“ fertig für den Abtrans-
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port. Dieser wird in aller Eile mit der Eisenbahn vorgenommen, um die Radgürtel zu schonen. Durch gesprengte Tunnel und Gleise wiederholt aufgehalten, treffen die „MGeräte“ schließlich am 12. August in den Vororten von Lüttich ein. Noch am selben Tag eröffnen sie gemeinsam mit anderen schweren Geschützen – darunter die österreichisch-ungarischen 30,5-cm-Mörser der
nige Schüsse der „Dicken Berthas“ genügen, um das erste Fort sturmreif zu schießen. Den Rest erledigt die Infanterie. Bis zu 30 Meter hoch erheben sich die Rauchsäulen der Explosionen in den Himmel. Artilleriebeobachter leiten von Kirchtürmen oder Hügeln aus das Feuer der Mörser. Am 13. August 1914 fallen zwei weitere Festungen dem Beschuss der „Berthas“ zum Opfer. Einen Tag später
„Hannibals Elefanten können die Römer nicht mehr verblüfft haben. Die Begleitmannschaften marschierten in gemessenem Schritt fast wie bei einer Prozession. Das war der Belial [Teufel] unter den Kanonen.“ Célestin Demblon, Abgeordneter der Stadt Lüttich, über die „Dicken Berthas“
Škoda-Werke – das Feuer auf die erste Festung des Sperrgürtels, Fort Pontisse. Die Bedienmannschaften, mit Schutzpolstern über Augen und Ohren, können bei guter Sicht die bis zu 100 Zentimeter lange Granate mit dem bloßen Auge verfolgen. Sie benötigt 60 Sekunden, um in ihrem Ziel einzuschlagen. Die Zündung des Sprengstoffs setzt zeitverzögert und erst nach dem Durchschlagen der Panzerung ein. Nur we-
Literaturtipps Karl Justrow: Die Dicke Berta. Das Wundergeschütz des 1. Weltkrieges, Berlin 1965. Franz Kosar: Die schweren Geschütze der Welt. Feldartillerie, Selbstfahrlafetten, Belagerungsgeschütze, Stuttgart 2002.
sind sämtliche Forts im Norden und Osten von Lüttich in deutscher Hand. Der Weg nach Nordfrankreich ist damit frei. Um die Forts im Westen der Stadt zu vernichten, nehmen die „M-Geräte“ einen Stellungswechsel vor und eröffnen dann erneut den Beschuss. „Das Ungeheuer bewegte sich in zwei Teilen vorwärts und wurde von 36 Pferden gezogen. Das Pflaster erzitterte. Die Menge stand stumm und bestürzt beim Anblick dieses phantastischen Gerätes“, erinnert sich der belgische Politiker Célestin Demblon an den ersten Eindruck von den „Dicken Berthas“. Am 16. August haben sich elf der zwölf Festungen ergeben. Einzig das Fort Loncin leistet noch Widerstand. Als der Festungskommandant eine Kapitulation ablehnt, beginnen die Mörser von neuem mit dem Beschuss. Ein Geschoss durchschlägt
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Militär und Technik | „Dicke Bertha“
ZEITGENÖSSISCH: Zwei Männer posieren vor einem künstlichen Hintergrund mit einem kriegerischen „Accessoire“, der Nachbildung einer 42-cm-Mörser-Granate der „Dicken Bertha“ Foto: picture-alliance/ ZB©dpa-Report
die Panzerung und detoniert anschließend in der Munitionskammer der Festung. Dieser „Volltreffer“ sprengt das gesamte Fort in die Luft. Mehr als 350 belgische Soldaten sterben. Die restlichen Männer geben den hoffnungslosen Kampf auf. Nach anfänglichen Rückschlägen können die Angreifer damit doch noch einen „Erfolg“ für sich verbuchen. Maßgeblichen Anteil daran haben die schweren Mörser. Auch in den folgenden Wochen leisten die „Dicken Berthas“, verstärkt durch die „Gamma-Geräte“, einen wichtigen Beitrag zur Erstürmung der belgischen und französischen Grenzfestungen. Bei der fast zwei Monate dauernden Belagerung von Antwerpen tragen die Mörser erneut entscheidend zum Erfolg der deutschen Armee bei. Im Oktober 1914 muss die Festung die Waffen strecken. Fortan werden die schweren Mörser bei nahezu jedem Festungskampf eingesetzt, auch an der Ostfront gegen russische Forts. Die deutsche Propaganda schlachtet die Erfolge aus, ohne dabei auf Fotos der Geschütze zurückgreifen zu dürfen. Nach wie vor ist man um höchste Geheimhaltung bemüht. Angesichts der Erfolge ordert die deutsche Heeresleitung
VERHEERENDE WIRKUNG: Durch ein Geschoss einer „Dicken Bertha“ zerstörte Panzerkuppel des belgischen Forts Loncin bei Lüttich Foto: ullstein bild – TopFoto
Kämpfen um Verdun im Jahr 1916 gelingt es den Geschützen nicht, die neuartig gepanzerten französischen Forts ausreichend zu zerstören. Mochte das Kaliber der beiden Mörser für die älteren Festungen der Grenzregion ausreichen, so zeigt es gegen die dicken Stahlbeton-Panzerungen nicht die von
„Wenn also Deutschland nicht wie ein Schiff im Polareis zerquetscht werden sollte, musste eine Waffe gefunden werden, die das Gleichgewicht der Kräfte wieder herstellte.“ Der 1. Vorsitzende des Bundes deutscher Feuerwerker und Wehrtechniker, Kiesewetter, im Jahr 1965
weitere Geschütze. Krupp liefert bis Kriegsende weitere zehn Mörser und 18 Rohre. Im Laufe des Krieges wird es jedoch stiller um die „Dicken Berthas“ und die „Gamma-Geräte“. Vor allem der Mangel an Munition und Ersatzteilen sowie der einsetzende Verschleiß machen den Geschützen zu schaffen. Zudem erweisen sich modernste Panzerfestungen selbst für die schweren KruppMörser als eine Nummer zu groß. Bei den
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den Militärs erhoffte Wirkung. Auch für den Einsatz im freien Feld sind die schweren Geräte kaum geeignet. Im erstarrenden Grabenkrieg erweisen sich die leichteren, beweglicheren und kostengünstigeren 21-cmHaubitzen als wesentlich effektiver. Nach Kriegsende muss die deutsche Armee sämtliche schwere Geschütze vernichten, da die Bestimmungen von Versailles dem Deutschen Reich die Aufstellung einer
schweren Artillerie verbieten. Unbemerkt von den alliierten Kontrolleuren bleibt jedoch ein „Gamma-Gerät“ auf dem Krupp’schen Versuchsschießplatz in Meppen erhalten und gerät in der Zwischenkriegszeit in Vergessenheit. Erst ab 1936 – im Zuge der Aufrüstung der Wehrmacht – wird es wieder für Schussübungen benutzt. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges tritt der schwere Mörser wieder in den Dienst des Heeres. Doch erst im Sommer 1942 gelangt das „Gamma-Gerät“ noch einmal zum Einsatz. Zur Erstürmung der sowjetischen Schwarzmeer-Festung Sewastopol zieht die Wehrmacht alle vorhandenen schweren Geschütze zusammen – auch den 42-cm-Mörser des Ersten Weltkriegs, der der Artillerie-Abteilung 459 unterstellt wird. An der Seite des schwersten Geschützes der Kriegsgeschichte, des 80-cm-Mörsers „Dora“, beteiligt sich das „Gamma-Gerät“ am Angriff auf die Stadt. Noch einmal, bei der Niederschlagung des Warschauer Aufstandes im Jahr 1944, kommt der Mörser zum Einsatz. Danach verliert sich seine Spur. Lukas Grawe, M.A., Jg. 1985, Historiker aus Münster.
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Menschen & Geschichten | „Spartacus“
1960: Ein antiker Sklavenaufstand, blutige Schlachten und eine herzzerreißende Liebesgeschichte – aus diesen Zutaten komponiert Stanley Kubrick den Monumentalfilm „Spartacus“. Überzeugt der Film auch heute noch? Von Daniel Carlo Pangerl
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ir schreiben das 1. Jahrhundert v. Chr.: Das Römische Reich wird von einem Sklavenaufstand erschüttert. Anführer dieser Rebellion ist eine der berühmtesten Personen der Antike: Spartacus. Er stammt aus Thrakien, einer historischen Region auf der östlichen Balkanhalbinsel. Als Sklave von besonders robustem Körperbau wird Spartacus zum Besuch der Gladiatorenschule im süditalienischen Capua verpflichtet. 73 v. Chr. bricht dort eine Revolte aus – Spartacus und etwa 70 weiteren Gladiatoren gelingt der Ausbruch. Zahlreiche Sklaven, die auf den umliegenden Landgütern arbeiten,
schließen sich den Aufständischen an. Die Unterstützung für Spartacus wächst und wächst. Der Senat in Rom sieht sich zum Handeln gezwungen und entsendet Truppen – aber diese werden von Spartacus und seiner „Sklavenhorde“ besiegt. Der mächtige römische Politiker Marcus Licinius Crassus greift nun in den Konflikt ein. Er lässt eine über 50 Kilometer lange Mauer durch Süditalien bauen, um weitere Plünderungen zu verhindern. Zwar schafft es Spartacus, diesen Wall zu durchbrechen, doch schon bald ist sein Schicksal besiegelt: 71 v. Chr. kommt es beim Fluss Silarus in Kampanien zur Entscheidung. Spartacus und ein Großteil seiner Mitstreiter sterben auf dem Schlachtfeld. Jetzt nehmen die Römer furchtbare Rache: Rund 6.000 Sklaven, die überlebt und sich ergeben haben, werden zur Abschreckung entlang der Via Appia von Rom nach Capua ans Kreuz genagelt. Sie erleiden ein langes und qualvolles Ende. Aber der Tod kann die Erinnerung an Spartacus nicht auslöschen. Zwar ist es fraglich, ob er die Sklaverei generell abschaffen wollte, oder nur für sich selbst und seine Verbündeten Freiheit anstrebte. Dennoch gilt Spartacus bis in die Gegenwart als Sinnbild für den Widerstand gegen Versklavung und Unterdrückung; und natürlich eignet sich das legendäre Leben des Spartacus ideal für eine Verfilmung.
Made in Hollywood
MONUMENTALFILM „MADE IN AMERICA“: „Spartacus“ ist eine üppig ausgestattete und bildgewaltige Saga. Die Action-, Kampf- und Schlachtszenen sind mitreißend inszeniert. Das Drehbuch von Dalton Trumbo beinhaltet aber sozialhistorische Vereinfachungen, geschichtliche Fehler, viel Pathos Abb.: picture-alliance und Sentimentalität
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Die Traumfabrik an der Westküste der USA ist ständig auf der Suche nach neuen spektakulären Sujets, um die Kinosäle zu füllen und hohe Umsätze zu erzielen. In den 1930er- und 1940er-Jahren setzt man vor allem auf stargespickte Melodramen wie „Vom Winde verweht“ (1939) und „Casablanca“ (1942). In den 1950er-Jahren rückt ein neues Genre ins Visier der Hollywood-Studios: Monumentalfilme, die in der griechischen oder römischen Antike spielen. Bekannte Beispiele hierfür sind „Quo Vadis“ (1951), „Julius Caesar“ (1953), „Alexander der Große“ (1956), „Cleopatra“ (1963) und „Der Untergang des Römischen Reiches“ (1964). Zu einem kolossalen Kassenschlager wird „Ben Hur“ (1959), prämiert mit elf Oscars. Der von Regisseur William Wyler inszenierte Film basiert auf einem Bestsellerroman von Lew Wallace. Er beschreibt das Leben des fiktiven jüdischen Fürsten Judah Ben Hur, der Anfang des 1. Jahrhunderts n. Chr. als Zeitgenosse Jesu Christi in Jerusalem gelebt haben soll. Ursprünglich ist vorgesehen, dass Actionstar Kirk Douglas den Ben Hur verkörpert. Als jedoch sein Rivale Charlton
SPRUNG IN DIE FREIHEIT: Der thrakische Sklave Spartacus (Kirk Douglas) flieht um 74 v. Chr. aus der Gladiatorenschule in Capua Abb.: picture alliance
Heston den Zuschlag für diese Rolle erhält, beschließt Douglas, auf eigene Faust einen Antikenfilm zu produzieren. Nachdem Douglas den Roman „Spartacus“ von Howard Fast gelesen hat, ist er überzeugt, den richtigen Stoff gefunden zu haben. Die Titelrolle will er selbst übernehmen.
Die „Schwarze Liste“ Douglas möchte, dass Fast seinen Roman in ein Filmskript umschreibt, aber dieser lehnt ab. Daher fällt die Wahl auf Dalton Trumbo, einen der damals bedeutendsten Autoren der USA, berühmt für seinen Antikriegsroman „Johnny zieht in den Krieg“. Doch Trumbo ist mit einem gravierenden Makel behaftet: Er hat offiziell in Hollywood Berufsverbot. Als Mitglied der Kommunistischen Partei der USA wird Trumbo 1947 vor das „Komitee für unamerikanische Umtriebe” geladen und zu seinen politischen Aktivitäten befragt. Da er die Aussage verweigert, verurteilt ihn das Tribunal zu einer Haft- und Geldstrafe. Zeitgleich wird sein Name auf die berüchtigte „Schwarze Liste“ gesetzt, einer Aufstellung von zehn Filmschaffenden aus Hollywood, die man der antiamerikanischen Konspiration verdächtigt. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis muss Trumbo jahrelang unter verschiedenen Pseudonymen schreiben. Dennoch engagiert ihn Douglas als Drehbuchautor.
Drehbeginn mit Hindernissen „Spartacus“ wird vom mächtigen Hollywood-Studio „Universal“ in Auftrag gegeben. Als die Vorbereitungen zu den Dreharbeiten bereits in vollem Gange sind, tritt völlig unterwartet ein Konkurrenzprojekt auf den Plan. Der Schauspieler Yul Brynner bie-
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Menschen & Geschichten | „Spartacus“
KEINE CHANCE: Am Ende triumphieren die Legionen Roms – der „Spartacus-Jäger“ Crassus (Laurence Olivier, ohne Helm) steht siegreich auf dem Schlachtfeld. Die anachronistischen Kondensstreifen am Himmel würde man heute wohl am Computer entfernen… Abb.: picture-alliance
tet dem Studio ebenfalls an, einen Film über den antiken Sklavenführer zu produzieren. Er selbst möchte darin die Hauptrolle verkörpern. Nach zähen Verhandlungen bekommt Douglas schließlich von „Universal“ den Zuschlag. Er kann, im Gegensatz zu Brynner, zudem ein fertiges Skript vorlegen. Douglas erhält ein üppiges Budget von zwölf Millionen Dollar. Der Großteil des Films wird auf dem riesigen Studiogelände von „Universal“ in Kalifornien gedreht. Für die Schlachtenszenen reist das Filmteam nach Spanien. Die Soldaten der spanischen Armee helfen mit, um die komplexen römischen Kriegsmanöver überzeugend zu simulieren.
Kubrick: Übernehmen Sie! Die Weichen für ein erfolgreiches Kinoprojekt sind gestellt. Es fehlt nur noch ein Regisseur. Die Suche gestaltet sich aber schwieriger als erwartet: Kirk Douglas fasst zunächst den Briten David Lean ins Auge, einen Spezialisten für Monumentalfilme, der 1957 mit „Die Brücke am Kwai“ einen cineastischen Triumph gefeiert hat. Aber Lean steht nicht zur Verfügung. Engagiert wird schließlich der Amerikaner Anthony Mann, der bislang hauptsächlich Western inszeniert hat. Doch bereits eine Woche nach Drehbeginn kommt es zum Zerwürfnis zwischen Produzent und Regisseur. Douglas ist mit der Eröffnungssequenz unzufrieden und feuert Mann. Nun steht ein sündhaft teueres Projekt vor dem Aus. Binnen kürzester Zeit muss Douglas einen neuen Regisseur finden. In seiner Not erinnert er sich an einen jungen hochtalen-
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tierten Mann aus New York: Stanley Kubrick. 1957 hatte Douglas in Kubricks Antikriegsfilm „Wege zum Ruhm“ die Hauptrolle verkörpert.
Antiker Klassenkampf Der erst 30-jährige Kubrick gilt als exzentrisches Wunderkind. Er hat jedoch keine Erfahrung mit Hollywood-Großprojekten und bislang nur mit kleinen Budgets gearbeitet. Insofern geht Douglas mit ihm ein enormes Risiko ein. Kubrick springt ohne Vorbereitung in die Produktion von „Spartacus“ ein und versucht dem Film sofort seinen Stempel aufzudrücken. Dies führt prompt zu Konflikten: Kubrick möchte statt in Kalifornien lieber in Rom drehen, was aber vom Studio abgelehnt wird. Vergeblich fordert er Änderungen im Drehbuch. Die eindimensionale Charakterisierung des Spartacus als Held ohne Fehl und Tadel gefällt ihm nicht. Schon bald muss der ehrgeizige Regisseur einsehen, dass er ein bloßer „Erfüllungsgehilfe“ für einen bereits im Detail geplanten Film ist. Daher wird sich Kubrick später von seiner Arbeit an „Spartacus“ distanzieren. Auf den ersten Blick orientiert sich Trumbos Drehbuch weitgehend an den historischen Fakten. Es enthält aber auch politischphilosophische Elemente, die dem Film eine starke ideologische, gar propagandistische Stoßrichtung verleihen. Trumbo zeigt sich stark von der marxistischen Geschichtstheorie, dem „Historischen Materialismus“, beeinflusst. 1861 schreibt Karl Marx: „Spartacus erscheint als der famoseste Kerl, den die ganze antike Geschichte aufzuweisen hat.
FARBENPRÄCHTIG: „Spartacus“ (1959/60) entsteht in einer Zeit, in der monumentale Historienfilme Hochkonjunktur haben. 1992 ist endlich eine rekonstruierte und ungekürzte Fassung des Films auf den Markt gekommen Abb.: picture alliance/United Archives/WHA
Großer General, nobler Charakter.“ Marx hat die antik-römische Gesellschaft als „Sklavenhaltergesellschaft“ bezeichnet, das heißt die herrschende Klasse lässt ihren Reichtum durch Sklavenarbeit produzieren. Demgemäß interpretiert Trumbo den Sklavenaufstand als Klassenkampf des antiken Proletariats und Spartacus als Vorläufer der kommunistischen Revolutionäre. Dazu passt auch, dass die Klasse des römischen Adels übertrieben dekadent und korrupt dargestellt wird. Die Schlussszene des Films porträtiert Spartacus, am Kreuz hängend, als säkularen Christus – quasi als Märtyrer der unterprivilegierten Klasse. Eine solch tendenziöse Geschichtsklitterung hat freilich
Kommunistischer Unterton kaum mehr etwas mit dem realen Spartacus zu tun. Ironie: Selbst bei diesem kommunistisch angehauchten Drehbuch wird deutlich spürbar, dass es in einem kapitalistischen Land entstanden ist, und vor allem für reichen Profit sorgen soll: Die rührselige fiktive Liebesgeschichte zwischen Spartacus und Varinia, die reichlich deplatziert wirkt, ist gewiss ein Zugeständnis an den Massengeschmack der Zuschauer. Abgesehen von Trumbos weltanschaulich motivierter Umformung des Spartacus-Stoffes enthält der Film weitere historische Ungenauigkeiten; diese wären durch gründlichere Recherchen leicht vermeidbar gewesen. Im Film wird Gaius Iulius Caesar als Befehlshaber der Prätorianergarde vorgestellt. Caesar hat jedoch zu dieser Zeit noch gar kein politisches Amt inne. Zudem wird diese Garde erst später ins Leben gerufen. Crassus bildet zwar zusammen mit Caesar und Pompeius das berühmte „Triumvirat“, wird aber niemals Diktator von Rom. Im Film stirbt Spartacus am Kreuz, während er nach Ansicht der meisten modernen Historiker in der Schlacht am Fluss Silarus getötet wird. Solche Fehler finden sich in nahezu allen Antikenfilmen aus Hollywood, so dass „Spartacus“ in dieser Hinsicht keine Ausnahme ist.
Künstlerisch überzeugend Diese geschichtlichen Ungereimtheiten kann der Film durch andere Vorzüge teilweise kompensieren. Da wäre vor allem die Regie von Stanley Kubrick zu nennen. Weil er kaum Einfluss auf die künstlerische Gestaltung nehmen darf, ist „Spartacus“ kein typischer Kubrick-Film geworden. Dennoch finden sich einige Aspekte, die ganz klar Ku-
HINTERGRUND
Meisterregisseur Stanley Kubrick
Stanley Kubrick (1928–1999) zählt zu den bedeutendsten Regisseuren der Filmgeschichte. Der gebürtige New Yorker arbeitet nach seiner Schulzeit zunächst als Fotograf. Der künstlerische Durchbruch gelingt ihm 1957 mit seinem Antikriegsfilm „Wege zum Ruhm“. Dieser spielt während des Ersten Weltkrieges an der Westfront: Ein fanatischer französischer General lässt mehrere Soldaten seiner Truppe erschießen, weil sie eine deutsche Stellung nicht einnehmen können. In der Folge wird Kubrick mehrere Filme drehen, die einen historischen Hintergrund besitzen. „Spartacus“ (1960) porträtiert den gleichnamigen antiken Sklavenführer. „Dr. Strangelove“ (1964), eine rabenschwarze Komödie über den Kalten Krieg, zeigt die verheerende Wirkung eines Atombombenabwurfs. „Full Metal Jacket“ (1987) handelt von den Schrecken des Vietnamkrieges. Kubricks
markantes, holzschnittartiges Gesicht und einen stämmigen, muskulösen Körper. Die anspruchsvollen und gefährlichen Actionszenen führt er selbst aus, ohne einen Stuntman zu benötigen. Besondere Unterhaltung garantiert das Spiel zweier Filmlegenden: Charles Laughton als jovialer Senator Gracchus und Peter Ustinov als intriganter Sklavenhändler. Der berühmte Shakespeare-Darsteller Laurence Olivier glänzt als zwielichtiger Crassus. Jean Simmons be-
„Wenn ein freier Mensch stirbt, verliert er die Freude am Leben. Wenn ein Sklave stirbt, verliert er den Schmerz.“ Zitat aus dem Film „Spartacus“
bricks Handschrift tragen: Höhepunkte gleich zu Beginn des Films sind die brillant choreografierten Kampfesübungen in der Gladiatorenschule. Die Gewaltszenen werden für die damalige Zeit ungewöhnlich realistisch und blutig inszeniert. Zudem gelingen Kubrick atemberaubende Panoramaaufnahmen von den Schlachten. Überdies glänzt der Film mit hervorragenden schauspielerischen Darbietungen. Kirk Douglas ist ein archaischer Sklavenführer wie aus dem Bilderbuch. Er besitzt eine für die Titelrolle unabdingbare Physis: ein
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rührt den Zuschauer als Sklavin Varinia. Auch der Soundtrack weiß zu überzeugen. Die Filmmusik von Axel North ahmt gekonnt die primitiven Klänge antiker Instrumente nach; und um den Schlachtenlärm möglichst realistisch zu gestalten, lässt sich Kubrick etwas ganz besonderes einfallen: in die Tonspur hat er die ohrenbetäubende Geräuschkulisse von 76.000 Besuchern eines American-Football-Spiels eingefügt. „Spartacus“ feiert seine Premiere schließlich am 6. Oktober 1960 in New York. Bereits im Vorfeld gibt es Proteste. Die katholischen
Traum ist es, die Biographie Napoleons zu verfilmen. Mehrere Jahre investiert er in dieses Mammutprojekt, findet aber keine Geldgeber. Einige Elemente aus dieser Arbeit kann er dann in einen anderen Film einbringen: „Barry Lyndon“ (1975) schildert die Abenteuer eines irischen Draufgängers während des Siebenjährigen Krieges (1756– 1763). Die beiden bekanntesten Kubrick-Filme spielen jedoch in der nahen Zukunft: das Science-Fiction-Epos „2001: Odyssee im Weltraum“ (1968) und die kontroverse Gesellschaftssatire „Uhrwerk Orange“ (1971).
FRUSTRIERT: Stanley Kubrick hat nicht den gewohnten Einfluss und die Kontrolle bei „Spartacus“ Abb.: picture-alliance/dpa
Sittenwächter der „National Legion of Decency“ prangern den Film als blutrünstig und kommunistisch an. Westernikone John Wayne ruft zum Boykott gegen die „marxistische Propaganda“ auf. All dies kann den Erfolg von „Spartacus“ aber nicht verhindern. Er wird mit vier Oscars ausgezeichnet und erweist sich als wahrer Publikumsmagnet.
Kennedys Lieblingsfilm Zu den Bewunderern des Films gehört auch der spätere Präsident John F. Kennedy. Jedoch bleibt es den damaligen Kinobesuchern verwehrt, „Spartacus“ in seiner Originalfassung zu sehen. Der fertig geschnittene Film hat ursprünglich eine Laufzeit von 198 Minuten, wird aber noch vor der Uraufführung auf 184 Minuten gekürzt. Vor allem einige Gewaltszenen fallen der Schere zum Opfer. Erst 1991/92 werden im Rahmen einer aufwendigen Restauration die gestrichenen Episoden wieder eingefügt. Und ebendiese Fassung hat das Label „Universal“ sowohl auf DVD als auch auf Blu-ray herausgebracht. Trotz seiner historischen Ungenauigkeiten gehört „Spartacus“ zu Hollywoods besten Monumentalfilmen – auch heute noch. Dr. Daniel Carlo Pangerl, Jg. 1983, ist Historiker und Kulturwissenschaftler aus Starnberg.
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Menschen & Geschichten
Philippe Pétain
Der „gefallene Held“ von Verdun D
ass er einmal als einer der größten Generale des Ersten Weltkriegs gelten wird, hat ihm niemand an der Wiege gesungen. Auch nicht, dass nach dem Aufstieg ein tiefer Fall folgen wird. Henri Philippe Pétain wird 1856 als Sohn eines Bauern im nordfranzösischen Cauchy-à-la-Tour geboren. Als Kind lauscht er den Erzählungen seines Großonkels, einem Veteran der Grande Armée Napoleons. Er möchte ebenfalls Soldat werden und tritt 1876 der Militärschule St. Cyr bei. Seine Ausbildung lässt noch keine Schlüsse über seine spätere Karriere zu. Pétain schließt sie 1878 im unteren Drittel sei-
DER TIEFE FALL: Pétain trifft am 24. Oktober 1940 Adolf Hitler. Seine Kollaboration mit den Deutschen hat die Erinnerung an den einst gefeierten Pétain in Frankreich verdunkelt Abb.: picture-alliance/AP Images
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nes Jahrgangs ab und wird Souslieutnant bei den Chasseurs à pied. In den nächsten Jahren wechseln seine Garnisonen häufig, allerdings verlässt er Frankreich nie. 1888 wird er an die Militärakademie von Paris geschickt und nimmt an einer zweijährigen Ausbildung zum Generalstabsoffizier teil.
Kritisierte Kampftaktik Die Zeit zwischen dem Deutsch-Französischen Krieg und dem Ersten Weltkrieg ist geprägt von enormen technischen Innovationen. Die Wirkung moderner Waffen steigt rapide, aber da diese Jahre in Mittel-
europa friedlich bleiben, können die Generalstäbe der lokalen Großmächte nur über das Wesen zukünftiger Schlachten spekulieren. In Deutschland wie in Frankreich setzen die Taktiker nach wie vor auf ein offensives Vorgehen der Infanterie. „Stoßkraft“, oder „attaque à outrance“, Angriff bis zum Äußersten, werden die Schlagworte dieser Doktrin. Pétain zeigt sich ihr gegenüber sehr skeptisch. Noch bevor europäische Beobachter Berichte von den Schlachtfeldern des RussischJapanischen Krieges schicken, erkennt er die Bedeutung des Maschinengewehrs für de-
1945: General Pétain wird vom französischen Obersten Gerichtshof zum Tode verurteilt. Was ist im Leben des „Retters von Verdun“ geschehen, um ihn vom „Helden“ zum „Verräter“ werden zu lassen? Von Alexander Querengässer
fensiv geführte Gefechte. Im Jahr 1900 wird er Major und Instrukteur an der Militärschule von Châlons-sur-Marne. Hier erregt er Aufsehen, weil er die „attaque à outrance“ offen ablehnt. Die französische militärische Führung ist nach wie vor von der Doktrin überzeugt – und so fällt Pétain vorerst in Ungnade. 1901 wird er abgelöst und zum 5. Infanterieregiment nach Paris versetzt, wo er zwischen 1904 und 1911 wieder als Ausbilder für Infanterietaktik arbeitet. Danach erhält er seine Beförderung zum Oberst und übernimmt das 33. Infanterieregiment in Arras. Zu seinem Stab gehört ein erst einundzwanzigjähriger Absolvent der Militärschule St. Cyr: Charles de Gaulle. Am 20. März 1914 erhält Pétain den Befehl über die 4. Brigade, allerdings ohne die eigentlich übliche Beförderung zum Brigadegeneral. Noch immer steht er beim Kriegsministerium wegen seiner defensiven Denkweise in der Kritik.
Bewährung an der Front Doch dann kommt der Krieg. Pétains Brigade gehört zur 5. Französischen Armee unter General Lanrezac. Dieser versucht Ende August bei St. Quentin in einem überraschenden Gegenstoß die deutsche 2. Armee zurückzudrängen. Bei den Großangriffen am 29. August erringen die Franzosen unter horrenden Verlusten kleine taktische Erfolge – und müssen sich am folgenden Tag zurückziehen, da ihre Flanken offen sind. Pétain sieht sich in seiner Kritik an der offensiven Doktrin bestätigt. Er selbst fällt positiv auf und erhält endlich seine Beförderung zum Brigadegeneral. Als Befehlshaber der 6. Division nimmt er an der Marneschlacht teil, wo er erfolgreiche Gegenstöße gegen die 2. Armee leitet, die mit zum Zusammenbruch der deutschen Offensive führen. In kurzen Abständen klettert er die Karriereleiter hinauf. Am 18. Dezem-
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GEFEIERT UND GEÄCHTET: Pétain ist bis zum heutigen Tag eine besonders umstrittene Figur in seinem Heimatland. Im Ersten Weltkrieg ist er der „Verteidiger Frankreichs“, im Zweiten Weltkrieg dann der „Verräter Frankreichs“. Zwischen diesen Polen changiert das öffentliche Bild des Soldaten und Politikers Pétain Abb.: picture-alliance/united archives
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Menschen & Geschichten | Philippe Pétain
ZUM 20. JAHRESTAG: Marschall Pétain 1934 während einer Gedenkfeier an die Schlacht an der Marne 1914
weitere in der Champagne folgen lassen. Pétains 2. Armee soll den Angriff führen. Doch es kommt immer wieder zu Verzögerungen. Bei Loretto hat Pétain mit ansehen müssen, wie seine Angriffe an Wucht verlieren, da die Reserven nicht rechtzeitig ankommen. Daher lässt er nun die Versorgungs- und Kommunikationslinien hinter seiner Front ausbauen. Der Angriffstermin verschiebt sich schließlich von Ende August auf den 25. September – auch weil der General zur Vorbereitung ein intensives Trommelfeuer fordert. Den Deutschen bleiben die Vorbereitungen der Franzosen nicht verborgen. Sie nutzen ihre Zeit, um die Verteidigung in der Tiefe zu staffeln. Artilleriefeuer und Gasangriffe seitens der Franzosen zeigen wenig Wirkung. Die Herbstschlacht in der Champagne geht verloren. Pétain sieht sich nun endgültig darin bestätigt, die offensive Kriegführung abzulehnen und verweigert weitere offensive Maßnahmen. Das führt zwar zu heftigen Ausei-
Abb.: picture-alliance/akg
ber versuchen Pétains Soldaten die LorettoHöhe zu stürmen, doch die Attacken bleiben im winterlichen Schlamm stecken. General Foch erarbeitet in der Folge einen neuen Angriffsplan. Noch immer an der Doktrin der „attaque à outrance“ festhaltend, sollen die deutschen Stellungen mit Artillerie „leergefegt“ werden, bevor die Infanterie zum Angriff vorgeht. Pétain ist nicht der einzige, der diesem Plan kritisch gegenüber steht. Dennoch wird die Offensive am 9. Mai eröffnet. Trotz heftiger deutscher Gegenwehr gelingt es Pétains Soldaten, in die deutschen Stellungen einzudringen. Die seinen Truppen gegenüber stehende bayerische 5. Reservedivision muss aufgrund extremer Verluste aus der Front gezogen werden und wird durch ein ganzes Korps ersetzt. Damit werden weitere französische Durchbruchsversuche aussichtslos.
Immense Opfer Foch lässt die Offensive dennoch fortsetzen, aber die verbissenen Angriffe der französischen Infanterie bleiben im deutschen MGund Artilleriefeuer stecken. Nach sechs Wochen bricht Foch den Angriff ab. Für einen Fronteinbruch von nicht einmal zwei Kilometern hat er fast 60.000 Soldaten geopfert. Pétains Karriere steht die Niederlage nicht im Weg, er wird im Juni Général d’armée (Armeegeneral) der 2. Armee. Der (gescheiterten) Frühjahrsoffensive möchte der Chef des französischen Generalstabes, Joseph Joffre, im Spätsommer eine
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Heldenpose Diese französische Zeichnung (um 1920) zeigt Pétain als mutigen Frontoffizier, der seine Männer mit dem Revolver in der Hand beim Sturmangriff führt Abb.: picture-alliance/Leemage
nandersetzungen mit Joffre, doch kurz darauf ändert sich die militärische Lage. Am 21. Februar haben die Deutschen ihre Offensive auf die Festung Verdun eröffnet, fünf Tage später wird Pétain mit der Verteidigung dieses Frontabschnitts betraut. „Ich habe den Befehl übernommen. Sagen sie das ihren Soldaten. Halten sie durch!“, lässt er dem Kommandeur des XX. „Eisernen“ Korps mitteilen, das ebenfalls zur Verstärkung nach Verdun geschickt wird.
Der „Retter von Verdun“ Pétain erkennt die Notwendigkeit gesicherten Nachschubs, um den in seinen Flanken bedrohten Abschnitt zu halten, sowie des koordinierten Einsatzes der Artillerie, um die deutschen Angriffe zu verlangsamen. Persönlich überwacht er die Aufstellung von Batterien, die auf die von den Deutschen eroberten Stellungen einhämmern. Da von Verdun aus nur eine einzige Straße zum sicheren Bar le Duc führt, befiehlt er, diese für
„Papa Pétain“
RESPEKT VOR DEM GEGNER: Marschall Pétain salutiert einer Gruppe deutscher Kriegsgefangener Abb.: picture-alliance/United Archives/TopFoto
die Lastwagen freizuhalten. Die Infanterie muss in den Straßengräben marschieren. Bleibt ein Lkw liegen, wird er einfach in den Straßengraben geschoben. In ganz Frankreich kratzt man Fahrzeuge zusammen, damit auch die arg beanspruchten Divisionen im Rhythmus von 10 bis 14 Tagen abgelöst werden können. Die Franzosen bezeichnen diesen regelmäßigen Zu- und Abfluss von Kampfverbänden als „Noria-System“, die deutschen als „Pater Noster“ (siehe auch Clausewitz Spezial „Verdun“). Doch trotz all dieser Maßnahmen dringen die Deutschen weiter vor und die französischen Verluste steigen an. Pétain verzichtet zwar auf Gegenstöße, zeigt sich aber so gleichgültig gegenüber den eigenen Ausfällen, dass Joffre ihn am 1. Mai durch den Artilleriespezialisten Robert Nivelle ablösen lässt.
Der „Blutsäufer“ Nivelle gilt als Vertreter eines offensiver geführten Verteidigungskonzepts. Pétain wird Befehlshaber der Heeresgruppe Mitte. Nivelle gelingt es schließlich, die deutsche Offensive im Juni zum Stehen zu bringen und wird Oberbefehlshaber der Armee. Im Dezember geht die Schlacht, die schätzungs-
Clausewitz 6/2015
weise 167.000 Franzosen das Leben kostet, zu Ende. Doch dann löst der Versuch der französischen Führung, die Initiative wieder an sich zu reisen, eine schwere Krise im Heer
Kühnheit ist die Kunst, dem Wagnis Grenzen zu setzen. Philippe Pétain
aus. Die von Nivelle durchgeführte Frühjahrsoffensive an der Aisne 1917 führt zu hohen Verlusten, aber zu keinen entscheidenden Geländegewinnen. Es kommt unter den Frontverbänden zu einer kollektiven Ablehnung weiterer Offensiven. Zwar handelt es sich nicht wirklich um eine groß angelegte Meuterei, dennoch zeigt sich, dass der Kampfgeist der Armee gebrochen ist. Einen ausgeprägten Hass entwickeln die Soldaten für Nivelle, den sie als „Blutsäufer“ bezeichnen. Präsident Poincaré lässt ihn daher am 17. Mai 1917 durch Pétain ersetzen. Pétain ist eigentlich nicht der charismatische Führer, der in seinen Männern Begeisterungsstürme zu entfachen vermag. Äußerlich wirkt er eher schroff. Aber er ver-
sucht, ein Verständnis für die Sorgen seiner Soldaten zu entwickeln, bereist die Front und verspricht ihnen längere Erholungs- und Ausbildungsphasen. Dafür muss jedoch die Front stabilisiert werden. Pétain führt ein tiefgestaffeltes Verteidigungskonzept ein, dass dem der deutschen Stellungen nicht unähnlich ist. Die vordere Linie dient nun nur noch als „Wellenbrecher“ und Artilleriebeobachtungsposten. Die Masse der Infanterie wird in der zweiten Kampflinie postiert, die im Falle eines Angriffs Unterstützung durch Reserven aus einer dritten Linie erhalten soll. Schritt für Schritt gelingt es Pétain, dass Vertrauen seiner Soldaten zurückzugewinnen.
Hoffen auf die Amerikaner Dennoch hat die Krise weitreichende Folgen für die alliierte Kriegführung. Die französische Armee ist nicht in der Lage, die britische Sommeroffensive bei Ypern zu unterstützen. Erst im Herbst traut sich Pétain zu neuen Vorstößen – und hat Erfolg. Bei Chemin-desDames können die Franzosen im Oktober innerhalb von vier Tagen fünf Kilometer tief in die deutsche Front eindringen. Mit dem Kriegseintritt der Amerikaner vertraut Pétain darauf, dass die Alliierten durch schiere zahlenmäßige Überlegenheit
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Menschen & Geschichten | Philippe Pétain Zustimmung. Bis 1936 baut Frankreich die Maginotlinie aus. Die defensive Doktrin der Zwischenkriegszeit gerät nun allerdings ebenso in die Kritik einiger fortschrittlich denkender Offiziere wie die „attaque à outrance“ seinerzeit durch Pétain. Dessen ehemaliger Stabsoffizier Charles de Gaulle entwickelt wieder eine offensivere Doktrin, basierend auf dem Einsatz motorisierter und gepanzerter Streitkräfte. Obwohl er damit in krassem Gegensatz zu Pétain steht, wird de Gaulle 1925 in den Stab des Marschalls berufen. Ihre Freundschaft erhält bald Risse, weil sich de Gaulle angeblich immer wieder kritisch zu Pétains Buch „La guerre mondiale 1914–1918“, an dem er mitarbeitet, äußert. Das Manuskript wird nie veröffentlicht und gilt lange Zeit als verschollen.
Die „dunklen Jahre“
Verehrt Pétain im Elsass 1917. Nach dem Ersten Weltkrieg ist das Image von Pétain durchweg positiv – er gilt als Nationalheld. Nach dem Zweiten Weltkrieg, der Kollaboration und dem VichyRegime kippt die öffentliche Wahrnehmung allerdings ins Negative Abb.: picture-alliance/akg
die Deutschen erdrücken werden. Doch diese eröffnen mithilfe der im Osten freigewordenen Divisionen im Frühjahr 1918 selbst noch einmal die Offensive und marschieren auf Paris. Anders als Joffre 1914, versucht Pétain nun mit allen Mitteln Paris zu halten. Er lässt die Verbindung zu den Verbündeten abreißen und verweigert dem britischen Befehlshaber Haig seine Unterstützung. Es kommt zu argen Differenzen zwischen den Alliierten. Infolgedessen wird Foch zum alliierten Oberbefehlshaber ernannt und kann die Lage stabilisieren. Mit dem Eintreffen amerikanischer Verbände gehen die Alliierten im Sommer selbst zur Offensive über und drängen die Deutschen zurück.
Einsatz in Marokko Während Pétain im November noch an den Plänen für eine Offensive nach Lothringen arbeitet, erreicht ihn die Nachricht über den Waffenstillstand von Compiègne.
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Für seine Verdienste, vor allem in der zweiten Kriegshälfte, erhält Pétain am 8. Dezember den Marschallsstab. 1925 übernimmt er das letzte Mal ein aktives Kommando, als die Kämpfe der Spanier gegen rebellierende Berberstämme im Norden Marokkos ihren Höhepunkt erreichen. Die Berber errichten eine eigene Republik, die jedoch dem vereinten Druck der Franzosen und Spanier nicht standhalten kann. Seine Erfahrungen im Ersten Weltkrieg bestätigen ihn in seinem defensiven Denken. Zusammen mit Foch und Joffre soll er ein Konzept zur Verteidigung Frankreichs erstellen. Während Foch eine statische Defensive ablehnt und Joffre am Festungssystem der Vorkriegszeit festhält, setzt sich Pétain für ein durchgehendes lineares Befestigungssystem ein. Die Weiterentwicklung dieses Konzepts wird dem Parlament 1930 durch Kriegsminister Maginot zur Bewilligung vorgelegt – und erhält überwältigende
1931 nimmt Pétain, immerhin schon 75 Jahre alt, seinen Abschied aus der Armee. Er bleibt aber politisch aktiv und zehrt von seinem Ruhm als „Held von Verdun“. Pétain positioniert sich politisch auf dem rechten Flügel und tritt für einen starken Präsidenten ein. Einen pluralistischen Parlamentarismus – wie in England – lehnt er ab, im Kommunismus sieht er eine große Bedrohung. Er macht keine große Karriere, fungiert lediglich 1934 als Kriegsminister der kurzlebigen Regierung unter Gaston Domergue. 1939 wird er außerordentlicher Botschafter in Spanien, um das angespannte Verhältnis zum Franco-Regime zu beruhigen. Von Madrid aus verfolgt Pétain die militärischen Erfolge der Deutschen im Zweiten Weltkrieg. Nach dem schnellen Vordringen der Wehrmacht 1940 beruft Premierminister Reynaud den Marschall am 18. Mai als seinen Stellvertreter in die Regierung. Als die deutschen Paris besetzen, plädiert Pétain für einen Waffenstillstand, während Reynaud den Kampf fortführen will. Da das Parlament seine Pläne nicht unterstützt, erklärt er seinen Rücktritt, woraufhin Präsident Albert Lebrun Pétain mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt. Am 17. Juni wendet er sich in einer Rundfunkansprache an das französische Volk: „Schweren Herzens erkläre ich hiermit,
Literaturtipp N. Atkin: Pétain. London 1998. M. Ferro: Pétain. Paris 2012 (Neuausgabe). R. Griffiths: Marshal Pétain. London 1994. H.R. Lottman: Pétain, Hero or Traitor. New York 1985.
Trauriges Ende
Schrauben, Fahren, Träumen
DAS ENDE: Ein französisches Schaufenster – an einem Galgen hängen Puppen, die Hitler und Pétain (als Staatschef der Vichy-Regierung) darstellen Abb.: picture-alliance/akg
Marionette der Deutschen Pétains Regierung richtet ihren Sitz im südfranzösischen Vichy ein. Es gelingt ihm, die Verfassung weitgehend außer Kraft zu setzen und als Staatschef nahezu diktatorische Vollmachten zu erlangen. Er versucht, seinen Staat zu erneuern und baut einen regelrechten Personenkult um sich herum auf. Das Verhältnis zu Deutschland bleibt schwierig. Zwar kann er einen Kriegseintritt
ANGEKLAGT: Pétain 1945 vor dem Obersten Gerichtshof Abb.: picture-alliance/AP Images
Frankreichs auf Seiten der Achsenmächte verhindern – auch nachdem die Briten die französische Flotte in Mers-el-Kébir angreifen. Dennoch hängt sein Land wirtschaftlich am Tropf der Deutschen, die die industriellen Kernzonen in Nordfrankreich besetzt halten. Pétain spricht sich daher offen für eine wirtschaftliche Kollaboration aus. Außerdem erlässt seine Regierung antijüdische Gesetze und liefert Juden in deutsche Konzentrationslager.
Zum Tode verurteilt Nach der Landung der Alliierten in Nordafrika im November 1942, dem die VichyTruppen fast keinen Widerstand entgegensetzen, wird „Restfrankreich“ von der Wehrmacht besetzt. Pétain bleibt zwar offiziell im Amt, ist aber nur noch Verkünder des deutschen Willens. Nach der Landung der Alliierten muss der Marschall, dessen Popularität im Land kaum gebrochen ist, ins Deutsche Reich fliehen. Der letzten profaschistischen Regierung in Sigmaringen schließt er sich nicht an, sondern reist Ende April 1945 über die Schweiz nach Frankreich, wo er sich den Behörden stellt. Am 15. August wird er wegen Hochverrat zum Tode verurteilt. Charles de Gaulle wandelt das Urteil allerdings in lebenslange Haft um, die Pétain auf der Île d’Yeu vor La Rochelle verbringt, wo er am 23. Juli 1951 stirbt. Zwar wünschte er sich, im Beinhaus von Verdun bestattet zu werden, doch die Regierung verweigert ihm diese letzte Ehre. Bis heute ist die öffentliche Meinung über Pétain in Frankreich gespalten. Allerdings sehen immer mehr Menschen in ihm eher den Chef der Kollaborationsregierung, als den „Helden von Verdun“.
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dass wir den Kampf einstellen müssen.“ Aber ein Mitglied der Regierung, der Untersekretär für Verteidigung, fordert von London aus die Fortsetzung des Widerstands: Charles de Gaulle.
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Spurensuche
Museum und Park Kalkriese
Die „erste deutsche Schlacht“ K
9 n. Chr.: Die Varusschlacht gehört nach wie vor zu den populären, mythenumwitterten Ereignissen der „deutschen“ Geschichte. Anlässlich des 2.000sten Jahrestags der Schlacht wurde die Dauerausstellung in Kalkriese 2009 neu gestaltet Von Alexander Querengässer
GESCHICHTE ZUM ANFASSEN: Regelmäßige Reenactment-Veranstaltungen sorgen dafür, dass die Vergangenheit lebendig Foto: Heinz Hoppe wird
onzeptionell geht das Museum Kalkriese neue Wege, weg von der archäologischen „Schatzsuche“, hin zur Objektpräsentation und deren Auswertung. Durch die reiche Zahl an Fundstücken sollen nun vor allem das Leben in Germanien und in der römischen Provinz beleuchtet, aber auch die Ausrüstung römischer Legionäre und germanischer Krieger rekonstruiert werden. Das Museum nutzt eine breite Palette an Medien. Erfreulicherweise sind Modellrekonstruktionen und Fundvitrinen nicht gänzlich aus den Räumen verschwunden. Historische Quellen werden an besonderen Hörstationen mit eingebunden. Die Ausstellung beschäftigt sich nicht nur mit der Schlacht, sondern auch dem Alltag diesseits und jenseits des
MODERNES MUSEUMSDESIGN: Die Besucher erwartet ein durchdachtes Ausstellungskonzept, das verschiedene Zugänge zum Leben in der Antike sowie der Foto: Hermann Pentermann Varusschlacht bietet
Rheins. Gezeigt werden der Aufbau römischer Städte und germanischer Dörfer. Das Leben an der Grenze, gerade in der Zeit um Christi Geburt, war unruhig. Wie funktionierte die römische Grenzsicherung? Wie liefen die Kämpfe mit den Germanen ab? Wer sind überhaupt „die Germanen“? Wie sah die Marschformation einer römischen Legion aus? Auf all diese Fragen versucht die Dauerausstellung eine Antwort zu geben. Dass Museum möchte Geschichte jedoch nicht nur rekonstruieren, sondern aktiv interpretieren, was gerade unter Historikern nicht unumstritten ist. So kann der Besucher in einem Raum drei Varianten eines durch Schauspieler vorgetragenen Streitgesprächs zwischen Varus und Arminius verfolgen. An solchen Stationen aktiver Interpretation läuft das Museum allerdings Gefahr, unser heutiges Weltbild als Schablone über historische Ereignisse zu legen. Die Rekonstruktion antiker Moralvorstellung bleibt aufgrund der begrenzten Quellenlage ein schwieriges Unterfangen. Hier benötigt es eher Mut zur Lücke, als phantasievoller Interpretation.
Outdoor-Aktivitäten Das Museum besitzt ein weitläufiges Außengelände, zu dem Teile des historischen Schlachtfeldes gehören. Dieser Park umfasst auch einen alten germanischen Wall, der am Fuße des Kalkrieser Berges entdeckt wurde, und während der Schlacht vermutlich als Abwehrstellung für die Krieger des Arminius diente. Auch die drei Pavillons des „Se-
SCHLACHTENRELIKT: Diese Spitze einer schweren römischen Wurflanze (Pilum) ist nur eines von unzähligen Ausstellungsstücken – für militärgeschichtlich Interessierte ist das Museum in Kalkriese immer eine Reise wert Foto: Christian Grovermann
hens“ „Hörens“ und „Fragens“, sowie der Weg der Römer gehören dazu. Diese Abschnitte konfrontieren den Zuschauer mit Fragen und sind Teil eines modernen museumspädagogischen Konzepts, welches den Wissensdurst des Publikums allerdings nicht immer stillt. Konzeptionell modern und attraktiv ist hingegen die Einbindung von Reenactment-
KONTAKT VARUSSCHLACHT im Osnabrücker Land GmbH Venner Straße 69, 49565 Bramsche-Kalkriese Öffnungszeiten: April bis Oktober Täglich geöffnet von 10:00 bis 18:00 Uhr
November bis März Montags geschlossen Dienstag bis Sonntag geöffnet von 10:00 bis 17:00 Uhr An Heiligabend und Silvester ist das Museum geschlossen, am 1. und 2. Weihnachtstag und an Neujahr ist es von 10:00 bis 17:00 Uhr geöffnet. Foto: Christoph Püschner
Eintritt Dauerausstellung zur Varusschlacht: Erwachsene: 7,50 Euro Ermäßigte: 4,50 Euro Familienkarte für zwei Erwachsene und Kinder: 16,00 Euro Mehr Informationen (zu Sonderausstellungen, Preisen und Öffnungszeiten) unter: www.kalkriese-varusschlacht.de
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WEITLÄUFIG: Zum Museum gehört auch ein Park, in dem antike Wehrbauten rekonstruiert sind Foto: Axel Thiele
Veranstaltungen in das Museumsprogramm. Im jährlichen Wechsel finden die Römer- und Germanentage statt, auf denen Besucher Legionäre und Krieger in authentischer Ausstattung bestaunen können – und Einblicke in ihr tägliches Leben erhalten. Darbietungen wie diese sind nicht zuletzt für junge Gäste sehr interessant. Überhaupt ist es eine der großen Stärken des Museums, ein sehr ausgereiftes Konzept für Kinder erarbeitet zu haben. Nicht nur die Dauerausstellung ist speziell für sie zugeschnitten. In regelmäßigen Abständen werden auch eigene Schulklassenprojekte und Ferienprogramme angeboten.
Schöne Sonderausstellungen Wie jedes Museum ist auch Kalkriese sehr darauf angewiesen, Gäste zum Wiederbesuch zu animieren. Jährlich wird der Veranstaltungskalender daher durch Sonderausstellungen ergänzt. Aktuell läuft noch bis zum 1. November „Ich Germanicus! Feldherr, Priester, Superstar“, die den Feldherren noch einmal genauer vorstellt. Am 23. April 2016 folgt „Gefahr auf See – Piraten in der Antike“. In seiner Eigenschaft als „SchlachtfeldMuseum“ ist Kalkriese zumindest in Deutschland bisher einzigartig. Mit seinen vielfältigen Sonderaktionen ist es zu jeder Jahreszeit eine Reise wert. Besucher sollten sich am besten über die Website informieren, um das für sie interessanteste Programm heraussuchen zu können.
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Nr. 28 | 6/2015 | November-Dezember | 5.Jahrgang
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Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte 1944 Katastrophe für die Wehrmacht an der Ostfront 22. Juni 1944: Drei Jahre nach dem Beginn des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion tritt die Rote Armee zu ihrer Großoffensive gegen die Heeresgruppe Mitte an. Diese zerbricht unter der enormen Wucht des Angriffs – eine katastrophale Niederlage für die Wehrmacht.
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Friedrich I., Barbarossa König, Kaiser und „Kreuzritter“ 1190: Kaiser Friedrich I. – genannt „Rotbart“ – ertrinkt während des 3. Kreuzzuges im Fluss Saleph (Göksu). Der „kämpfende Kreuzritter“ gilt bis heute als populärster deutscher Kaiser des Mittelalters. Wer war „Barbarossa“ und was macht diesen Herrscher so besonders?
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