Schlachtschiff BISMARCK
Clausewitz Spezial
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Das Magazin für Militärgeschichte
Clausewitz Spezial
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BISMARCK Das Schlachtschiff Rekonstruiert: Das Schiff in 3D-Bildern!
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Clausewitz Spezial
Schlachtschiff BISMARCK
Gefürchtet, gejagt, versenkt
Konstruktion und Bau
Verhängnisvolle Begegnung
Wie das Schlachtschiff bei Blohm & Voss entstand
Versenkung der HMS Hood
An Bord der BISMARCK Kommandant Lindemann und seine Männer
Editorial
Inhalt
Liebe Leserin, lieber Leser, die Entscheidung, ein CLAUSEWITZ-Spezial zum Schlachtschiff BISMARCK zu veröffentlichen, fiel uns nicht schwer. Die BISMARCK ist trotz ihrer kurzen „Lebensdauer“ ohne jeden Zweifel das bekannteste Kriegsschiff der deutschen Marinegeschichte. Damals spiegelte es den Höhepunkt des deutschen und internationalen Militärschiffbaus wider. Nicht umsonst galt die BISMARCK zum Zeitpunkt ihrer Indienststellung im August 1940 als das stärkste Schlachtschiff der Welt. Seit ihrem spektakulären und zugleich tragischen Ende am 27. Mai 1941 sind mittlerweile mehr als sieben Jahrzehnte vergangen. Dennoch ist das Schicksal der BISMARCK zu keiner Zeit in Vergessenheit geraten. Im Gegenteil: Bis heute ist der „Mythos BISMARCK“ in den Print- und Onlinemedien sowie in Modellbaukreisen scheinbar allgegenwärtig. Das Schlachtschiff übt eine ungebrochene Faszination auf viele Menschen – auch jüngerer Generationen – aus. Mehr als 2.000 Männer der Schiffsbesatzung fanden ebenso wie der Flottenchef und der Kommandant beim Untergang des Schlachtschiffgiganten den Tod. Heute ruht das 1989 aufgespürte Wrack der BISMARCK in fast 5.000 Metern Tiefe auf dem Meeresgrund des Atlantiks. Der Entdecker des Wracks ist Robert D. Ballard, ein US-Amerikaner mit deutschen Wurzeln. Von ihm ist folgendes Zitat zum Untergang des Schlachtschiffes überliefert: „Die BISMARCK war kein unschuldiges Schiff. Kurz bevor ihr Schicksal sie ereilte, hatte sie mehr als 1.000 Mann auf dem britischen Schlachtkreuzer HOOD getötet.“ Tatsächlich hat die Versenkung der „Mighty HOOD“ – der mächtigen HOOD – innerhalb weniger Minuten besonders dazu beigetragen, dass die 1939 in Hamburg vom Stapel gelaufene BISMARCK weltweit so bekannt geworden ist. Für viele Briten war es förmlich ein Schock, als sie vom Untergang der „unsinkbaren“ HMS HOOD erfuhren. Für die Bereitstellung von zum Teil sehr seltenen Fotos, darunter das originale BISMARCK-Werftmodell im Maßstab 1:50, danken wir besonders der Werft „Blohm + Voss“. Eine spannende Lektüre wünscht Ihnen
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„Seeventile und Torpedorohre auf...!“ Deutschlands Marine nach dem Ersten Weltkrieg
Engeland...!“ Die Marinerüstung des „Dritten Reiches“
14 „Schwimmender Gigant“. Entstehung der BISMARCK
20 „Stolz der Kriegsmarine“. Erprobung der BISMARCK
64 Der Flottenchef. 68 Der Kommandant. Kapitän zur See Ernst Lindemann
72 Gefallene und Gerettete. Die Besatzung der BISMARCK
76 Erinnerungen an den
Untergang. Augenzeugenbericht eines Überlebenden
22 Unternehmen „Rheinübung“. Handelskrieg im Atlantik
30 Die BISMARCK schlägt zu. „Feuertaufe“ in der Dänemarkstraße
34 Die Flucht der BISMARCK. Von der Royal Navy verfolgt!
38 „Endkampf bis zur letzten
80 „Kein Hügel deckt sein
Grab...“. Hinterbliebene der BISMARCK-Gefallenen
84 Versunken in der Tiefe. Die Entdeckung des BISMARCK-Wracks
92 Film: Akkurater Seekampf in
Granate“.
schwarz-weiß.
Die Vernichtung der „unsinkbaren“ BISMARCK
Die letzte Fahrt der BISMARCK
42 Schnell, stabil und
94 Film: „Eine Kathedrale aus
schlagkräftig!
Stahl – geweiht der Zerstörung“.
Das technische Erfolgsrezept
Expedition zur BISMARCK
46 Detailliert rekonstruiert. Virtueller Rundgang auf der BISMARCK
Der BISMARCK-Mythos lebt im Modell
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Tragische Gegenspielerin der BISMARCK
Admiral Günther Lütjens
10 „Denn wir fahren gegen
54 Plastik statt Stahl.
Dr. Tammo Luther Verantwortlicher Redakteur
62 „The mighty HOOD“.
58 Die „einsame Königin“.
95 Kolumne: Erfolgreiche
Jägerin im Atlantik. Alternatives Szenario
96 Leserservice 98 Impressum
Schlachtschiff TIRPITZ – Das Schwesterschiff der BISMARCK Titelfotos: Archiv John Asmussen (2), Blohm + Voss, US Navy; Zeichnung T. Schmid/www.3dhistory.de Foto: Archiv John Asmussen
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Zwischen den Weltkriegen
Deutschlands Marine nach dem Ersten Weltkrieg
„Seeventile und Torpedorohre auf...!“ 21. Juni 1919: Konteradmiral Ludwig von Reuter befiehlt die Selbstversenkung der internierten deutschen Hochseeflotte. Die Bucht von Scapa Flow im Norden Schottlands wird zum Massengrab kampfstarker Kriegsschiffe. Der Stolz der deutschen Von Tammo Luther Schlachtflottenrüstung liegt auf dem Meeresgrund...
AUF DEM TIEFPUNKT: Die Selbstversenkung der Kaiserlichen Hochseeflotte in der Bucht von Scapa Flow bedeutet 1919 das vorläufige Ende der deutschen Seemachtambitionen, Gemälde von Willy Foto: ullstein bild – Willy Stöwer Stöwer.
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Beschränkungen durch den Versailler Vertrag Allein fünf Schlachtkreuzer, SMS DERFFLINGER, SMS HINDENBURG, SMS MOLTKE, SMS SEYDLITZ und SMS VON DER TANN sowie elf Linienschiffe und zahlreiche weitere Kleine Kreuzer und Torpedoboote versinken nach dem Öffnen der Ventile, Torpedorohre, Schotten etc. in den Fluten – versenkt von der jeweils eigenen Besatzung, um die Schiffe nicht dem ehemaligen Gegner zu überlassen. Von einer der stärksten Flotten der Welt war nicht mehr viel übrig. Die „maritime Stärke“ des durch den Ersten Weltkrieg und seine Folgen stark geschwächten Deutschen Reiches ist
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damit auf ein Minimum gesunken. Die Rüstung der neuen Reichmarine steht zu Beginn der 1920er-Jahre zunächst ganz im Zeichen der restriktiven Beschränkungen von Versailles und muss sich daher mit kleinen Fortschritten begnügen. So ist Deutschland der Bau schwerer Schlachtschiffe und von Unterseebooten untersagt, die Personalstärke der Marine auf 15.000 Mann begrenzt. Als „Höchststand“ der Flotte werden lediglich sechs gepanzerte Schiffe (spätere „Deutschland-Klasse“), sechs Kleine Kreuzer, zwölf Zerstörer und zwölf Torpedoboote zugebilligt.
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Zwischen den Weltkriegen
Anfänge der Reichsmarine Ungeachtet der Rüstungsbeschränkungen denkt die deutsche Marineleitung frühzeitig an neue Rüstungspläne. Etwa seit 1925 setzen zaghafte Bestrebungen ein, das vorhandene und mittlerweile veraltete Schiffsmaterial schrittweise zu erneuern und – zunächst im Rahmen des vertraglich Erlaubten – neue Schiffskonstruktionen zu entwerfen. Aber auch geheime Rüstungsprojekte werden vorangetrieben. Um in irgendeiner Weise mittel- oder langfristig „konkurrenzfähig“ zu sein, war eine Erneuerung der überalterten Flotte aus deutscher Sicht auch dringend notwendig,
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bildeten doch in die Jahre gekommene Linienschiffe wie die SCHLESIEN und die SCHLESWIG-HOLSTEIN lange Zeit den Kern der Reichsmarine. Als Bedrohung wurden in der zweiten Hälfte der 1920er-Jahre von der Marineleitung, der obersten Kommandostelle der Reichsmarine, besonders die französische Marine, aber auch die Flotten Polens und der Sowjetunion angesehen. Ein möglicher Konflikt mit England, der führenden Seemacht, schien zu diesem Zeitpunkt undenkbar und der Ausgang vollkommen aussichtslos.
Überalterte Flotte
IN DIE JAHRE GEKOMMEN: Linienschiff SCHLESWIG-HOLSTEIN in Fahrt auf hoher See. Die deutschen Kriegsschiffe sind in den 1920erJahren größtenteils nicht mehr konkurrenzfähig. Foto: picture-alliance/WZ-Bilddienst
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Zwischen den Weltkriegen
RÜSTUNGSSPIRALE: Die französischen Großkampfschiffe der DUNKERQUE-Klasse waren die Antwort auf den zu Beginn der 1930er-Jahre einsetzenden Panzerschiffbau der Reichsmarine. Mit ihren 33-cm-Geschützen waren die beiden fertig gestellten Schlachtschiffe der französischen Marine den deutschen Panzerschiffen (spätere Typansprache: Schwere Kreuzer) mit ihrer Foto: picture-alliance/ZB © dpa 28-cm-Artillerie überlegen.
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Die Gegner von Morgen
Bau von Panzerschiffen Im Jahr 1928 wird schließlich von der Regierung der Bau des Panzerschiffs „A“ – die spätere DEUTSCHLAND – beschlossen. Zu Beginn der 1930er-Jahre gelingt es dem seit 1928 amtierenden Chef der Marineleitung Admiral Erich Raeder, die Genehmigung für den Bau eines zweiten und dritten Panzerschiffs („B“ und „C“) im Reichstag zu erwirken, um im Ernstfall die französische Marine an einer Blockade der deutschen Küsten hindern zu können. Durch die Teilnahme an der Londoner Flottenkonferenz 1930 und Erfolge bei der 1932 eröffneten Genfer Abrüstungskonfe-
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renz hofft die deutsche Regierung, Lockerungen bei den Versailler Bestimmungen zu erlangen. Beides scheitert am Widerstand Frankreichs. Dennoch genehmigt Deutschlands Reichswehrminister für die Marine im selben Jahr einen „Umbauplan“, der eine Vergrößerung, eine verbesserte Bewaffnung und sogar die Schaffung einer U-Boot-Waffe vorsieht. Frankreich selbst reagiert 1932 auf die deutsche „Panzerschiff“-Entwicklung mit dem Bau schwerer Schlachtschiffe der DUNKERQUE-Klasse, einem größeren und schnelleren Schiffstyp.
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Aufrüstung der Kriegsmarine
VORREITER: Die SCHARNHORST war das Typschiff der SCHARNHORST-Klasse und wurde zunächst im Jahr 1934 und nach einem zwischenzeitlichen Baustopp 1935 nochmals auf Kiel gelegt. Das Schiff mit der für Schlachtschiffe schwachen Hauptbewaffnung von 28-cm-Geschützen wurde nach dem berühmten preußischen Militärreformer Gerhard von Scharnhorst (1755–1813) benannt. Foto: picture-alliance/picture-alliance
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Die Marinerüstung des „Dritten Reiches“
„Denn wir fahren gegen Engeland...!“ 1. Juni 1935: Die Kriegsmarine „beerbte“ die Reichsmarine. Kurz darauf erlebte Hitler nach Abschluss des deutsch-britischen Flottenabkommens seinen „glücklichsten Tag“. Der RüsVon Lukas Grawe tungswettlauf mit Frankreich und schließlich auch mit England begann.
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ereits vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten meldete die deutsche Marineleitung um Admiral Erich Raeder größere Ambitionen an, die sich 1932 im sogenannten Umbauplan widerspiegelten. Dieser sah unter anderem den Bau von acht Panzerschiffen, 18 Kreuzern, 48 Zerstörern und 72 U-Booten vor. Die Panzerschiffe sollten veraltete Schiffe ersetzen und entsprachen in etwa modernen schnellen Schlachtkreuzern. Obwohl die deutschen Panzerschiffe deutlich kleiner waren, als die neuen französischen Schiffe der DUNKERQUE-Klasse, sollte mit dem vorangetriebenen Ausbau der Reichsmarine auf Dauer eine Konkurrenzfähigkeit mit anderen europäischen Mächten erreicht werden. Die deutsche Marineleitung hatte aus Fehlern der Vergangenheit gelernt. Eine deutliche Flottenvergrößerung gegen den Wunsch der Vormacht zur See, Großbritannien, war unmöglich und musste um jeden Preis vermieden werden. Zukünftige Auseinandersetzungen hielt man vor allem mit Frankreich, der Sowjetunion oder Polen für wahrscheinlich. Die „Parität mit Frankreich“ war auf dieser Basis die erste Voraussetzung für einen Erfolg und bedeutete im Vergleich zu den Versailler Vorgaben von 1919 eines Verdreibis Vervierfachung der Flottengröße.
rine. Demnach sollte die deutsche Flotte maximal 35 Prozent der britischen Flotte ausmachen und somit eine Gegnerschaft Großbritanniens verhindert werden. Diese Politik war jedoch in erster Linie Propagandazwecken geschuldet. 35 Prozent der britischen Flotte klangen defensiver und weniger fordernd als das offensive Ziel „Parität mit Frankreich“. Zudem ließ die deutsche Marineleitung verlauten, dass der „Ausbau der deutschen
Das Flottenabkommen
Erste Forderungen Ab 1934 wuchs die deutsche Flotte zumindest auf dem Papier erstaunlich schnell. Gemäß der neuen Leitlinie, dass die Rüstung zur See auf jeden Fall mit der Zustimmung Großbritanniens legitimiert werden sollte, forderte Raeder im Juni 1934 erstmals eine freiwillige Beschränkung der deutschen Ma-
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Flotte nur im Rahmen des für die Landesverteidigung und den Handelsschutz Notwendigen beabsichtigt“ war. Die auf diese Weise vorsichtig klingenden Forderungen bedeuteten im Vergleich zum damaligen Stand der deutschen Marine jedoch einen gehörigen Machtzuwachs. Hitler, der den schnellen Ausbau der deutschen Seemacht als „lebensnotwendig“ erachtete, wollte zwar die britische Vormacht zur See, nicht jedoch diejenige Frankreichs anerkennen. Die „35-Prozent-Marke“ schien unter diesen Gegebenheiten das Höchste des Erreichbaren zu sein.
GRATULATION: Adolf Hitler beglückwünscht in der Berliner Reichskanzlei den „Außerordentlichen und Bevollmächtigten Botschafter des Deutschen Reiches” Joachim von Ribbentrop nach Abschluss des Flottenabkommens mit Großbritannien im Juni 1935. Foto: ullstein bild - Heinrich Hoffmann
Am 18. Juni 1935 einigten sich die britischen und deutschen Verhandlungsführer auf einen Flottenvertrag, der eine „gültige, dauernde und endgültige“ Einigung darstellen sollte. Die deutsche Flotte wurde nun offiziell auf die „35-Prozent-Marke“ beschränkt und ging damit weit über das in Versailles 1919 Festgelegte hinaus. Die Bindung galt nicht nur für die Gesamttonnage, sondern wurde auch auf die einzelnen Schiffsklassen und -typen übertragen. Lediglich U-Boote waren von der Regelung ausgenommen, sie wurden auf ein Verhältnis von 45 zu 100 beschränkt. Auf diese Weise hatte die britische Regierung den deutschen Flottenbau legitimiert. Die Gegnerschaft Großbritanniens blieb bei den ersten operativen Planungen tabuisiert. In diesem Falle sah die Marineleitung ohnehin keine Chancen auf einen Sieg für die deutsche Flotte. Gab das deutsch-britische Flottenabkommen von 1935 diesen Hoffnungen zunächst noch Auftrieb, führte die sich
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Aufrüstung der Kriegsmarine TRÜGERISCH: Blauer Himmel über einem Schweren Kreuzer der ADMIRAL-HIPPER-Klasse im Hafen von Kiel im Jahr 1939, kurz vor Ausbruch des Foto: ullstein bild – Spring Zweiten Weltkriegs.
verschärfende außenpolitische Lage jedoch ab 1937/38 zur Annahme, dass Großbritannien ebenfalls als künftiger Gegner betrachtet werden musste. Die gewaltige Seemacht war nur durch einen Angriff auf ihre Seeverbindungen zu schädigen, was die Ausdehnung des möglichen Kriegsschauplatzes auf den Atlantik und das Mittelmeer zur Folge haben würde. Da die deutsche Flotte für derartige Vorhaben nicht ausgerüstet war, begann die Marineleitung mit einer Forcierung und Ausweitung ihrer Baupolitik.
Gegner Großbritannien Zwar gab noch das deutsch-britische Flottenabkommen den Rahmen vor, innerhalb dessen die Admiralität ihre Rüstungsvorhaben realisieren wollte. Die Pläne für den Umund Ausbau der Flotte nahmen jedoch schnell weiter an Fahrt auf. Bis Ende 1938 sollten die Schiffe SCHARNHORST und
GNEISENAU, bis März 1940 die ADMIRAL HIPPER, PRINZ EUGEN und die SEYDLITZ fertig gestellt sein. Zusätzlich sah die Marineleitung den Bau von zwei Flugzeugträgern vor. Im Juni 1938 vergrößerte sich die „Wunschliste“ der Marine erneut. Bis 1945 sollte demnach die Kriegsmarine aus zehn Schlachtschiffen, drei Panzerschiffen, fünf schweren Kreuzern, zehn neuen und sechs alten Kreuzern, vier Flugzeugträgern, 37 Zerstörern, 48 Torpedobooten und 129 U-Booten bestehen. Obwohl die meisten dieser Vorhaben innerhalb der 35-Prozent-Klausel blieben, war diese Hürde in den entscheidenden Kategorien bereits gefallen: Sowohl bei den schweren Einheiten als auch bei den U-Boo-
„Ich befehle, dass der von mir angeordnete Aufbau der Kriegsmarine allen anderen Aufgaben einschließlich der Aufrüstung der beiden anderen Wehrmachtteile und einschließlich des Exports vorgeht.“ Adolf Hitler am 27. Januar 1939 bei der Verkündung des „Z-Plans“.
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REKRUTIERUNG: Propagandaplakat aus dem Jahr 1936, das für den freiwilligen Eintritt in die Kriegsmarine wirbt. Foto: picture-alliance/akg-images
ten ging man weit über das vertraglich Erlaubte hinaus. Auch die operativen Planungen wurden für einen Krieg gegen Großbritannien angepasst. Die 1938 unter der Leitung von Fregattenkapitän Hellmuth Heye verfasste Denkschrift „Möglichkeiten einer Seekriegführung gegen England und die sich daraus ergebenden Forderungen für die strategische Zielsetzung und den Aufbau der Kriegsmarine“ betonte, dass in einem Krieg gegen die britische Seemacht der operative Schwerpunkt auf dem Kreuzerkrieg gegen die Handels- und Seeverbindungen des British Empire liegen müssten. U-Boote waren für diese Zielsetzung jedoch nicht vorgesehen, vielmehr sollte ein vollkommen neuer Schlachtschifftyp diese Aufgaben übernehmen. Die für diese Aufgaben vorgesehenen
Ehrgeizige Ziele Schiffstypen mussten schneller, ausdauernder und stärker als jedes vergleichbare britische Schiff sein, um die quantitative Unterlegenheit ausgleichen zu können.
„Kündigung“ des Abkommens Mit der sich ab Mitte 1938 verändernden politischen Lage fand der tiefgreifende Wandel in der Marineplanung seine Bestätigung. Flottenchef Admiral Rolf Carls nannte im Dezember 1938 die wahren Ziele der Marinerüstung: Im Hinblick auf den „Willen des Führers, eine in sich gesicherte Weltmachtstellung [zu] erwerben“, müsse der Krieg gegen 1/3 bis 2/3 der Welt vorbereitet werden. Mit einer derartigen Zielsetzung durften vertraglich bindende Beschränkungen nicht länger die deutschen Rüstungsbestrebungen hindern. In seiner Reichstagsrede am 28. April 1939 kündigte Hitler folgerichtig das deutsch-britische Flottenabkommen. Die Beratungen des Bauplanungsausschusses ergaben, dass die deutschen Werften weitaus mehr zu leisten vermochten, als bisher angenommen. Die „Baumöglichkeiten für Schlachtschiffe und Panzerschiffe“ wurden daher in drei neuen Plänen niedergelegt (Pläne I bis III) und Hitler mitgeteilt. Die drei Pläne unterschieden sich weniger im Auftragsvolumen, sondern vielmehr in den verschiedenen Bauphasen für die einzelnen Schiffstypen. Hitler bewilligte schließlich den Bauplan III, der den Bau von
Literaturtipp Michael Salewski: Die deutsche Seekriegsleitung 1935–1945, Bd. 1. Frankfurt am Main 1970.
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AUFRÜSTUNG: Im Vordergrund U 37 der Kriegsmarine, ein Unterseeboot vom Typ IX A, das ein Jahr nach dem deutsch-britischen Flottenabkommen von 1935 in Auftrag gegeben und 1938 in Dienst gestellt wurde. Dahinter sind U 38, U 39 und U 40 erkennbar – ebenfalls U-Boote vom Typ IX A. Foto: picture-alliance/picture-alliance
vier Panzerschiffen, drei Leichten Kreuzern, zehn Zerstörern und 52 Torpedobooten bis Anfang 1943 vorsah. Mit dem Bau der beiden 55.000 Tonnen schweren Schlachtschiffe „H“ und „J“ sollte Anfang 1940 begonnen werden. Doch auch dieser Plan wurde in den folgenden Wochen weiter ausgebaut. Die Varianten „III.X“ und „III.Y“ vermehrten den Bestand an Neubauten noch einmal erheblich.
Der ehrgeizige „Z-Plan“ Ende 1939 stellte die Marineführung die Variante „Z“ des Bauplans III vor, der alle bisherigen Vorhaben in den Schatten stellte. Bis 1947/48 sollten etappenweise zehn Schlachtschiffe (davon sechs Schiffe des Typs „H“), zwölf neue Panzerschiffe, vier Flugzeugträger, fünf Schwere Kreuzer, 16 Leichte Kreuzer, 22 „Spähkreuzer“, 158 Zerstörer und Torpedoboote sowie 249 U-Boote gebaut werden.
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Hitler legitimierte am 27. Januar 1939 das nun als „Z-Plan“ bezeichnete Bauvorhaben und räumte damit der Marinerüstung absoluten Vorrang ein. Da die deutsche Industrie bereits überlastet war, konnte anschließend nur der Bau von zwei Schlachtschiffen begonnen werden. An der Umsetzung des „Z-Plans“ wurde jedoch nur wenige Monate gearbeitet, denn die britische Kriegserklärung an das Deutsche Reich vom 3. September 1939 machte das ehrgeizige Unternehmen hinfällig. Wenige Tage später befahl Großadmiral Raeder nur noch die Fertigstellung der bereits im Bau weit fortgeschrittenen Schiffe. Bei diesen handelte es sich um Schiffe, die vor dem Inkrafttreten des „Z-Plans“ in Auftrag gegeben worden waren. Darunter: das Schlachtschiff BISMARCK. Lukas Grawe, M.A., Jg. 1985, Historiker aus Münster.
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Planung und Bau der BISMARCK
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Entstehung der BISMARCK
„Schwimmender Gigant“ 1. Juli 1936: In den Anlagen der Hamburger Werft „Blohm & Voss“ begann die Kiellegung des Schlachtschiffs „F“. Bis zur Fertigstellung des stärksten deutschen Kriegsschiffs sollten vier Jahre vergehen. Von Lukas Grawe
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ls Reaktion auf den 1932 von der deutschen Marine begonnenen „Umbauplan“ entwickelte die französische Marine einen neuen Schlachtschifftyp – die DUNKERQUE-Klasse. In dieser vereinten sich eine relativ geringe Wasserverdrängung und eine relativ hohe Geschwindigkeit. Hinzu kamen acht 33-cm-Geschütze als Hauptbewaffnung. Hatte die deutsche Marine bis dahin ihre Neubauten im Rahmen der restriktiven Vertragsbestimmungen von Versailles durchgeführt, musste die Marineführung nunmehr einsehen, dass die deutsche Flotte auf diese Weise keine Konkurrenz darstellte. Kommende Entwürfe für Schiffsneubauten sollten daher mit der französischen DUNKERQUE-Klasse mithalten oder sogar übertreffen. Ohne das Einverständnis der Großmacht Großbritannien wollte Hitler die noch immer geltenden Beschränkungen des Versailler Friedens nicht umgangen wissen. Erst zu Beginn des Jahres 1934 gab er die Erlaubnis für Pläne, die den Bau eines „wirklichen“ Schlachtschiffs vorsahen, dabei aber nicht über die Verdrängungsgrenze von 35.000 Tonnen hinausgingen. Auch die Kaliberfrage der Geschütze ging die deutsche Führung
FORTSCHRITTE: Auf diesem Foto aus dem Jahr 1938 sind die bereits eingebauten Stützzylinder der einzelnen Geschütztürme gut erkennbar. Foto: Blohm + Voss
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BAUBEGINN: Am 1. Juli 1936 wurden auf Helgen 9 der Hamburger Werft „Blohm & Voss“ die ersten Kielplatten des Schlachtschiffs „F“ verlegt. Foto: Archiv John Asmussen
noch zurückhaltend an: Erste Entwürfe sahen ein Kaliber von 33 Zentimetern vor. Da die man zu diesem Zeitpunkt eine Gegnerschaft Großbritanniens noch ausschloss und lediglich mit der Feindschaft Frankreichs rechnete, genügte die moderate Bewaffnungsvorgabe vollkommen.
Schlachtschiff „F“ Danach begannen die Marineplaner mit den Berechnungen der Panzerstärken. Recht schnell musste man erkennen, dass eine ausreichende Panzerung und damit der hohe Kampfwert des Schiffes nicht beibehalten werden konnten, ohne die Verdrängungsgrenze von 35.000 Tonnen zu überschreiten. Auch bei der vorgesehenen Höchstgeschwindigkeit von 33 Knoten mussten Abstriche gemacht werden. Trotzdem reichte der Entwurf noch immer über die Grenze hinaus. Dieses Resultat führte jedoch am 21. Dezember 1934 zu der Grundsatzentscheidung des Leiters des Oberkommandos der Marine, Erich Raeder, die Deplacementsgrenze notfalls auch zu überschreiten. Die Marineleitung ging mit Recht davon aus, dass es nicht möglich war,
alle militärischen Forderungen in dem vorgegebenen Rahmen zu erfüllen. Da die Begrenzung nun gefallen war, setzte sich Raeder für eine stärkere Bewaffnung ein. Um besser auf eine Verschlechterung der außenpolitischen Lage reagieren zu können, hielt man schließlich die Verwendung von 38-cm-Geschützen für erforderlich. Von der hemmenden Verdrängungsbeschränkung befreit, planten die Schiffsarchitekten mit verschiedensten Panzerstärken und Antriebstechniken. Auf diese Weise hatte das geplante Schlachtschiff „F“ eine enorme Steigerung seines Kampfwertes erhalten, was sich jedoch auch am deutlich über 35.000 Tonnen liegenden Gewicht zeigte. Innerhalb der deutschen Marineführung fürchtete man die politischen Reaktionen, sollte das hohe Gewicht des geplanten Neubaus öffentlich werden. Raeder gab daher den Befehl, das Schlachtschiff „F“ ausdrücklich nur als 35.000-Tonnen-Schiff zu bezeichnen. In den folgenden Wochen legten die Schiffsbauplaner der deutschen Marine 13 verschiedene Entwürfe vor, die sich an den Grundforderungen der Geschwindigkeit
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Planung und Bau der BISMARCK
GROßEREIGNIS: Die NS-Führung nutzte den Stapellauf am 14. Februar 1939 als Demonstration der Stärke des „Dritten Reiches“. Foto: Blohm + Voss
ACHILLESFERSE: Die Ruder der BISMARCK, die im Mai 1941 einen verhängnisvollen Treffer erhielten. Foto: Archiv John Asmussen
von 30 Knoten und einer Mindestreichweite von 8.000 Seemeilen orientierten. Die Varianten unterschieden sich vor allem bei den Antriebssystemen und der Position der Geschütztürme. Am 16. November 1935 schloss die Konstruktionsabteilung schließlich ihre Arbeiten ab. Die endgültige Fassung sah ein Schlachtschiff vor, das von der Silhouette und den Aufbauten stark an die Schiffe der SCHARNHORST-Klasse erinnerte. Nachdem der endgültige Entwurf für das Schlachtschiff „F“ feststand, musste die Marine eine Werft beauftragen, die in der Lage war, ein über 240 Meter langes Schiff zu bauen. Deutschlandweit kamen für ein solches Projekt nur vier Werften in Frage, denn Marinechef Raeder wollte bei der Größe des mächtigsten deutschen Schiffes keine Abstriche machen. Hitler und die Marine entschieden sich daher für die Hamburger Werft „Blohm & Voss“, der noch am 16. November 1935 der Bauauftrag erteilt wurde.
Erhebliche Verzögerungen Mit der am 1. Juli 1936 erfolgten Kiellegung auf Helgen 9 begannen die Arbeiten an „F“ Wirklichkeit zu werden. Über 5.000 Arbeiter waren an den Bemühungen der Werft betei-
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BESUCH DES DIKTATORS: Adolf Hitler auf dem Weg zur feierlichen Zeremonie des Stapellaufs der BISMARCK. Foto: Blohm + Voss
ligt, den ursprünglich vorgesehenen Fertigstellungstermin im Dezember 1940 einzuhalten. Recht schnell erwies sich jedoch die Schwierigkeit dieses Vorhabens, da es vor allem aufgrund der parallel laufenden Rüstungsprojekte bei Heer, Luftwaffe und Marine an wichtigen Rohstoffen fehlte. Bereits Mitte Mai ließ die Leitung der Hamburger
HINTERGRUND
Werft verlauten, dass „die Beschaffungsschwierigkeiten auf allen Gebieten augenblicklich so groß [sind], dass die fortgesetzte Festlegung neuer Termine unzweckmäßig erscheint.“ Die für März 1938 angesetzte Werftprobefahrt wurde immer unwahrscheinlicher, ebenso der für Februar 1939 geplante Stapellauf. Allein zwischen März und Au-
„Blohm & Voss“
Auf der Elbinsel Kuhwerder, einer Weidefläche für Hamburger Schlachtvieh, gründeten Hermann Blohm und Ernst Voss 1877 die Schiffswerft und Maschinenfabrik „Blohm & Voss“. Nach schwierigen Anfangsjahren führte die Aufnahme des Reparaturgeschäfts zu einer wirtschaftlichen Konsolidierung der Werft, die sich in den 1890er-Jahren fortsetzt. Die anfangs mit 15.000 Quadratmetern Fläche relativ kleine Werft stieg durch den deutschen Flottenbau im Kaiserreich zu einem Großunternehmen auf. 1905 verfügte das Unternehmen mit einer Fläche von 560.000 Quadratmetern und einer drei Kilometer langen Wasserfront über die größte geschlossene Werftanlage der Welt. Während des Ersten Weltkriegs spezialisierte sich
die Werft auf den Bau von U-Booten und lieferte außerdem sechs Zerstörer und einen kleinen Kreuzer ab. Bei Kriegsende 1918 beschäftigte das kriegswichtige Unternehmen 14.000 Mitarbeiter. Durch die Beschränkungen von Versailles blieb die Produktion von Neubauten auf Handelsschiffe beschränkt. Erst nach der Machtergreifung Hitlers im Jahr 1933 wurden bei „Blohm & Voss“ wieder Kriegsschiffe gebaut. Im Verlauf des Zweiten Weltkriegs übernahm die Werft erneut den Bau von U-Booten. Nach der deutschen Niederlage verhängten die Alliierten ein Produktionsverbot und demontierten die Werftanlagen, sodass es bis 1955 dauerte, dass mit der „Blohm & Voss Aktiengesellschaft“ die Werft neu entstand.
Stapellauf als „Staatsakt“
UMJUBELT: Der Schiffskörper der BISMARCK verlässt unter dem Beifall der Zuschauer die Helling und schwimmt wenig später auf. Zahlreiche führende Nationalsozialisten waren beim Stapellauf anwesend. Foto: Blohm + Voss
gust 1937 verzögerten sich die Arbeiten an „F“ um viereinhalb Monate, sodass die Gesamtverzögerung seit Baubeginn bereits mehr als ein Jahr betrug.
Hitler drängt auf Fertigstellung Zu Beginn des Jahres 1938 wandte sich Hitler höchstpersönlich an den Chef der Werft und fragte nach den Fortschritten des Baus. Auch Raeder wies noch einmal ausdrücklich darauf hin, „dass das Schlachtschiff ,F’ unter allen Umständen rechtzeitig fertiggestellt werden“ müsse. Die Leitung von „Blohm & Voss“ konnte nichts anderes tun, als an die Geduld der deutschen Führung zu appellieren. Zudem verlangte man eine Anordnung der Marine, „dass bei allen Unterlieferanten der Vorrang der Lieferungen auch für Schlachtschiff ,F’ durchgesetzt wird.“ Am 25. Mai 1938 kam es im Oberkommando der Marine zu einer Besprechung, an der auch Hitler teilnahm. Sowohl „F“ als auch dessen Schwesterschiff „G“, die spätere TIRPITZ, sollten nach Verlangen des „Führers“ im Frühjahr 1940 wegen einer möglichen militärischen Auseinandersetzung mit Frankreich und Großbritannien einsatzbereit sein. Der Termin lag ein halbes
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Jahr vor der ursprünglichen Ablieferungsfrist, war jedoch angesichts der sich verschlechternden außenpolitischen Lage unumgänglich geworden und setzte die Werft noch einmal zusätzlich unter Druck. Doch unter Aufbietung sämtlicher Kräfte gelang es „Blohm & Voss“, die Verzögerung nach und nach aufzuholen.
Feierlicher Stapellauf Am 14. Februar 1939 lief das neue Schlachtschiff „F“ schließlich nach rund zweieinhalbjähriger Bauzeit vom Stapel und wurde in einer feierlichen Zeremonie auf den Namen BISMARCK getauft. Große Teile der Hamburger Bevölkerung waren an diesem Tag auf den Beinen, um dabei zu sein, wenn
der neue „Stolz der Kriegsmarine“ das „Schwimmen“ lernte. Die Straßen waren mit Flaggen geschmückt, überall herrschte großer Trubel. Die NS-Führung ließ den Stapellauf der BISMARCK zum Staatsakt erklären. Hitlers Auftritt in Hamburg war eine genau geplante Inszenierung. Um dem „Führer“ und seinem Gefolge eine sichere und zugleich triumphale Anfahrt zu ermöglichen, sperrten unzählige Angehörige von SA, SS und Hamburger Polizei die Straßen ab. Ganz Deutschland schaute in diesem Moment auf die Stadt an der Elbe und auch im übrigen Europa wurde die nationalsozialistische Machtdemonstration genau registriert. Hitler ließ es sich nicht nehmen, die Taufrede
„Die Beschaffungsschwierigkeiten auf allen Gebieten [sind] augenblicklich so groß, dass die fortgesetzte Festlegung neuer Termine unzweckmäßig erscheint.“ Christian Schulz, Chef der Konstruktionsabteilung bei „Blohm & Voss“, am 18. Mai 1937.
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Planung und Bau der BISMARCK
RUND UM DIE UHR: Die Arbeiten auf der BISMARCK wurden aufgrund des engen Terminplans bis zur Fertigstellung in Schichten laufend vorangetrieben. Diese Aufnahme ist Mitte 1940 entstanden. Foto: Archiv John Asmussen
selbst zu halten. In seinen Ausführungen ging er dabei vor allem auf die Namensherkunft des Schiffes ein: „Als Führer des deutschen Volkes und als Kanzler des Reiches kann ich [dem Schiff] aus unserer Geschichte keinen besseren Namen geben, als den Namen des Mannes, der als ein wahrer Ritter ohne Furcht und Tadel Schöpfer jenes deutschen Reiches war, dessen Wiederauferstehung aus bitterster Not und dessen wunderbare Vergrößerung uns die Vorsehung nun gestattete. Mögen sich die deutschen Soldaten und Offiziere, die die Ehre besitzen dieses Schiff einzuführen, jederzeit seines Namensträgers würdig erweisen. Möge der Geist des Eisernen Kanzlers auf sie übergehen.“
Nach Hitler hielt auch der Oberbefehlshaber der deutschen Kriegsmarine, Erich Raeder, eine propagandistische Rede, in der er betonte, dass die deutsche Marine den Bau der BISMARCK vor allem der Energie und Tatkraft des „Führers“ verdanke. Bei der anschließenden Taufe stand eine Person besonders im Mittelpunkt: Dorothea von Loewenfeld, eine Enkelin Otto von Bismarcks, taufte das Schiff „auf Befehl des Führers und Reichskanzlers […] auf den Namen BISMARCK“. Während an der Seite des Schiffes der Name enthüllt wurde, schleuderte Bismarcks Enkelin eine Sektflasche an den Bug des Schiffes, um die Taufe offiziell abzuschließen. Danach glitt der stählerne Rumpf langsam in die Elbe.
Für die Propaganda eignete sich die Zeremonie hervorragend als Stärkebeweis des „neuen“ Deutschland. Propagandaminister Joseph Goebbels notierte am selben Tag in seinem Tagebuch: „Hamburg ist auf den Beinen. Gleich zur Werft gefahren. Riesenauftrieb. Ungezählte Menschen. Der Führer spricht über Bismarcks Werk. Eine kurze, aber klassisch schöne und klare Rede. Mit scharfer Kritik am kaiserlichen Deutschland. Dann Taufe. BISMARCK. (...) Ein majestätischer Anblick. Wir sind alle ganz benommen davon.“
Hohes Bautempo Nach dem Stapellauf am 14. Februar 1939 war das Schiff keineswegs fertig, da sämtliche Aufbauten noch montiert werden muss-
Schiffstaufe Die Benennung war in erster Linie ein politischer Schachzug. Wie bereits der „Tag von Potsdam“ am 21. März 1933 sollte auch diese Maßnahme Kontinuität suggerieren und die große Popularität des Reichsgründers ausnutzen. Auf dem Weg von Berlin nach Hamburg machte Hitler auf Bismarcks Residenz Friedrichsruh Halt, um dort symbolträchtig einen Kranz niederzulegen.
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„Mögen sich die deutschen Soldaten und Offiziere, die die Ehre besitzen dieses Schiff einzuführen, jederzeit seines Namensträgers würdig erweisen. Möge der Geist des Eisernen Kanzlers auf sie übergehen.“ Adolf Hitler in seine Taufrede am 14. Februar 1939.
Stärkebeweis des „neuen“ Deutschland
BEI KRIEGSAUSBRUCH: Diese Aufnahme entstand im September 1939. Die Brückenaufbauten wachsen heran. Foto: Archiv John Asmussen
SCHLEPPEND: In den kalten Wintermonaten 1939/40 kamen die FAST FERTIG: Die BISMARCK an ihrem Liegeplatz, wo Restarbeiten Arbeiten an dem Schlachtschiff nur mühsam voran. Foto: Blohm + Voss vorgenommen wurden. Foto: Archiv John Asmussen
Ende März konnte der Einbau des Schornsteins abgeschlossen werden, sodass die charakteristische Silhouette der BISMARCK vollständig war. Im Zeichen des Krieges war ein hohes Bautempo unumgänglich. Rund um die Uhr wurde auf der BISMARCK nun in drei Schichten gearbeitet. Nur so war es „Blohm & Voss“ schließlich möglich, das Schiff nur 18 Monate nach dem Stapellauf – mit Ausnahme kleinerer Arbeiten – fertigzustellen.
Indienststellung SCHWIMMENDER GIGANT: Bugansicht der 250,50 Meter (Länge über alles) langen BISMARCK. Foto: Archiv John Asmussen
ten. „Blohm & Voss“ hatte die folgende Arbeitszeit auf eineinhalb Jahre geschätzt, um neben allen Arbeiten an Deck auch die Maschinenanlage einbauen zu können. Die BISMARCK wurde für diese Zwecke am Ausrüstungspier festgemacht. Mit Hilfe eines 250 Tonnen schweren Hammerkrans wurden die bereits vormontierten Aufbauten an Bord des Schiffes gehievt und dort verschweißt. Im September 1939 waren auf diese Weise bereits die Brücke des Komman-
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danten und die vier schweren Geschütztürme verbaut worden. Der folgende ungewöhnlich strenge Winter bremste die Arbeiten am Schiff jedoch noch ein letztes Mal.
Literaturtipp Siegfried Breyer und Gerhard Koop: Schlachtschiff Bismarck. Eine technikgeschichtliche Dokumentation, Augsburg 1996.
Im August 1940 und damit vier Monate vor dem ursprünglichen Termin im Dezember übergab die Werft das neue Schlachtschiff offiziell der deutschen Kriegsmarine. Werfteigentümer Rudolf Blohm verwies voller Stolz auf die Größe und Kampfkraft der BISMARCK und auf die frühzeitige Fertigstellung. Dabei dankte er auch den zahlreichen Zulieferfirmen, ohne deren Mitarbeit der Bau der BISMARCK bei weitem nicht so früh hätte abgeschlossen werden können. Noch während die letzten Arbeiten an Bord des Schiffes ausgeführt wurden, nahm die künftige Besatzung des Schiffes ihren Dienst auf.
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Testphase
Erprobung der BISMARCK
„Stolz der Kriegsmarine“ 24. August 1940: Die BISMARCK wurde offiziell in Dienst gestellt und der Kriegsmarine übergeben. Bevor das Schlachtschiff kriegsverwendungsfähig war, musste es harte Belastungstests überstehen. Von Lukas Grawe
I
m Anschluss an die Indienststellung am 24. August verließ die BISMARCK im September 1940 den Hafen von Hamburg, um sich in der Ostsee intensiven Erprobungen und Testfahrten zu unterziehen. Dabei wurden nicht nur die Fahreigenschaften und die Justierung der Geschütze überprüft, sondern sämtliche Schiffsvorgänge einer strengen Kontrolle unterzogen. Am 16. September begann sich die BISMARCK ihren Weg durch den engen NordOstsee-Kanal zu bahnen – eine erste Herausforderung für die Besatzung. Während der Fahrt stellte sie den sogenannten „verschärften Verschlusszustand“ her, bei dem sämtliche Schotten geschlossen wurden und nur noch die nötigsten Verkehrsgänge offen blieben. Dieser Test war nötig, um im Falle eines Gefechts den „schärfsten Verschlusszustand“, das heißt das Schließen sämtlicher Durchlässe, beherrschen zu können.
Geschwindigkeitstests
24. AUGUST 1940: Am Tag der Indienststellung des Schlachtschiffs geht Kapitän zur See Ernst Lindemann über das Fallreep an Bord der BISMARCK. Foto: Archiv John Asmussen
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Nach kurzem Aufenthalt in Kiel setzte das neue Schlachtschiff seine Fahrt in Richtung Gotenhafen fort. In der Danziger Bucht erprobte die Mannschaft zwei Monate lang Schiff und Einrichtungen. Der Mineneigenschutz wurde überprüft, Meilen- und Fahrbereichsfahrten durchgeführt und schließlich die Geschwindigkeit der BISMARCK getestet. Mithilfe langsamer Steigerungen konnten die Maschinen am 23. Oktober 1940 erstmals unter höchster Kraft laufen und be-
schleunigten das Schiff auf 30,8 Knoten. Bei einer mittleren Geschwindigkeit von 17 Knoten verfügte die BISMARCK über eine Reichweite von 8.900 Seemeilen. Insgesamt verliefen die Proben sehr zufriedenstellend. Die BISMARCK zeigte sich als ein Schiff von hoher Kursbeständigkeit mit nur flachen Schlinger- und Stampfbewegungen, auch bei rauer See. Auf Ruderbewegungen sprach es sofort an, sodass es sogar in engen Gewässern ohne Schlepper manövrieren konnte. Für den Fall eines Ruderausfalls wurde das Steuern mit den drei Schiffsschrauben getestet. Ohne Ruder war die BISMARCK jedoch nur schlecht auf Kurs zu halten.
„Anschießen“ der Schiffsartillerie Neben der Erprobung des Schiffs wurde die Ausbildung der Mannschaft intensiv vorangetrieben. Die junge Besatzung musste sich auch in der Hitze des Gefechts sicher an Bord bewegen können. Mitte Oktober inspizierte der Kommandant der BISMARCK, Kapitän zur See Ernst Lindemann, die einzelnen Manöverstationen und ließ die wichtigsten „Rollen“ durchexerzieren. Da sich das Deutsche Reich im Krieg befand, musste die Besatzung ihre Ausbildung im Zeitraum von nur neun Monaten statt innerhalb der üblichen zwei Jahre absolvieren. Im November 1940 wurde erstmals die Schiffsartillerie intensiven Tests unterzogen. Beim „Anschießen“ wurden die fabrikneuen Geschütze auf Haltbarkeit, einwandfreies Arbeiten der Mechanismen und ballistische Eigenschaften überprüft. Dazu wurden die Kaliber der schweren Artillerie anfangs mit sogenannten „Abkommkalibern“ verkleinert und erst danach von diesen Beschränkungen befreit. Das Abfeuern sämtlicher schwerer Geschütze verursachte bei der BISMARCK keine großen Erschütterungen. Ihre ruhig bleibende Lage im Wasser wies den „schwimmenden Koloss“ als ideale Geschützplattform aus. Nach dieser ersten ausführlichen Testphase kehrte die BISMARCK nach Hamburg zu-
VORBEREITUNG: Im März 1941 werden im Kieler Scheerhafen die letzten Arbeiten vor dem Auslaufen in die Danziger Bucht, wo anschließend letzte Tests vor dem Beginn des Unternehmens „Rheinübung“ stattfinden, verrichtet. Hier sind Besatzungsmitglieder bei Außenbordarbeiten zu sehen. Foto: Archiv John Asmussen
Literaturtipp Jochen Brennecke: Schlachtschiff BISMARCK, 6. überarb. Aufl., Hamburg 2003.
rück, um die noch ausstehenden Restarbeiten durchführen zu lassen. Das Schlachtschiff lief erneut Kiel an und nahm im Scheerhafen Ausrüstung und Munition an Bord. Mitte März 1941 wieder in der Danziger Bucht angekommen, testete die Besatzung der BISMARCK die wichtigsten Instrumente, darunter die Unterwasserhorchanlage, die Entfernungsmessgeräte und die Funkmessortungsgeräte. Die Schiffsgeschütze wurden nun, nach den ausführlichen Belastungstests im November, erstmals feinjustiert, sodass das gezielte Schießen mit der Artillerie geprobt werden konnte. Die acht schweren 38-cmGeschütze wurden dabei auf ihre Zielgenauigkeit getestet und die Abstimmung zwischen den einzelnen Salven geübt. Für die zwölf mittleren 15-cm-Geschütze führte die
„Schiff ist personell und materiell voll einsatzbereit und für drei Monate ausgerüstet. Hiermit ist der erste Lebensabschnitt des Schiffes seit der Indienststellung am 24. August 1940 mit Erfolg abgeschlossen.“ Eintrag Lindemanns ins Kriegstagebuch vom 28. April 1941.
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BISMARCK Ziele im Schlepptau mit sich, sodass die Bedienmannschaften auf diese Weise Zielübungen vornehmen konnten. Auch die leichten Kanonen und die Flakgeschütze wurden ausführlichen Erprobungen unterzogen.
Übungsfahrten mit PRINZ EUGEN BISMARCK-Kommandant Kapitän zur See Ernst Lindemann musste die Testläufe jedoch Anfang April 1941 beenden, da sein Schiff wesentlich früher als zuvor angenommen für eine erste Atlantikunternehmung vorgesehen war. Einige letzte Übungen wie das Starten und Anbordnehmen der bordeigenen Aufklärungsflugzeuge, die Treibstoffübernahme durch einen Versorgungstanker und Tests mit Scheinwerfern mussten daher unter hohem Zeitdruck durchgeführt werden. Insgesamt war Lindemann mit den Eigenschaften des Schiffes zufrieden. Gravierende Störungen hatte es allein bei der Flugzeugschleuder und den Bordkränen gegeben. Hinzu kamen einige Probleme mit der Antriebsanlage, wie zum Beispiel geplatzte Dampfzuleitungen. Vor Beginn der ersten Atlantikunternehmung bekam die BISMARCK mit dem Schweren Kreuzer PRINZ EUGEN einen „Gefährten“ zugeteilt, mit dem in den anschließenden Wochen Kriegsmärsche, Angriffsund Nachtfahrten im Verband geübt wurden. Derart vorbereitet, konnte Lindemann im Kriegstagebuch vermerken: „Der Besatzung scheint die erste Erkenntnis der Größe der Aufgabe aufgegangen zu sein, die sie zwar noch nicht kennt, aber unschwer ahnt.“
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Die Mission
IN LAUERSTELLUNG: Die ursprünglich für April vorgesehene Operation „Rheinübung“ musste auf Mai verschoben werden. Die beeindruckende Grafik zeigt den deutschen Verband am 21. Mai nördlich von Bergen (Norwegen) liegend. Ziel des Unternehmens war der Handelskrieg im Grafik: Thomas Schmid, www.3dhistory.de Atlantik.
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Handelskrieg im Atlantik
Unternehmen „Rheinübung“ Mai 1941: Das von der Kriegsmarine geplante Unternehmen „Rheinübung“ entsprach konzeptionell einer Operation im modernen Sinne. Bereits in der Reichsmarine gab es operative Überlegungen die Nord- und Ostsee zu Von Christian Jentzsch verlassen.
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Die Mission
BEEINDRUCKEND: Die stählerne Kolossalität der BISMARCK vermittelt dieses Foto besonders eindrucksvoll. Es entstand im Dezember 1940, als das Schiff auf der Elbe in Richtung Werft fuhr. Funkmessantenne und Entfernungsmessdrehhaube waren am vorderen Gefechtskommandostand noch nicht installiert. Foto: Blohm + Voss
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chon Ende der zwanziger Jahre keimten in der Marineführung Ideen, die die Verteidigung der Ostsee in der Nordsee verorteten. Ein vorrangiges Ziel bestand in der Sicherung der deutschen Zufuhren aus einer vorgeschobenen Position heraus. Als Hauptkriegsgegner wurde neben Polen auch Frankreich angesehen. Hierzu benötigte die durch den Versailler Vertrag beschränkte Marine aber neue Einheiten. Im Panzerschiff-Typ A entwickelte sie hierzu eine eigenständige Schiffsklasse, die im internationalen Vergleich keine Gegenstücke fand. Die deutschen Panzerschiffe waren schneller als alle französischen Schlachtschiffe dieser Zeit, zudem stärker armiert und gepanzert als alle französischen Kreuzer. Schwächere Gegner sollten bekämpft und Schlachtschiffen davongefahren werden. Dieser Kompromiss, aus einer Situation der Schwäche geboren, widersprach dem Washingtoner Abkommen zur maritimen Rüstungsbeschränkung, und die Royal Navy klassifizierte die Panzer-
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schiffe Typ A als Pocket-Battleships – Westentaschenschlachtschiffe. Dieser operative Schwenk aus der Ostsee in die Nordsee und auch darüber hinaus geschah um 1928.
Raumgreifendes Konzept Seit 1928 war Admiral Erich Raeder Chef der Marineleitung, der schon 1917 als Admiralstabsoffizier unter Vizeadmiral Hipper diente. Aus den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges entwickelte er eine eigenständige see-
strategische Konzeption für Deutschland, die auch der geostrategischen Lage des kontinental geprägten Staates Rechnung trug. Entgegen der Kaiserlichen Marine erkannte er die sich gegenseitig bedingenden Kräfte auf See. An Stelle des im letzten Kriege verhängnisvollen Mahanschen Schlachtflottenkonzeptes trat eine raumgreifende Idee, in der alle möglichen Kriegsschauplätze eine große miteinander kommunizierende Einheit bildeten. Nach der Machtergreifung
„Dann lichtete die BISMARCK die Anker. […] die Kapelle [spielte] auf dem 250 Meter entfernten Achterdeck ‚Muß i denn, muß i denn zum Städtele hinaus…’, ein Lied von Leid und Abschied.“ Ludovic Kennedy in „Versenkt die BISMARCK!“ zum Ablegen des Schiffes aus Gotenhafen.
Großbritannien als neuer Gegner
durch die Nationalsozialisten 1933 eröffneten sich dem deutschen Militär ganz neue Möglichkeiten. Aber noch immer war Frankreich der Hauptgegner eines möglichen europäischen Konflikts. 1935 änderte sich die materielle Ausgangslage für die Marine grundlegend. Mit dem Gesetz für den Aufbau der Wehrmacht vom 16. März 1935 waren die Versailler Schranken nun auch formell gefallen. Die Wiederaufrüstung begann, die Reichsmarine wurde in Kriegsmarine umbenannt, und Admiral Raeder wurde ihr Oberbefehlshaber. Sein strategisches Konzept für einen Krieg mit Frankreich sah vor, den Handel Frankreichs zu unterbrechen und gleichzeitig die deutsche Versorgung zu gewährleisten. Doch wie sollte die deutsche gegen die zahlenmäßig überlegene und sich in einer geostrategisch besseren Position befindliche französische Marine eine solche Strategie umsetzen? In diesem Fall hatten der Kreuzerkrieg und die Schlachtflotte in den Heimatgewässern eine sich gegenseitig ergänzende Funktion. Es war mit einer Blockade der Nordsee zu rechnen, die Raeder durch weitreichende Operationen im Atlantik zu brechen gedachte. Hierzu mussten deutsche Kreuzer und die neuen Panzerschiffe Handelskrieg im mittleren und nördlichen Atlantik gegen die französischen Handelsrouten führen. Nun waren gegnerische Kräfte gezwungen, Jagd auf die deutschen Handelsstörer zu machen, was gleichzeitig die Blockadekräfte schwächen würde. In diesem Augenblick konnten die deutschen Linienschiffe in der Nordsee Schläge gegen die blockierende Flotte ausführen. In Raeders Konzept wurde der Bedrohung der Nordsee also durch weitreichende Operationen im Atlantik begegnet.
Aufrüstung im großen Stil Großbritannien rückte bis zu diesem Zeitpunkt nicht ins Kalkül einer militärischen Auseinandersetzung. Ganz im Gegenteil, Hitler rechnete fest mit einer Übereinkunft mit der führenden Seemacht der 1930er-Jahre. Die folgenden Verhandlungen mündeten durch den britischen Versuch, das Deutsche Reich in die bestehenden Rüstungsbeschränkungen einzubinden im deutsch-britischen Flottenabkommen von 1935. Dieses erlaubte der Kriegsmarine eine Aufrüstung bis zu 35 Prozent der Tonnage der jeweiligen Schiffklassen der Royal Navy. Nur bei den U-Booten gestanden die Briten der Kriegsmarine 45 Prozent der eigenen U-Boot-Flotte zu, die sich im Gegenzug dazu verpflichtete, im Kriegsfall gemäß den Klauseln des Londoner Flottenvertrages von
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ÜBUNG FÜR DEN ERNSTFALL: Die BISMARCK während eines Manövers in der Ostsee, fotografiert Anfang 1940. Im Vordergrund ist ein Signalgast zu sehen. Foto: Blohm + Voss
GESICHTET: Dieses Foto stammt von Professor Edvard K. Bart und zeigt den deutschen Verband (im Hintergrund zu erkennen) spät am 20. Mai 1941 in der Nähe von Kristiansand. Bart war Ornithologe, und erforschte zu diesem Zeitpunkt die Möwen an der Küste. Foto: Archiv John Asmussen
1930 zu handeln. Nun begann die materielle Aufrüstung in großem Umfang voranzuschreiten, und es schien, als ob die Kriegsmarine in naher Zukunft eine Parität mit der französischen Marine erreichen könnte.
Krieg mit dem Empire Die schon vor dem deutsch-britischen Flottenabkommen begonnenen Schlachtschiffe der SCHARNHORST-Klasse orientierten sich noch an der französischen DUNKERQUE-Klasse und wurden dieser Bedrohung angepasst. 1936 wurde die nächste deutsche Schlachtschiffklasse auf Kiel gelegt. Die Namen der ihr zugeordneten Einheiten lauteten klangvoll: „BISMARCK“ und „TIRPITZ“. Zusätzlich baute die Kriegsmarine fünf Schwere Kreuzer, 22 Zerstörer und 58 U-Boote. Ab Juni 1937 setzte sich bei der Seekriegsleitung die Ansicht durch, dass im Falle eines Krie-
ges mit Frankreich und der Sowjetunion die Neutralität Großbritanniens in Frage gestellt werden müsse. Spätestens ab dem Lagevortrag Adolf Hitlers am 5. November 1937 erkannte Raeder, dass die „Eroberung neuen Lebensraumes“ auch Großbritannien als Gegner mit ins Kalkül zog. Im Frühjahr 1938 erteilte Hitler deshalb die Weisung, dass fortan auch dieser Gegner in die Kriegsvorbereitungen einbezogen werden müsste. Das stellte für die Kriegsmarine eine ganz neue Herausforderung dar. Die Royal Navy war die größte Seemacht und verfügte über eine wesentlich bessere geostrategische Ausgangslage als das Deutsche Reich. Spätestens seit dem Ersten Weltkrieg schob sich die Bedeutung dieses Faktors auch der deutschen Marineführung ins Bewusstsein. Die deutsche Hochseeflotte war in der Nordsee eingeschlossen und
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Die Mission
ELEGANTES PROFIL MIT FEHLER: Die BISMARCK, Ende 1940 in der Kieler Bucht, demonstriert auf diesem Foto ihre schnittige Ästhetik. Allerdings wurde die Funkmessantenne im Vormars wegretouchiert und ist auf dieser AufFoto: Blohm + Voss nahme somit nicht zu sehen.
„Solange sich die BISMARCK draußen im Atlantik halten könne, seien Englands Handelsverbindungen abgerissen und das englische Volk […] dem Hunger preisgegeben.“ Aus: C.S. Foresters „Die letzte Fahrt der BISMARCK“.
konnte nicht auf die Homefleet einwirken. Aus einer Denkschrift der Seekriegsleitung ging im Sommer 1938 hervor, dass in einem kommenden Krieg mit dem Empire die materielle und geostrategische Überlegenheit erdrückend war. Deshalb musste die deutsche Strategie auf einen transatlantischen Handelskrieg hinauslaufen, der mit Panzerschiffen, Kreuzern und U-Booten als einzige Option eine gewisse Aussicht auf Erfolg bot. Dazu waren miteinander kommunizierende Operationen notwendig. Das bedeutet, dass während einer deutschen Operation im Atlantik die Briten den dortigen Streitkräften überlegene Verbände entgegensetzen mussten, um dieser Bedrohung adäquat zu begegnen. Eine zeitgleich stattfindende weitere deutsche Operation würde wieder britische Kräfte binden und damit die jeweiligen Erfolgsaussichten gegenüber einem insgesamt viel stärkeren Gegner deutlich erhöhen. Dieses Konzept bezeichnete man als Diversifikation.
Der „Z-Plan“ Raeder war aber ein Anhänger von Schlachtschiffen, und als Oberbefehlshaber der Kriegsmarine auch in der Position, seine Vorstellungen umzusetzen. Obwohl es keine strategische Konzeption für den Einsatz von Großkampfschiffen gab, wurden diese ge-
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baut. Raeder erkannte dann, dass die größten Erfolgschancen im Krieg gegen Großbritannien in der Kreuzerkriegführung lagen, weshalb er den Bau von modernen und noch schnelleren Panzerschiffen bei Hitler forderte. Der „Führer“ wollte aber aus politischen Gründen ein weltweit einsetzbares Machtinstrument von Tirpitzscher Dimension. Im Herbst setzte er sich gegenüber Raeder durch. Die Würfel waren gefallen, und Raeder ließ ein neues Konzept erarbeiten. Bis zum Frühjahr 1939 war das Rüstungskonzept fertig gestellt und trug den Namen
„Z-Plan“. Bis 1946 sollten sechs große Schlachtschiffe, acht Panzerschiffe, zwei Flugzeugträger und 160 U-Boote das Rückgrat der Kriegsmarine bilden. Auch diplomatisch schwenkte das Reich auf einen offenen Konflikt mit Großbritannien ein. Das deutsch-britische Flottenabkommen wurde am 28. April 1939 gekündigt, weil die aufsteigende deutsche Seemacht das Empire in seiner Herrschaft der Meere abzulösen gedachte. Deshalb fand innerhalb der deutschen Rüstungsindustrie eine Schwerpunktverlagerung zu Gunsten der Marine statt. Bis Kriegsausbruch wurde der „Z-Plan“ noch einige Male abgewandelt und nahm dabei immer gewaltigere Dimensionen an. Es gab aber nicht nur Befürworter der Priorisierung der Überwasserkriegführung. Der Führer der U-Boote Kapitän zur See Karl Dönitz forderte bis 1939 eine immer größere Anzahl von U-Booten. 1939 waren es schon 350, was zwar nicht grundsätzlich von Raeder abgelehnt wurde, aber dennoch deutlich die Grenzen der deutschen Rüstungskapazitäten aufzeigte. Als modernes Seekriegsmittel spielte das Flugzeug nahezu keine Rolle in der operativen und materiellen Konzeption der Kriegsmarine. Lediglich für einen bordgestützten Aufklärer sah man eine eindeutige Funktion. Selbst für die Flugzeugträger wurden keine trägertauglichen Marinekampfflugzeuge geplant. Während die Marine für einen Krieg ab 1946 rüstete, holte sie die politische und militärische Realität im Spätsommer 1939 ein.
MODERN: Im Gegensatz zu den Engländern verfügte die Kriegsmarine über keinen FlugDer Krieg bricht aus zeugträger. Die Deutschen unterschätzten die Möglichkeiten seegestützter Maschinen. Am 1. September 1939 griff die Wehrmacht Das Foto zeigt Torpedobomber auf der Polen an, woran sich auch die Marine beteiVICTORIOUS. Foto: picture alliance/Mary Evans Picture Library ligte. Die Bilder des alten Linienschiffes
Kriegsmarine gegen Royal Navy
SCHLESWIG-HOLSTEIN, das die Westerplatte bei Danzig beschoss, gingen um die Welt. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich bereits zwei Panzerschiffe im Atlantik, weil mit dem Kriegseintritt Frankreichs zu rechnen war. Wie sich Großbritannien verhielt war noch unklar. Würde es für Polen seine Neutralität riskieren? Die Kriegsmarine verfügte am 1. September 1939 über die beiden Schlachtschiffe SCHARNHORST und GNEISENAU, die alten Linienschiffe SCHLESWIG-HOLSTEIN und SCHLESIEN, die drei Panzerschiffe GRAF SPEE, ADMIRAL SCHEER und DEUTSCHLAND, den Schweren Kreuzer HIPPER, die sechs Leichten Kreuzer EMDEN, KÖNIGSBERG, KARLSRUHE, KÖLN, LEIPZIG und NÜRNBERG, sowie 21 Zerstörer, 11 Torpedoboote und 57 U-Boote. Als schließlich am 3. September 1939 Großbritannien dem Deutschen Reich den Krieg erklärte, drückte Raeder die Situation in Anbetracht der materiellen deutschen Unterlegenheit im Kriegstagebuch der Seekriegsleitung wie folgt aus: „Was die Kriegsmarine anbetrifft, so ist die selbstverständlich im Herbst 1939 noch keineswegs für den großen Kampf mit England hinreichend gerüstet. (...) Die Überwasserstreitkräfte aber sind noch so gering an Zahl und Stärke gegenüber der englischen Flotte, dass sie – vollen Einsatz vorausgesetzt – nur zeigen können, dass sie mit Anstand zu sterben verste-
DETAIL
IM FJORD: Aufnahme der BISMARCK (von der PRINZ EUGEN aus) am Morgen des 21. Mai 1940. Die grau-weißen Tarnstreifen sowie die falsche Bugwelle sind hier noch vorhanden. Im Laufe des Tages erhielt das Schiff einen grauen Anstrich. Foto: Blohm + Voss
hen und damit die Grundlage für einen späteren Aufbau zu schaffen gewillt sind.“ Die Royal Navy blockierte sofort den deutschen Handel, schnitt das Reich von seinen Seeverbindungslinien ab und kontrollierte die Zugänge in den Atlantik. Die dort schon operierenden Panzerschiffe GRAF SPEE und ADMIRAL SCHEER versenkten bis zum Dezember des Jahres zwölf Han-
delsschiffe mit rund 62.000 Bruttoregistertonnen (BRT) Schiffsraum. Um den Panzerschiffen den Einsatz zu erleichtern, stießen gemäß der Konzeption Admiral Raeders die Schlachtschiffe SCHARNHORST und GNEISENAU im November in die Region der Färöer-Inseln vor. Obwohl sie dort einen britischen Hilfskreuzer versenkten, konnten sie die GRAF SPEE nicht entlasten und kehr-
Die BISMARCK vor Norwegen
DETAILLIERTE LUFTAUFNAHME: Dieses Foto von der BISMARCK wurde im Grimstadfjord gemacht. Man kann sogar einzelne Matrosen erkennen. Foto: Archiv John Asmussen
KURZ VOR DER ANKERUNG: Die BISMARCK nähert sich auf dieser Luftaufnahme den norwegischen Fjorden bei Foto: Archiv John Asmussen Bergen.
IM GRIMSTADFJORD: Diese Luftaufnahme zeigt den deutschen Kampfverband im Fjord die BISMARCK (links) hat bereits geankert, die PRINZ EUGEN fährt zu einem Liegeplatz weiter nördlich in der KalvenesFoto: Archiv John Asmussen bucht. RUHE VOR DEM STURM: Die BISMARCK blieb nur am 21. Mai im Grimstadfjord. Dort wurde Treibstoff an Bord genommen sowie der Tarnanstrich geändert. Britische Aufklärer des Coastal Command spürten den deutschen Kampfverband dort auf. Foto: Archiv John Asmussen
Clausewitz Spezial
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Die Mission
ENTDECKT: Diese Luftaufnahme stammt von Flying Officer Michael Suckling, der eine Reihe – heute berühmter – Fotos der BISMARCK aus seiner Spitfire machen konnte. Die Flughöhe betrug etwa 8.000 Meter. Foto: Archiv John Asmussen
ten wieder nach Deutschland zurück. Nach einem Gefecht mit drei britischen Kreuzern lief die GRAF SPEE Montevideo an, um die Schäden zu reparieren. Einer vermeintlichen Übermacht gegenüberstehend entschied sich der Kommandant, Kapitän zur See Langsdorff, am 17. Dezember 1939 sein Schiff selbst zu versenken. Die Reaktion Raeders sollte weitreichende Folgen für weitere Operationen haben. Er befahl am 22. Dezember, dass in Zukunft bis zur letzten Granate gekämpft werden sollte und dabei nur ein Ende als Sieger oder der Untergang mit wehender Fahne stehen konnte. Kapitulation oder Selbstversenkung entfielen dem Re-
HINTERGRUND
Handelskrieg gegen England Im April 1940 besetzte die Wehrmacht mit dem Unternehmen „Weserübung“ Norwegen und Dänemark. Obwohl die Operation erfolgreich verlief, hatte die Marine hohe Verluste zu vermelden. Verloren gingen die Kreuzer BLÜCHER, KARLSRUHE und KÖNIGSBERG sowie weitere zehn Zerstörer. Kurz darauf besiegten die Verbände des Heeres und der Luftwaffe Frankreich, wodurch sich die strategische Lage Deutsch-
Britische Übermacht
DIE HOMEFLEET AM 21. MAI 1941 In der Bucht von Scapa Flow (Orkneys, Schottland) stationiert: Flugzeugträger: VICTORIOUS Leichte Kreuzer: AURORA, GALATEA, KENYA, NEPTUNE Schlachtschiffe: KING GEORGE V., PRINCE OF WALES Schlachtkreuzer: HOOD
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pertoire, aus dem Befehlshaber vor Ort schöpfen konnten. Fortan gab es in letzter Konsequenz nur noch den Kampf.
Zerstörer: ACHATES, ACTIVE, ANTELOPE, ANTHONY, ECHO, ELECTRA, ICARUS, INGLEFIELD, INTREPID, NESTOR, PUNJABI Auf See / im Einsatz befindlich: Leichte Kreuzer: ARETHUSA, BIRMINGHAM, EDINBURGH, HERMIONE, MANCHESTER Schlachtkreuzer: REPULSE Schwere Kreuzer: NORFOLK, SUFFOLK Zerstörer: ESKIMO, JUPITER, MASHONA, SOMALI, TARTAR
lands gegenüber Großbritannien grundlegend zu Gunsten der deutschen Marine verbessert hatte. Von Operationsbasen in Norwegen und Nordwestfrankreich aus griffen deutsche Einheiten die transatlantischen Handelsrouten Großbritanniens schneller und überraschender an. Während die U-Bootwaffe erfolgreich gegen die noch recht schwache Geleitsicherung vorging, konnten die Überwasserstreitkräfte nur mit Hilfskreuzern Handelskrieg gegen Großbritannien führen. Zwischen Oktober 1940 und April 1941 operierte die ADMIRAL SCHEER allein im Atlantik und versenkte in diesem Zeitraum 17 Schiffe mit zusammen 113.000 BRT. Im November 1940 brach auch die HIPPER zu den alliierten Konvoirouten durch. Allerdings gelangen ihr keine Erfolge. Am 22. Januar 1941 liefen schließlich auch die SCHARNHORST und GNEISENAU unter dem Befehl des Flottenchefs Admiral Lütjens zum Unternehmen „Berlin“ durch die Dänemarkstraße, dem Seegebiet zwischen Grönland und Island, in den Atlantik aus und führten Handelskrieg. Die Royal Navy setzte die Schlachtschiffe NELSON und RODNEY, den Schlachtkreuzer REPULSE, acht Kreuzer und elf Zerstörer im entsprechenden Seegebiet ein, um der deutschen
Operation „Rheinübung“ Themabeginnt ?????
Schlachtschiffe habhaft zu werden. Dadurch konnte die HIPPER den Stützpunkt Brest wieder verlassen und im südlichen Teil des Nordatlantik Geleitzüge angreifen. Während die Royal Navy ihren operativen Fokus auf den Verband Lütjens richtete, konnte die HIPPER acht Schiffe versenken. Trotz relativ defensiver Vorgehensweise gelang auch den durch die Briten gejagten Schlachtschiffen ein Versenkungserfolg von 22 Schiffen mit insgesamt 115.622 BRT. Während des gesamten Zeitraumes wurde der gegnerische Handel zusätzlich durch U-Boote und Luftfahrzeuge der Luftwaffe angegriffen. Auf abgelegenen Schifffahrtsrouten operierten deutsche Hilfskreuzer, die die Royal Navy jagen musste. Für die Führung der Kriegsmarine war in der deutschen Gesamtlage auch der Effekt eingetreten, dass im Rahmen der Kämpfe im östlichen Mittelmeer Einheiten der Royal Navy in den Atlantik gezogen wurden und dadurch dies Operationsgebiet entsprechend entlastet wurde. Man muss den Einklang dieser Operationen als erfolgreiche transatlantische Diversifikationsstrategie ansehen: Handelskrieg einer materiell unterlegenen Marine par excellence.
KAMPF GEGEN DAS WETTER: Dieses Bild wurde von der PRINZ EUGEN aus gemacht. Die BISMARCK hat einen ihrer Suchscheinwerfer angeschaltet um damit das Nachfolgen bei starkem Nebel zu erleichtern. Foto: Archiv John Asmussen
Beflügelt durch diesen Erfolg plante Admiral Raeder Folgeoperationen noch größeren Umfanges, zu denen er auch die neuesten deutschen Schiffe einzusetzen gedachte. In der Ostsee befanden sich im Frühjahr 1941 das Schlachtschiff BISMARCK und der Schwere
Kreuzer PRINZ EUGEN in der letzten Phase ihrer Einsatz- und Ausbildungsfahrten. Raeder beabsichtigte, sie ebenfalls in den Atlantik zu überführen, damit sie zusammen mit den anderen beiden Schlachtschiffen von Brest aus die alliierten Handelswege bedrohen konnten. Drei deutsche Schlachtschiffe waren potentiell in der Lage gewesen, auch die schwerste Geleitzugsicherung niederzukämpfen, um dann die Handelsschiffe zu versenken. Im Einklang mit einer konzertierten U-Bootoffensive dachte Raeder in der Lage zu sein, die britische Schifffahrt lahm zu legen. Eine der Achillesfersen der deutschen Kriegsschiffe war die Versorgung mit Treibstoff. Obwohl mit Brest ein hervorragender
EFFEKTIV UND GEFÜRCHTET: U-Boote spielten im Handelskrieg eine bedeutende Rolle. Das Foto zeigt deutsche Matrosen im Turm ihres U-Bootes. Foto: picture-alliance/akg-images
ANDERER AUFFASSUNG: Hitler setzte sich mit seinem Konzept der Seekriegführung gegen Großadmiral Raeder durch. Foto von 1943. Foto: picture-alliance/akg-images
Einsatz der BISMARCK
Clausewitz Spezial
Stützpunkt an der Atlantikküste vorhanden war, waren die Großkampfschiffe dort und im Seegebiet um die britischen Inseln britischen Flugzeugaufklärern ausgeliefert. Sicherheit bot hier nur die Weite des Atlantiks. Aus diesem Grund beschloss Raeder schon vor dem Unternehmen mit dem Namen „Rheinübung“, Tanker und als Neutrale getarnte Beobachtungsschiffe im Atlantik zu positionieren. Fünf Tanker, zwei Spähschiffe und vier U-Boote wurden deshalb zur Unterstützung in das künftige Operationsgebiet verlegt.
Großbritannien reagiert Aber in der Zwischenzeit erkannte auch die britische Admiralität, welche Gefahr von dieser kombinierten Schlagkraft für die atlantischen Versorgungswege ausging und zog Konsequenzen. Nachdem die beiden Schlachtschiffe in Brest aufgeklärt wurden, flog man vermehrt Luftangriffe auf sie. Am 4. April 1941 wurde die GNEISENAU durch einen Lufttorpedo der RAF-Squadron 22 getroffen. Als sie danach zur Reparatur im Dock lag, erhielt sie am 10./11. April vier weitere Bombentreffer und war für absehbare Zeit nicht mehr einsetzbar. Auch die SCHARNHORST stand wegen Problemen mit der Antriebsanlage vorerst nicht zur Verfügung, was die Planungen der Operation deutlich beeinträchtigte. Raeders Priorität lag darin, beständig Druck auf die Royal Navy auszuüben, daher verwarf man Überlegungen, entweder die Reparatur eines der Schiffe oder die Fertigstellung der TIRPITZ abzuwarten. Der Beginn der Operation war eigentlich für Ende April geplant, wurde aber wegen Kupplungsschäden der PRINZ EUGEN und Reparaturen auf der BISMARCK auf den 18. Mai 1941 festgesetzt.
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Das Island-Gefecht
„Feuertaufe“ in der Dänemarkstraße
Die BISMARCK schlägt zu 24. Mai 1941: Während des ersten Einsatzes der BISMARCK kam es zu dem wahrscheinlich bekanntesten Seegefecht des Krieges im Von Christian Jentzsch Nordatlantik – dem Kampf mit der HOOD.
D
as Unternehmen „Rheinübung“ begann am 18. Mai 1941 mit dem Auslaufen des Schlachtschiffes und des Schweren Kreuzers PRINZ EUGEN aus Gotenhafen. Der Auftrag lautete: „Angriff auf die feindliche Zufuhr im Atlantik nördlich des Äquators. Zeitliche Ausdehnung der Operation, so lange, wie nach Lage möglich. Der Ausmarsch in den Atlantik war durch Großen Belt, Skagerrak und Nordmeer durchzuführen. Der unbemerkte Durchbruch war anzustreben. Wurde der Durchbruch in den Atlantik bemerkt, so blieb die Aufgabe nach der operativen Weisung bestehen. Ein Abkürzen der Operation oder Abbruch der Unternehmung je nach Entwicklung der Lage war dem Flottenchef anheimgestellt.“ Das Ziel war es, gegnerischen Handelsraum zu vernichten, aber Gefechte möglichst zu vermeiden. Die beiden Schiffe passierten die vorgegebene Strecke und liefen unter starker eigener Bewachung am 21. Mai 1941 in den Korsfjord bei Bergen ein, um Brennstoff zu ergänzen,
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ohne durch den Gegner aufgeklärt zu werden. Ergebnisse der deutschen Luftaufklärung legten nahe, dass die Home Fleet noch im britischen Hauptstützpunkt Scapa Flow lag, während die Funkaufklärung Grund zu der Annahme bot, dass die Position der Schiffe bereits bekannt war. Die Marineführung nahm an, dass es sich um Agentenberichte handele statt der zunächst vermuteten Nachrichtengewinnung durch Luftfahrzeuge. Am selben Tag um 23:00 Uhr verließ Admiral Lütjens mit seinem Verband den norwegischen Fjord in Richtung Nordmeer, während sich Raeder noch immer nicht darüber im Klaren war, dass die Briten bereits über die Nordverlegung Bescheid wussten. Auf Grund der günstigen Wetterlage, die schlechte Sicht bot, entschied sich der Befehlshaber vor Ort dazu, den Durchbruch durch die Dänemarkstraße zwischen Island und Grönland zu wagen. Spätestens seit dem Abend des 23. Mai musste der Marineführung klar gewesen sein, dass die Royal Navy über Informationen zur deutschen Unterneh-
mung verfügte. Ihr war nicht entgangen, dass starke britische Streitkräfte Scapa Flow in Richtung Nordwest verlassen hatten.
Kontakt mit der NORFOLK Währenddessen stampften die beiden Schiffe in schlechter Sicht mit 24 bis 27 Knoten in Richtung Dänemarkstraße. Diese Wetterbedingungen waren die günstigste Situation, die sich Admiral Lütjens vorstellen konnte, doch sollte der technologische Fortschritt ein jähes Erwachen bereithalten. Um 19:22 Uhr schrillten die Alarmglocken auf der BISMARCK, denn es wurde durch Funkmess- und Horchortung an der vorderen Backbordseite ein Ziel ausgemacht. Es handelte sich um die SUFFOLK, die mit einem modernen Radargerät den Kontakt herstellte und hielt. Die Sicht war in Schneeund Hagelschauern noch immer schlecht. Dies gereichte den deutschen Schiffen nun zum Nachteil, da die britischen Kreuzer dank des modernen Radars den Kontakt auch ohne Sicht halten konnten. Kurz nach
KAMPFKRÄFTIG: In der Auseinandersetzung mit britischen Schiffen konnte sich die BISMARCK behaupten und die mächtige HOOD versenken. Doch trotz dieses Sieges war das Unternehmen „Rheinübung“ schon vorüber, bevor es überhaupt richtig begonnen hatte. Grafik: Thomas Schmid/www.3dhistory.de
20:30 Uhr tauchte plötzlich die NORFOLK in ungefähr 6.400 Meter Entfernung aus dem Dunst auf. Die gefechtsbereite schwere Artillerie der BISMARCK feuerte ihre 800-kg-Geschosse auf den Kreuzer ab, der sofort unter dem Schutz schwarzen Rauches abdrehte. Außerhalb der Reichweite der deutschen Artillerie hefteten sich die Kreuzer an die Fährte des Verbands. Lütjens schätzte die Entfernung des Gegners auf zirka 20 Seemeilen. Die eigene Funkaufklärung auf der PRINZ EUGEN war in der Lage, die Positionsmeldung der gegnerischen Kreuzer abzufangen. Lütjens erkannte den Ernst der Lage, und er beschloss daher, die britischen Schiffe offensiv abzudrängen. Er wendete gegen 22:00 Uhr seinen Kurs und griff die SUFFOLK an. Deren Kommandant durchschaute anscheinend schon während der Wendung der BISMARCK deren Plan und lief ebenfalls in Richtung Ost ab. Lütjens musste erfolglos abbrechen und setzte nun, der PRINZ EUGEN im Kielwasser folgend, den Marsch in den of-
Clausewitz Spezial
fenen Atlantik fort. Der Schwere Kreuzer lief auch weiterhin vor dem Schlachtschiff, weil die Radaranlage der BISMARCK nach den Salven auf die NORFOLK ausgefallen war, und die PRINZ EUGEN deshalb ein besseres Lagebild erstellen konnte. Admiral Lütjens und der Schiffsführung war klar, dass die nicht abzuschüttelnden Kreuzer ihren Beschattungsauftrag durchführten, und die be-
DEM UNTERGANG ENTGEGEN: Eines der letzten Fotos der HOOD. Die Aufnahme wurde am 23. Mai 1941 von der PRINCE OF WALES aus gemacht. Foto: Archiv John Asmussen
ständigen Positionsmeldungen ließen annehmen, dass starke Feindkräfte herangeführt wurden. Doch welche Feindkräfte würden die beiden Schiffe am kommenden Tag erwarten?
Der Stolz der Royal Navy Die Ferngläser des deutschen Verbandes richteten sich erwartungsgemäß nach Backbord, weil aus dieser Richtung mit dem Gegner zu rechnen war. Der nächste kampfkräftige Verband der Royal Navy stand im Osten unter Admiral Holland. Es handelte sich um den Stolz der Navy, das größte Kriegsschiff der Welt, die „Mighty HOOD“, und das modernste Schlachtschiff der Briten, die PRINCE OF WALES. Admiral Holland hatte einen Abfangkurs bestimmen lassen und lief mit 28 Knoten auf die BISMARCK zu. In der Nacht hatten die britischen Kreuzer in einem Schneeschauer kurzzeitig den Kontakt zu den deutschen Schiffen verloren. Ein solcher Erfolg wie bei dem Unternehmen „Berlin“ sollte nicht noch einmal eintreten, weshalb
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Das Island-Gefecht die Royal Navy alle kampfkräftigen Schiffe aufbot, um die BISMARCK und PRINZ EUGEN zu stellen. Zudem bestand nun die günstige Gelegenheit, ein einzelnes deutsches Schlachtschiff im Kampf zu versenken. Kurz nach 5:00 Uhr meldete die PRINZ EUGEN schnelle Turbinengeräusche in Richtung Backbord. Zusammen mit einer neuen Positionsmeldung durch die SUFFOLK war Lütjens nun klar, dass und von wo der Feind kommen würde. Am Morgen des 23. Mai 1941 war das Wetter besser geworden. Die Sonne ging strahlend auf, und es herrschte hervorragende Sicht bei mäßigem Seegang. Kurz nach 5:30 Uhr wurden in Richtung Südost Rauchsäulen gemeldet: Gefechtsalarm auf der BISMARCK. Alle Besatzungsangehörige bezogen wieder ihre Gefechtsposition und warteten auf die Informationen aus der schiffsinternen Lautsprecheranlage. Hinter zentimeterdicken Panzerungen hatte nur der geringste Teil der Besatzung Sicht auf den Feind. Langsam schoben sich Masten über den Horizont, gefolgt von Aufbauten. Achteraus waren die beiden Kreuzer SUFFOLK und NORFOLK klar zu erkennen, aber sie blieben außerhalb der Gefechtsentfernung. Doch welche Schiffe erschienen dort an Backbordseite voraus? Alles wartete auf den Feuerbefehl, doch der blieb aus. Ein Gegner,
ERBITTERTER KAMPF: Die Bilder zeigen Momentaufnahmen aus dem Gefecht in der Dänemarkstraße zwischen der BISMARCK und der PRINCE OF WALES. Die Dunkelheit liegt an der Unterbelichtung, die durch das grelle Mündungsfeuer der deutschen Geschütze verursacht wurde. Foto: Archiv John Asmussen
der fast senkrecht auf das kampfkräftigste Schiff der Kriegsmarine zulief, musste sich seiner Sache sicher sein.
Der Kampf beginnt 05:52 Uhr, das Mündungsfeuer des ersten britischen Schiffes blitzte bei 28.000 Yard auf, und nun war eindeutig, dass es sich um keinen Kreuzer handelte. Riesige Rauchfontänen verhüllten die Sicht, und bald darauf schlugen die Granaten nahe der PRINZ EUGEN ein, die noch immer den Verband führ-
KURZ VOR DEM GEFECHT: Die BISMARCK fährt auf diesem Foto vor der PRINZ EUGEN in die Dänemarkstraße. In diesen Breiten trieben bereits Eisschollen im Meer. Foto: Archiv John Asmussen
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te. Als die britischen Schiffe ihren Kurs nach Backbord änderten, um auch die achteren schweren Geschütze einzusetzen zu können, waren ihre Umrisse zu erkennen. Es war der Zweite Artillerieoffizier, der als erster die HOOD identifizierte – den kampfkräftigsten der möglichen Gegner. Aber noch immer gab es keine Feuererlaubnis, und das, obwohl die deutschen Schiffe schon im gegnerischen Feuer lagen. Für die Besatzung, deren Nerven bis zum Äußersten angespannt waren, wurden die Sekunden zu Minuten, und Minuten fühlten sich wie Stunden an. Auf der Gefechtsbrücke der Bismarck kam es zu Differenzen zwischen dem Kommandanten Kapitän zur See Lindemann und Admiral Lütjens. Gefechte waren gemäß Weisung zu meiden und der Handelskrieg zu suchen. Während dem Admiral der Auftrag als höchste Priorität galt, stand für den Kommandanten die Sicherheit seines Schiffes im Vordergrund. Um 5:55 Uhr kam dann endlich der Befehl: Feuererlaubnis auf die HOOD. Kurz darauf verließen die deutschen Granaten die Rohre in Richtung Feind. Acht 38-cmStahlgeschosse mit je fast 800 kg Gewicht flogen mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit dem Gegner entgegen. Die erste Salve der BISMARCK lag zu weit, die zweite zu kurz und die dritte dann im Ziel. PRINZ EUGEN traf bereits mit der zweiten Breitseite ihrer 20,3-cm-Geschütze und setzte damit auf dem Oberdeck der HOOD Bereitschaftsmunition in Brand. Viele Männer der dort versammelten FlaK-Besatzungen starben. In der Zwischenzeit hatte Admiral Holland seinen Fehler erkannt, die Briten beschossen ohne Unterbrechung auf das vordere deutsche Schiff, aber es war die PRINZ EUGEN und nicht die BISMARCK. Ihre Umrisse ähnelten sich zu stark, was nun dazu führte, dass sich die britische Artillerie neu einschießen musste. Die 38-cm-Granaten der BISMARCK klangen für einen über-
Die HOOD zerbricht
lebenden britischen Seemann wie „ein DZug, der durch einen Tunnel fährt“. Die Nahtreffer erzeugten haushohe Gischtfontänen, aus denen es Splitter regnete.
Todesstoß für die HOOD Um 6:00 Uhr drehte der britische Verband noch einmal 20 Grad nach Backbord, um auch weiterhin die achtere Artillerie einsetzen zu können. Um 06:01 Uhr traf die fünfte Salve der BISMARCK den britischen Schlachtkreuzer im Mittschiffsbereich. Der deutsche Artillerieoffizier beobachtete die deckende Salve und war der Meinung, dass die eingeschlagene Granate nicht explodiert war, doch er sollte sich täuschen. Kurz darauf erschien an jener Stelle eine riesige Feuersäule, und sofort war die HOOD in eine gigantische Rauchwolke gehüllt. Der riesige Leib des Schiffes zerbarst in zwei Teile, es regnete Trümmer und menschliche Überreste der Besatzung vom Himmel. Noch dreimal schwankten die beiden Teile, und dann versanken sie in den Fluten des Nordatlantik. Jubel auf der BISMARCK und entsetztes Erstaunen auf der PRINCE OF WALES, NORFOLK und SUFFOLK kündeten vom grausigen Ende der „Mighty HOOD“, von der nur drei Mann gerettet werden konnten. 1.415 britische Seeleute fanden den Tod. Die PRINCE OF WALES musste dem Trümmerfeld der HOOD ausweichen und war ab sofort in einer unterlegenen Situation gegenüber den beiden deutschen Schiffen, die innerhalb kurzer Zeit vier 38-cm- und drei 20,3-cm-Treffer erzielten. Nachdem zwei der drei Geschütztürme auf der PRINCE OF WALES wegen technischer Probleme ausgefallen waren, drehte sie hinter einem Rauchvorhang ab. Erneut kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Admiral Lütjens und Kapitän Lindemann. Während Lindemann dem angeschlagenen britischen Schlachtschiff den Todesstoß versetzen wollte, priorisierte
Clausewitz Spezial
„Tausende von Tonnen Stahl wurden in Sekundenschnelle in die Luft geschleudert. […]. Wenn ich einen Wunsch verspürte, so den, daß meinen Kindern ein solches Erlebnis erspart bleiben möge.“ Der Augenzeuge von Müllenheim-Rechberg über die Explosion der HOOD.
der Flottenchef den Auftrag. Deshalb brach er das Gefecht ab und stieß weiter in Richtung Südwest vor. Das Ziel des überraschenden Vorstoßes war verfehlt – man musste sich den Weg in den Atlantik freischießen.
Sieg mit Makel Die BISMARCK hatte drei Treffer von den 35,6-cm-Geschützen der PRINCE OF WALES erhalten. Im Vorschiff hatten zwei Granaten eingeschlagen und eine Elektroturbine und einen Treibstofftank beschädigt. Zweitausend Tonnen Wasser strömten ins Schiff, wodurch es drei Grad vorderlastig war und neun Grad Krängung nach Backbord aufwies. Dadurch sank die Geschwindigkeit auf 28 Knoten, und
zu alledem konnten die beiden Verfolger NORFOLK und SUFFOLK nicht abgeschüttelt werden. Deshalb traf Admiral Lütjens gegen 08:00 Uhr die Entscheidung, die PRINZ EUGEN zum Kreuzerkrieg im Atlantik zu entlassen und selbst zu Reparaturen nach St. Nazaire zu laufen. Obwohl ein taktischer Sieg auf dem Gefechtsfeld errungen wurde, war die Operation bereits zu diesem Zeitpunkt gescheitert. Die BISMARCK war aufgeklärt, konnte keinen Handelskrieg mehr führen, und die PRINZ EUGEN war zu schwach, um mit Schlachtschiffen geschützte britische Konvois anzugreifen. Fortan stand die Schadensbegrenzung im Fokus der Handlungen Lütjens.
STOLZER SIEGER: Die BISMARCK kurz nach dem Gefecht. Auf dem Foto sind die Geschütztürme noch in Gefechtsposition und das Schiff befindet sich nach wie vor in Alarmbereitschaft. Die Versenkung der HOOD traf England wie einen Schock. Die BISMARCK hatte sich fürs erste durchgesetzt… Foto: Archiv John Asmussen
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Jagd auf die BISMARCK
Von der Royal Navy verfolgt!
Die Flucht der BISMARCK
24. Mai: Mit dem Überraschungserfolg gegen die HOOD hatte das deutsche Schlachtschiff seine Kampfkraft eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Doch die unerbittlichen Von Christian Jentzsch Verfolger waren der BISMARCK auf den Fersen.
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ie BISMARCK sollte nach dem Gefecht mit der HOOD St. Nazaire ansteuern und die PRINZ EUGEN sollte eigenständig Handelskrieg im Atlantik führen. Das schlechte Wetter sollte für Manöver „HOOD“ genutzt werden. Mit einem weit ausholenden Westkurs verschwand der deutsche Verband in einer Nebelbank. Seine Verfolger verloren den Sichtkontakt während die PRINZ EUGEN weiter in Richtung Südwest lief und sich damit von dem Schlachtschiff trennte. Das Manöver glückte und als die BISMARCK den Vollkreis beendete und wieder Richtung Süden lief, kam es zu einem ergebnislosen Feuergefecht mit den britischen Schiffen. In der Zwischenzeit befanden sich fast alle verfügbaren britischen Schiffe auf der Jagd nach der BISMARCK. Admiral Tovey leitete diese großangelegte Suchaktion. Am späten Abend des 24. Mai griffen SWORDFISHTorpedobomber von der VICTORIOUS die
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BISMARCK erfolglos an. Nur ein Treffer gelang mittschiffs, doch die 320-mm dicke Gürtelpanzerung hielt.
Keine leichte Beute Die Rückzugsbewegung von Admiral Lütjens zog die Verfolger langsam aber stetig in die erwartete Reichweite deutscher U-Boote und der Luftwaffe, weshalb Admiral Holland dazu überging mit der PRINCE OF WALES und den beiden Kreuzern ZickZack-Kurse zu laufen. Lütjens nutzte das am frühen Morgen des 25. Mai geschickt aus. Wenn die britischen Schiffe regelmäßig ihre Fahrtrichtungen wechselten, verloren sie für den Zeitraum des jeweils folgenden Kurses den Radarkontakt, wussten aber, wo er nach der nächsten Kursänderung wieder zu erwarten war. Als sie 03:06 die letzte Peilung nahmen und abdrehten, änderte auch die BISMARCK ihren Kurs in Richtung West und begann erneut einen Vollkreis rechts he-
rum. Dabei durchschnitt sie das Kielwasser ihrer Verfolger und war hinter dem gegnerischen Radar. 03:30 drehte Hollands Verband wieder zurück, doch das erwartete Echo auf den Radarschirmen blieb aus, der Kontakt war verloren. Holland entschied sich, in Richtung Südwest nach dem deutschen Schlachtschiff zu suchen. Lütjens ließ jedoch einen südöstlichen Kurs steuern, so dass sich mit jeder verstreichenden Stunde die Entfernungen zwischen den Jägern und dem Gejagten vergrößerten. Während die Royal Navy verzweifelt nach der BISMARCK suchte, war sich Lütjens anscheinend nicht bewusst, dass der Gegner tatsächlich den Kontakt verloren hatte. Als sich das deutsche Schiff bereits außerhalb der Rücklaufreichweite und Empfangsschwelle der Radarsignale befand, konnten diese noch immer auf modernen deutschen Peilgeräten wahrgenommen werden. Es schien so, als ob der beschattende Gegner
IM KAMPF: Dieses Gemälde des Marinemalers Claus Bergen zeigt die BISMARCK beim Gefecht in der Dänemarkstraße. Nach dem Verlust der HMS HOOD setzten die Briten alles daran, das deutsche Schiff zu verfolgen und zu vernichten. Abb.: Sammlung Jörg-M. Hormann
nicht abzuschütteln war. Aus den aufgeklärten Funksprüchen der Gegner verdichtete sich der Verdacht, dass sich die BISMARCK in einer aussichtslosen Situation gegenüber der Royal Navy befand. War das der Grund für Lütjens’ folgende verhängnisvolle Entscheidung? Um 07:00 Uhr funkte das Schiff an die Gruppe West „ein Schlachtschiff, zwei schwere Kreuzer halten weiter Fühlung.“ Gegen 09:00 Uhr verließ erneut ein 30-minütiger Funkspruch die Sendeantenne der BISMARCK. Ein so langes Signal konnte nicht verborgen bleiben. Es wurde durch die Briten eingepeilt und der Vorhang lüftete sich.
Der Ozean als Versteck Admiral Tovey konnte durch die Peilungsangaben die Position des Schiffes bestimmen, doch hatten seine Schiffe nicht die richtigen Karten an Bord. Auf den vorhandenen Karten ergaben sich mehrere mögliche Standorte für die BISMARCK. Tovey ent-
Clausewitz Spezial
GEFÄHRLICH: Die alt anmutenden Fairey-Swordfish-Torpedobomber wurden der BISMARCK schließlich zum Verhängnis: Ein Torpedo traf das Ruder und machte das Schiff weitestgehend manövrierunfähig. Das Gemälde zeigt Flugzeuge dieses Typs über einem britischen Zerstörer und dem Träger HMS ILLUSTRIOUS (im Hintergrund). Abb.: picture alliance/Mary Evans Picture Library
schied sich für den nördlichsten, denn dieser schien seine Annahme zu bestätigen, dass sich Lütjens in Richtung Nordsee zurückziehen wollte. Alle Verfolger erhielten deshalb den Auftrag nordöstlich zu suchen. Aber nicht nur die BISMARCK litt unter Treibstoffmangel, sondern zunehmend auch die Briten, weshalb die REPULSE und die
PRINCE OF WALES entlassen werden mussten. Am Nachmittag des 25. Mai half dem deutschen Schiff erneut der Zufall, als es unbemerkt RODNEY und EDINBURGH passierte. Obwohl der Funkspruch schon am Morgen gepeilt werden konnte, wussten die Briten am Abend desselben Tages noch immer nicht, wo sich ihr Ziel befand. Die Weite
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Jagd auf die BISMARCK DIE NADEL IM HEUHAUFEN: Der riesige Ozean und die Grenzen der damaligen Technik machten die Suche nach der BISMARCK fast zu einem Glücksspiel. Flugzeuge waren eine große Hilfe für die englischen Verfolger. Diese Luftaufnahme der BISMARCK wurde von einem britischen Flugzeug aus gemacht. Foto: Archiv John Asmussen
KARTE
Gefahr aus der Luft Es erscheint fast wie ein Zufall, doch am 26. Mai um 10:15 Uhr tauchte eines der entsandten CATALINA-Flugboote über der BISMARCK auf und identifizierte sie. Die meisten der britischen Einheiten waren nun aber zu weit im Norden und es war unmöglich die BISMARCK einzuholen. Lediglich die Schiffe der Kampfgruppe H unter Admiral Somerville waren noch in der Lage einen Abfangkurs zu setzen, weil sie von Gibraltar kommend weiter südlich standen. Nach dem Gefecht der HOOD musste es Tovey aber als zu gefährlich erscheinen, seinen Schlachtkreuzer RENOWN und den Schweren Kreuzer SHEFFIELD in den Kampf mit
Fahrt, Verfolgung und Untergang der BISMARCK
Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich
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des Atlantiks machte es fast unmöglich dieses riesige Schiff zu finden. Es war wie der Versuch von zwei Schnecken, die auf einem Polofeld eine andere jagten.
Glückstreffer mit fatalen Folgen dem deutschen Gegner zu senden. Nur die Flugzeuge des Trägers ARK ROYAL schienen noch die Hoffnung auf Erfolg zu wecken. Während des Tages hielten die Trägerflugzeuge des Typs Fairey Swordfish die Fühlung zur BISMARCK, doch Somerville musste auch bei schlechter werdendem Wetter den Kontakt halten, weshalb er die SHEFFIELD als Verbindungshalter zwischen ARK ROYAL und dem deutschen Schlachtschiff detachierte. Dieses Manöver wurde für den Schweren Kreuzer fast zur Katastrophe, denn die erste Angriffswelle der Trägerflugzeuge verfügte über keinerlei Informationen darüber und griff den eigenen Kreuzer an. Lediglich drei Piloten erkannten das Schiff aus dem eigenen Verband. Doch das war für die englischen Verfolger Glück im Unglück, denn keiner der Magnettorpedos traf das Schiff. Der größte Teil explodierte schon beim Auftreffen auf die Wasseroberfläche und den restlichen Torpedos wich die SHEFFIELD aus. Für die zweite Angriffswelle wurden deshalb die bewährten Aufschlagzünder verwandt. An der Grenze der Sichtweite machte die SHEFFIELD die BISMARCK aus und wies den 19:15 Uhr gestarteten Torpedobombern der zweiten Welle die Richtung ihres Zieles. 20:30 Uhr auf der BISMARCK: Fliegeralarm! Diesmal flogen die britischen Marineflieger aus unterschiedlichen Richtungen auf ihr Ziel zu. Alle Flaks feuerten auf die veraltet anmutenden Flugzeuge. Die 38-cm- und 15-cm-Türme schossen auf die Wasseroberfläche und die Laufbahnen der Torpedos. Kommandant Lindemann wich den Torpedos durch Hartruderlagen und Geschwindigkeitsänderungen aus, die das Äußerste von den Turbinen verlangten. Einem der letzten Anflüge mit erfolgreicher Torpedoauslösung versuchte der Kommandant durch eine Ausweichbewegung nach Backbord zu entgehen. Doch es misslang. Ein Treffer in der Ruderanlage war die Folge. Bei zwölf Grad Ruderlage blieb es klemmen, die Bismarck fuhr zwangsläufig einen großen Drehkreis und legte sich deshalb auf die Backbordseite. Die Schadensberichte der Schiffstechnik zeigten der Schiffsführung, dass alle Räume der Ruderanlage vollgelaufen waren und kaum eine Möglichkeit für Reparaturen be-
ZIEL GESICHTET: Dieses Foto entstand am 24. Mai 1941 von Bord eines Fairey Swordfish Topedobombers der 825 Naval Air Squadron. Die Aufnahme wurde nur wenige Augenblicke vor dem Abwurf des Torpedos gemacht. Foto: Archiv John Asmussen
stand. Sicherlich wurden nun alle Optionen im Geschwaderstab und der Schiffsführung durchgesprochen und erörtert. Alle Reparaturversuche scheiterten am eingedrungenen Seewasser und der zu geringen Anzahl an Tauchgeräten. Bei einem so großen Schiff wie der BISMARCK bestand eigentlich die Möglichkeit, durch unterschiedliche Fahrtstufen der Schrauben den Kurs zu korrigieren, doch hier zeigte sich ein konstruktives Defizit des riesigen Kriegsschiffs. Die Wirkung reichte nicht aus. Es gab auch keine Chance das Ruder abzusprengen, um dadurch die Vektorwirkung der Schrauben zu verbessern. Die Situation hatte sich im Atlantik erneut grundlegend verändert. Aus dem fast sicheren Absetzen nach St. Nazaire entwickelte sich eine nahezu aussichtslose Lage, die sich durch das aufziehende Wetter mit bis zu Windstärke 9 noch verschlechterte. Ohne genügend Fahrt drehte sich der Koloss von selbst in den Wind und damit seinen Verfolgern entgegen.
Schicksal, Glück oder Zufall? War der Angriff und Erfolg der veraltet anmutenden britischen Doppeldecker Schicksal? Auf den ersten Blick mag sich diese An-
„Die Frage: ‚Wo ist die BISMARCK?’ schwirrte durch die ganze Welt. Tausend Zeitungen in hundert verschiedenen Sprachen brachten diese Frage als Schlagzeile auf ihren Titelseiten.“ Aus: „Die letzte Fahrt der BISMARCK“ von C. S. Forester
Clausewitz Spezial
nahme aufdrängen, doch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich nur um eine der Optionen handelte, auf welche die britischen Admirale Tovey und Somerville zurückzugreifen vermochten. Nach dem Gefecht in der Dänemarkstraße erschien ein Angriff mit einem Schlachtkreuzer und einem Schweren Kreuzer auf die BISMARCK als zu gefährlich. Flugzeuge schienen ein geeignetes Mittel zu sein, den Rückmarsch des Kontrahenten zu verlangsamen und damit weiteren Operationen Raum und Zeit zu bieten. Vielmehr war es der Faktor Glück, denn Lindemanns Manöver in Richtung Backbord verkürzte den Winkel derart, dass erst ein Treffer in der Ruderanlage möglich wurde. So wie das Glück gegen die HOOD bei der BISMARCK lag, so war es nun auf Seiten der Royal Navy. In der Zwischenzeit hatte sich eine weitere britische Kampfgruppe eigenmächtig auf den Weg zur BISMARCK gemacht. Captain Vians 4. Zerstörerflottille hatte von Tovey am Vormittag den Auftrag erhalten, sich mit der KING GEORGE V. zu vereinigen. Nachdem Vian die Positionsmeldung des CATALINAFlugbootes erhalten hatte, entschied er sich aber selbstständig, ohne Rücksprache mit Tovey, in Richtung des deutschen Schiffes zu laufen. Sein Verband bestand aus den Zerstörern COSSACK, SIKH, ZULU, MAORI und PIORUN. Die Flottille traf um 22:00 Uhr auf die unter deutschen Beschuss ablaufende SHEFFIELD und ließ sich die letzte Position, des Schlachtschiffes geben. Gegen 22:30 Uhr sichteten sie die BISMARCK.
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Der Untergang
Die Vernichtung der „unsinkbaren“ BISMARCK
„Endkampf bis zur letzten 27. Mai 1941: Dieser Tag sollte der letzte im kurzen Leben des mächtigen deutschen Schlachtschiffes sein. Am Morgen war die BISMARCK von britischen Schiffen gestellt Von Christian Jentzsch worden. Das letzte Gefecht sollte zum Mythos werden.
N
ach einem Luftangriff der englischen Torpedobomber trat eine kurze Phase der Ruhe ein. Die Besatzung der BISMARCK klammerte sich an Gerüchte und Hoffnungen. So sollten wohl am kommenden Morgen 81 Bomber der Luftwaffe das Schlachtschiff durch Angriffe entlasten. Dazu gesellten sich angeblich Hochseeschlepper und U-Bootangriffe. Diese Geschichten dienten den Besatzungen als Quelle der Zuversicht in einer sich immer ungünstiger gestaltenden Ausgangslage. In Anbetracht des Wetters war es für die Flugzeuge der Luftflotte West kaum möglich, erfolgreiche Einsätze gegen den Feind zu fliegen. Böige Windstärken zwischen 7 und 9 Beaufort und niedrige Hauptwolkenuntergrenzen stellten äußerst ungünstige Wetterbedingungen dar. Hauptwindrichtung war Nordwest. Flugzeuge konnten sich so mit rund 60 bis 90 km/h langsamer in Richtung des deutschen Schiffes bewegen,
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wenn sie denn überhaupt zu fliegen vermochten. Das schlechte Wetter, das zu Beginn die Operation begünstigte, wirkte sich nun negativ auf den weiteren Verlauf aus.
Angeschlagen und gejagt In der Zwischenzeit waren die britischen Zerstörer auf die BISMARCK aufgeschlossen. Captain Vian musste eine Entscheidung treffen, wie er in dieser Situation handeln wollte. Während der deutschen Führung um Lütjens und Lindemann die Ausweglosigkeit der Situation ohne fremde Hilfe klar war, traf das nicht auf den Gegner zu. Admiral Tovey und Captain Vian wussten nur, dass das deutsche Schlachtschiff einen nordwestlichen Kurs mit verminderter Geschwindigkeit lief. Deshalb bestand Vians erste Pflicht darin, den Kontakt mit der Bismarck zu halten, und unter Umständen konnte es ihm gelingen, durch erfolgreiche Torpedoangriffe die Geschwindigkeit des
Kolosses zu senken, um Toveys Schlachtschiffen die Chance zum Gefecht oder der Zerstörung zu geben. Gegen 23:00 Uhr (26. Mai) wurden auf der BISMARCK die britischen Zerstörer entdeckt und sofort unter Feuer genommen. Die Sichtverhältnisse waren sehr schlecht. Aufgrund starker Regenböen waren die kleinen Kriegsschiffe fast gar nicht auszumachen. Doch das schwere Wetter senkte die Geschwindigkeit der britischen Zerstörer, die viel stärker unter dem Seegang litten als das angeschlagene Schlachtschiff. Aus unterschiedlichen Richtungen liefen die Zerstörer zu eigenständigen Attacken an. Ein koordinierter Angriff aller fünf Einheiten blieb aus, so dass die deutsche Feuerkontrolle ihre Geschütze konzentriert und koordiniert richten konnte. Wegen der schlechten Sichtverhältnisse musste die Entfernung durch Funkmessortung, das deutsche Radar, bestimmt werden. Alle feuernden Batterien lagen
LETZTE MOMENTE: Dieses Gemälde porträtiert das Ende der BISMARCK. Der brennende Koloss wird von der HMS DORSETSHIRE (rechts im Bild) mit Torpedos beschossen, die als „Todesstoß“ gedacht waren. Abb.: picture alliance/Mary Evans Picture Library
Granate“ schnell im Ziel, weshalb die Zerstörer kaum die Chance erhielten, näher als drei Kilometer an das Schiff heranzukommen. Das Handicap der BISMARCK erschwerte den Briten einen effektiven Torpedoschuss. Weil Kapitän Lindemann das Schiff nur mit den Schrauben und Fahrtstufen der Turbinen steuern konnte, war kein klarer Fahrtvektor zu ermitteln. Es handelte sich um unkontrolliert wechselnde Kurse und Geschwindigkeiten, die um eine Hauptrichtung Nordwest pendelten. Gegen 01:00 lief eine Turbine fest, und es gelang nur unter äußersten Anstrengungen, die riesige Anlage wieder zum Drehen zu bekommen.
Weltuntergangsstimmung Für Admiral Lütjens war es fast unmöglich festzustellen, welche Feinde sich wirklich in der direkten Umgebung befanden. Aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen ging er davon aus, dass sich auch der Schlachtkreuzer RENOWN unter den angreifenden Streitkräften befand. Der Fatalismus der Situation brach sich Bahn in dem Funkspruch, den Lütjens um 23:58 Uhr absetzen ließ: „Wir kämpfen bis zum Letzten im Glauben an Sie, mein Führer, und im felsenfesten Vertrauen
Clausewitz Spezial
auf Deutschlands Sieg.“ Die Angriffe der Zerstörer blieben ohne Erfolg, weshalb sie ab 01:00 Uhr des 27. Mai damit begannen, Leuchtgranaten in den Himmel zu feuern und das Gefechtsfeld damit gespenstisch erleuchteten. Die Artillerie der BISMARCK antwortete jedes Mal mit direktem Feuer auf den die Granaten feuernden Zerstörer, weshalb diese Annäherungen gegen 03:00 Uhr endeten. Als die Dämmerung um 06:00 Uhr einsetzte, waren die britischen Verfolger wieder sichtbar, weshalb sie auch auf deutlich größere Entfernungen zurückgingen und außer Sicht verschwanden. Auf dem Schlachtschiff hatte man die Versenkung eines Zerstörers und Schäden bei zwei weiteren Schiffen beobachtet. Aber dabei handelte es sich um Wunschvorstellungen oder Fehlbeobachtungen, wie sie regelmäßig im Krieg vorkommen. Auch wenn kein Torpedo getroffen hatte, war dies erst der Auftakt für den Kampf mit Toveys Schlachtschiffen. Lütjens hatte noch den Versuch unternommen, das Kriegstagebuch der BISMRACK durch eines der Bordflugzeuge in Sicherheit bringen zu lassen, doch dazu kam es nicht mehr, weil der Startmechanismus defekt war. In der
EINER DER JÄGER: Die HMS RODNEY war der BISMARCK an Feuerkraft überlegen. Die über 900 kg schweren Geschosse aus ihren 40,6-cm-Geschützen setzten dem deutschen Gegner am 27. Mai 1941 arg zu. Abb.: picture alliance/Mary Evans Picture Library
Zwischenzeit waren die Vorräte des Schiffes freigegeben worden, und jeder Mann an Bord konnte sich versorgen womit er wollte. Ein untrügliches Zeichen für die Besatzung, dass es keine Hoffnung mehr gab.
Finales Gefecht Den Zeitpunkt des endgültigen Kampfes bestimmte Admiral Tovey. Position und Manövrierbehinderung der BISMARCK waren ihm bekannt. Seine Haupteinheiten waren
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Der Untergang
FAHRT IN DEN UNTERGANG: Diese Bilder zeigen die BISMARCK während ihres letzten Gefechtes. Die Aufnahmen stammen vermutlich alle von der HMS DORSETSHIRE. Der Todeskampf wurde zum morbiden Mythos und trägt seinen Teil zur „Legende Alle Fotos: Archiv John Asmussen BISMARCK“ bei.
die KING GEORGE V. und die RODNEY. Letztere verfügte mit neun 40,6-cm-Geschützen über eine artilleristische Überlegenheit über die BISMARCK, während die KING GEORGE V. nur 35,6-cm-Geschütze an Bord hatte. Die niedrigere Geschwindigkeit der RODNEY spielte nun keine Rolle, denn die BISMARCK konnte nicht mehr entkommen oder taktisch manövrieren. Auch die Kreuzer NORFOLK und DORSETSHIRE positionierten sich um das Schlachtfeld. Gegen 08:45 war es soweit, in Nordwest erschienen die Silhouetten der Schlachtschif-
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fe RODNEY und KING GEORGE V. am Horizont. Sie peilten Backbord voraus und waren ungefähr 24 km entfernt. Das deutsche Schiff konnte den Gegner deshalb nur mit den vorderen Geschütztürmen bekämpfen. Admiral Tovey staffelte seine beiden Schiffe in Dwarslinie auf, beide Kiele nebeneinander, wobei die KING GEORGE V. leicht versetzt hinter der RODNEY lief. Alle Schiffe hatten die großen seidenen Gefechtsflaggen gesetzt, die weithin sichtbar in den Gefechtsmasten wehten. Die erste Salve wurde 08:47 von RODNEY abgegeben. Eine Minute spä-
ter feuerte KING GEORGE V., und 08:49 stimmte die BISMARCK in das infernalische Höllenkonzert der schweren Artillerie ein. Admiral Tovey hatte genügend Zeit gehabt, die Geschehnisse in der Dänemarkstraße auszuwerten, und er nahm folgerichtig an, nach welchem Verfahren der Artillerieoffizier der BISMARCK, Korvettenkapitän Schneider, feuern würde. Deshalb änderten die Schiffe der Royal Navy nach jeder deutschen Salve ihren Kurs. Die erste deutsche Salve lag zu kurz, die zweite zu weit und die dritte war deckend, aber kein Treffer konnte
Die BISMARCK sinkt
beobachtet werden. Als Hauptgegner bekämpfte man die RODNEY, denn deren 40,6-cm-Geschütze waren die größere Bedrohung für das deutsche Schlachtschiff. Eines ihrer Geschosse wog mehr als 900 Kilogramm und bewegte sich mit mehr als 600 Meter pro Sekunde. Die beiden britischen Schlachtschiffe fuhren mit höchster Geschwindigkeit auf den Gegner zu, wobei sie nur ihre vordere Artillerie einsetzen konnten, doch das war für die RODNEY kein Nachteil, denn alle Geschütze waren vor der Brücke positioniert. Der Kurs der BISMARCK stellte sich wie eine Schlangenlinie dar und folgte dem Generalkurs Nordwest. Als sich die Entfernungen rasch verkürzten, konnte auch die Mittelartillerie der Kolosse in das Gefecht eingreifen. Nach kurzer Zeit erfolgten die ersten Einschläge auf dem deutschen Schiff. Einschläge im Wasser bewirkten Fontänen von über 70 Meter Höhe, aus denen ein Regen von Geschosssplittern herabprasselte und bei Nahtreffern die ungepanzerten Teile der Schiffe durchschlug.
Die letzten Stunden Kurz nach 09:00 Uhr begann das Feuer der schweren britischen Artillerie Wirkung zu zeigen. Zwei Treffer der RODNEY waren gegen 09:30 Uhr beobachtet worden. Eines der Geschosse der KING GEORGE V. traf die Hydraulik des vorderen Geschützturmes der BISMRACK, dessen Rohre ohne Unterstützung dieses Systems nach unten fielen. Kurz darauf schwieg auch der zweite Turm. Der entscheidende Treffer war sicherlich einer der 40,6-cm-Granaten zuzuordnen gewesen, die den Leitstand der schweren Artillerie und den Gefechtsstand der Schiffsführung durchschlug. Fortan feuerten nur noch die achteren Geschütze, die aus dem Ersatzgefechtsstand geleitet wurden. Obwohl sie den Feind eindeckten, war das nur von kurzer Dauer, ein Nahtreffer machte auch die Optiken dieses Standes unbrauchbar. Um 09:31 verließ die letzte Salve der schweren Doppeltürme das Schiff, und dann schwieg die Hauptartillerie der BISMARCK. Fortan rückten die RODNEY und die KING GEORGE V. immer näher heran, die Entfernungen sanken bis auf zweieinhalb Kilometer. Und noch immer schlugen die Granaten auf dem deutschen Schlachtschiff ein. In der Zwischenzeit hatten auch die beiden Kreuzer NORFOLK und DORSETSHIRE in das Kampfgeschehen eingegriffen. Sie kamen aus Richtung Nordost und Südost, so dass das deutsche Schlachtschiff aus allen Richtungen beschossen wurde. Nur noch Teile der Mittelartillerie waren in der Lage
Clausewitz Spezial
DAS ENDE: Eine der letzten Aufnahmen von der BISMARCK zeigt dieses Foto. Es wurde von der HMS DORSETSHIRE Foto: Archiv John Asmussen aus gemacht.
zu feuern, aber auch die verstummten bald. Sowohl RODNEY als auch NORFOLK hatten ihre Torpedos auf ihren Gegner gefeuert, sie vermochten das Schiff aber nicht zu versenken. Kurz vor 10:00 Uhr glich die BISMARCK einem schwimmenden Wrack. Überall wüteten Brände, während die Aufbauten völlig zerschossen waren, und dicker Qualm aus dem Inneren drang. Die Salven der Briten flogen fast waagerecht auf ihr Ziel zu, und 50 Prozent der Geschosse trafen. Der Gürtelpanzer war an mehreren Stellen durchschlagen, doch das Schiff schwamm noch immer. Auf den Resten des deutschen Schlachtschiffes kämpfte die Besatzung mittlerweile um das bloße Überleben. Es gab nichts mehr zu kämpfen, keine Waffensysteme funktionierten mehr. Admiral Tovey musste das Gefecht abbrechen, weil seine Schlachtschiffe mittlerweile nicht mehr über genügend Brennstoff verfügten. Um 10:22 Uhr stellten sie das Feuer ein und liefen ab, während der DORSETSHIRE die Aufgabe blieb, dem sterbenden Giganten den Todesstoß zu versetzen. Eine Viertelstunde später verließen die letzten Torpedos den britischen Kreuzer. Doch die BISMARCK sank nicht. Dort wurde der Befehl zum Selbstversenken des Schiffes erteilt, nachdem kein Geschütz mehr schoss. Dazu wurden die Flutventile geöffnet und der Befehl „Alle Mann von Bord“ gegeben. Langsam legte sich die BISMARCK auf die Backbordseite und versank um 10:39 Uhr im Atlantik. Die DORSETSHIRE begann damit, die Überlebenden zu retten, brach aber ab, nachdem ein U-Boot gesichtet worden war. Die Gefahr erschien
zu groß, weil seitens der Briten mit Luft- und Unterwasserangriffen des Gegners gerechnet wurde.
Die Geburt eines Mythos Damit war das Unternehmen Rheinübung beendet, aber nicht so, wie es sich die Marineführung vorstellt hatte. 2.106 deutsche und 1.415 britische Seeleute hatten ihren gewaltsamen Tod im Atlantik gefunden. Nur 115 Besatzungsangehörige überlebten die Versenkung. Kein alliiertes Handelsschiff fiel dem deutschen Verband zum Opfer und der Stolz der Kriegsmarine war samt Flottenchef 4.000 Meter tief auf den Grund des Meeres gesunken. Die Royal Navy hatte die BISMARCK vernichtet und damit einen strategischen Sieg errungen. Ein Drittel der deutschen Schlachtschiffe war damit zerstört. Die GNEISENAU hatte in Brest empfindliche Lufttorpedotreffer erhalten, und die SCHARNHORST litt noch immer unter technischen Problemen. Die Seekriegsleitung musste erkennen, dass sie nicht mehr über genügend Mittel zur Operationsführung mit schweren Seestreitkräften gegen die britische Zufuhr verfügte. Damit endete mit dem Unternehmen „Rheinübung“ auch die Überwasserhandelskriegführung im Atlantik. Noch im Krieg wurde aus propagandistischen Gründen der Endkampf der BISMARCK bis zur letzten Granate als heldenhaft glorifiziert und dieses Schiff und dessen Besatzung damit auch gleichsam zum Mythos erhoben, der bis zum heutigen Tage nachwirkt.
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Technik
IMPOSANTE TECHNIK: Die BISMARCK war eine Meisterleistung des Ingenieurswesen. Die Zeichnungen zeigen das Schiff in seiner Erscheinungsform vom 21. Mai 1941. Alle Artillerie-Türme sind jetzt dunkelgrau gestrichen. Als Vorlage für die Grafik diente eine englische Luftaufnahme. Abb.: Archiv John Asmussen
Das technische Erfolgsrezept
Schnell, stabil und schlagkräftig! Die BISMARCK galt als das kampfkräftigste Schiff ihrer Epoche und Höhepunkt des deutschen Kriegsschiffbaus im Zweiten Weltkrieg. Doch was machte dieses Schiff Von Christian Jentzsch so mächtig?
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ie BISMARCK wurde als Neubau „F“ geplant und folgte als sechster Großschiffneubau der GNEISENAU und SCHARNHORST. Planungen dazu begannen Anfang 1934 und standen der französischen DUNKERQUE-Klasse als möglichem Gegner gegenüber. Diese großen Schiffe verdrängten
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26.500 Standardtonnen (ts), liefen dabei 31 Knoten und verfügten über acht 33-cm-Geschütze in zwei Vierertürmen. Waren die französischen Schiffe gegen die Bedrohung der deutschen Panzerschiffe gebaut worden, so sollte der Neubau „F“ der DUNKERQUE überlegen sein.
Deshalb wurde von Beginn an die Obergrenze des Washingtoner Abkommens von 1922 voll ausgeschöpft. 35.000 ts sollten deshalb die maximale Verdrängung sein. Aus außenpolitischen Gründen beschränkte sich die Marine deshalb zunächst auf das Kaliber 33 cm. Damit wurde mit der französischen Marine gleichgezogen. Großbritannien war noch nicht als möglicher Gegner abzusehen. Eine geforderte Höchstgeschwindigkeit von 33 Knoten konnte aber innerhalb der Tonnagegrenze nicht konstruktiv erreicht werden, weshalb Admiral Raeder noch Ende 1934 einer Überschreitung der bisher geplanten Verdrängung zustimmte und erstmals 35 cm als Kaliber der Hauptartillerie vorschlug. Im April 1935 brachte das Marinekommando-
Immer größere Pläne
reits auf 41.700 ts angestiegen. Damit bewegte sich das Schiff aber immer noch in den Grenzen des 1938 angepassten Limits des Deutsch-Britischen Flottenvertrages von 1935. Fortan war die maximale Größe 45.000 ts. Die Antriebsturbinen lieferten bei den Testfahrten eine maximale Leistung von 150.170 PS und damit 30,1 Knoten Geschwindigkeit. Die Konstruktionsdaten waren 138.000 PS und 29,0 Knoten, also deutlich bessere Werte als erwartet, obwohl ein endgültiges Gewicht von 52.328 ts erreicht wurde.
Hohe Kampfkraft
MODERN: Dieses Foto zeigt das Beobachtungsgerät für den Entfernungsmessoffizier (von der Decke hängend) sowie den dahinter liegenden Zielgeber. Foto: picture alliance/Mary Evans Picture Library
amt sogar das Kaliber 38 cm in die Planung ein. Zwischenzeitlich hatte Hitler auch seine außenpolitischen Bedenken verworfen und befahl im März 1935 ein stärker bewaffnetes Schlachtschiff zu bauen. Die Obergrenze der Länge betrug 250 m, denn die Schleusen in Wilhelmshaven erlaubten trotz des Neubaus der vierten Einfahrt keine größeren Schiffe. Weil das Gewicht aber nun auf 39.000 ts Schiffsraum heraufgesetzt werden musste, wuchs die Breite auf 36 Meter an, und damit konnte auch nur eine der Wilhelmshavener Schleusen genutzt werden. Als Geschwindigkeit waren nur noch 29 Knoten vorgesehen, sonst hätte das Gewicht der größeren Antriebsanlage die Dimensionen noch weiter vergrößert.
patin war eine Enkelin Otto von Bismarcks, Dorothea von Loewenfeld. Die Indienststellung führte am 24. August 1940 Kommandant Kapitän zur See Ernst Lindemann durch. Da war das Konstruktionsgewicht be-
Die Hauptbewaffnung bestand aus acht 38cm-Geschützen, die jeweils in vier Doppeltürmen aufgestellt waren. Zwei im vorderen Teil und zwei im achtern Teil des Schiffes. Damit entsprach die Artillerie durchaus dem internationalen Standard. Es gab zwar in Europa auch Schiffe wie die RODNEY, die über neun 40,6-cm-Geschütze verfügte, doch hatten diese nur eine Geschwindigkeit von 22 Knoten. Weil die Royal Navy vor dem Zweiten Weltkrieg aus Zeitgründen keine neuen Geschütze konstruieren konnte, bekamen die Schiffe der KING-GEORGE-V.– Klasse auch nur zehn 35,8 cm als Kaliber. Dabei waren auch diese Schiffe noch einen Knoten langsamer als die BISMARCK und deren Schwesterschiff TIRPITZ. Die Granaten wogen 800 kg und hatten eine Mündungsgeschwindigkeit von 820 m/sec. Bei 30 Grad
ZUR VERTEIDIGUNG: Eine der leichten 2-cm-Fla-Maschinenwaffen (FlaMW), deren Aufgabe die Bekämpfung von Tieffliegern war. Das hier abgebildete Gerät ist mit einer vor Salzwasser und Regen schützenden Persenning umhüllt. Foto: Archiv John Asmussen
KOORDINIEREND: Dieses Foto zeigt den backbordvorderen SL-8-Fla-Leitstand. Insgesamt verfügte die BISMARCK über vier dieser Leitstände für die schwere FlaK. Links unten sind noch die Geschützrohre einer 10,5-cmFlaK zu erkennen. Foto: Archiv John Asmussen
AUF DEM MITTELSCHIFF: Links außen ist einer der insgesamt sechs 15-cm-Zwillingstürme zu sehen. Dahinter und davor jeweils eine 10,5-cm-Zwillingsflak sowie dazwischen ein Beiboot. Foto: Archiv John Asmussen
Besser als erwartet Bis zum November des Jahres war das Planungskonzept abgeschlossen. Für ein Schiff dieser Größe kamen nur vier Werften in Deutschland in Frage. Die Kriegsmarinewerft in Wilhelmshaven und die Deutschen Werke Kiel waren bereits mit dem Bau der GNEISENAU und SCHARNHORST ausgelastet, weshalb nur noch die A.G. Weser und Blohm & Voss in Hamburg übrig blieben. Letztere erhielt dann den Bauauftrag der Marine am 16. November 1935. Der Kiel wurde am 1. Juli 1936 gelegt. Nicht einmal drei Jahre später fanden am 14. Februar 1939 der Stapellauf und die Taufe des Schiffes statt. Tauf-
Clausewitz Spezial
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Technik INFO
MARKANTE OPTIK: Die 2x4 Meter messende Antenne in der charakteristischen Rechteckform. Hier zu sehen ist das Funkmessortgerät (FuMO 23) auf einer Drehhaube. Die Reichweite dieser Geräte betrug etwa 25 Kilometer. Foto: Archiv John Asmussen
Technische Daten
Stapellauf 14. Februar 1939 bei Blohm & Voss Hamburg Besatzung 2.065 bis 2.200 Mann Konstruktionsverdrängung 41.700 ts Wasserverdrängung Maximal 52.328 ts Länge über Alles 250,50 m Breite 36 m Tiefgang 10,55 m Geschwindigkeit 29 Knoten (30,1 Knoten gemessene Spitzengeschwindigkeit) 8 x 38-cm-Schnellfeuerkanone C/34 Bewaffnung in vier Doppeltürmen 12 x 15-cm-Schnellfeuerkanone C/28 in sechs Doppeltürmen 16 x 10,5-cm-Flak-Schnellfeuerkanone C/33 und C/37 in acht Doppellafetten 16 x 3,7-cm-Flak-Schnellfeuerkanone C/30 in acht Doppellafetten 12 x 2-cm-Flak und FlaMG in Einzel- und Vierlingslafetten ein Doppelkatapult mit 4 Arado-196-Flugzeugen
UNGESCHÜTZT: Die Mannschaften an den Flakständen hatten keinerlei Panzerung zwischen sich und dem Feindfeuer. Diese Abbildung zeigt leichte Flak-Waffen auf dem Vorschiff (steuerbord). Im Vordergrund, unter der Abdeckung, eine 2-cm-FlaK. Dahinter, auf dem Aufbaudeck, eine 3,7-cm-DoppelflaK.
Rohrerhöhung konnten damit Schussweiten bis 35.550 Meter erreicht werden. Auf einer Entfernung von zehn Kilometer wurden 510 mm und bei 20 Kilometer noch 364 mm Panzerung durchschlagen. Die maximale Schussfolge betrug 3,3 Schuss pro Rohr und Minute. Als Zweitbewaffnung waren noch zwölf 15-cm-Geschütze in Doppeltürmen im mittleren Schiffsteil aufgestellt. Damit konnten kleinere Kriegsschiffe oder Handelsschiffe bekämpft werden. Weil die Bedrohung aus der Luft immer größer wurde, rundeten 16 10,5-cm-, 16 3,7-cm- und 12 2-cm-Flak-Maschinen die Defensivbewaffnung ab.
Foto: Archiv John Asmussen
Gut ausgerüstet
SCHWERE ARTILLERIE: Die BISMARCK wurde mit vier Zwillingstürmen des Kalibers 38 cm ausgerüstet. Je zwei wurden im Vorschiff und im Achterschiff (im Bild mit Werftarbeitern davor) angebracht – die beiden innen gelegenen Türme waren in erhöhter Position aufgestellt. Sie hießen Anton, Bruno, Cäsar und Dora. Foto: Archiv John Asmussen
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Die FlaK war in Dreiachsenaufhängungen aufgestellt und erlaubte damit ein präzises Feuer, weil die Schiffsbewegungen damit ausgeglichen werden konnten. Allerdings musste aus Mangel an modernen FlaK des 10,5-cm-Kalibers das ältere Modell 33 im achteren Teil des Schiffes verbaut werden. Damit waren bei der Hauptwaffe gegen Luftfahrzeuge zwei unterschiedliche Waffen an Bord: vier moderne Doppeltürme vorn und vier ältere Doppeltürme hinten. Die Flakstände waren nicht geschlossen oder gepanzert, so dass die Bedienungen dem Wetter, der Granatwirkung und den Bordwaffen des Gegners ungeschützt ausgeliefert waren. Die Waffen konnten einerseits über optische Leitstände geführt und geleitet werden. Andererseits verfügte die BISMARCK auch über ein Funkmessortungsgerät, das in der Marine den Namen „Seetakt“ trug. Die Messreichweite betrug ungefähr 25 Kilometer. In der Silhouette charakteristisch war die 2x4 Meter große Antenne in Rechteckform. Zusätzlich verfügte das Schiff auch über Unterwasserortungsgeräte, mit denen U-Boote, Schiffe und Torpedos angepeilt werden
Quantitativ übermächtige Royal Navy konnten. Zur Aufklärung befanden sich auch vier Arado-196-Wasserflugzeuge an Bord, die über ein Katapult gestartet und von einem Kran wieder aufgenommen wurden.
Durchdachtes Konzept Diese starke Armierung stellte aber nur einen Teil des Dreiklanges der Schlachtschiffkomposition dar. Weitere waren Geschwindigkeit und Panzerung. Ihr Antrieb war grundsätzlich so gestaltet wie der der GNEISENAU und der SCHARNHORST. Drei Hochdruckdampfturbinenanlagen wirkten bei der BISMARCK auf drei Propeller, hinter denen zwei schräg gestellte Ruder saßen. Die Propeller hatten einen Durchmesser von 4,8 Meter und die Ruder eine Fläche von 24,2 Quadratmeter. Bei den anschließenden Probefahrten in der Ostsee stellte sich aber heraus, dass wegen der Positionierung von Ruder und Propeller eine Steuerung des Schiffes allein über den Propellerschub kaum möglich war. Insgesamt konnte das Schiff 7.400 Kubikmeter Heizöl an Bord nehmen, womit eine maximale Fahrstrecke von 9.280 Seemeilen möglich war, dies allerdings nur bei einer Marschfahrt von 16 Knoten. Bei höheren Geschwindigkeiten stieg entsprechend auch der Verbrauch an. Mit 29 Knoten war die BISMARCK schneller als alle stärke-
IN DIE PLANUNG INTEGRIERT: Großadmiral Erich Raeder – hier auf einem Foto von 1942 – griff aktiv in die Konfiguration der BISMARCK ein und war der erste, der ein größeres Kaliber für die Hauptartillerie ins Spiel brachte. Foto: picture alliance/akg
Clausewitz Spezial
ZUR AUFKLÄRUNG UND U-BOOT-JAGD: Das Wasserflugzeug vom Typ Arado Ar 196 war das Standard-Bordflugzeug der deutschen Marine im Zweiten Weltkrieg. Auch die BISMARCK verfügte über diese Maschinen, die von Katapulten aus starteten. Foto: picture alliance/ZB
ren britischen Schiffe und gleichzeitig noch immer schnell genug für alle schwächer bewaffneten Schlachtschiffe der Royal Navy. Die letzte Komponente eines Schlachtschiffes stellt die Panzerung dar. Um auch hier Gewicht zu sparen, wurde der Gürtelpanzer nur mit 320 mm Stärke versehen. Die SCHARNHORST besaß dort noch 350 mm. Dafür wurde die Zitadellpanzerung, welche die vitalen Teile des Schiffes wie eine Zitadelle umschloss, mit insgesamt 145 mm dreimal stärker gepanzert als bei den Vorgängerbauten. Hierdurch sollte nicht nur Gewicht gespart werden, sondern es wurde der Schutz auf große Gefechtsentfernungen auch deutlich gesteigert. Bei Artilleriegefechten auf große Distanzen war nicht mehr mit Treffern im Schiffsgürtel zu rechnen, weil die Granaten steil von oben auf das Schiff fielen. An Bug und Heck war die Panzerung am schwächsten. Die stärkste Panzerdicke hatte die Front der 38-cm-Geschütztürme mit 360 mm gefolgt vom Kommandostand, der 350 mm aufwies. Neben der Maschine, die im Inneren der Zitadelle verborgen war, waren das die im Gefecht wichtigsten Zonen. Effektoren und Führung waren am besten geschützt. Als Unterwasserschutz wurde ein Torpedoschott mit 45 mm Panzerung verbaut, das ebenfalls im Inneren des Schiffes verlief und fünf Meter von der Außenhaut entfernt den entstandenen Zwischenbereich als Verformungszone nutzte. Es war ein ähnliches Wirkprinzip wie die Knautschzone eines modernen Autos. Neben der insgesamt besseren Panzerungsverteilung fand auch ein neues und zäheres Material Verwen-
dung. Die alten zementierten Nickelstähle mussten genietet werden, während das neue, Wotan genannte, Panzermaterial auch geschweißt wurde. Das half wiederum Gewicht zu sparen. Insgesamt waren circa 19.000 Tonnen Panzerung verbaut worden.
Zahlenmäßig unterlegen Bei der BISMARCK-Klasse handelte es sich um ein sehr ausgereiftes Gesamtkonzept aus Geschwindigkeit, Standfestigkeit und Schlagkraft. Mit der RODNEY-Klasse verfügte die Royal Navy über Schiffe mit stärkerer Artillerie, aber geringerer Geschwindigkeit. Die KINGGEORGE-V.-Klasse war langsamer und schwächer bewaffnet. Die HOOD war unwesentlich schneller, aber schlechter gepanzert als die BISMARCK. Das traf auch auf die anderen Schlachtkreuzer zu. Während die Schiffe der Royal Navy also in einzelnen Bereichen jeweils bessere Leistungen aufzeigten, war das deutsche Schlachtschiff dem Gegner insgesamt überlegen. Allerdings verfügte die britische Marine im Mai 1941 über 16 Schlachtschiffe und Schlachtkreuzer, die Kriegsmarine hingegen nur über drei. Korvettenkapitän Christian Jentzsch, Jg. 1977, ist seit 2011 Dozent für Militärgeschichte an der Marineschule Mürwik und Leiter des dortigen Wehrgeschichtlichen Ausbildungszentrums. Sein Dissertationsprojekt trägt den Titel: „Die Professionalisierung des Seeoffizierkorps der Kaiserlichen Marine und des Executive Officer Corps der Royal Navy zwischen 1871 und 1914 – ein Vergleich“.
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Die BISMARCK dreidimensional
GEWALTIG: Diese Grafik von der Steuerbordseite der BISMARCK vermittelt einen guten Eindruck von der Monumentalität des Schiffes. Technik, Bewaffnung und Aufbauten fügen sich zu einem stimmigen Ganzen zusammen und verleihen dem tonnenschweren Giganten aus Stahl ein schnittiges Erscheinungsbild. Gut zu erkennen sind die beiden mächtigen 38-cm-Zwillingstürme C/34 der Hauptartillerie auf dem Vorschiff sowie der 15-cm-Zwillingsturm C/34 auf dem Mittelschiff. An der unteren Bordwand ist der Schlingerkiel zu sehen: Er soll unerwünschte Rollbewegungen um die Längsachse vermindern.
Alle Grafiken: Thomas Schmid/www.3dhistory.de
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Virtueller Rundgang auf der BISMARCK
Detailliert rekonstruiert Mai 1941: Verfolgung und Versenkung der BISMARCK gehören zu den dramatischsten Ereignissen des Zweiten Weltkriegs. Aufwendige Computergrafiken lassen den stählerVon Maximilian Bunk nen Giganten wiederauferstehen.
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er letzte Akt im tödlichen Drama fand am 27. Mai 1941 statt. An diesem Tag sank die BISMARCK hinab in die Tiefen des Atlantik – wo das Wrack auch heute noch am Meeresgrund ruht, und wo es nur für wenige Tiefseetaucher und Unterwasserforscher erreichbar ist. Dort gemachte Fotos können aber natürlich nur Aufnahmen des zerstörten Schiffes sein. Zeitgenössische Fotografien vermitteln uns hingegen heute noch einen realistischen Eindruck von den Dimensionen
Clausewitz Spezial
und dem „Look“ des intakten Schlachtschiffes. Später entstandene Gemälde orientieren sich an diesen Bildern und stützen sich im Idealfall auf Pläne und Konstruktionszeichnungen. Jedes Foto als „Fenster in die Vergangenheit“ und jedes Gemälde als Interpretation eines Künstlers haben ihren unbestrittenen Wert. Ohne sie ist eine Auseinandersetzung mit dem Thema schal, fade und ohne großen Anschauungswert. Kann man in einem Magazin wie CLAUSEWITZ mehr erwarten? Man kann! Wie wäre es mit einem virtuellen Rundgang um die BISMARCK und einem genauem Blick auf einzelne Komponenten? Anspruchsvolle Computergrafiken machen dies möglich. Unsere historisch korrekten Rekonstruktionen erwecken das gigantische Schlachtschiff
von damals zu neuem Leben. Die Gestaltung und die riesigen Dimensionen der BISMARCK werden auf eine ganz neue Art sichtbar. Kleine Details sind nun endlich erkennbar – oft ein Problem bei alten Fotografien. Entdecken Sie auf den folgenden Seiten die BISMARCK auf eine völlig neue Art und Weise. Erschließen Sie sich diesen Koloss in seiner gewaltigen Gesamtheit, und sehen Sie zahlreiche Details in exakten und farbigen 3D-Illustrationen. Näher und präziser ist es in einem Printmedium nicht möglich.
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Die BISMARCK dreidimensional
MODERNSTE TECHNIK: Blick auf die Backbordseite der BISMARCK. Auf dem Mittelschiff, hinter der aufgerichteten 10,5-cmZwillingsflaK C/37, ist das grün lackierte Bordflugzeug vom Typ Arado 196 zu sehen. Das Mittelschiff wird vom Großmast (hinter dem Schornstein) überragt und das Achterschiff von den Türmen der Schweren Artillerie „Cäsar“ und „Dora“. Die Aufbauten, Beiboote, Scheinwerfer und Masten verleihen dem Schiff das Aussehen einer kleinen Stadt auf dem Meer. Die BISMARCK ist hier noch mit Tarnstreifen und falscher Bugwelle versehen. Diese Lackierung diente aber weniger der Tarnung als vielmehr der Täuschung des Gegners: Die Streifen verändern die Konturen des Schiffes, die aufgemalte Bugwelle verkleinert das Schiff optisch. Bei rauer See, aus großer Ferne oder durch das Periskop eines U-Bootes gesehen, konnte dem Feind damit die Identifizierung erschwert werden. Ein Torpedotreffer am Ruder (unten rechts bei den Propellern zu sehen) sollte eine tragische Rolle im kurzen Leben der BISMARCK spielen.
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Effektive Verteidigungs- und Angriffswaffen LUFTABWEHR: Gegen Angriffe von Flugzeugen verfügte die BISMARCK sowohl über Schwere wie Leichte FlaK und Fla-Maschinenwaffen. Die hier detailliert rekonstruierte 10,5-cm-Doppellafette C/37 gehört zur ersten Kategorie und war zur Bekämpfung von Flugzeugen in großer Höhe vorgesehen. Da nicht genug Doppellafetten C/37 vorhanden waren, wurden diese nur im hinteren Schiffsbereich installiert – im vorderen griff man Teil auf vier Doppellafetten C/31 zurück. Zu der geplanten Vereinheitlichung ist es nicht mehr gekommen. Die Kadenz der 15,1 Kilogramm schweren Granaten betrug 15 Schuss je Rohr und Minute. Die maximale Reichweite betrug 17.700 Meter.
BEEINDRUCKEND: Die Schwere Artillerie bestand aus den vier Zwillingstürmen „Anton“, „Bruno“, „Cäsar“ und „Dora“ (abgebildet) – die Namen leiteten sich aus dem Signalalphabet der Kriegsmarine ab. Die stark gepanzerten Türme wurden elektrisch geschwenkt und hatten eine maximale Schussweite von 35.550 Meter. Sie ragten durch das Oberdeck und Panzerdeck tief in das Innenschiff hinein. Die Munitionsvorräte lagen aus Sicherheitsgründen in der Zitadelle der BISMARCK.
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Die BISMARCK dreidimensional
MARTIALISCH: Frontaler Blick auf die BISMARCK. Hinter dem schweren Geschützturm „Bruno“ sind die offene Navigationsbrücke und der gepanzerte Vordere Gefechtskommandostand zu sehen. Darüber befindet sich die Admiralsbrücke (zu erkennen an den verhältnismäßig großen Fenstern). Vorne unterhalb der Admiralsbrücke sowie darüber (auf dem Vormars-Artillerieleitstand) befindet sich je eine E-Messdrehhaube mit Funkmessgerät im charakteristischen Schwarz. Gut zu sehen sind hier außerdem die querschiffs verlaufenden Backbord- und Steuerbordbrückennocks (links und rechts vom Kommandostand herauskragend), von denen Festmachund Ankermanöver überwacht wurden.
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Gut durchdachte Konstruktion
FASZINIERENDE DETAILS: Die beiden hier abgebildeten Grafiken zeigen den Brückenkomplex und das Mittelschiff (Steuerbordseite von vorne oben, von hinten gesehen unten). Das ausgeklügelte Bewaffnungssystem – das auf der Backbordseite seine Entsprechung hat – wird gut sichtbar. Ein Kranz von 15-cm-Zwillingstürmen, 10,5-cm-ZwillingsflaK sowie weiteren (leichten) FlaK-Geschützen umgibt das Mittelschiff. Ähnliches gilt für die Beiboote: Insgesamt verfügte die BISMARCK über ein beeindruckendes Arsenal von 15 Booten, Barkassen, Pinassen, Kutter, Dingis und Jollen!
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Die BISMARCK dreidimensional
KOORDINIEREND: Diese Grafik zeigt die achteren Aufbauten, die sich hinter den Türmen „Cäsar“ und „Dora“ befanden. Gut zu sehen sind hier das achtere FlaK-Leitgerät (ganz rechts), der achtere Artillerieleitstand (Mitte) sowie das FlaK-Leitgerät (ganz links kurz vor dem Großmast). Das Feuer der Schweren und der Mittleren Artillerie wurde zentral aus den entsprechenden Waffenleitanlagen geleitet.
ZENTRUM DES SCHIFFES: Vor dem Schornstein liegt der Brückenkomplex. Hier sind der Hauptartillerieleitstand (unter dem oberen Funkmessgerät), die Admiralsbrücke, der vordere Artillerieleitstand sowie – ganz rechts vor dem unteren Funkmessgerät befindlich – der vordere Kommandostand und die offene Brücke zu sehen. Das Feuer wurde grundsätzlich zentral geleitet, konnte jedoch theoretisch für den hinteren und vorderen Bereich getrennt werden. WICHTIGES ELEMENT: Blick genau auf die Admiralsbrücke mit dem darüber angebrachten vorderen Scheinwerfer. Die Admiralsbrücke ist der Kommandobereich des Flottenchefs (auf der BISMARCK Admiral Lütjens), der von hier aus – gemeinsam mit seinem Stab – den gesamten Verband befehligte.
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Starker Antrieb und hohe Feuerkraft MASSIV: Der riesige Schornstein befand sich genau in der Mitte des Schiffes, d.h. zwischen dem Brückenkomplex und dem Großmast, unter den Schutzkalotten links und rechts weitere Scheinwerfer. Die kleinen Rohre am oberen Rand des Schornsteinmantels gehörten zur riesigen Kesselanlage und hatten verschiedenste Aufgaben (z.B. Entlüftung). Die Kesselräume selbst befanden sich tief im Schiff, innerhalb des Zitadellbereiches. Die BISMARCK wurde durch eine Dampfturbinenanlage angetrieben, die aus insgesamt zwölf Kesseln bestand.
HOHE SCHUSSFREQUENZ: Die sechs 15-cm-Zwillingstürme der Mittelartillerie konnten mit gut geschultem Personal bis zu acht Mal pro Minute und Rohr feuern! Sie waren auf dem Mittelschiff angebracht und verfügten über Unterbauten und integrierte Munitionsaufzüge.
RÜCKANSICHT: Turm „Dora“ von hinten gesehen und mit einem teilweise dunkelgrauen Anstrich. Bei der Konstruktion wurde der Konflikt zwischen Sicherheit und möglichst hoher Schussfrequenz elegant gelöst. Die Munitionskammern waren gut geschützt und von den Pulvermagazinen separiert. Mittels Aufzügen gelangten die Geschosse in die Türme. Mögliche Brände sollten nicht auf andere Bereiche übergreifen können.
DATEN: Das 2-cm-MG C/30 wurde durch 20Schuss-Magazine gespeist und hatte eine theoretische Feuerfrequenz von 280 Schuss/Minute (die tatsächliche Kadenz lag aber weit darunter). Die Patronen hatte eine Länge von 203 mm.
Clausewitz Spezial
GEGEN TIEFFLIEGER: Das 2-cm-MG C/30 hatte den Nachteil, dass die Bedienmannschaft Feindfeuer und Splittern ungeschützt ausgeliefert war – es gab keinen Schutzschild. Links ist der Hülsenfangsack zu sehen.
LEICHTE FLAK: 3,7-cm-SK C/30 in Doppellafettierung. Diese Waffen waren seitlich der Aufbauten angebracht und verfügten über keinen Schutz für das Bedienpersonal.
SCHWERE FLAK: die 10,5-cm-Doppellafette war zur Abwehr von Flugzeugen in großer Höhe gedacht. Die BISMARCK verfügte über insgesamt acht dieser Zwillingstürme. Zum Bedienen einer Doppellafette bedurfte es 15 Mann.
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BISMARCK im Modell
DIE „MUTTER ALLER BISMARCK-MODELLE“: Das Werftmodell im Maßstab 1:50. Foto: Blohm + Voss
Der BISMARCK-Mythos lebt im Modell
Plastik statt Stahl Die BISMARCK hat in ihrer kurzen Geschichte zahlreiche Spuren hinterlassen. Eine besonders deutliche findet sich in ihrem Fortleben im Modell und Modellbau. Von Berthold Tacke
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en Plastikmodellbau und die BISMARCK verbindet seit Jahrzehnten ein enges Band. Eigentlich jeder bedeutende Hersteller der Branche hat sich diesem zum Mythos gewordenen Schlachtschiff gewidmet. Es ist somit kaum verwunderlich, dass zahlreiche unterschiedliche Maßstäbe in einer wahren Modellflut vertreten sind. So stellen wohl die Bismarcknachbildungen im Maßstab 1:1250, wo die Modelle gerade einmal 20 Zentimeter lang sind, das eine Ende des Größenspektrums dar. Andererseits ist seit Jahren ein gegenläufiger Trend hin zu immer größeren Modellen von Großkampfschiffen zu beobachten. Etabliert hat sich dabei der Maßstab 1:350, bei dem die BISMARCK dann schon fast stolze 72 Zentimeter in der Länge misst. Doch die Modellbauindustrie scheint noch nicht an die Schmerzgrenze im Werkzeugbau, der bei größeren Abmessungen des Modells auch immer teurere Formenwerkzeuge erfordert, gekommen zu sein. Ebenfalls scheint das Auf-
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nahmevermögen heimischer Vitrinen oder Bastelkeller unermesslich, betrachtet man nur den reißenden Absatz der neuesten 1:200erBISMARCK (Modelllänge 126 Zentimeter) des chinesischen Herstellers Trumpeter. Und wer den Karton, in dem dieses Modell verpackt ist, gesehen hat, weiß, dass der Modellbauer wirklich Mut aufbringen muss, ihn in die eigenen vier Wände zu wuchten.
Wie alles anfing... Schon lange bevor es zur beschriebenen Entwicklung kam, ja sogar bevor der Schlachtschiffgigant im Original fertig gestellt worden war, nahm der BISMARCK-Modellbau seinen Anfang. Hier ist die Rede vom Werftmodell im Maßstab 1:50, das sich heute noch im Be„TROCKENDOCKPERSPEKTIVE“: Die drei Schiffsschrauben (im Modell immerhin fast neun Zentimeter im Durchmesser) und die Ruderanlage zieren den Blick von achtern. Foto: Blohm + Voss
sitz der Bauwerft Blohm & Voss befindet. Daher freuen wir uns sehr, einige der sehr seltenen Aufnahmen dieses wohl ersten und äußerst imposanten BISMARCK-Modells präsentieren zu können. Wie es aber nun bei Werftmodellen üblich ist, werden diese meist bereits vor bzw. während des Baus des Originals angefertigt. Hierin ist auch der Grund für die ein oder andere Abweichung des Werftmodells vom tatsächlich fertig gestellten Schiff zu suchen. So kann es vorgekommen sein, dass Pläne, nach denen das Modell ge-
baut wurde, später nicht mehr aktuell waren. Das Modell repräsentiert somit in manchen Bereichen einen früheren Planungsstand. Schließlich sind auch Modellbauer, seien es noch so gute, eine menschliche Fehlerquelle, die ebenfalls für Abweichungen von Modell und Vorbild verantwortlich sein können.
Alles Plastik? Gegenwärtig erscheinende neuere Modelle der Bismarck haben den großen Vorteil, auf eine gewaltige Dokumentationsmenge zu-
GUT AUSGERÜSTET: Die BISMARCK verfügte über eine reiche Ausstattung an Beibooten, unter anderem vier Verkehrsboote. Drei von ihnen sind hier im Bild in unmittelbarer Nähe zum Katapult für die Bordflugzeuge zu sehen. Foto: Blohm + Voss
Clausewitz Spezial
ELEGANTE LINIENFÜHRUNG: Aus dieser Perspektive fällt einem wohl alles andere als der Begriff „Dickschiff“ ein. Foto: Blohm + Voss
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BISMARCK im Modell
ÄUßERST REALISTISCH: Die AcademyBISMARCK im Maßstab 1:350 in ihrem „natürlichen Element“ bei hoher Fahrt. Foto: Rainer Michalek
greifen zu können. Auch Fotomaterial kann zwecks Überprüfung der Richtigkeit bzw. Vorbildtreue der Bausätze hinzugezogen werden. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil! Zudem gibt es auch gegenwärtig noch eine recht beachtliche Gruppe BISMARCKInteressierter und BISMARCK-Kenner, die mit schwächelnder Vorbildtreue nicht zu überzeugen wären. Aber muss ein Modell immer aus Kunststoff bestehen? Nein, natürlich ist dem nicht so. Gerade die sehr kleinen Modelle wurden und werden häufig aus Metalllegierungen oder Kunstharzen gefertigt. Auch gibt es, gerade bei einem Schiff wie der BISMARCK, zahlreiche Scratchbauprojekte
DETAIL
– und das trotz, oder vielleicht auch wegen ihrer kurzen Dienstzeit. Mit einem Scratchbau bezeichnet der Modellbauer der Gegenwart einen Eigenbau ohne Zuhilfenahme eines vorgefertigten Bausatzes. Letztlich ist schon das Werftmodell das erste Scratchmodell der BISMARCK. Im gleichen Maßstab befindet sich auch im Militärhistorischen Museum der Bundeswehr in Dresden ein solches Riesenmodell. Doch Scratchmodellbauer, die, betrachtet man Aufwand und Komplexität ihrer Projekte, selbstverständlich nicht die Mehrheit in der Modellbaucommunity stellen, können ja ebenfalls wie die großen Bausatzhersteller
alle möglichen Maßstäbe wählen. Ganz nach Vorliebe und Raumangebot. Doch auffallend ist schon, dass, wenn die BISMARCK in Eigenregie entsteht, besonders häufig die ganz großen Maßstabsgruppen von 1:200 an aufwärts gewählt werden. Dann wird der Bau des Modells häufig zur Lebensaufgabe und das Modell, sollte es jemals vervollständigt werden, zu einem wahren Publikumsmagneten.
Die eigene BISMARCK Schließlich mag der Wunsch aufkeimen, selbst eine BISMARCK in der heimischen Vitrine zu platzieren. Doch welche ist die Rich-
BISMARCK Boxart
POPULÄR: Nahezu jeder bedeutende Bausatzhersteller hat beziehungsweise hatte seine eigene BISMARCK im Programm. Dabei interpretierten die Künstler der Boxart den Abb.: Berthold Tacke „Mythos BISMARCK“ auf teils recht eigenwillige Weise.
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Der Mythos lebt fort
SCHWEIßTREIBENDE ARBEIT: Bis ein Modell so überzeugend wirken kann, ist es ein langer Weg mit vielen Bau- und Lackierschritten. Auch wollen die unterschiedlichsten Materialien von Polystyrol bis hin zu Messingätzteilchen fachgerecht verarbeitet werden. Foto: Rainer Michalek
DETAILAUFNAHME: Die Schiffsmitte mit Beibooten, Arado Ar 196A-3 auf Katapult und dem geschlossenen Backbordhangar links neben dem Foto: Rainer Michalek Schornstein.
tige? Man sollte sich von vornherein klarmachen, wie der Platzbedarf der einzelnen Modelle ist. Sollten Längenangaben und andere Maße auf der Verpackung fehlen, dann errechnet sich die Länge des Modells ganz einfach, indem 251 (Länge des Originals in Metern) durch den Maßstabsteiler geteilt wird. Das Ergebnis ist die Länge des Modells in Metern. Ein kleines Beispiel: 251 geteilt durch 600 (für ein Modell des Maßstabs 1:600) ergibt 0,418 Meter, d.h. 41,8 Zentimeter. Außerdem ist klar, dass Bausätze, je größer sie werden, auch in ihrer Teilezahl wachsen. Daher erfordern kleine Modelle oft besonderes Fingerspitzengefühl, was die
Teilegröße angeht, sind aber andererseits oftmals in ihrer Teileanzahl sehr übersichtlich. Dagegen treiben große Maßstäbe die Teilezahl und damit die Anzahl der zu be- und verarbeitenden Bausteine nach oben, was sich in entsprechend längeren Bauzeiten niederschlägt. Grundsätzlich kann man aber mit modernen Bausätzen, die in diesem Jahrtausend erschienen sind, durchweg eine schöne Replik der BISMARCK gestalten.
Nachruhm nur im Modell? Die Zeitschrift MODELLFAN wird darüber noch in diesem Jahr in einem Baubericht des 1:200er Modells der Firma Trumpeter nützli-
FILMREIFE SCHLACHTSZENE: Eine der Fairey Swordfishs, die mit der FlaK nicht effektiv bekämpft werden konnten, entlässt einen Torpedo. Foto: Rainer Michalek
che Tipps und Anregungen zum erfolgreichen Bau der eigenen BISMARCK geben. Doch vergessen wir nicht, dass die BISMARCK über ihr dreidimensionales Erscheinen in der miniaturisierten Welt aus Kunststoff hinaus ein Nachleben hat. Auch in anderen Erscheinungsformen der bildenden Kunst, so z.B. in der Marinemalerei, hat die BISMARCK einen, sofern das je einem Schiff möglich war, tiefen und bleibenden Fußabdruck hinterlassen. CLAUSEWITZ dankt Blohm + Voss für die Bilder und die Freigabe des Werftmodells der BISMARCK. Berthold Tacke, ist verantwortlicher Redakteur des MODELLFAN, dem führenden deutschsprachigen Magazin für Modellbau. Selbst begeisterter Modellbauer seit früher Kindheit und Buchautor im Bereich Modellbau, steht er in ständigem und engem Kontakt zur Modellbauerszene und zu Modellbauherstellern. Mit der BISMARCK verbindet ihn seit frühester Jugend die Begeisterung für deren elegante Linienführung.
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Das Schwesterschiff der BISMARCK
Schlachtschiff TIRPITZ
Die „einsame Königin“ 2. November 1936: Die Arbeiten an der TIRPITZ auf der Kriegsmarinewerft Wilhelmshaven beginnen. Das Schwesterschiff der 1941 untergegangenen BISMARCK fand 1944 Von Tammo Luther ebenfalls ein tragisches Ende.
NAMENSGEBER: Großadmiral Alfred von Tirpitz, nach dem das mächtige Schlachtschiff der Kriegsmarine benannt wurde. Tirpitz hatte den Ausbau und die Aufrüstung der Kaiserlichen Flotte forciert und gilt als Begründer der deutschen Hochseeflotte. Foto: picture-alliance/mary Evans Picture Library
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ie BISMARCK (Schlachtschiff „F“) und ihr Schwesterschiff TIRPITZ (Schlachtschiff „G“) waren die beiden einzigen Schlachtschiffe der BISMARCKKlasse, die von der Kriegsmarine in Dienst gestellt wurden. Sie galten als Deutschlands kampfstärkste Schlachtschiffe und sollten die Großkampfschiffe des Gegners, vor allem der französischen Marine und der britischen
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Royal Navy, übertrumpfen. Während das Typschiff der BISMARCK-Klasse seine Kampfkraft unter anderem im Gefecht gegen den englischen Schlachtkreuzer HOOD und RÜCKSEITE: Widmung auf einem Foto der TIRPITZ aus dem Jahr 1944, acht Monate vor der Vernichtung des Foto: ARCHIV CLAUSEWITZ Schlachtschiffs.
IMPOSANT: Die TIRPITZ kurz vor ihrer Verlegung nach Norwegen Anfang 1942. Ihre Einsätze in der Abgeschiedenheit der Küste Nordnorwegens brachten ihr den Beinamen „Die einsame Königin“ ein. Foto: ullstein bild
das Schlachtschiff PRINCE OF WALES im Mai 1941 unter Beweis stellen konnte, operierte die am 25. Februar 1941 in Dienst gestellte TIRPITZ im Lauf ihrer Dienstzeit fast ausschließlich entlang der Küste Nordnorwegens – als potentielle Bedrohung alliierter Konvois und Geleitzüge. Den rund 250 Meter langen (Länge über alles) und 36 Meter breiten Kriegsschiffen lag
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ein Bauentwurf zugrunde, der sich vor allem an dem 1937 in Dienst gestellten Schlachtschiff DUNKERQUE der französischen Marine als Gegner orientierte.
Verzögerte Indienststellung Obwohl der Bau der am 1. April 1939 vom Stapel gelaufenen TIRPITZ ab September desselben Jahres aufgrund des Kriegsaus-
bruchs unter hohem Zeitdruck erfolgte, wurde das Schwesterschiff der BISMARCK erst im Frühjahr 1941 in Dienst gestellt – unter anderem aufgrund mehrfacher britischer Luftangriffe auf die Kriegsmarinewerft in Wilhelmshaven im Jahr 1940. Die bautechnischen Unterschiede zwischen der nach dem deutschen Marinestaatssekretär und Großadmiral Alfred von Tirpitz
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Das Schwesterschiff
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(1849–1930) benannten TIRPITZ und der BISMARCK waren gering. Nach der Verlegung der TIRPITZ nach Norwegen im Januar 1942 wurden zwei Torpedo-Vierlingssätze für 53,3-cm-Torpedos installiert. Diese zusätzliche Bewaffnung war auf der BISMARCK nicht vorhanden. Das Waffensystem erhöhte die Verdrängung und ihren Tiefgang, sodass die TIRPITZ schwerer war als ihr Schwesterschiff. Weitere Unterschiede betrafen unter anderem die achteren Flak-Leitstände, die sich hinter dem Großmast befanden. Sie waren anders als bei der BISMARCK durch kugelförmige Hauben aus Kunststoff gegen die auf hoher See zum Teil schwierigen Wetterbedingungen geschützt. Auf der BISMARCK sollten diese Hauben nach Abschluss des Unternehmens „Rheinübung“ eingebaut werden.
Gefahr für alliierte Konvois Ab März 1941 erfolgte die Erprobung der TIRPITZ in der Ostsee. Nach Beendigung der Tests verlegte das Schlachtschiff unter Kommandant Kapitän zur See Karl Topp im Januar 1942 von Wilhelmshaven nach Trondheim an der Küste Norwegens. Von dort aus
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GEKENTERT: Die TIRPITZ nach dem entscheidenden Angriff durch Bomber der Royal Air Force am 12. November 1944. Das Wrack wurde in den 1950er-Jahren gehoben und zerlegt. Foto: ullstein bild - TopFoto
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hälfte (Operation „Source“) wurde unternahm das Schiff in der die TIRPITZ schwer beschädigt. 1. Märzhälfte 1942 seine erste Nach der Versenkung der Feindfahrt. Die TIRPITZ operierte SCHARNHORST am 26. Dezember als Flaggschiff eines deutschen Ver1943 im Nordmeer kam die zwibandes gegen britische Nordmeerschenzeitlich nicht mehr fahrbereite geleitzüge. Nach Beendigung des TIRPITZ dann operativ nicht mehr Unternehmens lief der Verband in KENNZEICHEN: die Bogenbucht nach Narvik. In Das Wappen der zum Einsatz. Im März 1944 – nach Abschluss den norwegischen Fjorden „ver- TIRPITZ, des mehrmonatiger Reparaturarbeiten steckt“, bedeutete die von Winston Schwester– konnte die TIRPITZ zunächst wieChurchill als „Bestie“ (engl.: beast) schiffs der der in der Bogenbucht vor Anker bezeichnete TIRPITZ eine ständige BISMARCK. gehen. Gefahr für die stark gesicherten Geleitzüge der Alliierten zwischen GroßbriIm Visier alliierter Bomber tannien und den sowjetischen Häfen. Im Winter 1942/43 folgte eine längere Das Schiff wurde in den folgenden Monaten Werftliegezeit im Fættenfjord, bis das im Kåfjord mehrfach von britischen FlugzeuSchlachtschiff im Frühjahr 1943 wieder in die gen angegriffen und erneut beschädigt. DaBogenbucht verlegte. Anfang September bei gab es Tote und Verwundete unter der 1943 führte die TIRPITZ zusammen mit der Schiffsbesatzung zu beklagen. SCHARNHORST und mehreren Zerstörern Im Oktober 1944 machte das Schiff die Flottenoperation „Sizilien“ gegen Spitz- schließlich im Sandnessund fest. Bei Tromsø bergen und den dort auf der Insel eingerich- wurde es am 12. November 1944 bei klarer teten britischen Versorgungsstützpunkt Sicht von etwa 30 britischen „Lancaster“durch. Durch einen Angriff britischer Kleinst- Bombern in mehreren Wellen angegriffen. U-Boote der X-Klasse in der 2. SeptemberSchon die erste Welle der angreifenden Bomber konnte empfindliche Treffer erzielen. Das unter anderem von „Tallboy“-Bomben schwer getroffene Schiff kenterte und Literaturtipp riss einen Großteil der Besatzung mit in den David Brown: Die TIRPITZ – Eine schwimmende Tod. Festung und ihr Schicksal, aus dem Engl. übers. Das Ende der „einsamen Königin“ war v. Gerhard Koop, München 1980. gekommen.
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HMS HOOD
Tragische Gegenspielerin der BISMARCK
„The mighty HOOD“ 1916: In der größten Seeschlacht des Ersten Weltkrieges vor Jütland erlitten die Briten starke Verluste – insbesondere bei ihren Schlachtkreuzern. In Reaktion darauf entstand der „Stolz“ der Royal Navy: Die HMS HOOD. Von Maximilian Bunk
D
en Auftrag zum Bau eines modernen Schlachtkreuzers erhielt die Schiffswerft John Brown & Co. Ltd. im schottischen Clydebank. Die Vorgaben der englischen Admiralität sahen dabei einen möglichst geringen Tiefgang und trotzdem eine hohe Stabilität zu Wasser vor. Außerdem sollte das neue Schiff möglichst schnell sein – selbst wenn die Geschwindigkeit durch Einsparungen bei der Panzerung erkauft werden musste. Die Erkenntnisse aus den Untersuchungen der Skagerrakschlacht flossen in die Konstruktion der HOOD ein: Die Verbesserung des Brandschutzes und der Leckwehr sollte Explosionen an Bord nach schweren feindlichen Granateinschlägen (so geschehen bei den Schlachtkreuzern QUEEN MARY, INVINCIBLE und INDEFATIGABLE) möglichst unterbinden. Die Reichweite der Artillerie an Bord sollte ebenfalls aufgrund vorangegangener Kriegserfahrungen erhört werden. Die Royal Navy ehrte die verdiente Familie Hood, indem sie
DATEN
HMS HOOD
Baujahr: 1916 (Kiellegung)/Indienststellung: 1920 (Technologiestand 1919) als einziges Exemplar der Admiral-Klasse Bewaffnung (Auswahl): 8 Geschütze 38,1 cm (Hauptartillerie), seit 1940 keine Mittelartillerie mehr, insgesamt 38 x schwere und leichte FlaK Geschwindigkeit: 32 Knoten (zuletzt aber aufgrund von Verschleißerscheinungen nicht mehr erreicht)
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Breite und Länge: 32/262 Meter (auf Geschwindigkeit ausgerichtetes Verhältnis) Verdrängung (Standard): 42.600 Tonnen Panzerung (Auswahl): Schwerer Seitenpanzer 305 mm, Horizontalpanzerung 51 mm Kapitän: Seit 15. Februar 1941 Ralph Kerr (1891–1941) Besatzung: 1.477 Mann (davon drei Überlebende)
ihrem neuesten Schlachtkreuzer diesen Namen gab. So kämpfte bereits Admiral Samuel Hood (1724–1816) in der britischen Marine und Konteradmiral Sir Horace Hood (1870–1916) starb an Bord der INVINCIBLE, als eine deutsche Sprenggranate in der Munitionskammer seines Schiffes explodierte.
Veraltete Technologie Die HOOD wurde schließlich am 15. Mai 1920 nach den üblichen Erprobungen und Tests von der Royal Navy in Dienst gestellt. Bis 1927 war sie das größte Kriegsschiff der Welt und genoss als „The mighty HOOD“ einen Ruf wie Donnerhall! Und dies, obwohl die technischen Entwicklungen der 1930erJahre (präzise Flugzeugbomben und steilere Einfallwinkel von Geschossen aufgrund der zunehmenden Reichweite der Schiffsartillerie) das Konzept der Hood starke Seitenpanzerung, hohe Geschwindigkeit, unzureichende Horizontalpanzerung bereits zu einem Auslaufmodell machten. Nun ist es gewiss nicht so, dass man dieses Problem nicht erkannt hätte. Doch ohne einen grundlegenden Umbau des Schiffes, der aus Kostengründen verworfen wurde, hätte die zusätzliche Panzerung einen zu großen Tiefgang bedeutet. 1938 wurde eine umfangreiche Modernisierung der HOOD geplant, die nun schon fast 20 Jahre auf dem Buckel hatte. Doch dazu ist es aufgrund des Kriegsausbruches nicht mehr gekommen. Trotzdem: Mit ihrer starken Bewaffnung
HINTERGRUND
Vizeadmiral Sir Lancelot Holland
Der 1887 im englischen Middleton Cheney geborene Lancelot Holland ging 1902 zur Marine. Den kompletten Ersten Weltkrieg verbrachte er als Ausbilder an Bord der HMS EXCELLENT. 1940 kämpfte er als Befehlshaber des 7. Kreuzergeschwaders in der Seeschlacht bei Kap Teulada (27. November) in der Nähe von Sardinien gegen die Italiener. Am 23. Mai 1941 lief er zum letzten Mal aus – auf der HOOD, seinem Flaggschiff. Als Munition an Bord Feuer fing und er um Be-
und kampferfahrenen Crew hatte die HOOD durchaus das Potential es mit fast jedem Widersacher aufzunehmen.
Das verheerende Ende Am 23. Mai erhielt Vizeadmiral Holland die Order, die BISMARCK in der Dänemarkstraße abzufangen. Mit einer Eskorte von Zerstörern läuft sein Verband Richtung Norden in die Dänemarkstraße ein, als der Gegner in den frühen Morgenstunden des 24. Mai gesichtet wird. Im anschließenden Gefecht durchdringt eine 38-cm-Granate der BISMARCK das dünn gepanzerte Deck der HOOD und verursacht einen Brand in der Munitionskammer. Flammen lodern zwischen den Masten der HOOD und in einer gewaltigen Explosion bricht das stolze Schiff in zwei Teile und versinkt innerhalb von Sekunden. Die Versenkung der HOOD traf die Engländer besonders hart, denn sie war mehr als ein Kriegsschiff. Ähnlich der BISMARCK
fehle gebeten wurde, soll der völlig in das Gefecht vertiefte Holland geantwortet haben: „Lasst die Munition ruhig brennen.“ Kurz darauf drang eine Granate von der BISMARCK in das Hauptmunitionsdepot der HOOD ein und das Schiff explodierte mit einem gewaltigen Knall. Signalmaat Briggs, einer der drei Überlebenden, berichtete später, dass Admiral Holland keinen Versuch unternahm sich in Sicherheit zu bringen. Er ging mit seinem Schiff unter.
hatte sie einen hohen symbolischen Wert. In seinem Buch „Versenkt die BISMARCK!“ beschreibt der Zeitzeuge Ludovic Kennedy die unmittelbaren Auswirkungen des Verlustes folgendermaßen: „Die HOOD war ein so integrierender Teil des Gefüges Großbritanniens und seines Empires gewesen, dass die Nachricht von ihrem Untergang für die meisten Engländer ein traumatisches Erlebnis darstellte – so, als ob der Buckingham Palace eingeäschert oder der Premierminister ermordet worden wäre. Admiral Wake-Walker, der die Admiralität und die übrige militärische Welt mit seiner lakonischen Botschaft ‚Die HOOD ist explodiert’ von der Tragödie benachrichtigte, fühlte sich genötigt, sie als ,geheim’ abzusenden, so, als ob er damit verhindern könnte, dass das entsetzliche Geschehnis Hitler zu Ohren kam.“ Wir können heute nur darüber spekulieren, ob die 1938 geplanten aber nicht umgesetzten Umbauten am Schicksal der HOOD etwas geändert hätten. Denn Fakt ist, dass die Konzeption der HOOD dem Wissensstand vom Ende des Ersten Weltkriegs entsprach und das ihrer deutschen Gegnerin dem von 1936. Die BISMARCK war der HOOD technologisch in fast allen Bereichen überlegen. Den Stolz der Royal Navy ereilte das grausame Schicksal ihrer Vorgänger in der Skagerrakschlacht des Ersten Weltkriegs.
Grafik: Thomas Schmid/www.3dhistory.de
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Flottenchef der Kriegsmarine
STILLGESTANDEN: Admiral Lütjens und der Kommandant des Schweren Kreuzers PRINZ EUGEN, Kapitän zur See Helmuth Brinkmann (auf dem Foto rechts von Lütjens), vor der Front der angetretenen Maate (Unteroffiziere). Foto: Sammlung Brennecke/DGSM
Admiral Günther Lütjens
Der Flottenchef 11. August 1967: Ein Zerstörer der Bundesmarine wurde auf den Namen LÜTJENS getauft und der mit seinem Stab 1941 auf der BISMARCK gebliebene Flottenchef Admiral Lütjens damit geehrt. Die Namengebung führte zu kontroversen Diskussionen. Von Eberhard Kliem
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ünther Lütjens wurde am 25. Mai 1889 geboren und trat 1907 als Seekadett in die Kaiserliche Marine ein, in der er die damals übliche Ausbildung zum Seeoffizier absolvierte. Nach der Beförderung zum Leutnant zur See wurde er in der Schiffsjungen- und Seekadettenausbildung eingesetzt. 1913 wechselte er zur Torpedobootswaffe. Dort war er während des gesamten anschließenden Krieges bei der Torpedobootsflottille an der Küste Flanderns – zuletzt als Halbflottillenchef – eingesetzt. Lütjens zeichnete sich dabei durch persönliche Tapferkeit, Kaltblütigkeit, Übersicht und seemännisches Können aus. In der Reichsmarine stieg Lütjens langsam aber stetig auf. Er wechselte hierbei zwischen Bordkommandos bei der Torpedowaffe und Stabsstellen in der Marineleitung und
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der Marinestation der Nordsee an Land. Im Oktober 1937 wurde er zum Befehlshaber der Torpedoboote, Zerstörer und Schnellboote ernannt. In dieser Eigenschaft protestierte er nicht nur in seinem Namen, sondern ausdrücklich auch im Namen seiner ihm unterstellten Offiziere in einer persönlichen Vorstellung bei dem ihm vorgesetzten Flottenchef Hermann Boehm (1894–1972) gegen die Judenpogrome des November 1938. Das war insofern besonders mutig, da er selbst mit der Schwester seines Crewkameraden Otto Backenköhler (1892–1976) verheiratet war, der als Halbjude galt.
Fähiger Seeoffizier Freunde und Crewkameraden, Vorgesetzte und Untergebene schildern Lütjens in diesem Lebensabschnitt als eher spröde und
trocken, meist zurückgezogen, wortkarg und wenig mitteilsam. Intellektuell wird er als herausragend, klug, schnell im Denken und Handeln wahrgenommen, dabei von großem Diensteifer und Tatendrang. Ein Jahrgangskamerad schilderte ihn als „frei von jeder Eitelkeit, ohne übertriebenen Ehrgeiz.“ Seine charakterliche Lauterkeit wurde niemals in Zweifel gezogen. Sein fachliches Können auf dem Gebiet der Verbandsführung, von Operation und Taktik und seine umfassende Erfahrung waren über jeden Zweifel erhaben. „Er war einer unserer fähigsten Seeoffiziere“, urteilte ein späterer Admiral. Der direkte Umgang mit Menschen, eine herzliche Zuwendung und Einfühlsamkeit im Bereich der Menschenführung waren keine Stärke von Lütjens. Als Leiter der Personal-
abteilung der Marineoffiziere richtete sich stets nach den vorgegebenen Richtlinien. Er verhielt sich dabei zwar korrekt und anständig, doch spürten Untergebene und Kameraden eine gewisse Distanz, die Lütjens nicht überwinden konnte, die ihm vielleicht gar nicht bewusst war. Manche Beobachter bezeichneten ihn in gewisser Hinsicht als „stur“. Bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im September 1939 war er „Führer der Torpedoboote (und Zerstörer)“. Bereits im Oktober des Jahres wurde er Befehlshaber der Aufklärungsstreitkräfte (B.d.A.). Bei der deutschen Besetzung Norwegens im Frühjahr 1940 vertrat er zeitweise den erkrankten Flottenchef und übernahm diese Position endgültig im Juli desselben Jahres – eine erstaunliche Karriere.
„Glücklose“ Vorgänger Der Oberbefehlshaber der Marine, Großadmiral (seit 1. April 1939) Erich Raeder, hatte den zu Kriegsbeginn führenden Flottenchef, Admiral Hermann Boehm, bereits Ende Oktober 1939 und auch dessen Nachfolger, Admiral Wilhelm Marschall, nach nur etwas mehr als einem halben Jahr im Kommando ablösen lassen. Beide Flottenchefs waren „Opfer“ einer Erweiterung der Führungsstruktur der Kriegsmarine, die nur vordergründig als reine Organisationsänderung gesehen werden sollte, die aber tatsächlich aufgrund ihrer tatsächlichen Folgen zu einer heftigen Vertrauenskrise zwischen den Frontbefehlshabern und der Seekriegsleitung in Berlin geführt hatte. Auch Lütjens sollte während der Operation „Rheinübung“ im Mai 1941 schwer daran zu tragen haben. Einhergehend mit der Vergrößerung der Kriegsmarine hatte Großadmiral Raeder unterhalb der Führungsebene Seekriegsleitung mit Sitz in Berlin sogenannte Marinegruppenkommandos für den Ostseebereich in Kiel und den Nordseebereich in Wilhelmshaven einführen lassen. Von diesen Stäben sollte die operative Führung der Seestreitkräfte nach Weisung der Seekriegsleitung durchgeführt werden. Der Flottenchef – nach dem eigenen und dem Selbstverständnis der Marine insgesamt der nach dem Oberbefehlshaber wichtigste Führer – war nur noch taktischer Befehlshaber in See mit je nach Auftrag zugeteilten Schiffen und Booten. Das jeweils zuständige Marinegruppenkommando erließ die notwendigen Operationsbefehle, die wie ein vorbestimmter „Fahrplan“ zu erfüllen waren. Das verstieß gegen die gerade von der Marine stets bevorzugte und in der Ausbildung der Offiziere
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angewandte Auftragstaktik, die im Operationsbefehl das generelle Ziel zwar vorgab, aber dem Befehlshaber in See freie Hand bei der Durchführung ließ. Admiral Boehm war abgelöst worden, weil das zu Kriegsbeginn eingeführte Marinegruppenkommando Nord in seine Führungsverantwortung und Befehlsgewalt eingriff, ohne die nötige Kompetenz und Erfahrung zu besitzen. Nicht viel anders erging es dem Nachfolger Admiral Wilhelm Marschall, der bei einer Operation im Frühjahr 1940 in Verbindung mit der Besetzung Norwegens in eigener Entscheidung und Verantwortung einen missverständlichen Operationsbefehl der Seekriegsleitung und des Marinegruppekommando Nord aus guten Gründen nicht ausgeführt hatte. Lütjens hatte das schmerzliche Scheitern seiner Vorgesetzten Boehm und Marschall aus nächster Nähe und direkt betroffen miterlebt. Er wusste also genau um den stetigen Konflikt zwischen den starren Operationsbefehlen der Seekriegsleitung und der Marinegruppenkommandos und seiner eigenen dadurch eingeschränkten Entscheidungsfreiheit.
Diese aus Sicht der Kriegsmarine gelungene Operation sollte nun fortgesetzt und verstärkt werden – durch den erstmaligen Einsatz des neuen und allen vergleichbaren englischen Einheiten überlegenen Schlachtschiffes BISMARCK zusammen mit dem ebenfalls einsatzbereiten Schweren Kreuzer PRINZ EUGEN. Gleichzeitig sollte die Schlachtschiffgruppe aus St. Nazaire erneut auslaufen. Lütjens sah in der ihm eigenen nüchternen Art und realistischer Einschätzung einer solchen Operation durchaus die Risiken, stellte aber bei der Einweisung in den Einsatz durch Raeder und seinen Stab in Berlin seine eigenen Bedenken zurück –
Lütjens wies auf Risiko hin Das Seekriegskonzept der Kriegsmarine der Jahre 1940/41 sah vor, auch mit Überwasserstreitkräften auf allen Meeren gegen den britischen Seehandel vorzugehen. Dazu wurden Hilfskreuzer eingesetzt, Panzerschiffe und Schwere Kreuzer in den Atlantik entsandt. Im Januar 1941 gelang endlich auch der Durchbruch der Schlachtschiffe SCHARNHORST und GNEISENAU in den Atlantik. Der Flottenchef Admiral Lütjens persönlich führte die Operation, die nach fast zwei Monaten mit dem Einlaufen im französischen Hafen St. Nazaire ihren erfolgreichen Abschluss fand. HOCHDEKORIERT: Admiral Günther Lütjens mit Ritterkreuz und weiteren Auszeichnungen. Foto: ullstein bild
DATEN Günther Lütjens (1889–1941) (ausgewählte Stationen) 1907 Eintritt in die Kaiserliche Marine 1914 Kommandant des Torpedoboots T 68 1921 Berufung in die Marineleitung 1929 Chef der I. Torpedobootsflottille in Swinemünde
1931 Berufung in die Marineleitung des Reichswehrministeriums 1934 Kommandant des Leichten Kreuzers KARLSRUHE 1937 Führer der Torpedoboote (F.d.T.) 1940 Flottenchef und Befehlshaber der Schlachtschiffe der Kriegsmarine
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Flottenchef der Kriegsmarine
selbst zu dem Zeitpunkt, als klar wurde, dass die in Frankreich liegenden Schlachtschiffe nicht eingesetzt werden konnten. Auch bei einem Besuch Hitlers auf der BISMARCK am 5. Mai 1941 wies er pflichtgemäß auf das hohe Risiko der Operation hin. Damit tat er genau das, was von einem militärischen Führer erwartet werden muss. Möglicherweise kam ihm in den Sinn, die Führung abzulehnen. Aber dies selbst auszusprechen, schien ihm vermutlich ein Zeichen von Feigheit. Auch Raeder bestand unter Hinweis auf die von Lütjens unter Beweis gestellten Fähigkeiten auf dessen Führung der Kampfgruppe.
Klare Verhaltensweisen Als Folge der überorganisierten Führungsstruktur der Kriegsmarine galt es nun, vier Operationsbefehle stimmig abzufassen: Der grundsätzliche Einsatzbefehl kam von der Seekriegsleitung in Berlin, das Marinegruppenkommando Nord führte den Einsatz vom Zeitpunkt des Auslaufens aus Gotenhafen durch das Kattegatt und den Skagerrak bis nach Norwegen. Das Marinegruppenkommando West (Paris) führte den Verband während des Einsatzes im Atlantik, während das Flottenkommando selbst die taktische Führung von BISMARCK und PRINZ EUGEN befahl. Alle Befehle gaben – der entsprechenden Führungsphilosophie folgend – klare und eindeutige Verhaltensweisen für den Befehlshaber in See vor. Der Spielraum für abwei-
OFFIZIELL: Die Bestätigung des „Heldentodes“ von Admiral Günther Lütjens, unterzeichnet von dessen Nachfolger als Flottenchef, Otto Schniewind. Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann
chende Entscheidungen aufgrund besonderer Ereignisse in See während der laufenden Operation sollte möglichst klein gehalten werden. In Kiel besuchte Lütjens seinen abgelösten Vorgänger Admiral Marschall, der ihm aufgrund seiner eigenen schmerzlichen Erfahrung riet, „sich bei einer gegenüber der Planung veränderten Lage nicht allzu starr an den Operationsbefehl gebunden zu fühlen.“ Nun machte sich bei Lütjens die Last der bisherigen Erfahrungen bemerkbar. Sinngemäß antwortete er laut den Persönlichen Erinnerungen von Marschall, „dass zwei Flottenchefs vor ihm in Unfrieden mit der Seekriegsleitung aus ihren Kommandos ausgeschieden seien, er wolle nicht der dritte sein.“ Mit dem Auslaufen des Verbandes und den darauf folgenden Ereignissen bis zum Untergang der BISMARCK gibt es keine verlässliche Überlieferung, warum Lütjens in den folgenden taktischen Situationen so oder so gehandelt hat. Niemand aus seinem Stab und der Schiffsführung hat überlebt. Das originale Kriegstagebuch ist verloren, eine nachträgliche Rekonstruktion ist nur vage und mit Fehlern behaftet. Es sind daher nur spekulative Annahmen möglich. Ausgehend von Lütjens’ Charakter darf jedoch angenommen werden, dass er alle taktischen und operativen Entscheidungen nur dem eigenen Gewissen verpflichtet und nach genauester Abwägung der Lage traf.
Überzeugter Patriot
MARINETRADITION: Schon immer hat die Marine Schiffe nach gefallenen Admiralen benannt. So auch den Lenkwaffenzerstörer LÜTJENS. Foto: picture-alliance/dpa
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Bestätigt ist eine Rede von Lütjens an die Besatzung noch vor dem verhängnisvollen Rudertreffer, in der er in der ihm eigenen Art der Besatzung die Situation schilderte. Danach trat eine spürbare Ernüchterung, ja Depression bei der noch jungen Besatzung ein, die durch eine weitere Rede des Kommandanten Kapitän zur See Ernst Lindemann aufgefangen werden musste. Vorgeworfen wird Lütjens insbesondere die Annahme des Endkampfes gegen einen vermeintlich übermächtigen Gegner, empfohlen dagegen das Ausschiffen der Besatzung und die nachfolgende Selbstversenkung. Derartiges Verhalten entsprach zur damaligen Zeit in keiner Marine der Welt dem Selbstverständnis seiner Offiziere, so auch sicherlich nicht dem von Lütjens und Lindemann. Die BISMARCK war zum Zeitpunkt
des Zusammentreffens am 27. Mai noch voll einsatzfähig, allerdings nur eingeschränkt manövrierfähig. Ein Treffer auf einem gegnerischen Schiff wie auf HMS HOOD ein paar Tage zuvor war nicht undenkbar, eine vorherige Kapitulation daher nicht angebracht. Anhand des Inhalts der letzten Funksprüche der BISMARCK ist Admiral Lütjens fälschlicherweise eine besondere Nähe zu Hitler und dem Nationalsozialismus unterstellt worden. Aufgrund seines Herkommens, seiner Erziehung und seines Werdeganges in der Kaiserlichen, später in der Reichs- und Kriegsmarine, war Lütjens ein überzeugter Patriot, wie viele vergleichbare Persönlichkeiten in der Marine. Er diente aus tiefer Überzeugung seinem Land, dessen oberster Repräsentant zum damaligen Zeitpunkt Adolf Hitler war. Von Politik hielt er sich weitgehend fern. Auch darin war er den meisten militärischen Führern ihrer Zeit gleich. Der englische Gegner zollte Lütjens und der Besatzung seines Flottenflaggschiffs höchsten Respekt. Admiral John Tovey, direkter Gegner von Lütjens im Gefecht, funkte an die britische Admiralität unmittelbar nach dem Untergang des deutschen Schlachtschiffs: „Ich möchte meine höchste Anerkennung für den überaus tapferen Kampf der BISMARCK in aussichtsloser Lage aussprechen.“ Eberhard Kliem, Jg. 1941, Fregattenkapitän a.D., zuletzt tätig im NATO-Hauptquartier Brüssel. Anschließend drei Jahre Geschäftsführer des Deutschen Marinemuseums in Wilhelmshaven. Mitarbeit an verschiedenen Museumsprojekten; zahlreiche maritime Fachbeiträge.
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BISMARCK-Kommandant
PRÄSENTIERT DAS GEWEHR: Kapitän zur See Lindemann grüßt die angetretene Ehrenformation an Bord der BISMARCK. Foto: picture-alliance/Mary Evans Picture Library
Kapitän zur See Ernst Lindemann
Der Kommandant Ernst Lindemann wird in der deutschen Marinegeschichte wohl für immer im Schatten seines Flottenchefs Admiral Lütjens stehen. Ebenso wie dieser fand er am Von Jens Grützner 27. Mai 1941 an Bord des Schlachtschiffs BISMARCK den Tod.
E
rnst Lindemann wurde am 28. März 1894 in Altenkirchen im Westerwald als Sohn eines Justizrates und späteren Bankpräsidenten geboren. Er verbrachte zunächst eine unbeschwerte Jugend in Berlin, bevor er im Alter von etwa 16 Jahren beschloss, Seeoffizier in der Kaiserlichen Marine zu werden. Gründe für diese Entscheidung mag es mehrere gegeben haben, doch wesentlich waren die Erzählungen seines von ihm hochverehrten Onkels, Kapitän zur See Friedrich Tiesmeyer. Der Kreuzerkommandant und spätere Chef des Stabes des Kreuzergeschwaders in Tsingtau begeisterte seinen jungen Neffen durch spannende Berich-
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te aus dem Fernen Osten für die Marine. So war es nicht verwunderlich, dass der inzwischen 19-jährige Lindemann nach seinem bestandenen Abitur nach Flensburg-Mürwik reiste, um als Seekadett in die Kaiserliche Marine aufgenommen zu werden. Lindemann trat offiziell am 1. April 1913 in die Kaiserliche Marine ein. Er gehörte damit zur Crew 13, wie einige weitere bekannt gewordene hohe Offiziere (Admiral Wilhelm Meisel, Vizeadmiral Helmuth Brinkmann und Konteradmiral Otto Fein) der späteren Kriegsmarine. Nach der Grundausbildung auf der Marineschule Mürwik wurde Lindemann zur seemännischen Ausbildung auf
den Großen Kreuzer SMS HERTHA versetzt. Im Sommer des Jahres 1913 folgte an Bord des Schiffes eine mehrmonatige Ausbildungsfahrt. Den Ausbruch des Ersten Weltkriegs erlebte der inzwischen zum Fähnrich zur See beförderte Lindemann an Bord des alten Linienschiffes SMS LOTHRINGEN. Auf dieser Einheit kam er zunächst als III., danach als II. F.T. (Funken-Telegrafie)-Offizier zum Einsatz. Am 19. März 1916 wurde der Leutnant zur See (seit dem 18. September 1915) in gleicher Dienststellung auf das gerade in Dienst gestellte Linienschiff SMS BAYERN versetzt. An Bord der BAYERN nahm er an der Eroberung
der Baltischen Inseln im Oktober 1917 als I. F.T.-Offizier teil. Das Schiff erhielt während der Unternehmung einen Minentreffer und musste beschädigt nach Kiel zurückkehren. Nach dem Waffenstillstand 1918 wurde das Linienschiff im Rahmen des Internierungsverbandes des Konteradmirals Ludwig von Reuter im November in den britischen Flottenstützpunkt Scapa Flow überführt. Lindemann erlebte die Selbstversenkung seines Schiffes am 21. Juni 1919 jedoch nicht mit. Er war bereits im Januar des gleichen Jahres nach Deutschland zurück beordert worden.
Artilleriespezialist Nach seiner Heimkehr wurde Lindemann zur Dienstleistung in den Admiralstab nach Berlin kommandiert. Dort finden wir den Oberleutnant zur See (seit dem 7. Januar 1920) im Marine-Kommando-Amt und zugleich als Adjutant in der Flottenabteilung wieder. Es folgte vom 1. Oktober 1922 bis zum 30. September 1924 ein Bordkommando als Wach- und Divisionsoffizier auf dem veralteten Linienschiff HANNOVER. Zum 1. Oktober 1924 übernahm Lindemann die 1. (Artillerie-)Kompanie der Küstenwehrabteilung III in Kiel/Friedrichsort als Kompanieführer. Seit einem Lehrgang an der Schiffsartillerie-Schule Kiel Anfang 1924 spezialisierte sich der junge Lindemann immer mehr auf die Artillerie, nachdem bis dahin sein Fachgebiet das Funk- und Fernsprechwesen gewesen war. Mit dem Herbststellenwechsel 1926 wurde Kapitänleutnant (seit dem 1. Januar 1925) Lindemann als Admiralstabsoffizier für drei Jahre an die Marinestation der Ostsee versetzt. Danach war er für wenige Monate II. Artillerieoffizier und Fähnrichsoffizier an Bord des alten Linienschiffes ELSASS. Ende Februar 1930 wechselte er in gleicher Funk-
tion auf das Linienschiff SCHLESWIG-HOLSTEIN, wo der damalige Oberfähnrich zur See Karl-Friedrich Merten zu seinen Zöglingen zählte. Merten brachte es später bis zum Kapitän zur See, wurde mit dem Eichenlaub zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes ausgezeichnet und war der vierterfolgreichste U-Bootkommandant des Zweiten Weltkriegs. Im Anschluss an die Bordtätigkeit folgten zwei Jahre als Lehrer an der SchiffsartillerieSchule Kiel. Seit Herbst 1933 war Korvettenkapitän Lindemann (seit dem 1. April 1932) als I. Artillerieoffizier auf dem Linienschiff HESSEN tätig. Im April des folgenden Jahres wurde er zur Marinewerft Wilhelmshaven zur Baubelehrung auf das neue Panzerschiff ADMIRAL SCHEER versetzt. Lindemann, wiederum I. Artillerieoffizier, ist nun verantwortlich für sechs moderne 28-cm-Geschütze, acht 15-cm-Geschütze sowie zahlreiche Flugabwehrgeschütze.
Einsatz in Spanien Den „Höhepunkt“ seiner Zeit an Bord bildete der erste Einsatz des Schiffes während des Spanischen Bürgerkrieges im Jahre 1936. Ein von ihm persönlich geführtes Tagebuch gibt uns Aufschluss über die dramatischen Ereignisse dieser turbulenten Tage. Lindemann war während dieser Zeit der Führer des etwa 300 Köpfe zählenden Landungskorps, mit dem er mehrfach gefahrvolle Einsätze zu bestehen hatte. Nach der Rückkehr aus Spanien wurde er – am 1. Oktober 1936 zum Fregattenkapitän befördert – zunächst in die Operationsabteilung im Marine-KommandoAmt versetzt. Zeitgleich war er Referent in der Marineausbildungsabteilung. Nach 18 Mo-
DATEN Ernst Lindemann (1894–1941) (ausgewählte Stationen) 1913 Eintritt als Seekadett in die Kaiserliche Marine 1915 Beförderung zum Leutnant zur See 1922 Wach- und Divisionsoffizier auf Linienschiff HANNOVER 1924 Kompanieführer der 1. (Artillerie-)Kompanie der Küstenwehrabteilung III 1925 Beförderung zum Kapitänleutnant
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1931 Lehrer an der Schiffsartillerie-Schule in Kiel 1934 I. Artillerieoffizier auf ADMIRAL SCHEER 1938 Beförderung zum Kapitän zur See 1939 Kommandeur der Schiffsartillerie-Schule in Kiel 1940 Kommandant der BISMARCK
naten übernahm er als Chef die Marineausbildungsabteilung (A IV) und wurde am 1. April 1938 zum Kapitän zur See befördert.
BISMARCK-Kommandant Kurz nach Beginn des Zweiten Weltkriegs trat Lindemann die Nachfolge von Kapitän zur See Heinrich Woldag als Kommandeur der Schiffsartillerie-Schule in Kiel an. Das war zweifelsohne der Höhepunkt seiner langen und erfolgreichen Laufbahn als Artillerist. Neben den drei Ausbildungsabteilungen unterstanden dem Kommandeur direkt auch schwimmende Einheiten. Ende Juli 1940 kam Kapitän zur See Ernst Lindemann zur Baubelehrung auf das Schlachtschiff BISMARCK nach Hamburg. Am 24. August des gleichen Jahres stellte er als Kommandant das Schiff feierlich in BITTERES ENDE: Kapitän zur See Ernst Lindemann, der erste und einzige Kommandant des Schlachtschiffes BISMARCK, mit dem er am 27. Mai 1941 in den Fluten versank. Foto: picture-alliance/Mary Evans Picture Library
BISMARCK-Kommandant
MARKIGE WORTE: Der Kommandant der BISMARCK spricht zu seiner Besatzung. In seiner Rede zur Indienststellung des Schachtschiffs am 24. August 1940 bezeichnet er die BISMARCK als „eine neue wundervolle Waffe aus Stahl und Eisen.“ Foto: Archiv John Asmussen
Dienst. Damit ging ein jahrzehntelanger persönlicher Wunsch nach einem eigenen Schiffskommando in Erfüllung. Was bewog die Marineführung, Ernst Lindemann zum Kommandanten des stärksten Schiffs der deutschen Kriegsmarine zu ernennen? Auf der einen Seite waren es sicherlich seine menschlichen Qualitäten – Lindemann galt als guter Menschenkenner, der es verstand, seine Männer mit „Herz und Verstand“ zu führen. Auf der anderen Seite hatte er in der ganzen Marine den Ruf, ein „vorzüglicher Artillerist“ zu sein, was ihn natürlich ganz besonders für diesen Posten prädestinierte. Während der kommenden Ausbildungswochen forderte der Kommandant viel von Schiff und Besatzung, mit dem Resultat, dass er auf das Offizierskorps als ein überaus kompetenter Seeoffizier und Artillerist wirkte. In der Messe wurde von ihm nur mit hohem Respekt gesprochen. Sein dienstliches Engagement und seine Leistung wurden zum Vorbild für die Offiziere. Bei der Mannschaft war Lindemann sehr beliebt. Durch sein großes Herz, seine Ruhe, sein strahlendes Lächeln, fassten viele, vor
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„Dieses Schiff, unser Schiff, wie wir es von heute ab nennen können, ist das größte, stärkste und beste Schlachtschiff, das je auf deutschen oder ausländischen Werften entstanden ist.“ Kapitän zur See Ernst Lindemann in seiner Rede anlässlich der Indienststellung der BISMARCK am 24. August 1940.
allen Dingen junge Matrosen, trotz seines hohen Dienstgrades sofort Vertrauen zu ihm. Sie schätzten ihn, da er stets ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte seiner Besatzung hatte. Die Ausbildung in der Ostsee ging im Frühjahr 1941 ihrem Ende entgegen. Am 5. Mai besuchte der „Führer und Reichskanzler“ Adolf Hitler das Schlachtschiff, das seit kurzem Flottenflaggschiff war. Aus diesem Grund kam auch Admiral Günther Lütjens mit seinem Stab an Bord. Für Lindemann bedeutete das einen gravierenden Einschnitt in seine Führung. Nun war nicht mehr er, sondern der Admiral der höchste
Offizier an Bord. Die Zusammenarbeit zwischen ihm und dem 52-jährigen Lütjens verlief nicht reibungslos, oder, wie Lindemann es nannte, „nicht einfach“.
Unternehmen „Rheinübung“ Am 19. Mai 1941 verließ die BISMARCK Gotenhafen, das heutige Gdynia. Das war der Beginn des Unternehmens „Rheinübung“. Ziel der Operation war die Versenkung oder Aufbringung gegnerischer Handelsschiffstonnage im Nordatlantik. Die BISMARCK wurde begleitet von dem Schweren Kreuzer PRINZ EUGEN. Für Lindemann müssen schon die ersten Einsatztage sehr ernüch-
Tod in den Fluten des Meeres
HOHER BESUCH: Im Innern des Schiffs: Korvettenkapitän Adalbert Schneider (Erster Artillerieoffizier), Kapitän zur See Lindemann, Hitler und Admiral Lütjens (v.l.n.r.). Foto: Jens Grützner
ternd gewesen sein, da er als Flaggschiffkommandant direkt den Befehlen und Weisungen des Flottenchefs unterstellt war. Lindemann muss schon zu Beginn der Unternehmung zu der Erkenntnis gekommen sein, dass Lütjens die Operation „buchstabengetreu“ nach dem Operationsbefehl durchzuführen beabsichtigte. Er selbst forderte dagegen ein bestimmtes Maß an Handlungsfreiheit und Selbstständigkeit, um bei veränderten Lagen entsprechend reagieren zu können.
Differenzen mit Lütjens Am 24. Mai 1941, unmittelbar nach der Versenkung des britischen Schlachtkreuzers HOOD, traten die Meinungsverschiedenheiten zwischen beiden Offizieren deutlich zu Tage. Lindemann forderte zwei Mal die Fortsetzung des Gefechtes gegen das offensichtlich schwer beschädigte Schlachtschiff PRINCE OF WALES. Doch Lütjens lehnte das ab. Wenig später wollte der Kommandant die beiden Schusslöcher in der Außenhaut nach den erhaltenen Vorschiffstreffern zuschweißen lassen. Doch auch das lehnte der Flottenchef ab. Am 25. Mai hielt der Admiral eine Rede an die Besatzung zum bisherigen Verlauf der Unternehmung und äußerte Zukunftsperspektiven, die in den Worten „siegen oder sterben“ gipfelten. Sie hatten einen negati-
Literaturtipp Jens Grützner: Kapitän zur See Ernst Lindemann – der Bismarck-Kommandant, Zweibrücken 2010.
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BEI DER MANNSCHAFT: Lindemann, mit weißer Mütze, beobachtet Arbeiten der Besatzung auf dem Oberdeck. Der Kommandant war bei seiner Mannschaft sehr beliebt. Foto: Jens Grützner
ven Einfluss auf die Stimmung der Mannschaft. Lindemann sah die Gefahr, die ein Absinken der Kampfmoral für den Gefechtswert des Schiffes bedeutete, und sprach deshalb einige Worte zu den Männern, um die Stimmung wieder zu heben. Es gelang ihm aber nur zum Teil. Die Besatzung spürte, dass es in der Führung Differenzen zwischen den beiden Offizieren gab. Wie sehen die Umstände des Todes von Lindemann am 27. Mai 1941 aus? Fiel er auf seiner Gefechtsstation im Vorderen Kommandostand, wie es der Überlebende Josef Statz vermutet, der sich gegen Ende des Beschusses dort befand. Oder ging er freiwillig mit seinem Schiff in die Tiefe? Der Matrose Paul Hillen gab zu Protokoll, dass er gegen Ende des Gefechts einen Offizier mit weißer Mütze auf dem Vorschiff gesehen hat. Eine weiße Mütze trugen auf deutschen Kriegsschiffen normalerweise nur die Kommandanten. Der Überlebende Rudolf Römer trieb im Wasser und sah kurz vor dem Untergang Lindemann mit seinem Gefechtsläufer ganz vorne auf der Back stehen. Er schrieb später: „Ich erkannte an den Bewegungen und Gesten des Kapitäns, dass er dem Läufer sagte, er solle sich retten und aussteigen wie die anderen. Aber er nahm die Hand des Kapitäns, und beide gingen nach vorn an die Gösch [vorderster Teil des Bugs]. Beide legten die Hand zum Gruß an die Mütze, da drehte sich das tote Schiff nach der linken Seite und der Läufer muss dabei ins Wasser gefallen sein. Der Kommandant jedenfalls kletterte an der Gösch herum, stellte sich noch einmal auf
den Rumpf des toten Schiffes und versank grüßend mit ihm.“ Exakt sieben Monate nach seinem Tod wurde dem Kapitän zur See Ernst Lindemann posthum das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes verliehen, weil man beim Oberkommando der Kriegsmarine der Meinung war, dass er maßgeblich an der Versenkung des Schlachtkreuzers HOOD und der Beschädigung des Schlachtschiffes PRINCE OF WALES beteiligt war.
Ungewöhnliche „Übergehung“ Bereits am 27. Mai, wenige Stunden vor dem Untergang, wurde der I. Artillerieoffizier Korvettenkapitän Adalbert Schneider mit dieser hohen Auszeichnung bedacht. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte immer zuerst der Kommandant eines Schiffes das Ritterkreuz erhalten. Diese „Übergehung“ Lindemanns wurde durch seinen Vetter, den damaligen General der Kavallerie und selbst bereits Ritterkreuzträger, Georg Lindemann, an höchster Stelle angesprochen und von dort korrigiert. Eine weitere Ehrung wurde dem Kommandanten BISMARCK posthum zuteil. Mitte September 1942 wurde eine schwere 40,6-cm-Marinebatterie zwischen Calais und Boulogne auf den Namen „Lindemann“ getauft. Jens Grützner, Jg. 1966, veröffentlichte 2010 die Biographie „Kapitän zur See Ernst Lindemann – der Bismarck-Kommandant“ und befasst sich seit fast 30 Jahren mit Marinegeschichte.
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Schiffsbesatzung
Die Besatzung der BISMARCK
Gefallene und Gerettete V
iele der Soldaten waren schon längere Zeit an Bord bzw. wohnten auf den im Hamburger Hafen festgemachten Wohnschiffen. Breits kurz nach Kiellegung waren sie zur „Baubelehrung Bismarck“ kommandiert worden. Die meisten gehörten der „Laufbahn Zwei“ an, waren also die Soldaten, die zukünftig für den Schiffsmaschinenbetrieb zuständig waren. Ihr Vorgesetzter war Korvettenkapitän Dipl.-Ing. Walter Lehmann, „Papa Lehmann“ genannt und bekannt als befähigter Fachmann mit besonderen menschlichen Führungsqualitäten. Die Ingenieuroffiziere, Obermaschinisten, Maschinenmaate und ältere Mannschaftsdienstgrade konnten nun beim „Entstehen“ des Schiffes den Einbau jeder Leitung, jedes einzelnen Aggregats, der Turbinen, der Treibstofftanks und der Ruder- und Wellenanlage in allen Einzelheiten verfolgen. Im Einsatz sollten ihnen diese Kenntnisse und Erfahrungen einen sicheren Betrieb und bei Störungen und Ausfällen deren schnelle Behebung ermöglichen. Bald nach den „Heizern“ kamen die Artilleristen an Bord. Sie würden im Einsatz die vier schweren 38-cmGeschütztürme bemannen, dazu die 15-cmMittelartillerie und die unzähligen Flugabwehrgeschütze (Flak). Aber auch die Bedienung der Artillerierechenzentralen, der Entfernungsmessgeräte und die Waffenmechaniker machten sich mit ihren Geräten
24. August 1940: Für das Schlachtschiff BISMARCK und seine Besatzung war der Tag der Indienststellung ein großer Moment. Doch nur neun Monate später sank der „Stolz der Kriegsmarine“ nach schwerem Gefecht und riss mehr als 2.000 Männer in die Tiefe... Von Eberhard Kliem und Arbeitsabläufen vertraut. Allein vier hervorragend ausgebildete Artillerieoffiziere steuerten im Gefecht die gesamte Bord-Artillerie.
Einteilung in „Divisionen“ Insgesamt war die Besatzung in zwölf sogenannte Divisionen eingeteilt. In der 1. bis 4. Division befand sich das seemännische Personal, dessen Gefechtsstationen die schwere und mittlere Artillerie waren. In der 5. und 6. Division waren die Besatzungen der Flakartillerie zusammengefasst. Die 7. Division war die Heimat der sogenannten „Funktionäre“, also des Sanitätspersonals, der Köche, Stewards, der Kommandoschreiber etc. Die 8. Division erfasste die Artillerie- und Torpedomechaniker. In der 9. Division war das Navigations-, Funk- und Signalpersonal zusammengefasst. Es war zuständig für die Navigation in See, für die ständigen fernmelIN GEFANGENSCHAFT: Überlebende der Schiffsbesatzung der BISMARCK, die von einem britischen Schiff aufgenommen wurden, werden bewacht. Foto: Sammlung Brennecke/DGSM
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detechnischen Betriebsbereitschaft und den optischen Signalverkehr mit anderen Fahrzeugen. Die 10. bis 12. Division vereinigte schließlich das gesamte Personal des Bereiches Schiffsbetrieb. Ein komplizierter und bis ins letzte Detail durchdachter „Rollenplan“ sah für jedes Besatzungsmitglied einen exakt beschriebenen Platz mit einer genauen Funktion im Schiffsbetrieb vor, der – beginnend mit dem normalen Hafendienst, über den Seebetrieb im normalen Friedensdienst bis hin zum Gefechtsalarm – für die gesamte Besatzung vorgeschrieben war. Erreicht werden musste eine gelungene Balance zwischen den höchste Konzentration erfordernden Gefechtssituationen und Ruhe- und Erholungsphasen.
Wie ein „Uhrwerk“ Grundsätzlich musste die Besatzung durch ständig gesteigertes Training zu einem reibungslos ineinander greifenden und präzise arbeitendem „Uhrwerk“ ausgebildet werden. Zuständig für diese Aufgabe war der Erste Offizier (I.O.), der damalige Fregattenkapitän Hans Oels (1901–1941). Die Gesamtverantwortung trug jedoch der Kommandant Kapitän zur See Ernst Lindemann (1894–1941). Auf den Schultern dieser beiden Offiziere lastete die Verantwortung, die Kriegsbereitschaft der BISMARCK im vorgesehen Zeitrahmen herzustellen. Zur Schiffsbesatzung zählten schließlich mehr als 2.000 Soldaten, darunter waren 103 Offiziere. Teil der Besatzung waren auch 75 Angehörige des Flottenstabes, 80 Soldaten, die als Prisenkommandos eingeplant waren, und eine Anzahl von Spezialisten, Feindbe-
obachtern, Kameraleuten bis hin zu Juristen für seerechtliche Angelegenheiten. Nicht alle waren Soldaten, sondern auch zivile Angestellte der Kriegsmarine wie Friseure, Reinigungspersonal der Wäschereien und Stewards waren an Bord. Dazu kamen wie bei einem neu in Dienst gestellten Schiff nicht unüblich noch Restpersonal von Werftund Erprobungskommandos.
Blutjunge Matrosen Vor dem ersten Kriegseinsatz absolvierte die BISMARCK ein zweimonatiges Hafen- und Seetraining, das die Besatzung an das neue Schiff gewöhnen sollte. Da hierfür die doch noch recht sichere Ostsee ausgewählt wurde, musste das Schlachtschiff elbabwärts und durch den Kaiser-Wilhelm-Kanal (heute: Nord-Ostsee-Kanal) verlegen – ein überwältigendes Schauspiel, das große Aufmerksamkeit erregte. Hauptstützpunkt während der Zeit in der Ostsee war Gotenhafen, das frühere Gdingen (heute: Gdynia), und das „Regiment“ an Bord übernahm das „Erprobungskommando für Schiffsneubauten“ E.K.K. Alle Artillerie- und Flakbatterien wurde eingehenden Tests unterzogen, um ihre Funktions- und Leistungsfähigkeit einschätzen zu können. Gleiches geschah mit der Maschinenanlage, den Nachrichtensystemen, den Navigationsanlagen und den Rechenzentralen für die Artillerie. Das Bedienungspersonal gewann immer mehr an Sicherheit. Zudem kamen in stetem Strom immer mehr Besatzungsmitglieder an Bord, die zumeist nur eine militärische Grundausbildung und erste fachliche Ausbildung erfahren hatten. Nun galt es, an Bord die notwendige weitere Ausbildung fortzuführen. Die Mannschaftsdienstgrade waren häufig blutjung und besaßen keinerlei Gefechtserfahrung. Offensichtlich hatte die Personalführung der Kriegsmarine Schwierigkeiten, schon ausgebildetes und erfahrenes Personal für die BISMARCK und ihr ebenfalls in Ausbildung befindliches Schwesterschiff TIRPITZ und den Schweren Kreuzer PRINZ EUGEN verfügbar zu machen. Natürlich spielte der große Personalbedarf für die rasant wachsende U-Boot-Waffe eine erschwerende Rolle.
Einsatzbereit Am 10. Dezember 1940 verlegte die BISMARCK zurück nach Hamburg in die Werft, um Rest- und Reparaturarbeiten durchführen zulassen. Für den 24. Januar 1941 war die Rückkehr in die Ostsee geplant, die sich
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ANGETRETEN: Kommandant Kapitän zur See Ernst Lindemann und Erster Offizier Fregattenkapitän Hans Oels schreiten die Front der angetretenen und an der „Decksnaht“ ausgerichteten Besatzung ab. Foto: Archiv John Asmussen
Schiffsbesatzung
UNTER DECK: Ein Aufenthaltsraum für Maate und Obermaate (Unteroffiziere) tief im Inneren der BISMARCK. Sich von hier aus einen Weg durch ein weitgehend zerstörtes Schiff an Oberdeck zu suchen, war fast unmöglich. Foto: Sammlung Brennecke/DGSM
jedoch aus verschiedenen Gründen um fast fünf Wochen verzögerte. Erst am 6. März verlegte das Schlachtschiff wieder durch den Kaiser-Wilhelm-Kanal in die Ostsee nach Gotenhafen – doch fast fünf Wochen kostbarer Ausbildungszeit waren unwiederbringlich verloren, da spätestens Mitte Mai die geplante Atlantikoperation beginnen musste. Am 31. März notierte der Kommandant in das Kriegstagebuch (KTB): „Wenn der personelle Ausbildungsstand auch nicht 100 Prozent ist, so ist er doch durchaus befriedigend.“ Die verbleibenden sechs Wochen wurden intensiv für die gemeinsame Ausbildung im Schiffsverband benutzt; dazu standen der Schwere Kreuzer PRINZ EUGEN und das Panzerschiff LÜTZOW sowie Unterseeboote
und Flugzeuge zur Verfügung. Immer wieder wurde die Hauptwaffe durch Kaliberschießen der schweren und mittleren Artillerie geübt. Daneben begann die Ausrüstung des Schiffes für einen mehrmonatigen Einsatz in See fern der eigenen Stützpunkte. Doch noch immer wusste die Schiffsführung nicht, welcher Art der kommende Einsatz eigentlich sein sollte. Der Kommandant schrieb in das KTB: „Alle arbeiten an den letzten Vorbereitungen mit dem Schwung echter Begeisterung…“ Trotz immer wieder auftretender Widerstände, Verzögerungen und Terminverschiebungen konnte das Flottenkommando schließlich am 16. Mai 1941 die Kampfgruppe einsatzbereit melden. Alle überlebenden Besatzungsmitglieder der Katastrophe vom 27. Mai 1941 berichte-
„The BISMARCK put a most gallant fight against impossible odds, worthy of the old days of the Imperial German Navy and she went down with her colours still flying.” Der britische Oberbefehlshaber (Commander-in-Chief) Admiral John Tovey zum Untergang der BISMARCK. „Die BISMARCK hat gegen eine riesige Übermacht einen äußerst tapferen Kampf geführt, würdig der vergangenen Tage der Kaiserlichen Deutschen Marine und sie ist mit wehender Flagge untergegangen.“
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ten nachträglich „…von hervorragender Stimmung an Bord, Stolz auf die geleistete Ausbildungsarbeit, Vertrauen zum Kommandanten und dem Schiff und dem einhelligen Wunsch, am Kampf des Vaterlandes mitzuhelfen.“
Tragisches Ende Mit dem Auslaufen aus Gotenhafen am 19. Mai um 02:00 Uhr in der Frühe, dem Marsch durch Kattegatt und Skagerrak, dem kurzen Aufenthalt in Norwegen im Grimstadtfjord bei Bergen und dem schnellen abendlichen Auslaufen am 21. Mai zum Durchbruch durch die Dänemarkstraße fuhr die BISMARCK nur im Kriegsmarsch, d. h. die Hälfte der Besatzung besetzte permanent die Gefechtsstation und wurde in einem festen Rhythmus vom anderen Teil abgelöst. Ab dem ersten Zusammentreffen mit englischen Schweren Kreuzern in der Dänemarkstraße, dem anschließenden Gefecht mit der Kampfgruppe HOOD, den folgenden Flugzeugangriffen bis zum nächtlichen ununterbrochenen Kampf mit angreifenden Zerstörern und dem anschließenden „Endkampf“ am 27. Mai 1941 morgens war die Besatzung fast ununterbrochen auf Gefechtsstation. Dies bedeutete eine große physische und mentale Belastung für die Männer.
Aussichtslose Situation
DOKUMENT
Funkspruch Hitlers an Admiral Lütjens vom 27. Mai 1941 „Ich danke Ihnen im Namen des ganzen Deutschen Volkes. Adolf Hitler – An die Besatzung Schlachtschiff BISMARCK: Ganz Deutschland ist bei Euch. Was noch geschehen kann, wird getan. Eure Pflichterfüllung wird unser Volk im Kampfe um sein Dasein stärken.“
Hinzu kam ein Wechselbad an euphorischen und deprimierenden Erlebnissen von dem erfolgreichen Gefecht mit der HMS HOOD, einer wenig einfühlsamen Ansprache von Admiral Lütjens, bis zur Erkenntnis des abzusehenden Untergangs des Schiffes. Da der Großteil der Besatzung einschließlich der Offiziere jung an Jahren war und daher kaum eigene Erfahrungen in derartigen Situationen besaß, mussten wenige erfahrene ältere Dienstgrade die sehr schwierige Aufgabe der Stabilisierung von Optimismus, Einsatzbereitschaft und Mut übernehmen. Das ist größtenteils gelungen. Eine Beeinträchtigung der eigentlichen Kampfkraft hat es in keiner Weise gegeben. Alle Überlebenden berichteten von diszipliniertem Einsatz und dem Willen, auch in dieser nahezu aussichtslosen Situation die Pflicht zu erfüllen. Dafür gibt es unzählige Beispiele von gegenseitiger großer und aufopfernder Kameradschaft, Hilfsbereitschaft und Unterstützung beim Untergang des Schlachtschiffes. Als sich das Ende der BISMARCK abzeichnete, befahl der Kommandant das Verlassen des Schiffes. Alle bis dahin überlebenden Besatzungsangehörigen versuchten nun, aus dem Schiffsinneren an Oberdeck zu gelangen. Dort an angekommen, wurden sie aus nächster Entfernung dem direkten Beschuss durch die britischen Schiffe ausgesetzt, die erst zirka zehn Minuten nachdem die BISMARCK ihr Feuer wegen vollständiger Zerstörung ihrer Artillerie einstellen musste, ihrerseits aufhörten zu feuern. Dies war ein Verhalten, das manche englischen Offiziere durchaus als Verletzung von ungeschriebenen, aber eigentlich selbstverständlichen Regeln des Seekrieges betrachteten.
brachten drei Hurras auf ihr Schiff aus. „Einen Gruß an die gefallenen Kameraden … wir rissen die Hand an die Mütze, richteten den Blick zu Flagge und sprangen.“ berichtete ein überlebender Offizier. Es wehte seit einiger Zeit ein schwerer Nordweststurm mit Windstärke 10 und entsprechendem Seegang, die Wassertemperatur betrug etwas über zehn Grad Celsius. Da das gesamte Oberdeck weitgehend zerstört war, konnten eventuell noch intakte Rettungsboote, Flöße oder andere Hilfsmittel nicht gezielt zu Wasser gebracht werden. Die Soldaten mussten sich weitgehend auf ihre Schwimmwesten verlassen. Nach übereinstimmenden Berichten sind etwa 800 bis 900 Männer ins Wasser gekommen – sie hofften inständig auf Rettung durch den Gegner. Doch auch die Briten konnten wegen des Seeganges keine Boote aussetzen, sondern ließen nur Taue herab, mit denen die sich daran Festhaltenden an Oberdeck gezogen werden konnten. Das allein erforderte schon einige Kräfte, wurde aber noch erschwert durch die dicke und glitschige Ölschicht, die die Wasseroberfläche und die Männer im Wasser bedeckte. Übereinstimmend berichteten die Überlebenden, dass die an der Rettung beteiligten Schiffe und ihre Besatzungen alles taten, um möglichst viele der hilflos im Meer Treibenden zu retten. Die an Bord Gekommenen er-
Tod in den Fluten Auf der sinkenden BISMARCK versuchten die Überlebenden des Gefechtes den geeigneten Moment und Ort zu finden, um in die kalten Fluten zu springen. Seeerfahrene Vorgesetzte – soweit noch vorhanden – gaben letzte Anweisungen. Manche Gruppen sangen gemeinsam das Deutschlandlied und
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ÜBERLEBT: Heinz Steeg (li.), einer der 115 Überlebenden der BISMARCK, trifft 2001 seinen Retter von der HMS DORSETSHIRE, Harry Cuffling, der seinen damaligen Gegner damals aus den kalten Fluten gezogen hat. Steeg verstarb im Jahr 2004. Foto: ullstein bild - Beutner
GERETTET: Bernhard Heuer kam als 18Jähriger auf die BISMARCK und überlebte den Untergang des Schlachtschiffs am 27. Mai 1941. Foto: ullstein bild - Röhrbein
hielten warme Kleidung, Verpflegung sowie medizinische Betreuung. Sie waren nun nicht mehr der Gegner, sondern der schiffbrüchige „Kamerad“. Der Schwere Kreuzer DORSETSHIRE rettete 85, der Zerstörer MAORI 25 Überlebende. Tage später wurden drei Mann auf einem Floß von dem deutschen U-Boot U 74 „aufgefischt“. Das Wetterbeobachtungsschiff WBS 7 SACHSENWALD rettete zwei weitere Männer.
Geringe Überlebenschancen Lediglich diese 115 Männer überlebten den Untergang der BISMARCK. Die übrigen mehr als 700 Männer, die im Wasser schwammen, starben einen langsamen und qualvollen Tod. Die englischen Schiffe verließen nach nur kurzer Zeit des Rettungseinsatzes mit hoher Fahrt den Untergangsort aus Furcht vor möglichen Unterseebootangriffen, wegen angeblichen Brennstoffmangels oder aus anderen Gründen, die sich heute nicht mehr klären lassen. Auch die englische Admiralität hatte bei aller Genugtuung über die Versenkung des Flaggschiffs der deutschen Kriegsmarine das Gefühl, nicht alles zur möglichen Rettung weiterer Überlebender getan zu haben. So ist es vielleicht zu erklären, dass etwa zehn Tage nach dem Untergang der BISMARCK beim Stab des in Deutschland mit der Benachrichtigung der Angehörigen beauftragen 2. Admirals der Ostsee (2. A.d.O.) über diplomatische Wege eine Liste der Überlebenden einging, die die britische Admiralität aufgestellt hatte – eine versöhnliche Geste von Ritterlichkeit nach einem dramatischen und für beide Seiten verlustreichen Kampf im Nordatlantik.
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Der Zeitzeuge
Augenzeugenbericht eines Überlebenden
Erinnerungen an den Untergang GERETTET: Deutsche Seeleute der BISMARCK werden auf diesem Foto aus dem öligen Wasser an Bord der DORSETSHIRE genommen. Insgesamt überlebten nur 115 einer ursprünglich über 2.000 Mann starken Besatzung. Unter den Glücklichen war auch der 30-jährige Burkard Freiherr von Müllenheim-Rechberg. Foto: Archiv John Asmussen
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27. Mai: Den Todeskampf der BISMARCK überlebten nur wenige, darunter der junge Offizier von Müllenheim-Rechberg. Seine Erzählung eröffnet eine seltene Perspektive Vorgestellt von Maximilian Bunk auf das grausige Geschehen jenes Tages…
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ie Idee, seine Erlebnisse vom Endkampf der BISMARCK niederzuschreiben, hatte Müllenheim-Rechberg im Grunde schon, als er sich noch mitten in diesem Kampf befand. Auf dem Oberdeck des sinkenden Schiffes stehend, durchzuckte ihn folgender Gedanke: „Wird jemals jemand, selbst wenn er persönlich Zeuge war, das in diesen Minuten endende, von einem einzigen Standort an Bord des riesigen Schiffes aus gar nicht mehr zu überblickende Geschehen erfassen, seine schier unzähligen Einzelheiten zu einem Gesamtbericht zusammenfügen können?“ Die Antwort lieferte der Fragende fast vierzig Jahre später selbst. Er war es, der sich dieser Aufgabe stellte und seine subjektive Perspektive in einen solide recherchierten und objektiven Kontext stellte. Das Ergebnis ist einer der großen Klassiker der inzwischen unüberschaubar gewordenen Schlachtschiff-BISMARCK-Literatur. CLAUSEWITZ druckt im Folgenden einen Auszug aus dem ergreifenden Bericht Müllenheim-Rechbergs ab. Es handelt sich dabei um die letzten Augenblicke der bereits weitestgehend manövrierunfähigen BISMARCK. Die Alarmglocken läuteten noch, als ich, von der Schiffsbrücke zurückkehrend, wieder auf meiner Gefechtsstation eintraf. Ich nahm das Leitertelefon um, hörte darin die Ankündigung: „Zwei Schlachtschiffe Backbord voraus“, drehte meinen Zielgeber in die angegebene Richtung und: da waren sie auch schon, zwei dunkle, massive Silhouetten, King George V und Rodney […]. In Dwarslinie mit geöffnetem Querabstand liefen sie auf uns zu, ganz direkt, auf schnurgeradem
BIOGRAPHIE Burkard Freiherr von Müllenheim-Rechberg Der aus einem Adelsgeschlecht mit starker Militärtradition stammende MüllenheimRechberg wurde 1910 in Berlin geboren. Bereits 1929 ging er zur Marine und war in der Folgezeit unter anderem im diplomatischen Dienst in England eingesetzt. Nach Ausbruch des Krieges diente er auf dem Schlachtschiff SCHARNHORST und dem Zerstörer ERICH GIESE. Seit Mai 1940 war er auf der BISMARCK. Als IV. Artillerieoffizier überlebte er den Untergang des Schiffes am 27. Mai 1941 zusammen mit nur
Kurs, so unbeirrbar, als ab sie zu einer Exekution schreiten wollten. […]. Die Zahl der anmarschierenden Schiffe spielte keine Rolle mehr, sie würden eine Übermacht sein, so oder so, und mehr als zusammengeschossen werden konnten wir nicht. Unseren acht 38-cm-Rohren standen jetzt neun 40,6-cm- und zehn 35,6-cm-Rohre, unseren zwölf 15-cm-Rohren achtundzwanzig 15,2-cm- und 13,3-cm-Rohre gegenüber. […]. Mit gewohnt ruhiger Stimme gab Schneider im Vormars seine Kommandos. Seine Zielansprache galt der Rodney […]. An die Schiffsführung meldete er: „Schwere und Mittelartillerie fertig – Frage Feuererlaubnis?“ Aber es war die Rodney, auf der um 08.47 Uhr die erste Salve fiel. […]. Bei der inzwischen unter 200 Hektometer gesunkenen Entfernung betrugen die Flugzeiten der Geschosse weniger als eine Minute. Doch während ich die Aufschläge der Gegnersalven erwartete, schienen sie sich auf ein Vielfaches dieser Zeitspanne zu dehnen. Endlich schossen sie hoch, die weißen
„Das Buch ist dem Gedenken an unsere im Mai 1941 fast vollzählig gefallene junge Besatzung und allen denen gewidmet, die damals ihren Tod an Bord gefunden haben.“ Müllenheim-Rechberg in der Einleitung seines Werkes.
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114 Kameraden. Nach dem Krieg trat er in den Dienst der jungen Bundesrepublik und war bis zu seinem Ruhestand 1975 Botschafter in zahlreichen Ländern. 1968 erhielt er das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. 1980 erschien sein Bericht über den Untergang der BISMARCK zum ersten Mal und ist bis heute eines der wichtigsten Werke zum Thema geblieben. MüllenheimRechberg starb im Jahr 2003 in seinem Alterssitz im bayerischen Herrsching in der Nähe von München.
Pilze, Tonnen von Wasser, die schwere Granaten beim Auftreffen auf die See bis zu siebzig Meter Höhe in die Luft jagen. […]. Nicht lange nach Gefechtsbeginn drehte King George V abschnittsweise, etwas später Rodney, dann gleich in einer durchgehenden Bewegung, nach Steuerbord auf Südkurs, um den weiteren Artilleriekampf als Passiergefecht auf unserer Backbordseite zu führen. […]. Ja, ein solches Kursmanöver ausführen, Fahrstufen ändern, den taktischen Verlauf des Gefechtes derart bestimmen, zumindest beeinflussen, das konnte Lindemann mit seinem Bismarck nun nicht mehr. […]. Die sich nun rapide verringernde Gefechtsentfernung sollte rasch zu einer gewaltigen Massierung des Geschehens führen. Hatte ich zu Beginn des Gefechtes Einschläge an Bord noch „vermißt“, so gab es deren bald übergenug. […]. Je mehr die Kampfentfernung abnahm, desto pausenloser prasselten die Einschläge, erhöhte sich der Gefechtslärm, nahmen die Verwüstungen an Bord zu. […]. Seit Gefechtsbeginn waren vielleicht zwanzig Minuten vergangen, und ich suchte von meinem Steuerbord-Zielgeber aus den Horizont nach weiteren Gegnern ab. Nach vorn zu entdeckte ich einen Kreuzer – es war die Norfolk – der aber, wohl zufällig, gerade eine Feuerpause hatte. […]. […] Cardinal kam über das Leitertelefon und sagte, daß der Hauptartillerieleitstand im Vormars außer Gefecht, jedenfalls eine Verbindung
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Der Zeitzeuge BEGRIFFE
Maritime Fachausdrücke
Müllenheim-Rechberg verwendete in seinem Bericht die männliche statt der – heute geläufigen – weiblichen Form für das Schiff: also „der BISMARCK“ statt „die BISMARCK“. Er tat dies aus Respekt vor Kapitän Lindemann, der „der BISMARCK“ zu sagen pflegte. Nautische Fachausdrücke: ● Achtern: hinten bzw. hinter der Mitte eines Schiffes ● Backbord / Steuerbord: links bzw. rechts (jeweils in Fahrtrichtung gesehen) ● Dwarslinie: Kurs, bei dem die Schiffe in
STOLZES PARADIEREN ZUR INDIESTSTELLUNG: Noch hat die BISMARCK den Nimbus der Unbesiegbarkeit. Kapitän zur See Ernst Lindemann schreitet auf dieser Aufnahme vom 24. August 1940 die Ehrenwache an Bord ab. Hinter ihm ist Kapitänleutnant MüllenheimRechberg (mit Adjutantenschnur) zu sehen – im Gegensatz zu seinem Vorgesetzten überlebte er den Untergang und konnte der Nachwelt vom letzten Gefecht der BISMARCK berichten. Foto: Archiv John Asmussen
mit ihm nicht mehr zu bekommen sei, auch die Türme „Anton“ und „Bruno“ seien ausgefallen, und ich müsse nun die Leitung der Türme „Caesar“ und „Dora“ von achtern aus übernehmen. […]. Zeit zu langen Fragen war nicht, eine Zielanweisung erhielt ich auch nicht und hatte nun insofern also völlig freie Hand. Ich befahl erst einmal „Gefechtsschaltung achtern“ und suchte mit dem Backbord Zielgeber, vorn beginnend, den Horizont ab. Merkwürdig, keine Spur von Rodney […]. Aber da, etwas achterlicher als querab, war King George V, auf Gegenkurs, in etwa 110 Hektometer Abstand – zum Greifen nahe, fast wie bei einer Übung in der Ostsee! „Passiergefecht an Backbord, Ziel ist das Schlachtschiff in 250“ kommandierte ich jetzt der Achteren Rechenstelle und, auf die Fertigmeldung von unten: „Eine Salve“. Rums! ging diese hinaus, und während sie etwa Sekunden lang in der Luft sein würde, kommandierte ich ergänzend: „Schlachtschiff Bug links, zwei Dez ab, Gegner Fahrt 20 Knoten“. Sicht- und Beobachtungsverhältnisse waren ausgezeichnet und mußten das bei dem starken Achterauswandern des Zieles doppelt wichtige rasche Einschießen bedeutend
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erleichtern – dachte ich. „Achtung, Aufschlag“, meldete die Rechenstelle. „Zwei fraglich rechts, zwei rechte Kante, fraglich weit“, beobachtete ich, kommandierte „zehn mehr links, vier zurück, eine Salve“. Rums!...„Achtung Aufschlag“…„Weit Mitte“…„Vier zurück, eine Salve“…„Achtung Aufschlag“…„Kurz Mitte“…und, voll Erwartung: „Zwei vor, gut schnell!“ Dann wieder Aufschlag, und die vier Wassersäulen begannen, wie immer, zu steigen…ein Viertel hoch, ein halb…dreiviertel und beobachtungsfähig „Drei weit, einer kurz“, aber die volle Höhe der Wassersäule sollte ich nicht mehr erleben! Der Zielgeber war erzittert, meine beiden Unteroffiziere und ich wurden mit den Köpfen hart an die Okulare geschleudert. […]. Verdammt! Eben hatte ich mich eingeschossen und nun dies? Niemand von der Standbesatzung hatte Schaden genommen, nichts war den vielen Geräten anzusehen. Ja, was war denn überhaupt geschehen? Nun, ganz offensichtlich war eine schwere Granate dicht oberhalb unseres Leitstandes passiert, hatte dort alle nach oben herausragenden Gegenstände abrasiert. Ein rascher Blick zur Probe in die verschiedenen Optiken zeigte es: alle Objektive fehlten. Ich trat unter den
gleichem Abstand und in gleicher Höhe nebeneinander fahren ● Hektometer: Entspricht 100 Meter (diese Maßeinheit ist besonders bei der Artillerie geläufig) ● Läufer: Matrose, der Nachrichten und Befehle zustellen muss ● Leckwehr: Mannschaft, die Wassereinbrüche bekämpfen muss ● Passiergefecht: Gegnerische Schiffe fahren aneinander vorbei und feuern im richtigen Augenblick ● Vormars: Plattform auf dem vorderen Mast
Einstieg in die Drehhaube, sah hinauf zu den Entfernungsmessern, dem großen Basisgerät. Aber da war nichts mehr. Gar nichts! Die eben noch so volle Gefechtstätigkeit dort oben – spurlos verschwunden. Eine gezackte Ruine gab jetzt den Blick auf trüben Himmel frei. […]. Mich persönlich hatte der Ausfall meines Standes in einem vielversprechenden Moment getroffen. Für das Schiff aber bedeutete er den Anfang vom artilleristischen Ende, eine bittere Schwächung seiner noch vorhandenen Abwehrkraft […]. […]. Es war 09.31 Uhr, als die Schwere Artillerie auf Bismarck endgültig verstummte. […]. Die Schlagseite Bismarcks hatte sich während des Gefechtes etwas vergrößert. Durch unseren Stand zogen nach 9.30 Uhr Gas und Rauch, so daß wir zeitweise die Gasmasken aufsetzten. Über alle Fernsprechanlagen versuchte ich jetzt, soviel als möglich über die Lage im Schiff zu erfahren, rief, wo ich konnte, an. Es antwortete niemand mehr – mit einer Ausnahme. Am Leckfernsprecher meldete sich der „Läufer Leckzentrale“. Ich fragte: „Wer hat und wo ist die Schiffsführung? Sind neue Befehle in Kraft?“ Aber der Mann war in äußerster Eile. Er sagte nur, daß Erster Offizier und Leckingenieur soeben die Leckwehrzentrale verlassen hätten. Er sei als einziger noch im Raum und müsse hinterher. […]. Gegen 10.00 Uhr erschienen in meinem Stand immer mehr Männer, die sich von ausgefallenen Gefechtsstationen oder aus zerstörten Schutzräumen hierher retteten, und für die dieser Stand jetzt zu einer letzten Zuflucht wurde. […]. So geriet mein Stand gegen Ende der Beschießung in eine ganz natürliche Funktion als Unterstand und Rettungsinsel. Und es blieb unser großes Glück, daß er auch weiterhin keinen Volltreffer hinnehmen mußte. Seine beiden nach außen führenden Luken hatte ich bei der immer massierteren Beschießung, vorsorglich, etwas aufkurbeln lassen. Ich hatte mir gedacht und auch die Männer davon überzeugt, daß
Dem Inferno entronnen es besser sei, einige Splitter zu riskieren als einen etwa später durch Treffer verklemmten Öffnungsmechanismus, ein selbstbereitetes Grab. […]. Daß um diese Zeit das Versenken und Verlassen des Schiffes bereits angeordnet worden war, wußte ich damals noch nicht. […]. Ich gab den Befehl zum Verlassen des Standes erst, als lange nach dem Verstummen unserer eigenen Artillerie auch der Gegner sein Feuer eingestellt hatte, das Ende der Beschießung als gekommen anzusehen war. […]. Als letzter trat ich dann selbst aus dem Stand heraus, nach vorn zu, auf den Achteren Scheinwerferleitstand. Oder, besser gesagt, dorthin, wo dieser einmal gewesen war. […]. Der Anblick, der sich mir bot, war nicht mit einem Mal aufzunehmen, ist sehr schwer zu beschreiben. Es war ein wahres Chaos von Zerstörung und Vernichtung. Keine Spur mehr von den Flakgeschützen und Scheinwerfern, die einmal meinen Stand umgeben hatten. Wo sich Waffen, Geräte, sonstige Einrichtungen befunden hatten, nichts als Leere, auf den bisher freien Stellen des Aufbaudecks lag Schrott. […]. Ich entdeckte nun, daß es durch die Trümmer auf dem Aufbaudeck ein weiteres Durchkommen nach vorn nicht mehr gab, und kehrte in den Achteren Stand zurück. Aber nur, um ihn sogleich nach achtern wieder zu verlassen. Auch hier war kein Weg mehr. Ich mußte klettern und springen, über Löcher im Deck, herumliegende Schiffsteile aller Art. Auf dem Aufbaudeck sah ich die Leiche eines Stabsoffiziers vom Flottenstab. Er lag friedlich, keinerlei Verletzung war ihm anzusehen. Offensichtlich war er nach dem Befehl zum Verlassen des Schiffes von seiner Gefechtsstation vorn noch im feindlichen Feuer aufgebrochen. Turm „Caesar“ wies mit seinen Rohren nach achteraus, äußerlich ganz unbeschädigt, tadellos in Farbe. Wie unwirklich kontrastierte doch sein helles, glänzendes Grau mit der Verwüstung ringsum! […]. Vom Aufbaudeck hangelte ich auf das Oberdeck hinab und sah jetzt Turm „Dora“, tief rauchgeschwärzt, nach Backbord voraus weisend. […]. Als ich, weitergehend, nach Steuerbord achteraus über die See blickte, prallte ich auf einmal förmlich zurück. Erst wollte ich mei-
WEG IN DIE GEFANGENSCHAFT: Überlebende der BISMARCK gehen hier in Schottland von Bord. Auf die meisten warteten Verhöre (im CSDIC im Norden Londons) und danach die Verteilung auf verschiedene Lager. Müllenheim-Rechberg war bis 1946 in England und Kanada inhaftiert. Foto: Archiv John Asmussen
nen Augen nicht trauen. Da lag doch, nur etwa fünfundzwanzig Hektometer entfernt die Artilleristen nennen so etwas „Kartoffelschmeißentfernung“ – Rodney mit ihren noch mißtrauisch auf uns gerichteten neun 40,6-cm-Rohren. Direkt in ihre Mündungen konnte ich hineinsehen. […]. Eine kleine Gruppe Überlebender war bereits an Steuerbord, vorlich von Turm „Dora“ versammelt, wartete den Moment ab, über Bord zu springen. […]. Ich unterdrückte eine innere Versuchung, noch einige Privatsachen aus meiner nicht weit entfernt liegenden Kammer auf der Backbordseite an Oberdeck zu holen, und trat zu der kleinen Gruppe vor dem Turm. Die Männer waren sich nicht ganz schlüssig, wann sie springen sollten, sahen sie doch bereits viele Schwimmer in der See. Aber ich sagte: „Abwarten, noch ist Zeit. Wir sinken langsam. Die See läuft hoch, schwimmen müssen wir noch lange. Wir springen so spät als möglich. Ich werde das Zeichen geben.“ […]. Noch bevor ich zu der Gruppe getreten war, hatte ich King George V und Rodney in Kielwasserlinie nach Norden ablaufen se-
LITERATURANGABEN Lesen Sie die ganze Geschichte in: Burkard Freiherr von MüllenheimRechberg: Schlachtschiff Bismarck. Ein Überlebender berichtet vom Glanz und Untergang der Bismarck am 27. Mai 1941. 432 Seiten mit 67 Abbil-
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dungen. Erschienen bei FLECHSIG. CLAUSEWITZ dankt dem FlechsigBuchvertrieb für die freundliche Genehmigung zum Abdruck der obigen Passagen.
hen, sie damit für die Beteiligung an einer Rettung unserer Überlebenden innerlich abgeschrieben. Aber daß andere Schiffe dies schon übernehmen würden, davon war ich fest überzeugt. Ich sagte den Männern: „Irgendein Schiff wird schon kommen und uns retten.“ Aber welches es sein würde, ahnte ich nicht. Hatte ich eine Illusion verbreitet? Würde wirklich noch ein Schiff kommen? Um uns herum sah ich weit und breit nur einen leeren Ozean. […]. Auch nach Berlin gingen meine Gedanken noch einmal. Dort würde Hitler jetzt in seiner Reichskanzlei sitzen, jemand würde ihm in Kürze den Untergang […] melden. […] dieser Verlust, zudem eines Schiffes mit dem Namen des Reichsgründers, welch unnötige Einbuße an Prestige – sie würde ihn richtig wütend machen. Zweitausend Mann würden mit dem Schiff sterben. Würde man ihm auch dies sagen, würde ihn überhaupt interessieren, ob da fünfzig, fünfhundert oder fünftausend Mann auf einen Schlag starben? Ich glaubte es nicht. […]. Soweit der Endkampf des Bismarck, wie ich ihn nach eigenem Erleben und anderen Zeugnissen rekonstruieren kann. Wir Überlebenden, die wir die Möglichkeit, ja auch die Pflicht zur Berichterstattung haben, können nur in schwachen Worten das schwere Schicksal von über zweitausend deutschen Seeleuten am 27. Mai 1941 andeuten. Vieles muß der Vorstellung überlassen bleiben. Alles Erlebte, alle Überlieferung beweist, daß die Besatzung bis zum bitteren Ende ihre Pflicht erfüllt hat. […].
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Angehörige und Hinterbliebene
ERINNERUNG: Kranzniederlegung am Gedenkstein für die Gefallenen der BISMARCK in Friedrichsruh bei Foto: ullstein bild Hamburg.
Hinterbliebene der BISMARCK-Gefallenen
„Kein Hügel deckt sein Grab...“ Mai 1941: Für mehr als 2.000 Mann der Besatzung bedeutet der letzte Kampf der BISMARCK das Lebensende. Genauso viele Mütter oder Familien trauern um die Gefallenen. Von Jörg-M. Hormann
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u meinem tiefen Bedauern muss ich Ihnen mitteilen, dass Ihr Ehemann, der Verwaltungs-Ober-Gefreite Herbert Kuhlins nicht auf den nunmehr hier eingegangenen Listen der Geretteten des Schlachtschiffes BISMARCK verzeichnet ist. Es besteht daher leider kein Zweifel mehr, dass er den Heldentod für unser Vaterland gefunden hat.“ Mit dem Schreiben von Kapitän zur See Sorge, Chef des Stabes beim 2. Admiral der Ostseestation, stirbt auch die letzte Hoffnung von Lydia Kuhlins ihren Mann jemals wiederzusehen. In seinem letzten Brief von Bord der BISMARCK im Mai 1941 schrieb er ahnungsvoll: „…Wenn es die Vorsehung aber ganz schlimm mit mir meinen sollte, dann verliere den Mut erst recht nicht. Dann trage Dein
Geschick mit Würde. Dann denke immer daran, dass all das Leben derer, die nicht mehr heimgekehrt, nicht umsonst gelassen wurde, denn es musste dann sein. Es geht denn heute mehr denn je um unser heißgeliebtes Deutschland…Leb’ wohl, auf Wiedersehen!“ Bis zum 4. Juli 1941 dauerte die Ungewissheit in den Familien der Besatzungsmitglieder des gesunkenen Schlachtschiffes. Dann bestätigten die zwischen dem englischen und deutschen Roten Kreuz ausgetauschten Listen der Geretteten, wer in englische Kriegsgefangenschaft geraten war und damit überlebt hatte. Gesicherte Erkenntnisse über Besatzung und Verluste der BISMARCK holten sich die Autoren Hildebrand, Röhr und Steinmetz bei der Deutschen Dienststelle für die Be-
Genaue Opferzahl unbekannt
nach der Versenkung der BISMARCK gesendete Funkspruch signalisierte die Rettung weiterer Überlebender. Den Trawler SACHSENWALD, im Jahr 1939 mit 639 Bruttoregistertonnen bei der Seebeck-Werft in Bremerhaven gebaut, setzte die Kriegsmarine mit Kriegsbeginn als Wetterbeobachtungsschiff ein. Am 27. Mai 1941 befand sich die SACHSENWALD auf dem Rückmarsch. Nach einer 50-tägigen Seereise „aus einem Tätigkeitsfeld in den Nordatlantik“, erhielt sie durch Funkspruch den Befehl, „sofort mit höchster Fahrt das Marine-Quadrat BE 6277 anzusteuern“. Bei grober See kamen am folgenden Morgen Ölstreifen und Gegenstände in Sicht, schließlich auch zahlreiche Leichen. Nur zwei Mann konnten, auf einem Floß treibend, gerettet werden. Es handelte sich um die Maschinengefreiten Otto Maus und Walter Lorenzen.
SACHSENWALD rettet zwei Mann FÜR ALLE: Bei posthumer Verleihung gingen Flotten-Kriegsabzeichen und Urkunde als Erinnerung an die Hinterbliebenen. Nur Überlebende wie Otto Höntzsch (rechts) durften es tragen. Fotos: House of History GmbH/Kai Winkler; Auktionshaus Hermann Historica
nachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen Deutschen Wehrmacht (WAST) in Berlin. In ihrem 7. Band der Biografien Deutscher Kriegsschiffe 1983 ist unter „Ergänzungen und Berichtigungen“ festgehalten „…dass, dort eine Besatzungsliste der BISMARCK nicht existiert, also die wirkliche Besatzungsstärke des Schiffes einschließlich der an Bord zusätzlich zur Atlantikunternehmung kommandierten Militär- und Zivilpersonen zum Zeitpunkt des Unterganges nicht festgestellt werden kann…“
Nicht alle Toten aktenkundig Als Verlustangabe werden rund 2.130 Mann genannt, unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Tod des einen oder anderen Besatzungsmitgliedes in Berlin nicht aktenkundig wurde. Nachgewiesen sind bei der „Deutschen Dienststelle“ mit Verlustlisten: die Besatzung, der Flottenstab, die Prisenkommandos, und die Zivilisten des Erprobungskommandos für Kriegsschiffneubauten (E.K.K.). Zusammen 2.108
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Mann, sowie die Angehörigen der Bordfliegerstaffel 1/196 mit 17 Luftwaffensoldaten, also insgesamt 2.125 Mann. Andere Quellen sprechen von mehr als 2.300 Toten. Überlebt haben den Untergang der BISMARCK nur 115 Mann. Von deutschen Einheiten der Kriegsmarine, die zum Untergangsort eilen, können nur fünf Mann gerettet werden. U 74 (Kapitänleutnant EitelFriedrich Kentrat) nahm die drei Matrosengefreiten Georg Herzog, Otto Höntzsch und Herbert Manthey aus einem Schlauchboot auf. Sie erreichten Lorient als erste lebende Zeitzeugen für die deutsche Seite. Am 28. Mai 1941 gegen 12:17 Uhr meldet der britische Marinenachrichtendienst an die Admiralität einen entschlüsselten deutschen Funkspruch: „…From SACHSENWALD are bodies to be fished up!“ Dieser einen Tag
Weiter berichtete der Kommandant der SACHSENWALD, Leutnant zur See (S) Ernst Wilhelm Schütte: „Beide Männer waren stark erschöpft. Sie wurden auf zwei ausgebrachten Jakobsleitern von meiner Mannschaft an Bord gehoben. Zwei meiner Männer hatten sich dazu bis zur Wasserlinie auf die Jakobsleiter gestellt“. Wegen des Hinweises auf ein weiteres Gummifloß setzte die SACHSENWALD ihre Suchaktion eine Zeit lang fort, bevor sie wegen Proviantmangels den Rückmarsch antrat. Am 30. Mai um 00:45 Uhr begegnete das Schiff dem spanischen Kreuzer CANARIAS, mit dem Signale ausgetauscht wurden. Am 31. Mai traf es auf deutsche Vorpostenboote, von denen Proviant übernommen werden konnte. Im Geleit wurde der Rückmarsch fortgesetzt. „Am 1. Juni um 06:40 Uhr erreichten wir ohne besondere Ereignisse die Gironde. Um 08:00 Uhr wurden wir vom Führer des Geleitzuges bei Royan entlassen. Wir dampften nach Le Verdon. Inzwischen wurden die beiden geretteten BISMARCK-Männer von einem Motorboot von Bord geholt und nach Royan gebracht…“
STANDARDEINTRAG: „Seit 27.5.1941 beim Untergang der BISMARCK vermisst“ und als Feldzugs- oder Schlachtenbezeichnung: „25.5.41 Gefecht mit dem engl. Schlachtkreuzer HOOD”, ist in den Wehrpässen der Gefallenen vermerkt. Fotos: House of History GmbH/Kai Winkler
Angehörige und Hinterbliebene
RETTER UND GERETTETE: Der Kommandant der SACHSENWALD, Leutnant zur See (S) Ernst Wilhelm Schütte (1886–1944), mit den aus dem Meer gezogenen Besatzungsmitgliedern der BISMARCK Otto Maus (links) und Walter Lorenzen in Paris. Foto: Nachlass Wandel, Sammlung Nöldeke
Im Marinegruppenkommando West in Paris erfolgte die Befragung der beiden Überlebenden. Sie berichteten ausführlich über ihre Erlebnisse. Ihre Aussagen sind sorgfältig dokumentiert als Anlagen zum Kriegstagebuch des Kommandos überliefert. Zunächst befand sich eine große Anzahl Überlebender im Wasser, von denen aber viele schließlich erschöpft ertranken. Es überlebten nur Maus und Lorenzen auf ihrem Floß.
Traurige Gewissheit Für 2.000 Familien der BISMARCK-Gefallenen brachte das Schreiben des 2. Admirals der Ostseestation vom 4. Juli 1941 die erschütternde Gewissheit. Die folgende Briefpassage konnte dabei nur wenig Trost spenden: „…nach siegreichem Kampf gegen das größte englische Schlachtschiff und getreu ihrem Eid bis zum Tode ruhen die Helden unserer BISMARCK vereint auf dem Grunde des Ozeans…“ Wesentlich pragmatischer zeigte sich ein anderer Satz aus dem Brief: „…Da seine sterblichen Überreste nicht geborgen worden sind, muss er bis zum Ablauf einer gesetzlichen Frist als ‚vermisst‘ geführt werden. Die Ausfertigung der Sterbeurkunde wird dann vom Oberkommando der Wehrmacht, Wehrmachtauskunftstelle für Kriegsverluste und Kriegsgefangene, Berlin W 30, Hohenstaufenstraße 47/48 veranlasst.“ Jeder, der einem überraschend Verstorbenen in seinen Rechten und Pflichten nach-
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folgt, weiß, was das ohne Sterbeurkunde bedeutet. Zum persönlichen Kummer und zur Trauer kommt der Ärger mit den Behörden. Den versuchte das Abwicklungsamt der Marinestation der Nordsee in Wilhelmshaven, das zukünftig für die Hinterbliebenen der BISMARCK-Gefallenen, zuständig war, mit einem hektographierten Rundschreiben vom 28. Juli 1941 zu relativieren. „Mit Antworten auf immer wiederkehrende Fragen“ gab es erst einmal behördenklassische Entschuldigungen: „Es ist durchaus verständlich und begreiflich, wenn die Hinterbliebenen der BISMARCK-Helden, die ihr Liebstes
HINTERGRUND
dem Vaterland opfern mussten und außerdem manchmal noch in geldliche Schwierigkeiten geraten sind, in Unruhe kommen und glauben, ihre Forderungen durch Briefe an das Abwicklungsamt geltend machen zu müssen, um deren sofortige Beantwortung meistens auch noch gebeten wird. Nun ist es beim Abwicklungsamt genauso wie bei allen Dienststellen, das heißt es ist nur so viel Personal vorhanden, wie unbedingt gebraucht wird, um die eiligsten Sachen sofort erledigen zu können und das sind nach meiner Ansicht die Zahlung der Gebührnisse. (...)“ Apropos Gebührnisse: Verloren Eltern ihren ledigen Sohn oder Freundinnen ihren noch nicht geehelichten Freund galt: „…Hinterbliebene der Ledigen erhalten für Juni 1941 das volle Gehalt; ab Juli stehen keine Gebührnisse mehr zu.“ Mit Ehefrauen, die plötzlich Witwen waren, ging man fürsorglicher um. Sie bekamen für drei Monate das volle Gehalt ihres Ehemanns ausgezahlt. Vom vierten bis zum zwölften Monat gab es die Versorgungsgebührnisse, die mit einer Umstellungsbeihilfe auf das volle Gehalt aufgefüllt wurden. Danach erfolgte die Zahlung der eigentlichen Hinterbliebenenbezüge.
Schwacher Trost Alle Hinterbliebenen erhielten eine nach Dienstgraden abgestufte Entschädigung für verloren gegangenes Eigentum des jeweiligen Gefallenen. Für Postsparbücher auf dem Grund des Atlantiks im Wrack der BISMARCK zeichnete das Postsparkassenamt in Wien zuständig. Lebensversicherungen mussten zwar ab Juni 1941 nicht mehr bedient werden, konnten aber nur mit nachgewiesener Sterbeurkunde ausgezahlt werden. Einen Monat vor dem Untergang der BISMARCK im Atlantik stiftete der Oberbe-
„Flotten-Kriegsabzeichen“
Beginnend mit dem U-Boots-Kriegsabzeichen im Oktober 1939, stiftete der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, Großadmiral Erich Raeder, mehrere „Kampfabzeichen“ für die Männer seiner Verbände. Nach den U-Booten, Zerstörern, Minensuchern und Hilfskreuzern kamen die „Dickschiffe“ der Flotte erst an fünfter Stelle mit der Stiftung ihres Kriegsabzeichens, am 30. April 1941. Der bekannte Marinemaler Adolf Bock zu seinem künstlerischen Entwurf des Flotten-Kriegsabzei-
chens: „…so musste das Abzeichen dementsprechend wuchtig, kriegerisch und massig wirken,…am besten das Schiff von vorn gesehen mit mächtiger Bugwelle und drohenden Kanonenrohren.“ Würdigkeit und mindestens 12 Wochen Kriegsfahrt waren Voraussetzung für die Verleihung.
POSTHUM: Mit Urkunde und Anschreiben an die Hinterbliebenen verschickt. Foto: Auktionshaus Hermann Historica
Kurzes Beileidsschreiben
fehlshaber der Kriegsmarine Großadmiral Erich Raeder am 30. April 1941 das „FlottenKriegsabzeichen“: „1. Im Kampf gegen England haben die Schlachtkreuzer und Kreuzer auf weitreichenden, wagemutigen Unternehmungen dem Gegner empfindliche Verluste an Schiffsraum zugefügt und damit den Blockadering um England immer enger gezogen. In Anerkennung dieser Taten ordne ich die Einführung eines Kriegsabzeichens für die eingesetzten Flottenstreitkräfte („Flotten-Kriegsabzeichen“) an. 2. Das Abzeichen kann den Besatzungen (einschließlich der gefallenen oder verstorbenen Soldaten und sonstigen berechtigten Anwärter) der eingesetzten Schlachtschiffe verliehen werden. Die Verleihung erfolgt durch den Befehlshaber des Verbandes…“ Die posthume Verleihung von Kampfabzeichen während des Zweiten Weltkrieges gehörte nicht in den Regelkatalog der Nationalsozialisten. Besonders Hitler hatte eine
„Ihr starbt, damit die Heimat nicht verdorben – Wir leben, dass Ihr nicht umsonst gestorben.“
GESCHENK: Von der Seekriegsleitung an die Familie von Admiral Lütjens überreichtes BISMARCKGemälde von H. Schmitz. Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann
Devise als goldene Prägeschrift auf dem Gedenkbuch mit Kalendarium für die Angehörigen der Gefallenen der BISMARCK und der Kriegsmarine 1942
ausgeprägte Aversion – bis hin zum Verleihungsverbot – gegen Ordensverleihungen an Gefallene. In erster Linie hatte der „lebende Kämpfer“ als „Held und Beispiel für die Jugend“ seine ideologische Berechtigung. Im Entscheidungsbereich der Wehrmachtteile sahen die jeweiligen Oberbefehls-
haber das zum Teil anders. Besonders die Kriegsmarine würdigte ihre Gefallenen mit nachträglichen Auszeichnungen, die die Hinterbliebenen zugeschickt bekamen. Mit Schreiben vom 17. September 1942 informierte das Abwicklungsamt über die Verleihung des „Flotten-Kriegsabzeichens“ an OFFIZIELLER TROST: Urkunde für die posthume Verleihung des „Flotten-Kriegsabzeichens“ an den Verwaltungs-Ober-Gefreiten Herbert Kuhlins (links); rechts Hitlers Kondolenzschreiben an die Witwe von Admiral Lütjens. Fotos: House of History GmbH/Kai Winkler; Sammlung Jörg-M. Hormann
sämtliche Besatzungsmitglieder der BISMARCK. Lydia Kuhlins erhielt per Post eine Urkunde, ausgestellt auf ihren gefallenen Mann, und ein fertigungsfrisches „FlottenKriegsabzeichen“ im Pappkarton. Zusätzlich wurde eine sogenannte Heldentodurkunde oder wie es offiziell hieß „Ehrenurkunde für Angehörige von Gefallenen und Verstorbenen der Kriegsmarine“ ausgestellt, die für den Zweck am 2. Dezember 1941 in der Kriegsmarine zur Einführung kam.
Knappe Worte Die nachträglichen Ehrungen fanden auch ihren Weg per Post zur Witwe des gefallenen Flottenchefs Admiral Günther Lütjens. Das kurze Beileidschreiben des „Führers“ vom 28. Juli 1941 lautete: „Sehr verehrte gnädige Frau! Zu dem schmerzlichen Verlust, den Sie und Ihre Angehörigen durch den Heldentod Ihres Gatten erlitten haben, spreche ich Ihnen mein aufrichtiges und tiefempfundenes Beileid aus. Adolf Hitler.“ Die Seekriegsleitung zeigte sich „großzügiger“. Ihr Würdigungsgeschenk an die Familie Lütjens präsentierte sich als 73 x 105 Zentimeter großes Gemälde des Marinemalers H. Schmitz mit dem Gefecht der BISMARCK in der Dänemarkstraße als Motiv. Jörg-M. Hormann, Jg. 1949, Freier Journalist und Sachbuchautor aus Rastede mit Schwerpunkten bei der deutschen Luftfahrt-, Marine- und Militärgeschichte mit über 30 Buchveröffentlichungen zu den Themen.
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Das Wrack der BISMARCK
Die Entdeckung des BISMARCK-Wracks
Versunken in der Tiefe
Juni 1989: Das BISMARCK-Wrack wurde im Ostatlantik auf der Position 48º 10’ Nord, 16º 12’ West in 4.800 Metern Tiefe entdeckt. 48 Jahre zuvor hatte das Sinken des Schlachtschiffs auf den Meeresgrund mehr als zehn Minuten gedauert. Von Jörg-M. Hormann
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örderisches Krachen begleitete die erste Salve des britischen Schlachtschiffes HMS RODNEY an diesem Dienstagmorgen des 27. Mai 1941. Um 8:47 Uhr. Rund fünf Jahre nach dem Verlegen der ersten Kielplatten auf Helling 9 bei „Blohm & Voss“ und etwa neun Monate nach der Indienststellung begann mit der Salve von 40,6-cm-Geschossen aus den Rohren der RODNEY der Endkampf des deutschen Schlachtschiffs BISMARCK. Bis 10:39 Uhr dauerte das ungleiche Gefecht mit den Einheiten der Royal Navy. Eine schwarze Qualmwolke ging nun vom „Stolz der
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Kriegsmarine“ aus. Mit zerschossenen Aufbauten neigte sich die brennende BISMARCK nach Backbord. Teile des Hecks wurden bereits von den bleigrauen Wellen des Atlantiks überspült. Das Schlachtschiff sank.
Durchkentern der BISMARCK Die BISMARCK kenterte durch. Die vier jeweils 1.064 Tonnen schweren Drehtürme der 38-cm-Geschütztürme stürzten in die Tiefe. In die Barbetten und Drehkränze nur eingesetzt, rissen sie alles mit, was an ihnen – über mehrere Decks tief – befestigt war. Die Türme mit den Geschützen, Munitionsaufzüge
und -schächte sowie die toten und noch lebenden Männer der Turmbesatzungen stürzten ihrem Schiffskörper voraus. Durch die vier großen Öffnungen der Turmschächte, die durch alle Decks führten, wurde der Schiffsrumpf schlagartig geflutet und nach unten gezogen. Etwa 10 bis 20 Minuten dauerte der senkrechte Fall auf den Atlantikboden. In dieser Zeit drehte sich die BISMARCK nochmals um die Längsachse auf ebenen Kiel, nachdem sämtliche Luft entwichen war. Am Hang eines Unterwassergebirges schlug das Wrack mit dem Heck zuerst auf. Dabei brach das hintere Stück des
LETZTER KAMPF: Das Schlachtschiff BISMARCK versinkt kämpfend in den Fluten des Atantiks, Gemälde von Claus Bergen aus den 1950er-Jahren. Abb.: Archiv Jörg-M. Hormann
BESTSELLER: Cover des Buches von Robert D. Ballard über die Entdeckung des Wracks der BISMARCK. Foto: Archiv Jörg-M. Hormann
Hecks ab. Die gesamte Wucht der Schiffsmasse erzeugte beim Aufschlag einen riesigen Krater. Auf der entstehenden Sedimentlawine rutschten der Schiffsrumpf und schwere Wrackteile, wie die Artillerietürme, den Hang nach unten und wurden teilweise verschüttet. Das Wrack kam auf ebenem Kiel zum Liegen. Ein letztes Mal „bewährte“ sich
Clausewitz Spezial
die breite, flache Auslegung der Rumpfkonstruktion auf die spezielle Art einer Schlittenschale. Ursprünglich war der breite Rumpf der BISMARCK dem relativ geringen Tiefgang geschuldet. Der war notwendig, um die Befahrbarkeit des KaiserWilhelm-Kanals zu garantieren. Zum Beispiel hatte das seiner Zeit vergleichbare Schlachtschiff HMS PRINCE OF WALES eine Breite von 31,40 Metern und einen Tiefgang von 11 Metern. Die BISMARCK dage-
gen war 36 Meter breit und hatte 9,90 Meter Tiefgang. Die dadurch absolut stabile Waffenplattform für die schwere Artillerie war ein positiver Nebeneffekt der geforderten Notwendigkeit des geringen Tiefgangs.
Fünf Jahrzehnte Ruhe Nachdem alle abgesunkenen Teile der BISMARCK unten angekommen waren, trat für fast 50 Jahre Ruhe ein. Die folgenden Jahrzehnte hat vor allem eine Frage die deutsche wie die englische Seite beschäftigt: Ist das Schlachtschiff durch den englischen Beschuss versenkt worden,
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Das Wrack der BISMARCK BEEINDRUCKEND: Blick (Animation) auf das eben auf Kiel liegende und von ARGO untersuchte Wrack der BISMARCK. Abb.: Thomas Schmid/www.3dhistory.de
Nicht die Artillerie, nicht die Torpedos der Engländer brachten das modernste Schlachtschiff seiner Zeit unter Wasser, sondern gesprengte Verschlüsse und geöffnete Seeventile. Dieser Streitfall der Seekrieggeschichte konnte erst mit der Entdeckung des Wracks auf dem Grund des Atlantiks geklärt werden.
Jubelsturm AUFGEFISCHT: HJ-Pimpfe begutachten einen Rettungsring der BISMARCK, dahinter das Gummifloß, mit dem sich zwei Mann retteten. Foto: picture-alliance/Süddeutsche Zeitung Photo
oder hat die Besatzung ihre BISMARCK selbst versenkt? Während des Endgefechtes konnte sich das deutsche Schlachtschiff noch wehren, doch dann fiel die Turmartillerie aus. Mit zerschossenen Aufbauten lag die BISMARCK da. Sollte sich die Behauptung der deutschen Seite, ein unsinkbares Schiff gebaut zu haben, bewahrheiten? Nachdem die englischen Schlachtschiffe wegen Treibstoffmangels den Rückmarsch angetreten hatten, funkte ihr Befehlshaber Admiral Tovey nach London: „Kann die BISMARCK mit Granaten nicht versenken!“ Er überließ das todwunde, aber immer noch schwimmende Schiff den Torpedoangriffen seiner Kreuzer. Der vermeintliche Versenkungserfolg der Kreuzer wurde allerdings durch Aussagen überlebender Besatzungsmitglieder der BISMARCK getrübt. Bei den Gefangenenbefragungen 1941 äußerten sich einige Gerettete über ihre Wahrnehmungen in den letzten Minuten vor dem Untergang. Der Befehl zum Verlassen des Schiffes sei damit begründet worden, dass die BISMARCK gesprengt würde.
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In der Ausgabe der Zeitschrift „Geo“ vom 20. November 1989 berichtete Robert D. Ballard erstmals ausführlich über seine Entdeckung des Wracks der BISMARCK: „Ich schaue auf den Monitor eines Videogeräts. Im Licht der Stroboskop-Lampen, das 4.790 Meter unter uns die Finsternis am Meeresgrund durchdringt, hebt sich die BISMARCK gleichsam herauf in die Gegenwart (…). 8. Juni 1989. Drei Jahre nachdem ich zum Wrack der TITANIC getaucht war, bin ich am Ziel meiner zweiten großen Suchund-finde-Unternehmung. ,Oh, my God!’ Eine Wand, nein, ein Rand, eine Kontur hat sich auf dem Bildschirm abgezeichnet. Und
HINTERGRUND
schon die Geschützrohre. Und kein Zweifel mehr: Wir haben sie entdeckt. Wir schreien und schlucken die Schreie. Zwei Dutzend Mann, die sich im Kontrollraum des Suchschiffs STAR HERCULES drängeln, lassen ihre Freude explodieren, fallen einander in die Arme und haben im Jubel die Tragödie dieses Schiffs vergessen.“ Bereits im Jahr zuvor hatte Ballard mit einer Tauchexpedition versucht, das Wrack zu finden. Dies misslang jedoch. Jetzt aber lag das mächtige Schlachtschiff so gespenstisch wie wirklich vor den Kameras von ARGO, dem unbemannten, knapp über den Boden des Ozeans geschleppten Tiefseeschlitten. Das Licht für die Videokamera erhellte nur Bereiche von jeweils 20 Metern Breite.
Aufwendige Vorbereitungen Begonnen hatte Ballards Suche mit einer Archivrecherche. Von der Admiralität in London erhielt er Kopien aus den Logbüchern und von den Gefechtskarten der Schlachtschiffe RODNEY und KING GEORGE V und des Schweren Kreuzers DORSETSHIRE. Ih-
Robert D. Ballard über sich selbst
„Ich habe deutsche Vorfahren. Meine Mutter sprach mit uns Kindern oft Deutsch. Die Familie meines Vaters hingegen stammt aus England. Ich wuchs in Kalifornien am Pazifik auf, studierte Ozeanographie, wechselte im Wehrdienst von der Army in die Navy, der ich noch als Fregattenkapitän der Reserve angehöre; und solche Mischung aus deutschem und englischem Erbe, Marinemilieu und meinem Beruf in der Meeresforschung mag verständlich machen, weshalb ich mich entschloss, einem Schlachtschiff der Deutschen, das im Kampf mit den Briten unterlegen war, nachzuspüren.“
ENTDECKER: Der US-Amerikaner mit deutschen Wurzeln, Robert D. Ballard, und sein Team machten das Wrack der BISMARCK auf dem Meeresboden ausfindig. Foto: Archiv Jörg-M. Hormann
Legende und Meilenstein der deutschen Kriegsmarine
BISMARCK Schlachtschiff der Bismarck-Klasse
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EUR 16,95 Das Ende eines Mythos
Dokumentation der Extraklasse
Das nach dem deutschen Reichskanzler Otto von Bismarck benannte Schlachtschiff war neben dem Schwesterschiff „Tirpitz“ die seinerzeit größte und modernste Überwassereinheit der Kriegsmarine. Die erste und letzte Feindfahrt der „Bismarck“ dauerte nur wenige Tage, stellt jedoch bis heute die größte Verfolgungsjagd der Seekriegsgeschichte dar. Der Untergang des Schlachtschiffes am 27. Mai 1941 markierte das Ende weitreichender Atlantik-Operationen deutscher Großkampfschiffe. War die als unsinkbar geltende „Bismarck“ bis dahin eine schiffbautechnische Einzigartigkeit, wurde sie fortan zum Mythos.
Die vorliegende Sammlerausgabe in der höchsten Münzqualität „Polierte Platte“ (PP) dokumentiert in Verbindung mit einer informativen Themenkarte die Entstehungsund kurze Einsatzgeschichte des legendären Schlachtschiffes „Bismarck“ auf besonders brillante und anschauliche Weise. Vorbildlich ist auch die strenge Limitierung auf nur 5.000 Stück weltweit, die diese Sammlerausgabe schon heute zu einer gesuchten Rarität von morgen macht.
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Das Wrack der BISMARCK
AM RECHTEN BILDRAND: Vorderer Artillerieleitstand, Sockel und Drehkranz des fehlenden Entfernungsmessers. Foto: Archiv John Asmussen
GESPENSTISCH: Ein Stiefel eines Besatzungsmitglieds der BISMARCK auf dem Meeresboden unweit des Fundortes des BISMARCK-Wracks. Foto: Archiv John Asmussen
re Positionsangaben der Untergangsstelle wichen allerdings um je sechs bis sieben Seemeilen voneinander ab. Rund 120 Quadratmeilen müssten abgesucht werden, mehr als Ballard erwartet hatte. Im zweiten Anlauf der geheim gehaltenen Suchaktion kam als Expeditionsschiff ein „mud boat“ zum Einsatz – ein von einer Erdölgesellschaft gemietetes Arbeitsschiff samt Besatzung. Mit den Aufbauten vorn hatte die STAR HERCULES auf dem langen Heck reichlich Lade- und Arbeitsfläche für die Forschungs- und Expeditionsgeräte. 1988 war erst ein Viertel des in Frage kommenden Gebiets im Zickzack mit Sonarortungskursen abgesucht worden. Nach den Positionsangaben von KING GEORGE V und DORSETSHIRE musste die Untergangsstelle in dem einzigen Gebirgszug liegen, der sich aus dieser Ebene, die den Ozeanographen als Porcupine Abyssal Plain bekannt ist, 800 Meter hoch erhob. „Falls die BISMARCK sich dort sozusagen eingegraben hätte, würde sie unsichtbar bleiben?“ Dies war die Sorge von Robert Ballard. Über die Suchvorbereitungen berichtet er: „(…) Allein acht Stunden dauert die Justierung der drei Transponderbojen, die wir
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GUT SICHTBAR: Unterwasseraufnahme des Vorschiffs mit Vorsteven der BISMARCK in fast 5.000 Metern Tiefe. Foto: Archiv John Asmussen
im Dreieck – als Basis der Ortung – am Meeresboden ausgelegt hatten: gelbe Bälle, vollgestopft mit Elektronik, verankert an Gewichten. Unterschiedliche Frequenzen und Zeitabstände der Sonarsignale, von ARGO wie von den Transpondern, sorgen für Computerdaten, die uns fortlaufend wissen ließen, wo genau unser Tiefseeschlitten sich befand. Die Suchtaktik blieb die gleiche: Ein sich verdichtendes Trümmerfeld, wie bei der TITANIC musste unser Wegweiser sein.“
Trümmerfeld als Wegweiser Die Such-Crew bestand aus 21 Mann. Je sieben gingen Wache im Kontrollraum der STAR HERCULES, beobachteten die Monitore, kontrollierten die Instrumente, schalteten von Sonar- auf Kamerabild um und zurück, steuerten ARGO am Schleppkabel –
vier Stunden Dienst, acht Stunden Pause, vier Stunden Dienst. Ballard weiter: „(...) in der ersten [Stunde] schon werden die Augen müde: Schlamm, Sedimente, vereinzelt irgendein Klumpen, Tag für Tag. Ich habe mir ausbedungen, dass ich sofort gerufen werde, wenn auch nur entfernt Ungewöhnliches zu sehen ist. Dann wird, während auf einem anderen Monitor die Suche weitergeht, das Videoband zurückgespult; ich lasse es in stiller Hoffnung nochmals laufen. Wieder nichts. Wir geraten, auch weil wir weitere Transponder auslegen müssen, immer stärker unter Zeitdruck. Und endlich sind wir auf heißer Spur: Trümmer, nicht klar bestimmbar, aber Trümmer (…) Moment, dieser Zahnradring, ja, das ist ein Teil eines Geschützturms, von seiner Unterseite. Der Schrott, den wir bislang gesehen haben, könnte von einem x-be-
SENSATION: Erste Unterwasseraufnahme eines Teils der BISMARCK (Flugabwehrkanone) nach der Entdeckung des Wracks im Juni 1989. Foto: picture-alliance/dpa
Unbeschreiblicher Moment
TREFFER: Am Dach des Geschützturmes der Mittelartillerie der BISMARCK ist das Einschussloch einer schweren Granate zu erkennen. Foto: Archiv John Asmussen
liebigen Schiff über Bord geworfen sein. Jetzt also haben wir endlich ein Beweisstück – aber noch nicht das Wrack der BISMARCK (…). Wir suchen wieder mit Sonar, hin und her, was leicht gesagt und schwer getan ist. Man kann mit ARGO nicht Kurven nehmen wie mit einem Rennboot. Nach Süden, nach Norden, nach Westen, und auf der nächsten Querfahrt nach Osten piept es plötzlich aus dem Sonarempfänger so andauernd kräftig, wie nur ein Riesenobjekt gemeldet wird: Ziel zur Rechten (…) auf den Monitoren die ersten Bilder, die jeden Zweifel verbieten – Jubel bricht aus. Fast eine Stunde hält unser Begeisterungstaumel an. Die BISMARCK ist gefunden!“ Vier Tage bleiben Ballard, um das Wrack zu inspizieren. Dafür wird der Tiefseeschlitten ARGO mit dem Sonargerät, Lampen und den Kameras 100 Meter über der BISMARCK „geparkt“, um sich den zeitraubenden Auf- und Abstieg von ARGO zu ersparen. Der Tiefseeschlitten war dem „dynamic positioning system“ der STAR HERCULES angeschlossen: Ein Computer berechnete Strömung und Windeinfluss und gab automatisch die Maschinen- und Ruderkommandos, mit denen die Abdrift ausgeglichen und das Schiff auf ein und denselben Platz über Grund gehalten wurde.
Sensationelle Bilder Um die Stelle zu erreichen, die von dem ruhenden Schlachtschiff fotografiert werden sollte, genügte eine Computereingabe. Die STAR HERCULES ging auf eine Position, die auch ARGO im Schlepp genau richtig stehen ließ. Erstmals ermöglichte das 35-mm-Weitwinkelobjektiv der Kamera, auch größere Bereiche zu erfassen und Fotos von oben zu
Clausewitz Spezial
HINTERGRUND
BISMARCK als „Seemannsgrab“?
„Die Bundesrepublik Deutschland betrachtet sich als Eigentümer des ehemaligen reichseigenen Schlachtschiffes BISMARCK. Tauchgänge in das Innere des Wracks sowie Bergungsversuche bedürfen der Zustimmung der Bundesregierung. Diese wird, wie in anderen Fällen gesunkener Schiffe aus den Weltkriegen, bei denen mit Toten im
machen. Dadurch bringt die Expedition sensationelle Fotos mit nach Hause. Aus ihnen schöpfte der amerikanische Illustrator Ken Marschall seine Informationen, die er in beeindruckende Panoramabilder des Wracks umsetzte. Titel- und Übersichtsbilder für viele Artikel und Buchcover, die nach Ballards Entdeckung erschienen, entstanden nach diesen Fotos auf seinem Zeichentisch.
Kein „unschuldiges“ Schiff Einiges beim Fotografieren des Wracks wunderte Ballard: „Am meisten überraschte mich, dass die Decksplanken – ganz anders als auf der TITANIC, wo gefräßige Meeresorganismen keinen Rest des Holzes gelassen haben – fast völlig erhalten sind. (…) Die Rumpfseiten der BISMARCK konnten wir nur mit der Videokamera aufnehmen. Spuren von Treffern schwerer Granaten nehmen sich auf dem Schiffspanzer aus wie zerplatzte Insekten auf einer sonst makellosen Windschutzscheibe. Ob das Schiff am unteren Rumpf ein oder mehrere Lecks hat, von Torpedos geschlagen und groß genug, dass es
DVD-Tipp Die BISMARCK – geheimnisvolle Expedition zur „deutschen TITANIC“, ein Film von James Cameron und Gary Johnstone, Universal Film GmbH & Co. KG, München 2003.
Wrack gerechnet werden muss, grundsätzlich nicht erteilt.“ Staatssekretär Jürgen Sudhoff vom Auswärtigen Amt auf die Frage des Abgeordneten Volkmar Köhler (Wolfsburg) im Bundestag 1989, ob nach aktueller Kenntnis des genauen Lageortes, dieses Seemannsgrab rechtlichen Schutz genießt.
deshalb hat untergehen müssen, bleibt, weil es zu tief in den Sedimentschlick eingesackt ist, für immer verborgen.“ Offensichtlich hat es keine Implosion gegeben, keine Zertrümmerung eines Teils des Schiffs infolge des rasch und gewaltig steigenden Wasserdrucks während des Sinkens. Der Außendruck konnte auf keinen der voneinander abgeschotteten Räume wirken, da sie schon unter Wasser standen. Das spricht dafür, dass man die Seeventile unten im Rumpf geöffnet hatte. Der letzte Torpedo traf die BISMARCK drei Minuten vor ihrem Ende; eine halbe Stunde vorher schon war der Befehl zur Selbstversenkung erteilt worden. Robert D. Ballard äußerte zur „Untergangsfrage“ der Selbstversenkung oder Waffenwirkung: „Was am Ende den Ausschlag zum Untergang gab, kümmert mich nicht. Für mich ist das ein eitler Streit. Auf der TITANIC hatten Kinder, Frauen, Greise, friedfertige Leute ihr Leben gelassen. Die BISMARCK war kein unschuldiges Schiff. Kurz bevor ihr Schicksal sie ereilte, hatte sie mehr als 1.000 Mann auf dem britischen Schlachtkreuzer HOOD getötet.“ Einen Fehler wiederholte Ballard nicht. Bei der Entdeckung der TITANIC weckte der Erfolgsfunkspruch eine Meute von Flugzeugen, Helikoptern und Schiffen. Anschließend kam es zu einer Art Grabräuberei am Wrack. Dieses Mal hielt er Funkstille und teilte die genaue Position der BISMARCK allein der deutschen Regierung mit.
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Aus dem Inhalt
Schiff & Zeit 77
Piraten Piraten –– Geißel Geißelder derWeltmeere Weltmeere ■ Die Männer ● Männer des des Kleinen kleine Kreuzers Kreuzers EMDEN EMDEN ■ Shetland Bus: Bus:auf aufden denSpuren Spuren ● norwegischer Wiederständler norwegischer Widerständler ■ Panzerkreuzer GEORGIOS AVEROFF ● Panzerkreuzer GEORGIOS AVEROFF ■ Olaf Rahard: ein Marinemaler erzählt ● Olaf Rahard: ein Marinemaler erzählt ■ Flugboote und -schiffe -schiffe ● Flugboote und ■ der letzte letzteSchweizer Schweizer ● Greif: Greif: der Schraubendampfer Schraubendampfer ■ Funk, ASDIC, Radar: als Schiffe ● Funk, ASDIC, Radar: als Schiffe Hören und Sehen lernten Hören und Sehen lernten ■ Alexander Behm und sein Echolot ● Alexander Behm und sein Echolot ■ Die Geschichte der Seemannslieder ● Die Geschichte der Seemannslieder ■ H.M.S. WARSPITE als Modell ● H.M.S. WARSPITE als Modell ■ Marinedolch als Kaisergeschenk ● Marinedolch als Kaisergeschenk ■ ●
negeschichte Magazin für Schifffahrts- und Mari
U NE
Panzerkreuzer AVEROFF Maritime Rarität
TITANIC-Untergang: Initialimpuls für die Radartechnik
te Seeräuber von Stör tebeker bis heu
PIRATEN
Außerdem in jeder Ausgabe
Neuer Film: Die Männer der EMDEN
Schweizer Rarität: Dampfschiff GREIF
4 198450 008908
01
Geißel der Weltmeere Über den Atlantik: Flugboote der 30er-Jahre
(DGSM). Mit SCHIFF CLASSIC verlässt das Heft nun den exklusiven ,,Hafen“ des DGSM und öffnet sich mit neuer Aufmachung jedem an Schifffahrt und Geschichte interessierten Leser. SCHIFF CLASSIC lädt Sie ein, mit uns die ,,Häfen“ der Vergangenheit anzusteuern.
●
Das besondere Bild
●
Nachrichten zur Schifffahrts- und Marinegeschichte
●
Aktuelles aus der DGSM
●
Bücherbord und Veranstaltungen
●
Ein Bild auf Zeitreise
Online blättern oder Testabo unter: www.schiff-classic.de/abo 90
MARITIME TECHNIK | Flugboote und -schiffe
TITELGESCHICHTE
Piraten von Störtebeker bis heute
Geißel der Weltmeere 21. Oktober 1401: Von johlenden Hamburgern angefeuert, läuft der geköpfte Klaus Störtebeker an seinen Kumpanen entlang. Der Legende nach rettet er ihnen so das Leben. Die Realität der Seeräuberei ist bis heute brutal und gnadenlos. Von Eberhard Kliem
Beginn des Transatlantikluftverkehrs
Warum Schiffe fliegen mussten Auf dem Grasbrook in Hamburg werden die Köpfe der enthaupteten Seeräuber um Klaus Störtebeker auf einen Balken genagelt und als Mahnung an seine Vitalienbrüder zur Schau gestellt. Die Hanse lässt nicht mehr mit sich spaßen. Hier als Reproduktion im Museum für Foto: Maurizio Gambarini, picture-alliance/dpa Hamburgische Geschichte.
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ITALIEN WILL MITMISCHEN: Eine der zwei für Italien gebauten Do X. Sie sollte den Luftverkehr über das Mittelmeer hinweg mit den italienischen Mandatsgebieten in Afrika eröffnen.
Immer schneller über den Atlantik: Zwischen den Weltkriegen geht es nicht nur auf, sondern auch in hundert Meter Höhe über den Wellen nach Amerika. So werden Flieger zu Seeleuten und Flugzeuge zu Schiffen. Von Jörg-M. Hormann
Mittelalterliche Abschreckung
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SCHIFFClassic 1/2013
SEERÄUBER: Piraten wie Störtebeker erlebten die letzten Minuten ihres Lebens häufig im Angesicht des Henkers. Doch dies hält moderne Piraten wie etwa in Somalia nicht von ihrem ,,Beruf“ ab …
SCHIFF & ZEIT | GEORGIOS AVEROFF
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Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann
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SCHIFFClassic 1/2013
FLUGBOOTE: Wem es nicht schnell genug ging, der nutzt die ,,fliegenden Schiffe“. Doch wie komfortabel, wie sicher waren diese gewaltigen Vögel?
SCHIFF & ZEIT | S.M.S. EMDEN
1914: Legendäre Kriegsepisode als Spielfilm
Panzerkreuzer als maritime Rarität
Matrosen an Land und in der Wüste
Filmkulisse und Besuchermagnet
Zerstörung einer alliierten Telegrafenkabelstation auf Direction Island lautet der Befehl am 9. November 1914. Für fünfzig Mann Marineinfanterie des Kleinen Kreuzers EMDEN der Anfang einer abenteuerlichen Odyssee… Von Eberhard Kliem
Für den Spielfilm „Die Männer der EMDEN“ präsentierte sich der Kreuzer GEORGIOS AVEROFF im Hafen von Piräus als realistische Filmkulisse. Der Panzerkreuzer aus dem frühen 20. Jahrhundert ist einer der letzten seiner Art. Von Ronald Hopp
NICHT NUR PLAKATIV: Seit Februar läuft der Spielfilm, mit Starbesetzung an weltweiten Schauplätzen gedreht, in deutschen Kinos. Nächstes Jahr ist die Ausstrahlung des Zweiteilers im Fernsehen geplant. Foto: Berengar Pfahl Film ENDGÜLTIG FESTGEMACHT: Panzerkreuzer AVEROFF im Yachthafen von Palaio Faliro, bei Piräus. Position: 37°56'1"N – 23°41'1"O. Foto: Tilemahos Efthimiadis, Wikimedia Commons
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MUSEUMSSCHIFF: Die Zeiten der Großkampfschiffe sind vorbei, doch es gibt diese ,,Dinosaurier“ noch. In Griechenland wartet der Panzerkreuzer GEORGIOS AVEROFF auf Besucher.
MARITIME TECHNIK | Elektronik auf See
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BESATZUNG DER EMDEN: Die Seeleute des Kleinen Kreuzers EMDEN brachen 1914 zu einer abenteuerlichen Odyssee auf. Ein Spielfilm erzählt ihre spannende Geschichte.
LANDGANG | Shanty
Funk, ASDIC und Radar: zivil entwickelt, militärisch genutzt Gesang der Seemänner
Als Schiffe Hören und Sehen lernten
VERMEIDBAR? In den Augen der damaligen Fachleute wäre der Untergang der TITANIC mit der neuartigen Funkmesstechnik zu verhindern gewesen. Dieses Bild von Willy Stöwer gab der Katastrophe ein Gesicht.
Der Untergang der TITANIC – nie wieder sollte die zivile Schifffahrt von einer solchen Katastrophe heimgesucht werden. Er war Auslöser für das Bestreben, die Schifffahrt mithilfe der Funkmesstechnik Von Sigurd Hess sicherer zu machen.
Foto: picture alliance/akg images
Kräftige Lieder an Bord der Segler
Was wäre das Meer ohne die alten Gesänge der Segler und Fahrensleute? Die Berichte von Stürmen, Schiffbrüchen und bezwungenen Gefahren lassen sich viel emotionaler in Von Elena Romana Gasenzer Musik ausdrücken. Ein Lied klingt „Meer als 1000 Worte“! enn von Musik und Meer die Rede ist, denkt man an die unzähligen Seemannslieder, die aus Fernsehen und Rundfunk jedem geläufig sind. Musikhistorisch korrekter ist es, von einem Shanty zu sprechen und damit bereits eine Eingrenzung hinsichtlich einer bestimmten Form und Gattung vorzunehmen. Typischerweise ist ein Shanty ein Seemannslied mit Refrain. Die Bezeichnung Shanty soll aus dem Französischen entlehnt sein, von „chanter“ (singen). Ursprünglich waren Shanties die Lieder der Seeleute, die auf den alten Seglern während der Arbeit gesungen wurden. Der Rhythmus dieser Lieder war in vielen Fällen derart gestaltet, dass er bei bestimmten gemeinschaftlichen Arbeiten wie beim Brassen der Segel oder beim Pumpen als Taktgeber fungierte, damit alle im Rhythmus des Gesanges im selben Takt arbeiteten. Dies zeigt die Form des typischen Shanty, das aus einer Strophe besteht, die von einem Vorsänger, dem Shantyman, solo vorgetragen wurde, und einem Refrain, der sich strophenweise wiederholt und von der ganzen Crew im Chor gesungen wurde. Diese Tradition wurde bis zum Aufkommen der Dampfschiffe gepflegt.
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Erste Shanty-Erwähnung
BLICK IN DIE TAKELAGE: Bevor die Segel so im Wind stehen, ist kräftiges Zupacken angesagt. Das geht am besten mit einem arbeitsrhythmischen Lied auf den Lippen.
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FUNK UND RADAR: Der Untergang der TITANIC brachte vielen Menschen den Tod, doch war er auch Anstoß für einen technischen Sprung nach vorne, der die Schifffahrt sicherer machen sollte.
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Erstmals wurden die Arbeitslieder der englischen Seeleute 1549 in „The Complaynt of Scotland“ erwähnt. Die Blüte erreichte das Shanty als musikalische Gattung zweifellos mit dem Aufkommen des vollgetakelten Segelschiffs. Zwar befuhren bereits wagemutige Seefahrer wie Leif Eriksson, Christopher Columbus, Bartolomeu Dias, Fernando Magellan und andere die Meere unter Segeln und entdeckten dabei neue Kontinente und Handelswege, und sicher wurde auch auf ihren Schiffen gern gesungen, jedoch konnte das Shanty erst mit dem Aufkommen einer umfangreichen Seewirtschaft und des Seehandels zur Blüte gelangen. In einer Zeit, in der nur die Kraft des Windes und menschliche Mus-
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kelkraft zur Verfügung standen, um ein Schiff zu bewegen, waren die Arbeitsabläufe und Wachen an Bord streng geregelt. Nicht nur die Segel mussten gehisst und gebrasst werden, besonders die Arbeit an den Pumpen galt als Schwerstarbeit. Bis zum Aufkommen der Stahlindustrie und des Vernietens von Stahlplatten wurden alle seegängigen Schiffe aus Holzplanken gebaut. Zum Abdichten standen als einzige Methoden nur das Kalfatern und das Imprägnieren mit Pech zur Verfügung. Fast alle hölzernen Schiffe leckten, was kein Problem darstellte, solange die Crew schneller pumpen konnte, als das Schiff Wasser machte.
Gegen Wassermachen anpumpen Die Musik sollte dabei die Zusammenarbeit in der Gruppe vereinfachen und den Teamgeist fördern. Rhythmus und Form des Shanty koordinierten die Arbeitskräfte, richteten die Konzentration der Männer auf die Arbeit und lenkten von der Schwere der Tätigkeit ab – ein Effekt, der heute noch durch Musikbeschallung in Fitnessstudios erzielt wird. Daneben gaben Shanties der Mannschaft die Möglichkeit, ihre Ansichten und Gefühle auszudrücken, ohne mit Bestrafung rechnen zu müssen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Shanties an Bord und in den
Traditionen der Seeleute eine so große Rolle spielten. Man sagte, ein guter Shanty sei so viel wert wie zehn Mann an einem Tau.
Shanty als Abgrenzung Das Shanteying unterschied auch die Mannschaft von den Offizieren an Bord. Die Form des Shanty – Vorsänger und Chor – demonstrierte, wer die Arbeit machte und wer die Order an Bord gab. Diese Form des Liedgesangs entstand in der europäischen Musikgeschichte schon sehr früh und reicht bis zur kirchlichen Gesangspraxis des gregorianischen Chorals im 9. Jahrhundert zurück. Auch hier drückte sich durch den Wechsel von Vorsänger und Chor der Standesunterschied von Priester und Gemeinde aus. Der Shantyman war keine offizielle Position an Bord, auch gab es dafür keine besondere musikalische Unterweisung. Der Rang eines Seemanns innerhalb der Crew hing von seiner Berufserfahrung ab: Je mehr Erfahrungen ein Seemann hatte, desto höher war auch seine Bezahlung. Die Fähigkeit, Shanties zu singen, und das Repertoire an Liedern wuchsen ebenfalls mit den Berufsjahren. Dabei erlernten die Seeleute das Singen im Lauf ihrer Fahrenszeit. Wer eine natürliche Begabung und eine gute Stimme hatte, wurde von der Crew als Shantyman akzeptiert und nahm dann die Position des Vorsängers ein. Lieder wurden von Mann zu Mann weitergegeben. Typischerweise wurden die Texte und Melodien aufgrund einer fehlenden schulmusikalischen Ausbildung der Seeleute in erster Linie mündlich überliefert. Schriftliche Aufzeichnungen von Shanties kamen nur zustande, wenn musikgelehrte Passagiere die Gesänge der Seeleute abhörten und in Notenschrift notierten oder ein Shanty aus irgendeinem Anlass selbst komponierten. ALLE MANN ZUGLEICH: Crew beim Setzen der Segel. Abbildung: Sammlung Gasenzer
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SEEMANNSLIEDER: Die kernigen Seeleute und ihr Gesang sind untrennbar mit der Segelschifffahrt verbunden. Doch wieviel Romantik und wieviel harte Realität stand tatsächlich hinter der Musik?
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Spielfilm
Akkurater Seekampf in schwarz-weiß
Die letzte Fahrt der BISMARCK 12. April 1960: An diesem Tag fand die deutsche Uraufführung des englischen Spielfilms „Sink the BISMARCK“ statt. Trotz der Popularität des deutschen Schiffs ist der über 50 Jahre alte Film von Lewis Gilbert immer noch die Referenz auf Zelluloid. Von Maximilian Bunk
D
er Film arbeitet geschickt, immer wieder werden Dokumentaraufnahmen eingeschnitten. Dies fällt aufgrund der schwarz-weiß-Bilder weit weniger auf, als es bei heutigen Filmen der Fall wäre. Die Eröffnungsszene etwa besteht aus historischem Material, das Hitler beim Stapellauf der BISMARCK am 14. Februar 1939 in Hamburg zeigt. Fakt und Fiktion verschwimmen weiter, da als Grundlage für das Drehbuch der gleichnamige Tatsachenbericht C.S. Foresters von 1959 diente. Die Haupthandlung orientiert sich somit an den tatsächlichen Ereignissen: Auslaufen, Versenkung der HOOD, Jagd und letztes Gefecht der BISMARCK. Schon Forester fiktionalisierte und legte den Protagonisten Wörter und Dialoge in den Mund, die zwar wahrscheinlich, nicht aber belegt sind. Der nur ein Jahr später entstandene Film des dreifachen James-Bond-Regisseurs Lewis Gilbert (geb. 1920) geht hier noch etwas weiter. Hauptfigur ist der völlig fiktive RoyalNavy-Offizier Captain Shepard (Kenneth More), der aus dem unterirdischen Befehlstand der Londoner Admiralität die Jagd auf die BISMARCK koordiniert. Eine Texttafel am Ende des Films teilt kurioserweise ausdrücklich mit, dass es sich dabei nicht um Captain Edwards handelt, der ja damals tatsächlich der Chef der Operationsabteilung war. Shepard wird als ein erfahrener Offizier eingeführt, der von der laxen Disziplin in den Büros der Admiralität entsetzt ist: Dort wird am Arbeitsplatz gegessen, die Mitarbeiter sprechen sich mit Vornamen an, und man wagt es sogar, ohne Uniformjacke zu erscheinen! Doch die eiskalte und effiziente Maske Shepards hat einen Grund – seit seine Frau bei einem Bombenangriff ums Leben kam, will er sich keine Gefühle mehr leisten und alle Energie auf den Krieg konzentrieren. Ihm zur Seite steht die hübsche Anne Davis (gespielt von der deutschstämmigen Dana
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ERFOLGREICH: Der Film wurde vom Publikum gut aufgenommen und erhielt positive Kritiken. Regisseur Gilbert war während des Krieges Regieassistent bei der Filmeinheit der Royal Air Force. Die Abbildung zeigt das originale englischsprachige Filmplakat. Abb.: Archiv John Asmussen
„Dagmar Winter“ Wynter), die den verbitterten Shepard im Laufe der Filmhandlung daran erinnert, dass Emotionen auch in Kriegszeiten keine Nebensächlichkeiten sein müssen. Kleinere Abänderungen zum Buch werden in Kauf genommen, um die Handlung wenn nötig zu dramatisieren.
Zensur durch Synchronisation Auf deutscher Seite sind Kapitän Lindemann (Carl Möhner) und Admiral Lütjens (Karel Stepanek) die zentralen Figuren, bei-
de gespielt von deutschsprachigen Schauspielern. Besonders Stepanek war dem britischen Publikum durch seine vorangehenden Rollen als Verkörperung des antibritischen Unholds bestens bekannt. Interessant ist, dass die Lütjens-Figur im englischen Original weitaus negativer charakterisiert wird als in der deutschen Synchronfassung. Als der Admiral an Bord eine Ansprache hält, sagt er auf Deutsch: „Ihr jungen Offiziersanwärter wurdet von höchster Stelle für dieses
ZWISCHENMENSCHLICHES: Die sich entwickelnde Beziehung zwischen Shepard und Davis verleiht dem Film eine menschliche Dimension, die niemals ins Kitschige abgleitet. Die Schauspielerleistung im Film ist auf hohem Niveau, und die Figuren sind stets plausibel konzipiert.
still have all our guns and any moment now the Luftwaffe will arrive.“ In der deutschen Fassung antwortet er hingegen: „Jetzt rächt es sich, dass wir keine Flugzeugträger haben! Aber die Herren da oben, diese Parteigrößen, die wissen ja immer alles besser! Ob die Flugzeuge von der Küste es noch schaffen ist fraglich.“ Hier macht die deutsche Fassung aus Lütjens sogar einen Kritiker der Partei, abgesehen davon, dass er im Original etwas völlig anderes sagt.
Ein Veteran als Statist
Unternehmen ausgewählt. Wenn ihr in die Heimat zurückkehrt, werdet ihr Großes Berichten können: vom Kampf um die Freiheit der Weltmeere durch unsere deutsche Kriegsmarine. Daran wollen wir denken! Dafür werden wir kämpfen! Und dafür werden wir auch siegen! Sieg Heil!“ Im englischen Original fährt Lütjens weitaus schwerere Geschütze auf. Dort verkündet er durch die Bordsprechanlage: „You cadet officers, you were selected by the highest authority to make this voyage. When you return to the fleet, you will have many inspiring stories to tell, stories of German sea power, stories of Nazi victory! To all of you I say this never forget that you are Germans, never forget that you are Nazis! Heil Hitler!“ Kriegsfilme waren im Deutschland der 1950er und frühen 1960er zwar besonders populär, aber die Wehrmacht sollte nicht zu sehr in Verbindung
mit Hitler und den Nazis gebracht werden. Der Zeitgeist verlangte einen entschärften Lütjens der allerdings, ob bewusst oder unbewusst, der historischen Person näher kommt als seine englische Version. Die Geburtstagsgrüße des „Führers“ an Lütjens haben in der ursprünglichen Kinofassung komplett gefehlt die Szene wurde erst später wieder in den Film eingeschnitten.
Ein weiteres Beispiel für die Neucharakterisierung der Lütjens-Figur mittels Synchronisation ist eine Szene, die während des letzten Gefechts spielt. Die BISMARCK ist bereits stark beschädigt. Lindemann sagt im Original mit niedergeschlagner Stimme: „They outnumber us two to one and we can’t do more than ten knots.“ Darauf faucht ihn Lütjens an: „What are you saying, Captain? This is the BISMARCK. We
Wie in der Buchvorlage auch sind Szenen mit Matrosen, Zivilarbeitern und Nachrichtensprechern eingeschoben. Als Historienfilm leidet „Die letzte Fahrt der BISMARCK“ natürlich unter der Tatsache, dass man den Ausgang (zumindest mit etwas historischer Bildung) bereits kennt. Auf der anderen Seite ist der Film schauspielerisch und ausstattungstechnisch auf einem sehr hohen Niveau. Die Kampfszenen wirken auch heute noch spektakulär, wurden sie doch teilweise auf offenem Meer und mit echten Matrosen gedreht. Die Royal Navy half ebenfalls bei den Dreharbeiten. Der historische Kreis dürfte sich besonders für Esmond Knight geschlossen haben, der auf der PRINCE OF WALES diente und im Gefecht mit der BISMARCK verwundet wurde und zeitweise erblindete. Im Film tritt er in einer kleinen Rolle als Kommandant der PRINCE OF WALES auf! Insgesamt ein nach wie vor solider Film, der keine wirkliche Konkurrenz hat. Historische Ungenauigkeiten gibt es natürlich, aber sie halten sich in Grenzen und stören das Sehvergnügen dieses Oldies kaum. Empfehlenswert, schon aufgrund der zwei Lütjens!
AUFWENDIG: Auch wenn die Spezialeffekte nicht auf dem neuesten Stand der Technik sind, so wirkt der Film doch ungemein realistisch. Foto: picture-alliance/Mary Evans Picture Library
BÖSEWICHT IN UNIFORM: Stepaneks Lütjen ist (in der englischen Version) ein stark überzeichneter Finsterling.
REALISTISCH: Durch die Kooperation der Royal Navy standen für die Dreharbeiten authentische Kriegsschiffe zur Verfügung.
Foto: picture alliance/ United Archives
Clausewitz Spezial
Guter Lütjens, böser Lütjens
Foto: Michael W. Pocock
Foto: Michael W. Pocock
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Dokumentarfilm
„Eine Kathedrale aus Stahl – geweiht der Zerstörung“
Expedition zur BISMARCK 2002: Der erfolgreiche Hollywood-Regisseur James Cameron tauchte hinab in die Tiefsee, um das Wrack der BISMARCK mit eigenen Augen zu sehen. Durch zwei ferngesteuerte Sonden waren auch Aufnahmen im Inneren des Schiffes möglich.
J
ames Cameron (geb. 1954 in Kanada) ist fasziniert von Schiffen, Technik und vor allem der unerforschten Welt der Tiefsee. Diese Begeisterung überträgt sich vom ersten Augenblick an auf den Zuseher der 2002 entstandenen Dokumentation von Camerons Expedition zum BISMARCK-Wrack. Dabei handelt es sich genau genommen eher um ein Doku-Drama, denn es gibt auch Spielszenen, in denen die Vergangenheit rekonstruiert wird. Diese haben zwar kein Spielfilm-Niveau, genügen aber für eine Dokumentation und haben den typischen James-Cameron-Stil. Gedreht wurden sie an Bord der USS NORTH CAROLINA, einem Schlachtschiff aus dem Zweiten Weltkrieg.
REGISSEUR UND FORSCHER: James Cameron (rechts) mit einem Teil seiner Crew. Der Amerikaner ist fasziniert von der Tiefsee und den dort verborgenen Welten. Sein Spielfilm „TITANIC“ (1997) erhielt elf Oscars.
Gekonnt Inszeniert Hinzu kommen Computeranimationen, die das gigantische Schlachtschiff in all seiner Größe erahnen lassen. Besonders gelungen ist eine Szene, in der das Cameronsche Forschungsschiff durch den Nord-Ostsee-Kanal fährt und dann auf die (computeranimierte) BISMARCK übergeblendet wird. Beide Schiffe verschmelzen für einen kurzen Augenblick und schlagen so eine visuelle Brücke zwischen den Zeiten. Hinzu kommen noch Interviews mit Zeitzeugen, historisches Filmmaterial sowie phänomenale Unterwas-
seraufnahmen. Besonders die Erinnerungen der Überlebenden wecken das Interesse des Zuschauers, da sie ihre Wahrnehmung und die damalige Sicht der Dinge mitteilen. Zwei BISMARCK-Veteranen begleiten die Expedition und kehren an Schauplätze zurück, die für die Überlebenden sehr emotional sind. Der Präsentationsstil des Doku-Dramas ist amerikanisch: Die BISMARCK wird mit dem Todesstern aus „Krieg der Sterne“ verglichen und etwas pathetisch als „Kathedrale aus Stahl, der Zerstörung geweiht“ bezeichnet. Viele Szenen (darunter auch historisches Filmmaterial) sind mit einem orchestralen Hollywood-Soundtrack oder Rockmusik unterlegt.
Eine unerforschte Welt FORSCHUNGSSCHIFF: Die russische KELDYSCH (gebaut 1979 bis 1981)hat zwei Forschungs-U-Boote vom Typ „Mir“ an Bord. Foto: picture alliance/Geisler-Fotopress
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Das gigantische Forschungsschiff beherbergte auch zwei Mini-U-Boote, die selbst in großer Tiefe operieren können. Hinzu kommen ferngesteuerte Sonden, die Aufnahmen im Inneren der BISMARCK ermöglichten. Lang-
sam tasten sich die beiden U-Boote voran, finden die Schleifspur des Wracks, Trümmer werden sichtbar. Dann ein Stiefel und die abgetrennte Kommandobrücke. Und nach rund 42 Minuten schiebt sich die BISMARCK das erste Mal ins Bild. Es ist ein gespenstischer und faszinierender Anblick zugleich. Ein weiteres Glanzlicht des Films ist die Erforschung des Inneren. Es ist der Eintritt in eine wirklich völlig unerforschte Welt, denn auch die Expedition von Dr. Ballard 1989 hat keine Bilder aus dem Hangar samt Flugzeug hervor gebracht. Ein einmaliger Anblick! Der meeresarchäologische Befund auf Basis der Aufnahmen lautet: Die Panzerung der BISMARCK hat standgehalten – sie wurde nicht von den Briten versenkt. Eine wichtige Ergänzung zum Buch von Robert Ballard! James Cameron präsentiert: Die BISMARCK. Geheimnisvolle Expedition zur deutschen TITANIC. USA 2002. 91 Minuten. DVD erschienen bei Universum Film.
Kolumne
Alternatives Szenario
Erfolgreiche Jägerin im Atlantik
Maximilian Bunk
Die ursprüngliche Aufgabe der BISMARCK war die Vernichtung alliierter Konvois. Dazu ist es bekanntlich nie gekommen. Gerade deswegen übt die folgende Frage eine so große Faszination aus: Was wäre, wenn die BISMARCK am 27. Mai 1941 nicht gesunken wäre? Von Maximilian Bunk
V
on Anfang an war es für das deutsche Schlachtschiff nahezu unmöglich, seine „Jagdgründe“ im Verborgenen zu erreichen. Schnell wusste die Royal Navy, wo sich ihr gefährlichster Gegner aufhielt. Am 24. Mai kam es zum historischen Gefecht in der Dänemarkstraße, in dessen Verlauf die BISMARCK von englischen Schiffen erst gestellt und dann (verhältnismäßig leicht) beschädigt wurde. Der Versuch, sich in einen französischen Hafen zu retten und dort wieder instand gesetzt zu werden, scheiterte letztendlich – der Stolz der Kriegsmarine versinkt am 27. Mai in den Fluten des Ozeans. Soweit die Fakten. Doch was wäre geschehen, wenn es der BISMARCK gelungen wäre, in den Atlantik zu entkommen und Jagd auf die englischen Nachschubflotten zu machen?
Historische Möglichkeiten Zunächst einmal wäre es durchaus möglich gewesen, dass die BISMARCK nach dem Gefecht in der Dänemarkstraße – bei dem sie sich ja durchzusetzen konnte – ihre „Searchand-Destroy“-Mission zusammen mit der so gut wie unversehrten PRINZ EUGEN einfach weiter verfolgt hätte. Die verhältnismäßig geringen Beschädigungen vom 24. Mai hätten dies vermutlich zugelassen, wären aber wegen des Treibstoffmangels und der gut sichtbaren Ölspur höchst risikoreich gewesen. Eine weitere Version ist die Annahme, die BISMARCK hätte in den sicheren Hafen von Brest entschlüpfen und dort repariert werden können. Das wäre auch fast gelungen, lediglich ein Torpedo und ein defektes Ruder trennen hier Fakt und Fiktion.
Clausewitz Spezial
Auch das Eingreifen deutscher U-Boote hätte die Lage entschieden zu Gunsten der BISMARCK verändern können. Führen wir unsere alternative und grundsätzlich mögliche Überlegung weiter aus: Zusammen mit vor Ort befindlichen Schlachtschiffen wie der GNEISENAU oder SCHARNHORST wäre ein schlagkräftiger Verband für Raubzüge gegen alliierte Schiffe vorhanden gewesen. Doch was sind die langfristigen Auswirkungen dieser kleinen Abweichung der historischen Realität?
Alptraum für England Es wäre überzogen zu behaupten, eine länger im Atlantik operierende BISMARCK hätte den tatsächlichen Kriegsverlauf fundamental ändern und England in die Knie zwingen können. Aber ein so mächtiges Schiff hätte sehr erfolgreich Konvois aufbringen und britischen Geleitschutz zerstören
HINTERGRUND
können. Tatsächlich waren ja bereits mehrere deutsche Schiffe zur Versorgung der BISMARCK mit Vorräten, Munition und Treibsoff abgestellt und hätten eine lange Präsenz im Atlantik ermöglicht. Auf offener See wäre sie außerdem nur schwer aufzuspüren gewesen. Im Umkehrschluss hätte dies bedeutet, dass die Royal Navy ihre Versorgungsflotten stärker schützen und gleichzeitig viele Kriegsschiffe für die Suche nach der BISMARCK hätte abstellen müssen. Dazu hätten die Engländer ihre Seestreitkräfte an anderen Stellen ausdünnen müssen, z.B. im Mittelmeer wo sie im Kampf gegen Rommel auf dem nordafrikanischen Kriegsschauplatz dringend gebraucht wurden. Im Endeffekt hätte eine nicht versenkte Bismarck den wichtigen Nachschub auf die britischen Inseln stark reduziert und in Kombination mit der U-Boot-Flotte von Admiral Dönitz die Engländer in äußerst große Bedrängnis bringen können – sie hätte das Inselreich vermutlich nicht zur Aufgabe zwingen, es aber nahe an diesen Punkt bringen können. Das wäre zumindest ein wahrscheinliches Szenario, wenn die BISMARCK den Hafen von Brest erreicht hätte. Ein deutscher Jagdverband im Atlantik bestehend aus der BISMARCK, GNEISENAU und SCHARNHORST wäre der Alptraum der Royal Navy gewesen es wäre für die Briten wohl nicht beim singulären „HOOD-Schock“ geblieben…
Kontrafaktische Geschichtsschreibung
Was wäre geschehen, wenn die spanische Armada 1588 in England gelandet wäre? Oder wenn Napoleon bei Waterloo und General Lee bei Gettysburg gewonnen hätte? Simpel ausgedrückt geht es darum, Überlegungen zu nicht eingetretenen, aber denkbaren Möglichkeiten in der Vergangenheit anzustellen. Der Unterschied zur „Science Fiction“ liegt in einer argumentativen Untermauerung der potentiellen Geschichte, die immer plausibel bleiben muss. Der Gewinn im Aufzeigen alternativer Szenarien liegt darin, dass dadurch das Verständnis von historischen Entscheidungen vergrößert wird.
Handlungsspielräume der Beteiligten werden sichtbar und Werturteile besser begründbar, da nun das tatsächlich Geschehene mit besseren oder schlechteren Alternativen verglichen werden kann. Nicht immer ist in der Geschichte – und besonders in der Militärgeschichte – das zu Erwartende oder Wahrscheinliche eingetreten (als Beispiel kann hier der unwahrscheinliche Torpedotreffer am Ruder der BISMARCK dienen). Um also auch die faktische Geschichte besser verstehen zu können, sind auch Gedanken über ungeschehene Möglichkeiten notwendig.
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Leserservice
Literatur zur BISMARCK
CLAUSEWITZ schlägt auf den nächsten Seiten eine Schneise ins Dickicht der Veröffentlichungen und stellt Bücher vor, die in keiner Sammlung fehlen sollten und deren Anschaffung lohnt. Einige davon sind „Klassiker“ im wahrsten Sinne des Wortes: Man muss sie kennen, und sie werden häufig zitiert und bilden die Basis jeder ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Thema. Andere zeichnet eine besondere Herangehensweise und hervorragende Lesbarkeit aus. Jedes der vorgestellten Bücher verhilft dem Leser zu neuen Erkenntnissen – zusammen bilden sie den Grundstock einer veritablen SchlachtschiffBISMARCK-Bibliothek.
Die letzte Fahrt der BISMARCK (1959) „Diese Seiten künden von verzweifeltem Wagemut und glühender Vaterlandsliebe, von einem gewaltigen Spiel um die Weltherrschaft, ausgetragen auf dem grünen Spieltisch des Ozeans, einem Spiel auf Leben und Tod für Tausende tapferer Männer. […]. Dabei wurden Gefech-
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RASANTE LEKTÜRE: Forester verpackte die Geschehnisse des Mai 1941 in das Gewand eines spannend zu lesenden Seefahrtromans.
te ausgetragen, die dem Besiegten ebenso zur Ehre gereichten wie dem Sieger, in deren Verlauf ungeahnte Rückschläge durch unwahrscheinliches Glück ihren Ausgleich fanden.“ Dies sind die ersten Zeilen in Cecil Scott Foresters „Die letzte Fahrt der BISMARCK“ (Originaltitel: „Hunting the Bismarck“) aus dem Jahr 1959. Am gewählten Sprachstil ahnt man bereits, dass der Autor einem speziellen Genre verhaftet ist: Forester war eigentlich Schöpfer spannender Abenteuerromane, die häufig im maritimen Milieu spielten. Sein heute bekanntestes Werk dürfte der mehrteilige Hornblower-Zyklus sein, zu dessen begeisterten Lesern auch Winston Churchill gehörte. Forester erzählt in seinem BISMARCK-
schwer arbeitend durch eine berghohe, eisige, graue See, außerdem war sie hier, weit von Land, in einem Gebiet, wo sie jedermann gegen sich hatte.“ Solch schön zu lesende Passagen findet man in keinem anderen Werk über die BISMARCK. Der ideale Einstig in eine spannendes Thema! C.S. Forester: Die letzte Fahrt der BISMARCK. 157 Seiten mit sieben Karten.
Versenkt die BISMARCK! (1974) ZEITZEUGE: Autor Ludovic Kennedy war an der Jagd auf die BISMARCK beteiligt. Sein detailliert ausgearbeitetes Buch von 1974 gehört immer noch zu den besten Werken.
Als Churchill davon erfuhr, dass die BISMARCK den englischen Verfolgern entschlüpft und dann die Nordseeblockade durchbrochen hatte, lautete sein lakonischer Befehl an die Royal Navy: „Versenkt die BISMARCK!“. Dieses bekannte Churchill-Zitat ist der deutsche Titel von Ludovic Kennedys (1919–2009) 1974 erschienenem Buch „Pursuit: The Sinking of the Bismarck“. Kennedy stammte aus einer Familie mit starker Marine-Tradition – Ludovics Vater, Edward Kennedy, war Kapitän der HMS RAWALPINDI. Dieses Schiff wurde im November 1939 von der SCHARNHORST versenkt. Edward Kennedy starb dabei mit einem Großteil seiner Mannschaft. Ludovic diente selbst als Offizier auf der HMS TARTAR und war somit an der Jagd auf die BISMARCK direkt beteiligt. Seine damaligen Erfahrungen flossen in sein Werk über die Verfolgung und Versenkung der BIS-
Abb.: Archiv CLAUSEWITZ
DIE BISMARCK IM SUCHER: Auf diesem Foto macht ein Kameramann von Bord der PRINZ EUGEN Aufnahmen von der BISMARCK. Material wie dieses hilft heutigen Autoren bei der Analyse der vergangenen Ereignisse. Foto: picture-alliance/dpa
Buch von den neun schicksalhaften Tagen im Mai 1941: der Jagd, der Versenkung der HOOD und dem letzten Gefecht der BISMARCK. Er stützt seine Erzählung auf historische Fakten, reichert diese aber mit fiktionalisierten Dialogen an. Ein durchaus plausibles Konzept, da es ja kaum Überlebende von der BISMARCK (und der HOOD) gab, die belegen könnten, was z. B. Lütjens und Lindemann bei einer Zigarre besprochen haben. Die jeweiligen Wortwechsel sind deshalb nur Vermutungen, dürften aber recht nahe an der Wirklichkeit liegen. So entstand eine ideale Symbiose aus lebendigem Spannungsroman und faktenreichem Tatsachenbericht. Forester, der während des Krieges für den British Information Service arbeitete, wurde durch alternierende Perspektiven (Admiralität in London, Schlachtschiff BISMARCK, einfache Seeleute) allen Seiten gerecht und lieferte mit seiner packenden Darstellung die Vorlage zum Film „Die letzte Fahrt der BISMARCK“ von 1960. Andere Bücher bieten mit Sicherheit weitaus mehr Information als Foresters in einem Rutsch durchzulesende 157 Seiten ̶ aber keines erzählt die Geschichte von der Treibjagd und dem tragischen Untergang der BISMARCK so rasant, mitreißend und lebendig: „Kaum hatte die HOOD die geschützte Bucht von Scapa Flow verlassen, als sie die volle Wucht des Sturmes zu spüren bekam. Ein um das andere Mal hob sich ihr Bug auf den Kamm der Seen und sank dann wieder zu Tal, auf und nieder stampfte das mächtige Schiff, zischend fegten ganze Wolken von Gischt über Brücke und Aufbauten. Und die BISMARCK erlebte das gleiche, wenn nicht sogar schlimmeres Wetter. Auch sie pflügte sich
MARCK ein. Außerdem nutzte er zusätzlich sowohl britische als auch deutsche Quellen und erarbeitete so ein umfangreiches und recht ausgeglichenes Oeuvre. „Versenkt die BISMARCK!“ ist ein detaillierter Bericht, der aber niemals die persönlichen Schicksale und Empfindungen der beteiligten Seeleute vergisst und somit den schwierigen Spagat zwischen Objektivität und Mitgefühl meistert. Ähnlich C. S. Forester versteht es Kennedy, eine spannende Geschichte zu erzählen. Unter den vielen Büchern zum Thema ist Kennedys „Versenkt die BISMARCK!“ unzweifelhaft eines der Besten. Perfekt passt es somit zu einem Schicksal, das zu den mitreißendsten in der Seekriegsgeschichte gehört und von dem Kennedy schrieb: „Verfolgung und Versenkung der Bismarck stellen eines der großen Abenteuer der Seefahrt dar, das sich den Seeschlachten bei Salamis, Lepanto, Trafalgar, Tsushima, dem Skagerrak, den Midway-Inseln, dem Korallenmeer und der Vernichtung der Armada würdig an die Seite stellen läßt. […]. Die Geschichte selbst, in deren Verlauf sich das Kriegsglück in dramatischer Schnelligkeit von einer Seite zur anderen neigte, schloß viele mythologische Wesenselemente in sich: Verfolgung, Entdeckung, Flucht, Wiederentdeckung; tiefempfundene Ängste, Feigheit und Mut; enttäuschte und erfüllte Hoffnungen; Ermüdung bis zur völligen Erschöpfung; Jubel und Verzweiflung, Tod und das Wissen um das Sterben; Sieg, Niederlage und Überleben; eine Geschichte, deren Ausgang wie der einer griechischen Tragödie vorausbestimmt war, deren Ende in ihrem Beginn, deren Beginn in ihrem Ende begründet lag.“ Fazit: Ein faktenreiches, ausgeglichenes und überaus spannend zu lesendes Buch.
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Ein Standardwerk und Klassiker. Ludovic Kennedy: Versenkt die BISMARCK! Triumph und Untergang des stärksten Schlachtschiffes der Welt. 264 Seiten mit acht Bildseiten, drei Karten und Lexikon „Fachausdrücke der Marinesprache“.
Die Entdeckung der BISMARCK (1990) VERSCHIEDENE VERSIONEN: Die Abbildung zeigt das Taschenbuch von 1993. Es existiert auch ein Band mit größerem Format, in dem die fantastischen Bilder besser zur Geltung kommen.
Die Ozeane unserer Welt sind zu großen Teilen noch unerforschtes Gebiet. Die Wissenschaftler und Taucher, die dorthin vordringen, umgibt eine Aura des Entdeckertums und Abenteuers. Einer dieser Männer ist der 1942 geborene Amerikaner Dr. Ballard. Der ehemalige Offizier der U.S. Navy ist Professor für Ozeanographie an der Universität von Rhode Island und berühmt für seine Verdienste um die Unterwasserarchäologie. Für das Militär untersuchte er die Wracks der Atom-U-Boote USS THRESHER und USS SCORPION, zusammen mit dem Franzosen JeanLouis Michel entdeckte er 1985 das Wrack der TITANIC und später den 1942 bei der Schlacht von Midway versenkten Flugzeugträger USS YORKTOWN. Auf immer aber wird sein Name mit der Entdeckung der BISMARCK im Jahre 1989 verknüpft bleiben, über die der Forscher in seinem Buch „Die Entdeckung der BISMARCK“ berichtet. Der Untertitel „Deutschlands größtes Schlachtschiff gibt sein Geheimnis preis“ bezieht sich auf die Frage, wodurch die BISMARCK versenkt wurde:
Durch die Briten oder durch die eigene Mannschaft, um das Schiff nicht in die Hände des Feindes fallen zu lassen? Dem Vorwort folgen insgesamt zwölf Kapitel, in denen die zwei Expeditionen (der erste Versuch 1988 scheiterte), der historische Hintergrund sowie die Erforschung des Wracks detailliert geschildert werden. Dabei wird deutlich, wie beschwerlich, kompliziert und gefahrvoll die Suche nach dem verschollenen Riesen war, und welche Unterwassertechnologie zum Einsatz kam, um das in 4.800 Meter tiefe liegende Schiff zu untersuchen. Mit einem ferngesteuerten Kameraschlitten sind faszinierende Unterwasseraufnahmen des Wracks gelungen. Ein umfangreicher Bildteil mit Fotos, Grafiken und den hervorragenden Illustrationen von Ken Marschall vervollständigen das empfehlenswerte Buch von Dr. Ballards Tiefseeabenteuer und machen es zu einer idealen Ergänzung zur TV-Dokumentation von James Cameron. Eine wichtige der Schlussfolgerungen nach Auswertung des Bildmaterials vom Wrack war: „Der Zustand des Wracks dürfte aber eine Kontroverse ein für allemal aus der Welt schaffen, die seit Versenkung des Schiffes immer wieder aufgeflammt ist. […] die Versuche der Deutschen, das Schiff selbst zu versenken, [dürften] zu seinem Untergang wesentlich beigetragen haben. […]. Es kann aber kaum ein Zweifel daran bestehen, dass das […] britische Granatfeuer und die drei Torpedos der Dorsetshire Wirkung erzielt haben. Früher oder später wäre die Bismarck untergegangen.“ Robert Ballards Buch ist eine gelungene Kombination von Geschichte und Abenteuer und liest sich ebenso spannend wie ein Roman von Jules Verne! Robert D. Ballard und Rick Archbold: Die Entdeckung der BISMARCK. 287 Seiten, zahlreiche Abbildungen und Illustrationen.
Die Schlacht in der Dänemarkstraße (2012, englische Sprache) Mit der Herausgabe der 6. Auflage von Jochen Brenneckes Standardwerk über das Schlachtschiff BISMARCK und die Operation „Rheinübung“ im Jahr 2003 und Jens Grützners 2010 erschienene Biographie über den Kommandanten des Schiffes, Ernst Lindemann, ist in Deutschland die historische Beschäftigung mit dem Thema offensichtlich zu einem Ende gekommen. Nicht so in der angelsächsischen Fachliteratur. Hier ist das damalige Geschehen in all seiner Komplexität nach wie vor aktuell. Dazu passt das von dem Amerikaner Robert J. Winklareth veröffentlichte Buch über einen Teilaspekt der Unternehmung – dem Gefecht in der Dänemarkstraße zwischen den beiden Kampfgruppen. Der Autor stellt klar, dass er nicht mit ERGÄNZUNG: Die aktuelle Untersuchung spielt ihre Stärken bei der Rekonstruktion des Artillerieduells in der Dänemarkstraße aus.
neuen und überraschenden Forschungs- und Rechercheergebnissen zum generellen Ablauf der Operation aufwarten kann. Sein Interesse gilt der detaillierten technischen Auswertung des eigentlichen Artillerieduells der vier Schiffe. Mit Hilfe der Standfotos und des Films, die von Bord der PRINZ EUGEN gemacht wurden, der Schiffskurse und Zeiten, der Flugzeiten der einzelnen Salven unter Berücksichtigung der Schussentfernung kann er die Ergebnisse jeder einzelnen Salve der schweren Artillerie exakt nachweisen. Das führt zu einigen neuen Erkenntnissen für diesen Teil des Geschehens. Die voran gestellten Kapitel, beginnend
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Leserservice
Clausewitz Spezial Internet: www.clausewitz-magazin.de
mit der Flottenrüstung des deutschen Kaiserreiches über den Ersten Weltkrieg, die Zeit der Reichsmarine und der Kriegsmarine mit dem Bau von Schlachtschiffen, sind Zusammenfassungen von bereits Bekanntem. Die darin enthaltenen Bewertungen von Winklareth muss man nicht immer teilen. Gleiches gilt für die nachgestellten Artikel, die das Ende der deutschen Überwasserflotte beschreiben. Als Ergänzung zu den zahlreichen Veröffentlichungen der letzten 50 Jahre hat das Buch durchaus seinen Wert. Robert J. Winklareth: The Battle of the Denmark Strait. A critical analysis of the Bismarck’s singular triumph. 336 Seiten, zahlreiche Abbildungen, Zeichnungen, Karten.
Weitere Buchempfehlungen Angus Konstam: The Bismarck 1941. Hunting Germany’s greatest battleship (2011, englische Sprache) Erschienen 2011 in der Reihe „Campaign“ (Nr. 232) des Osprey-Verlages. Guter Überblick inkl. der sich gegenüberstehenden Befehlshaber, Flotten und Strategien. Der Band enthält eine gute Auswahl an Fotos, Karten und Zeichnungen des Künstlers Paul Wright (der auch die Werke von Schriftstellern wie C. S. Forester oder Patrick O’Brien illustriert hat).
Foto rechts oben: Motorbuch-Verlag
John Moffat: I sank the Bismarck. Memoirs of a Second World War Navy Pilot (2009, englische Sprache) In seinen Erinnerungen erzählt der damalige Swordfish-Pilot
ABENTEURER: John Asmussen (rechts) und andere Mitglieder des Expeditionsteams vor dem Tauchgang zur BISMARCK. Foto: John Asmussen
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und Augenzeuge John Moffat von der Jagd auf die BISMARCK. Der hochgegriffene und reißerische Titel (ein Torpedo von Moffats Maschine traf zwar die BISMARCK, aber niemand kann sagen wo) sollte nicht davon abhalten, dieses spannende Buch zu lesen. Ein besserer Titel wäre wohl „Ich half die BISMARCK zu versenken“ gewesen. Trotzdem: Eine interessante Perspektive! Mike J. Whitley: Deutsche Großkampfschiffe (2007) Diese im Motorbuch Verlag erschienene Untersuchung analysiert die deutschen Großkampfschiffe des Zweiten Weltkriegs und bettet die BISMARCK in den Kreis ihrer Schwesterschiffe ein. Technisch sehr detailliert. Schlachtschiff BISMARCK (2006) Erschienen in der Heftreihe „Schiffe-Menschen-Schicksale“ als erweiterte und überarbeitete Neuauflage mit 52 Seiten. Siehe: www.schiffe-menschen-schicksale.de Ein Leben für die BISMARCK: John Asmussen Es gibt wohl nur wenig Menschen, die sich so intensiv mit der BISMARCK auseinandergesetzt haben wie der Däne John Asmussen – seit 35 Jahren beschäftigt er sich mit dem untergegangenen Koloss und gilt als einer der führenden Experten bei der Erforschung der BISMARCK. 2001/2002 arbeitete er mit dem Regisseur James Cameron an dessen Dokumentation und tauchte hinab zum Wrack am Grunde des Atlantiks. Zusammen mit dem Illustrator Eric Leon veröffentlichte er das Buch „German Naval Camouflage. Volume 1: 1939–41“. Außerdem betreibt er seit über zehn Jahren die Webseite www.bismarckclass.dk – eine Fundgrube an Informationen, Grafiken und Fotos zu deutschen Kriegsschiffen. Viele der Bilder im vorliegenden CLAUSEWITZ SPEZIAL stam-
VOLLSTÄNDIG: Mike J. Whitley schildert Bauund Einsatzgeschichte der deutschen Großkampfschiffe.
men aus dem umfangreichen Archiv von John Asmussen. Demnächst erscheint von John Asmussen je ein Buch zur TIRPITZ und zur BISMARCK.
Gedenkstein für die Gefallenen 1954 wurde der vom Bildhauer Rudolf Horn geschaffene und 2,40 m hohe Gedenkstein für die gefallenen Marinesoldaten der BISMARCK eingeweiht. Damals waren über 450 Angehörige und Überlebende sowie Fürstin von Bismarck anwesend. Das Ehrenmal steht nicht weit entfernt vom gigantischen Mausoleum für Otto von Bismarck in Friedrichsruh/Schleswig-Holstein. Im Zentrum des Steines ist ein Eisernes Kreuz mit dem eichenumkränzten Familienwappen, das auch das Schiffswappen war, angebracht. Die Inschrift auf dem Eichenkranz lautet: „Den gefallenen Kameraden vom Schlachtschiff Bismarck“. Für mehr Informationen: www.bismarck-stiftung.de
Die BISMARCK im Internet www.diebismarck.de Informationen über die Besatzung der BISMARCK. In dem angeschlossenen Buchprojekt „Schlachtschiff BISMARCK. Das wahre Gesicht eines Schiffes“ werden die Menschen, die auf dem Schiff dienten, dem Vergessen entrissen – vom Maschinenpersonal bis zum Kriegsberichterstatter. Weitere Bände sind geplant. Hervorragend ausgewählte Links führen auf die wichtigen deutsch- und englischsprachigen Internetseiten zum Thema „BISMARCK“. www.maritimequest.com Englischsprachige Seite mit zahlreichen Abbildungen und Informationen (nicht nur zur BISMARCK).
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