ab U sg u NEche A ENDE EINES VOLKES: DER UNTERGANG DER INKA e
Mai/Juni 03/2017 € 5,95 · AT/IT/LU € 6,80 · CH CHF 10,80
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KRIEG IN AFRIKA GROSSBRITANNIEN GEGEN DIE BUREN
EINSATZ FÜR DEN „ENDSIEG“
HITLERS FALLSCHIRMJÄGER
POLENFELDZUG ✪ SCHLACHT UM KRETA ✪ EINSATZ AN DER OSTFRONT
IM SCHATTEN DER
PYRAMIDEN NAPOLEONS ÄGYPTENFELDZUG
DIE SCHWARZE
SCHAR
DAS LEGENDÄRE KORPS IM KAMPF GEGEN NAPOLEON BONAPARTE 03 4 190141
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DER ADLER DER BRETAGNE
DAS KRIEGERISCHE LEBEN DES BERTRAND DU GUESCLIN
RENAULT CHAR D1 FRISCHER WIND FÜR DIE FRANZÖSISCHE ARMEE
DIE GESCHICHTE DER HISBOLLAH EINE ORGANISATION ZWISCHEN PARLAMENT UND MILIZ
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Im Krieg hingen von ihnen zahlreiche Menschenleben ab: Ärzte, Sanitäter und Krankenschwestern, die an der Front Dienst taten. Wagen Sie einen Blick ins Feldlazarett, um deren spannende Arbeit kennenzulernen.
DER WEG ZUR MACHT
Noch heute ist kaum zu glauben, dass ein Mann wie Hitler die Regierungsgewalt erlangen konnte. Wir zeigen auf, welche Umstände ihm in die Hände spielten.
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In der Entscheidungsschlacht um das italienische Festland zerschlugen die Oströmer nach einem teuer erkauften Sieg das Ostgotenreich endgültig.
BIZARRE KULTE IM 19. JH.
Im Viktorianischen Zeitalter war der Tod allgegenwärtig und die Menschen griffen zu den unterschiedlichsten Methoden, um dem Sensenmann zu begegnen
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Nach einem Jahrhundert der Kriege wird das Land der aufgehenden Sonne endlich geeint. Doch der Frieden musste durch eine epochale Schlacht erzwungen werden ...
VORWORT
Vorwort LIEBE LESER, so grausam und abstoßend das „Dritte Reich“ und die mit ihm einhergehende Ideologie auch war, so groß ist doch die düstere Faszination, die diese dunkle Zeit noch immer auf uns ausübt. Das beste Beispiel ist dabei die Armee Hitlers, von der viele noch ein romantisiertes Bild haben. Dass der Mythos der „sauberen Wehrmacht“ so nicht zu halten ist, wurde inzwischen wissenschaftlich belegt. Unbestreitbar ist aber, dass der deutsche Militärapparat eine hocheffektive Maschinerie war. Daher lohnt sich stets ein Blick auf diese Thematik, der auch wir uns in dieser Ausgabe widmen wollen: Wir stellen die Fallschirmjäger
HIGHLIGHTS Schwarze Schar S. 40
Geißel der Inka S. 48
vor; Soldaten, die noch heute einen legendären Ruf genießen. Zu Recht? Bilden Sie sich nach der Lektüre ihr eigenes Urteil. Daneben warten auch noch viele weitere spannende Themen auf Sie, denn gekämpft wurde in der Menschheitsgeschichte schon immer – ob im Nahen Osten, Nordafrika, Südamerika oder Osteuropa. Faszinierende Geschichten aus all diesen Erdteilen haben wir für Sie aufbereitet.
Soldatenschicksale S. 80
Adler der Bretagne S. 84
Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihnen Ihre
History Of WarRedaktion
Deutsche Fallschirmjäger im Den Haager Binnenhof, kurz nach Einnahme der Stadt. Die Geschichte dieser berühmt-berüchtigten Einheit lesen Sie ab S. 28.
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28 Die Ausbildung und Missionen einer berüchtigten Einheit
EINSATZ DER FALLSCHIRMJÄGER
HITLERS TOLLKÜHNE ELITE An der Front Der Zweite Burenkrieg 14
Der Ablauf der Ereignisse im fernen Afrika
16 Kriegsverlauf
Die wichtigsten Schlachten und Geschehnisse des Konflikts
18 Helden und Anführer
Diese Männer konnten sich im Burenkrieg auszeichnen
20 Schlacht von Spion Kop
Die Briten treffen auf einen unerwartet harten Gegner
22 Die ersten KZs?
Ein Vorgehen, das bis heute schockiert
24 Waffen des Burenkrieges
Im Burenkrieg kamen für die damalige Zeit hochmoderne Feuerwaffen zum Einsatz
26 Kopf an Kopf
Burenkämpfer und britischer Soldat unter der Lupe
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SCHLACHT BEI DEN PYRAMIDEN 56 Napoleons Kampf gegen die Mamluken
INHALT
06 KRIEG IM FOKUS
Atemberaubende Aufnahmen aus der Welt des Kampfes
28 Hitlers tollkühne Elite
Die Geschichte einer der bekanntesten und umstrittensten deutschen Einheiten
40 Die Schwarze Schar
Der deutsche Widerstand gegen Napoleon
48 Die Geißel der Inkas
Wie ein stolzes Volk durch die Gier eines Konquistadoren unterging
56 GROSSE SCHLACHTEN Schlacht bei den Pyramiden
Napoleons Triumph in der Wüste
64 L AGEBESPRECHUNG Hisbollah
Die Geschichte eines Machtfaktors im Libanon
70 Das Grab der russischen Armee
KAMPF UM DIE HEIMAT 40 Weshalb sich der „Schwarze Herzog“ an Napoleon Bonaparte rächen wollte
Untergang der
der inkas
Im Ersten Weltkrieg gab es nicht nur im Westen Blutvergießen ...
80 SOLDATENSCHICKSALE Georg Meiser
Ein deutscher Soldat schildert seinen Kampf gegen eine Übermacht
84 Der Adler der Bretagne
Der Werdegang eines französischen Nationalhelden
92 HANDBUCH Renault Char D1
Ein Panzer zwischen den Weltkriegen
98 ARTEFAKT DES KRIEGES Morion-Helm
Ein Blick auf einen Helm, der noch immer in Gebrauch ist
48 Wie eine kleine Gruppe Europäer ein ganzes Volk auslöschte
HISBOLLAH 64 Parlamentarier oder
Terroristen? 5
KRIEG
im
FOKUS TOTALER KRIEG 12. Februar 1987
Ein kleiner iranischer Junge steht vor einer Gruppe paradierender weiblicher Freiwilliger während einer Kundgebung in Teheran. Im Ersten Golfkrieg, der von 1980 bis 1988 andauerte, kamen Taktiken und Technologien zum Einsatz, die eher an den Ersten Weltkrieg erinnerten, etwa Kämpfe in Schützengräben und chemische Waffen.
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© Getty
KRIEG IM FOKUS
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KRIEG IM FOKUS
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KRIEG
im
FOKUS ABGEWRACKT Mai 2011
© Getty
Eine ausgebrannte MiG-23 (Codename „Flogger“) nach einem NATO-Angriff auf eine libysche Landebahn. Obwohl die „Flogger“ schon seit Jahrzehnten als veraltet galt, wurde sie von der Luftwaffe des Machthabers Muammar al-Gaddafi noch lange gegen oppositionelle Truppen eingesetzt, bis die NATO eine Flugverbotszone einführte.
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KRIEG
im
FOKUS NEUE AUFGABEN 8. Juni 1968
Soldaten der 101st Airborne Division springen während eines Einsatzes nordwestlich von Dak To, Südvietnam, aus einem Huey. Die 101st gehört zu den prestigeträchtigsten Einheiten der US Army und existiert seit dem Ersten Weltkrieg. Während des Vietnamkriegs wurde sie als Luftlandetruppe eingesetzt, um den veränderten Infanterietaktiken Rechnung zu tragen.
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© Alamy
KRIEG IM FOKUS
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KRIEG
im
FOKUS FEUER FREI!
23. November 1942 Ein Flak-Geschütz eröffnet während eines nächtlichen Angriffs das Feuer auf den Taivaskallio- Park (übersetzt etwa „Himmelsfels-Park“) in Helsinki. Obwohl Finnlands Hauptstadt von den schweren Luftangriffen, die andere europäische Städte erlitten, verschont blieb, richteten Angriffe im Jahre 1944 doch beträchtliche Schäden an.
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Image: SA Kuva
KRIEG IM FOKUS
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ZEITLEISTE DES …
An der Front
ZWEITEN BURENKRIEGES 1899–1902
Der Versuch des Britischen Empires die Burenrepubliken Transvaal und Oranje-Freistaat zu annektieren führte zu einer Demütigung des Weltreiches und Zehntausenden Toten.
„SCHWARZE WOCHE“ Innerhalb von weniger als einer Woche erleiden die Briten drei schmerzliche Niederlagen. Bei den Schlachten von Stormberg, Magersfontein und Colenso muss das Empire jeweils deutlich höhere Verluste einstecken als die Buren.
Die Schlacht von Colenso war mit 1.137 Verlusten eine demütigende Niederlage der Briten. Demgegen über standen 38 Tote und Verwundete bei den Buren.
10.–15. Dezember 1899 Oktober–Dezember 1899
DIE BURENOFFENSIVE
Nach Ablauf eines Ultimatums zum Rückzug marschieren die Buren mit mehr als 30.000 Kommandos in der Kapkolonie ein. Die zahlenmäßig unterlegen Briten können zwar einige taktische Erfolge erzielen, werden dann jedoch bei Ladysmith, Kimberley und Mafeking belagert. Rechts: Während der Belagerung von Mafeking gaben die Briten zur Stärkung der Moral auf dünnen Papier gedruckte Bulletins heraus, The Mafeking Mail genannt.
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23.–24. Januar 1900
DIE SCHLACHT VON SPION KOP
Beim wohl bekanntesten Sieg der Buren während des Krieges erleiden die Briten beim Versuch eine feindliche Position auf einem steilen Bergkegel einzunehmen Verluste in Höhe von 1.493 Mann.
15. Februar – 18. Mai 1900
BEFREIUNG BRITISCHER GARNISONEN Nach den schockierenden Niederlagen der „Schwarzen Woche“ schicken die Briten unter dem Kommando von Lord Frederick Roberts umfangreiche Verstärkung. Kimberley und Ladysmith werden innerhalb von drei Monaten befreit.
Gefallene britische Soldaten auf dem Schlachtfeld von Spion Kop. Hunderte starben in einem recht kleinen Gebiet – ein wahres Massaker.
Oben: Als Ladysmith am 28. Februar 1900 befreit wurde, be grüßt der Kommandeur der Garnison die erste Entsatzarmee mit den Worten „Gott sei Dank haben wir die Stellung gehalten.“
AN DER FRONT: ZEITLEISTE
GUERILLAKRIEG
Wenngleich die Republiken annektiert wurden, operieren die Burenkommandos in der Steppe weiter, wo sie das bergige Gelände zu ihrem Vorteil nutzen. Die Briten antworten mit einer Taktik der verbrannten Erde, um den Feind zu schwächen.
„TAUSENDE ZIVILISTEN STERBEN AN MANGELERNÄHRUNG UND KRANKHEITEN.”
Die Guerillaphase des Krieges war ge prägt von gewagten Überfällen, die von charismatischen Anführern wie Louis Botha durchgeführt wurden.
KONZENTRATIONSLAGER
Um die Kommandos weiter unter Druck zu setzen, brennen die Briten Bauernhöfe nieder und inhaftieren die dort lebenden und arbeitenden Zivilisten – schwarz wie weiß – in Lagern, um den Nachschub zu dezimieren. Zehntausende von ihnen sterben.
Zelte im Konzentrationslager Bloemfontein, wo Tausende an Mangelernährung und Krankheiten starben.
1900–1902
1900–1902 31. Mai 1902
13. März – 1. September 1900
FRIEDEN VON VEREENIGING
Oben: Field Marshal Roberts reitet am 5. Juni 1900 in Pretoria ein, der Hauptstadt von Transvaal. Transvaal war die größte Buren republik, die sich der britischen Herrschaft widersetzte.
ANNEXION DER BURENREPUBLIKEN Roberts rückt in die Burenrepubliken vor und besetzt Bloemfontein, die Hauptstadt des Oranje-Freistaats, und Pretoria, die Hauptstadt von Transvaal. Beide Staaten werden im September 1900 in das britische Empire eingegliedert.
Lord Kitchener (Mitte links) überwacht die Unterzeichnung des Friedensvertrages. Burengeneral Koos de la Rey bemerkte während der Verhand lungen müde: „Ist das das bittere Ende?“
Bilder: Alamy, Getty
Die Buren müssen sich in Anbetracht der brutalen britischen Maßnahmen im Guerillakrieg geschlagen geben und unterzeichnen widerwillig einen Friedensvertrag. Die beiden Republiken akzeptieren unter Zusicherung einer Generalamnestie und finanzieller Entschädigung die Souveränität des britischen Empire.
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An der Front
DER KRIEGSVERLAUF
Kanoniere der britischen Royal Horse Artillery mit einer Zwölfpfünder-Feldkanone.
So entwickelte sich die britische Armee des 19. in eine Kriegsmaschine des 20. Jahrhunderts und besiegte die Guerillaarmee der Buren. 1
Rechts: Eine burische Feldkanone überwacht bei der Schlacht von C olenso den Fluss Tugela.
BELAGERUNG VON MAFEKING
13. OKTOBER 1899
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Nach Kriegsausbruch dauert es nicht lange, bis die Buren britische Stützpunkte erobern. Mafeking ist einer der ersten, der angegriffen wird. Dort kann man bis Mai 1900 und der Befreiung durch eine von Robert Baden-Powell angeführte Armee jedoch die Stellung halten.
Bei diesem finalen Aufeinandertreffen während der „Schwarzen Woche“, wie sie von der Presse genannt wird, unterliegen die Briten zum dritten Mal innerhalb von wenigen Tagen, wobei sie insgesamt 2.776 Verluste zu beklagen haben.
Links: Lieutenant Robert Baden Powell (Mitte) in Mafeking kurz nach der Entsetzung. Die Befreiung spielte aus taktischer Sicht kaum eine Rolle, sorgte aber für einen dringend benötigten Anstieg der Moral.
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SCHLACHT 15.VONDEZEMBER COLENSO 1899
BELAGERUNG VON KIMBERLEY
14. OKTOBER 1899
Die britische Enklave bei Kimberley wird ebenfalls angegriffen, eine beherzte Verteidigung verhindert jedoch die Eroberung der Basis. Sie wird bis zur Befreiung im Februar 1900 weiter belagert.
„EINE 20.000 MANN STARKE BRITISCHE STREITMACHT GREIFT EINE AUS 7.000 TRUPPEN BESTEHENDE ARMEE DER BUREN AN, JEDOCH MIT SEHR HOHEN KOSTEN FÜR DIE BRITEN.”
47.000 MANN VERSTÄRKUNG DES EMPIRE TREFFEN EIN
BELAGERUNG VON LADYSMITH 2. NOVEMBER 1899 3
9. NOVEMBER 1899, TAFELBUCHT, KAPSTADT
Nach einem Gefecht, bei dem 800 britische Truppen gefangen genommen werden, wird die Garnison bei Ladysmith von den Buren umstellt.
LORD ROBERTS UND GENERAL KITCHENER TREFFEN EIN, UM DIE KAMPAGNE ANZUFÜHREN 10. JANUAR 1900, KAPSTADT
Links: Berittene britische Truppen und Planwagen unter Sir Redvers Bullers’ Befehl marschieren auf Ladysmith, Februar 1900.
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Rechts: Es sollte fünf Monate dauern, bis Lord Roberts Pretoria, eine der Burenhauptstädte, erreicht.
AN DER FRONT: DER KRIEGSVERLAUF
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FINALES GEFECHT: BRITISCHE TRUPPEN LANDEN EINEN KLEINEN SIEG BEI DER SCHLACHT VON ROOIWAL 11. APRIL 1902, ROOIWAI
Beim Versuch, eine Anhöhe zu erobern, erleidet die für Ladysmith entsandte Entsatzarmee schwere Rückschläge. Ladysmith wird letztlich am 28. Februar befreit.
GUERILLASIEG BEI DER SCHLACHT VON NOOITGEDACHT
FRIEDEN VON VEREENIGING UNTERZEICHNET
13. DEZEMBER 1900, NOOITGEDACHT
SIEG DER BUREN BEI DER SCHLACHT VON GROENKOP
5. JUNI 1900, PRETORIA
SCHLACHT VON18.–27. PAARDEBERG FEBRUAR 1900
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31. MAI 1902, PRETORIA
LORD ROBERTS EROBERT PRETORIA
25. DEZEMBER 1901, NORDPRETORIA
Nach dem Kimberley an die Briten gefallen ist, ziehen sich die Buren zurück, unterliegen jedoch in der folgenden Schlacht. Mehr als 4.000 Buren werden gefangen genommen, wenngleich die Verluste auf Seiten der Briten deutlich höher sind – 1.300 Getötete oder Verwundete gegenüber 350. Kanadische Streitkräfte bereiten sich während der Schlacht von Paardeberg auf einen Ansturm burischer Stellungen vor.
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SCHLACHT VON23.SPION KOP JANUAR 1900
TAKTIK DER VERBRANNTEN ERDE 16. JUNI 1900, PRETORIA
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ERRICHTUNG DER ERSTEN KONZENTRATIONSLAGER
22. SEPTEMBER 1900, PRETORIA UND BLOEMFONTEIN
BEDINGT DURCH BRITISCHE EXPANSIONSPLÄNE ERKLÄREN DIE BUREN DEN KRIEG 11. OKTOBER 1899, BLOEMFONTEIN, SÜDAFRIKA
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2 3 4 DIE SCHLACHT VON TUGELA HEIGHTS FÜHRT ZUR BEFREIUNG VON LADYSMITH 14.–27. FEBRUAR, UTHUKELA, NÖRDLICH VON LADYSMITH
DIE SCHWARZE WOCHE WÄHRT FORT: BRITISCHE NIEDERLAGE BEI DER SCHLACHT VON MAGERSFONTEIN 11. DEZEMBER 1899, MAGERSFONTEIN
DIE BUREN MARSCHIEREN IN NATAL EIN
13. OKTOBER 1899, ZWISCHEN NEWCASTLE & LADYSMITH
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Eine 20.000 Mann starke britische Streitmacht greift eine aus 7.000 Truppen bestehende Armee der Buren an. Bei der letzten offenen Schlacht des Krieges wird die burische Linie durchbrochen, doch mit sehr hohen Kosten für die Briten. Die Buren gehen zum Guerillakrieg über.
DIE BUREN ERRINGEN EINEN GUERILLASIEG BEI DER SCHLACHT VON BLOOD RIVER POORT 17. SEPTEMBER 1901, SCHEEPERSNEK
BEGINN DER SCHWARZEN WOCHE: BRITEN BEI DER SCHLACHT VON STORMBERG BESIEGT 10. DEZEMBER 1899, STORMBERG
Rechts: Für einen Großteil des Krieges überfallen die Buren britische Truppen aus dem Hinterhalt – und das mit großem Erfolg, wie beispielsweise bei Tweebosch.
SCHLACHT BEI BERGENDAL 21.–27. AUGUST 1900
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SCHLACHT VON TWEEBOSCH 7. MÄRZ 1902
Einer der letzten Zusammenstöße des Krieges ist typisch für die Kämpfe seit Bergendal: Burische Kommandos überfallen eine britische Kolonne und fügen dieser 394 Verluste zu – bei den Buren sind es 51.
Bilder: Alamy, freeVectorMaps.com
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An der Front
HELDEN& KOMMANDEURE
Der Burenkrieg brachte auf beiden Seiten Anführer hervor, die extremen Heldenmut gezeigt haben. Unter ihnen waren zahlreiche Empfänger des VictoriaKreuzes, innovative Guerillas und der Begründer der Pfadfinder.
FREDERICK ROBERTS DER BETAGTE VATER DES BRITISCHEN SIEGES.
LEBENSZEIT: 1832–1914 ZUGEHÖRIGTKEIT: BRITISCHES EMPIRE Der britische Sieg im Burenkrieg wird zum Großteil Lord Kitchener zugeschrieben, dessen brutale Taktik der verbrannten Erde und Einführung von Konzentrationslagern die Kapitulation der Buren 1902 herbeiführte. Dennoch war es sein Vorgänger Field Marshal Lord Roberts, der erfolgreich Transvaal und den Oranje-Freistaat annektiert und die Niederlage der Buren unausweichlich gemacht hat. Als Spross einer Militärfamilie trat Roberts 1851 in den Dienst der British Army und wurde nach Indien versetzt. Nachdem er während des Indischen Aufstands von 1857–1859 das Leben eines getreuen Sepoys gerettet und eine Rebellenstandarte erobert hatte, wurde ihm das Viktoria-Kreuz verliehen. 1895 wurde Roberts zum Field Marshal ernannt, und nach der katastrophalen „Schwarzen Woche“ erhielt er am 16. Dezember 1899 den Oberbefehl über die britischen Streitkräfte in Südafrika. Roberts traf im Januar 1900 in Südafrika ein und organisierte die britischen Streitkräfte
umgehend neu. Der mittlerweile bald 70-jährige Roberts konzentrierte und zentralisierte alle seine Truppen südlich des Modder Rivers. Sein Plan war ein simpler Vorstoß mit allen Kräften, um die Burenstaaten zu erobern. Obwohl er von Nachschubproblemen geplagt war, gelang ihm die Befreiung der belagerten Garnisonen bei Ladysmith, Kimberley und Mafeking. Am 13. März besetzte er Bloemfontein, die Hauptstadt des Oranje-Freistaats, es folgten Johannesburg im Mai und Transvaal, die Hauptstadt von Pretoria, am 5. Juni. Wenngleich Roberts die Buren stets unterschätzte, waren seine Operationen dennoch ein Erfolg. In neun Monaten eroberte er ihre Hauptstädte und machte 800 Kilometer Boden gut. Zwar ging der Krieg noch zwei Jahre weiter, Roberts Errungenschaften bedeuteten jedoch, dass ein Sieg der Briten unausweichlich geworden war. Im November übergab er das Kommando an Kitchener und kehrte in die Heimat zurück, woraufhin er der letzte Oberbefehlshaber der britischen Armee wurde.
ROBERT BADEN-POWELL DER PFADFINDER VON MAFEKING LEBENSZEIT: 1857–1941 ZUGEHÖRIGKEIT: BRITISCHES EMPIRE
Baden-Powells Bekanntheit basiert zum Großteil auf seiner Gründung der internationalen Pfadfinderbewegung, aber auch seine erfolgreiche Verteidigung von Mafeking hat ihn berühmt gemacht. 1876 trat er der British Army bei und diente als Lieutenant in den afrikanischen Kolonialkriegen. Mit Erreichen des Jahres 1897 war er der jüngste Colonel der British Army und ab Juli 1899 hatte er das Kommando über die Streitkräfte an der Nordwestfront in Südafrika inne. Mit 1.500 Mann verschanzte er sich in Mafeking und hielt der Belagerung durch 8.000 Buren 217 Tage lang stand. Trotz ernsthaftem Nahrungsmittelmangel gelang es Baden-Powell eine sorgenfreie Herangehensweise zu etablieren und die Moral zu stärken. Er organisierte Konzerte, Polo- sowie Cricketspiele für die Einwohner und brachte die Zeitung The Mafeking Mail heraus. Um die Buren zu täuschen, improvisierte er und setzte verschiedene Gegenstände ein, die wie echte Waffen und Züge aussahen. Ebenfalls befahl er seinen Soldaten in Sichtweite des Feindes nicht vorhandene Minen zu „meiden“. Die britische Öffentlichkeit war begeistert von seinen Taten und nach der überstandenen Belagerung wurde Baden-Powell zum Nationalhelden. Links: Neben weiteren Aspekten inspirierte das Mafeking Cadet Corps Baden-Powell zur Gründung der Pfadfinderbewegung.
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Rechts: Sir Alfred Milner, Gouverneur der Kapkolonie, hatte großen Respekt für Roberts: „Als Anführer im Feld ist er meines Erachtens einzigartig.“
AN DER FRONT: HELDEN & KOMMANDEURE
Unten: Wenngleich Smuts (Mitte, sitzend) ein erbitterter Feind der Briten war, gehörte er zu den Ersten, die für einen für beide Seiten vorteilhaften Frieden eintraten.
CHRISTIAAN DE WET
DER SCHWER FASSBARE GENERAL LEBENSZEIT: 1854–1922 ZUGEHÖRIGKEIT: ORANJE-FREISTAAT
JAN SMUTS DER KOMMANDO & ZUKÜNFTIGE STAATSMANN LEBENSZEIT: 1870–1950 ZUGEHÖRIGKEIT: TRANSVAAL
Smuts ist eine der bekanntesten Persönlichkeiten der südafrikanischen Geschichte, da er dabei geholfen hat, das Land zu vereinen. Später wurde er zudem Premierminister. Obwohl er seine Arbeit unter der Ägide des British Empire ausführte, war er anfangs ein afrikanischer Nationalist, der während des Krieges für die Burenrepublik Transvaal kämpfte. Smuts befürwortete die Mobilisierung der Buren ebenso wie einen raschen Feldzug nach Natal und Kapkolonie. Er agierte als General und hatte den Oberbefehl über Kommandos in Westtransvaal, wo er den Briten große Schäden zufügte. Im August 1901 marschierte Smuts mit 340 Mann in Kapkolonie ein, und im Oktober waren sie nur noch 80 Kilometer vor Port Elizabeth, bevor sie sich gen Westen wandten, um mehrere Gefechte gegen die Briten zu führen. Im April 1902 belagerte Smuts mit 400 berittenen Buren Okiep. Obwohl die anfänglichen Angriffe fehlschlugen, überlegte er weiterhin, einen Zug mit Sprengstoff zu füllen und diesen in die Stadt fahren zu lassen. Allerdings waren bereits Friedensgespräche im Gange und Smuts erkannte, dass eine Einigung mit den Briten die einzige Option war.
De Wet war einer der gefürchtetsten Feinde des Empire, welches viel daran setzte, seine Guerillaraubzüge zu beenden. Als Veteran des Ersten Burenkrieges (1880–1881) wusste er instinktiv, wie man dem Feind zusetzen konnte. Seinen Wert stellte er bei der Schlacht am Nicholson’s Nek unter Beweis, als er den Feind mit nur 300 Mann aus seiner Stellung vertreiben konnte. Als Oberkommandant der Truppen des Oranje-Freistaats setzte de Wet beim Guerillakrieg nur Soldaten ein, die an ihre Sache glaubten, und er wollte die Briten treffen, wenn sie es am wenigsten erwarteten. Er beschädigte Eisenbahnbrücken und erbeutete Versorgungsgüter, wobei er offenen Feldschlachten die ganze Zeit geschickt auswich. Selbst als die Briten 50.000 Mann für seine Gefangennahme zusammenzogen und ihn umstellten, gelang ihm dennoch die Flucht nach Transvaal, wo er seine Operationen fortsetzte. Zudem gelang ihm ein Überraschungssieg bei der Schlacht von Groenkop. Als er später schließlich widerwillig kapitulierte, war de Wet amtierender Präsident des Oranje-Freistaats. Rechts: Als der extrem patriotische de Wet 1900 von der Aufgabe einer großen Gruppe Buren erfuhr, sagte er: „Schrecklich, Mord an der Regierung und an der Nation.”
„WENNGLEICH DER KRIEG NOCH ZWEI JAHRE WEITER GING, WAR EIN SIEG DER BRITEN DURCH ROBERTS UNAUSWEICHLICH GEWORDEN.“ REDVERS BULLER DER UNGLÜCKLICHE KOMMANDEUR DER „SCHWARZEN WOCHE“ LEBENSZEIT: 1839–1908 ZUGEHÖRIGKEIT: BRITISCHES EMPIRE KOOS DE LA REY
DER HERAUSRAGENDE & INNOVATIVE BURENKOMMANDANT LEBENSZEIT: 1847–1914 ZUGEHÖRIGKEIT: ORANJE-FREISTAAT, TRANSVAAL Die militärische Erfahrung von de la Rey datierte bis zum Seqiti-Krieg 1865 zurück. Zwischen 1899–1902 wurde er für seine innovativen und kühnen taktischen Manöver bekannt. So befahl er bei der Schlacht am Modder River Grabenkämpfe, damit die Briten ihren Artillerievorteil nicht ausspielen konnten, wenngleich er selbst dabei verletzt wurde und sein Sohn fiel. Anschließend führte er die Buren geschickt zu einem Sieg, indem de la Rey seine Truppen am Magersfontein-Hügel Stellungen ausheben ließ. Versteckte Drähte, an denen Blechdosen hingen, informierten die Buren über den Vormarsch der Briten. Diese wurden geschlagen und verloren mehr als 900 Männer. Nachdem das Empire Verstärkungen erhalten und die Burenhauptstädte besetzt hatte, wurde de la Rey zu einem fähigen Guerillakämpfer. Unermüdlich griff er Bahnstrecken, Lager und Brücken an, wodurch er sehr oft große Mengen an Versorgungsgütern und Munition erbeuten konnte.
Rechts: Der für sein ehrenhaftes Verhalten bekannte de la Rey ließ regelmäßig Gefangene frei, wenn er sie nicht mehr versorgen konnte.
Buller war während des Krieges der erste Oberbefehlshaber der britischen Streitkräfte. Wie auch Roberts war er Träger des Victoria-Kreuzes, wenngleich ihm seines für sein Engagement während des Zulukrieges verliehen worden war. Trotz seines Heldentums hatte Buller vor Erhalt des Kommandos über die südafrikanischen Kräfte zuvor keine eigenständige Befehlsgewalt innegehabt. Bei seinem Eintreffen in Südafrika am 30. Oktober 1899 wurden Ladysmith, Kimberley und Mafeking bereits belagert, sodass er seine geplante Offensive verwerfen musste. Unter seinem Oberkommando verloren die Briten drei Schlachten während der „Schwarzen Woche“ und Buller selbst wurde bei der Schlacht von Colenso verwundet. Roberts wurde als Nachfolger von Buller ernannt, vor dessen Ankunft musste er jedoch weitere Niederlagen bei der Schlacht
von Spion Kop sowie Vaal Krantz einstecken, bevor er endlich einen Sieg bei Tugela Heights erzielen konnte. Buller wurde zum Sündenbock für die britischen Misserfolge gemacht, bei seinen Männern und der Öffentlichkeit war er jedoch beliebt.
Buller war ein beliebter Kommandant der sicherstellte, dass seine Männer stets gut ausgerüstet waren. Ging es seinen Truppen schlecht, machte er bei sich keine Ausnahme und schlief hungrig unter freiem Himmel mit ihnen.
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„MIT DREI LAUTEN HURRA-SCHREIEN VERKÜNDETEN SIE IHREN SIEG. WAS SIE JEDOCH NICHT WUSSTEN, WAR, DASS IHNEN DIE EIGENTLICHE SCHLACHT NOCH BEVORSTAND.“
Schlechte Sicht und schlechte Aufklärung führten dazu, dass die Briten vernichtendem Feuer ausgesetzt waren.
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AN DER FRONT: SCHLACHT VON SPION KOP
SPION KOP SCHLACHT VON
Im Januar des Jahres 1900 fügte eine Guerilla armee der British Army eine schwere Niederlage zu.
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ls sich das 19. Jahrhundert dem Ende zuneigte, war es um Großbritanniens Mission zur Eroberung der umfangrei chen Goldvorkommen im südafrikani schen Transvaal nicht gut bestellt. Bei Ausbruch des Krieges drei Monate zuvor hatten die Burenmilizen präventiv britische Basen in der Re gion angegriffen und die Garnisonen bei Mafeking, Kimberley und Ladysmith belagert. Das war ein Zug, den das British Empire nicht erwartet hatte. Wie konnte ein Haufen von Bauern und Goldsuchern es wagen, sie herauszufordern? Die Antwort des Weltreiches war die Aufstellung ei ner riesigen kolonialen Armee aus 500.000 Mann, um die 40.000 Buren zu zermalmen, die zwischen dem Empire und dem damals größten bekannten Goldvorkommen der Welt standen. Im Januar 1900 hatten die Briten genügend Ver stärkungen erhalten, um einen neuen Versuch zu starten, die belagerte Garnison bei Ladysmith zu befreien und die von General Charles Warren ange führten Truppen machten sich auf den Weg. Als sie jedoch nur noch 26 Kilometer von der Stadt ent fernt waren, stießen sie auf eine gewaltige Bergfor mation. Entschlossen, dieses Gelände – zu dem auch der höchste Berg der Region, der 430 Meter hohe Spion Kop gehört – einzunehmen, statt es zu umgehen, befahl Warren seinen Männern, sich ih ren Weg durch die Hügel zu erkämpfen. Der Spi on Kop war das Herzstück der burischen Verteidi gungslinie, und Warren wollte den Berg nach der Eroberung einsetzen, um von diesem Punkt aus die Bauernarmee von General Louis Botha unter Artille riebeschuss zu nehmen.
Überraschungsangriff
Der Angriff auf Spion Kop sollte ein Überraschungs angriff sein, der von Lieutenant Colonel Alexander Thorneycroft angeführt wurde. In der Nacht des 23. Januars begann Thorneycrofts berittene Infanterie – bestehend aus 1.700 Freiwilligen –, sich lautlos ihren Weg den Südhang des Spion Kop hinaufzu bahnen. Wenngleich sie nur die Speerspit ze einer viel größeren Streitmacht waren, hatten sie keine Informationen über den möglichen Widerstand des Feindes. Um 3 Uhr erreichten die Briten im dich ten Nebel das grasige Plateau, das zum Gip fel des Spion Kop führte. Hier wurden sie von einem kleinem Trupp Buren gestellt, der das Feuer auf sie er öffnete. Mit aufgepflanzten Bajo netten preschten Thorneycrofts Männer voran und nach einem kurzen Gefecht zogen sich die
Buren zurück. Der Berg war mit nur wenigen Ver lusten eingenommen worden – so schien es zu mindest. Mit drei lauten Hurra-Schreien verkünde ten sie ihren Sieg. Was sie jedoch nicht wussten, war, dass ihnen die eigentliche Schlacht noch bevorstand. Die Briten hoben nun so gut sie konnten Grä ben aus, bedingt durch das felsige Gelände wa ren diese jedoch nicht viel tiefer als 40 Zentimeter. Bei Tagesanbruch wurde Thorneycroft dann jedoch klar, wie verwundbar seine Verteidigungslinie war. Da sich der Nebel nun gelichtet hatte, konnte er er kennen, dass die Buren eine hufeisenförmige Hü gelkette um sie herum besetzt hielten, die per fekt geeignet war, um Spion Kop unter Beschuss zu nehmen. Fast noch schlimmer war, dass es ih nen nicht gelungen war, den höchsten Punkt des Spion Kop zu erobern, den die Buren nun schnell verstärkten.
Die Buren schlagen zurück
Gegen 8 Uhr begannen die Buren von drei Seiten mittels Artillerie im Zehn-Minuten-Takt auf Thorney crofts Truppen zu feuern. Dieser Beschuss hielt über mehrere Stunden an und wurde nur kurzzei tig durch brutale Kämpfe Mann gegen Mann unter brochen, wenn die Buren versuchten, Thorneycrofts Armee zu vertreiben. Am späten Nachmittag hiel ten die Briten trotz schwerer Verluste und unerläss lichem Artilleriefeuer sowie Beschuss durch Scharf schützen immer noch die Stellung. Ihre Lage wurde jedoch immer verzweifelter, da die sengende Hit ze und Ermüdung den Briten zu schaffen machte. Thorneycrofts Hilferuf leistete General Warren, der sich drei Kilometer entfernt in sicherer Position be fand, jedoch nicht folge, da er unentschlossen ob des richtigen Vorgehens war. Als die Sonne unterging, ordnete Thorneycroft nach 16 Stunden Kampf in Anbetracht der immer größer werdenden Verluste und schwindenden Vor räte einen nicht genehmigten Rückzug an. Da für würde er sich später noch verantworten müs sen, so rettete er aber Hunderten seiner Männer das Leben. Ihm unbekannt war indes, dass sich nicht nur seine Truppen dezimierten, sondern auch die der Buren. Da diese ebenfalls ih ren Kampfeswillen verloren hatten, zogen sie sich vom Spion Kop zurück. Als eine Handvoll von ihnen am nächsten Morgen zurück kehrte, fanden sie jedoch nur 243 tote Briten – und sonst niemanden mehr. Diese lagen in den Gräben, die zu ihren Gräbern geworden waren. Links: General Botha führte die Burenarmee an. Später wird er Südafrikas erster Premierminister.
UNGLEICHE KAMERADEN
ZWEI MÄNNER, DIE SPÄTER P OLITISCHE SUPERSTARS – UND GEGNER – WERDEN SOLLTEN, WAREN BEI DER SCHLACHT VON SPION KOP DABEI. Jahre später sollten sie ein Wortgefecht gegeneinander über die Unabhängigkeit Indiens führen, doch während des Burenkrieges standen Winston Churchill und Mahatma Gandhi auf der selben Seite. Beiden waren ebenfalls Zeuge des Gemetzels am Spion Kop. Im Jahr 1900 war Churchill mittlerweile aus der British Army ausgetreten, jedoch ohne sich seine Medaillen zu verdienen, die er seines Erachtens benötigte, um seine politische Karriere in Gang zu bringen. Den Burenkrieg sah er als alternativen Weg, an seinen Ruhm zu kommen. Infolgedessen heuerte er als Kriegsberichterstatter bei der London Morning Post an und machte sich auf nach Natal, um dort selbst Stoff für die Titelseiten zu werden. Nach einer dramatischen Flucht aus einem Kriegsgefangenenlager der Buren befand sich Churchill bei Warrens Einheit, als diese sich dem Spion Kop näherte. Einen Großteil des 24. Januars verbrachte er auf dem Pferd mit dem Übermitteln von Nachrichten zwischen Thorneycroft und Warren. Gandhi, der zuvor als Anwalt in Südafrika tätig gewesen war, hatte bei Kriegsausbruch umgehend das Natal Indian Ambulance Corps gegründet (einen aus Indern bestehenden Sanitätsdienst). Auch seine Gründe waren politisch, denn er wollte den Briten beweisen, dass die Inder pflichtbewusste Bürger waren, was wiederum zu mehr Anerkennung führen sollte. Unten: Mohandas Karamchand Gandhi war während des Krieges ein Krankentragenträger.
Bilder: Alamy
An der Front
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An der Front
DIE ERSTEN
KONZENTRATIONSLAGER?
Das schändlichste Ereignis des Konflikts war die Internierung Zehntausender Buren und schwarz afrikanischer Zivilisten unter oft tödlichen Bedingungen.
G
enau wie der Amerikanische Bür gerkrieg half auch der Burenkrieg dabei, moderne Mittel wie Telegrafen, Panzerzüge, Grabensysteme und MGs, die in der Kriegsführung des 20. Jahrhunderts allgegenwärtig werden sollten, zu normalisieren. Einher mit dem Aufkommen dieser neuen industriellen Kriegsführung ging die Loslö sung von Grundsätzen, die dem Militärverhalten der europäischen Mächte – insbesondere gegenüber Zivilisten – vermeintlich zugrunde gelegen hatten. Die „gentlemanhafte Kriegsführung“ war schon immer ein leerer Begriff und Gräueltaten gegenüber Zivilisten nichts Neues, doch die Verbrechen der Briten an den Buren und der schwarzafrikanischen Bevölkerung erreichten ein damals bislang unge kanntes Maß an Grausamkeit. Der Einsatz von Kon zentrationslagern zur Sicherstellung eines schnel len Sieges war ein dunkler Schritt in Richtung einer neuen Art Krieg. Die hohen Opferzahlen gaben den Ton für zukünftige Konflikte an und waren aufgrund der emotionslosen Missachtung des menschlichen Leidens umso erschreckender. Als Lord Herbert Kitchener Lord Roberts als Kommandeur der britischen Streitkräfte in Südafri ka im Dezember 1900 ersetzte, trieb er die Kriegs taktik der verbrannten Erde seines Vorgängers auf die Spitze. Kitchener war ein imperialer Hammer,
dessen Logik es war, dass pure Kraft Kriege gewann. Er befahl nicht nur das Niederbrennen Tau sender Bauernhöfe, sondern auch, dass burische Zivilisten – insbesondere Frauen und Kinder – in Lager gesperrt wurden. Ziel war es, den Lebensmit telnachschub der Kommandos zu unterbinden und den Guerillakrieg auf diesem Wege zu beenden. Schwarzafrikaner wurden ebenfalls interniert, jedoch in separaten Lagern. Auch hier war eine Verknappung der Lebensmittel das Ziel, darüber hi naus setzte man sie allerdings zusätzlich als Arbei ter in den wiedereröffneten Goldminen ein. Es gab 45 Lager für Buren und 64 für Schwarzafrikaner, gefangen genommene Kommandos wurden nach Übersee verschifft. Dementsprechend bestand der Großteil der Insassen aus Frauen und Kindern, bedingt durch die schlechte Verwaltung waren die Zustände in den Lagern katastrophal. Schlechte Hygiene und mangelhafte Nahrungsversorgung führten zu zahlreichen Epidemien, von Typhus über Masern bis zur Ruhr. Als Racheakt wurden den Familien der Kommandos zudem kleinere Rationen gegeben. Das unvermeidliche Ergeb nis war eine zunehmende Sterblichkeitsrate, besonders bei Kindern. Auf diese sich zuspitzende Krise wurde die Britin Emily Hobhouse aufmerksam, die Sekretärin des konfessionsungebunden
„DIE RATIONEN WAREN EXTREM KARG, UND WENN DIE TATSÄCHLICH AUSGEGEBENE MENGE WENIGER IST ALS DIE VORGESCHRIEBENE, FÜHRT DAS NATÜRLICH ZUR HUNGERSNOT.“ Links: Burische Kriegsgefange ne wurden in Transitlagern wie Green Point Common untergebracht, bevor man sie nach Übersee verfrachtete.
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Rechts: Die Einfüh rung von Konzentra tionslagern während des Burenkrieges war ein dunkles Kapitel in Herbert Kitcheners Karriere.
AN DER FRONT: DIE ERSTEN KONZENTRATIONSLAGER
Die Internierten wurden in überfüllten Zelten und Unterkünften untergebracht, die für die Härten des südafrikanischen Klimas absolut ungeeignet waren.
Lizzie van Zyl wurde zum bekanntesten Symbol der barbarischen Bedingungen in den Lagern. Mit nur sieben Jahren starb sie im Mai 1901, Emily Hobhouse beschrieb sie zuvor als „ge brechliches, schwaches klei nes Kind, welches zwingend gute Fürsorge benötigt”.
„KEINE BARBAREI IN SÜDAFRIKA WIEGT SO SCHWER WIE DIE DÜSTERE GRAUSAMKEIT EINES APATHISCHEN PARLAMENTS.“ South African Women and Children’s Distress Fund war. Ebenfalls war sie Mitglied eines britischen Versöhnungskomitees. Sie reiste nach Südafrika, um dort gesammelte Spendengelder zu verteilen. Kitchener gewährte ihr Zutritt zum Lager in Bloem fontein. Was Hobhouse dort am 24. Januar 1901 jedoch zu Gesicht bekam, schockierte sie zutiefst. Fast 2.000 Menschen lebten in dem Lager, 900 davon Kinder. Hobhouse beschrieb die Lage später wie folgt: „Es mangelte an grundsätzlichen Vorkehrungen. Die komplette Unterbringung war inadäquat, Bettgestelle und Matratzen waren nicht vorhanden. Die Rationen waren extrem karg, und wenn die ausgegebene Menge weniger ist als die vorgeschriebene, führt das natürlich zur Hungersnot.“ Hobhouse wurde schon bald klar, dass ihre Spendengelder nicht ausreichen würden, um die Kosten für die lebensnotwendigen Erforderlich keiten zu decken und schrieb: „Ohne diese Dinge sind die minimalen Hilfeleistungen kaum mehr als Spott.“ Zu ihrem Verblüffen ignorierten die britischen Behörden Hobhouses Appelle zur Verbesserung der Bedingungen und sie erhielt gleichgültige Antworten wie: „Seife ist ein Lu xusgut“ Ebenfalls demonstriere ihre humanitä re Haltung „zu viel persönliche Sympathie“. Die Antwort von Hobhouse auf letztere Bemerkung war: „Das war genau der Grund, warum ich dorthin gereist bin – um persönliche Sympathie zu zeigen und Hilfe zu leisten.“ Hobhouses folgende Berichte über die Bedingungen, veröffentlicht in The Guardian, erzwangen zwar eine par lamentarische Debatte in Westminster, führten aber zu ihrer Verärgerung zu nichts: „Keine Barbarei in Südafrika wiegt so schwer wie die düstere Grau Links: Emily Hobhouse riskierte die Kritik der britischen Behörden und der Öffentlichkeit, um den Leidenden in den Konzentrations lagern zu helfen.
samkeit eines apathischen Parlaments.“ Bis Ende des Krieges starben in den Lagern 27.927 Buren (22.074 davon Kinder unter 16) und mindestens 14.000 Schwarzafrikaner an Hunger, Krankheit und Unterkühlung. Die Zahl der toten Schwarzafrikaner ist fast mit Sicherheit zu gering angesetzt, eine genauere Zahl ist jedoch nur schwer anzugeben, da keine schriftlichen Aufzeich nungen geführt wurden – wahrscheinlicher sind aber eher 20.000 Tote. Somit starben circa zwölf Prozent der internierten Schwarzafrikaner und 25 Prozent der internierten Buren. Wenngleich Konzen trationslager nicht von den Briten erfunden wurden (ähnliche Einrichtungen errichteten in den 1890ern bereits die Spanier auf Kuba und die Amerikaner auf den Philippinen), so waren diese dennoch bis zu den KZs der Nazis und den Gulags von Stalin die bekanntesten Lager. Ein wichtiger Unterschied besteht darin, dass die britischen Varianten nicht dafür gebaut worden wa ren, die Buren oder Schwarzafrikaner zu töten. Den noch hatte dieses grausame Vorgehen natürlich Folgen. Die Angst vor der Auslöschung ihrer Rasse durch die Briten oder Schwarzafrikaner führte viele Buren zu dem Glauben, dass eine Rassentrennung sowie eine weiße Minderheitsregierung der einzige Weg war, ihr Überleben zu sichern. Die Lager befeuerten den ohnehin schon starken Afrikaaner- Nationalismus, der letztlich zu den Apartheids gesetzen von 1948–1991 führte. Tragischerweise waren die Opfer nicht „nur“ diejenigen, die in den britischen Lagern starben, sondern auch die unterdrückte schwarzafrikanische Mehrheit, die infolge der Verbitterung des Buren krieges ein Jahrhundert Diskriminierung erleiden musste. Emily Hobhouse, die viel unternommen hat, um das Leiden zu verhindern, schrieb später mit unheimlicher Voraussicht: „Persönlich glaube ich, dass die Segregation nach Rasse oder Farbe oder Klasse die falsche Politik ist und eine, die nur zu Unzufriedenheit und zur totalen Katastrophe führen kann.“
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An der Front
WAFFEN BURENKRIEGES DES
D
Zu Beginn des Konfliktes waren sowohl die Buren als auch die Briten mit den modernsten Waffen ausgestattet.
er mit Gewehren mit Magazinzuführung und Maschinengewehren geführte Zweite Burenkrieg war wahrlich ein moderner Konflikt. Als sich die Spannungen zwischen den Buren und den Briten nach dem gescheiterten Jameson Raid von 1895–96 intensivierten, begannen die Buren sich mit den besten Waffen auszurüsten, die sie für ihr Gold kaufen konnten. Rechts: Diese sperrige Waffe konnte für den Transport mit Lasttieren auseinanderge nommen oder wie Ar tillerie auf Räder montiert werden.
MAXIMMASCHINENGEWEHR
Mit maximal 600 Schuss pro Minute zeigte dieses schwere MG bereits, wie der Krieg des 20. Jahrhunderts aussehen würde. Durch das Gewicht von 30 Kilogramm war es nur schwer zu bewegen, hatte aber die Dauerfeuerkraft von 30 Gewehrschützen.
COLT-BROWNING M1895
Mit 16 Kilogramm war dieses US-Maschinengewehr deutlich leichter als das Maxim. Dieser Gasdrucklader mit Gurtzuführung konnte circa 450 Schuss pro Minute abfeuern. Da das MG nicht luft-, sondern wasssergekühlt war, konnte man es leichter manövrieren.
Oben: Diese „Kartoffel roder“ genannte Waffe wurde von den kanadi schen Truppen mit großer Wirkung gegen die Buren eingesetzt.
Rechts: Als die Muniti on für die in Deutsch land produzierten Mauser knapp wurde, begannen die Buren, erbeutete britische Waffen einzusetzen.
MODEL 95 MAUSER
Diese in großen Mengen von der Regierung des Oranje-Freistaat und der von Transvaal gekaufte Waffe wurde an burische Bauern ausgegeben, damit sie sich gegen die Briten verteidigen konnten. In der Frühphase des Krieges bewies sie sich als besonders effektiv.
„DIESE WAFFE WAR NUR SCHWER ZU BEWEGEN, HATTE ABER DIE DAUERFEUERKRAFT VON 30 GEWEHRSCHÜTZEN.“ KRAG-JØRGENSEN
Diese auch von den Buren eingesetzte Waffe war ein norwegisches Fabrikat. Ihre Besonderheit bestand im Nachladen bei verriegeltem Verschluss. Sowohl bei der Mauser als auch bei der britischen Lee-Enfield musste der Verschluss geöffnet sein, hier jedoch war ein seitliches Nachladen möglich. Links: Die seitliche Ladeklappe war innovativ, doch die Patronen konnten nur einzeln statt per Ladestreifen nachgefüllt werden. Unten: Circa 300 Krag-Jørgensen-Gewehre wurden von den Buren gekauft und in Schlachten wie der bei Magersfontein eingesetzt.
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AN DER FRONT: WAFFEN DES BURENKRIEGES Verschiedene Modelle des Lee-Enfield-Gewehrs wurden in der British Army bis 1993 eingesetzt.
„MIT EINER REICHWEITE VON MEHR ALS EINEM HALBEN KILOMETER KONNTE EIN GUT AUSGEBILDETER SOLDAT 20 ODER MEHR GEZIELTE SCHÜSSE PRO MINUTE ABFEUERN.“ ✪ HANDRAD ✪ FEUERMECHANISMUS
Die Waffe wurde aus verschiedenen Metallen gefertigt. Der Betriebsmechanismus bestand aus Stahl, da er den Kräften der Schussabgabe standhalten musste.
Die 186 Kilogramm schwere Waffe (ohne Lafettenhalterung) wurde mittels einem an der Rückseite befindlichem Handrad nach oben/ unten ausgerichtet.
LEE-ENFIELD MK1
Die British Army setzte Lee-Enfield-Gewehre ab 1895 ein. Mit einer Reichweite von mehr als einem halben Kilometer konnte ein gut ausgebildeter Soldat 20 oder mehr gezielte Schüsse pro Minute mit diesem Gewehr mit Ladestreifen und Kaliber .303 British abfeuern.
✪ GURTZUFUHR
Die QF 1 konnte mittels eines 25 Schuss haltenden Gliedergurtes pro Minute 300 Schuss (Kaliber: 37 mm) abfeuern, wobei sie auf 2.700 Meter genau war.
✪ WASSERMANTEL
Um zu verhindern, dass die Maschinenkanone überhitzt, wurde das Gehäuse um den Lauf vor der Verwendung mit Wasser gefüllt. Der Lauf war aus Messing gefertigt, welches weicher und leichter zu formen ist als Stahl.
Die Briten statteten ihre Truppen mit der Pom-Pom aus, nachdem die Buren sie sehr wirkungsvoll gegen das Empire eingesetzt hatten.
POM-POM
Die QF 1-Pfünder (Quick Firing; schnell feuernd) war eine Maschinenkanone, deren einzigartiges Schussgeräusch ihr den Spitznamen Pom-Pom einbrachte. Nachdem sie von den Buren erfolgreich eingesetzt wurde, nahmen auch die Briten sie in ihr Arsenal auf und verschifften 57 von ihnen nach Südafrika.
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KOPF KOPF An der Front
AN
Die professionelle berittene Infanterie der Briten im direkten Vergleich mit den zivilen burischen Kommandos.
BERITTENE INFANTERIE
ZUGEHÖRIGKEIT: BRITISH EMPIRE TÄTIGKEITSJAHRE: 1899–1902
REITKUNST ✯
MILITÄRISCHE✯AUFKLÄRUNG
Für die berittene Infanterie war das Pferd nur ein (oft langsames) Transportmittel, um in Kolonnen voranzukommen. Darüber hinaus wurden den britischen Truppen nur die Grundlagen der Reitkunst beigebracht.
Das Wissen der Briten über das Gelände war sehr begrenzt. Zudem sandten die Kommandeure zumeist keine Aufklärungspatrouillen aus (oft aus purer Arroganz), da sie glaubten, die Buren seien ein minderwertiger Feind.
SCHIESSKUNST ✯
MORAL ✯
Das oft übers Bein gebrochene Waffentraining war nicht sonderlich umfangreich und die Truppen lernten nicht, aus dem Sattel zu schießen. Nach dem Krieg legten die Briten den Fokus vermehrt auf eine höhere Treffsicherheit.
Die viktorianische imperiale Ideologie war ein mächtiges Werkzeug. Viele Truppen des Empire kamen nach Südafrika, da sie glaubten, dass der Kampf für die Krone ein ehrenwertes Unterfangen war.
GESAMT
✯ ALLE PFERDE DES EMPIRE
Berittene Infanteristen wurden für den Zweiten Burenkrieg aus dem gesamtem British Empire zusammengezogen und Tausende Kanadier, Australier, Neusee länder und sogar Südafrikaner folgten dem Ruf zu den Waffen. Anders als ein Kavallerist, bei dem das Pferd Teil seiner Bewaffnung ist, nutzten berittene Infan teristen die Vierbeiner zum Transport (anstatt zu marschieren) und sattelten im Fall eines Kampfes zumeist ab. Gegen Ende des Konfliktes jedoch konnte man die Reiterei nicht mehr von berittener Infanterie unterscheiden, da Schwerter, Lanzen und Karabiner durch Infanterie gewehre ersetzt worden waren.
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Unten: Tausende berittene Infanteristen wie diese Aus tralier wurden von den Briten hastig ausgehoben, als der Krieg gegen die Buren nicht wie geplant verlief.
AN DER FRONT: KOPF AN KOPF
Die schnell beweglichen und schwer zu fassenden Burenkommandos führten oft flinke Überfälle auf die schwerfälligen Kolonnen der Briten durch.
DAS RÜCKGRAT DER MILIZ
Das Herz der burischen Miliz waren die Kommandos, die sich als schwieriger Geg ner für die riesige Armee der Briten entpuppten. Obwohl die Buren von den Briten als Bauern angesehen wurden, die zu den Waffen gegriffen hatten, ging ihr parami litärisches System tatsächlich bis ins 18. Jahrhundert zurück. Dieses ursprünglich zur Verteidigung gegen feindlich gesonnene afrikanische Stämme ins Leben geru fene Konzept legte fest, dass alle Männer zwischen 16 und 60 zur Verteidigung der Siedlungen einberufen werden konnten. Mit Erreichen des Burenkrieges war daraus eine komplexe Befehlsstruktur inklusive Ausbildungssystem erwachsen.
BURENKOMMANDO
REITKUNST ✯
MILITÄRISCHE✯AUFKLÄRUNG
Alle burischen Truppen waren beritten. Aufgrund ihrer Reitausbildung von Kindesbeinen an waren sie sehr gute Kavalleristen. Das Pferd war dermaßen wichtig für ihre Taktik, dass jede Einheit Ersatztiere hielt, die von sogenannten „Agterryers“ gepflegt wurden.
Im Gegensatz zu den Briten kannten die Buren das Gelände in- und auswendig und verstanden sowohl Terrain als auch Klima. Darüber hinaus waren sie taktisch weniger starr und wechselten später zu einem Guerillakrieg, der von Überraschungsangriffen geprägt war.
SCHIESSKUNST ✯
MORAL ✯
Bei den Briten waren die auch auf Distanz treffsicheren Schützen gefürchtet. Mit jungen Jahren lernten die Buren das Schießen für die Jagd, sodass sie selbst vom Rücken eines galoppierenden Pferdes zumeist ins Schwarze trafen.
Die Buren führten einen Überlebenskampf gegen einen mächtigen Feind, den sie nicht besiegen konnten. Auch als ihre Bauernhöfe niedergebrannt und ihre Familien interniert wurden, kämpften sie verbissen weiter.
GESAMT
✯✯✯ „DIE BURISCHEN KOMMANDOS ENTPUPPTEN SICH ALS SCHWIERIGER GEGNER FÜR DIE RIESIGE ARMEE DER BRITEN.“
Bilder: Alamy. Illustrationen: Jean-Michel Girard / The Art Agency
ZUGEHÖRIGKEIT: ORANJE-FREISTAAT & SÜDAFRIK. REPUBLIK TÄTIGKEITSJAHRE: 1899–1902
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EINSATZ DER FALLSCHIRMJÄGER
Recolourisation: Marina Amaral
Die Fallschirmjäger galten als Elitesoldaten innerhalb der Wehrmacht.
Fallschirmjäger bringen während der Schlacht um Monte Cassino Versorgungsgüter zu deutschen Stellungen, April 1944.
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EINSATZ DER FALLSCHIRMJÄGER
HITLERS TOLLKÜHNE ELITE TEXT: ROB SCHÄFER
n den späten 1930ern war die Sowjet union führend in Luftkampftaktiken und absolvierte mehrere Übungen mit Fallschirmjägern, auch Fahrzeuge und Artillerie wurden abgeworfen. Das inspirierte deutsche Beobachter wie Hermann Göring, die beschlossen, diese neuen Konzepte auch zu Hause einzuführen. Göring war nicht nur Oberbefehlshaber der Luftwaffe, sondern auch Chef der preußischen Polizei. In dieser Eigenschaft begann er mit dem Aufbau einer Elite truppe der Spezialpolizei, die Staatsfeinde wie kommunis tische Zellen angreifen und vernichten sollte. Diese Einheit wurde 1935 als Regiment General Göring in die Luftwaffe aufgenom men, wo sie auch im Fall schirmspringen ausgebildet werden sollte. Im Januar 1936 wurden aus 600 Freiwilligen ein Jäger-Bataillon und eine Pionier-Kompanie gebildet, die ihr Training in Döberitz begannen. Gleichzeitig wurde nach Rekruten für die neue Fallschirmschule in Stendal gesucht – die deutsche Fallschirmtruppe war geboren. Im März 1938 wurde aus den Männer des Göring-Regiments das Fall schirmjäger-Regiment 1 gebildet.
Das Fallschirmschützenabzeichen der deutschen Luftwaffe.
1938 wurde schließlich General Kurt Stu dent damit beauftragt, die 7. Flieger-Division aufzubauen. Diese Einheit sollte Kern der wachsenden deutschen Luftwaffe werden. Student, ein hochdekorierter Soldat, ge hörte seit 1910 dem Militär an und hatte im Ersten Weltkrieg als Infanterie- und Marineof fizier gedient, bevor er zu den Luftstreit kräften kam, wo er ein erfolgreicher Pilot wurde. Dank seiner Doktrin und Führung sollte aus der Fallschirmtruppe eine der besten Einheiten des gesamten Krieges werden. Die Ausbildung war erbarmungslos, hart und sollte die Soldaten darauf vorbereiten, dass sie unter schwersten Bedingungen einem zahlenmäßig weit überlegenen Gegner gegenüberstehen würden. Die Rekruten waren jung, häu fig gerade mal 18 Jahre alt, und hatten als HJ-Mitglieder bereits militärischen Drill und die Ausbildung an Waffen kennen gelernt. Der ideale Rekrut war „körperlich stark, zeigt Handlungsbereit schaft und den Willen und den Mut, sich in Lebensgefahr zu begeben.“ Ein Offizier des Fallschirm-Lehr-Regi ments erklärte, dass ein Fallschirmjäger ein Rabauke, ein Raufbold sein musste, der stets Ausschau nach einem Kampf hielt und diesen genoss. Dafür wurden ihnen Freiheiten zugestanden, die es in den übrigen Teilen der Armee nicht gab. Kneipenschlägereien mit anderen Wehrmachtsangehörigen waren nichts Ungewöhnliches, die zu erwartenden
Illustration: Dawn Monks
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Die „Grünen Teufel“ waren eine hochprofessionelle Truppe, die in den schwierigsten Missionen eingesetzt wurde.
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EINSATZ DER FALLSCHIRMJÄGER Disziplinarmaßnahmen eher lasch. Auch während des Krieges genossen die Fallschirm jäger diese Vorzüge, eine Art Entschädigung für die dauernden Einsätze unter schwersten Bedingungen. Die Grundausbildung dauerte drei Monate und umfasste Marschieren, Ausbildung an der Waffe, den Umgang mit Sprengstoffen, Taktiken und den obligatorischen Drill. Als Einzelkämpfer wurde von ihnen erwartet, dass sie eigenständige, der Gefechtssituation angepasste Entscheidungen treffen konn ten. Das bedeutete teilweise, dass sie ohne Befehle handeln mussten. Die vorherrschende Meinung war, dass ein Mann in der Lage sein musste, „eine Maschinengewehr-Stellung oder einen Bunker im Alleingang auszunehmen, selbst wenn er nur mit einer Pistole bewaffnet ist“. Die Fallschirmjäger zählten zu den weni gen deutschen Soldaten, die im Nahkampf ausgebildet wurden, in ihrem Falle im Judo. Im dritten Monat – vorausgesetzt, er hatte sich in den ersten beiden bewährt – unter zog sich der Rekrut dem Sprungtraining. Die Fallschirmsprünge erfolgten aus robusten, dreimotorigen Junkers Ju 52 aus etwa 20 Metern bei einer Geschwindigkeit von 160 bis 180 km/h. Eine Gruppe aus zwölf Männern, die aus der Seitentür des Flugzeugs sprangen, konnte die Maschine in nur sieben Sekunden verlassen. Der RZ-16-Fallschirm öffnete sich nach einem freien Fall von 30 Metern und der Soldat segelte mit einer Geschwindigkeit von drei bis fünf Metern pro Sekunde zu Boden. Sechs Übungssprünge, fünf tagsüber und einer nachts, mussten absolviert werden, um das begehrte Fallschirmschützenabzeichen zu erhalten, das Symbol eines ausgebildeten Fallschirmspringers.
Eine Feuertaufe
Die „Grünen Teufel“, wie die Fallschirmjäger auch genannt wurden, hatten ihren ersten Einsatz im Fall Weiß, die deutsche Invasion Polens im September 1939. Obwohl einige Landungsoperationen vorgesehen waren, durch die sie wichtige Brücken und Straßen abschnitte einnehmen sollten, machte der blitzschnelle Vorstoß der Bodentruppen rasch
deutlich, dass das unnötig war. Doch es dauerte nicht lange, bis auch die ersten Fallschirmjäger in Kampfhandlungen verwickelt wurden. Am 14. September 1939 waren sie an einer Operation gegen polnische Einheiten in einem Wald nahe eines deut schen Flugplatzes in der Gegend um Suski Młynek-Jasionna beteiligt. In dem kurzen Ge fecht fielen die ersten sieben Fallschirmjäger des Krieges, fünf weitere wurden verwundet. Ein anderer (und diesmal erfolgreicherer) Ein satz fand am 24. September 1939 statt, als gegen ein polnisches Artillerieregiment nahe Wola Gułowska vorgegangen wurde. Am 9. April 1940 begann das Unternehmen „Weserübung“, als deutsche Truppen Däne mark und Norwegen angriffen. Angesichts der Notwendigkeit, die Ostsee zu überqueren, weit gestreute Ziele anzugreifen und sich überle genen feindlichen Seestreitkräften stellen zu müssen, sahen die Fallschirmjäger nun die Chance gekommen, eine entscheidende Rolle zu spielen. Ihre Aufgabe war es, feindliche Flugplätze und strategisch wichtige Ver kehrsknotenpunkte einzunehmen. Dies würde die Landung weiterer Wehrmachtseinheiten und das Einrichten von Versorgungsflügen, die Güter und Verstärkungen transportierten, ermöglichen. Diese Operationen wurden in Oslo, Stavan ger, Dombas und Narvik äußerst erfolgreich durchgeführt und waren die ersten ihrer Art in der Militärgeschichte.
Die Grünen Teufel am Kanal von Korinth
Im Oktober 1940 marschierten italienische Truppen in Griechenland ein. Als ein Expediti onskorps, das aus britischen, australischen und neuseeländischen Soldaten bestand, im März zur Unterstützung der Griechen landete, sah sich Deutschland gezwungen, zu Gunsten seines Achsenpartners einzugreifen. Am 6. April startete Hitler daher Unternehmen „Mari ta“, die Invasion Griechenlands. Nach nur zwei Wochen befanden sich die alliierten Truppen auf dem Rückzug. Am 25. April führten die Deutschen eine Luftoperation mit dem Ziel durch, eine über den Kanal von Korinth führende Brücke ein
„EIN MANN MUSSTE IN DER LAGE SEIN, EINE MASCHINENGEWEHRSTELLUNG ODER EINEN BUNKER IM ALLEINGANG AUSZUNEHMEN, SELBST WENN ER NUR MIT EINER PISTOLE BEWAFFNET WAR.“
Fallschirmjäger trugen keinen normalen Armeehelm, sondern einen speziell für sie angefertigten, der Kopf und Hals bei der Landung schützte.
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Von oben rechts: Ein Fallschirmjäger mit leichtem Maschinengewehr in der Schlacht um Monte Cassino. Drei Soldaten geben während der alliierten Invasion in Italien (1943) Deckungsfeuer. Ein Fallschirmjäger nutzt eine Kampfpause für eine schnelle Zigarette. Ein Soldat mit Tarnhelm zielt 1944 in Frankreich mit seinem FG 42. Oberleutnant Horst Kerfin nach der Einnahme der Willemsbrücke in Rotterdam.
HITLERS TOLLKÜHNE ELITE Ein Panzerkampfwagen „Tiger“ nimmt an der Nordfront Fallschirmjäger als Anhalter mit (Winter 1942/43).
Hauptmann Gerhart Schirmer, Führer des II. Bataillons, nach der Rückkehr von Kreta, Juni 1941.
Soldaten werden auf das Regiment General Göring vereidigt, einem Vorgänger der Fallschirmjäger.
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EINSATZ DER FALLSCHIRMJÄGER zunehmen. Diese Brücke verband die Ägäis mit dem Ionischen Meer und bildete damit den Hauptfluchtweg der Alliierten. Die Kon trolle über jene Route würde einerseits den alliierten Rückzug stoppen und andererseits den Deutschen den Weg über die Landenge sichern. Am 26. April landeten einige Fall schirmjäger des Fallschirmjäger-Regiments 2 unter dem Kommando von Leutnant Hans Teusen nahe der Brücke, besiegten die briti schen Verteidiger und machten sich daran, deren Sprengungsvorbereitungen rückgängig zu machen. Doch dann schlug das Schicksal zu: Ent weder hatten die Briten ihre Sprengladungen noch zünden können oder eine abgefeuerte Kugel traf die explosiven Vorrichtungen – je denfalls gab es eine gewaltige Explosion, die die Brücke zerstörte und viele Opfer unter Teu sens Männern forderte. Zwei weitere Bataillo ne des Regiments landeten nur Augenblicke später, zwangen die Briten zum Rückzug und machten zahlreiche griechische und britische Gefangene. Die Deutschen hatten 62 Gefalle ne und 174 Verwundete zu beklagen.
Unternehmen „Merkur“: Sprung in die Hölle
Kreta diente alliierten Bombern als Basis, was für die Ölfelder in Rumänien
eine Bedrohung darstellte – ein Umstand, der Hitler den Rat des OKH (Oberkommando des Heeres) ignorieren ließ, das sich lieber voll und ganz auf die Invasion der Sowjetunion konzentrieren wollte und von einem Angriff auf die Mittelmeerinsel abriet. Mit Unterstützung der Luftwaffe entschied Hitler, dass im Mai 1941 ein Luftangriff stattfinden solle. Am 2. Mai wurden 13.000 Soldaten der Luftlandetruppen (Luftlande-Sturm-Regiment sowie die Fallschirmjäger-Regimente 1, 2 und 3) zusammen mit 9.000 Gebirgsjägern in drei Gruppen eingeteilt, die in zwei Wellen per Fall schirm, Lastensegler oder über den Seeweg eintrafen. Sobald die ersten Transportflüge über die Insel gerauscht und die ersten Män ner abgesprungen waren, wurde klar, dass etwas schrecklich schiefgegangen sein muss te. Die Verteidiger waren über den deutschen Angriff informiert worden und hatten genug Zeit gehabt, sich vorzubereiten. Die Briten hatten deutsche Codes im Juli 1941 geknackt und seitdem routinemäßig den deutschen Funkverkehr abgehört. Mehr
als 40.000 Soldaten waren bereit, Hitlers Truppen einen heißen Empfang zu bereiten. Hunderte Fallschirmjäger wurden getötet, bevor sie überhaupt den Boden erreicht hatten, während andere ins Meer stürzten und ertranken, nachdem ihre Flugzeuge durch das schwere Flak-Feuer vom Kurs abgekommen waren. Für die zweite Angriffswelle lief es nicht viel besser. Nach einem verzögerten Start er reichten die Flugzeuge die Insel vereinzelt und nacheinander statt als Formation. Auf See machte die Royal Navy derweil kurzen Prozess mit von den Deutschen beschlagnahmten griechischen Booten, die Männ der der 5. Gebirgs-Division anlanden sollte. Obwohl einige Zielobjekte eingenommen werden konnten, hatten die Angreifer um je den Meter Boden hart zu kämpfen. Sie waren anfangs nicht nur den gegnerischen Streitkräf ten zahlenmäßig unterlegen, sondern sahen sich auch mit einer bewaffneten und kampfbe reiten Zivilbevölkerung konfrontiert. Auf Kreta wurde jungen Soldaten ein altes Problem der Fallschirmtruppe zum Verhäng
„ALS DIE ERSTEN TRANSPORTFLÜGE ÜBER DIE INSEL GERAUSCHT WAREN UND DIE ERSTEN MÄNNER ABGESPRUNGEN WAREN, WURDE KLAR, DASS ETWAS SCHRECKLICH SCHIEFGEGANGEN SEIN MUSSTE.“
Mitglieder der Sturmabteilung Koch nach der Einnahme von Fort Eben-Emael.
Ein junges Mitglied des Fallschirmjäger-Regiments 2.
Fallschirmjäger mit gerade verliehenen Eisernen Kreuzen an der Ostfront.
Ein junger Fallschirmjäger in Italien, 1943
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HITLERS TOLLKÜHNE ELITE
¨ Fall Gelb: Der Fuß in der Tur
82 MÄNNER DER FALLSCHIRMTRUPPE NAHMEN IN BELGIEN DAS GRÖSSTE FORT DER WELT EIN: EBEN-EMAEL. Zu Beginn des Westfeldzuges wurde die Fallschirmtruppe damit beauftragt, eine Reihe von Befestigungsanlagen an der belgischen Grenze und strategisch wichtige Brücken einzunehmen sowie die niederländische Regierung in Den Haag auszuschalten. Eines der vorgesehenen Ziele war das gigantische Fort Eben-Emael in Belgien, das zwischen 1931 und 1935 an der Grenze zu den Niederlanden in der Nähe des Albert-Kanals erbaut worden war. Es war das seinerzeit größte und beeindruckendste Fort der Welt, gespickt mit Gefechtstürmen und Kasematten. Unter ihm befand sich ein insgesamt fünf Kilometer langes Tunnelsystem. Mit einer Fläche von fast 1,5 Quadratkilometern stellte es selbst die größten Festungsanlagen der französischen Maginotlinie in den Schatten. Mit dem Einnehmen der gewaltigen Festung und dreier nahegelegener Brücken wurde eine eigens hierfür gegründete Einheit namens Sturmabteilung
Koch unter der Leitung des Hauptmanns Walter Koch betraut. Diese Gruppe bestand aus 427 Männern, elf Offizieren des Fallschirmjäger-Regiments 1 und einer Gruppe Lastensegler. Die Einheit gliederte sich in vier Untereinheiten: Gruppe Eisen (Leutnant Martin Schächter), Gruppe Beton (Leutnant Gerhard Schacht) und Gruppe Stahl (Oberleutnant Gustav Altmann) sollten die Brücken in Cannes, Vroenhoven and Veldwezelt einnehmen, die Aufgabe der Gruppe Granit (Leutnant Rudolf Witzig) bestand darin, Eben-Emael selbst zu erobern – mit lediglich 82 Männern und elf Lastenseglern. Um 5:20 Uhr am Morgen des 10. Mai 1940 landeten Witzigs Flieger auf dem Dach des Forts. Die Fallschirmjäger waren mit Hohlladungen, Sprengstoff und Flammenwerfern ausgestattet. Innerhalb von zehn Minuten schaltete die Gruppe Granit unter heftigem Feindbeschuss 14 Kanonen aus und nahm sieben Kasematten ein.
„IHRE TATEN IM LAUFE DES WESTFELDZUGES BRACHTEN DEN FALLSCHIRMJÄGERN EINEN LEGENDÄREN, FAST MYTHISCHEN RUF EIN.“
Diesen Offizieren wurde für die Einnahme des belgischen Forts Eben-Emael das Ritterkreuz verliehen.
Die ober- und unterirdischen Kämpfe dauerten bis in die Morgenstunden des nächsten Tages an, als die deutschen Verstärkungen eintrafen und die Belgier sich ergaben. 82 Männer hatten das größte Fort der Welt eingenommen. 60 Verteidiger wurden dabei getötet und über 1.000 gefangen genommen. Sechs Männer der Gruppe Granit ließen bei dem Einsatz ihr Leben, 30 wurden verletzt. Die Fallschirmjäger in Holland waren nicht minder erfolgreich und nahmen wichtige Flugplätze und Brücken ein. In Rotterdam landeten 50 Oberleutnant Horst Kerfin unterstehende Männer im FeijenoordStadion, von wo aus sie mit einer beschlagnahmten Straßenbahn zur Willemsbrücke fuhren, die sie anschließend besetzten. In Dordrecht und Moerdijk nahmen sie weitere Brücken ein, die sie zwei Tage lang bis zur Ankunft der deutschen Panzer hielten. Ihre Taten im Laufe des Westfeldzuges brachten den Fallschirmjägern einen legendären, fast schon mythischen Ruf ein, den sie bis Kriegsende nicht wieder verlieren sollten. Sie waren die Spitze der Elite und fühlten sich unverwundbar.
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EINSATZ DER FALLSCHIRMJÄGER
Fallschirmjäger landen 1941 auf Kreta.
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HITLERS TOLLKÜHNE ELITE
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EINSATZ DER FALLSCHIRMJÄGER
Des Teufels Arsenal UM HINTER DEN FEINDLICHEN LINIEN ZU ÜBERLEBEN, MUSSTEN DIE MÄNNER VORBEREITET SEIN. Da sie erwarteten, in feindlichem Gebiet auf einen zahlenmäßig überlegenen Gegner zu treffen, waren Fallschirmjäger-Einheiten schwer bewaffnet. Mit der Feuerkraft automatischer Waffen wollten sie ihre Nachteile wettmachen. Auf dem Papier war die typische Fallschirm-Einheit nicht nur größer als die der regulären Armee (um etwaige beim Sprung erlittene Verluste auszugleichen), sondern auch besser bewaffnet.
Im Einsatz sollten die „Grünen Teufel“ zwei leichte Maschinengewehre (statt wie sonst üblich eines) bei sich führen, was ihnen bemerkenswerte Feuerkraft verlieh. Diese allein schon beeindruckenden Waffen wurden durch ein oder zwei Maschinenpistolen ergänzt, der Rest der Truppe erhielt Repetierbüchsen. Nach relativ kurzer Zeit wurde die Anzahl der MPs noch erhöht. Neben den Handfeuerwaffen wurden Nahkampfmittel (Granaten oder
Sprengstoffe) sowie Panzerabwehrhandwaffen mitgeführt. Ein weiterer Unterschied zu regulären deutschen Infanterieeinheiten war der Umstand, dass jeder Fallschirmjäger eine Pistole bei sich trug. Zusammen mit den Gebirgsjägern setzten die Luftlandeeinheiten zudem als erste rückstoßfreie Geschütze ein. Einige Waffen der Fallschirmjäger sind hier abgebildet.
PISTOLE 38 (P38)
FALLSCHIRMJÄGERGEWEHR 42 (FG 42)
Diese Waffe wurde Mitte der 1930er entwickelt, um die legendäre, aber weitaus kostspieligere P 08 „Luger“ zu ersetzen. Mitte des Jahres 1940 ging die Walther P38 in Produktion und wurde die Standard-Sekundärwaffe im Zweiten Weltkrieg. Obwohl viele verschiedene Pistolen in der Wehrmacht zum Einsatz kamen, war keine je so verbreitet wie diese.
Das fortschrittliche und speziell für die Fallschirmtruppe entwickelte FG 42 war ein Gasdrucklader, von dem lediglich 10.000 Stück hergestellt wurden. Es konnte sowohl als voll- wie auch als halbautomatische Waffe genutzt werden, verfügte über ein kleines Zweibein und ein 20 Patronen fassendes Magazin an der linken Seite. Geladen wurde es mit der deutschen Patrone 8 × 57 IS „Infanterie Spitz“, was jedoch für einen schweren Rückstoß und schwere Handhabung sorgte, wenn sie im VollautomatikModus abgefeuert wurde.
STURMGEWEHR 44 (STG 44)
Das StG 44 wurde erstmals in größerer Anzahl an die altgediente 1. Infanterie-Division an der Ostfront 1944 verteilt. Die häufig als erstes richtiges Sturmgewehr bezeichnete Waffe nutzte eine kleinere Patrone, was die Kontrolle beim Dauerfeuer erleichterte. Das StG 44 verfügte über große Feuerkraft und fast 500.000 Exemplare wurden produziert. Sein Gewicht und das lange, gekrümmte Magazin, das sich in einigen Situationen als unpraktisch erwies, stießen bei den Soldaten auf wenig Gegenliebe, was jedoch durch die Durchschlagskraft wieder kompensiert wurde. Die Fallschirmjäger erhielten das StG 44 in nennenswertem Umfang kurz vor der Ardennenoffensive 1944.
„DIE OFT ALS ERSTES RICHTIGES STURMGEWEHR BEZEICHNETE WAFFE NUTZTE EINE KLEINERE PATRONE, WAS DIE KON TROLLE BEIM DAUERFEUER ERLEICHTERTE.“ MASCHINENGEWEHRE 34 UND 42 MEHRLADEKARABINER MODELL MAUSER K98K
Das Standardgewehr der Deutschen während des gesamten Krieges war diese Repetierbüchse aus dem Hause Mauser. Sie galt als eine der zuverlässigsten, akkuratesten und qualitativ besten Waffen jener Zeit. Der Karabiner verschoss die Patrone 8×57 IS – zugeführt durch einen fünf Kugeln fassenden Ladestreifen – und war noch auf 1,5 Kilometer tödlich.
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Das MG 34 und das MG 42 gehörten zu den effektivsten leichten Maschinengewehren des Zweiten Weltkriegs. Das MG 42 wurde eingeführt, um das MG 34 zu ersetzen, denn es war einfacher und billiger in der Produktion (da es in erster Linie aus gestanzten Stahlplatten bestand) und eine beeindruckende Feuerrate von 1.500 Schuss pro Minute aufwies. Beide Modelle nutzten die 8x57-IS-Patrone und spielten bis Kriegsende eine wichtige Rolle bei deutschen Verteidigungstaktiken. In der Wehrmacht erhielt das MG 42 eine Reihe von Spitznamen, etwa „Hitlersäge“, „Knochensäge“ oder „Hitlersense“.
HITLERS TOLLKÜHNE ELITE nis. Die RZ-16-Fallschirme und ihr Gurtzeug machten bei der Landung eine Vorwärtsrolle notwendig. Um Verletzungen zu vermeiden, konnte ein Mann lediglich seine Pistole, einige Granaten und höchstens noch eine Maschinenpistole bei sich tragen, während größere, schwerere Waffen und mehr Munition in speziellen Behältern abgeworfen werden musste. In dem Gefechtschaos landeten einige Fallschirmjäger weit entfernt von diesen Behältnissen und waren gezwungen, mit jener Ausrüstung vorliebzunehmen, die sie am Körper trugen. Obwohl sie zahlenmäßig unterlegen waren und viele Verluste zu beklagen hatten – darun ter auch hochrangige Offiziere –, machten sich die Flexibilität, die Ausbildung und die Führung der Deutschen bezahlt; sie begannen, feindli che Stellungen einzunehmen und schwärmten über die Insel aus, um Verteidigungsanlagen zu zerstören. Nachdem die Flugplätze unter Kontrolle waren, wurden Versorgungsgüter und Verstärkung eingeflogen und am 27. Mai waren sich die Alliierten demoralisiert zurück. Iraklio, größte Stadt und Verwaltungssitz der Insel, war in deutscher Hand. Mehr als 2.000 Fallschirmjäger waren im Kampf gefallen, rund 1.700 galten als vermisst und weitere 2.000 waren verwundet. Die Alliierten hatten 3.500 Tote und Verletzte zu beklagen, 17.500 von ihnen waren in Ge fangenschaft geraten. Darüber hinaus wurde der Sieg von Gräueltaten der Fallschirmjäger überschattet: Mehrere hundert Zivilisten wurden aus Rache für angebliche Angriffe auf deutsche Truppen massakriert. Kurt Student hatte gehofft, dass der Erfolg auf Kreta zu weiteren, auch waghalsigeren Fallschirmsprungoperationen führen würde. Hitler jedoch war von den Verlusten derart schockiert, dass er entschied, dass das Über raschungsmoment dahin sei. Obwohl es noch einige kleinere Fallschirmsprungoperationen gab, nahmen die „Teufel“ von nun an die Rolle einer Elite-Infanterieeinheit an. Nach dem Krieg wurde Student wegen Kriegsverbrechen zu fünf Jahren Haft verurteilt.
Italien, Sizilien und Nordafrika
Die erste Fallschirmjägereinheit, die im Januar 1942 in Afrika eintraf, war die Kampfgruppe Burckhardt, die als Teil von Rommels Afrika korps an der Offensive teilnahm, die die Briten zurück in die Kyrenaika drängte. Im Juli landete die Fallschirmjäger-Brigade 1 unter Generalmajor Hermann-Bernhard Ramcke und wurde an der Front bei El Alamein eingesetzt. Obwohl er keine motorisierten Fahrzeuge mehr hatte und durch General Montgomerys Offensive abgeschnitten war, entschloss sich Ramcke im Oktober, nicht zu kapitulieren. Stattdessen führte er seine 600 verbleiben den Männer 320 Kilometer durch die heiße Wüste, kaperte britische Transportfahrzeuge, machte mehr als 100 Gefangene und überfiel eine feindliche Versorgungskolonne, um an Wasser und Nahrung für seine Soldaten zu gelangen. Einige Teile von Fallschirmjäger- Einheiten dienten bis zur Kapitulation der deutschen und italienischen Streitkräfte im Mai 1943 in Afrika. Ab Juli 1943 setzte das „Dritte Reich“ die „Teufel“ zur Verstärkung der Truppen der
„DIE KOMMANDANTEN SAHEN DIE FALLSCHIRMJÄGER OFT ALS EINE ART FEUERWEHR FÜR BRENZLIGE SITUATIONEN AN.“ Achsenmächte bei der Verteidigung Siziliens ein, als die Insel im Rahmen der Operation „Husky“ von den Alliierten angegriffen wurde. Fünf Bataillone der Fallschirmjäger-Regimenter 3 und 4 kamen in der Gegend um Catania zum Einsatz, wo sie auf ihr britisches Pendant, die Red Devils der 1st Parachute Brigade, trafen. Nachdem sie zusammen mit anderen deutschen Einheiten zurückgedrängt worden waren, gehörten die Fallschirmjäger zu den Letzten, die die Insel verließen. Kurz nach dem Austritt Italiens aus der Ach se und der Verhaftung Mussolinis, gehörten die Fallschirmjäger zu jenen Einheiten, die nach Rom gesandt wurden, um die dortige Garnison zu entwaffnen. Am 12. September wurde Unternehmen „Eiche“ durchgeführt, bei der drei Kompanien des Fallschirmjäger-Lehr- Bataillons einen der spektakulärsten Einsätze des Krieges absolvierten. Nachdem sie die Talstation einer Seilbahn besetzt hatten, die zum Hotel Campo Impe ratore, einem Ski-Ressort in den Abruzzen, führte, landeten 72 deutsche Fallschirmjäger unter Kommando von Oberleutnant Georg Freiherr von Berlepsch mit einem Lastensegler in der Nähe des Hotels selber. Sie sollten den hier festgehaltenen „Duce“ befreien. Unter stützt wurden sie dabei von 16 Angehörigen der Waffen-SS und sechs SD-Kommandos des Sonderverbandes z.b.V. Friedenthal unter dem Kommando von Hauptsturmführer Otto Skorzeny. Die italienischen Wachen leisteten keinen Widerstand und Mussolini wurde in Begleitung von Skorzeny ausgeflogen. Obwohl die „Teufel“ den größten Verdienst an dem Erfolg der Mission gehabt hatten, legte die NS-Propaganda den Fokus auf Skorzeny. Im Januar 1944 verteidigte die 1. Fall schirmjäger-Division einen Abschnitt der Gustav-Linie in der Nähe der Stadt Cassino, eine kleine Stadt am Fuße eines Berges und dominiert von dem alten Benedektinerkloster Montecassino. Die Schlacht tobte für fast fünf Monate, in denen die Alliierten immer wieder versuchten, einen Durchbruch nach Rom zu schaffen. Aufgrund der falschen Annahme, deutsche Einheiten würden sich im Kloster aufhalten, zerbombten es die Alliierten am 15. Februar 1944. Die Fallschirmjäger verbauten die Trümmer sofort in ihre Verteidigung, was jene nur noch stärker machte. Mitte Mai zogen sich die Fallschirmjäger Richtung Rom zurück. Doch einige ihrer Einheiten, darunter die neu gegründete 4. Fallschirmjäger-Division, bekämpfte weiterhin Rechts, von oben nach unten: Ein Stabsfeldwebel der Fallschirmjäger kehrt von Kreta zurück, Grafenwöhr 1941. Gruppenfoto vor dem ersten Sprung: junge Fallschirm jäger-Rekruten, Stendal 1940. Ein Wehrmachtssoldat mit seinem StG 44. Die Probleme mit dem sperrigen Magazin sind augenscheinlich. Deutsche Gebirgsjäger in einer Junkers Ju 52 über Kreta, 1941.
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EINSATZ DER FALLSCHIRMJÄGER die Alliierten bei Anzio und Nettuno, Florenz, Bologna und am Futapass, bis die deutschen Streitkräfte in Italien am 2. Mai 1945 die Waffen streckten.
Die Ostfront: Grab der „Teufel“
Die Ostfront wird zu Recht oft als das „Grab der Fallschirmtruppe“ bezeichnet. Aufgrund ihrer Durchschlagskraft und ihrem guten Ruf entschieden deutsche Kommandanten oft, die „Grünen Teufel“ als eine Art Feuerwehr anzu sehen, die man immer dort einsetzen konnte, wo die Siuation besonders brenzlig war. Um diese Rolle ausfüllen zu können, wurden die Regimenter oft aufgeteilt, häufig in Kompanie stärke und mehr als 160 Kilometer von ihrer Stammeinheit entfernt. Der Krieg im Osten war ein Krieg der Ideo logien, der noch verbissener als im Westen geführt wurde. Eine der ersten Einheiten, die an der Ostfront ankamen, nur kurz nachdem sie schwere Verluste auf Kreta hatte hinneh men müssen, war die 7. Fliegerdivision. Sie erreichte die dichten Wälder und Sümpfe der Newa-Front nahe Leningrad Ende August 1941. Die Soldaten waren sogleich an Kampf handlungen beteiligt. Die Heeresgruppe Nord belagerte die Stadt und wurde immer wieder in brutale Gefechte mit verzweifelten sowjeti schen Truppen verwickelt, die einen Ausbruch versuchten. Innerhalb von zwei Monaten hatte die Division 3.000 Mann verloren. Bis Oktober waren alle Offiziere des Luftlande-Sturm-Regiments getötet oder ver wundet worden. Mitte November sanken die Temperaturen auf -30 Grad, doch die Männer der 7. Flieger-Division hielten bis Dezember aus, bevor Verstärkung eintraf. Fallschirmjäger-Einheiten dienten jedoch noch weiterhin im Osten: Sie kämpften bei Leningrad und Stalingrad 1941/42, bei Smo lensk 1942/43, bei Schytomyr im November 1943 und bei Kropywnyzkyj im Dezember desselben Jahres. 1944 zeichnete sich keine Verbesserung ab, die Luftlandetruppen wur den durch verzweifelte Aktionen dezimiert, in Fallschirmjäger der Fallschirmschule in Stendal 1938 bei einer Übung, in der das Vorrücken und Angreifen direkt nach der Landung geübt wird.
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denen sie versuchten, Risse in der Front aus zugleichen und den sowjetischen Vormarsch zu stoppen. Doch sie wurden immer weiter Richtung der Reichsgrenzen gedrängt.
Verteidigung des Reichs
Nach der Landung der Alliierten in der Nor mandie am 6. Juni 1944 war eine der ersten deutschen Einheiten, die die amerikanischen Elitesoldaten der 101st und 82nd Airborne Di visions in der Gegend um Carentan angriffen, das Fallschirmjäger-Regiment 6 unter dem Kommando von Major Friedrich von der Heyd te. Obwohl die Einheit letztendlich aufgerieben wurde, rang sie dem Feind Respekt für ihre tapfere Gegenwehr ab und erhielt den Spitzna men „die Löwen von Carentan“. Während die Alliierten ihre Kräfte an den Stränden und Brückenköpfen sammelten, hielten die Kämpfe um die Normandie an. Die von den alliierten Luftstreitkräften unter Druck gesetzten deutschen Einheiten (unter ihnen auch Fallschirmjäger) erlitten hohe Verluste. Als die Alliierten die Operationen „Goodwood“ und „Cobra“ starteten, wurde der letzte deutsche Widerstand hinweggefegt. Vier Fallschirmjäger-Divisionen wurden quasi ausgelöscht; die letzte von ihnen streckte im September 1944 bei Brest die Waffen. Nachdem die deutsche Front bis nach Belgien gedrängt worden war, wurden neue
Einheiten gebildet, die größtenteils aus den Veteranen von der Normandie bestanden und eine neue Fallschirmjäger-Truppe formen sollten. Diese 1. Fallschirm-Armee unter General Student wurde zur Abwehr der Operation „Market Garden“ eingesetzt, wo sie sich tapfer schlug. Doch die deutsche Gegenwehr konnte den alliierten Vormarsch nur verlangsamen, nicht aufhalten, sodass die „Grünen Teufel“ schon bald auf Reichsgebiet kämpften. Am 16. Dezember 1944 wurde Unternehmen „Stößer“ durchgeführt. Der Einsatz war nicht nur Teil von Hitlers Arden nenoffensive, sondern auch die letzte deutsche Luftlandeoperation des Krieges. Einige Fallschirmjäger unter Oberstleutnant von der Heydte bekamen den Auftrag, nördlich von Malmedy hinter den feindlichen Linien zu lan den und strategisch wichtige Straßenkreuzungen zu besetzen. Diese sollten bis zum Eintreffen der 12. SS-Panzer-Division gehalten werden. Doch hier kämpften nicht die Männer, die Kreta eingenommen oder sich in der Schlacht um Monte Cassino verdient gemacht hatten. Viele von ihnen waren jung, unerfahren und noch nie in einer Kampfsituation gewesen. Gleiches galt für die Crew der Transportflugzeuge. Schlechte Wit terungsbedingungen und Unerfahrenheit sorgten für Chaos. Von der Heydte hatte lediglich 125 Männer zur Verfügung, die nur leicht bewaffnet und teilweise vom Sprung verletzt waren. Die Funkgeräte wa
„OBWOHL DIE MEISTEN ERFAHRENEN KÄMPFER BEREITS GEFALLEN UND DIE REIHEN MIT NUR UNZUREICHEND AUSGEBILDETEM ERSATZ AUFGEFÜLLT WORDEN WAREN, WAR DIE MORAL NOCH LANGE NICHT GEBROCHEN.“
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„DIE ZEHN GEBOTE DES DEUTSCHEN FALLSCHIRMJÄGERS“, VERFASST VON KURT STUDENT, WURDEN DEN FALLSCHIRMJÄGERN VOR DER LUFTLANDESCHLACHT UM KRETA EINGESCHÄRFT.
Die zehn Gebote des ¨ deutschen Fallschirmjagers Oben, von links nach rechts: Zwei Fallschirmjäger beobachten feindliche Truppenbewegungen, Italien 1943. Das Rauchen war eine der kleinen Freuden an der Front, doch die Tabakrationen wurden immer kleiner.
ren zerstört. Selbst als Verstärkung kam und sich seine Truppe auf 300 Mann vergrößerte, gab er seinen Untergebenen den Befehl, sich in kleine Gruppen aufzuteilen und auf eigene Faust zu ver suchen, sich nach Deutschland durchzuschlagen. Weniger als die Hälfte schaffte es. Der am Arm verletzte von der Heydte ergab sich einige Tage später den Amerikanern. Die letzten großen Einsätze der deutschen Fallschirmjäger fanden während der alliierten Operationen „Plunder“ und „Varsity“ am Nie derrhein statt. Obwohl die meisten erfahrenen Kämpfer bereits gefallen und die Reihen mit nur unzureichend ausgebildetem Ersatz aufgefüllt worden waren, war die Moral noch lange nicht gebrochen. Die Kameradschaft und der Kampf geist hielten die Einheiten noch immer zusam men. Die Offiziere wussten das und setzten die „Grünen Teufel“ erneut als rasche Eingreiftruppe ein; Bataillone, Kompanien und Züge verteidigten überall im Bereich der Abwehrfront Gehöfte, Wäl der und die zerbombten Überreste von Dörfern und Städten. Doch dann endete der Krieg – und mit ihm die Geschichte der „Grünen Teufel“.
Bilder: Alamy, Getty, TopFoto
Fallschirm- und Gebirgsjäger gedenken ihrer gefallenen Kameraden nach der Luftlandeschlacht um Kreta.
1 DU BIST EIN AUSERWÄHLTER DER DEUTSCHEN ARMEE! 2 DU WIRST DEN KAMPF SUCHEN UND DICH AUSBILDEN, JEDE ART VON PRÜFUNG ZU ERTRAGEN. 3 FÜR DICH SOLL DIE SCHLACHT ERFÜLLUNG SEIN. 4 PFLEGE WAHRE KAMERADSCHAFT, DENN DURCH DIE HILFE DEINER KAMERADEN WIRST DU SIEGEN ODER STERBEN! 5 HÜTE DICH VORM REDEN! SEI NICHT BESTECHLICH! MÄNNER HANDELN, WÄHREND FRAUEN SCHWATZEN. REDEN KANN DICH INS GRAB BRINGEN! 6 SEI RUHIG UND VORSICHTIG, STARK UND ENTSCHLOSSEN! TAPFERKEIT UND BEGEISTERUNG EINES ANGRIFFSGEISTES WIRD DICH DIE OBERHAND IM ANGRIFF BEHALTEN LASSEN. 7 DAS WERTVOLLSTE ANGESICHTS DES FEINDES IST DIE MUNITION. DERJENIGE, DER UNNÜTZ SCHIESST, NUR UM SICH ZU BERUHIGEN, VERDIENT NICHT DEN NAMEN „FALLSCHIRMJÄGER“. 8 DU KANNST NUR SIEGREICH SEIN, WENN DEINE WAFFEN GUT SIND. ACHTE DARAUF, DASS DU DICH AN DAS GESETZ HÄLTST: „ERST MEINE WAFFE UND DANN ICH!“ 9 DU MUSST DEN VOLLEN SINN JEDES UNTERNEHMENS VERSTEHEN, DAMIT, WENN DEIN FÜHRER FÄLLT, DU SELBER HANDELN KANNST. GEGEN EINEN OFFENEN FEIND KÄMPFE MIT RITTERLICHKEIT, ABER EINEM PARTISANEN GEWÄHRE KEINEN PARDON! 10 HALTE DEINE AUGEN OFFEN! SEI BEHENDE WIE EIN WINDHUND, SO ZÄH WIE LEDER, SO HART WIE KRUPPSTAHL, NUR SO WIRST DU DIE VERKÖRPERUNG DES DEUTSCHEN KRIEGERS. 39
DIE SCHWARZE SCHAR ,e
DIE SCHWARZE SCHAR TEXT: ROBIN SCHÄFER
In den turbulenten Zeiten der Napoleonischen Kriege erkämpften sich deutsche Soldaten einen legendären Ruf.
Das Abzeichen, das die Schwarze Schar in den Schlachten bei Quatre-Bras und Waterloo an ihren Tschakos trug.
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DIE SCHWARZE SCHAR
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ährend des Vierten Koalitionskrieges wurde in der Schlacht bei Auerstedt am 14. Oktober 1806 Herzog Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig, Oberbefehlshaber der preußischen Truppen, von einer Musketenkugel verletzt. Auch sein Stellvertreter wurde verwundet und seine Männer, die unter einem ungeschickten Kommandosystem und veralteten Taktiken litten, wurden schließlich von einem nur halb so großen französischen Heer besiegt. Der 71-jährige Herzog, der durch die Kugel beide Augen verloren hatte, kehrte nach Braunschweig zurück und erklärte – da seine drei ältesten Söhne an einer Sehbehinderung litten – seinen jüngsten Spross Friedrich Wilhelm zu seinem Nachfolger. Der Herzog appellierte an Napoleon Bonaparte persönlich, dass er doch seinem neutralen Land Gnade zuteilwerden und ihn in Frieden sterben lasse. Als diese Wünsche ausgeschlagen wurden, verließ Karl Wilhelm Ferdinand seine Heimat und floh auf neutrales dänisches Gebiet. Nachdem er von seiner Gattin, seiner Schwester und seinen beiden ältesten Söhnen Abschied genommen hatte,
erlag er am 10. November 1806 seinen Verletzungen. Am 26. Oktober erreichte ein Regiment französischer Kavallerie Braunschweig und übernahm im Namen des französischen Kaisers formal die Kontrolle, indem sie das alte Wappen vom Braunschweiger Schloss entfernten. Das Haus Braunschweig hatte aufgehört zu existieren, sein Territorium ging im Königreich Westphalen auf, das von Napoleons Bruder Jérôme regiert wurde. Der junge, aber enteignete Herzog Friedrich Wilhelm hatte als Generalmajor in der preußischen Armee gedient und in dieser Funktion in den Schlachten bei Jena und Auerstedt und bei Lübeck teilgenommen. Nun begab er sich in das niederschlesische Herzogtum Oels zurück, welches er 1805 geerbt hatte. Nachdem er eine jährliche Pension von 100.000 Gulden, die ihm vom König von Westphalen angeboten worden war, abgelehnt hatte, reiste er 1808 nach Österreich, wo er sich dem Kampf gegen Napoleon zur Verfügung stellte.
Tag der Rache
Als 1809 der Fünfte Koalitionskrieg ausbrach, ergriff der enteignete Herzog von Braunschweig
„DER HERZOG APPELLIERTE AN NAPOLEON BONAPARTE PERSÖNLICH, DASS ER DOCH SEINEM NEUTRALEN LAND GNADE ZUTEILWERDEN LASSE.“
– angetrieben von Rachedurst und beseelt von dem Wunsch, den Besitz seiner Familie zurückzuerobern – die Gelegenheit, um ein Korps aufzustellen, das an der Seite Österreichs kämpfen sollte. Es bestand aus zwei Bataillonen Linieninfanterie, einem Jäger-Bataillon, einer Kompanie Scharfschützen und drei berittenen Einheiten. Das Hauptquartier der neuen Truppe befand sich in Nachod im nordöstlichen Böhmen und es dauerte nicht lange, bis die ersten jungen Männer eintrafen, um freiwillig unter dem Banner des Herzogs zu dienen. Bemerkenswerterweise waren nur ein kleiner Teil dieser Soldaten gebürtige Braunschweiger. Aufgrund der Nähe zu Preußen und des Umstands, dass die dortige Armee durch den Frieden von Tilsit auf 42.000 Mann beschränkt war, handelte es sich bei den meisten Freiwilligen um preußische Soldaten und Offiziere. Sie mussten dabei vorsichtig sein, hatte ihre Regierung ihnen doch verboten, sich deutschen Freikorps jedweder Art anzuschließen. Am 1. April 1809 wurde das Freikorps offiziell aufgestellt. Finanziert wurde es durch die Beleihung des Besitzes von Friedrich Wilhelm für die Summe von zwei Millionen Talern. Zwei Braunschweiger Husaren in ihren schwarzen Uniformen. Weshalb die Farbe Schwarz gewählt wurde, ist bis heute nicht abschließend geklärt.
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DIE SCHWARZE SCHAR Der Marsch von 1809
Im Frühjahr 1809 sah Österreich die Gelegenheit, sich für die Niederlage bei Austerlitz 1805 zu rächen. Die Franzosen waren in eine Reihe blutiger Konflikte in Spanien und mit mehreren deutschen Staaten verwickelt, Unruhe lag in der Luft. Am 10. April 1809 griff Österreich Bayern an und marschierte kurz darauf ins Herzogtum Warschau ein – beide Staaten waren Verbündete Frankreichs. In der Zwischenzeit führte der Braunschweiger Herzog seine Männer nach Sachsen, um die dortige Bevölkerung dazu zu bringen, sich ihren Landsmännern anzuschließen und sich gegen die Franzosen zu erheben. Aus mehreren Gründen scheiterte dies, obwohl man weitere Freiwillige rekrutieren konnte. Die Schwarze Schar, wie die Soldaten landläufig genannt wurden, die inzwischen 1.400 Mann umfasste, befand sich noch in Sachsen, als der Herzog erfuhr, dass die Österreicher am 6. Juli 1809 in der Schlacht bei Wagram geschlagen worden waren und am 12. Juli einen Waffenstillstand mit den Franzosen geschlossen hatten. Friedrich Wilhelm musste sich nun entscheiden, ob er ebenfalls die Waffen strecken oder auf eigene Faust weiter
kämpfen wollte. Er entschied sich für Zweiteres und der „Zug der Schwarzen Schar“ begann. Diese legendäre Tat sorgte nicht nur bei der deutschen, sondern auch bei der europäischen Öffentlichkeit für Begeisterung. Am 24. Juli 1809 verkündete der Schwarze Herzog, so sein Beiname, seinen Offizieren, dass er niemals kampflos französische Herrschaft über deutsches Gebiet akzeptieren würde, selbst wenn dies zu seinem Untergang führen sollte, und dass es jedem Mann, der nicht an seiner Seite streiten wolle, freistehe zu gehen. In dem Wissen, dass ihre einzige realistische, aber höchst unwahrscheinliche Chance zu überleben in der Landung einer britischen Streitmacht in Norddeutschland lag, verließen 200 Soldaten und 27 Offiziere die Einheit. Am 27. Juli erreichte das Korps Halle. Die Stadt hatte bis 1807 zu Preußen gehört, war nun aber Teil von Westphalen. Die Bevölkerung begrüßte den Schwarzen Herzog und seine Kämpfer als Befreier. Am Abend des 29. Juli wurden durch blutigen Häuserkampf westphälische Truppen in Halberstadt besiegt. 1.500 der feindlichen Soldaten ergaben sich am Folgetag, 300 von ihnen traten der Schwarzen Schar bei. Die Begeisterung, mit der die Männer des
„DER SCHWARZE HERZOG VERKÜNDETE SEINEN OFFIZIEREN, DASS ER NIEMALS KAMPFLOS FRANZÖSISCHE HERRSCHAFT ÜBER DEUTSCHES GEBIET AKZEPTIEREN WÜRDE.“ Braunschweiger Infanteristen bei Quatre-Bras, wo sie dabei halfen zu verhindern, dass Ney einen Keil zwischen die alliierten Truppen treiben konnte.
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Herzogs von den Menschen willkommen geheißen wurden, verstärkte sich noch, als sie an der Grenze zum ehemaligen Herzogtum Braunschweig standen. Auf dem Marsch zur alten Residenzstadt Wolfenbüttel schlossen sich hunderte singende Zivilisten den Soldaten an, tausende jubelten am Wegesrand der 13 Kilometer langen Route nach Braunschweig selbst. Bemerkenswert war die Reaktion des Herzogs, als man ihn einlud, die Nacht in der ehemaligen Residenz zu verbringen. Er lehnte mit den Worten ab: „Das mag einmal so gewesen sein, aber es wurde gestohlen und gehört nun dem König von Westphalen, unter dessen Dach ich nicht beabsichtige zu rasten.“ Er schlief gemeinsam mit seinen Männern im Lager. Zu diesem Zeitpunkt umfasste das britische Heer an der Nordseeküste lediglich 800 Mann, sodass Friedrich Wilhelm mit seinen Truppen zur Wesermündung gelangen und von dort mit Schiffen nach England übersetzen wollte. Später am Tag erfuhr er, dass eine westphälische und eine holländische Divison auf die Stadt vorrückten, sodass er sich entschloss, die Westphalen im Kampf zu stellen und einen Durchbruch nach Norden zu erzwingen. Das Korps zerstörte mehrere wichtige Brücken und strebte Richtung Ölper, um seine Flanke zu schützen. Die Schwarze Schar sah sich einer westphälischen Streitmacht gegenüber, die ihnen zahlenmäßig mehr als 2:1 überlegen war. In dem folgenden hitzigen Gefecht wurde schnell deutlich, dass Tapferkeit allein die geringe
DIE SCHWARZE SCHAR
BRAUNSCHWEIGER INFANTERIE
TSCHAKO
Das Tschako breitete sich ab etwa 1800 aus und wurde vom Großteil der Regimenter der damaligen Zeit getragen. Diese Kopfbedeckung bestand aus gehärtetem Leder und dickem Filz, was einen gewissen Schutz bot. Der Schirm verhinderte, dass der Träger von der Sonne geblendet wurde. Auf den Tschakos der Braunschweiger prangte der berühmte Totenkopf.
DIE AUSRÜSTUNG DER DEUTSCHEN IN ENGLISCHEN DIENSTEN.
FELDFLASCHE
Die hölzerne Feldflasche wurde erstmals 1793 eingeführt. Trotter & Sons, der Haupthersteller, hatte bis 1803 ganze 200.000 Stück produziert. Dennoch gehörten Feldflaschen noch nicht zur Standardausrüstung, sodass britische Truppen während der Napoleonischen Kriege etwa auch Blechbüchsen verwendeten. Auf den Feldflaschen der Braunschweiger stand „B.L.J.“ für Braunschweig Lüneburgsche Jäger.
BROWN-BESS-MUSKETE
BAJONETT
Das Brown-Bess-Bajonett war von 1722 bis etwa 1840 das Standard-Infanteriebajonett und wurde auf die gleichnamige Muskete aufgepflanzt. Es verfügte über eine Fassung, die auf den Lauf des Gewehres passte, und eine Führungsrille, die kompatibel zu einer Nocke am Lauf, der sogenannten Bajonetthaft, war und dadurch arretiert wurde. Die Klinge stand seitlich ab, sodass gefahrlos geladen werden konnte.
Oben: Die Brown Bess nutzte einen Steinschloss-Mechanismus, der sie anfällig für schlechtes Wetter machte.
Illustration: Jean-Michel Girard – The Art Agency
„AUF DEN FELDFLASCHEN DER BRAUNSCHWEIGER STAND ‚B.L.J.‘ FÜR BRAUNSCHWEIG LÜNEBURGSCHE JÄGER.“
Diese Muskete gehörte seit 1797 zur Standardausrüstung der britischen Armee und wurde auch an die Braunschweiger nach deren Ankunft in England ausgeteilt. Während der Napoleonischen Kriege wurden fast drei Millionen Exemplare dieser Waffe hergestellt. Die einzige Veränderung in dieser Zeit war 1809 der Wechsel von einem schwanenhalsähnlichen Hahn zu einer verstärkten Version. Aufgrund der hohen produzierten Stückzahl war diese Waffe noch bis 1850 im britischen Militär im Einsatz.
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DIE SCHWARZE SCHAR Anzahl an Soldaten nicht wettmachen konnte. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Holländer aus Richtung Magdeburg kommend in die Schlacht eingreifen würden – das Schicksal der Schwarzen Schar schien besiegelt. Direkt nach Einbruch der Nacht aber erhielt der Herzog die Nachricht, dass sich die Westphalen zurückgezogen hatten und der Weg nach Norden frei war. Warum sich der westphälische General Reubell dazu entschlossen hatte, seine Truppen zurückzuziehen, ist bis heute nicht geklärt. Die Schwarze Schar strebte weiter nach Norden und legte in Gewaltmärschen pro Tag 48 Kilometer zurück. Der Feind war ihnen dicht auf den Fersen, dennoch schlossen sich den Braunschweigern auf ihrem Weg weitere Freiwillige an. Am 3. August erreichten sie Hannover, die dortige Garnison ergab sich kampflos. Zwei Tage später überquerte man die Weser und betrat damit das Herzogtum Oldenburg. Der dortige Regent, Peter I. Friedrich Ludwig von Oldenburg, dessen Land nach der Bildung des Rheinbundes unter französische Herrschaft gefallen war, hatte bereits von der Ankunft des Schwarzen Herzogs Nachricht erhalten – und offiziell befohlen, ihn unter allen Umständen aufzuhalten. Da er jedoch mit dem Hause Braunschweig verwandt war, sorgte er dafür, dass es zu keinem Zusammenstoß zwischen den Truppen kam. Um den Schein zu wahren, stellte sich eine kleine Oldenburger Kavallerieeinheit dem Herzog entgegen, ergab sich jedoch, ohne dass auch nur ein Schuss abgefeuert worden wäre. Die Oldenburger Dragoner waren nun offiziell Gefangene und dienten den Braunschweigern als Führer durch das Gelände. Nach einigen Scharmützeln erreichte die Schwarze Schar am 6. August 1809 Elsfleth. In den folgenden beiden Tagen wurden alle dort vor Anker liegenden Schiffe beschlagnahmt, sodass die Männer die Weser entlang bis nach Helgoland segeln konnten. Am 9. August erreichten sie die Insel und wurden von dort nach England gebracht. Jérome Bonaparte bekam einen Wutanfall, als er von Friedrich Wilhelms gelungener Flucht erfuhr. Der 482 Kilometer lange Marsch durch feindliches Gebiet sollte die Basis für den legendären Ruf des Schwarzen Herzogs bilden – doch der Krieg hatte gerade erst begonnen.
„DIE BRAUNSCHWEIGER STANDEN UNTER DEM BEFEHL DES DUKE OF WELLINGTON UND KÄMPFTEN IN PORTUGAL, SPANIEN UND SÜDFRANKREICH.“ sowie Söldnern und Freiwilligen aufgefüllt, die nicht nur aus deutschen Landen, sondern auch aus Polen, Holland, Serbien oder der Schweiz stammten. Dadurch erhöhte sich zwar die Zahl, Moral und Disziplin litten jedoch. Die schwarze Farbe der Uniformen wurde beibehalten. Die Männer wurden sodann in zwei Regimenter eingeteilt – ein Infanterie- und ein Kavallerieregiment – und kämpften von nun an als Braunschweig-Lüneburgsche Jäger unter englischer Flagge. Am 10. August 1810 wurden sie nach Lissabon verschifft. Nachem sie ihren Zielhafen erreicht hatten, standen sie unter dem Befehl des Duke of Wellington und kämpften in Portugal, Spanien und Südfrankreich. Teile der Braunschweiger Husaren waren auf Sizilien im Einsatz und kehrten erst 1816 von dort zurück. Die Braunschweiger Infanterie diente nicht als zusammenhängende Einheit. Die Kompanien wurden aufgeteilt und auf britische Divisionen verteilt, die meisten gehörten zur 4th Division von General Lowry Cole. Das Regiment zeichnete sich aus in der Schlacht bei Fuentes de Oñoro, bei der Belagerung von Badajoz, in den Schlachten bei Salamanca und Vittoria sowie in Südfrankreich.
Iberischen Halbinsel bildeten den Kern eines neuen, 672 Mann umfassenden Bataillons, das am 14. April 1815 gegründet und als Leibbataillon bezeichnet wurde. Die Braunschweiger Streitmacht bestand aus jeweils einer Brigade leichter, Linien- und Reserveinfanterie, einem Husarenregiment sowie zwei Artilleriebatterien, davon eine berittene. Am 26. Februar 1815 gelang Napoleon Bonaparte die Flucht aus seinem Exil auf der Insel Elba. Mit 600 Getreuen landete er auf dem französischen Festland und begab sich nach Paris. Zahllose Soldaten schlossen sich ihm an, begierig darauf, wieder ihrem alten Kaiser dienen zu dürfen. Am 19. März flohen die Bourbonen aus der Hauptstadt Richtung Belgien und am folgenden Tag war Napoleon wieder an der Macht. Der Krieg war nach Europa zurückgekehrt und die Armeen von Großbritannien, Preußen, Österreich, Russland und ihrer verbündeten Staaten wurden mobilisiert, um noch einmal gegen die Franzosen zu Felde zu ziehen. Am 15. April 1815 war auch das Heer des Schwarzen Herzogs kampfbereit und erreichte am 11. Mai Brüssel.
Eine neue Armee
Quatre-Bras und Waterloo – Sieg oder Tod
Am 10. November 1814 traten die Braunschweiger aus englischen Diensten aus. Die überlebenden ursprünglichen Mitglieder kehrten nach Braunschweig zurück. Napoleons katastrophale Niederlage in Russland sowie der folgende preußisch-russische Vormarsch 1813 ermöglichten es dem Herzog, sein Land und seinen Titel wiederzuerlangen. Er begann sofort damit, eine neue Armee aufzustellen, um sein Territorium verteidigen zu können. Die Veteranen von der
Obwohl er über eine gewaltige Streitmacht verfügte, sah sich Napoleon mit einem strategischen Dilemma konfrontiert. Insgesamt konnten seine Feinde mehr als eine Million Soldaten aufbieten – sollten sich diese Armeen vereinen, würden sie ihn einfach überrennen. Die einzige Alternative war ein Präventivschlag, während sich die Gegner noch sammelten. Dadurch besiegte er ein Heer nach dem anderen,
Die Braunschweiger Jäger
Nach der Ankunft in England gewährte man Friedrich Wilhelm eine jährliche Pension in Höhe von 7.000 Pfund Sterling, während die Schwarze Schar reorganisiert und ausgebildet wurde. Da man nun keine Einwohner mehr rekrutieren konnte, wurden die Reihen mit deutschen Soldaten aus Gefangenenlagern in England Rechts: Die Schlacht bei Quatre-Bas wurde um eine Straßenkreuzung geschlagen, die beide Seiten kontrollieren wollten.
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Dieses Porträt von Friedrich Wilhelm, Herzog von Braunschweig, wurde zwischen 1813 und 1815 gefertigt, kurz vor seinem Tod bei Quatre-Bras.
DIE SCHWARZE SCHAR
DIE SCHWARZE PARADE DIE CHARAKTERISTISCHE SCHWARZE FARBE DER UNIFORMEN HATTE VERMUTLICH EINE TIEFERE BEDEUTUNG Aufgrund ihrer schwarzen Uniformen – lediglich die Scharfschützen und Ulane trugen Grün und nicht Schwarz, die Farbe des Todes und der Rache – wurde das Freikorps (dessen Motto und Schlachtruf „Sieg oder Tod“ lautete) auch „Schar der Rache“, „Schwarze Legion“, „Die schwarzen Krähen“, „Die Schwarzen“ oder eben „Die schwarze Schar“ genannt. Die Farbe war vermutlich gewählt worden, um der Trauer über die französisch besetzte Heimat und den Tod des alten Herzogs Ausdruck zu verleihen. Um die finstere Erscheinung noch zu verstärken, trugen die Linieninfanterie und die Husaren einen silbernen Totenkopf am Tschako, ähnlich der preußischen Totenkopfhusaren. 1652 hatte ein Vorfahre Friedrich Wilhelms den Herzoglich Württemberg-Oelssische Ritterorden vom Todtenkopf gegründet, was den jungen Herzog möglicherweise dazu inspirierte, seine Soldaten mit diesem Symbol zu schmücken. Das Leben als Soldat der Schwarzen Schar war insgesamt etwas besser als das in anderen Armeen jener Zeit: Der Sold war gut, es gab keine Prügelstrafen und selbst die unteren Ränge wurden mit einem gewissen Respekt behandelt und gesiezt.
„UM DIE FINSTERE ERSCHEINUNG NOCH ZU VERSTÄRKEN, TRUGEN DIE LINIENINFANTERIE UND DIE HUSAREN EINEN SILBERNEN TOTENKOPF.“
Links: Die Paradeuniform eines Leutnants des 17. Husarenregiments, komlett mit Bärenfellmütze und Totenkopf. Unten links: Die Scharfschützen der Braunschweiger trugen dunkelgrüne Röcke.
DIE SCHWARZE SCHAR
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„DIE BRAUNSCHWEIGER STANDEN DER LEGENDÄREN GARDE GEGENÜBER.“ such zu machen, ihn von dort zu uns herüberzuholen. Beherzt sprangen wir vor und nahmen i[h]n angesichts der Feinde so behutsam, als es die Gefahr des Augenblicks erlaubte, auf und trugen ihn eilends auf meinem Gewehre nach unserer Seite zu.“ Der tödlich verwundete Friedrich Wilhelm wurde zu einer Ansammlung Häuser an der Straße Richtung Brüssel gebracht, wo er kurz darauf seinen Verletzungen erlag. Der Schwarze Herzog war nicht mehr. Sein Adjutant Johann Elias Olfermann übernahm das Kommando. Insgesamt hatten die Braunschweiger 188 Gefallene zu beklagen, weitere 396 Männer waren verwundet. Am Sonntag, den 18. Juni, hatte Wellington, der den französischen Vormarsch Richtung Brüssel aufhalten wollte, seine Truppen auf einem Kamm des Mont Saint Jean nahe Waterloo postiert. Die Braunschweiger gehörten zur Reserve und hatten daher relativ weit hinten Aufstellung genommen, was sie vor hohen Verlusten durch das französische Bombardement, das den Auftakt zur Schlacht lieferte, schützte. Später rückten sie weiter vor und nahmen den Platz der Foot Guards ein, die die Verteidigung des Château d’Hougoumont verstärken sollten. Die alliierte Infanterie – darunter auch die Braunschweiger – stellte sich in Karrees auf und wehrte Angriffe von mehr als 9.000 berittenen Franzosen ab. Die Formationen hielten stand, während die Braunschweiger Husaren als Teil der 7th British Cavalry Brigade Gegenangriffe durchführten und die französische Kavallerie unter Druck setzten. Als die Franzosen schließlich das Gehöft La Haye Sainte einnahmen, verursachte das eine gefährliche Lücke in den alliierten Linien. Die Braunschweiger rückten vor, um diese zu schließen, doch Napoleon hatte diesen Ort als einen der Punkte ausgewählt, an denen seine Kaiserliche Garde angreifen und die feindlichen Fußtruppen zerschlagen sollte. Als die Männer der legendären und kampferprobten Mittleren Garde vorrückten, hielten die Reihen der unerfahrenen Braunschweiger nicht stand und sie zogen sich hinter die Kavalleriereserve zurück. Als das Vorrücken der Garde schließlich doch noch gestoppt und Napoleons Soldaten zurückgeworfen werden konnten, hatten sich die Braunschweiger soweit gesammelt, dass sie am letztendlich den Sieg bringenden Vormarsch der Alliierten teilnehmen konnten. Am Ende des Tages waren 154 Soldaten der Schwarzen Schar gefallen, 456 waren verwundet und 50 vermisst. Die Schlacht bei Waterloo beendete Napoleons Herrschaft der Hundert Tage und zugleich auch das Erste Kaiserreich. Es ist tragisch, dass Friedrich Wilhelm, der Schwarze Herzog, der sein Leben dem Kampf gegen Napoleon Bonaparte gewidmet hatte, nicht mehr lebte, um den Fall seines Erzfeindes mitzuerleben. Ein Ereignis, das ein bedeutender Moment nicht nur in der Geschichte Braunschweigs, sondern ganz Europas ist.
Bilder: Alamy, Getty
Die Heldentaten der Braunschweiger beflügelten die Fantasie der Europäer, wie man an dem Gemälde The Black Brunswicker von John Everett Millais sehen kann.
drängte die Preußen zurück über den Rhein und wandte sich dann gegen Armeen der übrigen deutschen Staaten, der Belgier, Holländer und Briten. Letztgenannte mussten ihre Streitkräfte vom Festland zurückziehen. Am 16. Juni 1815 stand eine französische Armee unter dem Befehl Napoleons persönlich den Preußen gegenüber, die vom Generalfeldmarschall Gebhard Leberecht von Blücher angeführt wurden. In der Zwischenzeit hatte ein französisches Armeekorps bei dem kleinen Weiler Quatre-Bras eine feindliche Truppe unter dem Duke of Wellington angegriffen. An dem Tag sollten zwei Schlachten geschlagen werden, deren Ausgang entscheidend für die Schlacht bei Waterloo zwei Tage später sein sollten. Die strategisch wichtigen Straßenkreuzungen bei Quatre-Bras mussten von Wellington gehalten werden, damit er sich mit den Preußen bei Ligny vereinen konnte. Am Morgen desselben Tages hatte Wellington Blücher das Versprechen gegeben, ihn zu unterstützen, sollte er nicht selber angegriffen werden. Doch genau das geschah, als Napoleon ein Korps unter Maréchal Ney befahl, die linke Flanke zu sichern und die Straße bei Quatre-Bras einzunehmen. Am Abend entbrannte eine Schlacht, in der britische, hannoversche, braunschweigerische und nassauische Truppen eine überlegene französische Streitmacht in die Flucht schlugen. Trotz dieses Erfolgs war Quatre-Bras ein technisches Unentschieden – was später noch wichtig sein würde. Indem er Wellington daran gehindert hatte, Blücher zu Hilfe zu kommen, war Napoleon in der Lage, die Preußen bei Ligny zu besiegen. Allerdings schaffte er es nicht, sie komplett zu vernichten, in erster Linie deshalb, weil ein Teil seiner Männer bei Quatre-Bras gebunden war. Das hingegen sollte es Blücher erlauben, zwei Tage später dem fast schon geschlagenen Wellington Verstärkung zu schicken. Die Schlacht bei Quatre-Bas hatte den Weg zum Sieg bei Waterloo geebnet. 8.800 Mann waren gefallen, doch die schlimmsten Verluste hatten die Braunschweiger erlitten – darunter Friedrich Wilhelm. Ernst Carl Külbel, Korporal der 2. Kompanie des Leibbataillons, schrieb: „Gegen diese mit uns vereinten Truppen richtete sich nun der Angriff der französischen Cavallerie, und sie mochte wohl auf funfzig Schritt herangekommen sein. In demselben Augenblicke ritt unser Durchlauchtigster Herzog, von den Husaren oder Uhlanen kommend, gerade zwischen uns und die französische Reiterei, wo in demselben Moment ein Pelotonfeuer eröffnet wurde. Dabei wurde das Pferd Sr. Durchlaucht scheu, stutzte und wollte nicht weiter, so daß noch eine zweite Salve erfolgte, wodurch unser Durchlauchtigster Herzog seine Wunde erhielt. Eine Kugel hatte, wie sich später herausstellte, das rechte Handgelenk gestreift und war dann quer durch die rechte Brust zur linken Schulter herausgegangen, und so fiel unser hochgeliebter Herr zur rechten Seite des Pferdes auf die Erde. Er lag etwa in der Mitte zwischen uns und den Franzosen, circa 25 Schritt vor unserer Linie; um jedoch den theuren Fürsten nicht den näher rückenden Feinden zu überlassen, beredete ich zwei meiner Kameraden, den Hornisten Auer und den Jäger Reckau, mit mir den allerdings mit einiger Gefahr verbundenen Ver-
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DIE GEISSEL DER INKA
Illustration: Jean-Michel Girard - The Art Agency
Francisco Pizarro, wie er während des Feldzugs gegen die Inkas Anfang der 1530er Jahre ausgesehen haben könnte. Sein Gesicht basiert auf einer Darstellung von 1540. Sein Bart fiel den Inkas besonders auf, denn sie trugen keine Gesichtsbehaarung. Seine Rüstung und sein berühmter Morion-Helm schützten ihn vor den primitiven hölzernen Waffen seiner Gegner. Das Schwert basiert auf einer Klinge, die Pizarro gehört haben soll und aus Toledo-Stahl geschmiedet worden war. Wahrscheinlich trug Pizarro eine rote Schärpe sowie einen Umhang in derselben Farbe, die ihn als Offizier und Kommandanten auswiesen.
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DIE GEISSEL DER INKA
TEXT: TOM GARNER
Francisco Pizarro war einer der mutigsten Anführer der Konquistadoren und brachte eine komplette Zivilisation zum Zusammenbruch.
I
m Jahre 1542 dachte der Dominikaner mönch Bartolomé de las Casas über sein Leben nach. Als einer der ersten spanischen Siedler auf dem neuen Kontinent war ihm bewusst, in welch bedeutenden Zeiten er lebte: „Alles, was seit der wunderbaren Entdeckung Amerikas passiert ist, scheint für den Unbeteiligten kaum nachvollziehbar zu sein.“ Las Casas hatte recht. Die spanische Eroberung des amerikanischen Kontinents während des 15. und 16. Jahrhunderts ist als Ereignis in seiner Bedeutung kaum zu überschätzen. Statt sie als Zusammenstoß der Alten und der Neuen Welt zu betrachten, sollte die Periode als heftiger Kampf zwischen einander fremdartigen Kulturen betrachtet werden, die nicht nur tausende Kilometer, sondern auch Jahrhunderte voneinander entfernt lagen. Es entfaltete sich ein Unglück von apokalyptischem Ausmaß. Die extreme Brutalität der Spanier und die sie begleitenden europäischen Krankheiten zerstörten gemeinsam die letzte große Zivilisation der Erde, die sich unabhängig von anderen entwickelt hatte: das Reich der Inka. Die Hauptverantwortung dafür trug ein ambitionierter Spanier namens Francisco Pizarro, dem es gelang, mit einem Trupp aus 200 Soldaten ein ganzes Imperium zu unterwerfen. Diese Geschichte erstaunt nicht nur durch ihre Vermessenheit, sondern auch durch ihre Tragik, denn Millionen Menschen fielen einer unmoralischen Gier zum Opfer.
Vom Schweinehirten zum Soldaten
Pizarros Herkunft ist so obskur, dass sich sein Geburtsdatum nur eingrenzen lässt: zwischen 1471 und 1476. Der zukünftige Herrscher über Peru stammte aus Trujillo in Kastilien und war der uneheliche Sohn eines Adligen und dessen Dienstmädchen. Pizarro lebte zunächst bei seiner Mutter und hütete Schweine, denn seine Abstammung hinderte ihn am Erben des Anwe sens seines Vaters. Doch Pizarro der Ältere hat te im Militär gedient und sein Sohn tat es ihm gleich: Er kämpfte in den Italienischen Kriegen. Über seine Kriegserfahrungen in Italien ist we nig bekannt, doch er diente wahrscheinlich unter dem spanischen General Gonzalo Fernandéz de Unten: Die Spanier massakrierten zahllose Inkas, um ihre Dominanz über das unterworfene Volk sicherzustellen.
Córdoba. Stimmt das, dann hat er von diesem sicher viel gelernt, denn Córdoba setzte die Verwendung von Feuerwaffen in Europa durch, besonders der Arkebuse und bestimmter Typen Artillerie. Diese Neuerungen bereiteten Spanien den Weg zur Dominanz auf dem Kontinent und beeinflussten Pizarro sicherlich auf seinem Weg. Pizarro kehrte gegen 1498 nach Spanien zurück und segelte 1502 als Leibwächter des Gouverneurs von Santo Domingo in die Neue Welt. Sein Mitstreiter de las Casas beschrieb den jungen Soldaten später als wortkarg, „wenig trinkfreudig“ und waghalsigen Spieler. In den folgenden Jahren diente Pizarro als Konquistador und war Stellvertreter von Vasco Núñez de Balboa, der die Expedition anführte, die zur Entdeckung des Pazifiks führte. Seine Ruchlosigkeit wurde spätestens dann offenbar, als er Balboa festnehmen ließ und dessen Hinrichtung beiwohnte. Pizarro wurde dafür mit dem Amt des Bürgermeisters im neu gegründeten Panama-Stadt belohnt, das er 1519 bis 1523 innehatte. Doch er wollte höher hinaus. Es gab Gerüchte über einen Stamm im Süden Panamas, die „Birú“, und Pizarro wollte der erste sein, der sich seine Schätze unter den Nagel reißen würde. Dieses Opfer seiner Gier war niemand Geringeres als das Volk der Inka.
„Sohn der Sonne“
Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts hatte sich das Imperium nicht nur bis über das heutige Peru ausgedehnt, es umfasste auch große Teile Ecuadors, Boliviens und Nordchiles. Obwohl es eine bronze zeitliche Zivilisation mit makabren
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DIE GEISSEL DER INKA
PIZARROS EROBERUNGS ZÜGE
Pizarro zieht während seiner zweiten Expedition eine Linie in den Sand und drängt seine Männer dazu, ihm in den reichen Süden zu folgen. Die wenigen Mutigen werden als „Glorreiche Dreizehn“ bekannt.
OBWOHL DIE KONQUISTADOREN DEN UNWAHRSCHEINLICHEN SIEG ÜBER DIE INKAS RELATIV SCHNELL ERRINGEN KONNTEN, BENÖTIGTEN SIE DREI EXPEDITIONEN UND FAST ZEHN JAHRE, UM PERU ÜBERHAUPT ZU ERREICHEN. Diese Karte zeichnet Pizarros Expeditionen zwischen 1524 und 1533 nach und zeigt die Route in Richtung seines Zieles. Er bracht stets von Panama City aus auf und er war der Erste, der die Westküste des südamerikanischen Kontinents erkundete. Die ersten beiden Expeditionen gelten als fehlgeschlagen, er sprang von Insel zu Insel und hielt sich an der Küste. Die dritte war ein durschschlagender Erfolg und es gelang Pizarro dabei, sich bis zur Hauptstadt der Inkas in Cuzco vorzukämpfen.
KARIBISCHES MEER Panama-Stadt
1524
1531
1526
Manta
1527 Tumbes San Miguel (Piura)
Eine Linie im Sand
Cajamarca
Lima (gegründet 1535) 1528 Cuzco
1533
SÜDPAZIFIK
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Praktiken wie Menschenopfern und der Verehrung von Mumien war, war das Volk der Inkas sehr innovativ: Es gab ein ausgebautes Straßennetz, beeindruckende Architektur und das Reich florierte wirtschaftlich. Trotz dieser Errungenschaften lebten die Inkas isoliert. Ein Inka erinnerte sich: „Bis die Spanier kamen, hielten wir unser Reich für die ganze Welt.“ An der Spitze ihrer Zivilisation stand der absolutistische Herrscher, der „Sapa Inka“ („der einzige Inka“). Tatsächlich bezieht sich das Wort „Inka“ lediglich auf den Herrscher, nicht auf das Volk. Der gottgleiche König galt als Nachfahre des Sonnengottes, als „Sohn der Sonne“. Über seine einzigartige Machtfülle schrieb ein Spanisch sprechender Inka einst: „Keiner der Könige und Herrscher der Welt, über die ich las, erfreute sich solcher Wertschätzung.“ Pizarro benötigte drei Expeditionen, um sich seinen Traum zu erfüllen. Anfang 1520 war er ein erfolgreicher Geschäftsmann und Ende 1524 brach er mit seinem Kumpan Diego de Almagro zu seiner ersten Reise auf. Die Expedition war 80 Mann und 40 Pferde stark, doch sie erreichte nichts und de Almagro verlor im Kampf sogar ein Auge. Die zweite Expedition zwischen 1526 und 1528 war größer und umfasste 160 Mann sowie zahlreiche Pferde. Als de Almagro für Vor räte nach Panama zurückkehrte, segelte Pizarro weiter die Pazifikküste entlang und überquerte den Äquator. Sein erster Kontakt mit den Inkas zeigte sich in Form eines mit Gold und Silber beladenen Bootes. Die Mannschaft erklär ten mittels Zeichensprache, dass die Güter aus einem reichen Land im Süden stammen würden. Pizarro betrachtete die Gerüchte damit als bestätigt und drängte zur Weiterfahrt. Doch
ihm unterlief ein folgenschwerer Fehler: Er führte seine Mannschaft zu einer sumpfigen Insel und schon bald begannen die ersten Männer an durch Moskitos übertragenen Infektionen zu sterben. Nach einigen entbehrungsreichen Mo naten war Pizarros Trupp auf 80 Mann geschrumpft und stand kurz vor der Meuterei, als die Versorgungsschiffe aus Panama sie erreichten. Der Gouverneur schickte eine Depesche, in der er Pizarro zur Aufgabe der Expedition riet. Dessen Männer zeigten sich erleichtert, er selbst war niedergeschlagen. Pizarro war kein Mann, der leichtfertig aufgab, und versammel te seine Soldaten am Strand um sich. Dort zog er mit dem Schwert eine Linie in den Sand und setzte eines der berühm testen Ultimaten der Geschichte. Er zeigte auf die Linie und sagte: „Freunde und Kameraden! Hier auf dieser Seite, im Süden, warten Mühsal, Hunger, Nackt heit, durchnässende Stürme, Desertion und der Tod – auf der anderen Seite Bequemlichkeit und Vergnügen. Dort liegt Peru mit seinen Reichtümern, hier Panama und seine Armut. Jeder Mann wähle, was einem mutigen Kasti lianer ansteht. Ich für meinen Teil gehe nach Süden.“ Trotz dieser Ansprache überschritten nur 13 Mann die Linie zu Pizarro, die anderen kehrten nach Panama zurück. Diese als „Glorreichen Dreizehn“ bekannten Konquistadoren bildeten in Pizarros zukünftigen Kampagnen den harten Kern. Gemeinsam schlugen sie sich bis Ende 1528 mühsam nach Peru durch. Die Inkas hießen die Spanier willkommen, doch obwohl Pizarro sie für „rationale Menschen“ hielt, forderte er sie auf, zum
DIE GEISSEL DER INKA
SCHIESSPULVER, STAHL & HUFE IHRE TODBRINGENDE AUSRÜSTUNG ERLEICHTERTE ES DEN KONQUISTADOREN, EINE GANZE SÜDAMERIKANISCHE ZIVILISATION IN SCHACH ZU HALTEN.
Schaller-Helme waren seit der Mitte des 15. Jahrhunderts in ganz Europa verbreitet. Weil ein Bart die Atmung behinderte, wurde der Helm oft ohne den Kinnschutz getragen.
Der Morion wurde zum Sinnbild des Konquistadorenhelms, obwohl sie auch andere Helme trugen.
Die Infanterie der Eroberer benutzte gelegentlich Arkebusen, primitive Musketen. Um die Treffsicherheit zu erhöhen, wurden sie vor dem Feuern auf ein Gestell aufgelegt.
Das Schwert war die wichtigste Waffe des Konquistadors. Das unten abgebildete Exemplar soll Francisco Pizarro gehört haben. Die Ära der Armbrust war bereits am Abklingen. Trotzdem kam sie gegen die Inkas zum Einsatz. Deren Bögen konnten es nicht mit ihr aufnehmen.
Obwohl die Übertragung europäischer Krankheiten wie den Pocken den Spaniern bei der Unterwerfung fremder Völker zu Hilfe kam, spielten ihre Waffen und Ausrüstung eine Rolle. Die Konquistadoren waren den südamerikanischen Eingeborenen in jeglicher Hinsicht überlegen. Jeder spanische Soldat trug die übliche Rüstung und ein Schwert, die hauptsächlich im für seine Schmiedearbeiten bekannten Toledo in Spanien hergestellt wurden. Schwerter waren im präkolumbianischen Amerika unbekannt. ToledoSchwerter wiederum wurden nur ausgegeben, wenn sie anspruchsvolle Materialprüfungen wie das schadlose Biegen in einen 90-Grad-Winkel überstanden hatten. Häufig abgebildete leicht gepanzerte Spanier im subtropischen Amerika haben mit der Wirklichkeit wenig gemein. Die Rüstungen, welche die frühen Konquistadoren trugen, waren Plattenpanzer bestehend aus Brustplatte, Arm- und Beinschienen, Halsberge sowie Ellbogenkacheln und Achseln. Eisenschuhe und gepanzerte Fingerhandschuhe oder Hentzen gehörten ebenfalls dazu. Gegen die Holzwaffen der Inkas waren die Eroberer damit ausgezeichnet geschützt. Zum Schutz des Kopfes wurde ein Helm getragen, oft der berühmte „Morion“. Dieser visierlose konische Stahlhelm besaß eine breite Krempe und einen hohen Kamm. Viele Konquistadoren bevorzugten jedoch den italienischen Schaller oder einen Birnhelm (Cabasset), die beide im 16. Jahrhundert verbreitet waren. Neben modernen Schwertern setzten die Spanier mittelalterliche Waffen wie die Armbrust ein. Diese waren dafür ausgelegt, Panzerungen zu durchschlagen, sehr treffsicher, allerdings klobig und schwerfällig. Sie wurden bald durch handlichere Feuerwaffen ersetzt. Die Spanier brachten Feuerwaffen und Artillerie nach Südamerika, doch ihr praktischer Nutzen war begrenzt. Einige Schützen trugen frühe Musketen, Arkebusen, die zwar gegen einzelne Gegner effektiv, aber umständlich in der Handhabung waren. Doch wie die größeren Artillerien, die Falkonetts, versetzte der Knall des Schießpulvres die gegnerischen Soldaten in Panik, denn sie glaubten, die Spanier könnten Donner beschwören. Die wahrscheinlich effektivste Waffe war die Kavallerie. Pferde waren bei den Inkas unbekannt. Sie wussten sich nicht gegen einen Lanzenangriff zu verteidigen und fürchteten sich vor den großen und schnellen gepanzerten Tieren. Gegen diese Übermacht an Waffentechnik hatten die Inkas und auch die Azteken, die mit Holzkeulen und primitiven Bögen bewaffnet waren, keinerlei Chancen.
Die Rüstung der Konquistadoren machte sie auf dem südamerikanischen Schlachtfeld zu Tötungsmaschinen. Pferde waren damals in Südamerika unbekannt und gaben den Europäern einen beträchtlichen logistischen und taktischen Vorteil gegenüber den Inkas.
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DIE GEISSEL DER INKA Christentum überzutreten, und kündigte an, dass er ihr Land im Namen des spanischen Königs in Besitz nehmen werde. Die Inkas sollen das als Scherz aufgefasst und laut gelacht haben. Die Konquistadoren erkundeten die Umgebung und kamen zu dem Schluss, dass es sich um ein reiches und eroberungs wertes Land handelte. Pizarro kehrte mit zwei peruanischen Jungen nach Panama zurück. Diese sollten Spanisch lernen und bei der nächsten Expedition als Übersetzer dienen. Nach seiner Ankunft in Panama fuhr Pizarro direkt nach Spanien weiter, wo er sich für eine Audienz bei Karl V., König von Spanien und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, anmeldete. Er zeigte dem König Edelsteine und wertvolle Gegenstände aus Peru und sicherte sich die Unterstützung des Herrschers zu. Pizarro wurde zum Gouverneur von Peru erhoben und zum Ritter des Santiagoordens ernannt, der höchsten Ritterwürde Spaniens. Er bekam den Auftrag, das Inkareich zu erobern und das Land als „Neu-Kastilien“ in Besitz zu nehmen. Pizarro fuhr nach Panama und bereitete bis Dezember 1530 eine dritte Expedition vor. Er hatte nun eine 200 Mann starke Streitmacht, darunter sein Bruder Hernando und seine Halbbrüder Juan, Gonzalo und Francisco Martin de Alcántara, die mit Pferden, Feuerwaffen und Armbrüsten ausgestattet war.
Zusammenstoß der Kulturen
Die Spanier hätten keinen besseren Zeitpunkt wählen können. Das Inkareich war durch den Tod seines fähigen Königs Huayna Cápac paralysiert und in einen Bürgerkrieg zwischen seinen Söhnen Huáscar und Atahualpa gestürzt. Letzterer hatte gewonnen, aber am Horizont schwebten dunkle Wolken, denn die Inkas wurden durch eine Pockenepidemie dezimiert.
Die Spanier hatten die Krankheit während ihrer Eroberung Mexikos eingeschleppt und diese hatte sich rasant nach Süden ausgebreitet. Weil die Bewohner Südamerikas keinerlei Abwehrkräfte dagegen besaßen, erreichte die Todeszahl apokalyptische Ausmaße. Innerhalb von 50 Jahren nach Ankunft der Europäer sollen etwa 90 Prozent der präkolumbianischen Bevölkerung verstorben sein. Das prominenteste Opfer darunter war Huayna Cápac, der wohl an den Pocken starb. Pizarro landete 1531 an der Küste Ecuadors und sandte einige requirierte Juwelen an Almagro. Schon bald traf spanische Verstärkung ein und ließen die Stärke von Pizarros Armee auf 250 Mann ansteigen. Nach dem Sieg über einige Eingeborene betraten die Spanier Tumbes in Peru erneut, fanden es jedoch verlassen und zerstört vor. Das war ein Hinweis auf einen Bürgerkrieg und Pizarro ließ 50 Mann in der Siedlung San Miguel de Piura zurück, bevor er ins Kernland aufbrach. Zwischenzeitlich drang Atahualpa mit seiner großen Armee in die Andenstadt Cajamarca vor. Boten überbrachten ihm Nachricht von „nie zuvor gesehenen Menschen. Diese Männer sind so mutig, dass sie gefährliche Dinge nicht fürchten. Sie sind weiß, tragen Bärte und sehen gefährlich aus.“ Die Spanier marschierten indes die Inkastraße entlang und rein zufällig war Cajamarca die nächste größere Stadt in der Nähe. Die Inkas gewährten den Spaniern Unterkunft und Atahualpa stimmte einem formellen Treffen zu. Am 16. November 1532 empfing Atahualpa die Fremden auf dem zentralen Platz. Zwischen 30 und 40.000 Inkasoldaten kampierten in und um der Stadt, während Pizarro lediglich von 106 Infanteristen, 62 Reitern und ein wenig Artillerie begleitet wurde. Atahualpa besaß allein 400 Leibwächter. Doch Pizarro zeigte
„DIE INKAS HATTEN WAHRSCHEINLICH TAUSENDE OPFER ZU BEKLAGEN, DIE SPANIER KEIN EINZIGES. NUR PIZARRO HATTE SICH LEICHT AN DER HAND VERLETZT.“
DER INKA-BÜRGERKRIEG DER KRIEG ZWISCHEN ZWEI KÖNIGLICHEN BRÜDERN UM DIE HEGEMONIE IM INKAREICH ERLEICHTERTE DEN KONQUISTADOREN DIE UNTERWERFUNG DES GROSSEN REICHES UNGEMEIN. Vor Ankunft der Spanier tobte im Inkareich ein Bürgerkrieg, der den Weiterbestand dieser Zivilisation bedrohte. Der letzte Gottkönig, der über ein stabiles Reich herrschte, war zwischen 1493 und 1525 Huayna Cápac. Sein durch Pocken oder Masern (beide eingeschleppt) beschleunigtes Ableben stürzte das Imperium ins Chaos und sein Weiterbestehen lag in den Händen seiner beiden Söhne. Huayna hatte während seiner Herrschaftszeit seine Söhne Huáscar und Atahualpa als Regenten über Teile des Reiches eingesetzt. Huáscar regierte in Cuzco und Atahualpa in Quito. Nach dem Tod Huaynas gerieten die Brüder über die Thronfolge in Streit. Im Unterschied zu europäischen Reichen gab es bei den Inkas keine Tradition der Primogenitur und außereheliche Söhne konnten durchaus zum Gottkönig werden. Es war allgemein üblich, dass um den Thron gekämpft wurde, und diese Kriege brachten meist Herrscher hervor, die das Reich insgesamt stärkten. Rechts: Huayna Cápacs ernannter Nachfolger Ninan Kuyochi starb wenige Tage nach seinem Vater. Huáscar sollte ihm nachfolgen, doch ein Bruderkrieg brach aus.
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Dieser Art war auch der Krieg zwischen 1527 und 1532, doch dieses Mal sollte das Reich in seiner Folge untergehen. Huáscar und Atahualpa hatten zunächst versucht, gemeinsam zu regieren, doch das misslang und das Reich zerfiel in zwei Fraktionen. Das Volk war Huáscar gegenüber loyal, doch die Armee bevorzugte Atahualpa. So kam es außerhalb Cuzcos 1532 zu einer Schlacht. Atahualpas Armee richtete ein Blutbad unter Huáscars Unterstützern an, besonders unter dem Volk der Cañari. Huáscar selbst wurde gefangen genommen. Doch kurz nach seinem Sieg tauchten die Spanier auf und nahmen Atahualpa in Gewahrsam. In Gefangenschaft ordnete dieser den Tod seines Bruders an, damit dieser sich nicht mit den Spaniern verbünden konnte. Dies reichte den Spaniern zum Anlass, um Atahualpa neben der Gotteslästerung auch wegen Verrats und Brudermords hinzurichten. Die rachsüchtigen Cañari wurden Verbündete der Spanier. Wäre das Inkareich geeint gewesen, wäre ein Sieg der Eroberer weit weniger sicher gewesen. Doch die traditionelle Spaltung zwecks Thronfolge war der Inka Untergang. Links: Atahualpa war der letzte Herrscher des Inkareiches, doch seine Herrschaft war kurz und von Kontroversen gezeichnet.
DIE GEISSEL DER INKA
Die Bestattung Atahualpas. Der letzte Gottkönig der Inkas ist von katholischen Priestern umgeben, denn er ist vor seinem Tod zur Konvertierung zum Christentum gezwungen worden.
sich unbeeindruckt und lud den Gottkönig zum gemeinsamen Abendessen ein. Bei seinem Eintreffen nahm ein katholischer Priester Atahualpa in Empfang und drängte ihn, zum Christentum zu konvertieren, indem er ihm durch einen Übersetzer mitteilen ließ: „Ich bin ein Priester Gottes und ich lehre die Christen Gottes Werk. Nun bin ich hier, um auch euch zu lehren. Was ich lehre, ist uns durch dieses Buch überliefert.“ Der Priester überreichte Atahualpa die Bibel, doch der König konnte mit dieser Geste nichts anfangen, denn die Inkas besaßen keine Schriftsprache und er hatte nie zuvor ein Buch gesehen. „Warum spricht das Buch nicht zu mir?“ Mit diesen Worten warf Atahualpa die Bibel auf den Boden. Pizarro hatte Atahualpa in seiner Hand und von seiner Armee getrennt, und als der Gottkö nig die Bibel auf den Boden warf, reichte diese Beleidigung des Christentums aus, um einen Krieg zu rechtfertigen. Die folgende Schlacht
von Cajamarca war eher ein einseitiges Massa ker. Pizarro hatte seine Kanone auf einem Dach platziert und seine Truppen in den Gebäuden um den Platz versteckt. Als der Angriff begann, waren die Südamerikaner völlig überrascht und die Spanier hatten einen gewaltigen strategi schen Vorteil. Die Inkas hatten nie zuvor Pferde gesehen und wussten sich gegen den Ansturm nicht zu verteidigen. Die Spanier trugen zudem Rüstungen, die sie gegenüber den primitiven Keulen der Eingeborenen nahezu unverletzlich machten, während die spanischen Stahlschwerter die leichten Rüstungen der Inkakrieger leicht durchdrungen. Doch die wirksamste Waffe der Eroberer waren die Feuerwaffen. Ihr Effekt war eher psychologischer als physischer Natur, denn die unerfahrenen Inkas verfielen angesichts des Donners in Panik und leisteten nicht länger Widerstand. Die spanischen Reiter
„DER GOTTKÖNIG WARF DIE BIBEL AUF DEN BODEN. DIESE BELEIDIGUNG DES CHRISTENTUMS REICHTE AUS, UM EINEN KRIEG ZU RECHTFERTIGEN. DIE FOLGENDE SCHLACHT VON CAJAMARCA WAR EHER EIN EINSEITIGES MASSAKER.“
massakrierten die verwirrten Eingeborenen zwei Stunden lang. Viele starben bei der Verteidigung ihres Königs, doch Pizarro nahm ihn schließlich gefangen. Die Inkas hatten wahrscheinlich Tausende Opfer zu beklagen, die Spanier kein einziges. Nur Pizarro hatte sich leicht an der Hand verletzt.
Tod der Inka
In Folge der „Schlacht“ wurde Atahualpa in eine Zelle gesperrt. Pizarro belog ihn und sagte: „Ich habe größere Reiche als Eures erobert und mächtigere Herrscher besiegt.“ Er bot dem Gottkönig dann seine Freiheit im Gegenzug für ein Lösegeld an, worauf sich Atahualpa einließ. Schon bald wurden Schätze aus dem ganzen Reich herangeschafft, denn die Inkas konnten sich nicht gegen die Spanier wenden, solange ihr König deren Gefangener war. Doch ihre Unterwerfung unter die spanischen Forderungen erlaubte es Pizarro, Verstärkung anzufordern. Das Lösegeld umfasste 13.000 Pfund Gold und 26.000 Pfund Silber in Form von kostbaren Wertgegenständen, die allerdings eingeschmolzen wurden. Trotzdem befand sich Pizarro in einer heiklen Situation, doch Atahualpas Tage waren gezählt. Als die Spanier hörten, dass sich ein General der Inkas Cajamarca näherte, strengten sie einen Schauprozess an, bei welchem Atahualpa
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DIE GEISSEL DER INKA der Götzenverehrung, des Mordes und des Verrats an den Spaniern für schuldig befunden wurde. Der Gottkönig wurde zum Übertritt zum Christentum gezwungen und erhielt „zu Ehren“ Pizarros den christlichen Namen „Francisco Atahualpa“. Nach dieser Demütigung wurde er am 26. Juli 1533 gehängt. Das Reich der Inka war am Ende.
Konsolidierung der Eroberung
Die Belagerung Cuzcos
Túpac Huallpa starb 1533. Auf ihn folgte der Marionettenkönig Manku Inka, dem bewusst wurde, dass die Spanier auf Eroberung aus waren. Er floh in die Wälder Cuzcos, um einen Widerstand aufzubauen. Im Mai 1536 belagerte Manku Inka mit etwa 100.000 Mann Cuzco, das von 196 Konquistadoren und einigen Tausend Inka-Kollaborateuren unter Hernando Pizarro und seinen Brüdern gehalten wurde. Francisco selbst war in seiner neu gegrün deten Stadt Lima gefangen und versuchte, die Spanier in Cuzco zu unterstützen. Bei dem Versuch, die Festung Saksaywaman zu erobern, starb Juan Pizarro im Zuge der Belagerung. Hernando griff indes Mankus Hauptquartier in Ollantaytambo zu Pferde an, doch die Inkas fluteten den Zugang, was ihn zum Rückzug zwang. Die Belagerung erstreckte sich über zehn Monate, wobei Francisco im August 1536 einen Angriff auf Lima durch den Inka-General Quizo Yupanqui abwehren konnte. Die Spanier in Cuzco wurden im März 1537 entsetzt, als de Almagro mit seiner Armee aus Chile zurückkehrte und sich Manku nach Vilcabamba zurückzog, wo er später getötet wurde. De Almagro hatte in Chile keine Reichtümer gefunden und beanspruchte das ihm zugesprochene Land in Peru. Als Druck mittel hatte er Hernando und Gonzalo Pizarro gefangen genommen. Die Konquistadoren bekriegten sich nun gegenseitig.
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Unten: Die Hinrichtung Diego de Almagros. Sein Tod führte schließlich zur Ermordung Pizarros.
Pizarro wurde Opfer seines eigenen Ehrgeizes und schließlich in seinem Palast von anderen Spaniern ermordet.
„VOR SEINEM TOD SOLL ER MIT SEINEM EIGENEN BLUT EIN KREUZ AUF DEN BODEN GEMALT UND IM FALLEN ‚JESUS‘ GERUFEN HABEN.“ Bürgerkrieg und Mord
Gonzalo konnte entkommen und Hernando wurde freigelassen, doch Francisco wollte seinen alten Partner nun vernichten. Er befahl Hernando, de Almagro aufzuspüren und die beiden Armeen trafen am 26. April 1538 bei der Schlacht von Las Salinas nahe Cuzco aufeinander. Hernando siegte, de Almagro hatte 150 Opfer zu beklagen und wurde gefangen genommen. Der Sieger demütigte seinen Gegner, bevor er ihn erwürgen ließ. Die Pizarros hatten triumphiert und über die nächsten drei Jahre regierte Francisco NeuKastilien von Lima aus und schickte einen Teil der Reichtümer, das „königliche Fünftel“, nach Spanien. Zugleich wuchs der Unmut unter den Spaniern, deren Meinung nach die Schätze den Pizarro-Brüdern und den Konquistadoren gehörten. Diese Männer unterstützten de Almagros Sohn, der ebenfalls Diego hieß. Am 26. Juni 1541 stürmte ein Kommandotrupp Pizarros Palast in Lima mit der Absicht, den Konquistador zu ermorden.
Die Unterstützer des jüngeren de Almagro töteten zunächst Pizarros Verteidiger, darunter dessen Halbbruder Francisco Martin de Alcántara. Obwohl er um die 70 Jahre alt war, kämpfte Pizarro verbissen gegen die Angreifer und tötete mindestens einen von ihnen, bevor er starb. Vor seinem Tod soll er mit seinem eigenen Blut ein Kreuz auf den Boden gemalt und im Fallen „Jesus“ gerufen haben. Pizarro war tot, aber seine Eroberung hatte Bestand. Die Zivilisation der Inkas war durch eine schreckliche Kombination aus Massen mord, Vergewaltigung und Raub sowie durch die Pocken ausgelöscht worden. Neben den früheren Landnahmen in Mexiko machte die Kolonisierung Perus Spanien zum mächtigsten Land der Welt. Pizarro war der Chefarchitekt und seine Nervenstärke wohl der Hauptverant wortliche für seine unwahrscheinlichen Siege. Doch seine Gier sorgte für viel Leid und es ist vielleicht eine historische Gerechtigkeit, dass er umgeben von seinen Schätzen durch die Hand seiner eigenen Männer starb.
Bilder: Alamy, FreeVectorMaps.com, Thinkstock
Nach Atahualpas Tod setzte Pizarro einen Marionettenkönig namens Túpac Huallpa ein, bevor er nach Cuzco, die Hauptstadt des Inkareiches, marschierte. Die 300 Spanier lieferten sich bei Vilcaconga eine verbissene Schlacht mit den Inkas, als diese sie von den Hügeln aus angriffen und einige Reiter töteten. Pizarro gewann, doch der Kampf zeigte den Inkas, dass die Spanier und ihre Pferde nicht unbesiegbar waren. Aber Pizarro marschierte trotzdem 1533 kampflos in Cuzco ein und nahm die wichtige Stadt Quito im folgenden Jahr. Peru gehörte nun Pizarro und damit zum Spanischen Reich. Die Neuerwerbungen mussten nun gesichert werden – nicht nur gegenüber den Inkas, sondern auch gegenüber einem ehemaligen Verbündeten. Diego de Almagro hatte sich übergangen gefühlt, als Pizarro vom König geehrt worden war und das Land zugesprochen bekommen hatte. Karl V. hatte befohlen, dass ab 1535 das Land zwischen Pizarro und de Almagro aufgeteilt werden sollte, doch sie konnten keine Einigung über den Besitz von Cuzco erreichen. Sie beschlossen schließlich, dass de Almagro eine Expedition ins heutige Chile anführen sollte. Pizarro hoffte, dass er daraufhin auf seine Ansprüche in Peru verzichten würde. Doch plötzlich sah er sich mit einem Aufstand konfrontiert, der seine Herrschaft bedrohte.
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Große Schlachten
DIE SCHLACHT PYRAMIDEN BEI DEN
TEXT MARC G. DESANTIS
Im Schatten der Pharaonen kämpft Napoleon mit seiner Orientarmee erbittert gegen die Streitkräfte der Mamluken.
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DIE SCHLACHT BEI DEN PYRAMIDEN
EMBABEH, ÄGYPTEN, 21. JULI 1798
I
n den Jahren 1796 und 1797 erwarb sich Napoleon Bonaparte den Ruf eines der meisterhaftesten Generäle der Welt. Als Oberbefehlshaber der Armée d’Italie bezwang er die Österreicher in Norditalien und stellte unter Beweis, dass er kraft einer bemerkenswerten Kombination aus Schnelligkeit und Überraschungsmoment selbst überlegene feindliche Kräfte besiegen konnte. Aufgrund seiner Erfolge im Laufe des Italienfeldzuges begannen ihn seine ihm treu ergebenen Männer allmählich zu vergöttern. Mit dem Friedensschluss von Campo Formio endete der von Frankreich begonnene Erste Koalitionskrieg. Napoleon holte zum nächsten Schlag aus, diesmal gegen das als „perfides Albion“ verächtlich gemachte Großbritannien. Dieser Schlag sollte jedoch nicht die Britischen Inseln selbst treffen, sondern Ägypten.
Warum Ägypten?
Der Gedanke eines Ägyptenfeldzuges war zuerst dem Außenminister des revolutionären Frankreichs gekommen, dem vormaligen Priester Charles Maurice de Talleyrand-Périgord. Talleyrand drängte darauf, dass Ägypten, damals Verwaltungsgebiet des Osmanischen Reiches, eine Provinz der Französischen Republik werden solle. Dies würde ein Zeitalter des Wohlstandes in Ägypten einläuten, versprach er. Napoleon sprach sich für einen solchen Angriff aus. Nach seiner Rückkehr aus Italien war ihm der Oberbefehl über Frankreichs Armée d’Angleterre erteilt worden, einen Truppenverband mit dem Ziel einer Invasion Großbritanniens. Bei der Inspektion der Armee musste er jedoch feststellen, dass diese zu schwach für einen Angriff war und keine Chance gegen die Royal Navy haben würde. Die Eroberung Ägyptens erschien daher als geeignetes Mittel, um England zumindest indirekt zu schaden. Die französische Regierung gab ihre Zustimmung, da sie die Einnahme Ägyptens als eine Möglichkeit betrachtete, einerseits den Verlust der Kolonien in der Karibik zu kompensieren und andererseits ein zukünftiges Bollwerk gegen Britisch-Indien zu schaffen. Von Ägypten aus, so dachte man, könnte man Beziehungen zum Sultan von Mysore aufbauen, Tipu Shaib, einem glühenden Britannienfeind.
Ein neuer Alexander
Ein Gemälde von Antoine-Jean Gros stellt Napoleon beim Einschwören seiner Armee auf die Schlacht bei den Pyramiden dar.
Als Napoleon seinen Ägyptenfeldzug plante, verglich er sich mit Alexander dem Großen, dem makedonischen König, der das Land in der Antike eingenommen hatte. Er bewunderte Alexander, in dem er einen großen Eroberer sah, der dem rückständigen Volk des Perserreichs die fortschrittliche griechische Zivilisation gebracht hatte. Auch Napoleon wollte die westliche Zivilisation nach Ägypten bringen, in ein Land, von dem er glaubte, es leide seit Jahrhunderten unter der Unterdrückung des nun allerdings stagnierenden Osmanischen Reiches. Gute Beziehungen zu den gebürtigen Ägyptern waren Napoleon sehr wichtig. Er wollte sie auf seine Seite ziehen, um sie auf möglichst friedvollem Wege unter französische Führung zu bringen. Sein Vorbild Alexander hatte die lokalen
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GROSSE SCHLACHTEN Sitten der von ihm eingenommenen Länder stets respektiert. Napoleon wollte es ihm gleichtun. Er verbot seinen Männern, sich ohne die ausdrückliche Zustimmung der leitenden Offiziere an den Habschaften der Bevölkerung zu bereichern. Zuwiderhandlungen sollten mit einer zweijährigen Gefängnisstrafe und Beschlagnahmung des gesamten Besitzes geahndet werden. Die Ägypter jedoch sahen in den Franzosen nichts als fremde, nicht-muslimische Eindringlinge und dachten keineswegs daran, ihnen ihr Land zu überlassen. Nachdem die „Ägyptische Expedition“ beschlossen worden war, lieh man sich zu ihrer Finanzierung drei Millionen Francs von Schweizer Bankiers. Zehn Wochen lang wurden in den fünf Mittelmeerhäfen Toulon, Marseilles, Ajaccio, Genua und Civitavecchia Vorräte und Soldaten versammelt. Viele der Männer hatten bereits in der Armée d’Italie unter Napoleon gedient. Insgesamt umfasste die im Mai 1798 mit Schiffen aufbrechende „Orientarmee“ etwa 38.000 Mann. Napoleons eigener Konvoi verließ Toulon am 19. Mai unter dem Schutz einer von Vizeadmiral Francois-Paul Brueys angeführten Flotte. Die befohlene Geheimhaltung wurde so strikt befolgt, dass nicht einmal die Soldaten wussten, wo ihre Reise hinging. Doch sie wären ihrem brillanten General überallhin gefolgt. Wollte die Expeditionsflotte Ägypten unbeschadet erreichen, musste sie zunächst
der Royal Navy ausweichen. Großbritanniens Mittelmeerflotte wurde von dem nicht minder brillanten Admiral Horatio Nelson befehligt, der dem französischen Toulon-Konvoi auflauerte. Doch Nelson war vom Pech verfolgt. Am 21. Mai trieb ein heftiger Sturm seine Flotte weit aufs Meer hinaus, wobei sein Flaggschiff, die HMS Vanguard, entmastet wurde. Noch während er mit den Reparaturen beschäftigt war, schlossen sich Napoleons Fregatten mit den Konvois aus Marseilles, Genua und Ajaccio zusammen. Nelsons Fregatten ihrerseits wurden von der Hauptflotte getrennt. Napoleons Schiffe fuhren südwärts, verbanden sich mit dem Civitavecchia-Konvoi und machten Halt im Grand Harbour der maltesischen Stadt Valletta. Die Malteserritter herrschten seit Jahrhunderten auf der Insel, doch ihr Orden hatte längst den Glanz ihrer Ruhmes zeiten verloren. Viele der 327 Ritter waren gebrechliche alte Männer und unfähig zu kämpfen, andere waren selbst Franzosen und wollten nicht gegen ihre Landsmänner in die Schlacht ziehen. Die am 11. Juni abgeschlossene Eroberung der Insel stellte Napoleon vor keine allzu schwierige Aufgabe. Er installierte eine Garnison von 4.000 Mann und segelte am 19. Juni weiter. Das wahre Ziel der Reise erfuhren seine Männer erst, als sie Malta weit hinter sich gelassen hatten. Die französische Flotte konnte Nelson auch in der Folge ausweichen und erreichte Ägypten, ohne
„DIE BEFOHLENE GEHEIMHALTUNG WURDE SO STRIKT BEFOLGT, DASS NICHT EINMAL DIE SOLDATEN WUSSTEN, WO IHRE REISE HINGING. DOCH SIE WÄREN IHREM BRILLANTEN GENERAL ÜBERALLHIN GEFOLGT.“ Unweit der Pyramiden bewundert Napoleon die Sphinx. Einer sich mittlerweile als falsch erwiesenen Behauptung zufolge soll die Skulptur ihre Nase durch eine französische Kanonenkugel verloren haben.
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von ihm abgefangen worden zu sein. Am 1. Juli landeten Napoleon und seine Truppen in dem Fischerdorf Marabout. Am nächsten Tag nahmen sie das acht Kilometer westlich gelegene Alexandria ein. Nun gab Napoleon auch einen offiziellen Grund für den Feldzug bekannt: Die mamlukischen beys (‚bey‘ war der Titel der osmanischen Provinzstatthalter) hätten französischen Handelsmännern übel mitgespielt, er sei nun gekommen, um Wiedergutmachung einzufordern. Er gelobte zudem, die einheimischen Ägypter von der tyrannischen Fremdherrschaft der Mamluken zu befreien.
Die Mamluken
Nominell war Ägypten 1798 noch immer eine Provinz des Osmanischen Reiches, doch in Wahrheit herrschten hier die Mamluken, eine Krieger-Aristokratie, deren Hauptstadt Kairo war. Die Fellachen, das unterdrückte Bauernvolk Ägyptens, waren ihnen untertan. Die Bevölkerung des Landes war hauptsächlich muslimisch, bedeutende Minderheiten waren Christen und Juden. Ursprünglich waren die Mamluken etwa um das Jahr 1230 von einem ayyubidischen Sultan nach Ägypten gebracht worden, der sie als Soldaten einsetzte. Die Mamluken (‚mamluk‘ bedeutet auf Arabisch ‚gekaufter Mann‘) waren erstklassige Kämpfer und übernahmen bald selbst die Macht. Um ihre Bevölkerungszahl aufrechtzuerhalten, erwarben sie Sklaven, die sie dann zu Mamluken ausbildeten. Ägypten wurde 1517 vom Osmanischen Reich erobert, die sich unterwerfenden Mamluken jedoch wurden an Ort und Stelle belassen. Sie mussten dem Sultan in Istanbul einen jährlichen Tribut entrichten, doch mit der Zeit wurden die Verpflichtungen immer weiter gesenkt, bis die Mamluken nur noch dem Namen nach Vasallen waren.
DIE SCHLACHT BEI DEN PYRAMIDEN
KONFLIKTPARTEIEN vs.
FRANKREICH
BEFEHLSHABER Napoleon Bonaparte INFANTRIE ca. 20.000 KAVALLERIE 3.000 ARTILLERIE 42
MAMLUKEN
BEFEHLSHABER Murad Bey Muhammad INFANTRIE ca. 15.000 (Fellachen, Osmanen & weitere) KAVALLERIE 6.000 Mamluken und 3.000 Beduinen ARTILLERIE 40
Die modernen Mamluken des späten 18. Jahrhunderts behielten die Praxis der Rekrutierung außerhalb Ägyptens bei und erwarben vor allem junge Tscherkessen und Georgier vom Kaukasus. Diese wuchsen in Ägypten muslimisch auf und lernten die strikte Militärdisziplin und Kampftechniken der Mamluken von früh auf. Insbesondere die mamlukische Kavallerie genoss einen ausgezeichneten Ruf.
Auf nach Kairo
Um Ägypten zu erobern, musste Napoleon die mamlukischen beys in Kairo besiegen. Am 3. Juli brach er mit der Division des Generals Louis-Charles Desaix südwärts in Richtung der Hauptstadt auf. Die anderen vier Divisionen der Armee folgten in den nächsten Tagen. Zeitgleich segelte eine kleine Flottille unter Kapitän Jean-Baptiste Perrée stromaufwärts den Nil hinauf.
Anstatt dem mäandernden Verlauf des Nils zu folgen, entschloss sich Napoleon dazu, den kürzeren und schnelleren Weg über Land zu nehmen. Für die Orientarmee bedeutete dies zumindest streckenweise eine wahre Wüstenwanderung. Doch die Soldaten durchquerten auf ihrem Marsch auch landwirtschaftlich genutzte Flächen, die von weitläufigen Bewässerungsgräben durchzogen waren. Die Felder waren einst von der jährlichen Nilflut überschwemmt worden, doch diese Zeiten lagen weit in der Vergangenheit und der Boden war knochentrocken. Hart wie Fels war das Nilfarmland durch die sengende ägyptische Sonne geworden. Die von Pferden gezogene Artillerie über die Gräben und Kanäle zu bekommen war ein schweißtreibendes Unterfangen. Die Tageshitze war nahezu unerträglich, was von dem Mangel an Trinkwasser nur noch verschlimmert wurde. Die Franzosen machten zudem eine merkwürdige Beobachtung in der Wüste: Es war ihnen, als befänden sich weit in der Ferne große Wassermassen, die sie allerdings niemals erreichten. Dies war ihre erste Begegnung mit einer Fata Morgana. Als wäre dies alles nicht schon schlimm genug gewesen, setzten den Franzosen überdies Fliegen und andere Insekten zu. Die durstigen Soldaten waren verzweifelt. Zuweilen stießen sie auf Felder voller saftiger Wassermelonen, die sie gierig verschlangen – was zwar ihren unerträglichen Durst stillte, jedoch auch mit heftigem, krampfhaftem Durchfall einherging. Am 10. Juli hatten sich die fünf Divisionen in El Ramaniyah zusammengeschlossen, Perrées
Murad Bey Muhammad war ein tatkräftiger und mutiger Kämpfer, aber als Herrscher auch sehr grausam.
Flottille traf am darauffolgenden Tag ein. Napoleon erhielt Berichte, denen zufolge einer der beiden mamlukischen Mitherrscher, Murad Bey, sich mit 3.000 mamlukischen Reitern und 2.000 Infanteristen aus Kairo heraus nach Norden bewegte, entlang des Westufers des Nils. Murad war sowohl für seine Grausamkeit als auch für seinen Mut bekannt. Ein zeitgenössischer ägyptischer Historiker, Abd-alRahman al-Jabarti, beschrieb ihn als „grausam und ungerecht, gesellig und eingebildet“, die ihn umgebenden Männer als „unnachgiebig, tapfer und kaltblütig“. Murad war im Kaukasus geboren und im Alter von acht Jahren als Sklave nach Ägypten gebracht worden. Als er von der Landung der Franzosen hörte, fragte er, ob sie beritten seien. Napoleon war mit wenig Kavallerie nach Ägypten gekommen, und als man Murad sagte, die französische Den fortschrittlichen französischen Taktiken hatten die stürmischen Mamluken wenig entgegenzusetzen.
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GROSSE SCHLACHTEN Armee käme zu Fuß, knurrte er: „Meine Männer werden sie vernichten und ich werde ihre Köpfe gleich den Wassermelonen auf den Feldern aufschlitzen!“ Murad beriet sich mit seinem Mitregenten Ibrahim Bey. Die beiden unterschieden sich sehr: War Murad grimmig und cholerisch, so war Ibrahim vorsichtig und berechnend. Sie riefen schnell ihre Truppen zusammen und Murad machte sich auf, Napoleons Männer in Shubrakit abzufangen, wo es am 13. Juli zu einem kleinen Gefecht kam. Die Franzosen formierten ihre Infanterie in Karrees, an deren Ecken Artillerie aufgefahren wurde, und umgaben diese Formation mit Tirailleuren (Plänkler). Auf diese Weise gelang es ihnen, die mamlukische Kavallerie abzuwehren. Die Franzosen waren vom Auftreten der feindlichen Reiter beeindruckt. Sie „bewunderten ihre Ausstrahlung“, schrieb ein Soldat, „ebenso die Geschwindigkeit ihrer Pferde, den Wagemut und die Contenance in ihren Bewegungen.“ Doch mit Disziplin und Entschlossenheit gelang es den Franzosen, die Mamluken auf Distanz zu halten. „Sie mögen die beste Kavallerie der Welt haben“, schrieb ein französischer Offizier, „doch schon nach der ersten Ladung zogen sie sich zurück. Etwas wie unsere vier quadratisch angeordneten Bataillone waren sie nicht gewohnt. Sie sagten, alle französischen Soldaten wären wie aneinandergebunden gewesen.“ Verluste waren auf beiden Seiten nur wenige zu beklagen. Murad zog sich schneller zurück als Napoleon ihm hätte folgen können. Nach einem langen und kräftezehrenden Marsch holten die Franzosen Murad am 20. Juli außerhalb der Stadt Embabeh ein, die gegenüber von Kairo am Westufer des Nils lag. Murad Bey hatte 6.000 mamlukische Reiter versammelt, 15.000 ägyptische Infanteristen und 3.000 Beduinen. Er fuhr seine Artillerie von etwa 40 Kanonen in Embabeh auf, wo er auch zahlreiche Janitscharen (die Leibwache des osmanischen Paschas) und Fellachen stationierte. Zudem entsandte er eine Flottille, die von einem griechischen Christen namens Nikola angeführt wurde und Perrées Geschwader aufhalten sollte.
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DIE MAMLUKEN GREIFEN DUGUA AN Die Mamluken greifen das General Dugua unterstehende Karree in der Mitte der französischen Gefechtslinie an, geraten jedoch ins Kreuzfeuer und ziehen sich nach Embabeh zurück. Napoleon ordnet den Angriff der mamlukischen Stellungen in Embabeh an.
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DIE FRANZOSEN BILDEN KARREES Noch vor dem Morgengrauen formieren sich die fünf französischen Infanteriedivisionen in Karrees und marschieren in Richtung Nil, den sie um etwa zwei Uhr am Nachmittag erreichen. In der Ferne zeichnen sich die Pyramiden ab. Napoleon schwört seine Männer ein.
Schlacht bei den Pyramiden
Auf der Ostseite des Nils stand Ibrahim Bey mit einer 1.000 Mamluken bestehenden Kavallerie, einiger Artillerie und ein paar tausend Infanteristen. Hinter ihnen zog eine große Gruppe Frauen, Kinder und anderer Zuschauer her, die die Schlacht sehen wollten. Napoleon sollte an dieser Stelle von Murad Beys ungestümem Wesen profitieren, denn anstatt den Nil ostwärts in Richtung Kairo zu überqueren, um sich dort mit den Truppen Ibrahim Beys zusammenzuschließen, suchte er auf der Westseite auf eigene Faust die Konfrontation mit den Franzosen. Der verzierte Säbel Napoleons, den dieser in der Schlacht bei den Pyramiden trug.
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DIE MAMLUKEN BEREITEIN SICH VOR Auf der anderen Seite des Felds hat der mamlukische Befehlshaber Murad Bey seine mamlukische Kavallerie und tausende fellachische Infanteristen versammelt. In der Stadt Embabeh am Westufer des Nils lässt er Artillerie und zusätzliche Infanterie stationieren. Vom Ostufer aus beobachten zahlrei che Schaulustige das Geschehen.
DIE SCHLACHT BEI DEN PYRAMIDEN
DESAIX’ FLANKENMANÖVER General Desaix’ Division auf der französischen Rechten ver sucht Murad Bey zu flankieren, was jedoch von Bewässe rungsgräben erschwert wird. Murads Elitereiter gehen zum Gegenangriff über und feuern Karabiner und Pistolen auf die französischen Infanteristen ab.
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DIE FRANZOSEN BLEIBEN STANDHAFT Die Mamluken unternehmen wiederholt Angriffe auf die Karrees von Desaix und General Reynier, doch sie werden jedes Mal aufs Neue von den disziplinierten Franzosen zurückgeschlagen. Mamlukenreiter werden von den französischen Musketen aus ihren Satteln geschleudert.
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DIE MAMLUKEN GREIFEN DESAIX AN Desaix’ Männer entsteigen mühsam den Bewässerungskanälen, als die Mamluken auf sie losstürmen. Die französischen Infanteristen war ten bis zum letzten Moment mit dem Abfeuern ihrer Musketen.
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ANGRIFF AUF EMBABEH Vor Embabeh wird das heran nahende französische Karree General Bons von den Mamluken angegriffen. Als dies folgenlos bleibt, ziehen sich die Mamluken nach Embabeh zurück, wo Janitscharen und Fellachen stationiert sind. Bon und General Vial nehmen das Dorf im Sturm ein.
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MISSLINGENDE FLUSSÜBERQUERUNG Ibrahim Bey auf der Ostseite des Nils versucht den Fluss zu überqueren, um Murad Beys Männer am Westufer zu unterstüt zen, doch dies misslingt. Murads Mamluken fliehen vom Schlacht feld und ziehen sich in südlicher Richtung zurück. Die Schlacht endet um etwa 4:30 Uhr am Nachmittag. Die französischen Verluste fallen gering aus, jene der Mamluken jedoch gehen in die Tausende.
Karte: Rocio Espin
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Rechts: Die Kavallerie der Orientarmee verfügte auch über ein Kamelkorps.
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GROSSE SCHLACHTEN
„EIN JEDER MAMLUKENREITER WAR MIT EINEM KARABINER BEWAFFNET, ZWEI ODER DREI PISTOLEN, EINER LANZE UND EINEM KRUMMSÄBEL AUS RASIERMESSERSCHARFEM DAMAST.“
DIE SAVANTS
Napoleon wurde von 167 Wissenschaftlern, Ingenieuren, Architekten, Kartographen und anderen Gelehrten begleitet, den sogenannten „Savants“. Ihr Auftrag war es, das Land zu begutachten und Monumente zu katalogisieren. Nicht wenige Savants waren hoch angesehene Mitglieder des Institut de France. Unter ihnen befanden sich der Physiker Gaspard Monge, der Mathematiker Jean-Baptiste Joseph Fourier und der Künstler Vivant Denon, dessen Buch Reise in Niederund Ober-Aegypten (1802, dt. Übersetzung 1803) zum internationalen Bestseller wurde. Es waren Denons Illustrationen, die das westliche Bild der altägyptischen Zivilisation zukünftig bestimmen sollten. Gemeinsam arbeiteten die Savants an einer mehrbändigen Description de l’Égypte, die zwischen 1809 und 1828 erschien. Für einige Tempel und Ruinen stellt diese berühmte Sammlung heute die einzige erhaltene Quelle dar. Ein Rätsel, das damals niemand zu lösen vermochte, waren die Hieroglyphen, die man überall im Land auf antiken Monumenten vorfand. Der Stein von Rosette wurde von Napoleons Soldaten entdeckt, später jedoch von den Briten erbeutet. Viele Gelehrte versuchten mithilfe dieses Steines – auf dem sich neben Hieroglyphen auch altgriechische und demotische Schrift befand –, die alten ägyptischen Zeichen zu entziffern. Erst Jean-Francois Champollion fand heraus, dass die Hieroglyphen weder ein Alphabet noch reine Ideogramme darstellten, sondern eine Mischung aus beidem. In den 1820ern veröffentlichte er seine Erkenntnisse. Champollions brillanter Arbeit ist es zu verdanken, dass Gelehrte in die Lage versetzt wurden, das antike Ägyptisch dem jahrhundertelangen Schweigen zu entreißen. Links: Vivant Denon war der erste Direktor des Louvres.
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In den frühen Morgenstunden des nächsten Tages, dem 21. Juli 1798, marschierten die ermatteten französischen Divisionen in geschlossener Formation gen Kairo, das sie bei Tagesanbruch vor sich erblickten. Sie stießen „tausende Jubelschreie“ aus, berichtete Napoleon. Um zwei Uhr am Nachmittag machten 25.000 französische Soldaten Halt in Embabeh. Napoleon hielt eine kurze Ansprache. „Vorwärts!“, befahl er, und deutete auf die Pyramiden von Gizeh, die sich in 16 Kilometer Entfernung deutlich vor ihnen abzeichneten. „Denkt daran, dass von diesen Monumenten 40 Jahrhunderte auf euch herabblicken!“ Er ließ seine fünf Divisionen antreten. Jede von ihnen bildete ein Karree wie schon bei Shubrakit. Desaix’ Division übernahm die Flanke auf der äußersten Rechten, neben ihr formierte sich die Division des Generals Jean-Louis-Ébénézer Reynier, in der Mitte jene des Generals Charles Dugua, daneben jene des Generals Honoré Vial. Auf der äußersten Linken, am Nilufer vor Embabeh, befand sich die Division von General Louis André Bon. Desaix schickte sich an, Murad Beys linke Flanke zu umgehen, woraufhin dieser seinen Reitern befahl, die vorrückenden französischen Kolonnen anzugreifen. Desaix’ Karree löste sich auf, als es sich mit Bewässerungskanälen und dichten Palmenwäldern konfrontiert sah. Gerade als seine Männer aus einem der Kanäle emporstiegen, stürmten die Mamlukenreiter auf sie zu, ein jeder von ihnen mit einem Karabiner bewaffnet, zwei oder drei Pistolen,
einer Lanze und einem Krummsäbel aus rasiermesserscharfem Damast. Noch während sich die Franzosen neu zu formieren versuchten, feuerten die Mamluken ihre Karabiner und Pistolen ab. Letztere ließen sie fallen, damit sie von den hinter ihnen einherstürmenden Infanteristen genutzt werden konnten. Bleierne Musketenkugeln zischten durch die französischen Reihen, aus denen jedoch nicht zurückgeschossen wurde, bis sie das Feuer aus nächster Nähe auf die Mamluken eröffnen konnten. Die französische Salve traf die Mamluken schwer. Reiter wurden aus ihren Satteln geschleudert. Die Mamluken setzten ihre Angriffe auf Desaix’ Karree unerschrocken fort, doch mit ihren mittelalterlichen Taktiken konnten sie nichts gegen die französische Formation ausrichten. Ihren mutigen Vorstößen fehlte die nötige Schlagkraft und Effektivität. Ihre Tapferkeit war unübertroffen, doch das allein genügte nicht. Immer wieder versuchten sie die Karrees von Desaix und Reynier anzugreifen, doch dieses Vorhaben war angesichts der französischen Musketen und Bajonette zum Scheitern verurteilt. Verwundete Mamluken stolperten über das Schlachtfeld, einige standen nach französischem Musketenbeschuss mit Brandgeschossen in Flammen. Um die Karrees herum stapelten sich die Toten. Doch die Franzosen blieben unerbittlich. Um die Mamluken nicht in die eigenen Reihen vordringen zu lassen, wo sie ein Gemetzel angerichtet hätten, war unbeirrbare Standhaftigkeit unabdinglich. Reynier sagte
DIE SCHLACHT BEI DEN PYRAMIDEN Der Verlust des Flaggschiffs L’Orient besiegelte das Schicksal der französischen Flotte in der Seeschlacht bei Abukir.
Dieses Gemälde der Schlacht wurde von Louis-François Lejeune angefertigt, einem späteren General Napoleons.
„UM DIE KARREES HERUM STAPELTEN SICH DIE TOTEN. DOCH DIE FRANZOSEN BLIEBEN UNERBITTLICH.“
es seinen Booten unmöglich, den Fluss zu überqueren und Murads Männern in ihrem Kampf gegen die Franzosen beizustehen. Als feststand, dass die Schlacht verloren werden würde, floh Ibrahim Bey gemeinsam mit dem osmanischen Pascha aus Kairo. Die Kämpfe dauerten bis etwa 4:30 Uhr am Nachmittag an. Zwei Stunden hatten Napoleon genügt, um die mamlukische Armee vernichtend zu schlagen. Kairo war sein. Er verbrachte die Nacht in Murad Beys Palast. Die Verluste auf französischer Seite waren gering – 29 Tote und etwa 260 Verletzte –, jene der Mamluken waren um ein Vielfaches höher ausgefallen: Etwa 2.000 Reiter sowie einige Tausend Fellachen waren gefallen. Aus Prestigegründen benannte der stolze Napoleon die Schlacht nicht nach dem Dorf Embabeh, sondern nach den sich in der Ferne erhebenden Pyramiden.
Wende in der Bucht von Abukir
Dem Sieg in der Schlacht bei den Pyramiden zum Trotz wurden jegliche Chancen auf ein Gelingen des Ägyptenfeldzugs nur einen Monat nach Napoleons Landung zunichtegemacht – allerdings weder durch die Mamluken noch durch die Osmanen, sondern durch die Royal Navy. Admiral Nelson hatte lange Zeit vergeblich nach der französischen Flotte gesucht, doch am 1. August hatte er sie schließlich in der Abukir-Bucht nahe Alexandria gesichtet. Ohne langes Federlesen griff Nelson an. Am nächsten Morgen war die Flotte geschlagen, Admiral Brueys tot und das Flaggschiff L‘Orient in Flammen aufgegangen.
Mit einem einzigen Schlag war die Seeverbindung der Orientarmee zerstört worden. Eine Blockade der Briten machte jegliches Entsenden von Nachschub unmöglich. Napoleon kreidete seinen Admirälen die Niederlage an, und vielleicht traf sie tatsächlich die Hauptschuld. Doch Napoleons Aura der Unbesiegbarkeit war dahin, was die rasche Bildung der zweiten anzifranzösischen Koalition – bestehend aus Großbritannien, Russland, Neapel, Österreich, Portugal und dem Osmanischen Reich – begünstigte. Napoleons Ägyptische Expedition, die noch zwei Jahre andauern sollte und sowohl von Konflikten mit dem Osmanischen Reich und den Briten als auch von Aufständen der ägyptischen Bevölkerung begleitet wurde, scheiterte schließlich. Im August 1800 verließ Napoleon heimlich Ägypten. Die zurückgebliebenen Truppen ergaben sich den Briten im September 1801 und wurden auf britischen Schiffen zurück nach Frankreich gebracht. Napoleons ägyptisches Abenteuer hatte ein unrühmliches Ende genommen, doch sein Stern sollte bald darauf heller erstrahlen als je zuvor. Über ein Jahrzehnt trennten ihn noch von seiner endgültigen Niederlage bei Waterloo.
LITERATURTIPPS
✪ DIE SCHLACHT BEI DEN PYRAMIDEN VON JUAN COLE (ST. MARTIN’S PRESS 2007; DT. AUSGABE THEISS 2010) ✪ NAPOLEON VON DAVID CHANDLER (MACMILLAN 1966; DT. AUSGABE LIST 1974)
Bilder: Alamy, Getty, TopFoto
später von seiner in Bedrängnis geratenen Division, er habe „niemals Offiziere und Männer gesehen, die beim Halten der Stellung derart entschlossen vorgegangen wären.“ Die Mamluken ließen indes nicht von den Franzosen ab und griffen auch die in der Mitte befindliche Division Duguas an – vergeblich. Von allen Seiten unter Beschuss geraten zogen sie sich zurück. Napoleon ordnete einen Angriff der feindlichen Stellungen in Embabeh zu seiner Linken an. Die Kavallerie auf der rechten Flanke der Mamluken, die sich bisher nicht in das Kampfgeschehen eingemischt hatte, griff die heranstürmenden Franzosen an, doch sie vermochten dem Karree Bons nicht gefährlich zu werden. Bei ihrem Rückzug versperrte ihnen die Division Vials den Weg, was sie zur Retirade nach Embabeh zwang. Das Dorf, in dem osmanische Janitscharen und Fellachen stationiert waren, wurde anschließend von Bon und Vial angegriffen und im Sturm erobert. Murad Bey und die etwa 3.000 verbliebenen Kavalleristen flohen südwärts. Chaos herrschte an den Ufern des Nils. Ibrahim Bey hatte versucht, Murad zur Hilfe zu kommen, doch ein kräftiger Wind machte
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LAGEBESPRECHUNG Während der 1990er Jahre machten es sich kleine Gruppen von HisbollahKämpfern zur Aufgabe, die Israelis im Südlibanon ständig zu bekämpfen.
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LAGEBESPRECHUNG
Hisbollah Dieser vom Iran gegründete militärische Flügel von Libanons Regierungspartei gehört zu den furchterregendsten Terroristengruppen der Welt. TEXT: MIGUEL MIRANDA
U
nter den arabischen Staaten hat sich der Libanon von jeher durch einen einzigartigen Reiz von seinen Nachbarn unterschieden. Der Zauber seiner schneebedeckten Berge und wellenumspülten Strände ist von zeitloser Schönheit. Dagegen ist die Politik und Geschichte des Libanon von Konflikten und merkwürdigen Widersprüchen geprägt. So floriert der Staat als regionales Handels- und Finanzzentrum, gleichzeitig gibt es viele arme Flüchtlinge. Vor 50 Jahren waren dies die von der blutigen Geburt Israels vertriebenen Palästinenser und davor Armenier, die dem Völkermord des Osmanischen Reiches entkommen waren. Heute stellen eine Million Syrer ein Fünftel der Bevölkerung. Knapp 30 Jahre nach Ende seines verbitterten Bürgerkrieges beweisen Missstände, dass sich der Libanon noch immer nicht erholt hat. Diese Schwächen haben einer gewissen Institution in die Hände gespielt: die Partei Gottes – Hisbollah. Unter der typischen gelben Flagge, auf der eine arabische Inschrift ein Gewehr umrahmt, stellt der betont zurückhaltend auftretende Hisbollah-Führer, Generalsekretär Hassan Nasrallah, die Würde eines Religionsgelehrten zur Schau. Seine Gelassenheit lässt kaum ahnen, zu welcher Gewalttätigkeit seine Organisation fähig ist. Die Kämpfer unter seinem Kommando sind entschlossen, Israel zu vernichten, und vertrauen im unbeirrten Glauben an ihr Märtyrertum ihrem Schicksal. Neben ihren militärischen Aktivitäten gebärdet sich die Hisbollah dabei als Beschützer der verarmten libanesischen Schiiten, die Jahrhunderte ohne politische Vertretung erdulden mussten. Die Gruppe ist in den anhaltenden, im Nahen Osten wütenden Kriegen zum vielseitigen Spieler geworden. In Syrien und dem Irak gilt sie als überlastet. Als Experten des Guerilla
DIE PERLE DES NAHEN OSTENS
1860
Ein Bürgerkrieg zwischen maronitischen Christen und Drusen zwingt Frankreich einzugreifen und einen brüchigen Frieden zu verhängen. 6.000 französische Soldaten bleiben weniger als ein Jahr im Land.
krieges bekämpfen die Hisbollah-Veteranen dort den Salafi-Wahabi-Extremismus in Gestalt des IS und seinen Takfiri-Brüdern, den Ablegern von Al-Kaida in der syrischen Opposition. Es ist ein bizarres Todesspiel zwischen den gefährlichsten Terroristen-Armeen der Welt. Die gesamte Bewegung und ihre komplizierte Führung existiert dabei unter dem Schutz des Iran, der sie jedes Jahr mit den nötigen Mitteln für Gehälter, Pensionen, soziale Dienste und unzählige Unternehmen von Bäckereien bis Gewerkschaften versorgt. Die Hisbollah hat es seit ihrer revolutionären Vergangenheit sehr weit gebracht. Wenn man die Ursprünge der Gruppe untersucht, offenbaren sich wichtige Lektionen, wie sich aus den Ruinen gescheiterter Staaten neue Machtfaktoren entwickeln können.
Die Trümmer von Beirut
Die Ursprünge eines unabhängigen libanesischen Staates gehen auf bedrängte christliche Maroniten im 19. Jahrhundert zurück, die Frankreich angesichts ethnischer Säuberungen infolge eines Bürgerkrieges in Syrien um Hilfe anflehten. Der Konflikt führte zu einem Kampf der Maroniten gegen die Drusen – einer 1.000 Jahre alten Sekte, deren religiöse Praxis sich aus Einflüssen verschiedener östlicher Glaubenssysteme zusammensetzt. Die Drusen wurden dabei von den osmanischen Kräften unterstützt, ganz gleich wie weit entfernt die Glaubensbrüder auch waren. Die Franzosen kamen der Bitte nach und knüpften dabei eine bis in die Gegenwart andauernde Allianz. Auch heute noch wenden sich libanesische Politiker für Gefälligkeiten, Hilfe und Waffengeschäfte an Paris. Die Intervention war allerdings von kurzer Dauer. Nachdem die Briten gegen ein anhaltendes französisches Engagement in der Provinz protestiert hatten, wurde das nach dem Jubal Lebnan (dem Berg Libanon) benannte Land mit seiner maronitische Enklave wieder osmanischer Kontrolle unterstellt.
1916
Die Unterzeichnung des Sykes-Picot-Abkommens am 16. April unterteilt den Nahen Osten in Einflusszonen. Die Gebiete des Libanons und Syriens fallen am 25. April 1920 unter das französische Mandat.
1943
Als das französische Mandat am 22. November ausläuft, erlangt die Republik Libanon die volle Unabhängigkeit. Der Staat mit christlicher Mehrheit ist im Nahen Osten der einzige seiner Art.
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LAGEBESPRECHUNG Das Sykes-Picot-Abkommen im Ersten Weltkrieg brachte den Libanon zurück unter französischen Einfluss. Dies war Teil einer größeren Beute, die Paris überlassen wurde. Während Großbritannien Palästina und den Irak beanspruchte, gehörten die Alawiten, Turkmenen, Kurden und eine Vielzahl christlicher Sekten sowie das legendäre Damaskus nun zu einem französischen Mandat. Diese vergänglichen Staatengebilde bestanden nicht lange und wurden im Zweiten Weltkrieg aufgelöst. Die bereits 1926 gegründete Republik Libanon überlebte dabei unbeschadet und im November 1943 erfolgte der unblutige Übergang zur vollen Unabhängigkeit. Der erste Schlag für den Zusammenhalt des Libanon bestand in der Kontrolle der europäisierten maronitischen Mehrheit über Präsidentschaft, Justiz und Armee. Dies begrenzte die innerstaatliche Repräsentanz sunnitischer und schiitischer Muslime sowie der Drusen und eines halben Dutzend anderer Minderheiten. Am schlimmsten war freilich für den Libanon das Entstehen eines unabhängigen Staates Israel im Jahre 1948. Nicht nur, dass das Land in den anschließenden Arabisch-Israelischen Krieg eintrat und ihn mitverlor, die Vertreibung vieler Palästinenser fügte auch der multi-ethnischen libanesischen Gesellschaft ein weiteres destabilisierendes Element hinzu. Als 1958 die maronitischen Christen den sunnitischen Muslimen aufgrund politischer Differenzen entgegentraten, brach ein Bürgerkrieg aus. Zu jener Zeit löste die umgehende Ankunft tausender US-Marines die Krise aus. Es folgten fast 20 Jahre Frieden, bevor das Auftreten der palästinensischen Befreiungsorganisation PLO nach ihrer Vertreibung aus dem benachbarten Jordanien Spannungen verschärfte. Eine der größten Parteien Libanons, die rechtsgerichteten Phalangisten, betrachteten dabei die PLO als Bedrohung. Genauso ging es Israel, dessen nördliche Städte und Siedlungen nun für terroristische Übergriffe verwundbar waren. Als 1975 zwischen der libanesischen Regierung und der PLO Kämpfe ausbrachen, begann unter aktiver Beteiligung Syriens ein neuer Bürgerkrieg. Hafez al-Assad, der Vater des derzeitigen Präsidenten Bashar al-Assad, hielt dabei die syrische Armee für das beste Instrument, den Libanon wieder zum Anhängsel von Damaskus zu machen. Ein weiteres Ziel Assads bestand darin, das Bekatal als Übungsgelände für syrische Handlanger zu nutzen. Diese Bemühungen weiteten sich schnell in ein Netzwerk von Terroristencamps aus, die auch die iranischen revolutionären Garden einschlossen, welche die Basis für die Gründung der Hisbollah schufen. 1978 besetzte Israel kurzzeitig den Südlibanon. Im Jahre 1982 drangen dann unter Verteidigungsminister Ariel Scharon erneut israelische Panzer in den Libanon vor, die auf dem Weg nach Beirut von schiitischen Moslems freudig begrüßt
1958
Genau zehn Jahre nach Israels Unabhängigkeit bricht im Libanon ein kurzer Bürgerkrieg aus. Das schnelle Eingreifen einer internationalen Friedenstruppe verhindert weitere Gewalt.
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1970
In dem als Schwarzer September bekannten Aufstand in Jordanien bekämpft die PLO das haschemitische Königreich. Angesichts ihrer Niederlage zieht sich die PLO in den Südlibanon zurück.
wurden. Ihr Ziel war es, die PLO und die Syrer endgültig zu zerschlagen – selbst wenn das die Zerstörung des Libanons bedeutete.
Eine neue Ära des Terrors
Der langsame Todeskampf des Libanon veranlasste die Völkergemeinschaft zu einem weiteren Versuch, „die Perle des Nahen Ostens“ (wie es ein US-Fernsehsender ausdrückte) zu retten. Im Sommer 1983 lag nicht nur eine Flotille der US Navy vor Beirut, sondern Tausende von Soldaten hatten die Stadt unter sich aufgeteilt. Die Streitkräfte umfassten US-Marines, französische und italienische Soldaten und ein britisches Kontingent von 100 Mann. Das vorrangige Ziel war es, die Ruhe wiederherzustellen und die Grundlagen für einen Frieden zu schaffen. Im Rückblick war die ganze Mission eine schlecht durchdachte Geste. Die Israelis waren in Beiruts Vororten verschanzt, ihre Verbündeten durchkämmten immer noch die Straßen, um ihre sunnitischen und drusischen Gegner zu bekämpfen, und die PLO und Syrer klammerten sich in der einst pulsierenden Stadt an ihre eigenen Bezirke. Inmitten dieses Chaos versuchten die westeuropäischen und amerikanischen Kräfte, Israels anhaltende Versuche zu mäßigen, die PLO zu vertreiben, deren 11.000 Kämpfer es ablehnten, ihre Waffen niederzulegen. Obwohl die PLO schließlich nachgab und einem Rückzug nach Tunis zustimmte, nahm dies dem anhaltenden libanesischen Bürgerkrieg nichts von seiner Brutalität. Die von den Phalangisten in den Slums von Sabra und Chatila begangenen Massaker an palästinensischen Zivilisten untergruben dabei Israels Rolle im Libanon und stellten die Blauhelme bloß, die nichts zur Unterbindung des Blutvergießens unternahmen. Innerhalb von zwei Jahren verließen sowohl die israelischen Besatzer, als auch die UN-Truppen den Libanon. Besonders für die Reagan-Regierung war der Libanon-Einsatz zum Fiasko geworden. Die Bombardierung der US-Botschaft in Beirut im April 1983 tötete 63 Menschen und Monate später hinterließ ein Angriff auf US-Marinebaracken 241 Tote. Dies untergrub nicht nur das Prestige der USA, sondern zeigte auch, wie Iran seinen Einfluss in der Praxis geltend machen konnte. Bis heute ist die Rolle der Hisbollah bei beiden Vorfällen ungeklärt. In der Tat bekannte sich die Gruppe und ihr militärischer Flügel, Islamischer Widerstand, erst zu ihrer Existenz, als sich die Israelis in den Südlibanon zurückzogen, wo sie mit ihren örtlichen Stellvertretern, der Südlibanesischen Armee (SLA) ein Netzwerk von Basen und Vorposten errichteten. Jenes Bekenntnis bedeutete, dass sich die Hisbollah nun im Wettstreit mit einer anderen schiitischen Miliz namens Amal-Bewegung um die Rolle des „wahren“ Beschützers der Gemeinde befand.
1975
Nachdem politische Streitereien in offene Sektiererei ausarten, versinkt der Libanon in einen Bürgerkrieg. Milizen werden zum Umsturz des Staates gebildet und vertreiben die Palästinenser aus dem Land.
1978
Oben: Während der verbitterten Bürgerkriegskämpfe in Beirut feuert ein schiitischer Milizionär seine Waffe ab, ca. 1985.
Die Hisbollah-Kämpfer sind für ihre Disziplin, Taktik und tödliche Bewaffnung berühmt, darunter die panzerbrechenden AT-3-Sagger-Raketen.
Aufgrund anhaltender Angriffe von PLO-Kämpfern auf ihre Nordgrenze, beginnen die Israelis eine Strafexpedition in den Libanon, um eine Sicherheitszone einzurichten. Die UN-Resolution 425 zwingt sie jedoch zum Rückzug.
1980
Knapp ein Jahr nach der Entmachtung des Schahs löst der schwelende Streit um den Shatt al-Arab den Iran-Irak-Krieg aus. Das Ayatollah-Regime bleibt der Ausbreitung seiner Revolution verpflichtet.
HISBOLLAH
„BOMBENANGRIFFE AUF DIE ISRAELISCHE BOTSCHAFT UND DAS AMIAGEMEIDEZENTRUM IN BUENOS AIRES ZEIGTEN, DASS DIE HISBOLLAH EIN VERGEHEN NIEMALS UNBSTRAFT LASSEN WÜRDE.“
Das malerische Bekatal dient als Hort riesiger Opiumfarmen, idyllischer Dörfer und terroristischer Trainigscamps. Ein Hisbollah-Kämpfer zeigt im Südlibanon die Flagge der Organisation, ca. 2000.
Die Hisbollah unterschied sich dabei von Anfang an durch ihre Botschaft und ihr Auftreten. Sie war eine radikale Gruppe mit dem Apparat einer politischen Partei. Ein Rat von Abteilungschefs wählte ihren Generalsekretär, der eine Doppelrolle als Staatsmann und Ideologe spielte. Ihre Truppe von im Bekatal von syrischen und iranischen Ausbildern trainierten Kämpfern wurde nicht für Überfälle auf Israelis verheizt. Vielmehr bevorzugte man mit bemerkenswerter Disziplin und Planung ausgeführte Gefechte zur Tötung und Verstümmelung israelischer Soldaten – Opfer, die die Moral untergruben und die öffentliche Unterstützung der Israelis minderten. Allerdings reagierte Israel entsprechend. Mithilfe seiner Technologie und seines Spionageapparates wurde die Hisbollah-Führung schonungslos ins Visier genommen. 1992 tötete ein Apache-Kampfhubschrauber Generalsekretär Abbas-al-Musawi. Erst in den 1990er Jahren begann jedoch der lange Krieg der Hisbollah gegen Israel ernsthaft. Nach dem Tode al-Musawis wurde der 32-jährige Sayed Hassan Nasrallah zu seinem Nachfolger gewählt. Bombenangriffe auf die israelische Botschaft und ein jüdisches Gemeidezentrum in Buenos Aires zeigten bald, dass die Hisbollah nicht vergaß. Im Südlibanon war die Gruppe indes für jährlich mindestens 24 israelische Opfer verantwortlich. Die Hisbollah setzte auf kleine Truppen von Bewaffneten für überschaubare Einsätze. Sie verfügte zudem über Raketen, die auf den Sheebaa-Farmen untergebracht waren. Dieses kleine, von der Hisbollah beanspruchte Stück Land bestand aus einer Reihe von Gehöften bei den Golanhöhen, die von den Schmelz wasserströmen des libanesischen Berges Hermon gespeist wurden. Israel verließ den Südlibanon schließlich zwischen 1999 und 2000. Für die Hisbollah, die höchstens über ein paar hundert Kämpfer verfügte, war dies ein seltener und in der arabischen Welt beispielloser Sieg. Dennoch brachten die folgenden Jahre keinen dauerhaften Frieden. Die Hisbollah blieb bei ihrem Anspruch auf die Sheebaa-Farmen hartnäckig. Reich an Geldzuschüssen aus Teheran und Waffenlieferungen aus Damaskus, errichtete man in ganz Südlibanon Depots für Flugkörper und Ausrüstung. Die Israelis schätzten, dass die Hisbollah in den Jahren nach dem Rückzug aus ihrem Gebiet 600 verschiedene Befestigungsanlagen errichteten.
Auge um Auge
Die Feuerprobe für die Bedeutung der Hisbollah bestand in dem verheerenden israelischen Krieg gegen den Libanon im Jahre 2006. Es war eine bewaffnete Konfrontation von nie dagewesener Grausamkeit, bei der ein überlegenes Land seinen Nachbarn angriff, nicht um ihn zu besiegen, sondern um eine Terrororganisation, die man als existenzielle Bedrohung betrachtete, gezielt zu eliminieren.
1982
Nach der Ermordung eines Diplomaten marschiert Israel am 6. Juni in den Libanon ein. Syrien wird verwickelt und israelische Kampfjets bombardieren Beirut.
1983
Am 18. April zerstört eine LKW-Bombe die US-Botschaft in Beirut und hinterlässt 63 Tote. Sechs Monate später werden US-Barracken bei einem weiteren Angriff mit 241 Toten vernichtet.
1985
Aufgrund internationalen Drucks und wachsender Opferzahlen ziehen sich die Israelis, nachdem die PLO Beirut verlassen hat, in den Südlibanon zurück, wo sie sich gegen rebellische Schiiten behaupten müssen.
1989
Nach einem 15-jährigen Bürgerkrieg arrangiert Saudi-Arabien das Taif-Abkommen. Die libanesischen Milizen rüsten ab, aber die Hisbollah weigert sich, ihre Waffen abzugeben.
1992
Am 17. März explodiert in der israelischen Botschaft in Buenos Aires zur Vergeltung für die einen Monat zuvor erfolgte Tötung Abbas al-Musawis eine Bombe.
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LAGEBESPRECHUNG Der Showdown begann am 12. Juli mit einem Überfall auf zwei an der Grenze patroullierende israelische Humvees. Beide Fahrzeuge waren innerhalb von Minuten ausgeschaltet und ihre Besatzungen entweder getötet oder verwundet, wobei zwei israelische Soldaten spurlos verschwanden. Nachdem er erfahren hatte, dass die Hisbollah israelische Soldaten entführt haben könnte, entsandte der örtliche israelische Kommandant einen motorisierten Konvoi an die Grenze, um den Guerrillas den Rückweg abzuschneiden, aber auch das war eine Falle. Man nimmt an, dass eine große Behelfsbombe auf dem Weg eines Merkava-Panzers plaziert worden war. Die anschließende Explosion tötete die gesamte Besatzung. Beide Aktionen hinterließen innerhalb weniger Stunden acht tote Soldaten. Die offizielle Reaktion Tel Avivs bestand in heftigen Luftschlägen auf Beirut und der größten Mobilmachung seit 1982. Dabei schienen eventuelle Auswirkungen auf Unschuldige bedeutungslos zu sein – das einzige Ziel bestand in der Zerstörung von Basen, Logistik und Kommandostrukturen der Hisbollah. Israelische F-16- und F-15-Jets ebneten in den schiitischen Vororten Beiruts ganze Wohnblocks ein, weitere Luftschläge auf Beiruts internationalen Flughafen und Überlandstraßen hinterließen dabei ein seit dem Bürgerkrieg nicht mehr gesehenes Ausmaß an Zerstörungen. Unterdessen wurden Dörfer im Süden wieder und wieder von den 155-mm-Geschossen der israelischen M109-Haubitzen getroffen. Nach Angaben der Israelis diente dies der Ausschaltung von Raketenbasen der Hisbollah, da aus solch schwer fassbaren Verstecken Raketen bis nach Haifa abgefeuert wurden. Als der UN-Sicherheitsrat schließlich einen Waffenstillstand durchsetzte, hatten die Israelis den Südlibanon verwüstet, wobei sie sogar soweit gingen, die Täler mit verbotenen Clusterbomben einzudecken. Die Hisbollah war jedoch immer noch da und versteckte die zwei gefangenen israelischen Soldaten weiterhin unter unbekannten Umständen. Obwohl die israelische Armee behauptete, der Hisbollah mindestens 500 Verluste zugefügt und ihre Basen vernichtet zu haben, wurden ihre Ziele durch Fehleinschätzungen und falsche Berechnungen verfälscht. Ganz oben stand dabei die absolute Verwundbarkeit Nordisraels gegenüber Raketenangriffen. Hätte die Hisbollah Sucd-Raketen anstelle der Katjuschas eingesetzt, wären die wenigen Opfer unter den dortigen Zivilisten möglicherweise in die Hunderte gegangen. Der Guerillataktiken der Hisbollah brachten ein böses Erwachen. Obwohl sie die Gruppe seit 20 Jahren bekämpften, waren die israelischen Truppen gegenüber kleinen Teams von Hisbollah-Kämpfern anfällig, und in der Stadt Maroun al-Ras wehrte eine enschlossene
1994
Ein Bombenanschlag auf ein jüdisches Gemeindezentrum in Buenos Aires hinterläßt 85 Tote und 200 Verwundete. Man vermutet, dass die Hisbollah das zu verantworten hat.
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1997
Hadi Nasrallah, ältester Sohn von Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah, wird im Kampf von israelischen Soldaten getötet. Sein Vater teilt seinen Tod in einer aufgezeichneten Übertragung mit.
Im August 2006 bewachen libanesische Soldaten ein Begräbnis im Dorf Qana.
2000
Israel beginnt nach Jahren der Verluste seinen Rückzug aus dem Südlibanon. Am 24. Mai sind alle Israelis abgezogen und die Hisbollah verkündet ihren Sieg.
2005
Premierminister Rafik Hariri wird am Valentinstag durch eine Autobombe getötet. Sein Tod löst Proteste gegen Syrien aus, dessen Truppen den Libanon nach 29-jähriger Besetzung verlassen.
2006
Der Überfall auf zwei israelische Soldaten und ihre Entführung durch die Hisbollah löst den Libanonkrieg 2006 aus. Im Verlaufe eines Monats zerstören die Israelis Teile von Beirut und Südlibanons.
HISBOLLAH
Die schiitische Amal-Miliz greift während des Bürgerkrieges HisbollahKräfte in Beirut an, ca. 1988.
Hisbollah-Garnison die Israelis eine Woche lang ab. Viel zu oft wurden Schützenpanzer und Merkavas von Straßenbomben oder RPG-7- und RPG-9-Raketen kampfunfähig geschossen oder zerstört. Weitere Bedrohungen bestanden in Sagger- und Kornet-Raketen, die selbst mit der dicksten Panzerung kurzen Prozess machten. Der letzte und enttäuschendste Irrtum bezog sich auf die Größe und Reichweite des Waffenarsenals der Hisbollah. Am 4. Juli wurde das israelische Kriegsschiff INS Ahi-Hanit von einer Anti-Schiffsrakete lahmgelegt. Die Israelis veröffentlichten nie eine Liste der im Krieg erfolgten Raketenangriffe, aber vorsichtige Schätzungen gehen von mindestens mehreren Tausend aus. Was bewirkte der Libanonkrieg? 2008 wurden die sterblichen Überreste der beiden entführten israelischen Soldaten, Eldad Regev und Ehud Goldwasser, zurückgegeben. Wie die beiden Männer starben, bleibt unbekannt. Die Hisbollah erweiterte ihr Netzwerk und
vervielfachte ihr Waffenarsenal, das nun Kurzstreckenraketen umfasst. Die geschätzte Größe ihrer Lagerbestände liegt heute zwischen 80.000 und 130.000 Raketen. Im Südlibanon ist immer noch das Donnern der Artillerie zu hören und sowohl die Israelis, als auch die Hisbollah sind von Trefferabrechnungen besessen. Im Mai 2016 wurde der Hisbollah-Kommandeur Mustafa Badreddine bei einem Attentat in Damaskus getötet. Währenddessen wächst der Einfluss der Gruppe im Libanon. Ihre schiitische Gefolgschaft ist größer denn je, ihre Wohlfahrtseinrichtungen betreiben Schulen zum Heranziehen von Mitgliedern und ihre Unternehmen sind in die Wirtschaft eingebettet. Dank der Finanzierung und Propaganda aus dem Iran steht die Partei Gottes vor der Eroberung eines Landes. Gleichwohl ist der Krieg in Syrien ein Ablenkung. Die israelischen Generäle sind kampfeswillig, diesmal mit tödlicherer Technologie. Steht der Hisbollah der Tag der Abrechnung bevor?
HISBOLLAHS TRUMPF
Schon seit ihrer Gründung ist die Hisbollah von Raketenartillerie besessen. Überschüssige, von Syrien gelieferte Katjuschas erwiesen sich für die jahrzehntelange Bekämpfung Israels als unverzichtbar. Während des Krieges im Jahre 2006 wurden mehrere tausend Raketen aller Art auf Nordisrael abgefeuert. Heutzutage verfügt die Gruppe über geschätzte 80.000 bis 130.000 Raketen – eines der größten Arsenale der Welt.
10 Sek.
25 Sek.
● NAZARETH
35 Sek.
50 Sek.
● DSCHENIN
HISBOLLAHS ARTILLERIERAKETEN
19 km
KATJUSCHA TEL AVIV ●
JERUSALEM ★ GAZA ●
38 km
75 Sek. ● JERICHO
LANGSTRECKEN-KATJUSCHA 45 km
FAJR-3
● HEBRON
72 km
RAFAH ● 120 Sek.
FAJR-5/SYRISCH 220 mm
165 Sek.
SYRISCHE B302
114 km
ISRAEL
2012
Mit dem Wanken von Bashar al-Assads Regime beteiligt sich die Hisbollah am ein Jahr zuvor begonnenen syrischen Bürgerkrieg. Militärberatern folgen Bataillone von Kämpfern.
2016
Im Februar stoppt Saudi-Arabien Militärhilfen an den Libanon im Wert von vier Milliarden Dollar. Neun Monate später beeinflusst die Hisbollah die Wahl von Präsident Aoun, einem maronitischen Christen.
210 km
ZELZAL-2
195 Sek.
250 km
ÄGYPTEN
JORDANIEN ● EILAT
M-600 300 km
SCUD-B* * *BESITZ DURCH DIE HISBOLLAH IST NICHT GESICHERT
Bilder: Getty, Shutterstock
Irgendwo im Südlibanon bemannen zwei Hisbollah-Kämpfer einen Katjuscha-Raketenwerfer, ca. 2001.
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OSTFRONT 1917
Russische Soldaten, die bei dem Versuch eines Durchbruches im Stacheldraht hängenblieben und erschossen wurden, 1917.
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ostfront 1917
DAS GRAB DER RUSSISCHEN ARMEE
TEXT: STEVE ROBERTS
Trotz der hohen Verluste wird die Ostfront des Ersten Weltkrieges gerne vergessen, überschattet von Revolution und Bürgerkrieg.
E
s war der größte militärische Erfolg Russlands im Ersten Weltkrieg, aber mit fast einer Million Verlusten – mehr als die Hälfte davon tot auf dem Schlachtfeld – doch nur ein Pyrrhussieg. Die Brussilow-Offensive wurde zwischen Juni und September 1916 ausgefochten. Dabei erreichte der gleichnamige General fast das Unmögliche, was jedoch durch das Eingreifen der Alliierten Österreich-Ungarns sowie durch das sich als schwaches Glied herausstellende Rumänien vereitelt wurde. Anstatt die russische Linie im Süden zu festigen, mündete die Niederlage der Rumänen in einem allgemeinen Rückzug – eine Situation des Kollapses, die nur durch den einbrechenden Winter aufgehalten wurde. Das Unterfangen hätte zu Beginn des Jahres 1916 die Erfüllung der Vorstellung des russischen Generalstabschefs Michail Alexejew sein können, mittels einer gemeinsamen Anstrengung Österreich-Ungarn aus dem Krieg zu drängen. Die Kombination aus den Niederlagen des Sommers und der Moralschwächung der russischen Divisionen, die nach Rumänien entsandt worden waren, um dort den Vormarsch der Mittelmächte zu stoppen, stellte sich als zu viel für die Kaiserlich Russische Armee heraus. Wenn es einen Zeitpunkt gab, an dem der russische Wille gebrochen war, dann in diesem Moment – ein Beinahe-Triumph, der zu einem weiteren lähmenden Rückschlag wurde. Ironischerweise hatten die Russen Rumänien als Bereicherung für galizische Kampagnen herangezogen, welches diese Hoffnung jedoch nicht einmal annähernd erfüllen konnte. Bezeichnenderweise konnte man im Okto-
ber 1916 in einigen russischen Korps kleinere Antikriegsvorfälle beobachten und Maurice Paléologue, der französische Botschafter am Zarenhof in St. Petersburg, berichtete, dass „[…] Kriegsmüdigkeit und Nahrungsmittelknappheit im Herbst 1916 in einigen russischen Korps auftraten. Dies waren die Vorboten der Revolution von 1917.“ Fabriken in Sankt Petersburg streikten, und als die französischen Renault-Arbeiter versuchten, ihrer Arbeit weiter nachzugehen, wurden sie von Streikenden angegriffen. Die Polizei orderte die Infanterie herbei, die sich jedoch auf die Seite der Streikenden schlug, sodass die Kosaken die Ordnung wiederherstellen sollten. Nach Kriegsausbruch war Russland – genau wie einige andere Kriegsteilnehmer – recht optimistisch davon ausgegangen, dass der Krieg nur kurz sein und man als Sieger hervorgehen würde. Aus diesem Grund hatte man versäumt, Materialien und Arbeitsaufwand entsprechend zu berücksichtigen, sodass der Munitionsmangel schon bald kritische Ausmaße erreichte. Anders als die Industrienationen hatte das Land weder eine Produktionsreserve, die auf Kriegsproduktion hätte umgestellt werden können, noch eine effiziente Bürokratie zur Koordination einer solchen Adaption. Neben (zumeist) unfähigen Offizieren fehlte es Russland zudem eigentlich an allem Nötigen – insbesondere Artillerie –, um einen modernen Krieg zu führen. Das einzige, was man im Überfluss hatte, waren Arbeitskräfte. Eine russische Division umfasste 1915 circa 15.000 Mann. Nach der Mobilisierung kam Russlands Armee auf insgesamt 115 Infanterieund 38 Kavalleriedivisionen (circa 2,3 Millionen Truppen), jedoch nur 8.000 Artilleriegeschütze.
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OSTFRONT 1917 Die Schwierigkeiten, denen sich die Russen bei derart vielen Feinden und einer solch weitreichenden Frontlinie gegenübersahen, wurden unter anderem darin deutlich, dass nur 30 Prozent der verfügbaren Divisionen sich den Deutschen im Norden entgegenstellten. Im Anbetracht des schlecht verlaufenden Krieges und der ansteigenden Unruhen bereute Nikolaus II. wahrscheinlich, dass er im September 1915 den russischen Oberbefehlshaber Nikolai Nikolajewitsch abgesetzt hatte. Stattdessen übernahm der Zar selbst diese Funktion, wobei er die Warnungen, dass er nicht Staatsmann und Soldat zugleich sein könne, in den Wind geschossen hatte. Wenngleich er nur als Repräsentationsfigur tätig sein und die eigentliche Kontrolle der Armee Michail Wassiljewitsch Alexejew innehaben sollte, würde sein Name unauslöschlich mit Versagen in Verbindung gebracht werden. Das zeigen beispielsweise die Schuldzuweisungen von General Aleksandr Noskoff nach den schweren Verlusten bei der Schlacht am Naratsch-See im März 1916: „Unsere Verluste waren sehr hoch. Die Opfer waren die Folge des persönlichen Eingreifens durch Kaiser Nikolaus II.“ Sein Fehlen in der Hauptstadt führte außerdem dazu, dass eine sich um die Zarin Alexandra und den mystischen Heiler Rasputin scharende Gruppe
die effektive Regierung übernommen hatte, was die Unzufriedenheit noch weiter befeuerte. Als das miserable Jahr 1916 sich seinem Ende zuneigte, hatten mehr als ein Dutzend Regimenter gemeutert und täglich desertierten Tausende Soldaten – der Zar schien außerstande, Regierung oder Armee zu kontrollieren. Selbst der Mord an Rasputin trug nur wenig zur Problemlösung bei, deutete stattdessen aber unübersehbar daraufhin, dass Russland sich auf dem Weg in einen anarchieähnlichen Zustand befand. Als Weihnachten vor der Tür stand, verlagerten die Russen ihren militärischen Fokus auf den Norden, wo sie eine Offensive der 12. Armee des Russischen Kaiserreichs (an der Nordfront) und lettischen Einheiten im Gebiet um Jelgava (Lettland) begannen. Nachdem man Österreich-Ungarn nicht bezwingen konnte, planten die Russen unter General Radko Dimitriew gegen die Deutschen eine weitere unkluge Attacke. Der Erste Weltkrieg war ein Krieg der Allianzen, weshalb Russland oft Offensiven aufgrund des Drucks der anderen Entente-Mitglieder starten musste. Die sogenannten „Weihnachtsschlachten“ Ende Dezember 1916 waren ein typisches Beispiel dafür. Der Angriffsbefehl auf die 8. Armee des Deutschen Kaiserreiches an der Front bei Riga wurde gegeben, um die deut-
„DER ZAR SCHOSS DIE WARNUNGEN, DASS ER NICHT STAATSMANN UND SOLDAT ZUGLEICH SEIN KÖNNE, IN DEN WIND.“ Die russische Infanterie wurde kurz vor Ausbruch des Krieges mobilisiert. Viele sollten nie wieder nach Hause zurückkehren.
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schen Reservekräfte herbeizuziehen und somit die Franzosen bei Verdun zu entlasten. Der Vorstoß der 8. Armee war 1915 bei Riga zum Halten gekommen, woraufhin diese sich eingrub und einen zum Großteil aus Holz und Sand bestehenden, 30 Kilometer langen Befestigungswall errichtete. Dieser wurde in den Tirel-Sümpfen gebaut, was für jeden, der mutig – oder dumm – genug war, das Gebiet erobern zu wollen, das Ganze zum Albtraum machte. Ein Temperatursturz Mitte Dezember auf -35 Grad Celsius ermöglichte durch das Zufrieren der Sümpfe jedoch einen Angriff. Um den Feind zu überraschen, planten die Russen diesen für den 23. Dezember, davon ausgehend, dass sie die Deutschen so kurz vor Weihnachten auf dem falschen Fuß erwischen würden. Das eigentliche Ziel dabei war Jelgava, ein Schienen- und Straßenknotenpunkt südwestlich von Riga. Die Hauptstreitmacht bildete das VI. Sibirische Schützenkorps, zu dem auch zwei lettische Schützenbrigaden gehörten. Die Offensive begann in den frühen Morgenstunden. Neben dem durch den Zeitpunkt gewonnenen Überraschungsmoment nutzten die Russen weiterhin keine Artillerieunterstützung, was die Deutschen vorgewarnt hätte. Im Gegensatz dazu legte das an der Westfront erlangte Wissen einen Frontalangriff nahe, dem ein massives – normalerweise wirkungsloses – Trommelfeuer vorausgehen musste. Trotz all der Planung kam der russische Angriff zum Stehen, nachdem die Deutschen Verstärkungen heranziehen konnten und eigentlich
DAS GRAB DER RUSSISCHEN ARMEE
FEINDE DES MUTTERLANDES
ZAHLREICHE NATIONEN STREBTEN NACH DEM SIEG – EINE FAST UNLÖSBARE AUFGABE FÜR NIKOLAUS II. Die Ostfront des Ersten Weltkrieges war nicht nur eine simple Auseinandersetzung zwischen Russland und Deutschland. Als Österreich-Ungarn Serbien den Krieg erklärte, war Russland verpflichtet, seinen slawischen Verbündeten zu verteidigen. Darüber hinaus sah sich Russland einem militaristischen Deutschland gegenüber, das seine Allianz mit Österreich-Ungarn in Ehren hielt. Russland führte also einen Krieg an einer 1.600 Kilometer langen Front
DEUTSCHLAND TÜRKEI
Während sich Russland gut gegen Österreich-Ungarn behaupten konnte, sah es bei Deutschland anders aus, und der Todesstoß kam im August/September 1914 mit Niederlagen bei Tannenberg und den Masurischen Seen. Deutschlands Schlieffen-Plan scheiterte jedoch, sodass es einen Krieg an zwei Fronten führen musste und nicht genügend Truppen an die Ostfront entsenden konnte, um Russland zu besiegen. Russland erwies sich als zu groß für Deutschland – die letzte Offensive fand im September 1917 statt.
Die Türkei trat den Mittelmächten im August 1914 bei. Russlands Offensiven gegen die Türken spielten sich an zwei Schauplätzen ab: Westpersien und Armenien. Im Januar 1915 bat Russland Großbritannien um Ablenkung, was den Druck im Kaukasus mindern sollte und einer der Gründe für die unglücklich verlaufende Schlacht von Gallipoli war. Russland hatte Ende 1916/ Anfang 1917 die Oberhand, aber durch die Revolution musste man sich aus Westpersien zurückziehen.
gegen Deutschland und Österreich-Ungarn. Als wenn das nicht schon genug gewesen wäre, trat die Türkei im späteren Verlauf des Jahres 1914 den Mittelmächten bei, wodurch Russland ab November ein dritter Gegner zusetzte. Im September 1915 wurden aus drei Feinden vier, als Bulgarien dies ebenfalls tat. Für Nikolaus II. lauerte mit Beginn des Jahres 1916 hinter jeder Ecke ein Feind – ganz zu schweigen von den Polnischen Legionen …
BULGARIEN
Bulgariens Niederlage gegen Serbien und Griechenland 1913 ließen die Nation nach Rache lechzen. Das anfangs neutrale Land trat im September 1915 den Mittelmächten bei, da man darin die Möglichkeit sah, Bulgarien durch Makedonien zu erweitern. Im Verlauf des Jahres 1916 attackierte Bulgarien Griechenland und dann Rumänien, welches sich auf die Seite der Alliierten geschlagen hatte. Im August marschierten bulgarische Truppen auf Dobrudscha, wo sie von rumänischen und russischen Verbänden gestellt wurden.
.. OSTERREICHPOLN. LEGIONEN Polen existierte während UNGARN
des Ersten Weltkrieges nicht als unabhängiger Staat, stattdessen wurde das polnische Territorium zwischen Deutschland, Österreich-Ungarn und Russland aufgeteilt. Die Polen schlossen sich den vermutlichen Siegermächten an und bekamen Zugeständnisse und das Versprechen zukünftiger Autonomie im Gegenzug für Loyalität und Soldaten. Józef Piłsudski, das zukünftige Staatsoberhaupt Polens, glaubte, dass die Mittelmächte den Krieg gewinnen würden, sodass die Polnischen Legionen unter der Flagge Österreich-Ungarns gegen Russland ins Feld zogen.
Der Kampf gegen die geschwächte Doppelmonarchie Österreich-Ungarns, die Russland gegenübertrat, bot für das Zarenreich die besten Aussichten auf Erfolg. Doch die Vernichtung des Gegners gelang nicht, einerseits durch Fehler auf russischer Seite, andererseits aufgrund der deutschen Unterstützung des Habsburgerreiches. Dies wurde vor allem durch die Brussilow-Offensive deutlich, die fast zur Niederlage Österreich-Ungarns geführt hatte, dann aber auch aufgrund deutscher Divisionen abgebrochen werden musste.
„TROTZ ALL DER PLANUNG KAM DER RUSSISCHE ANGRIFF ZUM STEHEN, NACHDEM DIE DEUTSCHEN VERSTÄRKUNGEN HERANZIEHEN KONNTEN.“
Unten: Zwei der von den Deutschen eroberten russischen Geschütze im schwedischen Daugavgriva, heute Teil des lettischen Rigas (circa 1917).
Beschädigte Gebäude in Riga nach der Eroberung durch die deutsche 8. Armee.
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OSTFRONT 1917
In einen Graben gepfercht wartet die russische Nachhut auf einen deutschen Angriff. Ein politisches Treffen russischer Soldaten an der Ostfront nach der ersten Revolution von 1917.
alles, was schieflaufen konnte, lief schief. Das 17. Sibirische Regiment meuterte, woraufhin sich einige weitere Einheiten der Befehlsverweigerung anschlossen. Aufgrund der ins Stocken geratenen Offensive blies man auf deutscher Seite zum Gegenangriff. Durch eine weitere russische Attacke an Weihnachten konnte ein befestigter Hügel an der Nordseite des Sumpfes eingenommen werden, der Kommandeur erkannte den Erfolg jedoch nicht, sodass der Sieg nicht genutzt wurde. Mit Erreichen des 29. Dezembers war der russische Sturm auf den deutschen Befestigungswall schließlich versiegt; eine weitere, unentschlossene Schlachtführung und ein weiteres Beispiel eines Gefecht, welches zugunsten der Russen hätte ausgehen können. Im Folgemonat startete die 8. Armee einen Gegenangriff in konventioneller Manier mit einer Infanterieoffensive und vorausgehendem Artilleriebeschuss. Zwar konnten Letten und Serben die Stellung zeitweise halten, aufgrund fehlender Attacken der Russen eroberten die Deutschen jedoch 80 Prozent ihres zuvor verlorenen Gebietes zurück. Durch einen Temperaturabfall auf -38 Grad Celsius kamen die Kämpfe zum Erliegen, sodass beide Seiten sprichwörtlich eingefroren waren. Die 13.000 Verluste auf russischer Seite (8.000 davon lettische Schützen) erhöhten die Unzufriedenheit mit den russischen Generälen und dem Zar noch mehr. Die Sibirier, die sich dem Angriffsbefehl widersetzt hatten, wurden bestraft. Einige mussten ihr Leben lassen, andere wiederum wurden – ironischerweise – nach Sibirien verbannt. Währenddessen stieg die Unterstützung für die Bolschewiki. Die Weihnachtsschlachten des Winters 1916–1917 waren mit ihren zwei Parteien, die bis zum Erschöpfen und bis zum Stillstand kämpften, fast schon ein Mikrokosmos innerhalb der Ostfront. Während beide Seiten ihre nächsten Schritte abwogen, sahen die Strategen die Ostfront immer mehr als Nebenschauplatz dessen, was sich im Westen abspielte. Die Ostfront blieb dennoch wichtig. Allein die Tatsache, dass es diesen Schauplatz gab und die Situation ungelöst war, bedeutete, dass die Deutschen keine großen Truppenzahlen gen Westen verlegen konnten. Nach dem anfänglichen Optimismus und Enthusiasmus für den Krieg und einem Hass gegen alles Deutsche sowie einer ausgeprägten Liebe zu Mütterchen Russland und ihrem Zaren steuerte die Nation volle Fahrt in Richtung Revolution, Bürgerkrieg und bolschewistische Machtkonsolidierung. Der glorreiche Herbst 1914, in dem alles möglich anmutete, schien nun schrecklich weit weg zu sein, die loyalen Tage, in denen die deutsche Botschaft in Sankt Petersburg verwüstet und die Stadt aufgrund ihres deutschklingenden Namens in Petrograd umbenannt wurde, meilenweit entfernt. Damals existierte keine Schwarzmalerei (anders als zu Zeiten des Russisch-Japanischen Kriegs 1905),
„DER GLORREICHE HERBST 1914, IN DEM ALLES MÖGLICH ANMUTETE, SCHIEN NUN SCHRECKLICH WEIT WEG ZU SEIN.“ 74
DAS GRAB DER RUSSISCHEN ARMEE
✪
STOCKHOLM
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PETROGRAD
1914–1918
PSKOW
SCHWEDEN
OSTFRONT
WEITESTER RUSSISCHER VORMARSCH 1914
FRONT ZUR ZEIT DER RUSS. REVOLUTION .. WEITESTER OSTER.-UNGAR, VORMARSCH 1918 STAATSGRENZEN
DEUTSCHLAND
✪
MINSK
WARSCHAU
BERLIN
LODZ
BREST-LITOWSK
RUSSLAND
KIEW
CHARKIW
ROSTOW
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WIEN BUDAPEST ODESSA
ÖSTERREICH-UNGARN KRONSTADT
✪
RUMÄNIEN
✪
BELGRAD
SERBIEN
SEWASTOPOL
BULGARIEN
✪ SOFIA
RUSSLANDS FRONT
DIE OSTFRONT WAR DER KRIEG, DEN JEDER ERWARTET HATTE – EINER GEPRÄGT VON TRUPPENBEWEGUNGEN UND DURCHBRÜCHEN. DIE EINZIGE ÜBERRASCHUNG WAR, DASS ES KEINE SCHNELLE ENTSCHEIDUNG GAB. Während die Westfront schnell zum Zermürbungskrieg wurde, bei dem sich die Frontlinien vier Jahre lang kaum verschoben, erinnerte die Ostfront eher an die Kriege vergangener Tage. Churchill brachte das Problem auf den Punkt: „Das Gebiet im Osten war zu groß für die Armeen.“ Keiner war auch nur ansatzweise dazu fähig, dem Feind einen Knock-out zuzufügen. In bekannter Manier tauschte Russland Raumgewinne gegen Menschenleben und Zeit. Im Norden standen sich Russland und Deutschland an einer Front gegenüber, die sich südlich der Ostsee erstreckte. Zwei Gebiete stachen dabei im ehemals deutschen Gebiet im Norden (Ostpreußen) hervor: Tannenberg und die Masurischen Seen, beides Schlachtfelder von 1914. Direkt dadrunter ragte wie ein Daumen zwischen Ostpreußen und Galizien mit Warschau im Herzen der westlichste Teil Russlands hervor. Galizien – südlich davon – war der Schauplatz, der wie ein Jo-Jo zwischen Österreich-Ungarn und Russland wechselte. Die Front verlief weiter über
die Karpaten Richtung Schwarzes Meer, welches das Hoheitsgebiet von Bulgarien und Rumänien war, die beide in den Krieg eintraten, allerdings auf unterschiedlichen Seiten. Die Rumänen stellten sich als Last für die Russen heraus, als Bulgarien in Dobrudscha einfiel und Constanta, eine rumänische Hafenstadt am Schwarzen Meer, besetzte sowie die Donau in Richtung Walachei überquerte. Der Kriegseintritt der Türkei belastete Russland mit einer weiteren Front zwischen der östlichen Seite des Schwarzen Meeres und dem Kaspischen Meer. Nicht nur Deutschland kämpfte an verschiedenen Fronten. Russland, aufgrund der anfänglichen deutschen Erfolge im Westen unter dem Druck, angreifen zu müssen, attackierte zuerst Österreich-Ungarn in Südpolen und Galizien, dann Deutschland in Ostpreußen und anschließend nördlich von Warschau. Es war unmöglich, dass Russland den Krieg mit seinem Mangel an Gewehren, Artillerie, Munition und Kleidung an all den Fronten würde aufrechterhalten können.
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OSTFRONT 1917
HINTER DEN KULISSEN DER REVOLUTION IM ZUGE EINES DER BEDEUTENDSTEN EREIGNISSE DER MODERNEN GESCHICHTE WURDE RUSSLAND ZUR GEBURTSSTÄTTE DER KOMMUNISTISCHEN REVOLUTION. Die Februarrevolution beendete die russische Zarenherrschaft, woraufhin eine Periode der zweigeteilten Macht zwischen der Provisorischen Regierung und dem Petrograder Sowjet folgte, bevor die Oktoberrevolution schließlich Russlands kurzen Flirt mit der Demokratie beendete und die weltweit erste kommunistische Diktatur installierte. Die Entschlossenheit der Provisorischen Regierung, ihre Vertragsverpflichtungen zu erfüllen und den Kampf gegen die Alliierten weiter zu führen, besiegelte ihren Untergang. Mit ihrem Friedensversprechen wurden die Bolschewiki beliebt, da sie die einzige Oppositionspartei waren, die zusicherte, diesbezüglich keine Kompromissen machen zu wollen. Die russische Armee blieb auch zwischen den Revolutionen weiter intakt, was die Kerenski- Offensive und der Widerstand gegen Deutschlands Angriff auf Riga beweisen. Mit dem Vorrücken in Westpersien im März 1917 bekämpfte Russland zudem die Türkei. Der russische Einfluss wuchs stetig, im gleichen Maße aber auch der Widerstand der eigenen Truppen. Die zweite Revolution bedeutet für die Armee, dass sie sich entscheiden musste, auf wessen Seite sie sich schlug. Der Großteil des Fußvolkes war kriegsmüde und so fiel die Wahl auf die Unterstützung der neuen Herrscher. Das um-
fasste auch die Rote Armee – hervorgegangen aus der Roten Garde –; Unzufriedene, die von Minderheitenradikalen geführt wurden, die die Revolution orchestriert hatten. Ihnen stellte sich die Weiße Armee entgegen – Offiziere, Kosaken, Bourgeois und entmachtete politische Gruppen; eine zusammengewürfelte Truppe, die das neue Regime nicht akzeptieren wollte. Die Bolschewiki wollten das Engagement Russlands im Ersten Weltkrieg beenden. Während eines wackeligen Waffenstillstands im Dezember 1917 und der Verhandlungen über die Bedingungen erklärte der Gründer der Roten Armee, Leon Trotzki, noch vor Abschluss eines formalen Friedens den Krieg als beendet. Deutschland setzte eine Woche später aber die Feindseligkeiten fort und rückte bis auf 160 Kilometer auf Petrograd vor. Auf Verlangen Lenins hin nahmen die Bolschewiki die Gespräche wieder auf. Der Friedensvertrag von Brest- Litowsk wurde, wenngleich unter Protest gegen die militärischen Drohungen Deutschlands, von den Bolschewiki im März unterzeichnet. Die Kämpfen gingen jedoch weiter, da Deutschland die Weiße Armee unterstütze, beispielsweise in der Ukraine und in Finnland. Wenngleich die Weiße Bewegung letztlich unterlag, so währte der Bürgerkrieg noch bis 1922 und kostete Hunderttausenden Russen das Leben.
„DIE ENTSCHLOSSENHEIT DER PROVISORISCHEN REGIERUNG, IHRE VERTRAGSVERPFLICHTUNGEN ZU ERFÜLLEN UND DEN KAMPF GEGEN DIE ALLIIERTEN WEITER ZU FÜHREN, BESIEGELTE IHREN UNTERGANG.“
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Führende Köpfe wie General Kornilow wandten sich gegen die Revolution. Nach einem gescheiterten Putschversuch gegen die Sowjets fiel er im Russischen Bürgerkrieg.
DAS GRAB DER RUSSISCHEN ARMEE sondern nur die Entschlossenheit zu kämpfen und der Glaube an den Sieg, alles andere war nebensächlich. Der ehemalige Regierungschef Russlands, Sergei Witte, war einer der wenigen gewesen, die vorhergesagt hatten, dass ein Krieg unausweichlich auch eine Revolution mit sich bringen würde. Die Russen haben vielleicht militärisch versagt, es wäre aber falsch, ihre Bemühungen als einfache Unfähigkeit zu bezeichnen, die von brutalen Generälen gekennzeichnet war, die schlecht ausgerüstete Soldaten wie Kanonenfutter in den kollektiven Tod schickten (wie es oft getan wird). Ein gutes Beispiel dafür ist die Brussilow-Offensive des Sommers 1916, deren taktisches Geschick oft übersehen wird. Diese verlief über eine viel größere Front als die vorherigen russischen Angriffe, zudem war sie geprägt von inszenierten Attacken an zahlreichen Stellen entlang der Front, um den Feind zu verwirren. Das stand im starken Kontrast zu der normalen Vorgehensweise, bei der kleine Gebiete mit einer großen Streitmacht ins Visier genommen wurden. Brussilow versuchte, die russischen Absichten zu verschleiern, indem er die Artillerie verdeckt vorrücken ließ und die Zeit des Trommelfeuers bewusst beschränkte (sowie aus der Luft überwachte), um den Angriff mit der Infanterie zu koordinieren. Ebenfalls wurden die Gräben an der Front vor der Schlacht so nah wie möglich an den Feind verlegt, wobei die Infanterie den eigentlichen Angriff bereits an Attrappen der deutschen Stellungen geübt hatte. Brussilow hätte es verdient gehabt, erfolgreich zu sein, war jedoch nicht mit dem gesegnet, was essenziell für alle siegreichen Generäle
ist: Glück. Nach der Offensive sprach er sich für die Abdankung des Zaren, aber auch für die Fortführung des Krieges aus. Bezeichnenderweise waren es die Bolschewiki, die die öffentliche Meinung aufgriffen und für ein Ende des Gemetzels plädierten. Brussilow indes erachteten sie als lohnenswerte Ergänzung – nach dem Krieg arbeitete er für sie weiter. Im Rahmen der Februarrevolution wurde der Zar zum Sündenbock erklärt, zum Abdanken gezwungen und durch die Provisorische Regierung ersetzt. Nach zwei Jahren militärischer Rückschläge und Nahrungsmittelknappheit war der explosionsartige Ausbruch nach Schüssen der Polizei auf streikende Arbeiter in Petrograd für fast niemanden eine Überraschung – zumindest außerhalb der vom realen Geschehen distanzierten Familie des Zaren. Der neue Außenminister Pawel Miljukow plädierte für die Fortsetzung des Krieges, da er hoffte, so die nationalen Ziele verwirklichen zu können. Dasselbe galt auch für Alexander Kerenski, seines Zeichens Sozialrevolutionär, Kriegsminister und zukünftiger Ministerpräsident. Er hatte es sich zum Ziel gesetzt, die Bolschewiki auszumanövrieren, indem er mittels eines „Volkes unter Waffen“ im Stile der französischen Revolution und einer „Demokratisierung“ von Russlands Truppen die Nation hin zu neuen militärischen Anstrengungen mobilisierte. Die Idee dahinter war, dass der Erfolg auf dem
Oben: Eine Marschkolonne russischer Soldaten auf dem Weg zur Front, circa 1917 .
Schlachtfeld die Unzufriedenheit daheim zügeln würde. Die frisch gebackenen Anführer der jungen russischen Demokratie scheiterten jedoch an der Frage, ob der Krieg fortgesetzt und eine strenge Militärdisziplin wieder eingeführt werden sollte, was letztlich die Armee offen für Lenins Antikriegspropaganda machte. Sie waren nicht die erste (oder die letzte) Gruppe von Politikern, die fälschlicherweise davon ausging, dass das Führen eines Krieges etwas Populäres und Bindendes ist. Der Zar kämpfte indes nur noch ums nackte Überleben. Für die Provisorische Regierung war die Zeit bereits abgelaufen, als sie mit den Arbeitersowjets um die Herzen und Köpfe der Menschen kämpfte. Der Befehl Nr. 1 des Petrograder Sowjets legte fest, dass alle Streitkräfte den
„BRUSSILOW WAR JEDOCH NICHT MIT DEM GESEGNET, WAS ESSENZIELL FÜR ALLE SIEGREICHEN GENERÄLE IST: GLÜCK.“
Der Ministerpräsident der russischen Provisorischen Regierung, Alexander Kerenski (mit einem Kreuz markiert), besucht im September 1917 Truppen an der Front.
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OSTFRONT 1917 Gewarnt durch feindliches Artilleriefeuer halten russische Soldaten nach feindlichen Truppenbewegungen Ausschau.
„DER RASCHE ZERFALL ZEIGTE SEHR DEUTLICH, DASS ES INNERHALB DER ARMEE RUSSLANDS KEINE MORAL MEHR GAB UND KEIN OFFIZIER AUF SEINE SOLDATEN ZÄHLEN KONNTE.“
Soldatenkomitees unterstellt waren, die die Truppen selbst wählten. Somit fand sich die Provisorische Regierung in der unerquicklichen Lage wieder, sich die Macht mit den Sowjets teilen zu müssen, die große Teile der Armee und Marine in und um Petrograd kontrollierten. Ebenfalls hatten die Sowjets die Oberhand über den Schienenweg sowie das Post- und Telegrafenwesen. Darüber hinaus gaben sie Soldaten und Schlüsselpersonen Befehle, ohne dass die Regierung eine Mitsprache hatte. Die althergebrachte Militärdisziplin war nun gebrochen und die meisten Soldaten befanden sich im Streik und verweigerten den Dienst, sodass die russische Kriegsmaschine zum Halten kam. Der deutsche Feind nahm indes die Rolle der Fünften Kolonne ein, indem er Lenin und seine Gefolgsmänner bei der Rückkehr aus dem Exil nach Russland unterstützte, sodass sie eine Revolution schüren und das russische Kriegsengagement stören, wenn nicht gar beenden konnten. Entscheidend war, dass Lenin ein Ende der Kämpfe versprach. In Anbetracht dieser Umstände ist es überraschend, dass Russland einen weiteren Angriff an der Front in Galizien starten konnte, der später Kerenski-Offensive getauft wurde. Während dieser zehntägigen Schlacht türmten sich die russischen Verluste, was sich demoralisierend auf die Truppen auswirkte. Die Folge waren weitreichende Desertionen und ein am 16. Juli zum Erliegen gekommener russischer Vormarsch. Angeführt von General Felix von Bothmer drängten deutsche und österreichische Truppen
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Russische Truppen marschieren vor Alexander Kerenski auf, Juli 1917.
die Russen zurück und eroberten im diesem Zuge wichtige Städte wie Halytsch, Ternopil und Czernowitz. Der russische Widerstand in Galizien und in der Ukraine war sehr gering, sodass die russische Linie am 20. Juli gebrochen war und Russland innerhalb weniger Tage 240 Kilometer Boden einbüßte. Das zeigt sehr deutlich, dass es innerhalb der Armee Russlands keine Moral mehr gab und kein Offizier auf seine Soldaten zählen konnte. Die letzte russische Offensive des Ersten Weltkrieges war ein Fehlschlag. Churchill stellte dazu treffend fest, dass der Krieg „aufgrund der Ermüdung der Nationen vorüber war und nicht aufgrund von Siegen der Armeen“. Kerenski war indes darauf fixiert, die Forderungen seiner Bündnispartner zu erfüllen, was alles andere als zur Motivation der Armee beitrug. Um seine Provisorische Regierung, die aufgrund von Lebensmittelknappheit und steigenden Preisen zunehmend unbeliebter wurde, zu stärken, brauchte er einen Sieg auf dem Schlachtfeld. Er setzte darauf, dass sich die Lage ändern würde, und verlor, wodurch die aufkeimende Demokratie ernsthaft geschwächt war, als Militärreserven die Julikrise lostraten und Soldaten sowie Arbeiter in Petrograd gegen die Provisorische Regierung demonstrierten. Währenddessen marschierte Kornilow, der unglücklich mit den Plänen der Provisorischen Regierung war, als Anführer einer konterrevolutionären Bewegung auf Petrograd, wobei er das Ziel verfolgte, zuerst die Kontrolle über die Regierung zu erlangen, um anschließend die
Macht der Sowjets zu zerschlagen. Die Regierung reagierte, indem sie den Bock zum Gärtner machte und die Rote Garde der Bolschewiki um Unterstützung bei der Verteidigung der Stadt bat. Kornilows Griff zur Macht, der möglicherweise den Bolschewismus im Keim erstickt hätte, wurde abgewehrt und auf Kerenskis Befehl hin verhaftete man ihn. Die Popularität der Bolschewiki stieg weiter, was schon bald dazu führte, dass sie die Machtergreifung arrangierten. Einige Soldaten unterstützten sie, andere weigerten sich, für die Regierung zu kämpfen. Innerhalb nur eines Jahres hatte sich der russische Staat infolge der Oktoberrevolution von einer Semi-Autokratie zu einer Demokratie und schließlich zur weltweit ersten kommunistischen Diktatur gewandelt. Zar Nikolaus II. musste mit dem Leben dafür zahlen, dass er seine unzureichend vorbereitete Nation in den Krieg geführt hatte – im Juli 1918 wurden er und seine unmittelbare Familie von den Bolschewiki ermordet. Was Russland während des Ersten Weltkrieges durchlebt hat, scheint heute fast schon in Vergessenheit geraten zu sein, ein historischer Nachsatz und nicht viel mehr als eine Fußnote der weitreichenden Ereignisse der Revolution. Churchill nannte den Ersten Weltkrieg den „unbekannten Krieg“ und prägte damit diesen Begriff. Unbekannt, nicht vergessen. Das könnte sich jedoch ändern, denn Historiker zeigen mehr und mehr Interesse an der Geschichte der Ostfront des Ersten Weltkrieges.
Bilder: Alamy, Getty, Thinkstock
Ein russischer Soldat schreitet nach einer Schlacht an den gefrorenen Leichen entlang.
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Soldatenschicksale
GEORG MEISER
Durch seinen Heldenmut in Dutzenden Grabenkämpfen und Patrouillen im „Niemandsland“ erwarb sich Vizefeldwebel Meiser Ruhm und Ehre.
D
as württembergische Reserve- Infanterie-Regiment Nr. 119 (RIR119) wurde am 2. August 1914 mobilisiert, kurz nach Ausbruch des Krieges, und nahm an der Invasion Frankreichs teil, bevor es im September 1914 an die Somme geschickt wurde. Nach Kämpfen gegen die französische Armee in Ovillers-la-Boisselle bezog das Regiment im Mai 1915 schließlich in der Gegend von Beaumont Stellung, die es die gesamte Schlacht an der Somme hindurch halten sollte. An diesem Teil der Front war es zunächst recht ruhig, was sich allerdings schlagartig ändern sollte, als im Sommer 1915 die Briten eintrafen. Doch die Deutschen bemühten sich mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln, die Oberhand in diesem sogenannten „Niemandsland“ zu behalten. Fast jede Nacht machten sich Spezialeinheiten auf, um hinter den feindlichen Linien zu spionieren, Gefangene zu nehmen und so viel Blut zu vergießen wie nur irgend möglich. Durch Auswertung dieser Vorstöße und durch die aus ihnen gezogenen Lehren erwarb sich das XIV. Reserve-Korps, darunter das Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 119, große Kompetenz im Durchführen solcher Operationen. Bei einer dieser Einsätze, in der Nacht des 6. April 1916, töteten 75 Männer des II. Bataillon RIR119 in der Gegend von Beaumont-Hamel 112 Briten. Auf deutscher Seite starben dabei drei Männer, einer wurde schwer verwundet. Solche Überfälle führten stets Freiwillige aus, an denen meist kein Mangel herrschte. Die Teilnehmer eines erfolgreichen Spähangriffs, bei dem
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TEXT: ROB SCHÄFER Feinde ihr Leben ließen oder gefangen genommen wurden, bekamen Medaillen oder wurden sogar befördert. Auf diese Weise blieben die Männer strebsam und motiviert. Viele Regimente lobten prestigeträchtige Auszeichnungen aus, um Freiwillige für die Operationen zu gewinnen. Zahlreiche deutsche Soldaten spezialisierten sich auf Überfälle und Patrouillen, da diese gefährlichen Vorstöße schnellen Ruhm, Beförderungen und Auszeichnungen versprachen. Nicht wenige von ihnen wurden zu Legenden innerhalb ihrer Regimenter und der gesamten Armee. Vom normalen Dienst wurden sie oftmals befreit und erfreuten sich – anders als man heute zu vermuten geneigt ist – an der Spannung und dem Adrenalinschub solcher Einsätze. Einer dieser Männer war Georg Meiser aus Gründelhardt in Württemberg, der im Reserve- Infanterie-Regiment Nr. 119 diente. Meiser hatte das Regiment von Anfang an begleitet und sich bis Mitte 1915 einen Ruf als wagemutiger Kämpfer erworben. Bereits im Herbst 1914 war ihm das Eiserne Kreuz II. Klasse verliehen worden, im Sommer 1915 dann das wesentlich seltenere Eiserne Kreuz I. Klasse. „Am 14. September wurde Unteroffizier Meiser, damals noch im Rang eines Gefreiten, für das Erbeuten eines feindlichen Munitionswagens nahe Rougiville mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet. Durch großen Mut und Hingabe hat sich Meiser einen Namen gemacht. Wenn Freiwillige gesucht wurden, stand Meiser immer in erster Reihe. Seit damals hat er dem Feind auf unzähligen waghalsigen Patrouillen zugesetzt. Als er am 6. Juni 1915 auf der Straße Serre–
Mailly eine Patrouille anführte, nahm er zwei französische Gefangene und erbeutete neben einem feindlichen Maschinengewehr auch zahlreiche Grabenpläne des Feindes. Für diese Tat empfehle ich Unteroffizier Meiser mit dem Eisernen Kreuz I. Klasse auszuzeichnen.”
Anton Mühlbayer, Oberleutnant der Reserve, 9./RIR119, 15. Juni 1915. Im Oktober jenen Jahres begab sich Meiser wieder ins Niemandsland. Es sollte seine letzte Patrouille werden. „Am 22. Oktober 1915 meldete ich mich freiwillig für einen bewaffneten Spähangriff unter der Leitung von Unteroffizier Meiser. Mit mir nahmen Ersatz-Reservist Reinhold Hähnle, Ersatz-Reservist Phillip Knies und Reservist Wilhelm Vitzer an der Operation teil. Unsere Aufgabe war es, das Niemandsland vor feindlichen Vorstößen zu sichern. Um 7 Uhr abends verließen wir die Gräben in Sektion C3. In der Nähe von ‚Hawthorn Ridge‘ entdeckten wir eine feindliche Patrouille, fünf Männer stark, in einer Entfernung von etwa 20 Metern. Es war unklar, wohin sie unterwegs waren, doch Uffz. Meiser gab uns zu verstehen, dass er den Feind von hinten überfallen wollte. Kurz bevor wir eine aussichtsreiche Position erreicht hatten, wurden wir plötzlich aus einem nahegelegenen Granattrichter beschossen. Kurz darauf griff uns die englische Infanterie – etwa 40–60 Mann – von links und rechts an. Der Rückweg war abgeschnitten. Ohne zu zögern gab Uffz. Meiser den Befehl, den Feind linksseitig anzugreifen und uns einen Weg durch sie hindurch zu bahnen. Während der Feind nachlud, warfen wir Handgranaten, die ihre Wirkung nicht verfehlten.
SOLDATENSCHICKSALE
„OPFERWILLIG DURCHSTREIFTEN DIE NÄCHTLICHEN JÄGER IHR GEFAHRVOLLES REVIER, WO DER TOD LAUERTE.“
„Das schmale Band Erde, das sich zwischen den Stachelhecken hinzog und bei Tag tot und leer war, belebte sich nachts. Dunkle Gestalten krochen lauschend aus den Gräben, zur Menschenjagd. Tapfere, bis zur Tollkühnheit verwegene Gesellen gingen mit kühl bedächtigen Wehrmännern auf den Engländerfang. Kein Wetter, nicht Sturm, nicht Regen, nicht Mondschein, nicht Kälte hielt sie zurück. Opferwillig durchstreiften die nächtlichen Jäger ihr gefahrvolles Revier, wo der Tod lauerte.”
Matthäus Gerster: Das Württ. Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 119. Stuttgart 1920.
Vizefeldwebel Georg Meiser im März 1916.
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GEORG MEISER
„ICH BEFAND MICH IM NAHKAMPF MIT DEN ENGLÄNDERN. EINER RAMMTE MIR SEIN BAJONETT IN DEN LINKEN OBERSCHENKEL, DOCH BEVOR ER ERNEUT AUSHOLEN KONNTE, SCHLUG IHN ERSATZ-RESERVIST HÄHNLE MIT SEINEM SPATEN NIEDER.“
Eine deutsche Grabenpatrouille kämpft sich an der Westfront durch Stacheldraht (ca. 1916).
Die Engländer hinter uns konnten nicht auf uns schießen, da sie ansonsten ihre vor uns befindlichen Kameraden hätten treffen können. Meiser schlug einen englischen Offizier mit dem Gewehrkolben nieder, ließ das Gewehr fallen, zog seine Pistole und feuerte auf zwei weitere Engländer. Einer wurde tödlich getroffen, der andere fiel hinterrücks in einen Granattrichter. Kurz darauf befand ich mich im Nahkampf mit den Engländern. Einer rammte mir sein Bajonett in den linken Oberschenkel, doch bevor er erneut ausholen konnte, schlug ihn Ersatz-Reservist Hähnle mit seinem Spaten nieder. Das alles geschah binnen vier oder fünf Minuten. Mir fiel auf, dass Uffz. Meiser an der Brust verwundet worden war und stark blutete. Jetzt, da wir die englischen Reihen durchbrochen hatten, zogen wir uns zurück und feuerten unterdessen unaufhörlich auf die uns verfolgenden Engländer. Wir hörten laute Pfiffe, ein eindeutiges Zeichen dafür, dass unsere missliche Lage erkannt worden war. Nun hieß es durchhalten. Uffz. Meiser hatte ein englisches Gewehr ergriffen und feuerte trotz seiner schweren Verwundung gut
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gezielte Schüsse auf den herannahenden Feind ab. Ersatz-Reservist Hähnle wurde in den Bauch getroffen und musste von Reservist Vitzer und mir getragen werden. Kurze Zeit später eröffneten unsere herbeieilenden Kameraden das Feuer auf die Engländer, was den Feind zum Rückzug zwang. Obwohl uns unsere Gegner zahlenmäßig um das Zehnfache übertroffen hatten, war es uns gelungen, mindestens ein Dutzend Engländer zu töten. Ersatz-Reservist Hähnle erlag wenig später seiner Verwundung, Uffz. Meiser und ich wurden nach Beaumont ins Feldlazarett 9 gebracht.”
Bericht von Hermann Baun, Kriegsfreiwilliger, 9./RIR119 Für seinen wiederholt bewiesen Mut unter Feindbeschuss wurde Georg Meiser für die höchste Tapferkeitsauszeichnung des Königreichs Württemberg vorgeschlagen, die Goldene Militär-Verdienst-Medaille. „Am 22. Oktober 1915 führte Unteroffizier Meiser (9./RIR119) eine fünf Mann starke bewaffnete Patrouille ins Niemandsland bei Beaumont.
Um 8:30 Uhr am Abend gerieten sie in einen Hinterhalt. Obwohl der Feind in der Überzahl war (40–60 Mann) ließ Meiser angreifen, um ein Durchbrechen der feindlichen Linien zu forcieren. Trotz der Verwundungen Meisers und zweier seiner Männer (Reservist Hähnle und Kriegsfreiwilliger Baun) gelang es Meiser, hinter die eigenen Linien zurückzukehren, wobei der bewusstlose Hähnle getragen werden musste. Auf ihrem Rückzug fügten sie dem Feind 12–15 Verluste zu. Seit Beginn des Krieges hat sich Meiser in zahllosen wagemutigen Operationen bewiesen und genießt als Unteroffizier ein außerordentlich hohes Ansehen innerhalb seiner Kompanie. Seit Dezember 1914 hat er freiwillig an über 50 Patrouillen teilgenommen und wurde am 3. August 1915 mit dem Eisernen Kreis I. Klasse ausgezeichnet. Aus diesem Grund empfehle ich, Meiser zum Vizefeldwebel zu befördern und ihm die Goldene Militär-Verdienst-Medaille zu verleihen.”
Regimentskommandeur Schäfer, 7. November 1915
SOLDATENSCHICKSALE Die Auszeichnung nahm Meiser im März 1916 aus den Händen seine Königs entgegen. Zu diesem Zeitpunkt war er jedoch ein verbitterter Mann. Seine Verwundung hatte ihn untauglich für den Dienst hinter den Frontlinien gemacht. Da er ausschließlich Garnisonsdienst zu leisten imstande war, wurde er zurück nach Württemberg ins Reservebataillon transferiert. Für einen Grabenkämpfer wie Meiser, der mit großem Eifer nach Beförderungen trachtete, war dies ein nur schwer zu verdauender Schlag.
Oben und unten: Ein erschöpfter Soldat des Sturmbataillons Nr. 16 nach einer Patrouille im Jahre 1917. Seine Uniform ist von Stacheldraht zerfetzt.
Georg Meiser in einem Brief an das Landesarchiv Baden- Württemberg, 30. Januar 1937
„SOLCHE BEHANDLUNG ERWECKTE REVOLUTIONSSTIMMUNG BEI VIELEN TAPFERSTEN KAMERADEN. BIS HEUTE KEINEN LOHN, JA NEID UND HASS, WIE SCHON DAMALS.“ Links: Eine Unteroffizier Karl Becker vom Landwehr- Infanterie-Regiment Nr. 125 verliehene Urkunde für eine besonders erfolgreiche Patrouille gegen den Feind.
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Links: Goldene MilitärVerdienst-Medaille Württembergs.
„Betr. überzähligem Vizefeldwebel muss ich noch anfügen, dass ich sowohl von meinem Bataillons- Kommandeur vom Felde, wie von meinem Hauptmann wiederholt zum Vizefeldwebel eingereiht wurde, aber laut Auskunft des betreffenden Bataillons-Kommandeurs ErsatzBataillons 119 konnte ich nicht befördert werden, weil „g.v.“ [garnisonsverwendungsfähig] geworden. Warum bin ich g.v. geworden? Weil ich so frech war, zu fünft den Kampf gegen 20 Engländer laut Regiments-Geschichte zu wagen, in Wirklichkeit 30–40, die wir schon 4 Wochen lang heraus gefordert hatten, einen englischen Posten noch eine Glocke angebracht, zwischen Posten und Patrouillen des Feindes hindurch, ihren Graben mit Handgranaten belegt, Zeitungen weggeholt, 6 Pferde vor der Nase weggenommen usw. Ein Hohn auf die Kriegsartikel, dass wegen Tapferkeit vor dem Feinde dem Mann die höchsten Stellen im Heere offen stehen. Ja, dem, dem seines Vaters Geldbeutel erlaubt, studieren zu können. Beweis: Die andere Nacht, als ich verwundet, übernahm ein solcher Herr die Führung und als die Engländer wieder kamen, ging er durch und riss noch 16 mit. 2 von meiner Patr. haben den Kampf nun allein gewagt, [schossen] den englischen Führer noch ab, aber zum Lohn wurden sie zum überzähligen Gefreiten befördert, der, der durchgegangen mit 16 Mann wurde aber nach 6 Wochen zum Leutnant befördert. Ich, wie andere, taten darauf nichts mehr freiwillig. Solche zweiseitige Behandlung erweckte Revolutionsstimmung bei vielen tapfersten Kameraden oder taten nichts dagegen. Bis heute keinen Lohn, ja Neid und Hass, wie schon damals.“
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Illustration: Jean-Michel Girard – The Art Agency
DER ADLER DER BRETAGNE
Rechts: Eine Steinplastik du Guesclins. Obwohl aus relativ kleinen Verhältnissen stammend, wurde er aufgrund seiner Leistungen neben den Königen Frankreichs begraben.
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So könnte Bertrand du Guesclin als Konnetabel von Frankreich ausgesehen haben. Sein Gesicht basiert auf seinem Grabbildnis in der Basilika von Saint Denis in Paris. Der Plattenharnisch ist für die Zeit typisch und es ist wahrscheinlich, dass er zum Schutze des Kopfes einen Beckenhauben-Helm trug. Du Guesclins markanter weißer Waffenrock zeigt sein Wappen: einen doppelköpfigen Adler. Sein Schwert „Joyeuse“ ist das Amtszeichen der Konnetabels von Frankreich. Diese berühmte Klinge gehörte angeblich Karl dem Großen und könnte aus dem 9. Jahrhundert stammen. Heute im Louvre ausgestellt, wurde es bei der Krönung französischer Könige benutzt und du Guesclin könnte es anlässlich seines Amtsantrittes als Konnetabel von Karl V. erhalten haben.
DER ADLER DER BRETAGNE
der adler der bretagne TEXT: TOM GARNER
Bertrand du Guesclin besiegte im Hundertjährigen Krieg als erster französischer Feldherr die Engländer entscheidend und stieg bis ins höchste Amt des Königreichs auf.
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er Hundertjährige Krieg ist durch die historischen Persönlichkeiten bestimmt worden, die aus dem Chaos, das Frankreich zwischen 1337 und 1453 verschlang, hervortraten. Die meisten von ihnen entstammten wie Edward III., der Schwarze Prinz, und Heinrich V. dem englischen Königshaus und waren Männer, die zur Durchsetzung ihres, wie sie glaubten, rechtmäßigen Anspruchs auf den französischen Thron endlose Feldzüge führten. Dabei errangen sie große und berühmt gewordene Siege, wie beispielweise in den Schlachten von Crécy, Poitiers und Agincourt. Es wird auch oft vermutet, dass sich ein wirkungsvoller französischer Widerstand erst in den 1420er Jahren unter der Führung des ungebilde-
Unten: Während der Belagerung von Rennes brannte du Gues clin angeblich einen englischen Belagerungsturm nieder.
ten Bauernmädchens Jeanne d‘Arc entwickelte. Dies ist freilich eine gravierende Fehlinterpretation der Ereignisse. Der Konflikt war keineswegs kontinuierlich und das Zeitalter von Kriegs- und Friedensperioden durchsetzt, in denen die Engländer nicht immer den Sieg davontrugen. Vor den dramatischen Eroberungen Heinrichs V. hatte es eine auffällig erfolgreiche Phase französischen Wiedererstarkens gegeben, in der die Landgewinne Edwards III. größtenteils wieder verloren gingen. Die Verantwortung für diesen Umschwung trug in erster Linie ein bretonischer Ritter eher einfacherer Herkunft, aber nahezu unbegrenzter Tapferkeit: Bertrand du Guesclin.
Ein bretonischer Junker
Verschiedentlich als „Schwarzer Hund von Brocéliande“ oder „Adler der Bretagne“ tituliert, war du Guesclin im Hundertjährigen Krieg der wohl berühmteste französische Feldherr, wobei
sein frühes Leben nur wenig Hinweise auf seine zukünftige Größe gab. Der um 1320 nahe dem bretonischen Dinan geborene du Guesclin war das älteste von zehn Kindern einer zum bretonischen Kleinadel gehörenden Familie. Da sein Vater lediglich ein „Seigneur“ (Gutsherr) war, war auch du Guesclin nur Junker und wuchs zu einem kleinen, außerordentlich hässlichen Mann heran. Eine Überlieferung besagt, dass ihn seine schöne Mutter beim ersten Anblick zurückwies. Wie viele junge Männer seines Standes trat er in den 1340er Jahren den örtlichen Militärdienst als Söldner-Hauptmann unter Charles von Blois an, bevor er sich 1351 in die Dienste von König Johann II. begab. In der Nachfolge seines Vaters als Gutsherr von Broons du Guesclin wurde er 1354 vom Marschall von Frankreich zum Ritter geschlagen, um von da an den Rest seines Lebens dem Königreich zu dienen.
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DER ADLER DER BRETAGNE
Du Guesclins erste herausragende Tat ereignete sich während der Belagerung von Rennes zwischen 1356–57, wo er eine führende Rolle bei der Verteidigung der Stadt gegen die Armee von Heinrich von Grosmont, dem Herzog von Lancaster, übernahm. Angesichts der bis dahin fast lückenlosen englischen Erfolge, besonders bei der Schlacht von Poitiers im Vorjahr, war dies bemerkenswert. Ein Mann, der das Talent du Guesclins erkannte, war der Dauphin Karl, der ihm eine Leibrente von 200 Livres gewährte und zum Kommandanten von Pontorson, einer strategischen Festung an der bretonisch-normanischen Grenze, ernannte. Im Anschluss an diese anfänglichen Erfolge erlitt du Guesclin zwischen 1359–60 mit der zweimaligen Gefangennahme durch die Engländer Rückschläge. Beide Male kaufte er sich frei. Zu Beginn der 1360er Jahre war Frankreich angeschlagen. Für den von Edward III. gefangen gehaltenen Johann II. forderten die Engländer als Teil des Abkommens von Brétigny ein enormes Lösegeld von drei Millionen Kronen. Gemäß dieses Vertrags behielten sie außerdem Aquitanien und besetzten Gebiete, die ein Viertel von Frankreich umfassten. Allerdings erhielt das
Königreich nach Johanns Tod im Jahre 1364 einen neuen Monarchen, der die Demütigungen von Brétigny zum großen Teil umkehren sollte.
Cocherel und Auray
Karls V. Thronbesteigung war schwierig. Er musste sich bereits vor dem Tod seines Vaters gegen die Engländer und den König von Navarra, auch bekannt als „Charles der Schlechte“, behaupten. Dieser pyrenäische Monarch besaß ausgedehnte Landstriche in der Normandie, die es ihm ermöglichten, Paris zu blockieren. Als er um seinen nach eigenem Dafürhalten rechtmäßigen Anspruch auf das Herzogtum Burgund gebracht wurde, stellte Charles zwei Armeen auf und passierte auf seinem Weg in die Normandie mit Genehmigung des Schwarzen Prinzen Aquitanien. Seine englisch-gasconischen Truppen wurden von einem angesehenen Soldaten namens Jean de Grailly, Captal de Buch, befehligt, aber der Dauphin Karl hatte bereits 1.000 Söldner in der Normandie bereitgestellt. Diese kleine Streitmacht wurde pro forma vom Grafen von Auxerre befehligt, aber tatsächlich von du Guescin geführt, der Karls Befehl befolgte und navarrische Festungen angriff. Als der Captal
„DU GUESCLINS ERSTE HERAUSRAGENDE TAT EREIGNETE SICH WÄHREND DER BELAGERUNG VON RENNES, WO ER EINE FÜHRENDE ROLLE IN DER VERTEIDIGUNG DER STADT GEGEN DIE ARMEE VON HEINRICH VON GROSMONT ÜBERNAHM.“ 86
Oben: Du Guesclin bei seiner Gefangennahme durch Sir John Chandos in der Schlacht von Auray.
schließlich in der Normandie ankam, hatten sich die meisten seiner Stützpunkte ergeben und du Guesclin blockierte den östlichen Weg mit einer Verteidigungslinie vor dem Fluss Eure. Die Armee des Captals umfasste gegenüber den 1.500 bis 3.000 vom Bretonen zusammengekratzten Söldnern etwa 6.000 Mann, aber keiner der beiden Kommandeure wollte den ersten Schritt tun. So standen sich die gegnerischen Armeen nahe Houlbec-Cocherel in einem zweitägigen Patt gegenüber. Am 16. Mai 1364 versuchte sich dann du Guesclin aufgrund Proviantmangels abzusetzen, aber der Captal war entschlossen, seine Flucht zu verhindern, und entsandte seine Kavallerie, um die Franzosen auf dem Flügel zu umgehen und ihren Zugang zur Eure-Brücke zu blockieren. Die Schlacht von Cocherel hatte begonnen. Anfangs hatte die navarrische Armee aufgrund ihrer Überzahl die Oberhand, aber es gelang den Franzosen, sie auf der Flanke zu umgehen. Mit dem Einsatz seiner bretonischen Reserven erzwang du Guesclin dann deren Rückzug. Die von dieser Wende überraschten Truppen des Captals flohen, er selbst wurde mit 50 seiner Männer umzingelt und geriet in Gefangenschaft. Dies war für du Guesclin ein spektakulärer Sieg und sein Erfolg ein gutes Zeichen für die Zukunft, da die Schlacht nur drei Tage vor der Krönung Karls V. stattgefunden hatte. Die militärische Dominanz Charles des Schlechten war gebrochen und Navarra bedrohte Frankreich nie wieder ernsthaft.
DER ADLER DER BRETAGNE
„GROSSE MARODIERENDE SÖLDNERTRUPPS ZOGEN NACH BELIEBEN DURCH GANZ FRANKREICH, OHNE DAS SICH IHNEN EIN HEER ENTGEGENSTELLTE.“ Ein König mochte geschlagen sein, aber Karl hatte immer noch viele Probleme. Obwohl der Krieg mit England offiziell beendet war, setzte er sich noch in der Bretagne fort. Zwei Fraktionen, die Häuser Blois und Montfort, kämpften dort über 20 Jahre lang um den Herzogtitel, und die Engländer nutzten die destabilisierende Situation rücksichtslos aus. Karl unterstützte die Blois-Fraktion und entsandte du Guesclin im September 1364 in die Bretagne, um Herzog Charles bei seinem Anspruch zur Seite zu stehen. Am 29. September trafen die beiden Streitkräfte von Blois und Johannn von Montfort bei Auray aufeinander, wobei die Armee Montforts durch ihren Einsatz englischer Soldaten und Kommandeure auffiel. Von den fünf gegen du Guesclin kämpfenden Befehlshabern waren drei Engländer und die berühmten Langbogenschützen hatten eine nicht zu übersehende Präsenz. Gegen diese Militärmaschinerie hatte der Bretone wenig Chancen und obwohl die Armeen mit 3.500 bis 4.000 Soldaten etwa gleich groß waren, siegten die englisch dominierten Montfortianer. Das bedeutendste Opfer des Konflikts war dabei Charles von Blois, der getötet wurde, während sich du Guesclin dem englischen Befehlshaber Sir John Chandos ergeben musste. Karl V. erkannte daraufhin Montfort als Herzog Johann IV. an und kaufte du Guesclin ungeachtet seiner Niederlage frei. Der Grund war bald offensichtlich – der König brauchte den Bretonen, um mit dem größten Problem in seinem Königreich fertig zu werden: den gnadenlosen „Routiers“.
„Routiers“ und Spanien
Nach dem Abkommen von Brétigny waren viele Soldaten arbeitslos geworden, vor allem jene, die unter Edward III. und dem Schwarzen Prinzen
Oben: Der „Kampf der Dreißig“ war ein Gefecht im Jahre 1351, in dem ausgewählte bretonische, französische und englische Ritter um die bretonische Thronfolge kämpften. Man betrachtete es als mustergültiges Beispiel von Ritterlichkeit.
derkampf der bretagne DIE HEIMAT DU GUESCLINS WAR EIN HERZOGTUM, DAS IN DEN MACHTSPIELEN ZWISCHEN ENGLAND UND FRANKREICH ALS PFAND DIENTE.
Der Begriff „Frankreich“ im heutigen Sinne läßt sich nicht treffend auf die Zustände im Mittelalter anwenden. Obwohl der französische König über ungefähr alle das heutige Land umfassende Gebiete herrschte, war regionale Macht sehr ausgeprägt. Die Bretagne war keine Ausnahme. Sie war eines der mächtigsten Herzogtümer im Königreich und deshalb heftig umkämpft. Die Bevölkerung der Bretagne hatte anders als die fränkische Mehrheit britische Wurzeln und verfügte über eine eigene Sprache und kulturelle Identität. Diese Abgesondertheit machte die örtlichen Herzöge äußerst autark und so erwiesen sie dem König von Frankreich nur symbolisch die Ehre. Dies führte 1341 zum offenen Konflikt, als ein Machtkampf um das Herzogtum entbrannte. Die französischen Grafen von Blois beanspruchten die Bretagne, standen jedoch den Montforts gegenüber, die mit den
gedient hatten. Diese Männer hatten während der Feldzüge gelernt, sich auf Kosten des Landes zu versorgen und zögerten, nach Hause in ein Leben voller Armut und Knechtschaft zurückzukehren. Infolgedessen zogen große marodierende Söldnergruppen durch ganz Frankreich, ohne dass sich ihnen ein Heer entgegenstellte. Zum Schutze ihrer Interessen formierten sich die Söldner in „freie Gesellschaften“ oder „Routes“ genannten Banden, worauf sie als „Routiers“ bekannt wurden. Die besondere Gefährlichkeit dieser Routiers bestand in ihrer Professionalität. Sie waren nicht nur ehemalige Soldaten, sondern jede Gruppe verfügte auch über eine Kommandostruktur und teilweise eigene Uniformen. Zu ihnen gehörten Bretonen, Spanier und Deutsche, wobei die Mehrheit entweder aus Gascogniern oder Engländern bestand. Die Franzosen beschrieben Links: Eine Statue Bertrand de Guesclins in Dinan, Bretagne. Die Leistungen des Bretonen von niedriger Geburt im Hundertjährigen Krieg sind von Jeanne d‘Arc überschattet worden.
historischen Herzögen verwandt waren. Der anschließende bretonische Erbfolgekrieg dauerte 23 Jahre und fand während des Höhepunktes der ersten großen Phase des Hundertjährigen Krieges statt. Die Engländer nutzten dabei die destabilisierte Situation rücksichtslos aus und unterstützten die Montforts, während die Franzosen auf Seiten der Blois‘ standen. Der stolze Bretone du Guesclin wurde in diesen Kampf verwickelt und seine Treue zur französischen Monarchie beeinträchtigte seine Heimatliebe. Seine Niederlage in der Schlacht von Auray 1364 beendete nicht nur den Krieg zugunsten der Montforts, sondern hinterließ in ihm auch ein lebenslanges Gefühl gespaltener Loyalität, das zum Ende seines Lebens in einem Gunstverlust des Königs gipfelte. Selbst heute noch betrachten einige Bretonen du Guesclin als Verräter.
bezeichnenderweise alle Routiers als „englisch“ und viele der erfolgreichsten Hauptleute waren du Guesclins Feinde, wie etwa Sir Robert Knolles und Sir Hugh Calveley. Dieses organisierte Chaos war ein weitverbreitetes Problem und Karl V. hatte weder die Truppen, noch das Geld, um es zu lösen. Trotzdem ensandte er du Guesclin, um Anjou von den Routiers zu säubern. Dies war ein kluger Schachzug, da du Guesclin selbst ein ehemaliger Söldner war, und es gelang dem Bretonen, das Gebiet rasch zu befrieden. 1365 bat ein Anwärter auf den kastillischen Thron namens Heinrich von Trastámara Karl um Beistand gegen seinen Halbbruder, König Peter den Grausamen. Da er eine Chance witterte, befahl Karl du Guesclin, alle verfügbaren Routiers zu rekrutieren und diese neue Armee zur Unterstützung Heinrichs nach Spanien zu führen. Anfangs schlug sich du Guesclins Armee tapfer und eroberte viele Festungen, darunter Briviesca, Magallon und sogar die die kastillische
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DER ADLER DER BRETAGNE Hauptstadt Burgos. Heinrich war begeistert und erklärte du Guesclin zum Herrscher von Granada, obwohl es noch von den Mauren besetzt war. Da aber auf der anderen Seite der Pyrenäen Aquitanien lag, dauerte es nicht lange, bis die Engländer unter Edward, ein Verbündeter Peters, erneut zu den Waffen griffen. Edward führte eine anglo-gasconische Armee nach Spanien, um du Guesclins Streitmacht zu bekämpfen, was am 3. April 1367 zur berühmten Schlacht von Nájera führte. Du Guesclin befehligte Heinrichs franko-kastillischen Armee, die Edwards Truppen zahlenmäßig überlegen war, eine handverlesene Vorhut von 1.500 Soldaten und 500 Armbrustschützen. Ihm direkt gegenüber stand eine von Edwards Bruder, John von Gaunt, geführte Division englischer Bogenschützen und Infanteristen. Captal de Buch, du Guesclins geschlagener Gegner von Cocherel, war ebenfalls zugegen. In der Schlacht verstrickte sich du Guesclin im Zentrum in erbittere Mann-gegen-Mann-Kämpfe mit Gaunts Division, während um sie herum das Chaos wütete. Die englischen Bogenschützen fügten Heinrichs leichter Kavallerie auf den Flanken schwere Verluste zu, was diese und die Infanterie schließlich in die Flucht trieb. Der im Zentrum umzingelte du Guesclin ahnte nichts von der Niederlage und ergab sich erst, als man ihn von der Situation in Kenntnis setzte. Am Ende der Schlacht war ein Viertel seiner Männer tot. Nájera war eine schmerzliche Niederlage, aber wiederum löste Karl V. du Guesclin umgehend aus, da er ihn mittlerweile für unbezahlbar hielt. Der Bretone kehrte bald mit einer größeren Armee nach Spanien zurück und diesmal war das Kriegsglück mit ihm, als Edward Spanien verließ, nachdem es Peter abgelehnt hatte, die englischen Kosten des Feldzuges zu übernehmen. Heinrich war nun in der stärkeren Position und am 14. März 1369 wurde Peter in der Schlacht von Montiel entscheidend geschlagen. Der Sieg
„BEKANNT ALS ‚KARL DER WEISE‘, WAR ER KÖRPERLICH SCHWACH, ABER DENNOCH HOCHGEBILDET UND PRAGMATISCH.“ ging größtenteils auf du Guesclins Konto; er führte Heinrichs Armee und setzte Zangentaktiken ein, um Peters kastillisch-maurische Armee zu zerschlagen. Das Drama begann jedoch unmittelbar nach der Schlacht. Peter floh in die Burg Montiel und versuchte, seinen Verfolger du Guesclin zu bestechen, um zu fliehen. Der Bretone willigte ein, informierte aber gleichzeitig Heinrich, der ihn ebenfalls bestach, um ihn zu Peters Zelt zu führen. Im Zelt begannen die Brüder dann einen Kampf auf Leben und Tod. Peter gewann die Oberhand, aber du Guesclin hielt ihn im letzten Moment fest, sodass Heinrich ihn töten konnte. Während dieser Komplizenschaft beim königlichen Brudermord soll du Guesclin angeblich gesagt haben: „Ich stelle und beseitige keinen König, aber ich helfe meinem Herrn.“ Dieser absichtliche Verzicht, die Verantwortung zu übernehmen, erbrachte seinen fragwürdigen Lohn, denn ein dankbarer Heinrich erklärte du Guesclin zum Herzog von Molina und besiegelte die französisch-kastillische Allianz. Nach vollbrachter Arbeit kehrte der Beschenkte nach Frankreich zurück, um einmal mehr seinem König zu helfen.
Konnetabel von Frankreich
Um 1370 war Karl V. dann bereit, die Engländer erneut zu bekämpfen. Bekannt als „Karl der Weise“ war er körperlich schwach, aber dennocht hoch gebildet und pragmatisch. Er beendete die noch offenen, lähmenden Lösegeldzahlungen für die Gefangenschaft Johanns II. und reorganisierte sein Steuersystem, um eine neue Armee, die wohl Frankreichs erstes stehendes Heer war, zu finanzieren. Diese bestand aus 3.000 bis 6.000
Soldaten und 800 Bogenschützen. Er befahl den Stadtbewohnern außerdem, das Bogenschießen zu üben und die Burgen in gutem Zustand zu halten. Diese Vorbereitungen dienten einer militärischen Offensive, die allerdings keine direkte Konfrontation mit den Engländern vorsah. Karl wusste, dass seine Armeen keine offene Schlacht bestehen würden und plante deshalb, sein verlorenes Terrain mit einer Taktik der verbrannten Erde, Guerilla-Überfällen und einem Verbot, die Engländer offen anzugreifen, zurückzugewinnen. Seine wohl radikalste Strategie bestand dabei im Bruch mit den ritterlichen Traditionen, indem er Kommandeure ernannte, die sich als Führer von Frontgarnisonen oder sogar als Routiers bewährt hatten. 1370 ernannte Karl du Guesclin zum Konnetabel (sinngemäß etwa „oberster Wächter“) von Frankreich. Dieser historische Posten machte den früheren Junker nach dem König zum höchsten Offizier im Lande und quasi zum Oberbefehlshaber aller Streitkräfte. Das Amt wurde gewöhnlich von hohen Adligen besetzt, aber Karl brauchte einen erfahrenen Soldaten, der die Routiers motivieren konnte, für ihn zu kämpfen. In dieser Hinsicht war du Guesclin trotz seiner wechselvollen militärischen Vergangenheit perfekt. Außerdem befürwortete er Karls Strategie und von Anfang an erzielten die Franzosen gegen ihren alten Erzfeind Erfolge. Die Bewährungsprobe ergab sich fast unmittelbar, als Sir Robert Knolles im September 1370 einen großen Raubzug nach Zentralfrankreich unternahm und das Land bis an die Tore von Paris verwüstete. Obwohl Karl V. von seinem
die fabianische strategie DER FRANZÖSISCHE WIEDERAUFSTIEG IN DEN 1370ER JAHREN BERUHTE WEITGEHEND AUF EINER EINZIGARTIGEN KRIEGSSTRATEGIE. Du Guesclin war einer der berühmtesten mittelalterlichen Anwender einer unorthodoxen, aber wirkungsvollen Methode der Kriegsführung: der Fabianischen Strategie. Bei dieser Strategie vermeidet eine Seite große, offene Feldschlachten zugunsten kleinerer Kampfhandlungen, die den Gegner zermürben. Sie ist schwierig umzusetzten, da häufige Rückzüge und wenig offensichtliche Siege demoralisierend wirken können. Sie erfordert auch günstige Einsatzlängen und setzt bei Soldaten und Politikern einen starken Willen voraus. Im Hundertjährigen Krieg nutzten Karl V. und sein Konnetabel zwischen 1370–80 ihre gemeinsamen Talente und Frankreichs große Fläche, um die Fabianische Strategie erfolgreich umzusetzen. Dabei benutzte du Guesclin Taktiken wie Überfälle, Hinterhalte, Nachtangriffe und häufige Störmanöver, um die regionale Macht der Engländer langsam zu reduzieren. Er konzentrierte sich auf kleine, isolierte Garnisonen, griff plündernde Gruppen an und unterbrach die Kommunikation. Rechts: Fabius Maximus wird als Vater des Guerillakrieges angesehen und gab dem Konzept der „Fabianischen Strategie“ seinen Namen.
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Diese Guerilla-Aktionen wurden durch kluges Verhandlungsgeschick untermauert. Um eine schnelle Kapitulation zu gewährleisten, bot man bei Belagerungen gute Konditionen und sogar Belohnungen an, wobei du Guesclin immer Wert darauf legte, sein Wort zu halten. Darüber hinaus bot er französischen Einwohnern in englischen Gebieten im Falle ihrer Erhebung gegen die Obrigkeit seinen Schutz an. Da du Guesclin sich an Karls V. Befehl hielt, die Engländer nicht direkt anzugreifen, funktionierte die Strategie gut und man gewann große Landstriche Frankreichs zurück. Die französisch-fabianische Strategie war nicht neu und verdankt ihren Namen den von dem römischen Diktator Fabius Maximus in Italien beim Sieg über Hannibal angewandten Methoden. Sie wurde auch später noch eingesetzt, etwa von George Washington, den Russen gegen Napoleon im Jahre 1812, den Vietnamesen im Indochinakrieg und sogar den Rebellen im Irakkrieg.
„UM EINE SCHNELLE KAPITULATION ZU GEWÄHRLEISTEN, BOT MAN BEI BELOHNUNGEN AN. DU GUESCLIN LEGTE WERT DARAUF, SEIN WORT ZU HALTEN”
DER ADLER DER BRETAGNE
angriffe auf englische Gebiete wie Guernsey, Rye, Plymouth und Lewes. Den Höhepunkt von du Guesclins Karriere als Konnetabel bildete wohl sein Sieg über Edwards III. aquitanischen Repräsentanten Thomas Felton in der Schlacht von Eymet im Jahre 1377. Dabei ertranken nach der Schlacht derartig viele Soldaten, dass das Gebiet um den Fluss Dropt noch Jahrhunderte später als „Engländer-Loch“ bekannt war. Nach Eymet näherte sich du Gues clin bis auf einen Tagesmarsch Bordeaux und nahm Bergerac ein. Obwohl Pontvallain und Eymet bedeutende Siege waren, erzielte du Guesclin den Großteil seiner Erfolge mit der gezielten Umgehung der Engländer. Somit blieben die Engländer ohne Gegner und verschwendeten auf nutzlosen Feldzügen durch Frankreich riesige Mittel. Am teuersten war wohl John Gaunts Raubzug im Jahre 1373, der sich in fünf Monaten über 965 Kilometer von Calais nach Bordeaux erstreckte. Die Engländer schlugen dabei eine gewaltige Schneise der Verwüstung durch Zentralfrankreich, aber verloren ohne eine einzige Stadt erobert oder irgendeine Schlacht geschlagen zu haben neben großen Mengen Nachschubs 5.000 von 11.000 Mann. Folglich waren Mitte der 1370er Jahre die
„NACH DER SCHLACHT ERTRANKEN DERARTIG VIELE SOLDATEN, DASS DAS GEBIET UM DEN FLUSS DROPT NOCH JAHRHUNDERTE SPÄTER ALS ‚ENGLÄNDER-LOCH‘ BEKANNT WAR.“
Oben: In der Schlacht von Montiel im Jahre 1369 besiegte du Guesclin Peter den Grausamen und besiegelte damit ein Bündnis zwischen Frankreich und Kastillien.
englischen Gebiete in Frankreich auf die Gegend um Calais und Teile Aqutaniens geschrumpft. Diese Leistung war das Ergebnis der Zusammenarbeit Karls V. und du Guesclins, aber dieses merkwürdige militärische Paar sollte seine Partnerschaft unter traurigen Bedingungen beenden. Obwohl er der französischen Krone jahrzehntelang treu gedient hatte, war du Guesclin stolz auf seine bretonischen Wurzeln und lehnte deshalb Karls Konfiszierung der Bretangne im Jahre 1378 ab. Deshalb führte er den anschließenden Feldzug in seine Heimat nur halbherzig aus. Daraufhin verlor der Konnetabel das erste Mal die Gunst des Königs und wurde in das weit vom Hofe entfernte Languedoc zur Unterwerfung der regionalen Routiers versetzt. Während der Belagerung von Chateauneuf-de-Randon bekam er Fieber und starb am 13. Juli 1380 mit rund 60 Jahren. Drei Wochen später starb auch der kränkliche Karl, jedoch nicht ohne zuvor den Befehl erteilt zu haben, seinen getreuen Konnetabel in der Basilika von Saint Denis neben den Königen Frankreichs beizusetzen. Diese letzte Handlung machte aus dem ohnehin äußerst populären du Guesclin einen Volkshelden. Hier war ein Mann, der sich aus dem Kleinadel zu einem Gleichen unter Königen emporgekämpft und dabei den Großteil Frankreich von einem erbarmungslosen Eroberer befreit hatte. Einen wie ihn sollte das Königreich für ein halbes Jahrhundert nicht wiedersehen.
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Palast aus schon den aufsteigenden Rauch der brennenden Dörfer sehen konnte, weigerte er sich noch immer, in die Schlacht zu ziehen. Du Guesclin wartete bewusst ab, bis sich der Feind aufspaltete, und stürzte sich dann am 4. Dezember bei Pontvallan auf eine von Sir Thomas Grandison geführte Truppe von 4.000 Mann. Nach einem Nachtmarsch begann der Kampf im Morgengrauen, bei dem die Franzosen anfangs schwere Verluste erlitten, die Engländer aber schließlich entweder töteten oder gefangen nahmen, darunter Grandison. Ein ähnlicher Kampf vollzog sich beim nahen Vaas und Knolles war gezwungen, seinen Raubzug abzubrechen, wobei der nachsetzende du Guesclin später vor den Toren von Bressuire rund 300 englische Soldaten tötete. Obwohl es eine relativ kleine Schlacht war, zerstörte Pontvallain den jahrzehntealten Mythos von der englischen Unverwundbarkeit, und zwischen 1371–72 gelang es du Guesclin, Poitou und Saintonge zurückzugewinnen und 1373 sogar zeitweise die Bretagne zu überrollen. Bei diesen und den in den nächsten fünf Jahren folgenden Feldzügen eroberte er stetig französisches Land zurück und unternahm Vorstöße ins englische Aquitanien. Es gab sogar Marine
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RENAULT
CHAR D1 Der Char D1 war als leichter Infanterie unterstützungspanzer konzipiert, um die Panzertruppe der französischen Armee zu modernisieren. TEXT: MIKE HASKEW
Rechts: Dieser NC-27, die Exportversion des letztlichen Renault Char D1, ist das einzige bekannte erhaltene Exemplar dieser Panzerreihe.
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RENAULT CHAR D1
N
Wenngleich der Renault Char D1 Ähnlichkeit mit seinem Vorgänger, dem FT-17 hat, so stellt er dennoch den Beginn des französischen Panzerdesigns dar.
„DER CHAR D1 TRAT 1932 DEN DIENST IN DER FRANZÖSISCHEN ARMEE AN UND BIS ZUM PRODUKTIONSENDE 1935 WAREN INSGESAMT 160 PRODUZIERT WORDEN.“
ach dem Ersten Weltkrieg besaß die französische Armee weltweit die größte Anzahl von gepanzerten Fahr zeugen; allerdings lähmte das ein geschränkte Budget zu Friedenszei ten die Entwicklung und Produktion von neuen gepanzerten Fahrzeugen bis Mitte 1920. Obwohl der Renault FT-17 der fortschrittlichste Panzer des Ersten Weltkrieges war, zeigte sich schon bald, dass ein neuer leichter Infanterieunterstützungs panzer eine Notwendigkeit für die Franzosen war, um während der Zwischenkriegsjahre ausreichend vorbereitet zu sein. Als das französische Militär 1923 die ge wünschten Spezifikationen ausschrieb, reichte Renault zunächst Pläne ein, nach denen ihr etab lierter FT-17 aufgerüstet werden sollte (der FT-17 hatte einen um 360 Grad drehbaren Turm und ei nen hinten sitzenden Motor eingeführt) – das Re sultat war jedoch alles andere als zufriedenstel lend. Mit Erreichen des Jahres 1928 hatte sich das Unternehmen stattdessen für eine komplette Umkrempelung seiner früheren NC-Pläne entschie den, sodass die Armee Anfang 1929 zehn Prototy pen des Renault NC-3 bestellte, später Char D ge nannt. Der erste Char D wurde mit einem Motor mit 74 PS, vier Zylindern und 6,08 Litern Hubraum sowie einem robusten 6-Gang-Schaltgetriebe, ei nem 165-Liter-Tank sowie weiteren Verbesserun gen aufgerüstet. Die Hauptwaffe war eine 47-Mil limeter-Kanone Typ SA34 L30, außerdem waren zwei Reibel-Maschinengewehre (Kaliber: 7,5 Milli meter) koaxial montiert. Während der erste Char D Tests unterzogen wurde, erhielt man eine Bestel lung für zwei weitere, fortgeschrittenere Prototy pen, die man D2 und D3 taufte, während das ers te Modell den Namen D1 erhielt. Renault schloss Ende 1930 mit der französi schen Regierung einen Vertrag für 70 Fahrzeu ge ab und die Produktion begann im folgenden Jahr. Im Juli 1932 unterzeichnete man einen zwei ten Vertrag für 30 Panzer und im Oktober 1933 bestellte die Regierung abschließend noch ein mal 50 Stück. Der Char D1 trat 1932 den Dienst in der französischen Armee an und bis zum Pro duktionsende 1935 waren insgesamt 160 produ ziert worden.
RENAULT CHAR D1 IN AUFTRAG GEGEBEN: 1930 HERKUNFTSLAND: FRANKREICH LÄNGE: 4,81 M BREITE: 2,16 M HÖHE: 2,4 M REICHWEITE: 90 KM GEWICHT: 13,8 T BESATZUNG: 3 ANTRIEB: RENAULT-V4-BENZINER MIT 74 PS ( 6,08 L) PANZERUNG: TURM 30 MM; HÜLLE 30 MM; OBERSEITE 10 MM; UNTERSEITE 10 MM PRIMÄRBEWAFFNUNG: SA34 L30 (47 MM) SEKUNDÄRBEWAFFNUNG: 2 X REIBEL-MG (7,5 MM) Die hohe Silhouette und die schlechte Sicht der Besatzung sind hier gut zu erkennen.
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HANDBUCH
ANTRIEB
Während des Entwicklungspro zesses des Char D1 aus dem ursprünglichen Renault-NC-Projekt wurde der Motor aufgerüstet und es kam ein kraftvoller Vierzylinder mit 6,08 Litern Hubraum und 74 PS zum Einsatz, mit dem eine Höchstgeschwindigkeit von 18,6 Kilometer pro Stunde möglich war. Ein verbessertes Kühlsystem und der neu positionierte Auspuff sorg ten für noch mehr Leistung. Trotz des besseren Motors blieb auch der D1 während seiner gesamten Dienstzeit untermotorisiert (das gleiche Problem hatte man auch logischerweise schon mit dem vorherigen 65-PS-Motor gehabt). Zwar betrug die Reichweite circa 90 Kilometer, das Vorankommen hing jedoch größtenteils von dem durchquerten Gelände und der Wetterlage ab. Auf dem Schlach feld war der D1 außerdem anfällig für technische Defekte.
„ES KAM EIN NEUER VIERZYLINDER MIT 6,08 LITERN HUB RAUM UND 74 PS ZUM EINSATZ, MIT DEM EINE HÖCHST GESCHWINDIGKEIT VON 18,6 KM/H MÖGLICH WAR.“ Unten: Jeder Renault Char D1 hatte schwere Ketten zum Abschleppen und zum Herausziehen des Panzers aus schwierigem Gelände dabei.
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Rechts: Auf dem Chassis wurde die leichteste Panzerung der Zwischenkriegszeit montiert, wobei man Schutz gegen bessere Mobilität eintauschte.
RENAULT CHAR D1 Die 47-mm-Panzerbord kanone SA34 L30 hatte eine Feuerkraft, die vergleichbar mit der von zeitgenössischen Panzern der Zwischenkriegsjahre war, die sich entweder in der Entwicklung oder Produktion befanden.
„MIT DER 47-MILLIMETER-KANONE WAR DAS DURCHSCHLAGEN VON EINER PANZERUNG MIT MAXIMAL 25 MILLIMETERN DICKE MÖGLICH.“ Der Char D1 war mit zwei Reibel-Maschinengewehren bestückt, die effektiv gegen feindliche Infanterie waren, aber auch für eine gemeinsame Zielvorrichtung mit der Panzerkanone genutzt wurden.
BEWAFFNUNG
Die Primärwaffe des Char D1 war eine SA34 L30 Kaliber 47 Millimeter, wel che aus dem drehbaren Turm heraus 15 bis 20 Schuss pro Minute abfeuern konnte. Damit war das Durchschlagen von einer Panzerung mit maximal 25 Millimetern Dicke möglich, die effek tive Reichweite betrug 400 Meter. Verschossen wurden panzerbrechende Sprenggranaten. Die Sekundärbewaff nung bestand aus zwei Reibel-Maschi nengewehren Kaliber 7,5 Millimeter, die koaxial montiert waren. Diese konnten sowohl offensiv als auch defensiv gegen feindliche Infanterie eingesetzt werden und halfen dabei, die Primärwaffe korrekt auszurichten.
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HANDBUCH
Der Fahrer des Renault Char D1 hatte durch die neue Positionierung des Motors im hinteren Bereich mehr Platz in der Wanne, den Panzer steuerte er mittels zweier Hebel sowie einer Kupplung.
„DER PANZERKOMMANDANT BEFAND SICH IM TURM UND WAR GLEICHZEITIG RICHTUND LADESCHÜTZE DER 47-MILLIMETER- KANONE, FALLS NÖTIG SETZTE ER ZUDEM DAS 7,5-MILLIMETER-TURM-MG EIN.“
Links: Der drehbare Turm hatte keine Luke, weswegen das Sichtfeld des Kommandanten auf den Ausblick durch die kleine Kuppel beschränkt war.
INNENRAUM
Die Verlagerung des Motors nach hinten, welches erstmals beim FT-17 eingeführt worden war, verschaffte der Besatzung mehr Platz im Innenbereich. Der Panzer kommandant befand sich im Turm und war gleichzeitig Richt- und Ladeschütze der 47-Millimeter-Kanone, falls nötig setz te er zudem das 7,5-Millimeter-Turm-MG ein. Der Fahrer saß vorne links in der Wanne und steuerte den Panzer mittels zweier Hebel sowie einer Kupplung für das Schaltgetriebe. Er feuerte auch das zweite, sich in der Frontwanne befindli che MG ab. Der Funker saß rechts und bediente das ER-52-Funkgerät.
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ARSENALEN & WORLD OF TANKS
SCHWEDENS PANZERMUSEUM IST HEIMAT ZAHLREICHER GEPANZERTER FAHRZEUGE.
Das schwedische Panzermuseum „Arsenalen“ befindet sich südwestlich von Stockholm in der Nähe des Ortes Strängnäs. Die Sammlung umfasst über 350 militärische Ketten- und Radfahrzeuge aus aller Welt, darunter den in diesem Artikel abgebildeten NC27 – auch Stridsvagen fm/28 –, der einzige noch erhaltene seiner Bauserie und nur eine von vielen dort ausgestellten Raritäten. Wem das alles zu theoretisch ist, der kann im kostenlosen Online-Multiplayer-Spiel World of Tanks auch selbst in einen Panzer steigen. Vom Artillerie- über den Jagdpanzer bis zur Selbstfahrlafette – dem Spieler stehen zahlreiche Möglichkeiten offen. Mehr Informationen dazu: arsenalen.se/en und worldoftanks.eu
RENAULT CHAR D1
Diese Profilansicht des NC-27 veranschaulicht, welch verlockendes Ziel sein hohes Profil wohl für feindliche Kanoniere dargestellt hat. Inklusive Kuppel war der Char D1 2,4 Meter hoch.
DESIGN
Die Konzeption des Renault Char D1 mit seiner schrägen Motorabdeckung, dem für die ersten französischen Panzer charakteristischen hohen Profil und dem drehbaren Turm ähnelte der des FT17. Die Position des ST2-Turms war ein
Kompromiss, da das Fehlen einer Luke das Sichtfeld des Panzerkommandanten stark einschränkte. Stattdessen operierte er aus einem dreistufigen Turm mit einer Kuppel. Die bis zu 30 Millimeter dicke Panzerung bot ordentlichen Schutz, wurde jedoch schon bald unzureichend. Zwölf Laufrollen mit drei Fahrwerken und Federaufhängung trieben die Gleisketten voran.
Bestellnummer: SI1701
EINSATZZEIT DER GLEICH ZU BEGINN SEINER DIENSTZEIT IN DEN SCHATTEN GESTELLTE CHAR D1 WURDE IM ZWEITEN WELTKRIEG IN FRANKREICH SOWIE IN NORDAFRIKA EINGESETZT. Fast gleich nach Beginn der Indienststellung in der fran zösischen Armee war der Char D1 veraltet und auf dem Schlachtfeld plagten den Panzer mechanische Probleme. Bis zum Frühjahr 1934 hatte man 110 ausgeliefert, von denen jedoch 17 nicht funktionsfähig waren, und weitere 62 wurden aufgrund aufgrund fehlerhafter Bremsen, überhitzten Getriebes und gebrochenen Plexiglases nach Fahren durch unwegsames Gelände Reparaturen unterzogen. Wie Übungsfahrten querfeldein zeigten, war das Chassis zudem zu biegsam, sodass die Panzerung sich verbog und Nieten sich lösten. Ein umfangreiches Programm zur Beseitigung dieser Mängel schlug fehl und die Unzulänglichkeiten traten während der Rheinlandbesetzung 1936 deutlich zutage. Infolgedessen wurde der Char D1 nach Nordafrika verschifft, um dort bei den Truppen der französischen Kolonien zum Einsatz zu kommen. Als Deutschland am 10. Mai 1940 Frankreich und die Beneluxländer besetzte, waren alle 135
funktionsfähigen Char D1 drei selbstständigen Panzerverbänden in Tunesien zugewiesen. Aufgrund der Invasion der Deutschen wurden sie rasch zurückbeordert und erreichten Frankreich Anfang Juni. Im Kampf gegen die 8. Panzerdivision der Wehrmacht konnten diese mehrere feindliche Panzer zerstören, wobei man aber auch sieben eigene verlor. Während des folgenden Rückzuges büßte das Bataillon alle gepanzerten Fahrzeuge ein. Bis zum Ende der Kämpfe in Frankreich waren 25 der 43 in Gefechte verwickelten D1 zerstört worden, 18 hatten die Deutschen erobert. Nach dem Fall Frankreichs behielt das Vichy-Regime einige Char D1 in Nordafrika und im Anschluss an Operation Torch kämpften diese Fahrzeuge als Teil der alliierten Streitkräfte bei der Schlacht am Kasserinpass sowie weiteren Gefechten. Der letzte wurde im Frühjahr 1943 abgezogen. Ein NC-27, die Exportbezeichnung der NC-1-Ausführung, steht heute im schwedischen Panzermuseum in Strängnäs.
Bestellnummer: BBC0516
„DAS CHASSIS WAR ZU BIEGSAM, SODASS DIE PANZERUNG SICH VERBOG UND NIETEN SICH LÖSTEN.“ Bei den ersten Feldversuchen und beim Einsatz während der Rheinlandbesetzung 1936 erwies sich das genietete Chassis des Char D1 im rauen Gelände als anfällig für Brüche.
Bestellnummer: BBC0316
Bilder: Getty
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ARTEFAKT des
KRIEGES
MORION-HELM
Dieses dekorative, aber praktische Rüstungsstück wurde geschaffen, um die Elitesoldaten des sächsischen Kurfürsten zu schützen.
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er zumeist mit den spanischen Konquistadoren in Verbindung gebrachte markante Helm war während der Renaissance in ganz Europa verbreitet. An seinem hohen Kamm und der breiten Krempe ist er auf den ersten Blick erkennbar. Das offene Design schränkte im Vergleich zu Vorgängermodellen die Sicht des Trägers nicht ein und war damit optimal für den Einsatz zu Pferde geeignet. Der Morion kam hauptsächlich bei der leichten Kavallerie zum Einsatz, war jedoch zugleich Bestandteil vieler Paradeuniformen und -rüstungen. Dieser spezifische Helm gehörte einer persönlichen Leibwache des Kurfürsten von Sachsen und stammt aus dem späten 16. Jahrhundert. Der Helm zeigt eine Szene aus einem
altrömischen Mythos, der für die kurfürstlichen Wachen eine große Rolle spielte. Demnach soll sich 362 v. Chr. unter Rom eine gewaltige Schlucht aufgetan haben, die nur geschlossen werden konnte, indem die Bürger ihren wertvollsten Besitz hineinwarfen. Der junge Soldat Marcus Curtius soll sich selbst geopfert haben, um die Stadt zu retten – so wie die Leibwachen ihr Leben für ihren Herrn geben würden. Gegen Ende des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts veränderten sich diese Helme allmählich, um den sich immer
mehr verbreitenden Feuerwaffen Widerstand leisten zu können. Doch viele der dann überholten Helme kamen sogar im Dreißigjährigen Krieg und darüber hinaus zum Einsatz. Noch heute trägt die Schweizer Garde, die den Papst schützt, die traditionellen Morions. Links: Die goldenen Verzierungen zeigen, dass dieser Helm nicht nur zum Schutz diente, sondern repräsentative Funktionen übernahm.
Bilder: Alamy
Christian I., zwischen 1586 und 1591 Kurfürst von Sachsen.
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„DER HELM ZEIGT EINE SZENE AUS EINEM ALTRÖMISCHEN MYTHOS, DER FÜR DIE KURFÜRSTLICHEN WACHEN EINE GROSSE ROLLE SPIELTE.“
VORSCHAU: Ab dem
16.06. 2017 im
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1917 AMERIKA ZIEHTIN DEN KRIEG WIE DIE VEREINIGTEN STAATEN IHREN PLATZ IM
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SCHÜTZENGRABEN EINNAHMEN.
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