Gerhard Wurbs Ganz am Rande Schlesiens liegt B ielitz Laumann-Verlag D ülm en Die Herausgabe dieses Buches wurde von der Stiftung Haus Oberschlesien, ...
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G erhard W urbs
Ganz am Rande Schlesiens lieg t B ielitz
Laum ann-Verlag D ü lm en
Die Herausgabe dieses Buches wurde von der Stiftung Haus Oberschlesien, Ratingen 6-Hösel, gefördert.
© 1985 by Laumann-Verlagsgesellschaft, Postfach 1461, D-4408 Dülmen Gesamtherstellung: Laumann-Verlagsgesellschaft, 4408 Dülmen ISBN 3-87466-085-0
Zum Geleit
Das Bielitzer Land liegt im südlichsten Zipfel Schlesiens. Es ist jener Teil, der 1742 österreichisch blieb, seiner historischen Vergangenheit zufolge im Herzogtum Teschen lag und ab 1572jedoch als eigenes „Herzogtum Bielitz” in die Geschichte einging. Das geschlossene deutsche Siedlungsgebiet, an dessen östlicher Grenze Bielitz liegt, ging im 15. Jahrhundert verloren, so daß das Bielitzer Land mit seinen Menschen zu einer deutschen Sprachin sel wurde, deren Osthälfte mit der Stadt Biala 1457 dem Herzogtum Te schen, dem südlichsten Gebiet Schlesiens, verlorenging, ein Zustand, der das Los der Deutschen dort nicht erleichterte und erst 1772 geändert werden konnte, als das Land um Biala an Österreich kam. Das Schicksal hat es unserer Heimat nicht gerade leicht gemacht. Wech selvoll und schwierig war der Gang durch die Jahrhunderte. Ihre Menschen aber meisterten alle kritischen Abschnitte und machten darüber hinaus die Städte Bielitz und Biala zu einem maßgebenden Textilzentrum der Donau monarchie, welches im europäischen Wettbewerb ausgesuchte Qualitäts ware erzeugte, die selbst der englischen Güte eine gleichwertige Konkur renz war. Politisch gehörte das Ländchen, als die Deutschen einwanderten, zum schlesischen Herzogtum Oppeln (nach 1260), das sich wie alle schlesi schen Herzogtümer ab 1202 von Polen gelöst hatte und zunehmend selb ständiger wurde. 1335 verzichtete der polnische König dann „für alle Zeiten” auf Schlesien. 1526 kam es dann an Österreich. Sein südlicher Ausläufer blieb bis 1918, zusammen mit den Städten Teschen, Troppau und Jägemdorf, beim Wie ner Kaiserstaat. Es folgten 19 polnische Jahre (1920 bis 1939), denen dann ab 1939 die Zugehörigkeit zum Deutschen Reich folgte. Nach Kriegsende mußten alle deutschen Bewohner des Bielitz-Bialaer Landes ihre Heimat verlassen. 5
Eine bewegte, aber auch erhebende Zeit ging damit zu Ende: fast sie benhundert Jahre deutschen Schaffens fanden ein gewaltsames Ende. Die vorliegende Arbeit erschien seit März 1968 in regelmäßigen Folgen in der Zeitung „Bielitz-Bialaer Beskidenbriefe” und hat einen breiten Leser kreis gefunden. Mehrfach wurde der Wunsch ausgesprochen, sie in Buch form herauszubringen. Herrn Bundestagsabgeordneten Dr. Herbert Czajas Wirken ist es zu danken, daß sich die Stiftung Haus Oberschlesien ent schloß, diesen Wunsch zu verwirklichen. Allen jenen, die dabei mithalfen, gebührt mein herzlichster Dank. Gerhard Wurbs
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EINFÜHRUNG Das Bielitzer Land und seine Leute Nachbargebiete Blick auf die Wirtschaft -
Das Bielitzer Land und seine Leute
Meine Wiege stand in Bielitz, und mein Geburtshaus in der Annagasse, dort, wo sie zwischen den Parks der Familien Kunz und Barthelmus unter mächtigen Bäumen entlang geht und sich steil zum Maisengrund neigt, dort, wo man als Kind, trotz Verbot, im Winter herrlich mit dem Schlitten zu Tal fahren konnte. Mit fortgeschrittenem Alter ging es in die Berge und in die weitere Um gebung, im Sommer mit dem Rad, im Winter mit den Brettln. Hinauf zur Kamitzer Platte, zur Klementinenhütte, zum Josefsberg und weiter zur Raukoppe und zur Babia Gura und mit dem Fahrrad nach Teschen, nach Saybusch, durch die Dörfer unserer Sprachinsel, ins stille Luisen- und Bistraital, und an den Rüssen entlang. Sola, Białka, Weichsel und Olsa wur den entdeckt und so dieses ganze schöne Land an den Hängen der Beskiden und an ihrem Fuße in sich aufgenommen. Das ging jahrelang so, bis der Ernst des Lebens andere Wege vorschrieb. Die Eindrücke sind aber haftengeblieben über all die Jahre, die dazwischen liegen. Diesen Landstrich kennt man kaum. Wer einmal dort war, kam gern wieder, und es ist wert, einen Abriß des geschichtlichen Geschehens dieses so abgelegenen Teiles unseres Sprachgebietes, des Bielitzer Landes, auf Grund heute noch erreichbarer Quellen zu geben. Es ist ein Versuch, dieses Gebiet in den Mittelpunkt jener Vorgänge zu stellen, die rundherum ablie fen, lag es doch an den Übergängen und Berührungslinien dreier Völker und an den Grenzen mehrerer Staaten, deren Kräfte je nach vorhandener Macht es zu ändern suchten. Wie immer, so geschah dies auch hier über die Köpfe der Bewohner dieses mit Glück so wechselvoll bedachten Landstri ches hinweg. Eindrücke von „heute” - egal wann das ist oder war - sollte man immer neben ältere stellen, die vielleicht aus einer Zeit stammen, die ruhiger und friedlicher war, als es unsere Tage sind. 7
Diese Bevölkerung war gewöhnt, mit ihren fremdsprachigen Nachbarn zu arbeiten und zusammenzuleben, war gewöhnt, auf die Notwendigkeiten dieses Nebeneinander einzugehen und auch Opfer zu bringen. Dieser Auf gabe hat sich die deutsche Bevölkerung dieses Landstriches, denn sie war durch Jahrhunderte die staatstragende, immer bestens unterzogen. Leidenschaftslos hat Anton Peter schon vor der Jahrhundertwende eine Schilderung der Deutschen unserer Gegend gegeben: „Bei dem Umstande, daß die Deutschen Schlesiens ursprünglich nicht einem Volksstamme angehörten, sondern aus verschiedenen Gegenden Deutschlands in unser Land kamen, möchte vielleicht der Schluß berech tigt erscheinen, daß von einem einheitlichen Völkscharakter nicht gut die Rede sein könnte. Allein die gemeinsame Arbeit und die gemeinsamen Schicksale, die gleichen geographischen Verhältnisse des Landes, welche eine gewisse Abgeschlossenheit im Volksleben bedingen, haben in der Rei he der Jahrhunderte eine Verschmelzung der verschiedenen Elemente be wirkt und einen eigentümlichen schlesischen Provinzialgeist und Volkscha rakter herausgebildet. Sitten und Lebensanschauungen befähigen den Schlesier zu der bedeu tungsvollen Rolle eines Vermittlers zwischen norddeutschem und süddeut schem Wesen; er ist weder ein kalter, allzu nüchterner Verstandesmensch, noch von überquellendem Gefühl und allzu lebhafter Phantasie. Die Ver hältnisse, unter denen er lebt und strebt, haben ihm ein gewisses Mittel die ser Extreme gegeben. Gleich seinem Land, zeichnet sich der Schlesier durch schlichte Gediegenheit und ein gewisses Gleichmaß seiner Entwick lung aus. Stark hervorstechende Eigentümlichkeiten besitzt er nicht, doch kennzeichnet den echten Schlesier, bei aller Rührigkeit, Gelassenheit und Ruhe. Seine Friedensliebe ist bekannt, aber auch sein Rechtsgefühl, seine Ehrlichkeit und Beständigkeit. Rastlos in seinem Bemühen, bescheiden in seinen Ansprüchen, ist er mit dem Lose, das ihm nicht zu leicht gefallen, bald zufrieden. Und empfin det auch der Gebirgsbewohner seine Armut, so läßt diese ihn weder geistig noch körperlich verkümmern. Selbst die ärmste Familie ist bestrebt, dafür zu sorgen, daß die Kinder reinlich und ordentlich einhergehen. Auch des Armen Ehrgefühl ist so rege, daß er lieber darbt, als vor seinen Mitmen schen sich erniedrigt. Einen besonderen Zug des deutschen Schlesiers bildet sein tatkräftiger Wille, seine Ausdauer: mit jeder neuen Schwierigkeit wächst sein Eifer, 8
wächst seine Kraft. Den kleinsten Vorteil weiß er auszunutzen und mit nie abzuschreckender Emsigkeit zu behaupten. Mann, Weib und Kind stren gen im Verein ihre besten Kräfte an, um dem Boden den Lebensunterhalt abzuringen. Und so arbeiten nicht nur ein Menschenleben, sondern ganze Generationen an der Verbesserung des Besitzes. Mit schneller Auffassung begabt, wißbegierig und lerneifrig nützt der Schlesier in geschickter, oft findiger Weise die sich daraus ergebenden Vor teile. Da er mit allen Kräften des Körpers und des Geistes sein Land sich so zusagen erobert hat, so hängt auch sein Herz pietätvoll an der Scholle, die ihm dadurch unendlich lieb geworden. Diese Pietät gegen die Heimat hat kräftige Blüten des Volksbewußtseins getrieben. Freudig gab und gibt er Gut und Blut hin, um Land und Reich zu schützen. Bei der anstrengenden Arbeit aber, bei dem eifrigen Bemühen, durch Sparsamkeit sein Los zu bes sern, ist der schlesische Landwirt keineswegs ein Knicker. Er liebt es, nach den Anstrengungen des Tages in Dorfgasthof mit seinesgleichen bei einem Glas Bier sich zu unterhalten oder dem Gespräch von Personen gebildeter Stände zuzuhören. Dabei zeichnet ihn eine genügende Dosis Mutterwitz aus, den er bei Herausforderung trocken auf seinen Gegner losläßt. Und so schlagfertig er im Wirtshaus jede Neckerei abzuwehren weiß, ebenso scharf trifft sein Witz jede Schwäche seines Nachbarn oder auch ganzer Gemeinden. Jeder Insasse des Dorfes hat seinen Witz- und Spitzna men, und jede Ortschaft wird in ihren verschiedenen Maßnahmen einer scharfen Kritik unterzogen. Trotz dieses sarkastischen Zuges ist der Schle sier außerordentlich gutmütig, und schon in der Sprache gibt diese Gutmü tigkeit sich zu erkennen.” Und diese Menschen nun leben in einer Landschaft, welche die Natur mit einer besonderen Formfülle ausgestattet hat, die das Auge bei ihrer Be trachtung echte Befriedigung finden läßt. Wo darüber hinaus die schaffende Menschenhand dem Naturgebilde ein sinniges Gepräge verleiht, ist der Be schauer noch mehr gefesselt. Die plastische Begrenzung ihrer Schilderung büden von West nach Ost die Sudeten und die Beskiden als Teil der Karpaten, von welchen aus sich die Wässer des Landstriches in anmutigen Tälern nordwärts ergießen. Alle Wasser Schlesiens fließen nach Norden.
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Nachbargebiete
Die Bergkämme hier im Süden trennen als natürlicher Wall Schlesien von der jenseits gelegenen Slowakei, die jahrhundertelang zu Ungarn gehörte. Nach Norden gehen diese Berge in ein hügeliges Vorland über, das dann in die Terrainfalten des oberschlesischen Industriegebietes ausläuft. Dahin nehmen auch die Flüsse ihren Weg. An der mährischen Seite die Ostrawitza, an der östlichen Begrenzung die sich in die Weichsel ergießende Białka mit den Städten Bielitz und Biala, und in der Mitte zwischen beiden die dem Land in seiner späteren Geschichte ihren Namen gebende Olsa mit der alten Piastenstadt Teschen. Die Ostrawitza im Westen und die Białka im Osten waren auch in etwa die Grenzmarkierungen des Herzogtums Te schen, eines der vielen schlesischen Herzogtümer, welche die Geschichte schuf. Es war das südlichste unter ihnen. Der Olsa folgend öffnet sich die breiter werdende Talsohle bis an die Bodenwellen bei Oderberg, wo auch der nördlichste Punkt des Herzogtums Teschen lag. Von Süden her schauen die ernsten Beskiden ins Tal. Von dort her kommt auch der alte Handelsweg über den Jablunkapaß, der Ungarn mit Schlesien und damit mit Deutschland verbindet Werfen wir einen Blick hinüber ins Komitat Trentschin, zu welchem dieses bergige Land an der Südgrenze Schlesiens gehört. Julius Lovcsanyi schreibt darüber um die Jahrhundertwende sehr interessant: „Hier scheint die Morgensonne auf Berge, deren Häupter tief in zwei Länder hineinlugen. Die nördliche Grenzlinie des Komitats sind die West beskiden mit ihren höchsten Gipfeln, dem Javornik (1071 m), der Polom (1028 m) und der Racza (1236 m). Zwischen den beiden letztgenannten liegt auch der aus der Geschichte bekannte Jablunka-Paß mit einer Seehöhe von 551 Metern. Über ihn zieht von Süden her die Kaschau-Oderberger Bahn. Auf der Höhe dieses Passes steht am Saume eines schönen Waldes der Grenzpfahl mit der Aufschrift: ,Magyarorszag - Schlesien’ (Ungarn auf der südlichen, Schlesien auf der nordwärts gerichteten Seite des Pfahles). Das Land südlich des Pfahles ist das ungarische Komitat Trentschin, und die ersten Orte, die man als Bergwanderer betritt, sind Cadca, eine nach der Schlacht bei Mohäcs durch Johann aus Budetin angelegte Großgemein de, und Turzofalva, der größte Ort des Komitats, im 17. Jahrhundert durch Holzfäller der Herrschaft Bittse angelegt. In der ganzen Gegend entstanden Rodungsgemeinden, die in verhältnismäßig kurzer Zeit dem Wald mehrere Quadratmeilen Bodens abgewannen.” 10
Etwa 35 Kilometer südlich des Jablunka-Passes liegt die Stadt Sillein. Ich erwähne auch diese Stadt, da sie zu unserem Siedlungsgebiet gehört, und von Schlesien aus besiedelt wurde. Nach J. Lovcsanyi wurde Sillein 1338 in einem ersten Privileg genannt und erhält 1384 durch Königin Maria alle Rechte einer königlichen Freistadt. 1430 wird es zu einer Festung ausge baut. Um 1400 können die Protestanten auch die Kirche mitbenutzen, und ist im 17. Jahrhundert unter dem Schutze der Thurzos sogar Hauptsitz des Protestantismus. Heute ist es ein Ort mit etwas Textil-, elektrotechnischer und chemischer Industrie. Und nun kehren wir wieder zum Paß zurück und wenden unseren Blick zurück nach Norden, nach Schlesien. Im welligen Vorland reihen sich die Orte Friedek, Freistadt, Teschen, Schwarzwasser, Skotschau, Bielitz, Biala aneinander und weiter nach Osten nach Auschwitz, Zator und Skawina. Sie seien erwähnt, weü sie in der späte ren Schilderung alle ihre gewisse Rolle spielen. Und um dieses enger um schriebene Gebiet lagern sich im Kreise herum das Krakauer Gebiet im Osten, das oberschlesische Becken im Norden, Mähren im Westen und die Slowakei im Süden. Nach mehreren Seiten hin war dieses kleine Gebiet Gartenzaun und Brücke zugleich. Und jeder, der seine Blicke „hinüber”-wirft, kann besser Vorgänge beur teilen und Bewegungen verfolgen als jener, der im Binnenland wohnt. Hier stießen, seit es eine Geschichte in diesem Gebiet gibt, auch drei Völker zu sammen, deren Siedlungsgebiete sich im Laufe des Geschehens verscho ben. Nicht selten ist hier auch deutsches Volkstum versunken, ein Vorgang, der sich in allen Grenzgebieten, wo anderssprachiges Volkstum zusammen stößt und unter wechselnde staatliche Herrschaft gerät, abspielt. Nur zu oft unter Druck. Von unseren Bergen schweift nun der Blick in die sich weitende Ebene. Wie wenige wissen, daß hier oben einer der großen Ströme Europas seinen Anfang nimmt, ein Schicksalsstrom des östlichen Mitteleuropas. Wenige Kilometer östlich des Jablunkapasses auf der 1214 m hohen Barania liegt sein Ursprung, liegen seine Quellen. Es ist die Weichsel, die in einer Länge von 1076 Kilometern der Ostsee zustrebt, Krakau berührt, Warschau durch fließt und östlich von Danzig das Meer erreicht. Auch ein zweiter Strom be rührt unser Ländchen am westlichen Rand; es ist die Oder, der schlesische Strom, die Schlagader des historischen Schlesiens. Als junge Gewässer durcheilen sie das „Land vor den Bergen”, als tragende Ströme bringen sie 11
ihre Lasten zur Küste. Sie durchfließen ein weites Gebiet, dessen Geschich te auf das engste mit ihrem Quellengebiet verbunden ist Während die Oder in nordwestlicher Richtung ihren Lauf nimmt und unser Land bei Oderberg verläßt, wendet sich die Weichsel bei Schwarzwas ser nach Osten. Bis zur Einmündung der Pschemsa am linken Ufer war sie von 1742 bis 1919 Grenzfluß zwischen dem bei Österreich verbliebenen und dem damals preußisch gewordenen Schlesien. Der erste Ort, den die Weichsel berührt, ist das Dorf Weichsel, das schon vor der Jahrhundertwende ein herzogliches Jagdschloß beherbergte. Am Fuß der breit gewölbten Czantory vorbei erreicht sie Ustroń. Als klimati scher Kurort und auch als Produktionsstätte der Eisenindustrie hat sich der Ort einen guten Namen gemacht. Als Gründungsjahr wird 1802 genannt, so daß Ustroń zu den ältesten Badeorten des östlichen Schlesiens gehört. Hinter dem Städtchen Skotschau strömt die Weichsel nun der Ebene zu, wel cher der menschliche Fleiß sein Gepräge gegeben hat. Bei Ochab erfüllt ein Teichsystem von nahezu 1000 Hektar den Raum zwischen ihr und dem IIlownitzabach, und in dem gleichen Raum erstreckt sich auch der mächtige Schwarzwald. Mitten hindurch führen die Gleise der Nordbahn, die von Oderberg nach Dzieditz führt. Bevor die Weichsel nun unser Land verläßt, nimmt sie den Illownitza- mit dem Lobnitzbach und schließlich das Bialka-Flüßchen auf. Es hat durch die Jahrhunderte hindurch seine besondere Rolle gespielt. Und je mehr wir uns dem Bielitzer Land nähern, um so welliger wird die Gegend wieder. Die Hügel beginnen schon bei Skotschau, ziehen ost- und nordostwärts. Von der Skotschau-Bielitzer Straße hat man Ausblick auf die Beskiden im Süden, insbesondere auf die nähergerückten Bielitzer Berge. Schloß Grodzietz und der Luftkurort Ernsdorf, Lobnitz und schließlich Alexanderfeld lassen Bielitz folgen. Diese betriebsame Industriestadt liegt am Flüßchen Białka; am gegen überliegenden Ufer breitet sich ebenso betriebsam die Schwesterstadt Biala aus. Um die Jahrhundertwende wird das Stadtbild als „weniger vom ästheti schen, sondern mehr vom praktisch-nüchternen Standpunkt als vorteilhaft” beurteilt, doch in der jüngeren Zeit stehen hübsche Neubauten in erfreuli chem Kontrast zu den düsteren Häuserreihen des Weichbildes. Die nächst gelegenen Dörfer bilden einen Kranz von deutschen Siedlungen um die beiden Städte. Besondere Erwähnung verdient das Dorf Altbielitz mit ei12
nem uralten Kirchlein, wahrscheinlich ist es eines der ältesten Gotteshäuser Schlesiens. Bielitz ist in der beneidenswerten Lage, eine reizende Umgebung zu be sitzen, sie ist der Ausgleich der Schattenseiten, die eine hochentwickelte In dustrie mit sich bringt. Kaum eine Stunde im Süden der Stadt „umfängt uns schon Waldesluft und Waldesrauschen”. Es ist der weit über die Grenzen der Stadt bekannte Zigeunerwald, der den Fuß der nahen Berge bedeckt und ein beliebter Ausflugsort nicht nur für die Bielitzer ist. Auch aus dem oberschlesischen Industriegebiet kommen die Erholungsuchenden gern hierher. Beliebt ist auch das obere Bialkatal, das Bistraital. Von dort ist es nicht mehr weit zu dem beherrschenden und höchsten Berge dieser Ge gend, dem Klimczok (1119 m), sagenumwoben und aussichtsreich nach allen Richtungen. Südlich des Bistraitales steigt man zur Raukoppe mit ihrer Höhe von 1250 m auf. Westlich von Bielitz liegt das bewaldete Luisental, es ist wohl das anmutigste aller Täler dieser Gegend, ihm „darf wohl die Palme ge reicht werden”. Das ganze Gebiet ist gut erschlossen und auch die leichte Zugänglichkeit macht es erklärlich, daß von Jahr zu Jahr ein steigender Be sucherstrom zu verzeichnen ist. Ähnlich wie das eben durchwanderte Gebiet finden wir auch die Land schaft des im Westen an die Markgrafschaft Mähren angrenzende und von der Ostrawitza und ihren rechtsseitigen Zuflüssen durcheilten Teschener Raumes. Beide sind im Süden von den Beskiden begrenzt. Unter den be kannten Bergen ist die Lysa Hora, der „kahle Berg”, der höchste. Mit ihren 1325 Metern Höhe gilt sie als ernste Hüterin des ostschlesischen Landes. Die wilde Ostrawitza eilt an Althammer, Friedland und endlich Friedek vor bei. Die Türme dieser Stadt mit ihrer lebhaften Baum Wollindustrie schauen schon auf das in Mähren gelegene Nachbarstädtchen Mistek hinüber. Hier haben wir den westlichsten Punkt unseres Gebietes erreicht. Von Friedek aus gegen Norden streben Flußlauf, Straßen und Bahn dem Ostrauer Land mit seinem kohlereichen Hügelland zu. Von hier aus wenden wir uns gegen Osten der ältesten Stadt, die dem ganzen Herzogtum den Namen gab, dem vieltürmigen Teschen, zu. Umwogt von grünen Hü geln, deren Fuß ein schimmerndes Flüßchen umfangt, das in späterer Ge schichte zum schmerzlich trennenden Schicksalsfluß unseres ostschlesi schen Ländchens werden sollte, welcher unser schönes, aber so gequältes Stückchen Erde nochmals zerriß. 13
Die Herzoge von Teschen herrschten von hier aus über ein Gebiet, das vom 14. bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts bis vor die Tore Krakaus reichte, und im Jahre 1359 kaufte Herzog Primko von Teschen von Herzog Bolko II. von Fürstenberg auch noch Severin, das Land östlich der Linie Kattowitz-Tarnowitz, dazu, welches aber nach etwa hundertjähriger Zuge hörigkeit zu Schlesien wieder an Polen fällt. Dieses sich bis vor Krakau erstreckende Ländchen, das zeitweise als die Herzogtümer Auschwitz und Neustadt-Zator ein Eigenleben führte, schließt östlich an Bielitz an. Über die Bialkabrücke betreten wir Biala. Mit Bielitz zusammen ein abgerundetes Industriegebiet, neben Brünn und Rei chenberg die drittgrößte Textilproduktionsstätte der österr.-ung. Monar chie. Eine Heimstätte hochqualifizierter Tuche. Weder in baulicher noch geschichtlicher Beziehung sind interessante Dinge zu finden. In südöstlicher Richtung führt uns unser Weg zwischen Klimczok und Josefsberg im Tal hindurch an Nickelsdorf und Wükowitz vorbei nach Saybusch. Diese kleine Stadt an der Sola beherbergt nicht nur das erzherzog lich Albrechtsche Schloß mit der Güterdirektion der Liegenschaften, die bis in die Gegend von Jeleśnia reichen, sondern auch eine Brauerei und Ei senindustrie, die sich weiter südlich bis Wengierska Gurka fortsetzt. Saybusch, einst Eigentum schlesischer Fürsten, hat sich zu einem emsigen Handelsplatz entwickelt. Unter der polnischen Herrschaft vor der ersten Teilung Polens verfügte diese Stadt über ein eigentümliches Privileg, welches besagte, daß sich Juden nicht ansiedeln durften (Habdank-Dunikowski.) Im gesamten Raum herrscht rege Holz- und Textilindustrie. Wei ter ostwärts, das Koscharawatal entlang, führt uns der Weg nach Sucha. Eine wertvolle Bibliothek befindet sich im gräflich Branickischen Schloß, das hier in dieser netten Sommerfrische steht. Eine Besteigung der von hier aus nahe gelegenen Königin der Westbes kiden, des „Weiberbergs”, der 1725 Meter hohen Babia Gura, beschreibt Habdank 1898 wie folgt: „Die Besteigung des ,Weiberberges’ (Babia Gura) nimmt weder viel Mühe noch viel Zeit in Anspruch. Wir folgen eine Zeit lang dem Stryszawkabach hinaus und gelangen im Quellgebiet dieses Ge wässers in einen dichten Wald, um endlich auf der steinigen Alm des Jało wi ecberges den nordwestlichen Ausläufer des Babia-Gura-Massivs zu errei chen. Von da führt der Weg über mehrere Gipfel des Rückens bald über duftige Almen und schöne Wälder, bald über steinige Gehänge bis auf den Gipfel der Babia Gura, auf dem wir endlich nach zweistündigem Steigen an 14
langen. Wir genießen von hier den großartigen Anblick der Hohen Tatra, ein wunderbares alpines Bild. Die höchsten Gipfel erheben sich bis nahe an 3000 Meter.” Über eine Entfernung von etwa 70 Kilometern leuchten die Gipfel die ses höchsten Massivs des gesamten Karpatenbogens. Südlich lag dem Berg schon Ungarn zu Füßen. A uf dem Südhang ent springt der Polhora-Bach, der sich in die Arwa ergießt. Lassen wir, da auch dieses Gebiet enger mit unserem Land verbunden ist, Nikolaus Kubinyi sprechen und uns sagen, was man von Süden her gesehen zu jenem BergGebiet sagt, welches auch für uns zum Begriff der Grenze wurde: „Das Gebiet des Arwaer Komitats war schon zur Zeit der Landnahme ein Bestandteil Ungarns. Unsere ältesten Quellen beweisen es, indem sie insgesamt den Gura-Berg als nördlichste Grenze des Landes nennen, und kein Zweifel obwaltet, daß das Bagibaria des Kaisers Konstantinus Porphyrogenetus identisch ist mit der an der nördlichsten Zacke des Komitats aufsteigenden Babia Gura. Auf ihrem Abhang liegt das Dorf Polhora, dessen polnisch klingender Name (Polgora = halber Berg) daraufhinweist, daß der mächtige Grat der Babia Gura schon damals als Grenzlinie diente. Weiter ostwärts, wo die Landesgrenze ein mooriges Plateau durchzieht, waren Grenzstreitigkeiten noch in späteren Jahrhunderten an der Tagesordnung, ja, sie führten sogar zu blutigen Zusammenstößen. Die Babia Gura jedoch war als Grenzpunkt allezeit so feststehend wie als Berg selbst, von dessen zwei Länder beherrschendem Gipfel man die erzbedeckten Türme des fer nen Krakau erblickt.” An anderer Stelle beschreibt er das den Bergen südlich vorgelagerte Ge biet wie folgt: „Am südwestlichen Abhang der Babia Gura liegt das Dorf Polhora. In Polhora befindet sich der Verwaltungssitz eines der Forstbezirke der Ar waer Herrschaft mit einer Dampfsäge und zwei künstlichen Sammelbecken für Wasser, mittels deren das Holzflößen auf dem Polhorabach auch bei sommerlicher Wasserabnahme zu bewerkstelligen ist. Nordwestlich vom Dorf Polhora erreicht man die kaum fünf Kilometer entfernte Landesgren ze. Von hier führt die Straße zwischen Babia Gura und Pilsko hindurch über einen 809 Meter hohen Sattel nach Korbielow und Saybusch, und weiter nach Bielitz-Biala. Polhora selbst besitzt ein Solbad mit jodhaltigem Wasser. Es liegt etwa drei Kilometer abseits des Ortes in einer Höhe von 760 Metern und wird 15
trotz seiner Schlichtheit wegen der Heilkraft der Quelle von den Umwoh nern fleißig besucht. Hier ist auch der gewöhnliche Ausgangspunkt der gelegentlich hierher verschlagenen Touristen für die Ersteigung der Babia Gura, deren Gipfel im Jahre 1806 auch von Palatin Josef betreten wurde. Zum Gedächtnis dieses fürstlichen Ausfluges ließ im Jahre 1848 der damalige Oberstuhlrichter von Traßtena, Daniel Szontagh von Jglo, eine Inschrift errichten. Leider ist sie seither verschwunden. Vielen Bergfreunden werden diese längst vergesse nen Wanderziele wieder rasch in Erinnerung kommen.” Die Schönheit der Natur ist geblieben. Geblieben sind auch die Ein drücke, die wir selbst viele Jahre später gewonnen haben. Sie haben nichts an Eindringlichkeit verloren. Bis zum heutigen Tage nicht. Daher konnten wir ruhig einen lange zurückliegenden Bericht eines Unbefangenen spre chen lassen. Wir wollen aber den Blick noch etwas nach Süden, besser gesagt nach Südosten gerichtet lassen, und ihn in die Richtung der Hohen Tatra wen den. Dort hinter den Gipfeln dieses alpinen Massivs liegt ein Hochplateau, das auch von Deutschen besiedelt war und sich an die Hohe Tatra östlich anschließt. Es ist das Ländchen der Zipser-Deutschen, die „Zips”. Über das Waagtal westwärts, über Sillein und den Jablunka-Paß ist sie mit Schlesien verkehrstechnisch verbunden. Nordwärts führen die Verbin dungswege über die niedrigen Wasserscheiden entlang den Tälern von Pop per und Dunajec und haben so Anschluß an die „Hohe Straße” und über die Weichsel zur Ostsee. Diese Lage fügte es, daß einer „der abendländischen” Hauptwege im Nord-Süd-Verkehr über das Gebiet der Zips führte. Er verlief zu jenem über den Jablunkapaß, etwa 150 Kilometer östlicher, parallel auf Krakau zu. Die „Zipser” sind in Bielitz keine Fremden, ihr Name ist uns durchaus heimatlich verbunden. Allein daran mag der Kontakt mit ihnen gemessen werden. Vielleicht sind wir Bielitzer sogar verpflichtet, ein Wort über die Zipser zu sagen, kennt doch sicherlich nur ein geringer Teil der Binnendeut schen etwas über dieses schöne aber verlorene Fleckchen Erde am Südrand der Karpaten, gewiß aber nicht mehr als über unser eigenes Heimatgebiet. Gleich uns haben auch die Deutschen der Zips die Höhen und Tiefen der gesamtdeutschen Entwicklung im Laufe der Jahrhunderte deutlich zu spüren bekommen. Gleich uns gehörten sie über längste Strecken der Ge schichte zur österreichisch-ungarischen Monarchie, wo das Deutschtum, 16
der Politik der Habsburger wegen, leider immer in der nur zu oft hoffnungs losen Defensive lag. Lag Bielitz noch im k.k. Kronland Schlesien, also an Wien gebunden, so gehörte die Zips zu einem ungarischen Komitat, das an Budapest gebunden war und fremdsprachig regiert wurde. Das national rege Ungarntum hat den Zipsern die Erhaltung ihres Deutschtums gewiß nicht leicht gemacht. Es zeugt für die Zuneigung zu ih rem Volkstum, wenn es 1940 in der weiteren Zips als Teilgebiet noch etwa an die 90000 „Karpatendeutsche” in der Slowakei gab. - Dieses Gebiet ist Grenze und Übergangsland zugleich. Wie im äußersten Süden des riesigen Karpatenringes an der Aluta-Pforte die Siebenbürger, so sind die Zipser im Norden am Tore der Popper von den ungarischen Herrschern mit besonderen Rechten und Pflichten ausge stattete Wächter, und wie überall zugleich auch Kulturspender für ihre Um gebung. Die Besiedlung erstreckte sich vorwiegend auf die Täler des Dunajec, Popper und Hernad, und ihre Form war überwiegend die der schlesischen Schulzeneien. Die Werber und Emissäre holten die Siedler aus den ver schiedensten Gegenden Deutschlands heran. Erzgebirgisch-schlesische so wie ober- und mitteldeutsche Dialekte zeugten davon. 1256 wurden dem Grafen Jorden, Sohn des Zipser Grafen Arnold, von König Bela IV. durch die Schenkung eines Waldes die Verdienste belohnt, die er sich „durch Her anziehung von Siedlern aus benachbarten Reichen” erworben hatte. 1202 wird bereits die Zipser Propstei errichtet, und 1271 werden unter König Stephan V. die Zipser Privilegien kodifiziert. Die Zipser helfen dem König gegen den Adel, Städter und König stehen zusammen. Das Privileg von 1328 ist in deutscher Sprache abgefaßt. 44 Ortsnamen finden um diese Zeit Erwähnung. Unter dem Schutz dieser Sonderrechte können sich Han del und Wandel frei entfalten. Im 14. Jahrhundert liegt ihre Blütezeit. Die Verkehrslage schuf direkt eine Monopolstellung für den Transit- und Ex porthandel. Tuche, Leinwand, Erze, Wein, Felle, Lederwaren und beson ders Käse - wir kennen den Schafskäse, die Brinse, noch alle - waren Haupt handelswaren. Der Name der Stadt Käsmark dürfte mit der „Handelsware Käse” Z u sammenhängen. Die deutsche Baukunst prägte den Zipser Städten den Stil auf, Leutschau nennt man heute noch das „Nürnberg der Zips”. Die Zünfte boten Schutz gegen volksfremde Elemente. 1370 wird das 17
ganze bestehende Recht in dem 95 Artikel umfassenden und vom „Sach senspiegel” beeinflußten Rechtsbuch der „Zipser Willkür” niedergelegt. Leider wurde die Zips auch Objekt der großen Politik. Als Kaiser und König Sigmund (1410-1437) Geld für einen Krieg gegen Venedig benötigte, ver pfändete er gegen Zahlung von 37000 böhmischen Groschen am 8.11.1412 dreizehn deutsche Zipser Städte an seinen Schwager Wladislaus Jagiełło von Polen. Der Zustand der Zerreißung der Zips sollte über 350 Jahre an dauern. Das geistige Leben der Zips war immer rege. Allein in Krakau studierten in den Jahren von 1400 bis 1550 etwa 400 Zipser. Notzeiten bringen die Hus sitenkriege, als 1433 erstmals tschechische Eindringlinge unter Giskra von Brandeis erscheinen und die Zips ihre völkische wie religiöse Intoleranz spüren lassen. Nach dem Zusammenbruch der Hussitenherrschaft gehen die Zipser Städte 1462 an die Familie Zapolyai, später an die Thurzos und die Csakys über. Einen Aufschwung bringt die neue Lehre, welche Zipser Studenten di rekt aus Wittenberg in ihre Heimat bringen. Die Reformation fällt auch hier auf fruchtbaren Boden. Seit 1526 regieren die Habsburger. Ferdinand I. (1556-1564) ist tolerant und gewährt religiösen Schutz. Der Aufschwung verflacht aber, als Bürger- und Türkenkriege den Handel lahmlegen und in nerungarische Kämpfe beginnen, ständische, nationale und religiöse Ele mente gegeneinander in Stellung zu bringen. Nur unter Druck unterstützen die Zipser den Siebenbürger Fürsten Ga briel Bethlen gegen den Kaiser. Dieser ehrgeizige Fürst erhält vom Kaiser im Frieden von Nikolsburg, gezwungenermaßen übrigens, die zwei schlesi schen Fürstentümer Oppeln und Ratibor. Auf dem Weg zu den Friedens verhandlungen nach Nikolsburg - so verzeichnet die Chronik der Stadt Ro senberg im Waagtal - übernachtete Bethlen im dortigen Sophienschloß am 23. Januar 1622. Rosenberg selbst, vor den Toren der Zips, ist auch eine deutsche Gründung aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Die Gegenreformation beginnt um 1616, und bis 1668 werden Schritt für Schritt den Evangelischen wieder die Kirchen genommen. Im verpfände ten Teil der Zips am Dunajec gründet der polnische Fürst Lubomirski 1642 eine Piaristen-Schule in Pudlein, und 1645 wird die erste Predigt in polni scher Sprache dort gehalten. Die Unruhe unter den evangelischen Adeligen bewegt den Kaiser, ge 18
gen die oberungarischen Städte vorzugehen. Er einigt sich mit Polen ge meinsam vorzugehen. Als sich Emmerich Tököly erhebt, folgen ihm die Zipser auch nur in ge ringem Maße, und die Revolution unter Rakoczy II. bringt nicht nur der Zips neues Unglück, sie bedroht auch Niederösterreich und Mähren. Erst das Jahr 1708 bringt die Befreiung vom „Kuruzischen Joch”, der ungarische nationale Aufstand bricht zusammen. Tököly stirbt im türkischen Asyl, und Rakoczy geht nach der Niederlage von Trentschin außer Landes und stirbt in der Verbannung. Leider hat eine bedauernswerte Entdeutschung Platz gegriffen. Das Vorrecht der Zünfte fällt, in Donnersmarck, Neusohl und anderen Orten Oberungams versinkt das Deutschtum. Die Slawisiemng wird durch den Adel gefördert. Eine Pest dezimiert die deutsche Bevölkerung ebenfalls stark. Der slawische Volksteil erhält Nachschub, der deutsche nicht. Im verpfändeten Teil der Zips liegt er im Kampf gegen die polnischen Staro sten. Allein 1714 bis 1716 werden aus den deutschen Städten 181000 Gulden an Abgaben herausgeholt. Fürst Lubomirski polonisiert die Verwaltung, läßt aber die ungarische Sprache im Unterricht zu. 1769 besetzt Graf Esterhazy auf Veranlassung von Maria-Theresia die dreizehn verpfändeten Städte, was den ersten Anstoß zur ersten Teilung Po lens gibt. Die Zips ist nun wieder vereint. Ab 1772 wird auf ausdrücklichen Wunsch der Kaiserin wieder Deutsch in den Schulen gelehrt. Diese kurze Schilderung der wichtigsten Begebenheiten aus der Zips bis zum Jahr 1772 ist wohl charakteristisch für fast alle Siedlungen der Deut schen, soweit sie nicht zum geschlossenen deutschen Sprachgebiet gehö ren, und was noch wichtiger ist, auch politisch weder einer deutschen noch einer deutsch-österreichischen Verwaltung unterstanden. Die Notzeiten sind für diese Siedler immer dann da, wenn Deutschland selbst politisch schwach oder innerlich gespalten ist, so daß keine Zeit und keine Kraft vor handen ist, seinen weit vorgelagerten Volksteilen durch Verhandlungen mit deren Herrschern Hilfe und Schutz zu gewähren. Und nun kehren wir von unserem Ausflug in die südlich den Karpaten vorgelagerten Gefilde zurück, zum Ausgangspunkt unseres Abstechers auf die Babia Gura, in das kleine Städtchen Sucha. Dort wartet man auf uns zur weiteren Reise. Von Sucha aus geht es am Flüßchen Skawa versunkenen schlesischen 19
Spuren nach, die uns nach Frauenstadt (Wadowitz), einer freundlichen Be zirksstadt, bringen. In der Nähe liegt auch die kleine Industriestadt Andrichau (Heinrichau), zu Füßen eines altvulkanischen Felsens (Teschenit), die den Anfang mehrerer Ortschaften im Wieprzbachtal büdet. Zwischen Andrichau und Biala liegt das Städtchen Kenty (Liebenwer de), das schon zum Kraftfeld des Industriegebietes von Bielitz-Biala gehört. Unser weiteres Reiseziel liegt aber noch weiter in östlicher Richtung, wir kehren nach Kalwaria zurück und wenden uns gegen Landskron. Die gleichnamige Burgruine erhebt sich auf einem 650 Meter hohen Berg, etwa vier Kilometer von dem dort befindlichen Kloster entfernt. Bei Radziszow verlassen wir die karpatischen Vorberge, und vor uns liegt die weite Weichselebene. Das Flüßchen Skawinka büdete hier einst die östliche Grenze des schlesischen Landes. Doch auch diese Tatsache ist längst vergessen und verschollen. Nur fünfzehn Kilometer weiter nordöst lich von hier liegt Krakau, die alte Krönungs- und Hauptstadt des histori schen Polens. Auch mit dieser Stadt ist die Geschichte unserer Gegend ver knüpft. Wir wenden uns nun von hier nach Westen. Der nordwärts gerichtete Blick erspäht in der Ferne gerade noch die Schloßruine Tyniec direkt an der Weichsel zehn Kilometer vor Krakau. Die Sage berichtet, daß hier ein deut scher Ritter seinen Wohnsitz aufschlug. Sie scheint ein Nachspiel zur deut schen Sage von Walther von Aquitanien (Waltharius manu fortis) zu sein, der vom Rhein nach dem Osten geflohen sein soll (Lud. German). Nun geht es westwärts der Weichsel entlang über Neustadt (Zator) und Auschwitz, die beiden alten Fürstensitze der kurzfristig selbständigen schlesischen Herzogtümer gleichen Namens, zurück nach Bielitz. Damit ist die Wanderung durch unser Ländchen beendet und so mancher Leser wird sich seiner eigenen Wanderungen jener Tage erinnern, als es noch unsere le bendige heimatliche Gegenwart war. Es bleibt noch, einen Blick nach Norden zu werfen, um die Gegenden zu nennen, die uns über die Weichsel hinweg mit dem übrigen Schlesien verbinden. Dort liegen die Landschaften des alten Herzogtums Ratibor, zu dessen Gebiet zeitweise die Städte Pleß, Sohrau und Oderberg gehörten, anderer seits hat zum Beispiel auch das halbe Gebiet von Beuthen zum Herzogtum Teschen gehört, ebenso wie die Städte Pleß, Sohrau bei Ratibor, Auschwitz und Zator. Es gehörten aber auch zeitweise Ratibor und Sohrau zum Her 20
zogtum Troppau, ebenso wie diese Orte zu anderer Zeit zu Oppeln gehör ten. Alle diese Überschneidungen und Wechsel im Besitz sind eine typisch schlesische Erscheinung, die sich durch die Jahrhunderte hindurchzieht, aber andererseits beredte Zeichen dafür, daß das ganze südliche Schlesien, vom Beginn seiner Geschichte an, von den Beskiden bis an die niederschle sische Grenze ein zusammenhängendes Land war und erst seit dem 18. Jahrhundert mehrmals geteilt wurde.
Blick auf die Wirtschaft
Jedes Gebiet, auch das kleinste, hat sein eigenes Interesse, hat seine eigenen wichtigen Ereignisse. Meist sind sie von weniger gravierender Tiefenwir kung, werden aber nur zu oft ernster genommen als sie es verdienen. Und nur zu oft treten dadurch die großen, die wichtigen Zusammenhänge in den Hintergrund oder werden vergessen, vergessen wie jene Tatsache, daß auch unser Ländchen zum ganzen Schlesien gehört. Und wie das gesamte Schlesien, so ist auch unser kleiner Ausschnitt ihm gleich in bezug auf das wirtschaftliche Leben. Wie der Landschaftstyp, so ist auch seine Bodenkultur. Gebirgskuppen, auf welchen nur Knieholz oder dürftiges Gras gedeihen, wechseln auf verhältnismäßig geringe Entfernun gen ab mit mehr oder weniger fruchtbaren Tälern, und stille Waldeshöhen wechseln mit zum Teil sumpfigem Tiefland. Den Hauptcharakter des Ländchens in seiner schmalen Beschaffenheit geben das Mittelgebirge und das Hügelland, und erst im nördlichen Streifen überwiegt das flache Land. Im Gebirge herrscht die Forstwirtschaft vor, im Hügelland hält sie der Landwirtschaft das Gleichgewicht und erst in der Ebene kommt die Land wirtschaft voll zur Geltung. Die Vorbedingungen für die Landwirtschaft sind von Natur aus eigentlich nicht recht günstig. Nur gegen Süden ist das Land nicht offen, und an dem bergigen Wall stauen sich die aus Nordwesten heranziehenden Regenwolken, um ihr Naß über unser Hügel- und Flach land zu ergießen. Das Klima ist dadurch etwas rauher, und die jährliche Re genmenge mit etwa 992 Millimetern höher als zum Beispiel im benachbar ten Mähren. Hier zählte man im mehrjährigen Durchschnitt 162 Tage mit Niederschlägen, dort dagegen nur 128. Die schlesische Alm produziert - meist oberhalb der Waldgürtel liegend - einen Graswuchs, der für die Sommerweide der Schafe oder Ziegen Ver wendung findet. Die Landwirtschaft im Gebirge ist natürlich kaum von Be 21
deutung. Nur unter großer körperlicher Anstrengung wird dem Boden, wie in allen Berggegenden, Hafer, ein spärliches Korn, oder die Kartoffel abge rungen. Dieser Zone folgt nun die breiteste, die Hügellandzone. Durch sie zie hen die Verkehrwege, in ihr liegen die Hauptorte. Hier und in der Ebene herrscht die Landwirtschaft mit ihrem allerdings überwiegenden Klein grundbesitz vor. Hafer, Korn und Kartoffeln dienen der Ernährung, die Ger ste geht den Brennereien zu. Der Ertrag hängt in unserem Landstrich sehr von der Entwässerung der Anbauflächen ab. Nirgendwo, außer in England, ist sie von solcher Wichtig keit wie hier. Diese kostspieligen Arbeiten sind schon seit Mitte des vorigen Jahrhunderts in der Übung. In den Niederungen der Weichsel und der Olsa sind weite Flächen der Fischzucht gewidmet, die sich fast ausschließlich auf den Karpfen be schränkt. Die Teichwirtschaft wird so betrieben, daß die von Dämmen ein gefaßten Flächen einige Jahre unter Wasser stehen und anschließend einige Jahre für die Feldbestellung ausgenützt werden. Von besonderer Wichtigkeit für die Landwirtschaft sind hier auch die in keinem Gutsbetrieb fehlenden Brennereien. Der größte Teil der Kartoffel ernte wird zu Spiritus verarbeitet, der ein ertragreicher Exportartikel ist, und dessen Abfallprodukte zusätzlich noch ein wertvolles Futtermittel darstel len. Der größte landwirtschaftliche Komplex war die früher im Besitz der Erzherzoge Albrecht beziehungsweise Friedrich befindliche Kammer Teschen, die später staatliches Eigentum wurde und um die Jahrhundert wende allein 28 Prozent des Grundbesitzes des ehemaligen Ostschlesiens umfaßte. Schon damals betrug die Zahl ihrer Beschäftigten in Land- und Forstwirtschaft sowie den angeschlossenen Montanbetrieben je nach Jah reszeit 15000 bis 20000 Menschen. Unter den übrigen größeren Domänen sei noch der Besitz der gräflich Larisch-Mönich’schen Fideikommißverwaltung genannt. Auch ihre schön entwickelte Viehwirtschaft aus holländischer^ Kuhländer und Pinzgauer Rassen erbrachte gute Zuchtergebnisse. \ 33 Prozent der gesamten Fläche, also ein Drittel von Ostschlesien, be deckten Waldgebiete. Diese fast ausschließlich dem Großgrundbesitz gehö renden Walddomänen, 50000 Hektar allein die Kammer Teschen, wurden schon seit vielen Jahrzehnten sorgfältig und auf Grund wissenschaftlich 22
erarbeiteter Nutzungspläne bearbeitet. Der größte Teil dieser Waldungen war schon in den Jahren 1790 bis 1800 vermessen und kartenmäßig erfaßt worden. Der Beamtenkörper des schlesischen Großwaldbesitzes bestand ausschließlich aus akademisch gebildeten Forstfachleuten. Zwei Drittel der Waldfläche sind mit Fichten bedeckt, sie wachsen bis in Höhen von 1300 Metern. Den Rest teilen sich Tanne, Buche und Kiefer. Geringe Anteile stellen Eiche und Lärche. Für weite Teile der Bergbevölkerung stellt die Waldwirtschaft die wich tigste Lebensgrundlage dar. Sägewerke, Zellulosefabriken, Holzimprägnier anstalten und Möbelfabriken als Folgeindustrien sind gleichermaßen Exi stenzgrundlagen. Die Geschichte der ostschlesischen Hüttenindustrie reicht bis in das Jahr 1772 zurück, als in U stron der erste Hochofen gebaut wurde. Ihm folgte im Jahre 1806 jener in Baschka im Ostrawitzatal, und 1838 kommt Trzynietz in Betrieb. Herzog Albert von Sachsen-Teschen und der Erzherzog Karl werden als Gründer, und Erzherzog Albrecht als eifriger Förderer genannt. 1833 wird das Hammerwerk Karlshütte in Leskowitz an der Ostrawitza er baut. Während Brennstoff und Wasserkräfte reichlich vorhanden waren, mußte das Ausgangsmaterial, das Erz, vornehmlich aus Oberungarn heran gebracht werden. 1845 wurde bei dem Gußwerk Trzynietz eine Emailhütte und in Ustroń ein Feineisenwalzwerk hinzugebaut. Mit der Zeit kam in Ustroń auch noch eine Zeugschmiede, eine Nagelhütte, eine Kesselschmie de, eine Maschinenfabrik und eine Brückenbauanstalt hinzu, auch eine Schrauben- und Nietenfabrik fehlte nicht. In der Karlshütte wurde ein Puddelstahlwerk und ein Walzwerk errichtet, 1874 stellte man auf die Eisenge winnung nach dem Bessemerverfahren um. Eine Erzeugung von Eisen bahnradreifen und Rädern sowie ein Walzwerk für schwere Stahl- und Ei senbleche und eines für das Walzen von Trägern wurde errichtet. Der Bau der Kaschau-Oderberger Eisenbahn wurde zur rechten Zeit das Bindeglied zwischen Erz und Kohle, und 1872 konnten große Hochöfen in Trzynietz angeblasen werden. Im Jahre 1872 erfolgte eine Zusammenle gung der vorhandenen Industrien in Trzynietz, um der wirtschaftlichen Sei te gerecht zu werden. Der Aufschwung und die Zunahme dieses Wirt schaftszweiges wird durch zwei noch erreichbare Zahlen verdeutlicht: im Jahre 1844 betrug die Jahreserzeugung noch 1700 Tonnen, im Jahre 1892 da gegen schon 55 000 Tonnen an Roheisen. Die Hüttenindustrie des Landes 23
hat alle Fortschritts-Stufen rasch durchlaufen, manche schwere Krise aber auch durchschritten, und ist doch letzten Endes eine reiche Quelle des Volkswohlstandes geworden. Die Kohlenförderung des Gebietes allein um die Ortschaften Schles.Ostrau, Dombrau-Orlau, Michalkowitz, Karwin-Peterswald und Lazy be trug im Jahre 1898 rund 3 Millionen Tonnen. 17 Prozent der Kohle wurde verkokt und ergaben etwa 350 000 Tonnen Koks. Die Betriebsanlagen galten als vorbildlich. Ein weiterer wichtiger Industriezweig war die Erzeugung von Textilien. In unserem Gebiet stellte Bielitz den Großteil der Produktionsstätten. Be günstigt durch seine Lage, indem es vor den Toren zweier gewerbeärmerer Staaten, nämlich Polens und Ungarns, lag, hatte es bald nicht nur wichtige Abnehmer, sondern auch bedeutende Bezugsquellen für Schafwolle in sei ner Nähe. Ein weiterer wertvoller Umstand war seine Lage etwas abseits vom großen Weltgeschehen. Den Dreißigjährigen Krieg zum Beispiel mit all seinen Schrecknissen bekam Bielitz nur am Rande mit und wurde wohl erschüttert, aber doch nicht vernichtet. 1638 nennt ein kaiserliches Zollmandat Bielitz ausdrück lich unter jenen schlesischen Orten, die ein gutes Tuch machen. 1717 be scheinigt der Hauptmann von Schlesien, daß die Produkte „nicht allein im mer Landes vor anderen gesuchet”, sondern auch „an die Ausländer häufig debitieret und verkaufet werden”. (Hoffmann) Der Fleiß, der Unternehmergeist und die strenge Handwerksehrlichkeit sind und waren das Unterpfand für den Erfolg, den diese deutschen Hand werksmeister von Bielitz und Biala errangen, seit sie 1548 das Privileg für das Tuchmachen erhielten. In Bielitz und Biala wurde zeitweise überwiegend Wolle aus Australien und Südamerika verarbeitet. In rohem, ungewaschenem Zustand wurde sie nach Belgien und Holland ausgeführt und dort in großen Wäschereien ge waschen und entldettet. In Verviers und Antwerpen wurden dann die Be stände von Bielitzer Wollhändlern aufgekauft. Halbgewaschene Kap-Wolle kam über London, geringere Mengen aus Rußland. 1871 gab es 21 Wollhändler, die 76000 Wiener Zentner Wolle für 9,29 Millionen Goldgulden einkauften. Es gab 78760 Spindeln, 1570 Hand- und 487 mechanisch betriebene Webstühle. Zu dieser Zeit wurden 158000 Stück (etwa 400000 Meter) mit 24
einem Wert von 13163 Goldgulden jährlich erzeugt 1938 waren es 4,3 Mil lionen und 1945 endlich rund 10 Millionen Meter. Durch die politische Entwicklung oftmals beeinträchtigt, fiel die Frucht der Arbeit nicht immer leicht in den Schoß. 1742, als nach dem Schlesischen Krieg Friedrich der Große auf das Bergland der Beskiden und Sudeten ver zichtete, war erstmals der Zusammenhang zwischen dem Mutterland und unserer Heimat zerrissen. Bielitz blieb bei Österreich. Losgelöst vom übrigen Schlesien, bedeutete die weitere Entwicklung zum Teil tiefgreifen de Umstellung, aber trotz aller Schwierigkeiten setzte sich doch der zähe Handwerksgeist unserer Stadt durch. Das 19. Jahrhundert brachte die Um stellung vom Handwerks- auf den Industriebetrieb, welche aber ihrerseits schon in den siebziger Jahren einen Aufschwung brachte, an dem auch die Nähe des oberschlesischen Steinkohlengebietes ihren Anteil als getreuer Abnehmer der Bielitzer Webereien hatte. Aus Handwerkern sind auch mit der Zeit Unternehmer geworden. Ihre Namen sind weit über die Grenzen der Stadt bekannt geworden. Wie schon an anderer Stelle gesagt, wurde Bielitz die dritte Textilstadt der österr.-ung. Monarchie. Während der polnischen Zeit nahm Bielitz be züglich hochwertiger Qualität den ersten Platz im damaligen Staate ein. Die Schafwollindustrie befaßte sich hauptsächlich mit der Herstellung von Feintuchen, Herren- und Damenkleiderstoffen, Kammgarn, Streich garn und auch Militärtuchen. Sie beschäftigte in der letzten Zeit etwa 8000 Arbeiter. 5000 Arbeiter waren in der Leinen-, Hanf- und Baumwollsparte tätig. Ihre Spezialerzeugnisse waren Segeltuch, Wagen- und Waggonplanen, Wachstuchzeltplanen, Gurte aus Hanf, Jute und Baumwolle. Dieser Zweig war besonders exportintensiv. Weitere 500 Werktätige waren in der Hutund Hutstumpenerzeugung beschäftigt, und neben Färbereien und Unter nehmungen der Appretur trugen besonders die beiden Textilmaschinen fabriken dazu bei, daß der Ruf ihrer Erzeugnisse sich festigte, so daß Bielitz auch später neben Aachen und Cottbus gut bestehen konnte. Bielitz erzeugte auch Papier, eine Zahl von etwa 1440 Jahrestonnen wird um 1900 für die Leistung in Pappe und Papier genannt. In Chybi erzeugte eine Raffinerie um die gleiche Zeit etwa 11000 Jahrestonnen Raffinadezukker, wie überhaupt die Industrialisierung auch im Gebiet TschechowitzAuschwitz Fortschritte machte. Öl- und Eisenverarbeitung, und auch hier in geringen Mengen Kohle. Brzeszcze und Tschechowitz hatten zusammen 25
zuletzt 5 800 Tonnen Tagesförderleistung. Das Kohlengebiet erstreckt sich von Auschwitz im Norden bis Dzieditz im Süden, von der Sola im Osten bis zur Weichsel, und ist im Westen von der Białka begrenzt. Die Schachtan lagen lagen in Brzeszcze, Jawischowitz und Tschechowitz. Bier wurde in Teschen, Bielitz und Saybusch in bester Qualität gebraut, Liköre in Bielitz und auch Biala hergestellt, ebenso wie Seife. In Buczkowitz bei Biala und in Heinzendorf lagen Erzeugungen für Möbel, und in Say busch solche für Parketten, Papiere, Schwefelsäure und Knochenmehl. In Andrichau war die Leinenindustrie zu Hause. Die Bevölkerung der Städte nahm ständig zu und erreicht in der letzten Periode im Zeitraum während des zweiten Weltkrieges etwa folgende Grö ßenordnung: Bielitz 41000, Tschechowitz-Dzieditz 16000, Auschwitz 11000, Kalwaria 10000 und Schwarzwasser 5000 Einwohner. Parallel zu dieser Entwicklung von Industrie und Handel mußte sich nun auch der Verkehr ausweiten. Verhältnismäßig spät nahm er seinen Auf schwung. Die Aufwärtsentwicklung war vor allem duch den Bau der Kaiser-Ferdinands-Nordbahn und deren Inbetriebnahme im Jahre 1855 bis Auschwitz gegeben. Der Beginn der Arbeiten für diese Bahn fällt in das Jahr 1830, als Baron Rothschild aus Wien das Privüeg hierfür erhielt. Diese Bahnlinie verlief von Westen nach Osten durch unser Ländchen. Senkrecht dazu, also von Norden nach Süden, wurde das Teilstück der Bahnlinie Oderberg - Teschen - Sillein in den Jahren 1869 bis 1871 fertiggestellt. Diese beiden Hauptrichtungen, die sich unserem Gebiet kreuzen, folgen den bei den uralten Weltverkehrswegen, einmal über Mähren marchaufwärts zwi schen den Sudeten und Beskiden hindurch, die Weichsel entlang über Auschwitz weiter nach Osten, das andere Mal von Ungarn längs der Waag über den Jablunka-Paß zur Oder und Weichsel der Oder zu. Diesen alten Weg sind schon die Bernsteinhändler gegangen, um ihre Ware nach dem Süden zu bringen, die anderen, um vielleicht Wein und an dere Produkte des Südens in den Norden zu schaffen. Auch eine weitere Achse des Handels streifte unser Gebiet: von Prag durch Böhmen führte sie gegen Krakau und kam hier mit der im Mittelalter sehr begangenen „Ho hen Straße”, die durch Schlesien, die Oder entlang, hierher führte. Die spä ter angelegten Eisenbahnlinien folgten im wesentlichen auch diesen ge nannten historischen Wegen. Die letzten Verbindungen vom Bielitzer Land aus waren die Strecken nach Saybusch und Bielitz-Kalwaria, die 1888 in Betrieb kamen. 26
Von den Straßen ist zu nennen vor allem die seinerzeit einzige Verbin dung nach Osten, die Straße von Schlesien über Bielitz-Biala und Wadowitz - Krakau, das damals noch nicht zu Österreich gehörte, umgehend - und weiter nach Lemberg führend. Eine zweite Straße, die „Karpaten-Straße”, verlief von Biala aus, quer über die Karpatenausläufer hinweg, über Saybusch-Neusandez nach Osten. Die senkrecht dazu verlaufenden Straßen Saybusch-Pleß und Teschen-Jablunkapaß waren ebenfalls geschichtliche Wege, die letzten Endes auch zu Vorläufern von späteren Bahnlinien wurden. Sie waren aber in ihrer Entstehung stark dadurch behindert, daß sowohl die in den Bergen verlaufende schlesisch-ungarische Grenze bis 1850, als auch die längs der Weichsel verlaufende österreichisch-preußische Grenze bis 1919 harte Zollgrenzen waren. In dem schmalen Streifen zwischen bei den wurde durch Jahrhunderte hindurch der Verkehr vom Herzen der Do naumonarchie aus nach Galizien und dem Buchenland abgewickelt. Die ganze Entwicklung der Verkehrseinrichtungen und Verbindungs wege ist aber diktiert von der Nützlichkeit und der Notwendigkeit des Aus tausches der Produkte und Bodenschätze unseres Gebietes untereinander oder des Transportes von Industrie- und Handelsgütern durch das südöst lichste Schlesien in andere Teile Europas. Salz aus dem Krakauer, Kohle und Erz aus dem Kattowitzer beziehungsweise Mährisch-Ostrauer oder oberungarischen Raum und Holz aus den Bergen waren am Ende aber doch die zwingenden Elemente, für ihre weitere Verwendung immer bessere und weniger schwierig zu bewältigende Wege des Austausches zu schaffen. Es ist ein unvorstellbar langer Weg von den ersten Spuren menschlichen Le bens bis zu jenen Tagen und zu jener Entwicklung unseres Gebietes, die ich eben darstellte.
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BEVOR DIE DEUTSCHEN GERUFEN WURDEN! Frühzeit, Wanderungen, Magyarensturm zum Lechfeld, Polen entsteht. Neue Bistümer, Wirren und Rivalitäten beginnen. Friede von Bautzen, Krakau wird böhmisch, Schlesiens Geschichte beginnt. Ohnmächtiges Schlesien, Krakau kurze Zeit bei Schlesien. Mongolensturm, Liegnitz. - Geschehnisse rund um unser Land.
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Frühzeit, Wanderungen
Die älteren Bewohner Europas waren noch Zeitgenossen der großen Eis zeit. Diese gewaltige geologische Epoche bleibt in unserem Gebiet noch sehr lange wirksam. Ungemessene Zeiträume verrinnen noch, bevor der Mensch auch hier erscheint und dauernd Fuß faßt. Schlesiens Ebenen ver schwanden noch lange unter der Eisdecke, die am weitesten vorgeschobe nen Gletscherzungen drangen auch in die Täler der Gebirge ein, und die höchsten Höhen trugen ihren eigenen Firn- und Eismantel. Ein solches Land konnte noch lange keinen Raum für dauernde Besiedlung bieten. Schweiften aber damals schon Jäger mit armseligen Stein- oder Bein waffen durch die Ebenen Mährens oder Böhmens, so fanden sie dort sicher lich ausreichende Jagdgründe für ihren Lebensunterhalt. Verirrte sich einer aber vielleicht einmal in den Pässen und Sätteln beim Streifzug durchs Ge birge nach Norden, so wendete er sich mit Grauen vom Rande der großen Eiswüste bald wieder wirtlicheren südwärts gelegenen Gefilden zu. Erst als die gewaltige Eisdecke allmählich an Mächtigkeit verlor, ein Streifen schlesischen Landes nach dem anderen frei wurde, und der erste Anflug von Keimen die Grundlage für einen zunächst noch dürftigen Pflan zenwuchs lieferte, begann die Einwanderung erster Lebewesen. Nur das jetzige Teschener und auch Teile des Troppauer Gebietes waren von diesem, jedes Leben vernichtende, Kältekissen verschont geblieben. Als erstes fanden sich vorgeschichtliche Tiere ein. Vereinzelt verirrten sie sich hierher, aber Belege für die Anwesenheit von Menschen etwa zur glei chen Frühzeit, wie dies in Nordböhmen, Bayern, Belgien und Frankreich nachgewiesen wurde, sind hier nicht vorhanden. Sobald eine dichtere Gras narbe entstand, konnten neben dem Moschusochsen später auch das 28
Mammut, der Büffel und letztlich das wilde Pferd, das Rentier und der Hirsch ihr Dasein fristen (Partsch, Kulka, Makowski). Mit ihnen kamen auch ihre Verfolger. Nach dem Bären kam auch der Mensch. Es sind nur wenige Funde bekannt, die Aussagen über ein menschliches Leben in unserem Gebiet machen. Der bei Karnitz gefunde ne herzförmige Lochhammer sagt wohl nur aus, daß seine Besitzer Jäger waren, ein Feuerstein von gelbbrauner Farbe, nordwestlich des Bielitzer Bahnhofs gefunden, könnte Bauern als seine Eigentümer vermuten lassen, und Funde bei Grodzietz lassen auf in der Bronzezeit hier ansässige Träger der Lausitzer Urnenfelderkultur schließen (Weigth). In unserem Gebiet sind also erste Spuren von menschlichem Leben aus einer Zeit vorhanden, die in das zweite und erste Jahrtausend vor der Zeit wende hinweisen. Sie sind in ihrer Aussagekraft zu gering, um Genaues daraus abzuleiten. War schon die jüngere Steinzeit vielleicht angetan, manches Hilfsmittel aus der Feme heranzuziehen, so ist der fortschrittliche Gebrauch der Metal le für Schlesiens vorgeschichtliche Bewohner sicherlich ein Geschenk des Verkehrs mit rascher entwickelten südlichen Ländern. Dieses Sich-Fortentwickeln ist zeitlich nicht voneinander zu trennen. Langsam, sehr langsam gewannen die eindringenden Einwirkungen an Raum, und die Übergänge der einzelnen Perioden und Stufen überschnitten und erstreckten sich über lange Zeiträume. Dem Werkzeug aus Stein trat erstmals ein solches aus Metall, und zwar eines aus Kupfer, zur Seite, hat aber doch nicht recht befriedigt, und erst sei ne Verschmelzung mit 5 bis 10 Prozent Zinn befähigte das Kupfer, als Bron ze eine wirklich kulturfördernde Macht zu werden. Und wiedemm mit allmählichem Übergang verbindet diese Periode mit den Anfängen einer beginnenden Eisengewinnung und letzten Endes mit einer voll entwickelten Eisenzeit, die in Mitteleuropa etwa um 650 vor Chri stus beginnt und bis zum Auftreten der Römer in Deutschland reichend angenommen werden kann. Wer diese Zeilen zur Unterhaltung liest, wird sicherlich auch ein treuer Begleiter durch jene Zeit sein, die unser Gebiet nicht unbedingt berührt, aber in ihrer Auswirkung zumindest nicht spurlos an ihm vorübergegangen ist. In den Jahrhunderten vor der Zeitwende werden Vandalen im Weich selland und später stromaufwärts auch in Schlesien gemeldet. Die Cim29
bern, durch Sturmfluten aus Jütland vertrieben, ziehen nach Süden, und mit den Teutonen zusammen erreichen sie Italien. Germanen verdrängen die Kelten aus Mitteleuropa. Die keltischen Bojer wandern aus Böhmen nach Gallien sowie auch nach Ungarn ein, und Markomannen ziehen von Mähren aus 5 Jahrhunderte lang nach Böhmen. Und als das römische Welt reich mit Deutschland in Berührung kommt, und als die Donau seine Nord grenze wird, waren es von da nur sechs Tagesreisen bis nach Schlesien. Als römische Legionen in harten Kämpfen die Markomannen in Böhmen und die Quaden in Mähren bekriegen, schien es eine Zeitlang, als sollte das mächtige Waldgebirge im Norden zum Grenzwall ihres Reiches werden. Von Norden kommend, siedeln sich vandalische Stämme der Silinger, die ursprünglich aus Skandinavien stammen und von welchen unser Land sicher den Namen erhielt, in Schlesien und in den Karpaten an. Auch sollen am Ursprung der Weichsel ostgermanische Burer gewohnt haben. All diese Bewegungen und Kämpfe germanischer Stämme erhellen die enge Ver knüpfung der Bewohner Schlesiens mit ihnen. Eine weitere Periode ist durch das Ab wandern der im Odergebiet sie delnden Ostgermanen gekennzeichnet, die nach Süden und Westen ziehen, und deren verlassene Räume langsam von Slawen eingenommen werden. Die Wanderung der Germanen, die sich über mehrere Jahrhunderte er streckte (4.-6. Jh.), leitete nicht zuletzt den Untergang des Römischen Rei ches ein und schuf die Grundlagen für die spätere Bildung unserer abend ländischen Staaten. Nach Beendigung ihrer Wanderung haben die Germa nen aber fraglos eine unangefochtene Vormachtstellung in Europa erreicht. Aber noch fließen die Ereignisse ineinander über, überschneiden sich die Wellen, die über Europa hinwegrollen. Die beginnende Bewegung der ostgermanischen Goten scheint aber nicht ohne Ursache zu sein. Aus dem tiefen Osten bricht ein unbekannter Volksstamm, die Hunnen, hervor, überrennt das südrussische Reich der Ostgoten, erscheint in der un garischen Tiefebene, dann in Schlesien, erreicht auch den Rhein und wird erst in Gallien zurückgeschlagen. Im Süden dringen die Hunnen im östli chen Oberitalien ein. Vor ihnen flüchtet die Festlandsbevölkerung auf die vorgelagerten Lagunen. So soll die Gründung Venedigs eingeleitet worden sein. Aus ihrer Urheimat zwischen Dnjepr, Dnjestr und Bug setzen sich slawi sche Völker in westlicher Richtung in Bewegung und sickern langsam in die von den Germanen verlassenen Gebiete ein. Polanen lassen sich zwischen 30
Oder, Warthe und Netze nieder; sie sind als erste an der polnischen Staaten gründung durch das Geschlecht der Piasten, etwa ab dem 9. Jahrhundert, beteiligt. Am Oberlauf der Weichsel erscheinen Wislanen, und in Ober schlesien werden Opolanen gemeldet. Tschechen besiedeln im 7. Jahrhun dert Böhmen, und die Slowaken das uns im Süden benachbarte Gebiet der Slowakei, das ab dem 10. Jahrhundert unter ungarischer Herrschaft steht. Nach polnischen Chronisten soll Krakau, das nur 80 Kilometer von unserem Heimatgebiet entfernt liegt, durch den „Herzog von Groß- und Weißchrobatien Krakus” gegründet worden sein. Man vermutet diese Gründung etwa um 700 n. Chr. Im gleichen Jahrhundert entstehen im Westen Deutschlands die Bistümer Salzburg, Passau, Regensburg und Würzburg. Klöster entstehen in Fulda, Ottobeuren, Innichen und Krems münster, während die Slawen bis zur Elbe und Saale Vordringen. Dieser Periode schreibt man auch das Entstehen des „Heidenwalles” in Alt-Bielitz zu, den man lange Zeit für vorgeschichtlich hielt (Kulka, Makowski). Im 8. Jahrhundert und später in karolingischer Zeit hebt ein nach Osten gerichtetes Streben an. Karl I., der Große, wird einer der mächtigsten Herrscher der Geschichte (768-814). Er unterwirft die Sachsen in langen Feldzügen, und in der Fol ge entstehen die fränkische Mark gegen die Tschechen, die Ostmark zwi schen Wienerwald und Enns. Seine Feldzüge führen ihn bis zur Elbe und zur Saale. Als der Kaiser 72jährig 814 stirbt, hinterläßt er seinem einzigen Sohn Ludwig ein mächtiges, wenn auch noch nicht zu einer unauflöslichen Einheit verschmolzenes Reich. Mit seinem Namen verbinden sich jeden falls abendländische Europaideen bis in unsere Zeit. Auch die Einführung des Christentums macht in Richtung Osten Fort schritte. 14 böhmische Adelige erhalten am 7.1.824 am Hoflager König Lud wigs in Regensburg die Taufe. NachMerian soll die Annahme des Christen tums in Schlesien in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts anzusetzen sein. Um die gleiche Zeit waren deutsche Missionare in Mähren tätig, die dann durch das Erscheinen von Cyrill und Mathodius überflüssig wurden (863). Die Gebiete wie Böhmen, Mähren, Schlesien, Galizien und die Slowakei gehörten damals noch zum Erzbistum Mainz. Eine gewaltige Auf gabe oblag zu jener Zeit dem regierenden Kirchenfürsten und dem Beauf tragten dieses Kirchenamtes. Erst um das Jahr 1000 änderten sich die Gren zen seines Aufgabengebietes. Wie eine Episode erscheint im Süden unseres Gebietes das Aufblühen 31
und Wiedervergehen des sogenannten Großmährischen Reiches, das sich auch Schlesien und das Krakauer Land einverleibt und den deutschen Kai sern keine Zeit läßt, den Osten aus dem Auge zu lassen. Swatopluk wird Kö nig, und versteht es sogar, sich vom Reich unabhängig zu machen (870). Doch als wenige Jahre später ein neuer Sturm aus dem Osten hervorbricht, beginnt der Stern dieses Reiches zu sinken. Es sind die Magyaren, die aus ihren Wohngebieten zwischen Pruth und Sereth aufbrechen und sich in die Ebenen an Theiß und Donau ergießen. Ihnen kann das mährische Reich nicht mehr standhalten. Über seine Trümmer dringen sie bis nach Oberita lien und gegen die Traun. Eine nordwestlich ziehende Gruppe erreicht Sachsen.
Lechfeld, Polen entsteht. Neue Bistümer. Wirren und Rivalitäten beginnen.
Im Todesjahr des letzten Ostkarolingers Ludwig des Kindes (900-911) seufzt auch die Eifel unter ihren Scharen, die um 919 wiederkehren. Etwa 35 Jahre später erscheinen sie in Bayern, dem Schwarzwald, und belagern Augsburg. Kaiser Otto I. zieht ihnen entgegen und kann sie am Lechfeld endgültig schlagen (955). Mitteleuropa ist von einer großen Sorge befreit. Die Ungarn müssen sich zur Seßhaftigkeit entschließen, bleiben aber ein wichtiger Nachbar und Mitspieler in fast allen deutsch-slawischen Auseinanderset zungen. Der Böhmenherzog Bolesław, der mit Otto am Lechfeld siegte, er kennt die Oberhoheit des Deutschen Reiches an und vereinigt Böhmen mit Mähren. Dieser Bolesław II. von Böhmen erweitert aber sein Herrschaftsge biet in Richtung unserer Heimat. Er besetzt Schlesien und das Krakauer Land. Bis zu Beginn des 10. Jahrhunderts ist der Name unseres Schlesiens nur ganz selten in Urkunden genannt worden. Auch von der Existenz eines pol nischen Staatsgebildes ist noch kaum etwas berichtet worden. Europa, da mals mit Schwerpunkt im Westen, machte bis dahin allein Geschichte. Um aber die Geschichte von Schlesien und insbesondere die Geschich te unseres südlichsten Zipfels zu verstehen, muß der gewaltige Einfluß be tont herausgestellt werden, den seine geographische Lage ausübte. Seine Lage am östlichen Rande des Kraftfeldes, welches das Römische Reich aus strahlt, und Böhmens auf der einen Seite, und einem Staatswesen, von des sen Existenz erst jetzt etwas bekannt wird, erst jetzt im 10. Jahrhundert erste Nachrichten vorliegen, geben Schlesiens Geschichte ein besonderes Geprä 32
ge. Dieses neu aufscheinende Staatsgebilde ist ein slawisches, dessen erster historischer Herrscher aus dem Fürstengeschlecht der Piasten stammt und der sein Land um seinen Hauptsitz Posen schart. Die Polen nennen ihn Mieschko. Während seiner Regierungszeit (960-992) erweitert er seine Macht über alle Stämme, die damals zwischen der Oder und dem Reich der Waräger wohnten, jenes normannischen Stammes, der später zum Gründer Rußlands wurde und zwischen Nowgorod und Kiew siedelt Schlesien und das Krakauer Land gehörten jedoch nicht dazu. Sie befanden sich unter böhmischer Oberhoheit. Im Jahre 963 unternimmt der Träger der Ostpolitik Kaiser Ottos I. des Großen, Markgraf Gero, einen Feldzug über die mittlere Oder in das Ge biet der Warthe, das im Bereich des polnischen Herzogs Mieschko I. lag. Mieschko unterwirft sich Kaiser Otto, entrichtet Abgaben für einen Teil sei nes Gebietes und läßt sich bereits 965 in Gnesen taufen. Damit tritt erstmals der polnische Staat in die europäische Geschichte ein. Er wird für die Zukunft unseres Landes zum dauernden Nachbarn im Osten. Eingelagert zwischen den mächtigen Staaten Deutschland, Böhmen, Ungarn und Polen, hat es das schlesische Land nicht leicht, als selbständiges Gebilde seine eigene Geschichte zu machen. Je nach den Machtverhältnis sen wird es in den ersten Jahrhunderten seiner Existenz, wenn auch nur vorübergehend, von den einzelnen Staaten verwaltet. Trotz seines Christentums ist Mieschko aber nicht sicher vor Angriffen des Böhmenherzogs Bolesław II. (967-999). Mieschko ist gezwungen, sich an das Römische Reich anzulehnen und der deutschen Mission sein Land zu öffnen. 968 stiftet er ein Bistum in Posen, das dem Erzbistum Magdeburg unterstand. Es eröffnete sich hiermit für Magdeburg ein weites Tätigkeits feld auf dem Gebiet der Mission heidnischer Slawenstämme. Das Verhält nis zwischen dem Kaiser und Mieschko ist gut. Mieschkos Sohn Bolesław wird zum Hoftag Ottos I. des Großen entsandt und leistet dem Kaiser auch Kriegsdienste. Zur damaligen Zeit nahm das Römische Reich die höchste Gewalt der Welt, die oberste Vogtei der abendländischen Kirche, in Anspruch. Kaiser Otto I. verwebt 962 das Bischofsamt und den Stand des Adels zu einer wirk samen Einheit und macht die Dienste des gebildeten Adels und das Amt des Bischofs gleichermaßen für Kirche und Staat nutzbar. Die Entwicklung wird aber durch Mieschko in andere Bahnen gelenkt. In einem Vertrag mit dem Papst unterstellt er die neue polnische Kirche un 33
mittelbar dem Heiligen Stuhl, das Land wird zum Patrimonium Petri (Carl). Seit dem Einzug der Slawen in dieses Gebiet sind bis zum Stand der geschil derten Entwicklung runde 400 Jahre verstrichen, und es ist nicht nur für Po len, sondern für das ganze östliche Mitteleuropa von Bedeutung, daß das Christentum von den Polen in römisch-katholischer Form angenommen wurde. Polen gliederte sich damit in die Reihe der westlich orientierten Na tionen ein. Würden die Polen sich der griechisch-orthodoxen Kirche ange schlossen haben, verliefe die Grenze zwischen diesen beiden Kirchen wohl sicherlich nicht wie heute im ostgalizischen Raum, sondern wenige Kilome ter vor den Toren von Bielitz-Biala. Und eben in dieser Zeit stoßen die lateinische und die byzantinische Kultur auch erstmals zusammen. Der Großfürst von Kiew, Wladimir, rich tet seine Vorstöße gegen Ostgalizien, und die Burgen Przemyśl und Czer wień gehen den Polen verloren. In der Folge wechseln Kämpfe und fried liches Nebeneinander ab. Die Scheidelinien der nordwestlichen und der südöstlichen slawischen Strömungen untereinander liegen aber seither im galizischen Ostraum. Im Zusammenleben mit den Deutschen wird es auch wieder unruhiger. Gemeinsam mit dem Herzog von Bayern, Heinrich, finden wir Mieschko unter den Aufständischen gegen Kaiser Otto II. (974-983), der noch ein jun ges Regiment führt. Ein Aufstand der Elbslawen wird ebenfalls verzeichnet. Es ist eine besondere Fügung, daß auch diese Ereignisse weitab von unse ren Gebieten liegen. Wie Schlesien zwischen den Deutschen und den Polen liegt, so ist Polen wiederum von Anbeginn seiner staatlichen Existenz zwischen dem deutsch-schlesischen Raum und Rußland gelegen. Ein Zustand, der beson ders die Polen nie glücklich werden ließ. Ein kurzer Blick auf die Geschehnisse in der Entwicklung der katholi schen Kirche sei noch eingeschaltet: Das neugeschaffene Bistum Posen untersteht dem Erzbistum Magde burg. 975 gründet Kaiser Otto II. das Bistum Prag, welches er dem Erzbis tum Mainz unterordnet. Von diesem Gebiet, das immer zu Regensburg ge hörte, bleibt nun nur das Egerland bayrisch. Im Jahr 992 folgt nach dem Tod Mieschkos I. von Polen sein Sohn Boleslaus I. mit dem Beinamen „Chro bry” (der Tapfere). Nach Ansicht der Chronisten ist er der größte Fürst, den Polen je besessen hat. Er setzt die Arbeit seines Vaters klug fort. Ihm ver dankt Polen die Gründung des Erzbistums Gnesen, welchem die Bistümer 34
Kolberg, Krakau und Breslau zugeordnet werden. Zu Breslau gehört auch das Teschener Land mit Bielitz. Gnesen untersteht jedoch nicht mehr Mag deburg. Ein Jahr später, 1001, geschieht ähnliches im ungarischen Raum, indem ein neues Erzbistum in Gran geschaffen wird. War im Falle Gnesen Magdeburg nun von seinen Ostaufgaben abge schnürt, ist im Falle Gran Passau eines Teiles seiner, und zwar jener nach Osten gerichteten Tätigkeit beraubt. Gnesen wird außerdem neue polnische Krönungsstadt und bleibt es, bis ihm im Jahre 1370 Krakau diese Rolle abnimmt. Der Ostraum ist also von jetzt ab kirchlich von den deutschen Erzbistü mern unabhängig gemacht worden und nur noch Rom selbst unterstellt. Der Einfluß der deutschen Kaiser ist nicht mehr wirksam. Zu dieser Zeit regiert Kaiser Otto III. Unter dem Einfluß italienischer Reformer sucht der Kaiser Eintracht zwischen den Kaisern und dem Papst zu stiften und will dem Christentum als „Knecht der Apostel” gerade den Weg zu den jungen Völkern des Ostens ebnen. Er fördert die Mission, und im gleichen Sinne liegt auch sein Besuch des Grabes Adalbert von Prags in Gnesen, bei welcher Gelegenheit er die Ge nehmigung zur Gründung des Erzbistums Gnesen gibt und Boleslaus Chrobry zum „Freund des Kaisers” erhöht. Der Herrscher von Ungarn, Stephan, erhält den Königstitel und Gran wird Ungarns höchster kirchlicher und von deutschen Erzbistümern unab hängiger Sitz. Otto erscheint der lockere Anschluß an das geistige Imperium in Rom für Polen und Ungarn weniger verletzend als die Unterordnung unter deut sche Interessen. Gerade die Beibehaltung des bisherigen Zustandes scheint an den Widerständen im Inneren gescheitert zu sein. Das Geschehene zu revidieren, war der bereits erkrankte Kaiser nicht mehr in der Lage. Von da an blieb die kirchliche Unabhängigkeit bis heute sowohl für Polen als auch für Ungarn erhalten. In den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts gibt es harte Kämpfe zwi schen dem Kaiser und Boleslaus Chrobry. Der Herzog hat ein kräftiges Staatswesen entwickelt, das sich ganz ähnlich wie in Deutschland der Un terstützung der Kirche erfreut (Valentin). Die Wirren und Rivalitäten um den deutschen Thron ausnutzend, dringt Boleslaus bis Meißen vor, und auch Kämpfe bei Müglen in Sachsen werden verzeichnet, ohne daß ihn Kaiser Heinrich II. (1002-1024) so recht 35
zurückwerfen kann. Er vertreibt den böhmischen Herzog aus Böhmen, Mähren, Schlesien und der Lausitz, es entsteht ein Reich von der Ostsee bis an die Karpaten und von der Weichsel bis an den Böhmerwald. Damit wechselt auch unser Gebiet wieder einmal seinen Herrn. Es gelingt 1004 Kaiser Heinrich II. wohl, dem polnischen Herzog Böh men wieder abzunehmen, er kann aber erst nach Hilfeleistung von Ungarn, wo seine Schwester Königin ist, einen dauerhaften Frieden erreichen (Baut zen 1018). Bei diesen Kämpfen berichtet die Chronik das Vordringen des deut schen Königs zeitweise bis Crossen, Glogau und Posen. In dieser Zeit wur de auch die Grenzfestung Lebusa gegründet. Boleslaus, so berichtet die Überlieferung, soll seinerseits bis zur Saale und Elbe vorgerückt sein.
Friede von Bautzen, Krakau wird böhmisch, Schlesiens Geschichte beginnt.
Durch den Frieden von Bautzen verliert Polen zwar Böhmen als Landesteil wieder, die Lausitz bleibt aber als deutsches Lehen noch bei Boleslaus. In aufflammenden Kämpfen mit dem Großfürsten von Kiew kann Boleslaus erfolgreich bleiben und als Sieger in Kiew einziehen. Nach König Heinrichs II. Tod läßt Boleslaus sich mit Einwilligung des Papstes zum König krönen, stirbt aber kurz darauf. Nach seinem Vorbild haben die späteren Herrscher von Polen für ein großpolnisches Staatswesen gekämpft, dessen Grenzen wieder jene des da maligen Reiches werden sollten. Selbst die heutigen Gewaltigen Polens berufen sich auf ihren ersten Kö nig, wenn es darum geht, den Anspruch auf die deutschen Ostgebiete nach zuweisen. Außer von der Kirche hat aber Polen selten Unterstützung von außen her in dieser Richtung erhalten (Carl). Bald nach Boleslaus’ Tod jedoch beginnt der Verfall. Schon Mieschko II. verliert Pommern an die Dänen, Mähren an die Un garn und die Lausitz an das Deutsche Reich. Kiew fällt den Russen zu. Grätz bei Troppau wird Grenzburg gegen die Polen. Auf ihr sitzt ein Markgraf. In Merseburg zwingt Kaiser Konrad II. (1024-1039) den Polenherzog zur Aufgabe der Lausitz, zur Anerkennung der deutschen Lehensherrschaft 36
und zum Verzicht auf den Königstitel (1033). Mieschko II. fällt einem Mord zum Opfer (1034). Durch einen Einfall des Böhmenherzogs Bretislaw nach Polen wird die Lage noch mehr verschlimmert. Er erobert Krakau, zusammen mit unse rem Teschen-Bielitzer Gebiet, nimmt Schlesien in Besitz, erreicht Posen und Gnesen und bringt die Gebeine Adalberts zurück nach Prag. Erst Kai ser Heinrich III. kann wieder ordnen. Die polnischen Eroberungen müssen herausgegeben werden, Böhmen wird deutsches Lehen. Unser Land behält der Böhmenherzog jedoch noch, auch Ungarn wird dem Kaiser wieder le henspflichtig. 1054 greift der Kaiser nun in die innerpolnischen Verhältnis se ein und stellt die Herrschaft Herzog Kasimirs, der Mieschko II. 1034 gefolgt war, sicher. Groß- und Kleinpolen mit Krakau und Schlesien werden tributpflichtige Reichslehen. Wie sein Vater verzichtet auch er auf den Kö nigstitel. Um die Mitte des 11. Jahrhunderts verschiebt sich langsam das Schwer gewicht des polnischen Staatswesens von Großpolen südwärts an die mitt lere und obere Weichsel nach Kleinpolen bis an die Karpaten. Krakau, nur 72 km östlich von Bielitz gelegen, wird für mehrere Jahrhunderte „das Rom Polens, Träger der westlichen Kultur, Träger der historischen Tatsachen Po lens”. Bereits 1076 läßt sich im Einvernehmen mit dem Papst der älteste Sohn und Nachfolger Herzog Kasimirs, Boleslaus der Kühne, in Krakau krönen (1058-1079). Deutschland wird inzwischen von schweren Wirren erfaßt, und seine Kaiser in den bis 1122 andauernden Investiturstreit verwikkelt, in jenen Streit, der um die Befugnis des Kaisers ging, Bischöfe und Äbte einsetzen zu können. Boleslaus der Kühne, diese Wirrnisse ausnutzend, schüttelt die deut sche Lehensherrschaft ab. Er unternimmt auch einen Feldzug nach Kiew. Nach Rückkehr gerät er in einen Aufstand und muß sein Land verlassen. Er geht nach Ungarn und soll in Kärnten gestorben sein. Einer neuzeitlichen Sage zufolge soll der Polenkönig hier im Kloster Ossiach als stummer Büßer gelebt haben. In Polen folgt ihm sein jüngerer Bruder Wladislaw I. Hermann (1079— 1102). Streit und Aufstände zwingen ihn, sein Land zu teilen. Unter seinen Söhnen entbrennen Zwistigkeiten. Der jüngere Bruder Boleslaus (später Boleslaus III. Schiefmund) wird Sieger, Zbigniew flieht nach Deutschland. Kaiser Heinrich V. kann aber seinen in Ungarn und Polen verlorenge gangenen Einfluß noch nicht wiedergewinnen, seine Hilfe für Zbigniew 37
bleibt daher wirkungslos und wird abgeschlagen. In diesen Kämpfen zieht Kaiser Heinrich V. nach Schlesien, belagert Glogau und Beuthen, gelangt noch bis vor Krakau, muß aber unverrichteter Dinge zurückkehren. Die deutsche Schwäche ist eben noch nicht überwunden. Dies ist erst unter Kaiser Lothar der Fall. Aus seiner Hand nimmt Boleslaus III. Schiefmund in Merseburg 1135 sein Land als Lehen entgegen. Wladislaus II., sein älterer Sohn, wird Herzog von Schlesien, ihm wird auch Krakau zugesprochen. Seine Frau Agnes ist die Tochter Herzog Leopolds von Österreich. In seinem Land aber verhaßt, flüchtet er nach Deutschland und soll in Altenburg gelebt haben. Sein Bruder Boleslaus IV. wird Herrscher (1138-1173). Schlesien muß er als unabhängiges Herzogtum anerkennen, das sich im Besitz der älteren Linie der Piasten befindet. Die ersten Schritte zu einer endgültigen Entfremdung Schlesiens von Polen waren damit eingeleitet. In den ersten Jahren des 12. Jahrhunderts muß wohl auch die erste An siedlung in Bielitz geschehen sein. Als Baujahr der Altbielitzer Kirche ist 1135 auf einer Tafel über ihrer Eingangstür vermerkt. Schlesien umfaßt das ganze Land, das praktisch identisch mit dem Bistum Breslau ist, einschließ lich des Teschener und des Bielitzer Gebietes. 1151 wird Teschen erstmals als Kastellanei genannt, 1183 Leobschütz und 1151 Troppau. Die Teschener Kastellanei umfaßt das Teschener Land ein schließlich Bielitz, den Kreis Rybnik und den Südzipfel des Kreises Pleß. Im Jahre 1152 besteigt nun jener Kaiser den deutschen Thron, der wohl am volkstümlichsten wurde. Es ist Friedrich I. Barbarossa. Erstaunlich schnell gelang es ihm, Friede und Ordnung in Deutschland und Mitteleuro pa wiederherzustellen. 1158 wird Herzog Wratislaus von Böhmen zum Kö nig erhoben und auch innenpolitisch wird mancher kluge Schachzug durch geführt. Die Lehenshoheit gegenüber Dänemark und Ungarn wird von neuem in Anspruch genommen, und die Stellung des Königshauses gegen Westen und Südwesten gesichert. Intensiver als seine Vorgänger nimmt sich auch Friedrich Barbarossa der Ansprüche des Reiches gegenüber dem Osten an. Aus Italien zurückgekehrt, zieht er von Halle aus gegen Polen, nachdem er die polnischen Herzoge vergeblich vorgeladen hatte. Über die Oder ge langt er bis vor die Burgen Beuthen und Glogau und in die Umgegend von Posen. Der Böhmenherzog vermittelt zwischen dem Polenherzog und dem Kaiser. Boleslaus erscheint in Kraschwitz vor dem Kaiser, und 1163 belehnt 38
dieser die drei Söhne des vertriebenen Wladislaus, der ein Jahr zuvor starb, mit Schlesien. Die Oberlausitz gibt Friedrich I. an Böhmen, und auch Pom mern geht an Polen verloren. Boleslaus erkennt des Kaisers Oberhoheit über Polen an. Schlesien bleibt formalrechtlich noch ein Teil Polens, ist aber unabhängig unter seinen eigenen Piastenfürsten. Der kaiserliche Lehensherr tut viel, um dem Land und dem Bistum ein Eigenleben zu geben. Schlesien ist unter den Söhnen Wladislaus’ ab jetzt ein geschlossenes Gebiet, dessen Hauptglieder Oberschlesien mit Oppeln, Mittelschlesien mit Breslau und Niederschlesien mit Glogau sind. Sohn Boleslaus erhält Oppeln, Breslau und Glogau, Sohn Mieczyslaus erhält die Herzogtümer Ratibor und Teschen, der dritte Sohn, Konrad, geht leer aus, wird Geistlicher und später Bischof von Bamberg. Durch ver wandtschaftliche Bindungen besteht Zuneigung dieser Fürsten zum Deutschtum, das nun auch Eingang nach Schlesien findet. Schlesien wird zum aufnahmefähigen Siedlungsland für tausende deutsche Auswanderer. Unter beiden Fürsten sind die Deutschen gern gesehen. Das südliche Land Mieschkos von Ratibor und Teschen erstreckt sich von Ratibor bis zur Białka und dem Beskidenkamm, und Bielitz ist darin der südöstlichste Grenzort. Östlich dehnt sich sein Gebiet weiter bis an die Skawa und die Skawinka aus. Später wird Mieschko auch Herr von Oppeln. Sein Land wird ab 1202 zum Herzogtum Oppeln gehören. Kirchlich gehört fast ganz Schlesien zum Bistum Breslau. Troppau, Glatz und Jägerndorf gehören zu Olmütz. Pleß, Beuthen, Auschwitz, Zator und Siewierz dagegen zum Bistum Krakau. Von nun an hat Schlesien eigentlich seine eigene Geschichte. Es ist die Geschichte eines nicht allzu kräftigen Gebildes, das gleich zu Anfang von zwei Herzogen regiert wird, später aber, in immer mehr Teile aufgesplittert wurde, so daß kaum 150 Jahre später achtzehn einzelne Fürstentümer unter eigenen Herren vorhanden waren.
Ohnmächtiges Schlesien, Mongolensturm, Liegnitz, Besiedlung des schlesischen Südens, Krakau kurz bei Schlesien.
Diese Fürstentümer, ohnehin schon ohnmächtig, wurden durch fast unaus gesetzte Uneinigkeit und Fehden untereinander noch kraftloser. Schlesien hat daher niemals selbständig in die Weltgeschehnisse eingegriffen oder auf diese, seiner Größe entsprechend, einwirken können. 39
Trotz seiner unabhängigen Sonderstellung ist unser Land aber in sei nem Werden eng mit jenen Ereignissen verknüpft, die sich westlich und auch östlich Schlesiens ereignen. In den polnischen Herzogtümern werden nach Erbteilungen eigene Wege gegangen und örtliche Interessen verfolgt. Die Lehensherrschaft Polens über Pommern ging schon 1157 bei einem Feldzug Barbarossas verloren. Unabhängig von Polen regiert dort Fürst Subislaw, er gründet 1170 das Kloster Oliva und besetzt die Burg Danzig. So ist der Herrschaftsbereich des Krakauer Fürsten stark eingeschränkt. 1163 folgt dann die Loslösung von Schlesien, und Herzog Boleslaus IV. huldigt dem Kaiser. Kaiser Barbarossa folgt in Deutschland Heinrich VI., der im Süden sehr aktiv ist; ihm huldigt Herzog Kasimir der Gerechte 1184 in der Nähe von Halle. Nach seinem Tod folgt die durch innere Kämpfe gekennzeichnete Periode, die Zeit der Schwäche, der Gegensätze und der Bürgerkriege wäh rend der Regierung zweier Könige, Philipps von Schwaben und Ottos IV. von Braunschweig. Auf dem Papstthron sitzt Innozenz III., von der Geschichtsschreibung als größter Staatsmann aller Zeiten dargestellt. Ihm unterstellt der polni sche Herzog Leszek der Weiße erneut sein Land und erwirbt wertvolle Un terstützung von seiten der Kirche. Polen tritt in dem bestehenden Kampf der Stauferkaiser mit dem Papst auf die Seite des Heiligen Stuhles und er klärt seine Unabhängigkeit von der kaiserlichen Oberherrschaft. Im Norden ruft Konrad, Herzog von Masowien, den Deutschen Ritter orden zum Schutze gegen die heidnischen Pruzzen ins Land, ihm wird das Gebiet des Kulmer Landes zugewiesen. Den Anspruch auf die Krakauer Herrschaft hatte Konrad inzwischen aufgeben müssen, sie war dem schlesischen Herzog Heinrich I. dem Bärti gen zugefallen. Die unter gefährlichen Kämpfen mit Konrad erreichte Hegemonie un ter den Piasten ermöglichte es, daß Schlesien für das Deutschtum gewon nen werden konnte. Heinrich I. und seine Frau Hedwig, eine bayerische Gräfin aus dem Hause Andechs, in Kitzingen erzogen, haben hierin ihre großen Verdienste. Der Chronist berichtet darüber: „Heinrich gelang es durch kluge Ausnützung der Streitigkeiten unter den polnischen Piasten seinen Herrschaftsbereich so auszuweiten, daß ihm der südliche Teil Groß polens und ganz Kleinpolen mit Krakau und Sandomir untertan war. Er ist eine der entscheidendsten Persönlichkeiten in der Geschichte des Ostens: 40
Hedwig stand ihm ebenbürtig zur Seite. Den deutschen Bauern und Bür gern, die ihr Gatte ins Land rief, konnte sie ebenso Helferin sein, wie den in sozialer Not befindlichen Untertanen polnischer Zunge.” Zu den politischen Erfolgen Heinrichs gehört auch eine Fühlungnahme mit Kaiser Friedrich II. Als erster Piastenfürst von Bedeutung ging Hein rich I. in die Geschichte ein. Seine Politik des Heranziehens deutscher Sied ler in stärkerem Maße nach Schlesien führte für Polen schließlich später zum dauernden Verlust des Landes. Sein Nachfolger ist sein Sohn Heinrich II. der Fromme (1238-1241). Im Bemühen um die polnische Königskrone verband er sich mit dem Papst. Mitten in seinen Plänen wird er durch das Herannahen des Mongolenstur mes überrascht. Schon 1240 fällt den Eindringlingen Kiew in die Hand, und auch Wladimir und Halicz werden zerstört. Im Winter des Jahres 1241 ste hen die Mongolen mit zwei Heeren an der Grenze von Polen und Ungarn. Der Kampf Kaiser Friedrichs II. mit dem Römischen Stuhl und die inneren Wirren verhinderten die Vereinigung des Abendlandes gegen diesen An sturm. Auch die polnischen Fürsten finden sich nicht zu gemeinsamem Wi derstand zusammen. So dringt nun eine Gruppe der Mongolen in Ungarn ein, eine zweite zieht am Karpaten-Nordrand über Sandomir, Krakau (am 24.3.1241) und Oppeln gegen Breslau. Vor Liegnitz stellt sich dem Mongo lenführer Batu-Khan nun Heinrich II. entgegen. Mit ihm kämpfen schlesi sche, polnische und deutsche Edle und Ritter des Deutschen Ritterordens (9.4.1241). Der Herzog und der Ordensmeister fallen, das Heer wird vernichtet. Die Mongolen ziehen über Oberschlesien, die Oderpforte, verwüsten die Um gebung von Troppau und die Stadt Freudenthal, ziehen nach Mähren und unter Umgehung von Wien und Wiener-Neustadt verlassen sie deutschen Boden in Richtung Ungarn. Die Kraft des Reiches war im Süden gebunden, so daß die schlesischen Fürsten im Kampf ganz allein standen. Ihnen gelang es den Sturm zum Ab schwenken zu bringen, Europa kam mit dem Schrecken davon. Über diese Leistung hinweg aber wurde der Weg frei für die Ansiedlung einer großen Zahl deutscher Aufbaukräfte. Die Geschichtsschreibung berichtet über diesen Waffengang meist nur in wenigen Zeilen. Für das deutsche Volk beginnt aber eine Epoche, die sich weit über hundert Jahre erstreckt, eine Epoche, in welcher dieses Volk ein 41
Beispiel an Fleiß, Zähigkeit und friedlicher Aufbau- und Wiederaufbauar beit liefert. Von fremden Landesfürsten gerufen und von den eigenen entlassen, wandern Abertausende gegen Osten. Es ist jener Zeitabschnitt, der uns deutschen Schlesiern unsere Vorfahren beschert und unsere Heimat auch zu einem deutschen Land macht. Es ist kein nobler „Ritt gen Ostland”, es ist eine Zeit, die den neuen Siedlern oft Tod, Not und erst später Brot brachte. Das Königtum in Deutschland wird zwar immer schwächer, die staatli che Kraft geht von ihm auf die Teilfürsten über, aber das Volk wächst auf zur beachtlichen Leistung. Noch vor Beginn des 13. Jahrhunderts kommen Zisterzienser aus Pfordte an der Saale und gründen Kloster Leubus, Bamberger Frauen gründen das Kloster Trebnitz und flandrische Mönche siedeln sich am Zobten an. Die Mark Brandenburg bis zur Havel, der größte Teil von Mecklenburg, die westlichen Teile beider Lausitzen, die südlichen Teile von Böhmen und Mähren, die Landschaften bis zur March, der oberen Raab und Drau, sie alle werden durch stetiges Vordringen des geschlossenen Volkstums dem deutschen Sprachraum gewonnen. Die Erkenntnis, daß nur der Freie imstande ist, ein Land blühend und stark zu machen, spiegelt sich nicht nur am schlesischen Beispiel wider. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts rufen Ungarns Herrscher Deutsche von der Mosel nach Siebenbürgen. Man nennt sie dort später „Sachsen”. Ebenso intensiv geht die Wanderung in die übrigen Gebiete. Der Schwerpunkt be ginnt sich scheinbar schon für Mitteleuropa zu verschieben. Die Habsbur ger treiben in der Folge Ostpolitik und kommen in nachbarliche Zusam menarbeit mit Böhmen und Ungarn, das deutsche Volk wird offenbar reif für ein einheitliches Schicksal. Ritter und Kaufleute streben dem Baltikum zu, ähnlich vollzieht sich die Zusiedlung in Polen. Nach dem Mongolensturm rufen die Herrscher die Deutschen auch hier ins Land. Sie bringen die Arbeitskraft mit, die hier fehlt. Schwere Ar beit ist zu leisten. Neben slawischen entstehen deutsche Gemeinden. Man sieht es ihnen an. Das deutsche Recht und die deutsche Kultur, der Handel und der Gewerbefleiß dringen aber noch viel weiter vor als die deutschen Siedler selbst. Deutsche Bergleute finden Arbeit in Bosnien, in Iglau und in der Zips. Sie alle waren willkommen, denn sie halfen die neue Heimat wirtschaftlich 42
zu entwickeln und ordneten sich auch als loyale Bürger unter die zum Teil ja fremde Gewalt ein. So im östlichen Mecklenburg oder in Pommern. Mähren wird Markgrafschaft, und es beginnt ihre deutsche Besiedlung. Schlesien beginnt deutsch zu werden. Leobschütz wird erstmals genannt (1183), Troppau (1195), Neisse (1200). Troppau und Iglau werden Kommenden des Deutschen Ordens. Der polnische Herrscher Leszek der Weiße privilegiert 1202 bis 1227 die deutsche Einwanderung auch nach Galizien nach deutschem Recht. Höch ste Instanzen sind Magdeburg und Halle. Freudenthal dürfte wohl die älteste Stadt Mährens sein (1213), und 1214 bis 1218 gestattet der mährische Markgraf Wladislaus Heinrich auch den Jo hannitern, ihre Besitzungen nach deutschem Recht zu besiedeln. 1217 wa ren Oppeln und Ratibor, Löwenberg und Goldberg schon genannt. 1218 wandert das Geschlecht derer von Bieberstein von Schloß Nossen im Kreis Meißen nach Altdorf ins Auschwitzer Land ein, verliert sein Deutschtum aber und nennt sich schon im 15. Jahrhundert „Starowiejski”. Und etwa um 1200 beginnt auch die deutsche Einwanderung ins Teschener Land. Die Liste des Peterspfennigs gibt erste sichere Nachricht über die Anwesenheit unserer Vorfahren. Herzog Kasimir (1211-1229) ruft sie auch ins übrige Oberschlesien. Ujest, Zülz, unser Steinau, Naumburg am Queis und Zuckmantel werden erstmals genannt (1223, 1224). Aus dem Dorf Sroda wird das deutsche Dorf Neumarkt, es soll Muster für alle neuen Gründungen in Schlesien und Polen sein. Die Polen nennen das Neumarkter Recht auch Srodaer Recht. 1228 erscheint erstmals der deutsche Name Werner für einen Kastellan von Auschwitz, das 1230 bis 1290 „Oberhof’ in Rechtssachen ist. Bis in die dreißiger Jahre steigt das deutsche Element in Schlesien schon stark an, das Polentum geht entsprechend zurück. 1234 ruft Herzog Heinrich I. der Bärtige die ersten deutschen Siedler an den Dunajec, auch nach Mähren und in die böhmischen Randgebiete wer den sie vermehrt gerufen, besonders nach dem Mongolenfeldzug. Liegnitz entsteht neu, Brünn in Mähren und Bochnia, die Salzfundstätte bei Krakau, werden Stadt (1251). Auch oben, am entfernten Rand von Ostpreußen, ent steht 1252 die Stadt Memel, Posen im gleichen Jahr. Königsberg wird auf ei nem Kreuzzug gegen die Pruzzen vom böhmischen Herrscher Ottokar II. ins Leben gerufen, und auch das zerstörte Krakau wird nach deutschem Recht (1258) neu ausgesetzt. Magdeburg ist „Oberhof’ in Rechtssachen. Zwei Jahre später wird die Gründung von Lemberg gemeldet. 43
Von 1260 an beginnt eine großzügige Besiedlung südlich der Linie Ratibor-Sohrau-Pleß. Friedberg (Mistek) und Skotschau entstehen (1267), Lie benwerder (Kenty) erhält 1273 durch Herzog Mieschko von Teschen Stadt rechte. Schlesiens Grenze gegen Krakau verläuft zu dieser Zeit am Flüß chen Skawinka entlang bis Tyniec an der Weichsel. 1276 wird Mährisch-Ostrau als „Ostravia Germanica” erstmals genannt, Gleiwitz (1276) gegründet und Hultschin 1278 durch Ottokar II. ausgesetzt, Teschen erscheint 1284 erstmals. 1286 übergibt der Krakauer Bischof das Dorf Krzeszowitz (westlich Krakau) dem Beuthener Vogt Friceco zur Aus setzung. Etwa 1292 wird die Lücke an der oberen Weichsel in der Besiedlung gefüllt, indem Schwarzwasser angelegt wird. Oderberg wird 1291 verzeich net und Zator hart vor Krakaus Toren erhält 1292 Stadtrechte durch den Teschener Herzog Mieschko. Er ist der erste Teschener Herzog und seine Stadt ist Herzogssitz der Piasten bis 1653. In Polen selbst schreitet auch die deutsche Kolonisation vor und droht mit Hilfe der fast rein deutschen Städte neben dem wirtschaftlichen auch das politische Übergewicht zu gewinnen. Unter dem groß- und dem kleinpolnischen Herzog brechen Wirren aus, und als der Krakauer Herzog Leszek der Schwarze 1288 stirbt, wählt der Adel den Herzog von Masowien. Die Deutschen des Landes, vornehmlich die Bürger von Krakau, rufen aber den Breslauer Herzog. 1288 nun zieht Heinrich III. von Breslau in Krakau ein. Im großen Geschehen wohl eine kaum beachtete Tatsache, aber für unser Land, gerade für das Karpatenvor land, jedoch von einiger Bedeutung, bestand doch jetzt die Möglichkeit - von polnischer Sicht ja sogar die Gefahr -, daß Krakau unter einem schle sischen Fürsten ganz unter deutschen Einfluß gerät und verloren geht. Stadt und Schloß wurden dem Herzog übergeben, Wladislaus Łokietek flüchtete in das Franziskanerkloster und verließ von dort als Mönch verkleidet die Stadt über die Mauer. Heinrich von Breslau starb 1290 und nach kurzer Herrschaft des von Papst Bonifazius VIII. zum König von Polen gekrönten großpolnischen Herzogs Przemyslaus II. (gestorben 1296) läßt sich König Wenzel II. von Böhmen auf seinem Zug gegen Polen, schon auf dem Weg dahin, in Olmütz von den Herren des Oppelner Landes huldigen. Auch Mieschko von Te schen ist unter ihnen (1292). Krakau ruft den Herzog Boleslaus von Oppeln als Herrn in die Stadt, und mit ihm ziehen unter dem Jubel der deutschen Bevölkerung noch Kasimir von Beuthen, Mieschko I. von Teschen, Bolko I. 44
von Niederschlesien und König Wenzel II. von Böhmen ein. Łokietek wird in Sieradz 1292 zum Verzicht auf Krakau und Sandomir gezwungen. Wenzel läßt sich im Jahre 1300 in Gnesen selbst zum König von Polen krönen. Nun ist Polen als Anhängsel von Böhmen dem deutschen Einfluß noch mehr ausgeliefert. Der König stirbt aber 1305, und nun scheint die Zeit für Wladislaus Ło kietek zu kommen. 1308 kehrt er nach Krakau zurück, was einen Aufstand unter den Krakauer Bürgern auslöst. Durch die Lage gezwungen, nimmt Boleslaus Verhandlungen mit Wladislaus auf und muß, trotz Stützung durch König Johann von Böhmen, 1312 Krakau an die Polen übergeben. Nach einem strengen Strafgericht wird der Stadt die Selbständigkeit genom men. Boleslaus zieht sich nach Oppeln zurück, und die meisten deutschen Stadträte verlassen mit ihm die Stadt. Das Haus des Vogtes wird niederge rissen, und die bis jetzt deutsch geführten Stadtbücher müssen nun pol nisch geschrieben werden. Die deutsche Gemeinde von Krakau hält sich zwar noch bis ins 16. Jahrhundert, aber der Plan, daß Krakau die deutsche Stadt vor den schlesischen Toren, ebenfalls einmal im Verband des Deut schen Reiches würde leben können, ist gescheitert. Oberschlesien ist zu dieser Zeit bereits in sieben Teilfürstentümer zer fallen. Die Ohnmacht der einzelnen kleinen Herrscher gibt König Johann von Böhmen die willkommene Gelegenheit, sich ganz Schlesiens zu be mächtigen (1310). Und gerade in dieser bewegten Zeit, mitten in für das ganze Gebiet so schwerwiegenden Kräfteverschiebungen, in einer Zeit, in welcher nur weni ge Kilometer ostwärts von Bielitz sich das Zentrum des nach fast dreihun dert Jahren wieder erstandenen selbständigen polnischen Staates kristalli siert, da wird Bielitz zum ersten Male urkundlich genannt. Der Herzog von Teschen und Auschwitz, Mieschko I., schenkt den Bür gern dieser Stadt einen Wald. Die Urkunde stammt aus dem Jahre 1312. Am 3.6. dieses Jahres bescheinigt der Herzog, daß er „sehend den Mangel Unse rer trewen Bürger zur Bilitz, welchen sie des Holzes halber seyden, den unverhauenen Wald bei Nickelsdorf und Karnitz schenkt”. Es ist der erste Teschener Piastenfürst, der zugleich auch Herr von Bie litz ist. Er regiert etwa ab 1290 und stirbt um das Jahr 1313. Ihm -folgt Herzog Kasimir I. von Teschen, der von 1316 bis 1358 Landes 45
herr ist. Er schenkt am 14.3.1316 den Bürgern von „Belitz” viereinhalb Huben Land zur Anlage von Viehweiden und Gärten. Im gleichen Jahr wird auch über die Gründung von Altbielitz berichtet, und die Trennung der Herzogtümer Teschen und Auschwitz, zu welch letz terem auch Zator gehört, durchgeführt. Zator hat der Teschener Herzog Mieschko I. schon 1292 an seinen Kaplan Arnold verkauft. Die neue Grenze verläuft etwa fünf Kilometer östlich, parallel zur Białka, und zerschneidet das deutsche Sprachgebiet unserer Gegend, zu welchem allein östlich der Flüsse Białka und Sola 23 Kirchspiele, mit fast überall überwiegend deut scher Bevölkerung, gehören. So ist Bielitz schon praktisch mit seinem Ein tritt in die Geschichte fast zur Grenzlandschaft geworden. Und das Los einer Grenzgegend ist nicht immer glücklich. Nur zu schnell kommen ihre Bewohner in Nöte, die im Binnenland nicht nur unbekannt sind, sondern auch nur selten verstanden werden. Man nimmt sich vielleicht auch zu we nig Zeit dazu. Die Dinge liegen zu fern. Die dem Kraftzentrum näher liegenden wichtigen Probleme gehen vor. Nur so ist die schwache Abwehr des Reiches gegenüber den Mongolen und auch den Bestrebungen gegen über Polen zu verstehen, seine Machtgrenze von seinem Zentrum Krakau, so weit es geht, nach Westen zu verschieben. Und im Westen von Krakau liegt das Bielitzer Land. Unmittelbar vor seinen Toren ist der polnische Druck nach Westen am größten. Bielitz liegt eben sehr nahe an Krakau. So bemüht man sich nicht nur, das Deutschtum in Krakau selbst zurück zudrängen, sondern auch in den folgenden Jahren den schlesischen Grenz fürsten so manchen grenznahen Landstrich abzuringen. Fraustadt (1343), Severien (1442), Auschwitz (1462) und endlich Zator im Jahre 1494 gehen so Schlesien für im m er verloren. Die Grenze des polnischen Einflusses ver schiebt sich in unserer Gegend - wenn auch nur gering, aber so doch stetig nach Westen. Während dort zwei Gegenkönige Deutschlands Kraft verzehren, kann sich in Krakau 1320 Wladislaus Łokietek zum König von Polen krönen lassen, und Johann von Luxemburg, der König von Böhmen, dieser unru higste Fürst des 14. Jahrhunderts, Schlesien eng an sich ziehen. Auch das Herzogtum Troppau, bisher zu Mähren gehörig, wird schlesisch und Lehen Johann von Böhmens (1318) an Herzog Nicolaus II. von Troppau. König Johann war auch nicht geneigt, seine Vormachtstellung im Osten so ohne weiteres beschränkt zu sehen, und er bereitet sich auf einen Waffen gang vor. 46
Schon während dieser Vorbereitungen erscheinen die Herzoge von Fal kenberg und Kosel in Troppau, und die Herzoge von Teschen-Auschwitz und Ratibor in Beuthen huldigen dem Böhmenkönig und nehmen ihre Länder von ihm zu Lehen. Auch vor Breslau erscheint Johann und läßt sich huldigen. Zu dieser Zeit ist unser „Ländchen vor den Bergen” und insbesondere Bielitz keine Sprachinsel, sondern durch ein breites Band deutscher Dörfer und Städte nach Westen, und über Pleß, Loslau, Freistadt und Ostrau mit dem Gesenke verbunden. Nach Osten setzt sich das deutsch gewordene Land am Karpatenfuß über Liebenwerde (Kenty), Neustadt (Zator), Frauenstadt (Wadowitz), Landskron, Myślenice, Tarnów bis gegen Lemberg fort. Nach Süden reicht die deutsche Zunge bis in die Zips in Oberungam. 1327 wird Kasimir von Teschen Vasall König Johann von Böhmens und übergibt gleich den anderen Fürsten sein Land, Stadt und Burg Teschen, Freistadt, Bielitz, Skotschau und Ostrau. Damit ist das Teschener Land in die Organisation Böhmens und somit in das Deutsche Reich eingetreten. Auch Herzog Johann von Auschwitz wird Vasall des böhmischen Kö nigs, und so ins Deutsche Reich einbezogen. Dazu gehören die Orte Ausch witz, Zator, Liebenwerde, Saybusch, Wadowitz und Spitkowitz. Die Politik des östlichen Mitteleuropa liegt in den Händen des polni schen Königs Kasimir III. des Großen und Johann von Böhmens. Unter Vermittlung Karl Robert von Ungarns wird im Vertrag von Trentschin (auch Vysehrad genannt) ein Ausgleich gefunden. Johann verzichtet auf die polnische Krone, Kasimir verzichtet für Polen endgültig auf Schlesien (1335). Kasimir bestimmt zu seinem Nachfolger seinen Neffen Ludwig von Anjou-Neapel, König von Ungarn, der 1370 auch den polnischen Thron be steigt. In Deutschland ist einer der markantesten Herrscher der zweiten Hälfte des Mittelalters, Karl IV, auf dem Thron. Nachdem die Piasten mit Kasimir in Polen aussterben, kann sich jetzt Kaiser Karl IV. den Besitz Schlesiens auch rechtlich für Böhmen und Deutschland sichern. Des öfteren ist in meinen Ausführungen von Krakau die Rede gewesen. Es gehört mit seiner Umgebung ohne Frage zu unserem engeren Betrach tungsgebiet. Dieser einstmals deutschen Stadt soll nun in einigen Worten gedacht werden. Als Quellenmaterial dienten Aufzeichnungen polnischer Chronisten, 47
sie sind am Schluß der Ausarbeitung mit den anderen gemeinsam aufge führt. In das Blickfeld der Geschichte trat Krakau Mitte des 10. Jahrhunderts als eine zu Böhmen gehörige Handelsstadt, die etwa „drei Tagesreisen von Prag entfernt” war. Nach 30 Jahren wird diese Fremdherrschaft abgeschüt telt. Der Sage nach ist diese Stadt durch den tapferen Krakus von einem Drachen befreit worden, der in einer Höhle des Wawel wohnte und Men schenopfer forderte. Der polnische Herrscher Kasimir I. stand in einem guten Verhältnis zu Kaiser Heinrich III. Aus dem Jahre 1046 wird berichtet, daß in Köln am Rhein der Benediktinerabt Aaron zum Bischof von Krakau konsekriert wird. Es scheinen Lütticher Benediktinermönche gewesen zu sein, welche um diese Zeit ein Kloster auf dem Wawel zu gründen hatten. Sie tragen das Christentum von hier in das weite Land und verbreiten abendländische Sit ten. Während der Canossafahrt Kaiser Heinrichs IV. kann sich der polnische Herrscher in Krakau die Königskrone, mit Unterstützung des Papstes, auf setzen. Etwa um 1060 gründen Boleslaus der Kühne und seine Frau Judith das Kloster Tyniec, von dem auch schon die Rede war. Der polnische Herrscher Wladislaus I. Hermann (1079-1102) kann durch seine beiden Frauen lebhafte Beziehungen zwischen seinem und dem böhmischen, beziehungsweise kaiserlichen Hof ins Leben rufen. Bei de heißen Judith, die eine ist die Tochter des Böhmenherzogs Wratislaus II., die zweite ist eine Tochter Kaiser Heinrichs III. Letztere bringt reiche Kunstschätze mit nach Krakau. Ihr Hofkaplan Otto stammt aus Schwaben und wird später Bischof von Bamberg. Im Jahre 1241, im Mongolensturm, wird ganz Krakau zerstört. Es bleibt nur ein Schutthaufen übrig. Auf dem Wege über Breslau fand das Magdeburger Recht seinen Ein gang nach Krakau. Die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts wird zum Zeital ter der Privilegien. Magdeburg wird Oberhof in Rechtssachen. Boleslaus der Schamhafte (1243-1279) und seine Frau Kunigunde unter zeichnen die Gründungsurkunde für das neuzuschaffende Krakau am 5.6.1257. Die Gründungs-„Lokatoren” beschafft sich Boleslaus von den schlesischen Herzogen. Die ersten drei Vögte Jakob, ein Richter aus Neisse, und die wahr 48
scheinlich aus Breslau stammenden Ditmar und Gedko beginnen das Werk nach Breslauer Vorbild. Die Amtssprache ist Deutsch. Auch Leszek der Schwarze (1279-1288) ist den Deutschen wohl geson nen, der Wohlstand ist im Wachsen, und die Bürgerschaft spielt nach sei nem Tod schon eine entsprechend einflußreiche Rolle. Sie verhilft dem Breslauer Herzog Heinrich IV. zu seinem Einzug nach Krakau, der die Ver treibung Wladislaus Lokieteks zur Folge hat. Etwa 1293 dürfte die Niederlassung der Deutschen Hanse in Krakau ge gründet worden sein, wodurch die Stadt an die gewaltige Handelsorganisa tion dieser Gemeinschaft angeschlossen wurde. Krakau gehört zum „Wen dischen Quartier”, dessen „Vorort” Lübeck ist. Krakau ist „Hauptort”, wie auch Hamburg, Wismar, Rostock, Stralsund, Stettin, Berlin, Kolberg und Breslau, die ebenfalls zum Wendischen Quartier gehören. 80 Städte umfaßt die Hanse. Zwischen 1300 und 1305, während der Regierung König Wen zels II. von Böhmen, ist ein Reinhardus Statthalter in Krakau. Ein neuer Aufstand bricht 1311 aus, die Bürgerschaft ruft Boleslaus von Opp ein auf den Thron. Die Führung hat Vogt Albrecht, der nach Mißlingen des Aufstandes nach Prag flieht. 1320 wird Wladislaus Łokietek in Krakau gekrönt. Bis zum Jahre 1550 bleibt Krakau Krönungsstadt und Regierungs sitz. 1364 findet in der Stadt die Vermählungsfeier Kaiser Kurls IV. mit Elisa beth, einer Enkelin Kasimirs III. des Großen, statt. Der König versöhnt sich wieder mit der Stadt und erteilt ihr das Große Privileg, das die finanziellen Einnahmen neu regelt. Der Krakauer Bürger Wirsing wird Berater des Königs, er wird „Truch seß von Sandomir”. 1364 endlich erhält das deutsche Krakau, noch ein Jahr vor Wien, seine Universität, in welcher auch Deutsch gelesen wird. Das Verhältnis des Königs zu den Krakauer Bürgern wird völlig fried lich, im Jahre 1352 leiht sich Kasimir der Große von den reichen Bürgern der Stadt 1000 Schock Prager Groschen. Einige Jahre später wird die Stadt privilegierter Stapelplatz für Wolle. Nach dem Ableben Kasimirs wird sein Schwesterkind, Ludwig von An jou-Neapel, König von Ungarn, Nachfolger auf dem polnischen Thron und tritt sofort als Gönner der Stadt auf, indem er ihr alle Handelswege eröffnet. Er bewirbt sich auch um die Gunst der Krakauer, weil er seiner Tochter den polnischen Thron zusichern möchte. Als endlich seine jüngere Tochter 49
Hedwig Königin von Polen geworden ist, folgen wichtige, mit ihrer Person verknüpfte geschichtliche Ereignisse. Eine Zeitlang schien es, als ob Erzher zog Wilhelm von Österreich, der Bräutigam der jugendlichen Königin, in die Krakauer Königsburg einziehen würde. Die große Politik jedoch zerriß den Bund. Durch die Heirat der Königin soll vielmehr Litauen für Polen und das Christentum gewonnen werden. Der litauische Fürst Jagiełło läßt sich am 15.2.1386 im Dom zu Krakau taufen, wenige Tage darauf wird die Ehe mit Hedwig geschlossen. Durch die Heirat mit dem deutschen Erzher zog wäre der Einfluß Deutschlands sicherlich zu groß geworden. Wladislaus Jagiełło regiert bis 1434. Auch der von 1447 bis 1492 regierende Kasimir IV. von Litauen hat eine Deutsche zur Frau, es ist Elisabeth von Habsburg, eine Kunstgönnerin er sten Grades, die Beziehungen zu Nürnberg und anderen deutschen Kunst zentren herstellt. Auch Handelsbeziehungen werden geknüpft, Tuche und Damast sollen nach Krakau und Holz, Salz und Leinen nach Nürnberg ge liefert werden. 1465 wurde das erste Buch von dem deutschen Drucker Günther Zayner in Krakau gedruckt. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wird durch politische Verhält nisse die Lage der Handelsstadt Krakau ungünstiger, Danzig und andere preußische Städte übernehmen die Spitzenstellung. Die Glanzperiode von Krakau geht zu Ende. Gegen Ende des Jahrhunderts werden auch die Befe stigungen von Krakau, die „Barbakane”, angelegt. Handel und Wandel haben einen entsprechenden Reichtum in die Fa milien der Patrizier gebracht. Familiennamen wie Thurzo, Morstein, Salo mon, Schilling sind im 14. Jahrhundert am klangvollsten. 1485 wandert der Bankier Johann Boner aus Landau in der Pfalz nach Krakau ein und wird Schatzmeister König Kasimirs IV. Er und sein Neffe Severin gehören später zu den einflußreichsten Patriziern von Krakau. Ebenso der aus Danzig stammende, als Johann Flachsbinder geborene Dantiscus, der den König auf seinen Hofreisen nach Preßburg und Wien begleiten kann. 1463 kommt Veit Stoß nach Krakau und schafft unvergängliche Kunst werke im Auftrag der polnischen Herrscher. In der polnischen Literatur tritt dieser der ganzen Welt als Deutscher bekannte Meister als Wit Stwosz auf. Der unbefangene und in Kunstdingen nicht bewanderte Reisende kann also auf keinen Fall hinter diesem Namen den berühmten Nürnberger vermuten, um den uns die Welt beneidet. 50
Es ist daher zweckmäßig, unseren Lesern auch einige Worte über Veit Stoß zu sagen. Aus einer Arbeit von Scholz über den Meister entnehme ich das Wesentlichste: „Veit wird etwa 1447 in Dinkelsbühl als Sohn der Wirkerin Katharina Stoß geboren. Über seine künstlerischen Anfänge ist wenig bekannt. Man vermutet, daß er in die Lehre des Simon Laimberge ging, und so ein Enkel schüler des berühmten straßburgisch-niederländischen Nikolaus Gerhart von Leyden war. Man muß Veit Stoß ohne Frage zu den größten Künstlern der deutschen Gotik zählen.” Seine seit 1454 erworbenen Nürnberger Bürgerrechte gibt er 1477 auf, um nach Krakau zu übersiedeln. Vermutlich hatte ihn zu diesem Schritt ein Ruf der deutschen Kaufmannschaft der damaligen Hansestadt Krakau be wogen. Er muß schon Ansehen als Künstler genossen haben, als er von Nürnberg aus nach dem Osten ging. Zwischen den wichtigen Handelsplät zen Krakau und Nürnberg bestanden ja damals lebhafte kulturelle und künstlerische Beziehungen. Angesehene Nürnberger Künstler wie Peter Vischer, Hans Pleydenwurff oder Hans Beham haben ihre Arbeiten nach dem Osten geliefert. Die deutsche Gemeinde von Krakau hatte damals aus eigenem Opfer sinn die Mittel gesammelt, um in ihrer Gemeindekirche durch Veit Stoß ei nen der gewaltigsten Schnitzaltäre der Gotik errichten zu lassen, ein Werk, das, über 13 Meter hoch und mit plastischen Figuren bis zu 1,80 Meter Hö he, als eine der großen und besonderen Leistungen anzusehen ist. Schon Gottfried Keller hat darauf hingewiesen, daß viele der größten Leistungen der deutschen Kunst in den äußersten Grenzgebieten des deut schen Volkstums entstanden sind. Werk und Meister fanden auch bei der polnischen Bevölkerung und Kunstgemeinde hohe Anerkennung. Solange er in Krakau lebte, wurde er von der Zahlung von Steuern befreit und sein Gutachten zu Bauten der Kirche oder der Stadt erbeten. Bis zum Jahre 1489 arbeitete er an dem Hochaltar ünd blieb noch weite re sieben Jahre in Krakau. In dieser Zeit entstand vor allem die herrliche Grabplatte für König Kasimir IV. Jagiełło auf dem Wawel. Vielleicht aus Heimweh kehrt er 1496 nach Nürnberg zurück, wo er auch im Alter von über achtzig Jahren stirbt. Der polnische Kunsthistoriker Leonhard Lepszy schreibt 1906 wörtlich über Veit Stoß: „Um das Jahr 1463 kommt zum ersten Mal der große, genia le, vielseitige Meister Veit Stoß nach Krakau, macht sich hier ansässig, hei 51
ratet und spielt eine bahnbrechende Rolle in der Entwicklung der Krakauer Kunst und hat der Charakteristik der Stadt und deren Kunstrichtung für alle kommenden Zeiten den kräftigsten Stempel aufgedrückt. Schon das auf dem Triumphbogen der Marienkirche vom Jahr 1472 herrührende Kreuz trägt alle Merkmale der Werkstatt des Künstlers. Im Jahre 1477 berufen die Krakauer Bürger den obengenannten, in Nürnberg sich aufhaltenden und, wie ihn der hiesige Stadtschreiber nennt, erstaunlich flinken, fleißigen und wohlwollenden Meister, dessen Verstand und Arbeit in der ganzen Chri stenheit von Ruhm strahlt’, und lassen ihn sein Hauptwerk, den Hochaltar der Marienkirche, ausführen. Mit dem großartigen Werk war er im Jahr 1481 fertig.” Und an anderer Stelle schreibt Lepszy: „Die bewunderungswürdige Arbeit des Meisters verschaffte ihm im Jahr 1492 den königlichen Auftrag, das Grabmal Kasimirs IV. in der Kreuzkapelle des Domes auszuführen. Nach dem Modell von Veit Stoß führte es Jörg Huber aus Passau in rotem, wahrscheinlich Salzburger Marmor aus.” Daß das polnische Schrifttum den Meister nun als den Polen Wit Stwosz erscheinen läßt, ist zumindest in Fachkreisen nicht aufrechtzuerhal ten. Im Jahre 1488 kam der Bruder des großen Meisters, Mathias Stoß, als Goldschmied nach Krakau. Als der greise Veit Stoß 1496 Krakau verläßt, übernimmt sein ältester Sohn Stanislaus die Leitung der berühmten Werkstatt und führt sie über 30 Jahre. Veit Stoß stirbt 1533, nachdem er noch mehrere Werke in Nürnberg und Bamberg geschaffen hatte. 1520 gießt der Nürnberger Meister Hans Behem die große Glocke der Wawelkirche, und in den Jahren 1526 bis 1538 sind auch zwei Brüder, Hans und Andreas, des berühmten Malers Albrecht Dürer als Goldschmied in Krakau tätig. Der rege Kontakt mit den deutschen Zünften, die stete Zu wanderung junger Gesellen nach Krakau bewirkte, daß der größte Teil der Zünfte bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts in der Mehrzahl aus deutschen Elementen bestand, daß die deutsche Sprache beinahe ausschließlich in Anwendung war, und daß alle in den deutschen Zünften beobachteten Ge pflogenheiten und Sitten sich mit wenigen lokalen Abweichungen wieder holten. Jede Zunft hatte ihre besondere Ordnung und ihre bestimmten Privile gien. Die Ordnung gab sich die Zunft und sie wurde vom Stadtrat bestätigt, die Privilegien kamen vom Stadtrat oder wurden direkt vom König verlie hen. Nach jedem Thronwechsel bemühte sich die Zunft, ihre bisherigen 52
Sonderstellungen auch vom neuen Herrscher anerkannt zu bekommen oder auch zusätzliche zu erhalten. Ein anschauliches Bild der Krakauer, gleichzeitig aber auch aller deut schen Werkstätten im späten Mittelalter, gibt der berühmte, in der jagiellonischen Bibliothek aufbewahrte „Codexpicturatus” des Stadtnotars Baltha sar Behern. Der Gießer und Büchsenmacher Oswald Baltner, der in den Jahren 1559 bis 1575 vortreffliche Geschütze in edlen Formen und schöne Reliefs (wie jenes im Berliner Zeughaus) und auch Glocken goß, kam ebenfalls aus Nürnberg. Neben Veit Stoß ist auch Peter Vischer ein zweiter Name, den man mit einem großen Nürnberger verbindet Dieser populäre Rotgießer ist zwar nie in Krakau gewesen, doch ist eine große Anzahl von Werken in Krakau vor handen. Aus seiner Nürnberger Werkstatt stammen auch die Denkmäler für die Eheleute Sophie und Severin Boner, deren Name schon genannt wurde. Eines Mannes aus dem ostdeutschen Raum, der Weltgeltung erlangte und einige Jahre in Krakau lebte, sei aber auch noch gedacht. Es ist Niko laus Kopernikus. Er ist einer Krakauer, nach Thorn ausgewanderten Familie entsprossen, die ihren Namen von dem Dorfe Köppernig im Neisser Land ableitet, und sicher von dort her ihren Ausgang genommen hat. Von Neisse ist im 15. Jahrhundert eine starke, urkundlich genau nachweisbare Zuwanderung na mentlich von Handwerkern nach Krakau ausgegangen, und „von Neiße” nennt sich auch ein 1416 in Wien studierender Johannes Kaepernik, der wohl derselbe wie der 1437 in Krakau auftretende Johannes Coppernik, der Großvater des Nikolaus, ist, den die Welt heute als den „europäischen Astronom”, den „Gründer der neueren Himmelskunde” des heliozentri schen Weltbüdes, den Begründer des „Kopernikanischen Weltsystems” nennt. Nikolaus Kopernikus ist 1473 in Thorn, jener Stadt geboren, die 1231 vom Deutschen Ritterorden gegründet, später Hansestadt, und nach dem zweiten Thorner Frieden 1466 ein selbständiger Stadtstaat unter polnischer Hoheit wurde. (Thorn war um 1400 eine zu 93 % von Deutschen bewohnte Stadt.) Er studierte von 1491 bis 1493 in Krakau und erlangte 1503 den Doktor grad der Rechtswissenschaften und der Theologie an der Universität in Fer 53
rara. 1512 wird seine Arbeit „Commentariolus” beendet. Es sind die Grund lagen seines neuen Weltbildes. 1543 wird seine Arbeit „De revolutionibus orbium coelestium” („Über die Umläufe der Himmelskörper”) veröffentlicht. Kopernikus wies nach, daß das bislang in Geltung stehende Weltbild, das Ptolomäus im 2. Jahr hundert n. Chr. in Alexandria entwickelte, wonach die Erde im Mittelpunkt des gesamten Planetensystems stehe, überholt ist, und nach seiner Erkennt nis vielmehr die Sonne das Zentrum der Weltenbewegung ist. Der Frauen burger Domherr kommt durch seine Lehre in Widerspruch zur katholi schen Kirche, und auch Luther nennt ihn einen Narren, weil er der Bibel wi derspricht. Das Verbot seiner Schriften hebt die römische Kirche erst 1822 auf. 1543 stirbt der überragende Mann in Frauenburg. Der Dom dieser Stadt am Frischen Haff in Ostpreußen beherbergt sein Grabmal. Der polnische Chronist Lepszy schreibt über Kopernikus 1898 wörtlich: „Aus der jagiellonischen Naturforscherschule ging der berühmteste aller Astronomen, der illustre Entdecker Nikolaus Kopernikus hervor.” Mit Kopernikus begann die Auflösung des alten ptolomäischen geozen trischen Weltbildes. Was er durch sein rechnendes, durch Nikolaus von Kues angeregtes Denken einleitete, wurde später durch Kepler und Galilei fortgesetzt (Aubin, Kuhn, Stein, Ploetz). Drei letzte Daten sollen die Schilderung Krakaus zunächst beschließen: 1655 diente das Kloster in Kazimierz dem schwedischen König als Haupt quartier, als der die Stadt belagerte, und mit besonderem Akzent vermerkt der polnische Chronist Lepszy, daß nur ein einziger der Dichter ersten Ran ges Krakau besucht hat. Er besichtigte die Stadt leider in ihrer stärksten Ver fallperiode. Dieser Dichter, der im Herbst des Jahres 1790 hier weilte, war Johann Wolfgang von Goethe im Alter von 41 Jahren. Die Tuchhallen wur den - so war es in Krakau Sitte - für große Feiern oder Staatsbesuche als Empfangssaal umgestaltet. Im Jahr 1880 wurde Kaiser Franz Josef I. in die sen Hallen begrüßt. Es war das letzte Mal im alten Krakau, daß sie zu einem Tanzsaal umgebaut wurden. Dieser Ausflug in den Lebenslauf einer heute polnischen Stadt ist um so interessanter, als er zeigt, wie mühsam zunächst und langwierig, aber auch wie erfolgreich die Siedlungsarbeit sein kann, wie selbst große und mächti ge Wirtschaftszentren entstehen, aber auch wieder vergehen können. Die Schilderung könnte genauso gut auf eine andere deutsche Handels 54
stadt, genauso gut auf ein anderes deutsches Kulturzentrum bezogen sein. Und in der Tat ist ja Krakau vornehmlich durch schlesische, durch deut sche Initiative ins Leben gerufen worden, und hat im Zusammenspiel der damals überhaupt aufstrebenden Städte als vollwertiges Glied, zum Bei spiel der Zünfte, und noch mehr der deutschen Hanse mitarbeiten können. In den Schlesien benachbarten östlichen Gebieten haben sich Niederund Oberdeutsche schon in der Frühzeit des Osthandels im entlegenen Lemberg berührt, und so führte der Weg der Nürnberger Kaufleute auf ih ren Reisen dahin über Breslau und das deutsche Krakau. Krakau lag an der Südgrenze des hansischen Handels, die sich von Flan dern, Dinant und Köln, den böhmischen Kessel umgehend, über Breslau, Krakau, Südpolen mit Galizien und Teüe von Ungarn, ja bis in die Wala chei hinzog. Vor allem in Remberg kamen von Osten her Russen und Tartaren, von Südosten, aus ihren Handelsniederlassungen am Schwarzen Meer, kamen Genuesen, Venezianer und Armenier und tätigten hier mit den hansischen und auch oberdeutschen Kaufleuten ihre Geschäfte, bis ein Vorstoß asiati scher Völker unter Timur (er lebte 1336-1405), dem Beherrscher eines mon golischen Weltreiches, in einem seiner 35 erfolgreichen Feldzüge diesen friedlichen Austausch lähmte, und der spätere Einbruch der Türken ihn ganz zum Erliegen brachte. Nun löste die Weichselstadt Krakau mit ihren deutschen Bürgern Lem berg ab und suchte, gleich Breslau, Anschluß an die Hanse. Obwohl Kra kau mit den oberdeutschen und westdeutschen Märkten über den Landweg in Verbindung stand, bevorzugte es auch gleichzeitig den Wasserweg auf der Weichsel nach Thorn und nach Danzig. Breslau und das deutsche Krakau gelten 1387 als Vollmitglieder der Han se und gehören ihr etwa hundert Jahre an. Danzig rechnet 1438 auch Lem berg und Warschau zur Hanse. So bestand zu dieser Zeit ein enges Netz von Handelslinien um und durch unser Gebiet nach Osten hin. Mit der Festigung des polnischen Staatswesens beginnen Selbständig keitsbestrebungen und damit Reibungen vor allem zwischen Thorn und Krakau. In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts versucht König Kasimir III. der Große durch Stapelrechte für Krakau, Thorn die Stellung im Polenhan del streitig zu machen. Seine Nachfolger verfuhren in gleicher Weise, verbo ten den Weichselweg und wählten den weit mühsameren Weg über die War 55
the, kehrten aber 1397, als König Wladislaus II. Jagiełło mit dem Deutschen Ritterorden vorübergehend Frieden schloß, wieder auf die Weichsel zu rück. Die folgenden Wirren im Osten behinderten den Osthandel auch wei terhin. König Sigismund versuchte im Interesse von Ungarn, den Handel über Lemberg neu zu beleben, und auch Kaiser Karl IV. unternahm es, den hansischen Handel zu fördern, ohne jedoch Erfolge von Dauer zu erzielen. Mit zunehmendem polnischem Interesse an Krakau verringerte sich zwangsläufig der Einfluß deutschen Wesens in dieser Stadt. Damals umgeben von einer auch noch deutsch besiedelten Landschaft, konnte Krakau vom 13. bis zum 15., ja sogar bis ins 16. Jahrhundert hinein als ein Hauptknotenpunkt in der langen Kette der deutschen Besiedlung an gesehen werden, einer Kette, die sich von Schlesien ohne Unterbrechung bis hin nach Lemberg erstreckte. Diese Siedlerleistung ist in den folgenden Jahrzehnten unterbrochen worden. Auf weiten Strecken versank das Deutschtum und ging völlig ver loren. Inseln blieben. Das war alles, was blieb. Der Rest ging im Polentum auf. Es ist dies einer jener tragischen Vorgänge, wie sie sich an den Grenzen von Kraftfeldern politischer Art nur zu oft abspielen, wenn ein Teil schwach wird. Auch das Bielitzer Land gehört zu jenen Inseln, deren deutsche Umwelt versank, nachdem auch politisch die Grenze Schlesiens, die ja nur 10 Kilo meter vor Krakau lag, zurückgenommen wurde und Bielitz selbst schlesi sche Grenzstadt wurde. Kehren wir nun wieder zum weiteren geschichtlichen Ablauf zurück, den wir beim Regierungsantritt Kaiser Karls IV. verlassen hatten. Als ge schickter Politiker, Verwaltungs- und Finanzmann, der seit 1333 noch von seinem Vater als Markgraf von Mähren eingesetzt wurde, bewährt er sich auch als Herrscher und Römischer Kaiser. Er macht Böhmen zum Kemland seiner Macht, Prag wird Erzbistum (1344) und dadurch ganz aus dem Mainzer Sprengel herausgelöst, kirchlich selbständig. Die Meisterhand von Peter Parier schmückt den St. Veitsdom künstlerisch aus, und 1348 erhält Prag die erste Universität des Reiches und des gesamten deutschen Sprachraumes. Die Städte blühen auf, der Ostseehandel mit der Hanse an der Spitze wächst, aber die Kraft des Reiches läßt nach. Die Herrschaft über Italien und Burgund geht immer mehr verloren. Um so mehr gilt der Gründung der Hausmacht besondere Aufmerksamkeit. 56
Karls Sohn Wenzel (1378-1419) wird seiner Aufgabe nicht mehr gerecht und wird abgesetzt. In Oberlahnstein am Rhein wird sein Nachfolger gewählt. Es ist Kur fürst Ruprecht III. von der Pfalz, der 1400 bis 1410 als deutscher König re giert. Er verspricht seinen Wählern, die italienischen Reichsgüter wieder einzubringen; seine Bemühungen scheitern, er ist zu schwach. 1410 wird der zweite Sohn Kaiser Karls IV, der Markgraf von Branden burg und König von Ungarn (seit 1387) Sigismund, der Letzte aus dem Hau se Luxemburg, nun auch deutscher Kaiser (1410-1437). Seine Bemühungen um die Krone Polens scheitern, und auch in Ungarn hat er viele Gegner. Brandenburg ist zu weit, um beim Sich-Durchsetzen nachhaltig helfen zu können. Die Mittel sind knapp und um zu Geld zu kommen, verpfändet er 1388 die Alt- und die Kurmark an seinen Vetter Jobst von Mähren, 1402 die Neumark an den Deutschen Orden und 1412 die Zips mit 13 Gemeinden an Polen, - wo Wladislaus II. Jagiełło von Li tauen regiert. Die Gemeinden bleiben bis ins 19. Jahrhundert bei Polen. Erst Maria-Theresia holt sie zurück. In Sigismunds Regierungszeit fällt auch das Konzil von Konstanz, das letzten Endes durch die Verbrennung des Hus das auslösende Moment für die fürchterlichen Hussitenkriege ist Die Rebellen überfluten auch Schle sien. 1427 wird Haynau erreicht, 1428 Troppau, Frankenstein, Falkenberg und Ziegenhals heimgesucht. Unser Ländchen wird nur berührt. In Teschen sollen Verhandlungen stattgefunden haben. 1429 wird Ohlau-Ottmachau, 1430 Trebnitz, 1432 Leubus und im nächsten Jahr die Zips erreicht, in welcher sie sogar in den Jahren 1441 und 1450 nochmals erscheinen. Der Sturm geht zu Ende, aber die Zerstörungen und Schäden werfen die unglücklichen Gebiete für Jahre zurück. Die Glaubensspaltung in diesem Raum trägt auch nicht zur Beruhigung bei. Seit 1370 wird unter den Tschechen und Polen eine immer mehr zuneh mende Abneigung gegen alles Deutsche spürbar. Für das Deutschtum in Böhmen, Mähren und Schlesien scheint sich eines der traurigsten Kapitel anzubahnen.
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Geschehnisse rund um unser Land
In Ungarn regiert Mathias Corvinus von 1458 bis 1490. In Böhmen zur glei chen Zeit bis 1471 Georg von Podiebrad, der die Hussiten begünstigt; es ist die Zeit der größten Schwäche des deutschen Kaisertums. Auf Wunsch des Papstes zieht Mathias gegen Podiebrad zu Felde. Das Unternehmen ist erfolgreich und 1468 kann er Schlesien in den ungarischen Staatsverband eingliedern. Die Lausitz und Mähren gehen den gleichen Weg. 1485 erobert er Wien. Im Norden war der Deutsche Ritterorden schon zu Beginn des Jahrhunderts als Staatsmacht im wesentlichen ausgeschaltet worden. Im ganzen gesehen war das fünfzehnte kein glückliches Jahrhun dert für die Deutschen schlechthin, aber insbesondere für die Deutschen im Osten zeigten sich Rückschläge schwerster Art. Mit dem 16. Jahrhundert beginnen sich die Krisenerscheinungen zu wandeln. Die rückläufige Entwicklung der Deutschen im Osten kann ange halten werden. 1515 schließen Kaiser Maximilian I. von Habsburg und König Wladislaus II. von Böhmen und Ungarn einen Erbvertrag. Des letzteren Sohn Lud wig fällt 1526 in der Schlacht bei Mohäcs. Da er ohne Nachkommen ist, fällt Böhmen mit Schlesien und Westungarn dem Hause Habsburg zu. Unser Land wird nun direkt österreichisch, da die Krone Böhmens den Habsburgern zufällt. In der Zwischenzeit hatte das Deutschtum stark gelitten. Die in Ober schlesien und Mähren eingedrungene tschechische Sprache wird als Amts sprache allmählich wieder durch das Deutsche ersetzt, aber was noch wich tiger ist, der oberste Verwaltungssitz für unser Schlesien wird das deutsche Wien. Es war bis hierher eine wechselvolle Zeit für unser schlesisches Land. Seit 1347 waren, betrachtet man die Urkunden aus dieser Zeit, eine Reihe von königlichen Namen auf diesen Dokumenten verzeichnet, die den Gang der Geschichte verdeutlichen: die Luxemburger deutschen Könige Karl IV. mit seinen Söhnen Wenzel und Sigismund bis 1437. Seit 1459 tragen die Urkunden der Herzogtümer Teschen, Ratibor, Troppau und auch Kosel-Beuthen andere Namen: Georg von Podiebrad bis 1471, dann folgen die Könige von Böhmen und Ungarn: Mathias I. Corvinus bis 1490, Wladislaus II. bis 1516 und Ludwig bis 1526. Erst nach Wirksamwer den des Erbvertrages erscheint wieder der Name eines deutschen Kaisers auf den Urkunden. Es ist Karl V. 58
Böhmische und ungarische Könige wurden nun also für eine Zeitlang die Herren über Schlesien. Wie waren denn da die Zusammenhänge für diesen Wandel? Seit der deutsche Kaiser Heinrich I. (919-936) seinen Zug gegen Böh men unternahm und Herzog Wenzel zur Lehenshuldigung nötigte, waren bis Georg vonPodiebrads Regierungsantritt rund 500 Jahre verstrichen. Das Land südlich der Oder gehörte zu Böhmen - das deutsches Lehen war auch als Herzog Wratislaw I. (gest. 921) das nach ihm benannte Breslau gründete. Kaiser Otto I. der Große unterwirft Böhmen und gründet 973 das dem Erzbistum Mainz unterstellte Bistum Prag. 975 zieht Kaiser Otto II. nach Prag und gründet das Bistum Olmütz für Mähren. Später kommt Böhmen an den Grafen von Luxemburg und nachmali gen deutschen Kaiser Heinrich VII., der seinen Sohn mit eben diesem Böhmen belehnt und so auch noch Schlesien und die Lausitz mit Böhmen vereinigt. Das Verhältnis bleibt so und wird sogar noch enger unter Kaiser Karl IV Seinen Nachfolger Wenzel IV. nennt die Geschichte „von Böhmen und Schlesien”. Auch er ist deutscher Kaiser. Erst unter Sigismund, seinem Bruder, lehnt sich Böhmen aus religiösen Gründen gegen den deutschen Kaiser auf und eine kurze Zeit wird eine Tscheche böhmischer König: Georg von Podiebrad, ein Utraquist. Ihm nimmt der Ungarkönig 1468/69 Schlesien und Mähren ab. Deutschland ist schwach geworden, es ist die Zeit der Nationalkönige in Böhmen und Ungarn. Und wie lagen die Dinge in Ungarn bis zu diesen Ereignissen? Um 895 begann die Eroberung Ungarns durch die Magyaren, die über die Karpatenpässe und über Rumänien ins Land südlich unserer Berge ka men. 971 wird schon von der Ungarn-Mission des Passauer Bischofs Pilgrim berichtet. Etwa 1175 tritt Ungarn ins Vasallenverhältnis zum Deutschen Reich und leistet im Italienfeldzug Kaiser Friedrich I. Rotbart Heerfolge. Ein Stück der Adriaküste fällt an Ungarn, wodurch dieses Land in Rivalität zu Venedig und dem Byzantinischen Reich kommt, lehnt sich an Österreich und Böhmen an (1128), verstärkt den deutschen Einfluß, indem es die Zips und Siebenbürgen mit Deutschen besiedelt und so westliche Kultur ins Land holt. Ungarn steht in seiner Geschichte zwischen Deutschland und der Türkei. Unter König Bela III. (1173-96) gehen Dalmatien, Kroatien und Bosnien vorübergehend an die Türkei verloren. Der gleiche König kann so gar seine Macht über die Karpaten hinaus nach Norden erweitern, indem er Galizien in Besitz nimmt. Der Mongolensturm zerstört alles. 59
In der folgenden Zeit entstehen und blühen die zahllosen deutschen Städte in Ungarn auf, sind die Hauptträger des geistigen und wirtschaftli chen Lebens und vor allem die kräftigsten Stützen der herrschenden Köni ge. Mit Andreas III. sterben die Arpaden, das einzige echte ungarische Herrschergeschlecht, aus (1301). Das Geschlecht verzeichnet zwar diploma tische und politische Erfolge, aber keine wirtschaftlichen. Von den Handels wegen Europas führt zwar schon damals eine beachtliche Zahl durch Un garn - sogar ein Stück Adriaküste gehörte dazu -, in dieser Zeit stammte 25-33 % der Goldproduktion der Welt aus Ungarn, es hätte also das reichste Land Europas sein müssen, aber das Geschäft machten „Fremde, die in By zanz oder in Süddeutschland wohnten”, so daß Tonnen ungarischen Goldes für Seide, Samt, Perlen, Halbedelsteine oder andere Luxusartikel ins Aus land wanderten, indes im Land selbst Geldnot herrschte. So sehen ungari sche Chronisten die Dinge (Faludy, Tatar, Poloczi-Horvath). Nach inneren Wirren um die Nachfolge geht der Thron an das Haus An jou-Neapel über. Karl-Robert von Anjou kann mit Hilfe der deutschen Zipser seine Stellung gegenüber dem mächtigen Adel festigen. Sein Sohn Lud wig I. der Große ist ab 1370 auch König von Polen. Diese Verquickung mit Polen flammt in der gemeinsamen Geschichte immer wieder auf und wird in manchen Zeitabschnitten anderen Mächten zur Gefahr. In Polen regiert Ludwig I. mit Hilfe seiner Mutter Elisabeth, in Ostgalizien, auch Rotruß land genannt, ist sein Statthalter Herzog Wladislaus von Oppeln. Ein Bran denburger und ein Habsburger, zwei deutsche Fürsten, folgen auf dem un garischen Thron, ein polnischer Herrscher, der bei der Türkenabwehr fällt, regiert bis 1444 in Ungarn. Wieder folgen Aufstände und Bürgerkriege. Am Ende steht die Teüung Ungarns. Im Ostteil regiert der Ungar Johann Hunyadi, im Westteil Kaiser Friedrich III. 1458 wird Hunyadis Sohn Mathias I. Corvinus zum König gewählt. Sein Lebensziel ist die Vertreibung der Türken aus Europa. Ungarn selbst war zu schwach und vom Westen her keine ausschlaggebende Hilfe zu erwarten. Er entschloß sich daher, zuerst gegen den Westen zu ziehen, Österreich, Böhmen, Mähren und Schlesien zu erobern und dadurch die römisch-deut sche Kaiserkrone zu erwerben. Mit dieser kaiserlichen Macht sollte es dann gegen die Türken gehen. Für die Ausführung eines solchen Planes war al lerdings ein Menschenleben zu kurz. Der Krieg verzehrte Riesensummen, selbst die Getreuen lehnten sich nach 1475 auf. Schlesien kommt 1469 in sei nen Besitz, und 1485 gelingt ihm noch die Besetzung von Wien, aber bald 60
stirbt er in seiner neuen Hauptstadt Die ungarische Episode ist damit zu Ende. Sein Nachfolger König Wladislaus II. aus dem litauischen Haus der Jagiellonen war unfähig. Es war die Zeit, in welcher fast alle Bergwerke des Landes an die Familie Fugger zunächst verpachtet und später für 100 000 Gulden an diese verkauft wurden. Aus ungarischer Sicht gingen auf diese Weise Städte und Marktflecken nach einer 150jährigen Blützeit zugrunde. Es war aber auch die Zeit der deutschen Schwäche, von welcher ich schon an anderer Stelle sprach. Schlesien verlor seine Herzogtümer Ausch witz (1454) und Neustadt/Zator (1456), die Macht der Hanse ging zu Ende, der Deutsche Ritterorden verlor sein Gewicht, die Schweiz begehrte auf, Burgund ging verloren. Seit der Beendigung der Völkerwanderung hat das deutsche Volk das eindeutige Übergewicht in Europa, und es ist der Inhalt auch unserer Ge schichte, festzustellen, wie seither versucht wurde, dieses Übergewicht ein zudämmen und das räumliche Kraftfeld unseres Volkes zu verändern. Daß wir Schlesier am Ostrand dieses Feldes jede Veränderung des Kräftespiels feinfühliger registrieren, beurteilen und erleben, ist unser Schicksal, denn jede Schwäche der Deutschen war stets zum Nąchteil für uns und unser Schlesien. Ein Zustand, den der Binnendeutsche einfach nicht kennt, weil er ihn nicht berührt, weil er ihn selbst nicht erlebt hat. So reihen sich die Geschehnisse rund um das südöstliche Schlesien, von Galizien im Osten, Ungarn und der Slowakei im Süden bis Mähren und Böhmen im Westen in einem Halbkreis mit größerem oder kleinerem Ra dius um uns aneinander, je nachdem und wie weit es dem Nachbarn gelingt, in das deutsche Kraftfeld vorzudringen. Noch sind die geschilderten Bedro hungen und Veränderungen von zeitlich begrenzter Dauer. Noch sind es, auf die Länge der Jahrhunderte gesehen, Episoden, die verklingen. Sowohl Böhmen als auch Ungarn bleiben dem deutschen Einfluß erhalten. Unser südlichster Zipfel Schlesiens bleibt weiter deutsches Brückenland nach Osten, Süden und Westen. Durch diesen Zipfel gehen wichtige Handelswe ge, die man gerne fest in der Hand hat. So erwähnt die Geschichte schon den Jablunkapaß um das Jahr 1000 als einen Handelsweg, dessen Besitz die Machtbildung des Großmährischen Reiches in der Zeit zwischen der avari schen und der ungarischen Beherrschung des Donautales mit begründete. Die spätere Entwicklung hat wohl die Mächtigen und deren Staaten verän 61
dert, nicht aber den Wunsch, gerade diesen uns so nahen Platz zu beherr schen. Ich habe mit dem Beginn der fremden Perioden unseren Weg verlassen, um an diesem Beispiel den Zusammenhang vom Wohl und Wehe unseres Landstriches mit der Stärke und Schwäche des ganzen Deutschlands aufzu zeigen, und kehre nun wieder zurück zu jenem Zeitpunkt, als auf Urkun den unserer Herzogtümer wieder Namen deutscher Kaiser erscheinen. Es war dies, wie schon erwähnt, Karl Y. Es soll aber nicht vergessen werden, daß in diesem Zeitabschnitt des Aufklingens fremder Namen auf den genannten Urkunden auch solche er scheinen, mit denen Großtaten deutschen Geistes untrennbar verbunden bleiben. Um 1450 wird die Erfindung der Buchdruckerkunst im Westen des Rei ches durch den Mainzer Patrizier Johann Gensfleisch zum Gutenberg be kannt, und in Thorn erblickt 1473 Nikolaus Kopernikus das Licht der Welt. Ich habe diesen großen Sohn Thorns schon an anderer Stelle erwähnt. Ko pernikus, im Osten Deutschlands geboren, kann zu jenen gerechnet wer den, die, von der bisherigen strengen Kirchenlehre losgelöst, die Ergebnisse ihrer selbständigen Erforschung des Ablaufs unseres Lebens mutig vertra ten. Seine Arbeiten fußten auf dem geistigen Werk des universalen Denkers Nicolaus von Cues, dieses schöpferischen Naturforschers und Mathemati kers von Rang. Ihm geistesverwandt war Theophrastus Paracelsus, der in den Weltvorgängen eine Summe von Naturprozessen sah und nur aus Er fahrung und Experiment wirklich Sicherheit und letzte Erkenntnis gewin nen wollte. Gedankengänge, die auch in unserem technischen Zeitalter Gültigkeit haben. Kopernikus wurde als Sohn des deutschen Bürgers Niklas Kopernikus und seiner Ehefrau Barbara Watzenrode geboren. Zu den Stätten seines späteren Wirkens, die noch nicht erwähnt wurden, gehören Heilsberg, wo er 1504 bis 1510 als Leibarzt seines Oheims, des ermländischen Bischofs Lu kas Watzenrode lebte, und es gehört auch der stark befestigte Domhof zu Frauenburg dazu, dort wo im nordwestlichen Turm seine Wohn- und Ar beitsstätte, mit nur wenigen Unterbrechungen, in den Jahren 1510 bis 1543 lag. In der Zwischenzeit lebte er in Allenstein als Landpropst. In Frauen burg beschließt er sein Leben und wird der Sitte der Zeit entsprechend im Dom beigesetzt, ohne daß man jedoch bisher in der Lage war, sein Grab zu identifizieren (Bahr). 62
Diesen Mann heute als Polen darstellen zu wollen, wird sicherlich nicht überall und auch nicht dauernd Anerkennung finden. Und was geschieht in dieser bewegten Zeit mit der Wanderung der deut schen Siedler? Kehren wir zurück an den Anfang des 14. Jahrhunderts, etwa in die Zeit also, in welcher Bielitz zum ersten Mal genannt wurde. In eben dieser Zeit ruft der ungarische König deutsche Siedler über den Jablunkapaß. Es sind Teschener Bürger, die Sillein im oberen Waagtal grün den, und östlich von Auschwitz entsteht Zegotenhau, tief in Polen wird Lu blin nach deutschem Recht ausgesetzt. 1320 wird Bartfeld in der Zips zum ersten Mal genannt. Nach ihrem Gründer Wolfram erhält die Stadt Wolbrom ihren Namen (1321). Östlich von Saybusch nennt man Güowice (Gigersdorf 1326), Rychwald (Lichtenwald 1335) sowie 1327 Saybusch selbst, ebenso Wadowitz und Spytkowitz erstmals. Bei der Übergabe des schlesischen Landes 1327 an Böhmen werden auch die Orte Freistadt, Jablunka und Skotschau erwähnt. 1328 folgen Sei bersdorf (Kozy, östl. Bielitz’), Schreibersdorf (Pisarzowice), Denkendorf (Dankowice), Wümesau, Friedrichsdorf nordwestlich von Wadowitz und Inwald nordöstlich Andrichaus. 1333 entstand wahrscheinlich Sucha. Weit im Osten, im rotreußischen Land, dem späteren Ostgalizien, wird Lemberg, seine nachmalige Hauptstadt, in den Jahren 1333 bis 1370 haupt sächlich von Deutschen neu aufgebaut. Der Lemberger Dom ist noch ein Denkmal aus dem „deutschen Lemberg”. Seine letzten Baumeister waren Jochen Grom und Ambrosius Rabisch aus Breslau. Auch noch im nächsten, dem 15. Jahrhundert spielt nicht nur in Lem berg, sondern auch von dort nach Westen hin, in Przemyśl, Rzeszów, Kros no und schon nahe Krakau in Neusandez das deutsche Element besonders in der Verwaltung der Städte und in der Bautätigkeit eine führende Rolle. Gegen Ende des Jahrhunderts ist dann auch die Wanderung nach Rotreu ßen (Ostgalizien) auf dem Höhepunkt angelangt. Herzog Wladislaus von Oppeln ist in dieser Zeit hier als Statthalter des Königs Ludwig von Ungarn eingesetzt. 1338 wird Warschau nach deutschem Recht ausgesetzt, jene Stadt, die auch einen deutschen Anfang hatte, und die, obwohl weit von uns gelegen, doch Einfluß auf unser Geschehen nahm. Hier, in der späteren Hauptstadt des polnischen Staates, wurden wie auch in Krakau Entscheidungen getrof fen, die für Teile von Oberschlesien im besonderen und für Schlesien in sei63
ner Gesamtheit von Wichtigkeit waren. Von Wichtigkeit und nachhaltiger Wirkung besonders immer dann, wenn Deutschland schwach war oder sei ne Kräfte im Westen oder tief im Süden band und verbrauchte. Einige Anmerkungen über den deutschen Anteil in der Entwicklung von Warschau, der sicherlich weiten Kreisen unbekannt sein dürfte oder pa radox in bezug auf die spätere Wandlung erscheint, seien hier nun einge flochten. Sie können, stellvertretend für viele ostdeutsche Schicksale auch unserer Gegend, als charakteristisch angesehen werden. Nach dem Mongolensturm setzt auch in diese 1224 erstmals genannte Stadt die erste große deutsche Einwanderung ein. Einem Aufsatz von E. Philipp entlehnt, stammen die folgenden Ausführungen: „Als Herzog Konrad von Masowien die Regierung dieses, um die heuti ge Hauptstadt Polens gelegenen Landes übernahm, wies es eine geringe Einwohnerzahl auf. Viele deutsche Handwerker und Kaufleute folgten der mit besonderen Rechten ausgestatteten Einladung des Herzogs und grün deten neben dem polnischen Dorf Warszawa ein deutsches Städtchen auf dem Gebiet der heutigen Altstadt. Noch lange nach der Gründung wurden Ratsakten und Protokolle der Altstadt in deutscher Sprache verfertigt.” 1526 wurde die Stadt nach Erlöschen der letzten masowischen Herzogs linie zusammen mit Masowien dem polnischen Königreich einverleibt. Re sidenzstadt war damals noch Krakau. Das Warschauer Landgebiet gehörte zum Teil angesehenen deutschen Patrizierfamilien. Auch der Handel und das Gewerbe der Stadt befanden sich - gleich wie in Krakau - völlig in deutschen Händen. Mit Nürnberg und Augsburg betrieb man regen Handelsverkehr. Die Augsburger Fugger un terhielten eine Niederlassung in Warschau. Ein steinerner Zeuge aus dieser Zeit, das Fugger-Haus (von den Polen wurde es Fukier-Haus genannt), wur de von dem 1530 aus Breslau eingewanderten Weinhändler Korb erbaut und diente bis in die neueste Zeit als Weinstube. Der Name dieser berühmten Familie schwand langsam aus dem Gedächtnis vieler Zeitgenossen. Die „reichen Fugger” waren schließlich in deutschen Landen vergessen, so daß, wie von Pölnitz berichtet, „selbst die eigenen Vettern sie ausgestorben glaubten”. Und er schreibt weiter: „Erst in jüngster Zeit glückte die Feststel lung, daß die Fugger vom Reh über 450 Jahre nach dem Fall des berühmten Lukas noch fortbestehen. Weitab von der Urheimat leben sie gegenwärtig als frühere Großhändler in Polen. Nach manchem Krieg und trotz Verwü stungen blüht im Herzen Warschaus ihre berühmte Weinwirtschaft, das 64
Haus der ,Fukier’, Nachklang der einstmals bourgeoisen Prosperität ihres Hauses.” Die Familie Fugger war mit Gregorius Fugger 1525 zugewandert. Der Blütezeit folgt im 14. Jahrhundert wie überall im Osten die Zeit des nationalen Gegensatzes und im 15. Jahrhundert die Periode des Niedergan ges und des Versinkens. Durch die Bildung eines „Oberhofes” in Krakau wird die alte gewachsene Bindung in rechtlichen Dingen mit Magdeburg und Halle je abgebrochen, die Vorrechte der deutschen Bürger werden nach und nach abgebaut. Die Übernahme geistlicher Ämter und der Landerwerb wird den Deutschen untersagt. Die führende Schicht ging wahrscheinlich zuerst im Polentum auf. Die beiden letzten Jagiellonen Sigmund I. der Alte (1506-1548) und sein Sohn Sigismund II. August (1548-1572), die mit deutschen Prinzessinnen verhei ratet waren, ermöglichen eine erneute westliche Zuwanderung, darunter auch wieder Holländer und Deutsche. 1596 wird Warschau durch König Sigismund III. aus dem schwedischen Haus der Wasa wieder Residenzstadt. Unter den altstädtischen Würdenträgern spielen Deutsche bedeutsame Rollen: 1625 war Blumhoff Bürgermeister, 1627 Schlitung Unterschatzmei ster, 1690 Knabe einer der Ratsherren und gegen Ende des Jahrhunderts war Gerhard Witthofs Stadtpräsident. Im Patriziertum überwogen die deut schen Namen wie: Busser, Balzer, Buchholz, Erhardt, Fechter und andere. 1623 gründeten die katholischen Deutschen die „Brüderschaft des heili gen Bennoni”, 1775 wurde die erste deutsche evangelische Kirchengemein de in Warschau geschaffen, 1781 besaß sie schon eine eigene Kirche. König August der Starke von Sachsen und Polen (1697-1733) hielt mit seinem Heimatland weiterhin Kontakt und ließ deutsche Fachleute auch in Warschau arbeiten. Dem Wilanower Schloß verlieh der Baumeister Johann Christoph das endgültige künstlerische Gepräge. Der Erbauer des Dresdner Zwingers Ma thias Daniel Pöppelmann schuf die Entwürfe für das „Sachsen-Palais”, Karl Friedrich Pöppelmann gestaltete die Wasserfront dieses Schlosses. Der in Dresden geborene Hofbaumeister Kemsetzer gestaltete das „LazienkiSchloß” in den Jahren 1784 bis 1793 völlig um. Das „Brühl’sche Palais” (ge nannt nach dem Minister König Augusts III., Graf Heinrich Brühl) erbau ten die deutschen Architekten J. D. Jauch, Knöbel und Knöffel. Der Dresdner Landschaftsgestalter Johann Schuch schuf den Lazienkipark, den „Sächsischen Garten” und Knachfuß den Krasinskipark. 65
1720 war Lorenz Christoph Mitzier von Koloff aus Heidenheim in Würt temberg erster Herausgeber der wissenschaftlichen Zeitschrift „Warschauer Bibliothek”. 1795 kam Warschau an Preußen und erhielt 1804 ein königliches Ly zeum, an welchem in deutscher und polnischer Sprache unterrichtet wurde. Sein langjähriger Direktor war Samuel Gottlieb Linde, der Schöpfer eines polnischen Wörterbuches. An der Industrialisierung von Warschau im 19. Jahrhundert waren Deutsche wiederum führend beteiligt. Bekannte Namen Warschaus legen dafür Zeugnis ab: Lilpopp, Rau, Löwenstein, Bormann und Schwede, Ge brüder Henneberg, Trotzler und Co., Schlenker, Bauerfeind, Pfeiffer oder Haberbusch und Schiele. 1826 siedelte der Krakauer Kaufmannssohn Peter Anton Steinkeller nach Warschau über und gründete Textil- und Landmaschinenfabriken, or ganisierte die Zinkförderung und -ausfuhr nach England und war auch der Initiator der Warschau/Wiener Eisenbahn sowie Schöpfer der WeichselDampfschiffahrt. All dieses Deutschtum ist inzwischen erloschen und verschollen. Nach vollbrachter Leistung sind die eigentlichen deutschen Pioniere nur zu oft schneller vergessen, als ihre Aufbauarbeit an Zeit erforderte. Nur wenige erinnern sich heute noch der Arbeit jener, denen damals der Aufbau einer neuen Heimat Lebensaufgabe und Herzensangelegenheit war. Vielleicht will man es heute gar nicht mehr wissen.
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VOM 13. ZUM 14. JAHRHUNDERT Die Wanderung deutscher Siedler - Der Auszug aus Prag Teschen wird selbständiges Herzogtum Karl IV. und seine Zeit Teschener Herzoge in dieser Periode. -
Die Wanderung deutscher Siedler
Kehren wir aber nach diesem Besuch an der mittleren Weichsel nun zur Wanderung der deutschen Siedler in den Raum am Fuß der Karpaten zu rück. Sie macht weitere Fortschritte. 1342 erhalten zwei deutsche Vögte den Auftrag, die Stadt Myślenice nach deutschem Recht ins Leben zu rufen. Dadurch wird die Verbindung mit dem weiter südlich gelegenen Arwa-Tal hergestellt, wo sich gleichfalls deutsche Siedler niedergelassen hatten. 1345 erscheint Andrichau und 1361 Landskron (Lanckorona im Gebiet der oberen Skawinka) erstmals in Urkunden. Anfang des 13. Jahrhunderts (etwa 1230) reichte in den Beskiden das Ge biet des schlesischen Piasten Heinrichs I., der damals auch Herr von Krakau und Sandomir war, schon weit ins Tal der Popper aufwärts, die Besiedlung setzte damals an der oberen Popper und der Hemad ein. Es entstand das deutsche Sprachgebiet der Zips, das durch die reichen Erzlager dieser ober ungarischen Gegend von besonderer Bedeutung wurde. Die Zufahrtsstra ßen führten in die Zips über Bielitz-Neumarkt (Nowy Targ) oder KrakauNeu-Sandetz oder über Teschen-Jablunkau-Sillein-Rosenberg. Und von der Zips aus wurden dann die Kemnitzer und Deutschprobener Gegenden besiedelt. Am Dunajetz (die Zipser nennen ihn Donst) entstanden auf einer Strekke von etwa 100 Kilometern 16 Burgen mit damals deutschen Namen. Unter ihnen: Tropfstein (Troptsztyn), Zornstein (Czomstyn), Molstein (Molstyn) oder auch Rabenstein (Rabstyn), um nur einige zu nennen. In Galizien erinnern auch noch eine Reihe von Namen an ihre deutsche Vergangenheit: Gorlice (Görlitz), Frystak (Freystadt), Nowytarg (Neu markt), Krosno (Krossen), Szymbark (Schönberg), nicht zuletzt Krakau 67
und Lwow (Lemberg-Löwenberg). Wir wissen auch, daß das galizische Deutschtum im 16. Jahrhundert schwerste Verluste erlitt. Ein kleiner Hinweis noch auf die Weiterwanderung nach Osten: Etwa um 1371 wird in der Stadt Sereth im östlichen Buchenland unter Mitwirkung der deutschen Franziskanermönche Nikolaus von Mehlsack und Paul von Schweidnitz ein katholisches Bistum errichtet. Um 1400 soll diese Stadt auch eine starke deutsche Gemeinde besessen haben. Das 15. Jahrhundert bringt den deutschen Siedlern, wie schon erwähnt, wenig Glück, vielmehr gebietsweise fast völlige Vernichtung seines Bestan des. Zum Beispiel im Auschwitzer Land. Ohne Hüfe aus Deutschland muß ganz Schlesien um sein Deutschtum kämpfen. Auch dem Deutschtum Oberschlesiens erwachsen Verluste. Die religiösen Leidenschaften während der Hussitenkriege tun reichlich das ihrige dazu. Die deutsche Kultur Böhmens und Schlesiens wird durch die tschechischen Rebellen, wo sie erscheinen, fast vernichtet. Die Hussitenbewegung ist aber nicht zuletzt auch eine nationale Reak tion des Tschechentums gegen das wirtschaftlich stärkere Element der Deutschen, das durch die wohlhabenden Landbesitzer und Stadtbürger dargestellt ist. In Böhmen, besonders in Prag, werden die Deutschen zur Flucht genö tigt und ihr Besitz eingezogen. Und das Ergebnis des ganzen grausamen Hussitenkrieges? Es könnte kurz wie folgt zusammengefaßt werden: das Ansehen des Königtums ist ge schwächt, die Vormacht der römischen Kirche nicht mehr wirksam, das Deutschtum in Böhmen, mit Ausnahme der Randgebiete, vernichtet oder zurückgedrängt. Die Gründung eines tschechischen Nationalstaates gelang jedoch nicht. Der Auszug aus Prag, Teschen wird selbständiges Herzogtum.
Zu diesen Erscheinungen zählen auch die Ereignisse, wie sie sich an der er sten deutschen Universität in Prag zutrugen. Sie sind kennzeichnend für den Geist der damaligen Zeit und für die Einstellung dem Deutschtum ge genüber. Die Prager Universität war damals Geisteszentrum. Die Studenten wa ren in vier „Nationen” eingeteilt. In der Universitätsversammlung verfügte
jede dieser „Nationen” über eine Stimme, wie das auch an den Universi täten von Paris und Bologna üblich war, die als Vorbilder galten. Im Jahre 1409 wurde König Wenzel IV. bewogen, im „Kuttenberger De kret” in Abwandlung der bisherigen Verfassung den drei deutschen „Natio nen” in Zukunft zusammen nur eine Stimme zuzubilligen, während der ei nen böhmischen „Nation” allein drei Stimmen gegeben wurden. Dieses Dekret hat unter dem damaligen Rektor Hennig Baltenhagen, einem Nie dersachsen, zu dem bekannten Auszug der deutschen Professoren und Stu denten aus Prag und zur Gründung der Universität Leipzig geführt. Welch tiefen Eindruck von Ungerechtigkeit dieser königliche Akt hinterließ, er hellt schon allein diese eben geschüderte Tatsache des Auszuges der deut schen Akademiker aus Prag zur damaligen Zeit. Der König verfügte diesen Akt seiner schwachen Position wegen und um vor allem wenigstens in Böh men etwas Rückhalt zu behalten. Trotz des Nachgebens Wenzels IV der tschechischen Richtung gegenüber verlor er aber auch hier sein Ansehen verhältnismäßig schnell. Der für das Deutschtum verursachte Schaden in diesem Lande war aber kaum mehr wiedergutzumachen. Bis zum 14. Jahrhundert war Prag für ganz Schlesien die wichtigste Uni versität. Nun aber war ihr Besuch durch die Tschechisierung unterbrochen und unmöglich geworden. Wien, Krakau und Leipzig waren jetzt die neuen Studienplätze geworden. Unter den Studierenden der Krakauer Universität überwogen, wie in Prag, die Deutschen. Unter den Professoren waren im ersten Drittel des 15. Jahrhunderts von 128 allein 50 Deutsche, und davon wieder sieben aus dem oberschlesischen Raum (je einer aus Neisse, Ziegen hals, Kreuzburg, Troppau, Ratibor und Liebenwerde-Kenty). Leipzig, das an die Stelle von Prag trat, wurde nun zum Zufluchtsort für die Schlesier. Einige Führer der Auszugsbewegung waren Schlesier, und so war auch Breslau als Zielort des Auszuges in Erwägung gezogen, wegen der zu östlichen Lage aber wieder fallengelassen worden. Rasch entschlossen hatten, mit päpstlicher Zustimmung, die markgräfli chen Brüder Friedrich und Wühelm nun die neue Universität in Leipzig ge gründet, und schon am 2. Dezember 1409 wurde in einem Festakt im Refek torium des Thomasklosters das erste Semester mit 369 Scholaren eröffnet. Der erste Rektor Johann von Münsterberg war Schlesier, und von der Grün dung bis zum Jahr 1500 waren 24 weitere Rektoren ebenfalls Schlesier. Aber auch an anderen deutschen Universitäten waren Schlesier anzu 69
treffen. Der Rektor der Wittenberger Universität, der 1508 Martin Luther als Professor inskribierte, Christoph Faber, war Schlesier, und in Wien gab 1528 Christoph Rudolf aus Jauer das erste Buch über die Algebra heraus. Die Zahl der Studierenden aus oberschlesischen Städten an der Univer sität Krakau war auch nicht unbedeutend. Im 15. Jahrhundert waren lau fend zum Studium anwesend: aus Oppeln 17 bis 23, aus Beuthen etwa 10, Auschwitz sandte 5 bis 6, Teschen 9 bis 25, Cosel 3 bis 8, Sohrau 7 bis 16 und Troppau 9 bis 30, bezogen auf ein Viermonatsintervall. Die Anteile an den Universitäten Prag und Leipzig von Studierenden aus ganz Oberschlesien sind oder konnten bisher noch nicht ermittelt wer den, da entweder die Unterlagen nicht immer zugänglich oder die Zahlen nur nach dem später preußischen Teil von Oberschlesien ausgewertet und festgestellt worden waren. Besonders die zuletzt genannte Tatsache, daß entweder nur der preußische oder der österreichische Teil von Oberschle sien geschildert, statistisch erfaßt oder geschichtlich verarbeitet wurde, stellt einen großen Nachteil bei dem Vorhaben dar, heute über das ganze Gebiet zu berichten, wo es keine Bedeutung mehr hat, ob das Stückchen Land zu Preußen oder zu Österreich gehörte, heute wo beide Staaten in der damali gen Form nicht mehr existent und das schlesische Land als Ganzes verlo ren ist. Kehren wir nach diesem Abstecher in das Gebiet der akademischen Be lange wieder zu den Geschehnissen im Land vor den Bergen zurück. Das Herzogtum Teschen und das Bielitzer Land, das Herzstück meiner Ausarbeitung und mit allen bisherigen Ausführungen mehr oder weniger verflochten, wird seit dem Tod des Herzogs Wladislaus von Oppeln im Jah re 1282 durch die Teschener Linie der Piasten als selbständiges Herzogtum regiert. Bis dahin war es ein Teil Schlesiens, der alle Wandlungen miterleiden mußte, welche dieses Land im Widerstreit der an seinen Grenzen zusam menstoßenden Gegensätze durchmachte. In der frühesten vom Licht der Geschichte erhellten Zeit bildete es einen Bestandteil des Großmährischen Reiches und blieb nach dessen Zerfall das 10. Jahrhundert über mit Böh men vereint. Erst kurz vor dem Jahr 1000 wird es eine Beute der Erobe rungspolitik Polens unter Boleslaus Chrobry, der seine „Westmarken” glücklich gegen die Kaiser Heinrich II., Konrad II. und Heinrich V. behaup tet. Erst 1163, unter Kaiser Friedrich I. Rotbart, gewinnt Schlesien eine ge 70
wisse Unabhängigkeit von Polen, indem er beginnt, das Land dem Haus der Piasten nahezubringen. Unter dem Einfluß des Zustromes deutscher Kolo nisten erstarkt, gewinnt Schlesien später dann seine volle Unabhängigkeit. Noch vor dem Ende des 13. Jahrhunderts war Schlesien praktisch einge deutscht, wurde aber in seiner späteren Geschichte ständig erbgeteilt und damit sehr geschwächt. Der Bruder des 1146 aus Krakau vertriebenen Wladislaus, Herzog Boleslaus IV., übernimmt dort die Regierung, muß aber 1163 die kaiserliche Ober hoheit anerkennen. Mit Hilfe Kaiser Rotbarts können die Söhne des Wla dislaus, Boleslaus und Mieschko, zurückkehren. Der Vater mußte 17 Jahre im Exil leben und starb vermutlich in Altenburg in Thüringen. Nach sei nem Tod erhält Sohn Boleslaus die Kastellatur Oppeln und Mieschko das Teschener Land. Zu seinem Besitz kommen außer Teschen auch Ratibor, Beuthen, Auschwitz, Pleß (1177) und Neustadt/Zator (1197) hinzu. 1201 fällt auch Oppeln an Mieschko. Er nennt sich von nun an „Herzog von Oppeln”. Auch Sewerien gehört zu seinem Herrschaftsgebiet. Sewerien, Auschwitz, Neustadt/Zator, Pleß und Teschen sind also die am weitesten vorgeschobenen Landschaften von Schlesien. Die Grenze Schlesiens verläuft gegen Krakau hin an dem Flüßchen Skawinka entlang nordwärts bis etwa gegen Tyniec an der Weichsel, nur etwa 10 Kilometer von Krakau entfernt. Eine Tatsache, die kaum bekannt und in deutschen Geschichtsbüchern nur allzu selten vermerkt ist (um 1274). Nach dem Tod des vorhin erwähnten Herzogs Wladislaus von Oppeln am 23. November 1282 erhält nun Sohn Mieschko Teschen und Auschwitz. Als Herzog Mieschko I. von Teschen und Herr von Auschwitz regiert er von 1290 bis 1313. Urkunden aus dem Jahr 1284 nennen seinen Bruder Przemyslaus auch als Herzog von Auschwitz, der Land in Spytkowitz bei Neustadt/ Zator an das Kloster Mogiła gibt. Bemerkenswert ist das Jahr 1289, in welchem sich als erster schlesischer Fürst der Herzog Kasimir von Beuthen, ein dritter Sohn des Wladislaus, als Lehensmann König Wenzels II. von Böhmen bekennt. Nicht weniger wich tig ist das Jahr 1290, in welchem Teschen erstmals urkundlich genannt wird. Mieschko I. ist Herzog von Teschen und Herr von Auschwitz mit Sitz in Teschen, das von nun an bis 1653, also runde 360 Jahre, Herzogssitz dieser Linie bleibt. Am 17. Januar 1291 kommen Teschen und Auschwitz unter böhmische Abhängigkeit. Gerade ein Jahr zuvor erhielt das Königsgeschlecht dieses 71
Landes, die Przemysliden, die deutsche Kurfürstenwürde verliehen. In die sem Jahr befindet sich der Teschener Herzog in der Umgebung des böhmi schen Königs Wenzel II. (1278-1305,1300-1305 auch König von Polen), mit dem er einen Lehensvertrag und einen Beistandspakt abschließt. Mit dem Tod Wenzels II. 1305 hört diese Abhängigkeit des Teschener Landes für kurze Zeit wieder auf. Das kleine Ländchen mit seinen geringen Hilfsquellen konnte aber nur schwer eine wirkliche Unabhängigkeit auf rechterhalten. Eingekeilt zwischen dem aufstrebenden Böhmen, dem mächtigen Ungarn und dem damals nicht weniger starken Polen, hatte es nur geringste Chancen, ganz frei zu bleiben. War vorhin die Rede von der Grenze des Landes nach Krakau hin, also gegen O sten zu, so war seit alters her die Grenze nach Westen, nach Mähren hin, durch das Flüßchen Ostrawitza gegeben. Dieser Gebirgsfluß änderte oft seinen Lauf und gab so Veranlassung zu Grenzstreitigkeiten. Schon Ot tokar II., 1253 bis 1278 König von Böhmen, hatte mit Herzog Wladislaus von Oppeln einen Vertrag zur friedlichen Lösung der Grenzfragen geschlossen. Von Hruschau an, stromaufwärts bis an die Grenze Ungarns, bestimmte die Ostrawitza nach diesem Vertrag die Grenze. Im gleichen Jahr 1291 erobert König Wenzel II. von Böhmen Krakau und läßt sich 1300 in Gnesen zum König von Polen krönen. Südlich unseres Ländchens entstehen durch das Aussterben der Arpaden in Ungarn ernste Machtverschiebungen. Wenzel II. von Böhmen, der schon schlesische Her zoge für sich gewonnen, Krakau besetzt und die Wahl seines Sohnes Wen zel zum ungarischen König durchgesetzt hatte, wird zu mächtig. König Albrecht I. von Österreich zieht gegen ihn, zwingt ihn zur Aufgabe der pol nischen Gebiete und zur Anerkennung der deutschen Oberhoheit. In die Regierungszeit Mieschkos I. fallen auch im Jahr 1291 Urkunden, die sich mit Bielitz befassen, eine mit der Stadt Auschwitz, in welcher der Fürst der Stadt das Recht erteilt, alle in dieser Kastellanei sich ergebenden Fälle des Höheren Rechts vor dem Stadtgericht durch Schöffen selbst aburteüen zu können. Auch erhält die Stadt das Niederlagsrecht für Blei und Salz sowie die Zolleinnahmen aus zwei Brückenübergängen, ein Zeichen für einen lebhaften Transithandel zwischen Mähren-Schlesien im Westen und Krakau und Polen im Osten. Eine eigene Münze muß der Herzog auch schon betrieben haben, denn aus dieser Zeit ist der Name seines Münzmeisters überliefert. Es ist ein Mann namens Fritto - wie eine Urkunde aus dem Jahr 1290 aussagt -, „der 72
Besitzer einiger Hufen Landes in der Nähe der Hauptstadt war”. Die Grün dung dieser Hauptstadt Teschen wird im Jahr 1290, dem Jahr seines Regie rungsantrittes, verzeichnet. In seine Regierungszeit fallen auch die einmaligen Bemühungen, Kra kau in den Verband von Schlesien überzuführen. Kämpfe zwischen den Breslauer Fürsten und den Polen sind im Gange. Krakau geht den Polen verloren, die schlesischen Herzoge halten Einzug in Krakau. Auch Mieschko I. von Teschen ist darunter (1292). Die deutsche Bevölkerung von Krakau jubelt ihnen zu. Krakau wird von Herzog Nikolaus von Troppau verwaltet und befestigt. Der Luxemburger König Johann von Böhmen (1310-1346) ist so sehr mit den inneren Wirren des deutschen Reiches beschäftigt, daß er erst nach einer Reihe von Jahren seine Aufmerksamkeit den schlesischen und polni schen Dingen zuwendet. Die Lehensabhängigkeit der oberschlesischen Herzogtümer gerät in Vergessenheit, und unser Land gerät in Not. In Kra kau entbrennt ein Aufstand unter dem Vogt Albert mit dem Ziel, die deut sche Stadt Krakau auch politisch mit den deutsch gewordenen Ländern Böhmen und Schlesien zu vereinigen. Er scheitert aber. Es ist der einzige Versuch dieser Art in der Geschichte Krakaus. Die Stadt wird 1311 den Polen übergeben, die deutsche Bevölkerung von Krakau konnte den Anschluß ih rer Stadt an Schlesien nicht durchsetzen. Mitten in dieser so bewegten Zeit, in welcher der Einfluß des deutschen Hauses Luxemburg auch für unser Schlesien gewaltig ansteigt, stirbt der erste Teschener Fürst Mieschko I. im Jahr 1313. Kurz zuvor, 1309, kommt noch Guhrau zum Herzogtum Teschen. Mieschko I. von Teschen und Auschwitz hinterläßt zwei Söhne, Wladislaus und Kasimir. Der zuletztgenannte Sohn erhält Teschen. Als Kasimir I. (1316-1358) nennt er sich auf Urkunden - im Gegensatz zu seinem Vater - lediglich „Herzog von Teschen”. Den Auschwitzer Teil bekommt Wladislaus, er ist der erste Herzog von Auschwitz, denn die frü here Kastellanei wird jetzt ein eigenes Herzogtum. Die Söhne teilen ihr Erbe. In Troppau huldigten am 18. Februar 1327 und sechs Tage später in Beuthen fast alle oberschlesischen Fürsten König Johann von Luxemburg als ihrem Oberlehensherrn. In einer am 18.2.1327 ausgestellten Urkunde bekennt Kasimir I. von Te schen, daß er das ganze Land Teschen mit allen seinen Städten und Burgen 73
von König Johann von Luxemburg zu Lehen empfing. Teschen, Bielitz, Freistadt, Skotschau und Jablunkau, die Burg Ostrau und die Dörfer mit allen ihren Leuten, Vasallen, Rittern und „allen Zugehörigkeiten” stehen unter dem Schutz des Luxemburgers. Der König erklärt zusätzlich, daß im Falle eines kinderlosen Todes des Auschwitzer Herzogs Johann sein Her zogtum an Kasimir I. von Teschen oder dessen Erben fallen soll. Im Jahr 1289 (am 9. Januar) war schon Herzog Kasimir von Oppeln Le hensmann des böhmischen Königs Wenzel II. geworden, im gleichen Jahr wie Teschen (1327) waren es Herzog Boleslaus von Ratibor und Wladislaus von Kosel geworden. 1336 folgt Glogau und 1348 sind auch das Herzogtum Troppau, die südwestlich vorgelagerte Markgrafschaft Mähren und das Bis tum Olmütz unter Karl IV. zur Krone Böhmens und damit dem Deutschen Reich zugehörig. Auch das Auschwitzer Land machte in der Regierungszeit Kasimirs I. von Teschen Geschichte. Am 24. Februar 1327 belehnte König Johann von Böhmen Herzog Johann von Auschwitz und „Scholastikus von Krakau” mit Auschwitz/Zator. Genannt werden in der Belehnungsurkunde die Ort schaften: Sucha, Mono wiec (an der Straße Auschwitz-Neustadt/Zator), Auschwitz und Saybusch an der Sola, Frauenstadt/Wadowitz und Neustadt/Zator an der Skawa, Spitkowitz (östl. Neustadt/Zator), Liebenwerde/ Kenty, das 1277 gegründet wurde und östlich davon Lanke/Lenki, Osiek, Kunzendorf, Bratmannsdorf, Keymannsdorf, Geraltsdorf, Peterswald, Hartmannsdorf und Beigeldorf. Die Burg Wolek (südöstl. von Liebenwerde/Kenty, 1433 zerstört und 1453 wieder aufgebaut) ist auch darunter. Es ist das Land östlich von Bielitz, das bis vor die Tore von Krakau reicht. Etwa 12 Kilometer nur trennen die schlesische Grenze von dieser da mals auch deutschen Stadt, die sich anschickt, Zentrum eines wieder ent standenen polnischen Staates zu werden. Dieses Land gehört zu Schlesien und damit zum Deutschen Reich, eine leider in Binnendeutschland viel zu wenig bekannte Tatsache. Aus der Zeit Kasimirs I. stammen auch einige Meldungen aus dem Saybuscher Land. Der schon erwähnte Johann von Auschwitz nimmt die Ver leihung eines Waldes „eine Meile hinter Zembrzyce” an der Skawa für gute und treue Dienste des Adeligen Zegota von Benkowitz vor (Benkowitz ist der alte Name für Denkendorf, das heutige Berendorf südl. von Ratibor). 1326 werden erstmals in der kirchlichen Steuerliste Saybusch, Lenkawica und Gersdorf genannt. Dieser letztgenannte Ort wandelt seinen Namen 74
mehrmals: zuerst Gigersdorf, dann Gerowitz, Girowitz und endlich Gilowitz. Offenbar steckt in all den Namen der deutsche Name Gerhard, der auch der späteren polnischen Form zugrunde liegt Zur gleichen Zeit war mit „Zeiwicz” sicher das Dorf Alt-Saybusch gemeint Ein Engelbertus ist Pfarrer in Saybusch, ein Rudolfus ein solcher in Gersdorf, beide sind Deut sche. Als der Herzog das Land von König Johann von Böhmen zu Lehen nimmt und es damit in den Verband des D eutschen Reiches überführt, wird der Name „Zipscha” für Saybusch gebraucht, das schon damals Stadt und Zentralpfarre ist 1335 wird in den päpstlichen Listen die Pfarre Lichtenwald neu in diesem Gebiet geführt, 1350 Lipowa, 1358 der Ort Cencina genannt Weiter im Südosten, gegen den Dunajetz (Donst) hin, siedeln sich Deut sche aus der Pfalz an. Um Neu-Sandetz entstehen die Dörfer Helmitz, Stad lau, Eichendorf, Hutweide und Peitschendorf, die Burg Zornstein (Czor sztyn) und ein 1319 gegründetes Kartäuserkloster, die Burg Melsztyn, beide am Dunajetz (Donst), letztere 1340 vom Krakauer Kastellan Spytek erbaut, dann die Namen Szaflary, Grywałd und Waksmund; sie alle erinnern an die Gründung durch Deutsche, die schon im 13. Jahrhundert beginnt. Auch im Popradtal kann der Name des kleinen Kurortes Ryto (kohlen saure Quellen) vom deutschen Wort Ritter abgeleitet werden. Sillein im Waagtal ist eine Tochtersiedlung von Teschen, und das 1328 ausgestellte Pri vileg für die Zipser Deutschen ist in deutscher Sprache abgefaßt. Es ist Kö nig Karl I. von Anjou-Neapel und Ungarn, der es erteilt (sein Haus regiert seit 1308 in Ungarn). Wenn wir den Blick nach Osten wenden, so können wir aus der Amts zeit Kasimirs I. von Teschen berichten, daß König Kasimir III. von Polen ab 1330 die Stadt Lemberg wieder aufbauen läßt (gegründet wurde sie 1259). Die Mehrzahl der Bewohner sind Deutsche aus der Rheingegend, Sachsen und Schlesien. Nur ganz wenige sind Ruthenen oder Armenier. Die vom tatarischen Joch befreite Stadt erhält 1356 Magdeburger Recht und wird nicht nur Handelszentrum, sondern auch Bollwerk gegen den Osten. 1354 versammeln sich alle Piastenherzöge Ged er heißt: „Herzog von Polen”) in Krakau, das immer mehr geistiger Mittelpunkt Polens wird. Der Adel und der Klerus sind gegen das Vordringen des Deutschtums nach Osten einge stellt. Das Problem des Zusammenlebens von Völkern sehr verschiedener Kultur beginnt sich abzuzeichnen. Die Deutschen haben im ganzen Westen Polens eine sehr starke Stellung, und wenn wir gerade diese deutsche Ent wicklung betrachten, so nehmen wir überall das hohe Lied der Arbeit wahr: 75
die gewaltige Arbeitsleistung der Deutschen in Rodung und Kolonisation, die nicht ohne Erfolg und Früchte geblieben ist. Nicht umsonst nannte die Welt die Deutschen „homines laboris”, Menschen der Arbeit. Der Gedan ke, daß der Sinn des Lebens Arbeit ist, daß man lebt, um zu arbeiten, ist ein urdeutscher. Alle anderen Völker arbeiten, um zu leben; sie empfinden den Deutschen als unbequem. Dieses Unbequemwerden ist uns Deutschen und vielleicht gerade uns Grenzdeutschen zum Schicksal geworden. In den Jahren 1333 bis 1370 erwirbt der polnische König allmählich Gali zien, Wolhynien und Padolien, sein Wirken ist auch ostwärts gerichtet Und im Verhältnis zu Böhmen tritt insofern eine Wendung ein, als in dem Ver trag von Trentschin 1335 Johann von Böhmen auf die polnische Krone und die Lehensherrschaft über Masowien verzichtet und der polnische Herr scher der Oberlehensherrschaft des Luxemburgers Johann von Böhmen keinen Widerstand mehr entgegensetzt und ihr zustimmt. Damit ist die Ab trennung Schlesiens von Polen, die ja 1163 eingeleitet wurde, nun vollendet. Unter den Herzogen, die im Vertrag genannt werden, befinden sich auch die Fürsten von Oppeln, Beuthen, Ratibor, Johann von Auschwitz und der Teschener Herzog. Ein weiterer Vertrag, in Kasimirs I. Regentschaftszeit abgeschlossen, kommt aber noch hinzu. Es ist der Vertrag von Vischegrad (1339), der das Verhältnis zwischen unserem östlichen und dem südlichen Nachbarn - Po len und Ungarn - regelt: bei einem kinderlosen Tod Kasimirs III. von Polen soll seine Krone an Ludwig den Großen von Ungarn (von Anjou-Neapel) fallen. Er ist ein Sohn König Karls I. Robert von Anjou-Neapel und Schwie gersohn Kasimirs III. Der gleiche Kasimir II. besetzt 1343 die schlesische Stadt Frauenstadt entgegen einer Vereinbarung mit Johann von Böhmen-Luxemburg. Eben so fällt er in das Herzogtum Ratibor ein und belagert Sohrau. König Johann von Böhmen zieht bis vor Krakau, um entgegenzuwirken, aber erst sein Nachfolger Karl IV. erreicht Frieden, nachdem er dem polnischen König Namslau, Kreuzburg, Pitschen und Konstadt abnimmt. Aus einer päpstlichen Urkunde vom 18.8.1324 erfahren wir auch, daß unser Land sogar Einfällen der Litauer ausgesetzt war. Papst Johannes XXII. (1316-1334) schreibt dem Herzog von Teschen, Kasimir L, davon ver nommen zu haben, daß diese „das christliche Volk wegführen”, und rät ihm in Freundschaft mit dem Herzog von Masowien zu leben, um „den Ein dringlingen besser widerstehen zu können”. 76
Karl IV. und seine Z eit Teschener Herzoge in dieser Periode.
Karl IV. wird in Gegenwart von sieben schlesischen Fürsten in Prag 1346 zum König gekrönt. Er wird zum Beschützer Schlesiens. Nicht nur die Poli tik geht in diese Richtung, sondern auch wirtschaftliche Maßnahmen sind bekannt. Schon sein Vorgänger hat zum Beispiel die schlesische Wasserstra ße, die Oder, von Brieg bis Krossen von Hindernissen für die Schiffahrt beseitigen und die Fahrrinne auf 16 Ellen Tiefe bringen lassen, und Karl IV. verfügt die Räumung des Oderbettes von Breslau bis Frankfurt, mußte doch bis dahin der Warentransport, zum Beispiel das Salz, mittels Wagen zu Lan de befördert werden. Er vereinigt nicht nur 14 schlesische Herzoge unter seiner Führung, er fügt auch Troppau und das Land Mähren seinem Land und somit dem Deutschen Reich an. Die Selbständigkeit der mährischen und schlesischen Fürsten ist damit zu Ende. Dadurch, daß sie Böhmen zufielen, konnten sie sich weiter frei deutsch entwickeln, wurde Böhmen doch von Deut schen regiert und, das wissen wir bereits, zu diesem deutschen Herrschafts bereich gehören auch Teschen, Auschwitz und Neustadt/Zator. 1355 wird Karl IV in Rom zum deutschen Kaiser gekrönt. Unter ihm wurde Böhmen Deutschlands wichtigstes Reichsland. Er machte von Böhmen aus den Versuch, nicht nur die Reichsgewalt zu stär ken, sondern auch dem Reich das zu geben, was es noch nicht hatte, eine Hauptstadt, ständige Reichsbehörden und eine deutsche Kanzleisprache. Diesem unserem ersten kaiserlichen Oberlehensherrn ist in der deutschen Geschichtsschreibung nicht die notwendige Wertschätzung widerfahren, die er eigentlich verdient hätte (Stadtmüller). Deutsche Könige, die nach Italien zogen, haben bei den Geschichtsschreibern mehr Anerkennung ge funden als die nüchternen Verwalter, die in ruhiger Arbeit Tatsachen schu fen und die Macht des Reiches, des Königtums zu mehren suchten. Karl IV. hat es unternommen, durch großartigen Ausbau Prags diese sei ne böhmische Landeshauptstadt zur Reichshauptstadt zu machen, er rich tete zentrale Reichsbehörden ein, stiftete die erste Reichsuniversität, alle Behördenurkunden in deutscher Sprache. Dieser Prager Kanzleisprache ist auf dem Weg über die sächsische Kanzlei in Meißen und die Bibelüberset zung Luthers zur Grundlage der neuhochdeutschen Schriftsprache gewor den. Die „Goldene Bulle” von 1356, die das Recht der Kurfürsten und das Verfahren der Königswahl regelt, war der Versuch, das fehlende Grundge setz des „Regnum Germaniae” zu schaffen. Sie ist de jure bis 1806 in Gel 77
tung geblieben. Das Gewicht Böhmens wurde auf kirchlichem Gebiet durch die Erhebung des Bistums Prag zum Erzbistum verstärkt (Stadtmül ler). Während der Regierungszeit Kasimirs I. von Teschen bestiegen aber noch zwei andere große Herrschergestalten ihre Throne: in Polen war es König Kasimir III. (1333-1370), der Begründer der Universität Krakau (1364), der in der Geschichte seines Landes die Ostorientierung in Richtung der Ukraine begann, und König Ludwig I. von Ungarn (1342-1382), der spä ter auch König von Polen wurde (1370-1382). Diese drei Könige, deren Rei che sich in unserem engeren Heimatgebiet berühren, verfolgten in diesem Raum einander sehr ähnliche Pläne, indem sie entweder durch Eroberun gen oder durch politische Verträge den Raum des mittleren östlichen Euro pas mit seinen vielen Völkern zusammenzuschließen versuchten. In den nächsten eineinhalb Jahrhunderten sollten nun die böhmisch-deutschen Luxemburger, die ungarischen Anjou, die polnisch-litauischen Jagiellonen und die österreichischen Habsburger einen Wettlauf um die Erreichung des gesetzten politischen Ziels führen, in welchem - zwar nicht im ganzen Raum, Polen blieb unerreicht - dann doch die Habsburger siegreich blie ben. Mitten im Beginn dieses Geschehens stirbt der Teschener Herzog Kasi mir I., ein Mann der, wie sein Herzogtum, in seiner Zeit nur wenig in schrift lichen Dokumenten erscheint. Von den spezifisch Teschener und Bielitzer Ereignissen, sie sind meist von lokaler Bedeutung, wissen wir, daß Kasimir I. von Teschen den Bielitzer Bürgern den Besitz von vier Hufen Weide bei der Stadt bestätigt, und daß im gleichen Jahr auch die Gründung von Alt-Bielitz gemeldet wird. Durch die schon erwähnte Trennung des Auschwitzer und Neustadt/ Zatorer Landes von Teschen zu dieser Zeit zerreißt die neue Grenze die Bie litzer Sprachinsel. Sie verläuft parallel zur Białka, fünf Kilometer östlich von ihr. 1323 schenkt der Herzog dem Vogt von Teschen, Martin, eineinhalb Hu fen Land zum freien Besitz, und am 8.5.1337 gestattet Kasimir I. von Teschen seinem Vetter Wladislaus von Beuthen den Kauf von Schloß und Bezirk Sewerien (in der Urkunde sind Sewierz und Czeladz genannt). Nach 1350 gibt es in Teschen das Magdeburger Recht. Das Recht, Schul zen, Bauern und Dorfbewohner wegen Schulden und Vergehen gegen die Bürger zu richten, erhielt der Vogt von Teschen. 78
Ein Jahr vor seinem Tod, es ist das 41. Jahr seiner Regierung, erbt Her zog Kasimir I. von Teschen nach Herzog Boleslaus von Beuthen noch die Stadt Tost. Sie wird Teil des Herzogtums Teschen. Seine letzte Urkunde stellt Kasimir I. von Teschen am 24.2.1358 in Peiskretscham aus. Ihm folgt sein Sohn Przemyslaus I. (1358-1407). Vor seinem Regierungs antritt ist er wiederholt in der Umgebung Kaiser Karls IV. zu finden. 1337 erhält er vom Herzog Wladislaus von Beuthen und Cosel Burg und Land Sewerien. Kaiser Karl IV. bestätigt dies am 16.6.1359. Przemyslaus I. von Teschen fallen später auch die halbe Stadt Beuthen und die Städte Tost, Peiskretscham und Gleiwitz zu. In den vollen Titel des Herzogs von Teschen wird die zusätzliche Bezeichnung „von Beuthen” nicht aufgenommen. Nur eine Urkunde trägt die Unterschrift „Przemys laus, Herzog von Teschen und Beuthen”. Auch Oberglogau wurde zur Hälfte, mit Steinau und Guhrau, von Kö nig Wenzel dem Herzog von Teschen und seinen Erben verliehen. Am 25.2.1383 huldigte die Stadt Glogau dem Teschner Herzog Przemys laus I. und gelobte ihrem Herrn „treu, unterthänig und gewehr (gegenwär tig) zu seyn”. Dem König sollten aber die Festen Steinau und Guhrau stets offenstehen. Przemylaus I. und seine Nachfolger nannten sich „Herzoge von Teschen und Oberglogau”. Für kurze Zeit erhielt der Herzog auch noch Falkenberg. Lublinitz, Rosenberg und Gorzow erwarb er als Pfand von dem Palatin Spitko von Mielsztyn. Auf Grund des bekannten Lehensbriefes von 1327 kam nach Aussterben der dortigen Linie auch das Herzogtum Auschwitz gegen Ende seiner Regierungszeit wieder an Teschen zurück. Es muß dies vor 1406 der Fall gewesen sein. Eine Verkaufsurkunde für Mückendorf aus diesem Jahr zeugt dafür. Aus seinem Land wäre noch zu berichten: 1385 verkauft Herzog Boles laus II. von Münsterberg die Stadt Strehlen an Teschen, und 1391 wird über den Anbau von Hopfen bei Auschwitz berichtet. Im diesem Jahr erhält Liebenwerde/Kenty die gleichen Rechte wie Auschwitz. Bielitz sendet zu die ser Zeit laufend etwa zwischen sechs bis dreizehn Studierende an die Uni versitäten. Die Stadt nennt 76 Stadthäuser ihr eigen. Am 16.6.1359 bestätigt Kaiser Karl IV. den Kauf von Sohrau durch Prze myslaus I. von Teschen von Herzog Boleslaus von Schweidnitz und Jauer, 79
auch jenen von Seweri en, des Landes östlich der Linie Kattowitz-Tarnowitz, von Boleslaus II. von Fürstenberg zu Schweidnitz. Am 21.4.1366 empfängt nun Herzog Przemyslaus von Teschen und Beuthen seine Lande von Kaiser Karl IV. zu Lehen. Genannt sind: Teschen, Beuthen, Tost, Peiskretscham, Gleiwitz, Sever, Czeladz und Schwieben (jetzt ein Dorf nördl. von Tost), 1372 bestätigt König Wenzel von Böhmen (Markgraf von Brandenburg) Herzog Przemyslaus I. von Teschen auch den Besitz des Herzogtums Auschwitz. Am 10.11. verkauft der Teschener Her zog den Ort Kieferstädtel an Wladislaus, Herzog von Oppeln, und am 13.12.1383 „begnadet” der deutsche König Wenzel unseren Herzog mit dem Herzogtum Falkenberg, mit Neustadt und Grottkau. Kein Teschener Fürst hat, weder vor noch nach Przemyslaus L, über ein solch großes Gebiet herrschen können. Przemyslaus I. wird auch zum kaiserlichen Hofrichter ernannt und zu diplomatischen Sendungen verwendet. Er brachte auch die Verlobung zwi schen Maria, Tochter König Ludwigs I. des Großen (1342-82 in Ungarn und 1370-1382 auch in Polen) aus dem Hause Anjou, und Sigismund, Sohn Karls IV. (nach diesem 1368-1437 deutscher, seit 1387 auch ungarischer Kö nig), zustande. Ihre Vermählung bahnte den Luxemburgern und den Habs burgern den Weg zur ungarischen Krone. Przemyslaus I. fehlte bei der Taufe Wenzels, des späteren deutschen Kaisers, am 11.4.1361 in Nürnberg ebensowenig wie 1364 in Brünn, als die Könige von Böhmen, Polen und Ungarn mit Herzog Rudolf IV. von Österreich zusammenkamen, den Streit Luxemburg-Habsburg beilegten und den Erbvertrag abschlossen. 1373 beteiligt er sich an einem Feldzug Karls IV. in der Mark Brandenburg, und in Tangermünde unterschreibt er mit anderen die Urkunde, welche die Einverleibung Brandenburgs in das Königreich Böhmen fixiert. 1381 wird er von König Wenzel nach England gesandt, um die eheliche Verbindung der Schwester Wenzels, Anna, mit Richard II. von England und einen Freundschaftsvertrag zwischen den beiden Königen zu vermitteln. Als die deutschen Kurfürsten Wenzel als König absetzen, eilt Przemys laus I. nach Frankfurt, um zu helfen. Diese Mission mißlingt. In seine Zeit fällt auch die Erwähnung von Ciencina, südlich von Saybusch, und im gleichen Jahr 1358 wird am Nordrand von Oberschlesien ne ben Czeladz auch Bendzin (Bendsburg) angelegt. In den noch unbesiedelten Raum am Karpatenrand bis zur Linie Tar80
now-Rzeszow(Reichshof)-Jaroslau ziehen deutsch-schlesische Bauern, und über die Skawa und den Dunajetz/Donst hinweg lassen sie sich gleich falls nieder. 1359 wird Turdossin im angrenzenden Arwa-Tal, 1361 Landeskron/Lanckorona genannt. 1364 werden im Saybuscher Land Abtdorf (Ab bas villa), Ludwigsdorf (Ludavici villa) und Petersdorf (Petri villa) genannt. Im gleichen Jahr wird das Dorf Skawina, an der Mündung der Skawina in die Weichsel gelegen, gegründet. Ganz Schlesien hat zu dieser Zeit gemäß der Peterspfennigliste eine Ein wohnerzahl von rund 360 000 Menschen. In die Jahre 1372 bis 1373 fällt der Höhepunkt der deutschen Wanderung nach Rotreußen (Ostgalizien), wo Herzog Wladislaus von Oppeln Statthal ter König Ludwigs von Ungarn ist. 1374 wird die Gründung von Kamenz in Podelien (Kamieniec podolsk) bekannt. 1399 erhält ein heute kaum bekannter Ort Grenitz (Granica, östl Neustadt/Zator) Maut- und Braurecht, was auf einen regen Durchzugshandel von Schlesien nach dem Osten hinweist. Wir wissen ja aus dieser Zeit, daß Breslau als die erste Handelsstadt Schlesiens allein 60 Vertretungen und Niederlassungen von Kaufleuten aus Florenz und Venedig beherbergt. In dieser Zeit entstehen einige namhafte Kulturdenkmäler. So begann Peter Parier mit dem Bau des Chores des St.-Veits-Domes (1356-1385), der Karlsbrücke mit seinen 16 Bogen und den zwei gotischen Türmen und einer Länge von 502 Metern über die Moldau (1357-1503) und 1360 mit dem Bau des Pulverturmes, ebenfalls in Prag. 1359 begann der Bau des Mittel- und Seitenschiffes des Wiener Stephansdomes. 1366 wurde der Bau des Chores der Kathedrale in Backsteingotik und 1390 der Bau der Tuchhallen zu Krakau angefangen. Bauwerke, die heute noch von dem Geist der damaligen Zeit künden. Das Kaiser- und das Papsttum erlitten empfindliche Schwächungen. Vor allem litt die ordnende Zentralgewalt der deutschen Kaiser. Der Schutz des Ostens des Reiches lag im argen. Kaiser Wenzel wird schließlich vom böh mischen Herrenbund gefangengenommen und nach Österreich gebracht. Przemyslaus I. kann nicht verhindern, daß ab etwa 1405 das Deutschtum im Auschwitzer Land stark abnimmt - der Herzog von Neustadt/Zator nimmt 1402 noch am Fürstentag der schlesischen Herrscher in Breslau teil -, die Deutschen sinken praktisch zu Leibeigenen herab. Das Land selbst um Auschwitz und Neustadt/Zator bleibt aber trotz allem bis ins 18. Jahrhundert hinein deutsch. 81
Östlich unseres Ländchens ist es zu dieser Zeit nicht ruhig. Zwar wird 1364 im Dorf Bawol (andere Chronisten nennen ein Dorf Stradom) bei Kra kau eine Universität durch König Kasimir III. von Polen gegründet (im Jahr 1400 wird sie erst nach Krakau selbst verlegt), aber nach dem Tod Kasimirs III. beginnen bewegte Zeiten. Die Krone Polens fällt nach einem mit König Karl I. Robert von Ungarn (Anjou) geschlossenen und mehrmals bestätigten Vertrag an Ludwig den Großen von Ungarn (Anjou-Neapel), Sohn von Karl-Robert, der sich in Krakau krönen läßt, die Regierung des Landes aber seiner Mutter Elisabeth, der Schwester des verstorbenen Kasimirs III., überträgt. Einen Teil des polnischen Landes unterstellt er der Aufsicht des Oppelner Herzogs Wladislaus, andere, die er stärker an sich ziehen will, werden von ungarischen Wojewoden regiert. Dem ungarischen König liegt aber auch am Herzen, daß die Kronen Polens und Ungarns auf seine ältere Tochter Maria, die Braut Sigismunds, des Sohnes Kaiser Karls IV, übertragen werden. Die pol nischen Stände versammeln sich in Altsohl in der Slowakei und schwören dem 15jährigen Sigismund und der 12jährigen Maria am 28.7.1382 Treue. Der Kaisersohn zieht an der Spitze ungarischer Truppen in Polen ein, muß aber, da Unruhen ausbrechen, mit den Truppen Polen wieder verlassen, denn die Polen wollen die jüngere Tochter Ludwigs, Hedwig (die mit dem österreichischen Herzog Wilhelm verlobt ist), auf dem Thron sehen, wenn Galizien an Polen zurückkäme, und Polen den Gemahl aussuchen, der mit Hedwig auf dem polnischen Thron sitzen wird. Bisher hatte es den Anschein, als sollte ein gewaltiges Ostreich entste hen, das sich aus Böhmen mit Brandenburg, der Lausitz, Schlesien, Mäh ren, Ungarn und Polen zu bilden schien. Es sollte aber anders kommen. Hedwig wird nach Krakau gesandt, wo sie am 15.10.1385 gekrönt und im Februar 1386 mit dem katholisch gewordenen litauischen Herzog Jagiełło verheiratet wird. Die Trauung nimmt der Mönch Capistrano vor. Hedwig mußte, der hohen Politik zufolge, den Bund mit dem deutschen Habsbur gerfürst lösen. Ein deutscher Fürst an der Seite der polnischen Königin war nicht im Sinn der hohen polnischen Politik. Die Christianisierung des Litauerfürsten und seines Volkes lag ihr näher. Die Stadt, in welcher die pol nischen Herrscher residieren, ist zu dieser Zeit ein noch deutsches und schlesisches Kulturzentrum. Krakau bleibt auch bis etwa 1500 noch deutsch (erst 1600 verliert es die deutsche Amtssprache.) Diese Tatsache gehört zu 82
den interessantesten Feststellungen unseres Berichtes aus der Zeit Herzog Przemyslaus’ I. von Teschen. Aber es bahnt sich in der Regierungszeit Przemyslaus’ I. eine Entwick lung an, die zunächst noch unendlich weit weg von Schlesien abläuft, in ihrer Auswirkung zuerst den östlichen Teil, später ganz Europa in Atem hält. Es ist der Drang des türkischen Reiches, nach Europa zu gelangen, wenn es geht, auch die Weltherrschaft zu erringen. 1363 werden die christli chen Heere der Slawen und Ungarn, obwohl sie überlegen sind, in der Nähe von Adrianopel/Edirne vernichtend geschlagen, dann fallen 1375 Nisch und 1382 Sofia. A uf dem Amselfeld (Kossowo Polje) werden am 15.6.1389 die Serben, von den christlichen Völkern Europas allein gelassen, besiegt. Es ist eine große Entscheidungsschlacht der Weltgeschichte. Schließlich erlebt Herzog Przemyslaus I. auch noch die Schlacht der Türken bei Nikopolis an der Donau (heute Nikopol nördl. des Plewna-Passes in Bulgarien), wo Ungarn unter König Sigismund, französische und deutsche Ritter den Türken ent gegentreten, aber verlieren. Die Türken ziehen weiter nach Illyrien in den Raum zwischen Donau, Save und Drau bis in die Steiermark. Das ist immer noch etwa 400 Kilometer von unserem Ländchen entfernt, aber schon be drohlich. Der Teschener Herzog Przemyslaus I. stirbt nach 49jähriger Regierungs zeit im Jahre 1407.
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DAS 15. JAHRHUNDERT Schlechte Zeiten für den Süden Schlesiens - Erstmals Bürgermeister in Bielitz - Unsere Heimat altschlesisches Gebiet Hussiteneinfälle - Georg von Podiebrad und Mathias Corvinus in Schlesien Türkengefahr. .•
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Schlechte Zeiten für den Süden Schlesiens
Herzog Przemyslaus’ I. Sohn Boleslaus I. (1407-1433) folgt ihm in Teschen. Sein Vetter Kasimir regiert seit 1414 über Auschwitz, Tost und halb Gleiwitz. Von Boleslaus I. stammen die Hauptprivilegien für die Städte Teschen und Bielitz. Beiden Orten wird das „Meilenrecht” erteilt, welches besagt, daß im Umkreis von einer Meile sich kein Handwerker niederlassen darf. Auch ist kein Handwerker zu dulden, der nicht Zunftmitglied ist. Bielitz und Teschen wird die niedere Gerichtsbarkeit bestätigt. Aus seiner Zeit stammt auch die Nachricht über ein erstes Bürgerspital in Teschen. Nach außen tritt Boleslaus I. weit weniger auf als sein Vater. Er beteiligt sich an einem Feldzug gegen den Deutschen Ritterorden, den König Wladislaus II. Jagiełło von Polen-Litauen 1414 ausführt und dabei scheitert. Sigismund wird 1411 römischer Kaiser. Seine Tochter Elisabeth, welche aus der zweiten Ehe mit Barbara von Cilli stammte, erklärte der ungarische Reichstag zur Thronerbin in Ungarn. Die Regierungszeit Sigismunds wur de weder in Deutschland noch in Ungarn als glücklich gewertet. 1411 begann er einen Krieg mit Venedig, zu dessen Kostendeckung er bekanntlich dreizehn Zipser Gemeinden an Polens König Wladislaus verpfändete. Sie blieben ja länger als dreieinhalb Jahrhunderte bei Polen. Im westlichen Nachbarland haben sich ungute Entwicklungen ange bahnt. Seit 1378 regiert dort König Wenzel IV. von „Böhmen und Schle sien”, der den Reformator Hus sehr begünstigt. Das Unglück für die Deut schen Böhmens nimmt seinen Anfang. 1410 wird Hus gebannt, 1415 in Konstanz verbrannt. Durch diese Verbrennung beschwor Kaiser Sigismund die Hussitenkriege herauf, welche nicht nur Deutschland und Ungarn, son dern auch dem schlesischen Land größten Schaden zufügten. 84
Während Sigismund zur Klärung deutscher, böhmischer und polni scher Angelegenheiten oft Jahre im Ausland zubrachte, geriet die innere Ordnung ins Wanken. Überfälle und Unruhen griffen um sich. Das Ende dieser Periode erlebte Sigismund nicht mehr. Er begibt sich von Prag aus, wo er sich der Hussiten wegen nicht mehr sicher fühlt, nach Ungarn, stirbt aber auf dem Wege dahin am 8.12.1437 in Znaim. Die Revolution der Tschechen bricht aus und damit eine Verfolgung der Deutschen Böhmens in erschreckendem Ausmaß. Sie werden - so berich ten zeitgenössische Chronisten - erschlagen und ausgerottet, die meisten ihrer Städte zerstört. In den Jahren 1418 und 1419 nehmen die Hussitenkrie ge ihren Anfang. Sie sollten 16 Jahre lang toben. 1425 fallen sie erstmals in Schlesien ein und verheeren das Land, das sie betreten. 1428 wird von ei ner Bedrängnis durch die Hussiten berichtet, die von Nordungarn nach Oberschlesien eindringen. Ostrau bleibt unbehelligt, ebenso das Herzog tum Teschen. Sie fallen in Troppau ein und plündern das Land. Der Troppauer Herzog Przemyslaus I. ist auf der Seite Kaiser Sigismunds, wodurch er sich den Haß der Tschechen zuzieht. In den Jahren 1430 und 1431 kom men sie wieder nach Troppau. Das Land an der Oppa kommt nicht zur Ru he. 1431 zerstören die Hussiten die Stadt Reichenbach im Kreise Görlitz. Im Todesjahr Herzog Boleslaus’ I. von Teschen dringen sie in die Zips ein. Es ist das Jahr 1433. Daß unser Herzogtum von den Plünderungen verschont blieb, schreibt man offenbar erheblichen Geldsummen zu, die Herzog Boleslaus I. aus gibt, um sich loszukaufen und so das Unheil abzuwenden, wie dies auch manche geistliche und weltliche Herrscher in Deutschland taten. In Urkunden über das Saybuscher Land erscheinen für die Stadt Saybusch die verschiedensten damals gebräuchlichen Schreibweisen: Seybicz, Seybsch, Zeywitsch, Zaybusch, Seypisch, Zeipiß und schließlich auch Saybusch. Bürger dieser Stadt sind Studenten in Krakau oder suchen um Bürgerrechte in Teschen und Krakau nach. Ihre Namen sind durchweg deutsch. Der Anfang des Jahrhunderts bringt auch für Oberschlesien große Un ruhen. Nicht nur, daß unser Land seit 1425 von den Hussiten belästigt wird, es gerät vielmehr auch noch in Gefahr, vom Deutschen Reich losgelöst zu werden. Herzog Boleslaus I. von Teschen erlebt es, daß der Hussitenführer polnischer Abstammung Puchała in Kreüzburg und in Gleiwitz der pol nisch-litauische Prinz Siegmund Korybut eigene Herrschaften einrichten, 85
die aber schnell wieder überwunden werden. Daß das Deutschtum dadurch großen Schaden erleidet und eine gewisse Slawisierung im Herzogtum Op peln eintritt, ist sicherlich zu verstehen. In Oppeln geschieht sie zugunsten der Polen, im Troppau-Jägerndorfer Gebiet zugunsten der tschechisch mährischen Sprache.
Erstmals Bürgermeister in Bielitz
Aus dem inneren Leben unseres Landes zu Boleslaus’ I. Zeit - er nennt sich 1411 „dux Teschenensis et dominus Strehlinczensis ac majoris Glogaviae” wird berichtet, daß er, wie auch sein verstorbener Vater, den Städten Teschen und Bielitz sehr gewogen war, und als Przemyslaus von Seifridsdorf im Jahre 1413 den Bielitzer Bürgern den Besitz des Zigeunerwaldes anficht, entscheidet er das Landthing von Teschen sowie die Höfe von Ratibor, Kosel und Strehlitz zugunsten von Bielitz. Im gleichen Jahr wird auch für Teschen das Landrecht (Landgedinge) erwähnt. 1414 kommt Beuthen an Teschen und 1416 Tost und das halbe Gleiwitz dazu. 1430 wird Neustadt/ Zator Appellationshof. Zu seiner Zeit tritt in Teschen auch der Adel als Her ren- und Ritterstand erstmals auf, und in Teschen und Bielitz sind erstmals urkundlich die Bürgermeister erwähnt. 1424 verleiht der Herzog den Bielit zer Bürgern das Erbrecht: „Auch wollen wir, daß kein Czeche unter ihn neue Willkür machen noch ordnen soll, ohn der ratmanne wissen und wil len.” Im Jahre 1430 erhält Frauenstadt/Wadowitz das Braurecht, eine Fleisch bank und den Tuchverkauf zugestanden. Die gleichen Privilegien erhält auch Saybusch. Im Osten des Landes verzeichnen wir, daß Krakau als Hansestadt ge nannt wird und die Zips, wie schon an anderer Stelle erwähnt, mit 13 Städ ten von Kaiser Sigismund an Polen verpfändet wurde (1412). Von 23 Städten des Zipser Landes gehen die bedeutendsten und reich sten für 37 000 alte böhmische Groschen an des Kaisers Schwager, den pol nischen König Wladislaus II. Jagiełło. 360 Jahre sollte es dauern, bis sie wie der zusammenkamen. Die ersten Hussiten erschienen in der Zips erst 1431, Käsmark können sie erst 1433 einschließlich der Burg besetzen. 1429 wird das Stadtbuch von Sillein noch in deutscher Sprache geführt, beim Hussiteneinbruch verstummte sie jedoch. Insgesamt ist die Zeit gekennzeichnet durch ein elementares Hervorbre 86
chen der Zwistigkeiten im Reich, die sich bis zur Auflösung aller Ordnung steigerten, aber auch durch den Verfall des Hauses Luxemburg. Der Hori zont scheint sich von Westen nach Osten hin zu verdüstern. Gegenkaiser und Gegenpäpste kennzeichnen die Schwäche der Zeit. Sigismund konnte noch während der Hussitenkriege die eiserne Krone in Italien erwerben, und im Todesjahr des Teschener Herzogs in Rom die Kaiserkrönung erhalten. Im Jahre 1433 stirbt Herzog Boleslaus I. Von diesem Jahr an wird der zweiköpfige Adler das Symbol der deut schen Kaiser, er bleibt es bis 1806, im Hause Habsburg sogar bis 1918. Herzog Boleslaus I. hinterläßt neben seiner Witwe Ofka vier Söhne: Wenzel, der Beuthen, Tamowitz und Sewerien erhält, Wladislaus, der als Herzog von Glogau auftritt und im Kampf gegen Breslau an der Seite Kö nig Podiebrads von Böhmen später fällt, sowie Przemyslaus und Boleslaus, die Teschen erhalten. Ich will mit der Entwicklung beginnen, die die am weitesten nach Osten vorgeschobenen Landstriche Schlesiens zu dieser Zeit erleiden. Es wurde schon gesagt, daß die schlesischen Herzoge so ziemlich allein standen und der sich anbahnenden Entwicklung wenig entgegensetzen konnten. Gleich nach dem Tod des Vaters (1433) trennen die Brüder Wenzel und Przemyslaus das Herzogtum Neustadt/Zator von Auschwitz ab. Fünf Jahre später, am 3.10.1438, schließen die drei Herzoge Wenzel, Przemyslaus und Johann einen Waffenstillstand von einem Jahr mit König Wladislaus III. von „Ungarn, Böhmen, Dalmatien und Kroatien”. Am 27.9.1440 erlaubt König Wladislaus III. von Böhmen den Brüdern Wenzel und Przemyslaus, wenn es not tut, sich der Krone Polens zu unterwerfen, und am 26.10. des gleichen Jahres gibt Wladislaus III. Schloß Neustadt/Zator an die Herzoge von Auschwitz, wenn sie die Burg Berwald (Barwald, östl. von Frauenstadt/ Wadowitz) dem „Zupan von Krakau” Nicolaus Seraphim überlassen. Bereits am 8.1. des nächsten Jahres huldigt Herzog Wenzel König Wladis laus III., der alle königlichen Rechte über die Burg Barwald Nicolaus Sera phim überträgt. Damit ist der Beginn des Verlustes von Neustadt/Zator eingeleitet, des sen Erwerb dem Polenkönig so wichtig war, reichte doch dieser südöstlich ste Landstrich von Schlesien bis auf knappe 10 Kilometer an die polnische Hauptstadt Krakau heran. Praktisch ist Neustadt/Zator damit jetzt schon polnisches Lehen geworden in einer Zeit, als es sich anschickte, neben Te87
sehen und Auschwitz ein drittes politisches Zentrum unseres Landstriches zu werden. Das winzige Ländchen ist aber zu schwach, um sich dem Druck von außen zu widersetzen, und Hilfe aus dem Westen kam keine. Der Bau einer Burg in der Stadt selbst konnte aber über die Schwäche nicht hinweg täuschen. 1445 wird durch einen Schiedsspruch des Herzogs Nicolaus von Troppau das Erbe der herzoglichen Brüder von Teschen in drei Gebiete geteilt, deren Hauptorte Auschwitz, Neustadt/Zator und Tost sind. Zu Auschwitz gehören die Orte Liebenwerde/Kenty, Saybusch, Sucha, Lanke/Lenki, Kobiernice und Poromka, den Bielitzern alles wohlvertraute Namen. Die Münze bleibt aber gemeinsam in Auschwitz. Zu dieser Zeit wird auch über die Prägung eines „Teschener Hellers” berichtet. Die Urkunde der Teilung sagte: „ . . . daß die Fürsten beide Gebiete Auschwitz und Zator die Münze miteinander zu gleichen Teilen haben sol len. Die Münzen sollen mit der Herren ,guten Willen und Wissen’ in der Hauptstadt Auschwitz und nicht anderswo geschlagen werden.” Eine Mün ze existierte zu dieser Zeit tatsächlich in Auschwitz. Der Adler auf den in Auschwitz geschlagenen Münzen ähnelt sehr stark jenem auf den Münzen von Teschen und Beuthen. 1447 nimmt nun König Kasimir IV. von „Polen, Litauen, Preußen und Rußland” Herzog Wenzel und das Herzogtum Neustadt/Zator in den Schutz der Krone Polens. Es ist das Jahr der höchsten Blüte von Krakau. Die Frau des Polenkönigs ist zwar eine deutsche Prinzessin aus dem Hause Habsburg, Elisabeth von Österreich, die auch deutsche Kultur in starkem Maße dem Lande vermittelt und innige Beziehungen zu Nürnberg herstellt, aber das schlesische Land vor den Toren Krakaus geht immer mehr dem schlesischen Einfluß verloren. Der Entdeutschungsprozeß nimmt seinen Anfang. Aber damit ist es nicht genug. 1412 wird S ewerien durch Herzog Wenzel „Herr von Beuthen und Sewerien” an den König von Polen verkauft. Es ist jener Teil Schlesiens, der öst lich der Linie Beuthen-Tarnowitz noch bis zu etwa 40 Kilometer nach Osten ausgreift. Aber noch ist diese unglückliche Entwicklung nicht zu Ende. 1451 überläßt Herzog Johann von Auschwitz sein Herzogtum Ausch witz auch noch dem Polenkönig Kasimir IV. Am 7.6.1453 gelobt er Vasall zu
werden. Ein Jahr später huldigt das Auschwitzer Land dem König von Po len und 1457 wird das Land verkauft. Den Anfall von Auschwitz-Neustadt/Zator an Polen haben die böhmi schen Könige als Lehensherren dieses Ländchens nie anerkannt und den Titel „Herzog von Auschwitz und Zator” auch weiter geführt. Er ging auch 1526, als die Länder der böhmischen Krone - also auch Schlesien - an Habs burg fielen, auf diese über. Sie waren bis 1919 auch Herzoge von Auschwitz und Zator. Der letzte war Kaiser Karl I., der 1922 in der Verbannung auf Ma deira starb. Wie waren diese Verluste alle möglich? Der deutsche Kaiser Sigismund, der noch bis 1437 regierte, also noch vier Jahre Zeitgenosse unserer beiden Teschener Fürstenbrüder war, kann sich in keinem seiner Länder so richtig durchsetzen. 1436 muß er im Vertrag von Iglau praktisch das Deutschtum in Böhmen preisgeben. Von da an läßt er - um sich zu halten - es zu, daß das historische Übergewicht des Deutsch tums in Böhmen verloren geht und die deutsche Sprache ihr Recht verliert. Auch im Land südlich unserer Berge, in Ungarn, nimmt die Entwick lung weiter ihren ernsten Verlauf. Nach der Synode von Florenz (1440) wur de es deutlich, daß auch der Papst das Oströmische Reich und seine byzanti nische Kirche nicht stützen würde. Und so wuchs langsam aber um so sicherer jene einzige bange Frage heran, die durch lange 300 Jahre den Raum südlich unserer Heimat in Atem hielt: die Türkengefahr. Der deutsche Kaiser, der entweder durch inneren Zwist oder durch das Vorgehen des ungarischen Adels gehemmt war, war nicht in der Lage, hier nachhaltig einzugreifen, obwohl er fast ständig in Budapest residierte, also die Sorgen an Ort und Stelle sah. Sein Nachfolger Albrecht II. von Habs burg, deutscher Kaiser von 1438 bis 1439, mobilisierte zwar eine Armee, starb aber, als er sich anschickte, gegen die Türken zu ziehen. Nach seinem Tod ging ganz Ungarn praktisch dem Deutschen Reich verloren. In Deutschland regierte 1440 bis 1493 Kaiser und König Friedrich III., der wohl die Habsburger Macht einleitete, aber für Deutschland selbst wenig tat. Dieser in Graz in der Steiermark residierende, wortkarge Habs burger war ein zäher Diplomat, aber kühnen Entschlüssen ging er aus dem Wege. Er gab ja bekanntlich seinem Geschlecht jenen Wahlspruch mit auf den Weg, der das Selbstbewußtsein und den Sinn für politische Tradition symbolisiert: AEIOU - „Alles Erdreich ist Österreich untertan” oder wie eine andere Version deutet: „Österreich wird ewig stehn.” Er leitet die be 89
rühmte Heiratspolitik des Hauses Habsburg ein. Er ist auch der letzte deut sche Herrscher, der in Rom gekrönt wird. In Deutschland selbst herrscht Stände- und Städtekrieg. Ungarn und Böhmen gehen eigene Wege. In Polen regierte zwar offiziell Wladislaus II. Jagiełło, aber die eigentli che Macht lag in Händen des Kanzlers Olesnitzki, des Bischofs von Krakau, später der erste Pole, der den Kardinalshut trug. Ein glühender Patriot und Rechthaber, dessen Ziel es war, nach dem Tod Kaiser Sigismunds 1437 ent weder die böhmische oder die ungarische Krone für Polen zu gewinnen. Kasimir, der junge Sohn Wladislaus’, wurde nach Böhmen gesandt, mußte aber mangels Unterstützung zurückkehren. Der ältere Sohn Wladislaus’, ebenfalls ein Wladislaus (III.), rückte 1440 in Ungarn ein und konnte mit Hilfe der Kleinadelspartei und einem Kompromiß, den er mit den Habsbur gern schloß, nachdem 10 Jahre lang ein Bürgerkrieg tobte, erlangen, daß sei ne Oberherrschaft vorläufig anerkannt wurde. Er zog 1444 zusammen mit einem Heer des ungarischen Nationalhelden Johann Hunyadi gegen die Türken und fiel in der verlorengegangenen Schlacht bei Warna. Kein deutscher Kaiser dieser Periode konnte dem Lauf dieser Dinge Einhalt gebieten. Kehren wir zu unserer engeren Heimat zurück. Das Teschener Herzogtum erhalten, wie schon gesagt, nach dem Tod Boleslaus’ vonTeschen seine beiden Söhne Przemyslaus und Boleslaus und regieren gemeinsam. Sie unterzeichnen beide gemeinsam auch eine Reihe von Urkunden, so auch jene über die Erteilung der freien Salzniederlage für Bielitz im Jahr 1440. Aus anderen Urkunden ergibt sich, daß das Teschener Land bis 1442 ungeteilt bleibt und von beiden Brüdern regiert wird, die auch beide in Teschen residieren, aber getrennten Hofstaat führen. Nach dem Tod der Mutter Ofka wird das Land geteilt, sogar die Stadt und das Schloß werden in zwei Teile geteilt, was natürlich eine Schwächung der politischen Stellung der Herzoge zur Folge hat. Aus unserer Heimatstadt Bielitz ist noch zu sagen, daß 1447 die Pfarre von Altbielitz nach Bielitz verlegt wurde, wo 1443 bis 1447 eine neue Kirche gebaut wurde. Dem Erzpresbyteriat Teschen sind zu dieser Zeit folgende Orte zuge hörig: Teschen, Seibersdorf, Bielitz, Kuntschitz, Petersdorf, Matklowitz, Skotschau, Lischna, Baumgarten, Golleschau, Riegersdorf, Heinzendorf, Sehimoradz, Ogrodzon, Gurek, Ustroń, Kunzendorf, Tschechowitz und Jablunkau, das 1447 erstmals genannt wird. 90
Unsere Heimat: altschlesisches Gebiet - Hussiteneinfalle
1448 erhält Saybusch das Recht, daß niemand im Umkreis der eigenen Dör fer Mauthen anlegen darf, und es muß alles aus diesem Gebiet auf den Markt von Saybusch gebracht werden. 1453 wird ein Nikolaus von Wilamowitz mit einem Teich bei Bielitz „begnadet”, dieser Stadt, die mit ihrem Kranz von deutschen Dörfern zu einer Sprachinsel wird, dadurch, daß die deutsche Bevölkerung des Gebietes, der unruhigen Zeiten wegen, entweder wegzieht oder im Slawentum versinkt. Für das Deutschtum Schlesiens war ja die Entwicklung so verlaufen, daß bis zum 15. Jahrhundert die Expansion über die damaligen politischen Grenzen hinausquoll. Das schlesische Stammestum trat über die zahlrei chen sudetischen Pässe ins Vorland von Glatz und Troppau, so daß sich für unsere Gegend etwa folgende deutsche Südgrenze ergab: das Oppaland, die Grafschaft Hochwald mit Ostrau, Braunsberg, Freiberg, Friedberg, Fried land, Frankstadt, dann das Gebiet östlich Wigstadtis, um Königsberg und Hultschin, das Teschener und das Bielitz er Deutschtum. Die Ausstrahlun gen gegen den Dunajetz (Donst), die Arwa und endlich gegen Osten über die Skawa ins Karpatenvorland sind schon beschrieben worden. Das Gebiet bis einschließlich des Bielitzer Raumes kann hierbei als alt schlesisches Gebiet bezeichnet werden. Das entspricht auch der Auffas sung einer Reihe namhafter Historiker und sollte nicht durch zeitbedingte andere Auffassungen aufgeweicht werden. Das 15. Jahrhundert brachte nun wie schon angedeutet Unglück über unser Deutschtum. Es leitet den Untergang des Deutschtums im Auschwitzer und Neustadt/Zatorer Land ein, und auch im nördlichen Oberschlesien erleidet es schwere Verluste. Der slawische „Lassiten-Kodex” verdrängt das Magdeburger und anderes deutsches Recht, im Teschener und im Auschwitzer Land wird Tschechisch die Amtssprache, die Hauptleute der Herr schaften wechseln ihre Nationalität, viele Deutsche werden zu Leibeigenen der fremden neuen Herren. Das 15. Jahrhundert ist das glanzvolle Jahrhun dert des polnisches Jagiellonenreiches, das fast das ganze östliche Mittel europa beherrscht. Die Hussiten-Einfälle bringen zusätzlich für Schlesien Wirren und Zer fallserscheinungen. Sie rächen sich dafür, daß bei dem Reichstag zu Breslau 1420 - dem einzigen Reichstag auf ostdeutschem Boden - achtzehn schlesi sche Fürsten König Sigismund huldigten und ihm Hilfe zusagten. Fünf zehn Jahre lang hatte das Land unter den Hussiten zu leiden, aber das Zuge 91
hörigkeitsgefühl der Deutschen Schlesiens mit dem ganzen deutschen Volk wurde dadurch nur stärker. Dort, wo die Hussiten hausten, sank blühendes Land in Asche. In den ersten Jahren der gemeinsamen Regierung der Teschener her zoglichen Brüder gehen die Kriegszüge weiter. 1434 wird die Hauptmacht der Hussiten bei Lipan in Böhmen vernichtet. Das Jahr 1436 gilt in der Ge schichte offiziell als das Ende dieser Kriege. Nach 1451 entsendet Papst Nikolaus V. zwei Legaten mit klingenden Na men nach Böhmen: Nikolaus von Cusa und Johannes Capistrano (Abruz zen). Sie haben den Auftrag, die Rückführung der Hussiten in die katholi sche Kirche durchzuführen. 1453 sind sie auch in Breslau, aber der Erfolg bleibt aus. Die Krakauer Universität, die ja bis dahin die einzige schlesische Uni versität des Mittelalters war, zählt unter den fast 18000 Studenten des 15. Jahrhunderts 11500 Deutsche, und unter diesen stammen etwa 9000 (also fast 4/s ) aus dem schlesischen Raum. Das Einzugsgebiet der Universität Kra kau reichte damals bis Reval und Siebenbürgen. Seit 1450 findet aber auch eine Verschmelzung der deutschen Bevölke rung um Bielitz herum (nicht die Städte selbst) mit dem slawischen Volks tum statt. Es ist dies der Prozeß der Slawisierung weiter Gebiete des Ostens, Ungarns, Mährens und auch Oberschlesiens nördlich von uns. So entste hen die „Schlonsaken” unserer Breiten. In Bielitz-Biala selbst und seinem Dörferkranz ist die Entwicklung umgekehrt. Hier werden Slawen einge deutscht. Im letzten Jahr der gemeinsamen Regierung der Teschener Herzogsbrü der tauscht Boleslaus einige Dörfer „im Teschnischen” gegen das Beuthener Land ein. Es sind die Dörfer Kurzwald, Grodzietz, Illownitz (Niklasdorf), Rostropitz, Matzdorf, Riegersdorf, Heinzendorf, Altbielitz und Bielitz selbst. Es ist jene Meldung, in welcher das Bielitzer Gebiet zum ersten Male als selbständiges Gebiet erwähnt wird. Aus dieser Zeit soll auch der Baube ginn des Bielitzer Schlosses stammen. In Teschen verkaufen die Brüder scheinbar aus Geldnot ihre herzogli che Münze an die Stadt Teschen für einen Betrag von 650 Mark (1437). Eine Fülle von Ereignissen waren der Inhalt der 19jährigen gemeinsa men Regierungszeit der Brüder Przemyslaus und Boleslaus von Teschen. In Summe waren es in unserem und um unser Land herum aber wenig erfreu liche Dinge, die so recht doch die Not dieses Landstrichs aufzeigen, zwi92
sehen Mühlsteinen leben zu müssen, deren Triebkräfte gerade in dieser Pe riode nicht die Absicht hatten, den südöstlichsten Zipfel von Schlesien so zu lassen, wie er in dieses Jahrhundert eintrat. Die gemeinsame Regierungsperiode der Teschener Herzogsbrüder geht 1452 zu Ende. Von da an tragen die Urkunden nur noch den Namen „Her zog Przemyslaus II. von Teschen”, der alle seine Brüder überlebte. Allein re giert er noch von 1452 bis 1477. In diesen 25 Jahren sind rund um unser Land eine Reihe von Königen seine Zeitgenossen: Kaiser Friedrich III. (14401493) in Deutschland, Ladislaus V. Posthumus, der nachgeborene Sohn Kai ser Albrechts II. (1440-1457), und ab 1458 Mathias I. Corvinus in Ungarn. Albrecht II. folgte schon 1439 sein Sohn Ladislaus, dem unser Herzog 1453 auch huldigt. Beide aus dem Hause Habsburg. Albrecht II. ist der erste Oberlehensherr Schlesiens aus diesem Geschlecht. Ladislaus stirbt in jun gen Jahren an der Pest. So sind die Länder Böhmen, Ungarn, Mähren, Schlesien und die Lausitz plötzlich ohne Herrscher. Erbrechte in Böhmen haben Wilhelm III. von Sachsen (Gatte der Schwester Ladislaus’) und Kasimir IV. König von Polen, der aber in Kämpfe mit dem Deutschen Ritterorden verstrickt ist und kein Interesse hat. Die Wahl in Böhmen fällt auf den Tschechen und Utraquisten Georg von Podiebrad. Den schlesischen Städten ist er daher nicht angenehm, wa ren doch zu seiner Wahl die schlesischen Stände auch nicht herangezogen worden. Seine Annektionsabsichten scheitern am Widerstand der Städte, vor allem von Breslau und Liegnitz. Der Herzog von Teschen ist nicht da bei. 1459 huldigen ihm aber doch alle schlesischen Fürsten. 1471 stirbt er, wodurch die Bildung einer tschechischen Dynastie in Böhmen vereitelt wird. Sein Nachfolger wird der Pole Wladislaus III., ein Sohn des polnischen Königs Kasimir IV. (1471-1516). Das Haus der Jagiellonen regiert nun in Po len, West- und Ostpreußen, Böhmen und ab 1490 auch inUngarn. Alle diese Namen sind charakteristisch für diese bewegte Zeit. Kaiser Friedrich III. verkörpert die Schwäche des deutschen Kaiser tums. Die Entwicklung der Einzelstaaten in Deutschland wird vollkom men. Kurfürsten, Herzoge, Bischöfe und Grafen sind vom Kaiser unabhän gige Herren ihrer Gebiete geworden und vom Kaiser auch nicht mehr absetzbar. Fehden verzehren die Kraft des Landes. Es mußte zugesehen werden, wie im 2. Thomer Frieden die Marienburg preisgegeben, Ermland und Westpreußen abgetreten und der Rest - Ostpreußen - von Polen zu Le93
hen genommen wird. Damit ist die staatsbildende Periode des Deutschen Ritterordens im Osten zu Ende. Sein Land ist ein unbedeutender Kleinstaat geworden, vom Mutterland abgetrennt. Die jagiellonische Idee eines polnischen Staates von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer scheint für kurze Zeit in Erfüllung zu gehen. 1475 bis 1484 gehen aber schon wieder die Moldauhäfen durch die Türken verloren. Man mußte aber auch Zusehen, wie Schlesien, Böhmen und Mähren im Osten, Burgund im Westen und Mailand im Süden und schließlich Ungarn im Südosten verlorengingen.
Georg von Podiebrad und Mathias Corvinus in Schlesien
Im Reich fehlt eine starke Zentralgewalt und ein nachhaltiger Rechtsschutz. Femegerichte, zum wirklichen Rechtsschutz untauglich, sind Erscheinun gen dieser Zeit. Friedrich III. tritt mit seiner Krönung 1452 - es ist die letzte, die in Rom stattfindet - ein in jeder Hinsicht bedrohtes Erbe an. Den Verhältnissen ge genüber hat er einen schweren Stand. Sein mächtiger Gegenspieler in Un garn, Mathias I. Corvinus, macht ihm dadurch außerordentlich zu schaffen, daß es ihm gelingt, auf Böhmen überzugreifen, wie überhaupt der ganze Osten, vom Gebiet des Deutschen Ritterordens über Polen bis Böhmen, in Bewegung gerät. Dort war ja Georg von Podiebrad König geworden, er ver lor aber die Krone an Mathias I. Corvinus. Beide, Georg wie auch Mathias, haben sich mit dem Gedanken getra gen, an Stelle Friedrichs III. den deutschen Kaiserthron zu besteigen. Fried rich III. hat sie beide überlebt. Mathias I. machte Ungarn zu einer Großmacht und hob es auf europäi sche Ebene, gründete eine Universität in Preßburg und eine Bibliothek in Budapest, die seinen Namen trägt. Die Ungarn nannten ihn gern den „Gerechten”. In Böhmen folgte auf Podiebrad der Pole Wladislaus III. Im Juli 1471 verläßt er Krakau und zieht, nachdem er die Wahlbedingun gen der Böhmen unterschrieben hatte, über Auschwitz, Troppau, Neisse und Glatz nach Prag. In seiner Begleitung befinden sich die Teschen-Auschwitzer Herzogs brüder Przemyslaus II. und Johann III., die Söhne des dritten, 1465 verstor benen Bruders Wenzel I., die sich verpflichtet hatten, am Verkauf von N eu94
stadt/Zator festzuhalten, dann Kasimir II. von Teschen, Konrad von Oels und Johann IV. von Troppau-Ratibor. Nachdem er sich mit Mathias I. Corvinus im Frieden zu Ölmütz geei nigt hatte (1479), konnte er nach dessen Tod die Stephanskrone annehmen. So sieht es also um den südöstlichsten Zipfel Schlesiens aus: die Politik um uns herum machen Ungarn, Böhmen und Polen. Ein Versuch Polens, Corvinus in Ungarn direkt anzugreifen und den Prinzen Kasimir - ein Sohn gleichen Namens des polnischen Königs - zum König von Ungarn zu proklamieren, scheitert. Auch in Böhmen konnte man Mathias I. nicht aufhalten. Durch den Papst unterstützt, greift er 1468/1469 Podiebrad an und es ge lingt ihm, diesem die Herrschaft über Böhmen, Mähren, Schlesien und die Lausitz abzuringen. Schlesien leidet unter der Auseinandersetzung lange Zeit. 1459 nahm Podiebrad Neumarkt und, nachdem die Ungarn aus Ostrau weichen muß ten, nimmt Mathias Glogau in Besitz. 1460 ist der Teschener Herzog Przemyslaus II. in Beuthen dabei, als freundschaftliche Verhältnisse zwischen Böhmen und Polen eingeleitet werden sollten, und gleichfalls in Glogau, wo zwischen den Königen verab redet wurde, daß König Kasimir IV. die Festen Auschwitz, Sewer, Neustadt/Zator, Berwald und Saybusch in Besitz nehmen soll. Im gleichen Jahr gelangt ein Teil des Troppauer Herzogtums an Podiebrad. 1462 sind Urkun den im Herzogtum Oppeln auch von ihm unterschrieben. 1466 weilt Przemyslaus II. von Teschen mit Podiebrad zusammen in Glatz. Am 23.12.1466 wird, nach vergeblicher Vermittlung durch den Teschener Fürsten beim Papst, Podiebrad zum Ketzer und aller Würden für verlustig erklärt. Die sich daraus ergebenden Kriege in Böhmen und Mäh ren verschonen auch unser Herzogtum nicht. Der Vollstrecker des päpstli chen Bannes ist Georgs früherer Schwiegersohn, der ungarische König Ma thias I. Die Geschichte verzeichnet, daß 1469 Schlesien und Mähren in den ungarischen Staatsverband übergehen. 1473 treffen sich in Troppau die Gesandten von Ungarn, Böhmen, Po len, Schlesien und der Lausitz, um auf gütliche Weise die BesitzVerhältnis se Schlesiens zu regeln, aber die Verhandlungen zerschlagen sich. Im gleichen Jahr beendet ein Waffenstillstand vom 6.6. einen Klein krieg, den die Herzoge von Teschen, Münsterberg und Troppau gegen Wen zel von Rybnik führen, der sein Land den Polen in die Hände spielen wollte. 95
Mathias kommt nach Schlesien und nimmt Jägerndorf ein, dessen Herzog Johann IV Partei für den böhmischen König Wladislaus ergriffen hatte. Bis auf Loslau ging das ganze Land Jägerndorf an Mathias I. über. Ein Heer mit dem polnischen König Kasimir IV. an der Spitze zieht in Schlesien ein. Mathias setzt Breslau in den Verteidigungszustand. Am 15.11.1474 tref fen sich die drei Könige vor den Toren Breslaus und Schlesien erhält einen längeren Waffenstillstand. Mathias und Wladislaus führen beide den Titel „König von Böhmen”, Wladislaus herrscht über Böhmen, Mathias in den Nebenländern Mähren, Schlesien und der Lausitz. Mathias’ Verdienst ist es, daß er Schlesien, das zerrissene Land, mit star ker Hand zusammenführt. Zum Landeshauptmann von Oberschlesien ernennt er Johann Bielik von Körnitz, der in Kosel residiert. Er ist königlicher Verwalter Oberschle siens. Das Schloß, das Mathias I. Herzog Wenzel von Rybnik abnahm, und die Stadt Pleß verschreibt er dem Herzog von Münsterberg und Grafen zu Glatz und auf Podiebrad. Es stellt einen Wert von 20 000 ungar. Gulden dar. Ein Jahr später wird es gegen Kolin an der Elbe nach einer Zahlung von 4000 ungar. Gulden weitergegeben (bis 1517). Zwar stehen sich polnische und ungarische Truppen noch in Schlesien gegenüber, aber den Großteil des Landes behaupten die Ungarn (1474). 1475 weilt Mathias I. in Rybnik. Przemyslaus II. von Teschen ist auch dabei und begleitet ihn, als in seinen Diensten stehend, nach Olmütz und Brünn. We nig später wird er der Zuneigung zum Polenkönig und dessen Sohn Wladis laus verdächtigt. Mathias versucht ihn gefangenzunehmen, was aber mit Hilfe des Polenkönigs mißlingt. Es sind viele Schlesien sehr abträgliche Ereignisse, die da niederge schrieben sind, und solange Herzog Przemyslaus II. regiert, bekommen Schlesien und unser Land auch keine Ruhe. Der Handel um unser Land geht immer noch weiter. Das seit 1197 schle sische Auschwitz wird 1457 nun für 50 000 Mark verkauft. Auch die Regalien und die Münze werden bei dieser Gelegenheit vom Fürsten abgegeben. Die Grenze des Deutschen Reiches verläuft jetzt mitten durch die Bielitzer deutsche Sprachinsel. Den gleichen Weg geht das Herzogtum Neustadt/Zator. Beide Verkäufe werden von König Georg von Podiebrad 1462 anerkannt. 96
Im gleichen Jahr schließt er mit dem Polenkönig Kasimir IV einen Ver trag über den Verbleib Seweriens bei Polen. Dem Deutschtum in diesen Gebieten geht es schlecht, es ist ohne Schutz und geht langsam, aber sicher verloren. In Neustadt/Zatorer Land hält sich das Deutschtum ganze 150 Jahre. In Polen nimmt die Deutschfeindlichkeit stetig zu, 1417 wird sogar - so wird berichtet - ein Antrag im polnischen Reichstag eingebracht, der die Ausweisung der Deutschen zum Inhalt hatte. In Krakau entbrennt ein Konflikt zwischen dem polnischen Adel und den deutschen Bürgern (1461). Er wird niedergeschlagen. Sechs deutsche Ratsherren werden hingerichtet. Faßt man die geschilderten Ereignisse zusammen, stellt man fest, daß das Leben von Grenzlanddeutschen, besonders aber in dem beschriebenen Zeitraum, kein leichtes war. Die Schilderung der Ereignisse gerade in für das Deutschtum dieser Gegend schlechten Zeiten soll ein Versuch sein, Verständnis unter unseren Mitbürgern im Binnenland zu wecken oder zu erweitern und bei denen, die dort einmal lebten, das Gefühl zu festigen, daß die Leistung ihrer Vorfahren, dort unter diesen schwierigen Verhältnissen Lebensbedingungen zu schaffen, eine außerordentliche war. Sie wurde zum Vorbild für die Nachbarvölker. Verschiebungen im Besitz in der Herzogtümern des Südzipfels von Schlesien ergeben sich auch in der Zeit Przemyslaus’ II. von Teschen: Die Hälfte von Glogau wird der Witwe Herzog Wladislaus’ von Teschen übertragen, im gleichen Jahr 1459 geht die Hälfte der Stadt Beuthen mit dem dazugehörigen Land von Herzog Wenzel von Teschen an Konrad von Oels und Cosel. König Georg bestätigt den Verkauf. Eine Urkunde aus dem Jahr 1462 bestätigt unter anderem den Verkauf der halben Stadt Gleiwitz durch Herzog Johann von Auschwitz an Johann von Bielik von Körnitz, dem Hauptmann von Oberschlesien. Gezeichnet ist das Dokument von König Mathias I. Corvinus. In dieser Zeit erfolgt auch die Verschmelzung der beiden Oppelner Teilgebiete mit dem übrigen Schlesien. Der Name „Oberschlesien” ist kaum vor dem 15. Jahrhundert anzutreffen. Sehr wahrscheinlich ist er in der Regierungszeit Mathias I. C om mis’ entstanden (Peter). 1463 kauft für 2200 ungarische Gulden Przemyslaus II. die Stadt Ujest von Nikolaus von Oppeln, und 1477 verpfändet Mathias I. Corvinus Schloß 97
Schwirklenetz (Neudeck) und die Stadt Beuthen mit „Zubehör” an Johann von Zierotin und Fulnek. Mathias I. ist es auch, der erstmals eine Landessteuer in Schlesien ein führt. Mit fester Hand hält er Schlesien zusammen, das ja schon einmal (1430) in Gefahr geriet, von Deutschland gelöst zu werden. In Kreuzburg errichteten damals der Hussitenführer polnischer Ab stammung, Puchała, und in Gleiwitz der polnisch-litauische Prinz Sigmund Korybut - der auch von den böhmischen Utraquisten als Regent in ihr Land gerufen wird - eigene, aber nur kurzlebige Herrschaften. Als Folge davon muß Oberschlesien wiederum ein Zurückdrängen des Deutschtums auch in dieser Gegend verzeichnen. Ein Zusammengehen von Polen und Tschechen hätte in dieser Zeit wohl einen Verlust Oberschlesiens bringen können. Ein Gespräch zwischen Polen und Tschechen fand auch in Krakau statt, erbrachte aber keine Eini gung. Gleiwitz wurde von den verdrängten Herzogen erobert und so Kory but ausgeschaltet. Die Kämpfe hörten in Schlesien erst 1434 auf. Noch einige wenige Bemerkungen mögen diesen unruhigen und für das Deutschtum sehr nachteiligen Zeitabschnitt beenden: Im Herzogtum Troppau tritt das Tschechische als Amtssprache seit 1433 und ab 1440 im Neu städter Land auf, und noch 1494 wird über das Tschechische aus Kreuzburg berichtet. Die Parteigänger des böhmischen wie auch des ungarischen Königs führten den Krieg in gewissem Maße noch immer weiter fort. So hielten sich in Ostrau die Böhmen; Troppau versuchte der ungarische König in die Hand zu bekommen. Die Herzoge von Teschen und Rybnik mußten ge zwungenermaßen, aber ohne Erfolg, Troppau belagern. Vom nahen Saybusch hören wir, daß die Burg der Familie Skrzyński am Zusammenfluß von Sola und Koscharawa, die Kreuzburg (Grójec), 1460 zerstört wird. 1474 folgt den Skrzynskis das aus Nordungarn stammende Geschlecht der Kortschak-Komorowski. Sie waren Herren von Saybusch, Burghauptleute von Auschwitz und Starosten von Kunzendorf/Lipnik. 1477 beginnen sie mit dem Bau des Saybuscher Schlosses, dessen Fertigstel lung erst 1723 gemeldet wird. Und weiter südlich, in der Zips, über unseren Bergen, bleiben bis 1460 noch die Hussiten im Land. Erst Mathias I. vertreibt sie. Er ist es auch, der in der Grenzburg Arwa, in welcher bisher Hussiten, böhmische und polni98
sehe Ritter abwechselnd hausten, Ordnung schafft und sie in feste Hände gibt. Unter dem Namen „Sona” erscheint Sillein erstmals 1457 in einer Ur kunde Ladislaus Hunyadis.
Türkengefahr
Ganz weit weg von uns, am fernen Bosporus, geschieht es auch zur Zeit Przemyslaus’ II. von Teschen, daß Konstantinopel von den Türken erobert wird und damit das Byzantinische Reich sein Ende findet (1453). Die Türken setzen erstmals ihren Fuß auf europäischen Boden. 1463 bis 1479 führen sie schon Seekriege gegen die starke Mittelmeermacht Venedig. Eine neue Periode der Gefahr für Europa bricht an. Im Wandel befindet sich auch die Kriegstechnik. Durch die Erfindung des Schießpulvers durch den Freiburger Berthold Schwarz (1350) wird eine einschneidende Umge staltung des ganzen Kriegswesens ausgelöst. An Stelle der Ritter treten die Söldner, die Feuerbüchsen tragen und auch schon den Festungskrieg mit tels einer sich bildenden Artillerie führen. Brachten es im 14. Jahrhundert Geschütze alle drei Tage auf einen Schuß, so war es schon ein Fortschritt, wenn später täglich 5 Schuß abgefeuert werden konnten. In Erfurt soll 1377 bereits ein Geschütz aus Eisen gegossen worden sein, bisher hatte man schmiedeeiserne Stäbe zu einem „Rohr” zusammenge fügt. Weitere Nachrichten über gegossene Rohre stammen erst aus der Mit te des 15. Jahrhunderts. 1444 bestand im Dilltal und im Siegerland eine hochentwickelte Fabrikation von Hinterladungsgeschützen (Kammer büchsen). Ihr Gewicht lag bei etwa 550 Pfund allein für das Rohr. Die Kriegführung war nach den damaligen Maßstäben eben eine Kunst, und es war nicht einfach, an die geeigneten finanziellen und technischen Mittel zu gelangen. Besonders nicht leicht für unser von den Erzeugungs stätten der damaligen Zeit so weit entferntes Schlesien. Einen weiteren Wandel brachte die Erfindung des Kompasses zu An fang des 14. Jahrhunderts, die es erst ermöglichte, die Schiffahrt von den Küsten zu lösen und die Überseeschiffahrt zu entwickeln. Der Kompaß war der Wegbereiter der großen Entdeckungen, die kurze Zeit später Wirklich keit wurden. Kulturell ist es interessant aus jener Zeit zu hören, daß 1460 der erste Geograph Schlesiens in Padua „Magister” wird. Es ist der Breslauer Kreuz 99
herrenpater Bartholomäus Stein (Stenus), der feststellte, daß seine schlesi sche Heimat „in der Ferne” eigentlich „wenig bekannt” sei. Er verfaßt hoch betagt im Jahr 1513 eine Landesbeschreibung von Schlesien in lateinischer Sprache. 1463 kommt Veit Stoß aus Nürnberg nach Krakau und beginnt seine Ar beiten in der deutschen Marienkirche, und 1473 wird in Krakau der erste Buchdruck ausgefuhrt. Aus einer Krakauer Familie entstammend, wird im gleichen Jahr Nikolaus Kopernikus in Thom geboren. 1476 wird der deutsche Krakauer Maler Nikolaus Haberschack nach Lemberg gerufen. Eine Fülle von Ereignissen birgt diese Zeit, die insgesamt doch für unser Land Nachteile brachte. Der leidige Streit auch der schlesischen Fürsten untereinander machte sie nicht freier als ihre Kollegen in Deutschlands Mitte. Auch sie halfen den Herzogen von Auschwitz und Neustadt/Zator nicht. Ihr Land ging eben verloren. Durch den Verlust dieser Landstriche ist Bielitz nun wirklich zu einer Grenzstadt geworden. Zu einer Grenzstadt des Deutschen Reiches. Nun liegt es wirklich „ganz am Rande”. Die Białka wird zum Grenzfluß zwischen Deutschland und Polen, und dadurch wird auch die bekannte Entwicklung des Bielitzer Landes zur Sprachinsel eingeleitet. Östlich der Białka wird das Polnische zur Staatssprache, und ähnlich wie in Auschwitz und Zator geht das Deutschtum unter. Wenige Ortschaften bleiben erhalten. Wir kennen den Zustand aus unserer Jugendzeit, als wir ostwärts auf die Wanderschaft gingen. Hinter Lipnik war es so ziemlich mit dem Deutschtum zu Ende. Die Sprachbrücke versank. Die Bielitz-Bialaer Insel erhielt sich aber bis in die jüngsten Tage. Auch damals ging das Leben trotz aller Fährnisse weiter, und die Teschener Herzoge konnten sich verwandtschaftliche Beziehungen bis weit über die Grenzen ihres Landes schaffen. Hedwig, eine Tochter Przemyslaus’ II., heiratete den Herzog Georg von Bayern und reist über Wittenberg nach Landshut. Eine Schwägerin Przemyslaus’ II. von Teschen, die Frau seines Bruders Wladislaus, Margarethe, ist eine Gräfin von Cilli in der Südsteiermark. So flechten sich aus unserem Land Fäden in alle Teile des deutschen Raumes. Im Jahre 1477 stirbt Herzog Przemyslaus II. von Teschen. Wie der Chro nist dieser Zeit vermerkt, aus Gram über die Verdächtigung und Behand 100
lung seiner Person, die ihm von König Mathias I. Corvinus - ich sprach schon davon - zuteil wurde. Nachfolger wird sein Neffe Kasimir II. von Teschen (1477-1528), der schon seit 1473 an der Regierung des Landes beteiligt war. Wir begegneten ihm auch schon auf der Reise des polnischen Kandidaten für den böhmi schen Thron von Krakau nach Prag, Wladislaus’ III., im Jahr 1471. Dieser Kasimir II. erlebt noch die letzten 16 Jahre der Regierung Kaiser Friedrichs III., dessen Zeit und ihre Zustände ich schon andeutete. Der spä tere Papst Pius II. hat sie in seinem Werk „Über Religion, Lage, Sitte und Verfassung Deutschlands” wie folgt zum Ausdruck gebracht: „Wenn ihr die frühere Höhe wieder erreichen wollt, so nehmt die früheren Tugenden, die früheren Sitten wieder an, setzt die Tapferkeit der Lässigkeit entgegen, die Freigebigkeit dem Geize, die Regsamkeit der Untätigkeit, die Gerechtigkeit der Unbilligkeit. Und was noch nötig ist: ziehet die Einheit der Spaltung vor.” Und weiter heißt es an anderer Stelle: „ . . . sofern ihr dies tut, werdet ihr ohne Zweifel den alten Namen wieder erlangen und vielen großen Völ kern Gesetze vorschreiben.” Das war also vor rund 500 Jahren. Kaiser Friedrichs Nachfolger in dieser bösen Zeit war sein Sohn Maxi milian I., dessen ganze Regierungszeit Herzog Kasimir II. miterlebt. Dieser Kaiser ist ein glänzender Geschäftsmann, dessen Partner Jacob Fugger, der Reiche, wird. Hier begegnen sich zwei bedeutende Männer des Typs früh kapitalistischer Unternehmer von ungewöhnlichem Format und einer Ex pansion, die weitumfassende Herrschaft anstrebt. Maximilian gelingt es, die Besitzungen von Mathias I. Corvinus an sich zu ziehen, mußte er doch trachten, sich des zunehmenden Druckes, auch von Osten her, zu erweh ren, und das bei völlig aufgespaltenen Verhältnissen in seinem Reich. Ita lien mußte er räumen. In Polen-Litauen und Böhmen-Ungarn regierte das Haus der Jagiellonen so recht und schlecht und konnte sich kaum mehr ge gen die Adelsanarchie ihrer Länder behaupten. Dahinter drohte zu allem Überfluß die türkische und russische Gefahr. Die Jagiellonen verbanden sich mit den Franzosen, und Maximilian I. knüpfte Beziehungen zu Mos kau an, um die Jagiellonen im Osten zu binden. Das ist also die Kulisse, vor welcher die Regierungszeit des Teschener Herzogs Kasimir II. abläuft. In einem Brief des Böhmenkönigs wird er als Herrscher von Teschen und Freistadt bezeichnet. Dieser Teschener Herzog wird durch den Lauf der Geschichte in eine 101
ziemlich exponierte Position gebracht, die ihn gewollt oder ungewollt in ei ne Aktivität hineinspielt, die ihm auch im zeitgemäßen Besitzwechsel einer Reihe von schlesischen Landschaften eine gewisse Rolle zugedacht hat. Herzog Kasimir II. von Teschen wird vom ungarischen König zum Oberlandeshauptmann nicht nur von Ober-, sondern auch von Niederschle sien bestellt. Er ist der erste schlesische Fürst, der Oberhauptmann in Schle sien wird, und mit ihm beginnt die Reihe der Statthalter Schlesiens aus ein heimischen schlesischen Fürstenständen. Durch seine Ernennung sind die beiden Teile Schlesiens nun in einer Hand vereinigt. Das besitzmäßige Wechselspiel in unserem südlichsten Zipfel Schle siens ist zum Teil urkundenmäßig erfaßt, und Kasimirs II. Name taucht da des öfteren auf: so am 4.9.1492, als ihm von König Wladislaus Hultschin erblich übertragen wird. 1493 wird ihm Oels und Wohlau verliehen als Pfand für 2 000 ungarische Gulden, die er dem ungarischen König lieh. 1519 bestä tigt König Ludwig II. von Böhmen und Ungarn ihm aus Budapest seine bis herigen Privilegien und erhält auch sein Herzogtum Teschen von Ungarn zu Lehen.
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DAS 16. JAHRHUNDERT Verflechtungen Südschlesiens mit deutschen Landen: Markgraf Georg von Brandenburg-Ansbach, Haus Fugger. Ursprünge des Bergbaues. Gang durchs Bielitzer und Saybuscher Land. Erzstraßen durch unsere Berge. Der Erzhandel blüht. Luther tritt auf, Zwingli und Calvin. Schlesien wird evangelisch. 1587: Prote stantismus in Bielitz privilegiert. 1526: Schlesien fällt an das deutsche Haus Habsburg. Schlesien auf Wien ausgeńchtet. - Türkischer Einfluß bis 140 km vor Bielitz. Deutsche wirken in Krakau. Teschener Fürsten und ihre Zeitgenossen. 1529: Türken vor Wien. Reformation bei uns, in Krakau und ihr Ende. Erste Abtrennung der Herrschaft Bielitz vom Herzogtum Teschen: Wiltschek, Karl von Promnitz, Adam von Schaffgotsch in Bielitz, Wenzel III.-Adam, Adam-Wenzel (IV ) in Teschen. 1592: die Sunnegks Herren von Bielitz.
Verflechtungen Südschlesiens mit deutschen Landen. Ursprünge des Bergbaues. Gang durchs Bielitzer und Saybuscher Land. Erzstraßen durch unsere Berge. Der Erzhandel blüht
Am 15.10.1522 erhält Kasimir II. vom Bischof von Olmütz, Stanislaus Thurzo, die Stadt Mistek, Friedberg genannt, die bis 1531 im Teschener Besitz bleibt, zusammen mit Kuntschitz, Friedland und Hodonowitz, und kauft gemeinsam mit Friedrich, Herzog von Liegnitz, die Anwartschaft auf Op peln für 13 333 ungarische Gulden. Elf Jahre später, 1533, verzichten beide wieder auf Oppeln für 40 000 ungarische Gulden zugunsten des Markgrafen Georg von Brandenburg-Ansbach-Jägerndorf. Der Weg der Herrschaft Pleß, die Bielitz nordwärts am nächsten liegt, ist auch recht wechselhaft: 1485 kauft sie Kasimir II. von Teschen dem Johann Bielik von Körnitz ab. König Wladislaus „von Böhmen, Ungarn, Dalma tien, Croatien, Markgraf von Mähren, Schlesien und der Lausitz” bestätigt am 23.2.1498 Münzhoheit und Vererbung des Landes Pleß für Kasimir und seine Nachkommen. Schon am 19.7.1517 verkauften Kasimir II. und sein Sohn Wenzel III.Adam Pleß für 40000 ungarische Gulden an den Grafen Alexius von Beth103
lenfalva im oberungarischen Waaggebiet, der im nordungarischen Bergbau eine führende Stellung innehat (Urkunde zu Freistadt im Teschnischen). Dazu gehören auch die Städte Berun, Myslowitz, Nicolai, die Dörfer Gottschalkowitz, Weichsel, Sandau, Tichau, Zabrzeg, Bogutschütz, Kattowitz (Rittergut Kattowitz, früher Bogutschützer Hammer genannt) sowie die Mauten von Pleß, Berun und Myslowitz. Zeugen sind unter anderen: Jo hann Czelo von Tschechowitz (Richter im Herzogtum Teschen), Mathias von Bystrzicze (im Fürstentum Teschen) und Nicolaus Kloch von Bestwin. 1519 bestätigt König Ludwig den Kauf. Am 16.9.1525 verkauft Alexius den gesamten Komplex an seinen Bruder Johann Thurzo von „Bethlemsdorff” (Originalurkunde befindet sich im Archiv des Schlosses Pleß.) Gleich zu Beginn seiner Regierungszeit gab es Auseinandersetzungen wegen Glogau. Dort lebte seine Schwägerin und wurde von Herzog Johann von Sagan des Besitzes wegen bedrängt. Kasimir kommt ihr zur Hilfe, kann sich aber nur bis 1481 behaupten, dann kommt Glogau in die Hand des ungarischen Kö nigs, nachher an den böhmischen und danach an König Johann-Albrecht von Polen, einen Bruder des Böhmenkönigs Wladislaus III. Im gleichen Jahr geht unter dem Druck des Ungarkönigs halb Gleiwitz an Bielik von Körnitz, 1495 wird Hultschin abgegeben. Ähnlich wechselvoll ergeht es dem Troppauer Land: 1501 geht es von Corvinus an Wladislaus III. von Böhmen und Ungarn über, der es seinem Bruder Siegmund überläßt. 1507 eröffnet er, König von Polen, Großfürst von Litauen, Herzog von Troppau, den Troppauern, sie verpfänden zu müs sen, da sie ein Zahlungsversprechen nicht gehalten hätten. 1511 gibt er Trop pau an König Wladislaus III. von Böhmen weiter. 1515 wird Herzog Kasi mir II. von Teschen als Anerkennung für seine vielfachen Verdienste die Hauptmannschaft auch über Troppau urkundlich übertragen. Eine Bestim mung des Dokumentes besagt, daß Troppau nie „der Krone Ungarns ent fremdet werden würde”. König Ludwig bekräftigt die von seinem Vater aus gesprochene Verleihung am 8.12.1523. Auch Kaiser Ferdinand I. (1556-64) bestätigt dem Herzog diese Rechte. Aus dem Jahr 1494 stammt nun eine Kaufurkunde, abgeschlossen zwi schen König Johann-Albert von Polen und Herzog Johann III. von Neustadt/Zator und dessen Frau Barbara über deren Herzogtum. Das herzogli che Paar darf ihrzufolge auf Lebzeiten im Lande bleiben. Der Kaufpreis beträgt 80000 Gulden. Etwa 1501 huldigt dann auch Neustadt/Zator dem polnischen König, 1515 wird in einem Brief König Siegmunds von Polen Jo 104
hann Graf Larisch als Besitzer der Vogtei Auschwitz genannt. 1519 wird noch Johann III. als Vogt von Neustadt bezeichnet. Die Vogtei Kunzendorf/Lipnik bei Bielitz wird 1499 an Johann Staschkowski verkauft. 1540 übergibt der „Archidiakon Georg von Krakau” das Herzogtum Neustadt/Zator an den polnischen König Siegmund selbst. Auch nach dem Erlöschen der Piasten von Neustadt und dem Anfall des Landes, dieses östlichsten schlesischen Landstriches, an Polen wird es im mer noch als „Herzogtum” bezeichnet und führt auch ein Wappen mit ei nem Adler, der aber in der Farbe vom Krakauer Adler verschieden ist. Auschwitz war eine Burg - und Neustadt/Zator ein Landesgerichts platz. Das Städtewesen, das im 13. Jahrhundert unter deutschem Einfluß in ganz Schlesien und auch im Krakauer Land so vielversprechend begann, wurde aber im zuletztgenannten Gebiet seit Boleslaus Lokieteks Zeiten durch die sich geltend machenden nationalpolitischen Strömungen zum Schaden des Landes zunichte gemacht. Hier im Auschwitzer Land hatten die Herzoge, vor allem Wladislaus von Oppeln und sein Sohn Mieschko versucht, durch Aussetzung von Städ ten nach deutschem Recht ein Bürgertum zu gründen, das aber jetzt unter polnischer Herrschaft nur ein jämmerliches Leben fristen konnte. Noch im Jahr 1518 erhebt Herzog Kasimir II. von Teschen beim polni schen König Siegmund Ansprüche auf das 1462 abgegebene Herzogtum Sewerien, wird aber abgewiesen. Dieser verwirrende Ablauf von Kauf, Verleihung, Verzicht und Verkauf von Teilen schlesischen Landes in nur wenigen Jahren gibt ein aufschlußrei ches Bild über die damals unbeständigen Zeiten in unserem Grenzland. Es waren Schritte und Stationen auf dem Wege zum Verlust des Vorgartens des Bielitzer und damit des schlesischen Landes. Keinem Herrscher westlich unseres Ländchens gelang es überlange Zeitabschnitte hinweg, die Ansprü che auf diese vorgeschobenen Bestandteile Schlesiens nachhaltig durchzu setzen. Sie blieben bis in 18. Jahrhundert von uns getrennt. Die Verluste dieser Landstreifen fallen, wie schon gesagt, in die Zeit der Desorganisation Böhmens und der Kleinstaaterei Deutschlands, die keine Zeit und keine Kraft frei haben, hier die Entwicklung in andere Bahnen zu lenken. Polen zog seine Vorländer an sich, und die Grenze verlief nun entlang unserer Białka von der Quelle bis zur Mündung und im Gebirge entlang der Wasser scheide zwischen Weichsel und Donau in unseren Beskiden. 105
Werfen wir noch abschließend einen Blick nach Westen in das Jägerndorfer Land, da es für die weitere Entwicklung von besonderer Bedeutung ist. 1507 verspricht König Wladislaus II. von Böhmen und Ungarn dem Ho henzollern Markgraf Georg von Brandenburg-Ansbach die Anwartschaft auf Oppeln nach dem Tode des dortigen Herzogs Johann. Am 11.10.1512 beschließen die Herzoge Johann von Oppeln, Valentin von Ratibor und Markgraf Georg einen Erbvertrag, den König Ludwig 1522 bestätigt. 1521 kommt Georg als Vertrauter des ungarischen Königs Wladis laus II. nach Schlesien und kauft 1523 das Herzogtum Jägerndorf vom böh mischen Kanzler Johann von Schellenberg, der es seit 1493 besitzt. Dieses Ländchen bleibt ein Jahrhundert lang Brennpunkt der Reformation und des Protestantismus in Oberschlesien, den der Ansbacher Markgraf zuerst hier und später in Oderberg und Beuthen durchsetzt. Am 7.4.1523 erkennt König Ludwig II. von Böhmen und Ungarn den Herzog Georg „von Brandenburg, Stettin, Pommern, Cassuben und Wen den, Herzog und Graf von Nürnberg, Fürst von Rügen” nun auch als schle sischen Fürst an und erlaubt ihm am 18.5. des gleichen Jahres, „Lehen oder Eigentümer an sich zu bringen”. Am 3. Juli 1523 tritt er ihm die königlichen Rechte auf Freudental ab. Dieser Hohenzollernzweig blieb bis 1622 Herr von Jägerndorf. 1523 kommt auch Schloß und Herrschaft Oderberg, 1526 Beuthen dazu. Auch hier bleibt das Geschlecht bis 1622 Herr und hat so namhafte Teile von Oberschlesien in seiner Hand vereinigt. 1528 gründet Markgraf Georg von Brandenburg-Ansbach-Jägerndorf die „Bergstadt” Tarnowitz, führt das evangelische Bekenntnis ein und sorgt für die Aufwärtsentwicklung des oberschlesischen Bergbaus durch Ansied lung fränkischer Kolonisten in seinem Herzogtum. Mit seinem Hofstaat re sidiert der Graf aus dem Frankenlande des öfteren auch in Schlesien, und zwar in Jägerndorf. Und nun soll mit der Erwähnung der Bergstadt Tarnowitz auch erstmals auf jene Besonderheit, ja vielleicht besser gesagt auf jenen Schatz eingegan gen werden, der im Schoße unseres oberschlesischen Landes ruht und für das ganze Oberschlesien - von den Beskiden bis zu der Linie Ostrau-Ratibor, Gleiwitz, Tarnowitz und Warthenau eine Klammer, ein Fundament bil det und es besser als so manches andere Argument zu einer Einheit stem pelt, obwohl es in seiner späteren Geschichte von Menschenhand geteilt, 106
zerrissen und seine Bewohner entfremdet wurden. Es sind dies die Boden schätze dieses Landstriches, insbesondere seine Kohlevorkommen. Diese Kohle füllt ein zusammenhängendes Becken von etwa dreiecki ger Form, das sich, über politische Grenzen hinweg, von seiner westlichsten Ecke bei Hultschin-Oderberg nach Osten hin bis nahe Krakau erstreckt. Die nördliche Begrenzung liegt oberhalb Tarnowitz-Beuthens und n i m m t eine Fläche von etwa 5 700 Quadratkilometern ein. Ludwig Rüger beschrieb die ses Gebiet, ich folge seinen Gedanken. Die gesamte Südgrenze dieses Gebietes bildet das „Tertiär” des Karpa tenrandes - unsere engste Heimat also -, welches die kohleführenden Schichten abdeckt. Nur an wenigen Stellen treten sie zutage, oder liegen günstiger, um abgebaut zu werden. Diese Gewinnungsorte sind inzwischen klangvolle Namen geworden: Ostrau, Orlau, Karwin, Rybnik, Königshütte und ganz am Ostrand das Dombrowaer Gebiet. Bei Tenczynek, 15 km nord westlich von Krakau, läuft das Vorkommen aus, wird die letzte Kohle aus dem Boden geholt. Brzeszcze, Jawischowitz und Tschechowitz sind die südlichsten Schürfstätten, sie liegen schon im Bielitzer Land. Die Kohle liegt hier 230 bis 550 Meter tief, überdeckt vom Gestein der Westbeskiden, die sich in der Zeitepoche des „Alttertiärs”, also vor bis zu 66 Millionen Jah ren, falteten und über ihr Vorland nach Norden schoben. Die Rutschflä chen bildeten die kohleführenden Schichten. Nach der Bildung unseres Gebirges erfolgte der Einbruch des Meeres. Seine Ablagerungen sind nicht gefaltet, sie setzten sich also später ab und sind somit jünger. Die Hauptabbaugebiete dieses Südrandes liegen zwi schen Oder und Olsa, zwischen den Städten Ostrau und Karwin. Diese Bergschätze wurden mit der Zeit, mit zunehmender Kenntnis sie zu finden, sie abzubauen und zu nutzen, zu einem sehr hoch eingeschätzten Objekt der Herrscher dieser Landstriche. Die Macht der Habsburger stützte sich nicht zuletzt über Jahrhunderte auf die Bergwerksverträge von Tirol über Böhmen bis Oberungarn. Nicht umsonst heißt es in der Einleitung des von Kaiser Karl V gegebenen Berg rechts: „Die Bergwerke sind die größte Gabe und Nutzbarkeit, die der All mächtige den deutschen Landen gab.” Deutsche Bergleute, reich an Erfahrungen aus ihrer Heimat, dem Harz und dem Erzgebirge, gewannen das Erz bis hinunter in die Zips und die Slo wakei, und das deutsche Bergrecht sollte Vorbild für viele Staaten, so für Ungarn, Spanien, ja sogar Südamerika, werden. 107
Der deutsche Bergmann wurde zum Pionier der deutschen Siedlungs bewegung. Sein Fleiß brachte letzten Endes diesen Landstrichen die kultu rellen und materiellen Blütezeiten, aber löste auch politische Zerrissenheit und ungünstige Kräfteverlagerungen aus. Und was wir hier schlechthin Ge schichte nennen, ist der Kampf um die Zentren der Bodenschätze, um die Ausgangsprodukte für unsere lebenswichtigen Industrien, welche diese Urprodukte verfeinern. Und in nicht geringem Maße liegen diese Schätze in unserem oberschlesischen Land und reichen hinunter bis in die südlich un serer Berge gelegenen Gegenden. Wer sie besitzt, ist reich und frei. Vor fast zweitausend Jahren vernichteten die Chatten den Stamm der Hermunduren, damals im Kampf um die Sole von Wildungen (58 n.Chr.), um sie zu besitzen. Die Kämpfe um Kohle, Erze, Öl und andere moderne Rohstoffe sind nur die Fortsetzung davon bis in unsere Tage. Auch die Bo denschätze zwischen den Beskiden und Tarnowitz haben bis zum heutigen Tag ihre politische und wirtschaftliche Bedeutung nicht verloren. Doch unser Markgraf Georg war noch nicht soweit. Sein Sohn Georg-Friedrich legte 1561 das kleine Bergstädtchen Geor genberg nordöstlich Tarnowitz’ an, und viele, viele Gründungen folgten. Hand in Hand damit nahm auch der Handel seinen Aufschwung, die priva te Hand griff ein, die Fugger monopolisierten sogar den ganzen Silber-, Kupfer- und Quecksilberhandel. Die hohe kulturelle Bedeutung, zum Bei spiel von Nürnberg und Augsburg, ist ohne Frage mit dieser Epoche ver bunden. Jacob Fugger (1459-1525), wohl einer der ersten Montanindustriellen, gründete seine Macht vornehmlich auf Kupfer. Er kontrollierte die wichtig sten damals bekannten Kupfervorkommen. Sie lagen gar nicht weit von uns am Südrand unserer Beskiden. Er nahm nicht nur den Handel mit dem Erz, sondern, weitblickend, auch die Bergwerksproduktion auf. Rockefeller tat das gleiche geraume Zeit später mit dem Öl, als er Produktion, Trans port und Handel zusammenfaßte. Ein günstiger Zufall führte Fugger mit dem Zipser Bergmann Johann Thurzo zusammen. Über diese Familie und deren Bedeutung für unsere Gegend ist an anderer Stelle schon früher von F. Bichterle berichtet worden. Thurzo war ein hervorragender Fachmann auf bergbaulichem und hüttenkundlichem Gebiet und führte - zuerst in Goslar - ein Verfahren ein, 108
das aus kupferhaltigen Erzen reines Kupfer gewann. Thurzo besaß auch Kupfererzgruben im slowakischen Erzgebirge. Beide, Fugger und Thurzo, erkannten die Wichtigkeit ihres Zusammen gehens - es wurde noch durch eine Heirat untermauert -, und so kam es zur Gründung der Fugger-Thurzo’schen Handelsgesellschaft, die praktisch den ganzen Kupferhandel Europas überwachte. Es entstanden große Hütten werke am Südrand unserer Karpaten in Neusohl, und über unser Gebiet hinweg entspannen sich Verbindungen zu jenen bei Villach in Kärnten oder zu jenen von St. Georgenstadt im Thüringer Wald. Eine geniale Organisa tion, die auch für den Absatz sorgte. Dieser Südrand der Karpaten birgt in seinen Falten noch manche wert volle Rohstoffe, deren Gewinnung zum Teil in prähistorische Zeiten zu rückreicht. Ihr späterer Abbau ist auch aufs engste mit der glanzvollen Geschichte des deutschen Bergbaues verbunden. Das Zipser und das Schemnitzer Gebiet spielten dabei eine gewichtige Rolle, und es sei hier besonders Schemnitz als Kulturzentrum nicht verges sen, die Stadt, in der im 18. und 19. Jahrhundert sogar zwei deutsche Hoch schulen heimisch waren: 1770 bis 1868 eine Bergakademie und 1803 bis zum gleichen Jahr eine Forsthochschule. An Bodenschätzen verfügt das Gebiet auf der Südseite unserer Berge außer dem erwähnten Kupfer noch über Braunkohle, etwas Erdöl (bei Cadca), Steinsalz (bei Eperies-Preschau), westlich davon befindet sich das in Europa einzige Vorkommen von Edelopalen (bei Czerwinitza), Eisenerz im Zips-Gömörer Gebiet, Antimon westlich Bries’, und Quecksilbererz, und zwar Zinnober, südlich von Zipser-Neudorf. 1937 erntete man 71000 kg Rohquecksilber. Die Golderzeugung belief sich im gleichen Jahr auf283 kg. So stellt das uns im Süden vorgelagerte Gebiet sicherlich auch ein an Bodenschätzen reiches Land dar und ist ein wenn auch nicht ganz, so doch ähnlich wertvolles Besitztum, wie es das vorher beschriebene oberschlesi sche Becken ist, das ja außer seiner wertvollen Kohle auch noch Blei- und Zinkerze in seinem Schoße birgt. Rund um unser Ländchen ranken sich nun die Geschehnisse seit der Entdeckung der geschilderten Schätze noch stärker als je zuvor und kenn zeichnen es als seit alters her zusammengehörig. Diesen Blick unter die Oberflächen unserer ganzen Gegend begannen 109
wir, als Markgraf Georg 1528 die Bergstadt Tarnowitz anlegte, und zu ihm wollen wir nun wieder zurückkehren. Dieser Markgraf Georg, 1484 als Sohn des Markgrafen Friedrich I. von Brandenburg-Ansbach und seiner Gattin, einer Prinzessin von Polen, gebo ren, zugleich Neffe des Königs von Polen und des Königs Wladislaus I. von Böhmen und Ungarn, kam schon früh an den Hof des letzteren, wurde 1515 zum Erzieher und zum Mitglied der vormundschaftlichen Regierung für den damals erst zehnjährigen Sohn Wladislaus, den späteren König Ludwig von Böhmen und Ungarn, und hatte so frühzeitig eine Verbindung mit einem Teil der piastischen Herzoge Schlesiens anknüpfen können. In erster Ehe war Georg mit der Gräfin Beatrix Frangipani, der Witwe Johann Corvinus’, verheiratet und strebte nach Pfandbesitz in Schlesien. Seine Schwester Anna heiratete Herzog Wenzel III.-Adam von Teschen, und eine weitere Schwester Sophie den Herzog Friedrich II. von Liegnitz. Er selbst war in zweiter Ehe mit Hedwig, einer Tochter des Herzogs Karl I. von Münsterberg, verbunden. So ergaben sich verwandtschaftliche Kontakte nicht nur unter unseren schlesischen Fürsten, sondern auch, wie im vorliegenden Falle, mit einem fränkischen Geschlecht. 1521 übernimmt er Stadt und Schloß Oderberg und 1523 kauft er Jägerndorf, Leobschütz und Bauerwitz. Er tut sehr viel für seine schlesischen Städte. Bis 1945 war sowohl in der Vorhalle der Leobschützer Kirche als auch im Rathaus zu Tarnowitz ein Standbild des beliebten Fürsten zu finden. Und über dem Tor des Schlosses Ratibor in Roth bei Nürnberg steht eine Bronzestatue, deren Unterschrift lautet: „Der durchlauchtigste, hochgeborene Fürst und Herr, Herr Georg, Markgraf von Brandenburg, zu Stettin, Pommern, der Cassuben und Wen den, auch zu Schlesien, zu Jägerndorf, Herzog und Herr der Fürstentümer Oppeln und Ratibor, Burggraf zu Nürnberg und Fürst zu Rügen habe anno 1535 dieses Schloß von Grund auf aus den Einkünften der schlesischen Für stentümer bauen und ihm den Namen ,Ratibor an der Retzat’ geben las sen.” Er starb 1543. Die Brandenburger verloren ihre schlesischen Besitzun gen erst 1621, als sie den bei Prag besiegten „Winterkönig” Friedrich von der Pfalz unterstützten und er geschlagen wurde. Das ganze erscheint als beredtes Beispiel für den innigen Kontakt, den unser Land mit deutschen Landen immer hatte. 110
Die Brandenburger Besitzungen gingen 1621 in andere Hände über: Jägerndorf-Leobschütz an Karl von Liechtenstein, Beuthen-Oderberg an die Familie des kaiserlichen Hofbankiers Henckel-Donnersmarck und die Grafschaft Glatz sowie Oppeln-Ratibor an den Breslauer Fürstbischof Karl von Österreich. Damit hörte die politische Bindung einiger Teile Schlesiens mit den fränkischen Markgrafen auf zu bestehen. Doch es ist ein weiter Weg durch über tausend Jahre, gerechnet von der etwa ersten Meldung über einen Bergbau in Europa im Jahr 550, als Gold bergwerke bei Friesach in Kärnten und zwei Meilen davon entfernt Eisen gruben eröffnet worden sein sollen. Der böhmische Geschichtsschreiber Pubitschko hat Kommerau in Böhmen als eines der ältesten Eisenwerke ne ben Zdechowitz, Horzowitz und Swata bezeichnet. Als man meldete, daß 685 aus den Flüssen Böhmens Gold gewaschen wurde oder man 968 unter König Otto I. dem Großen von Bergwerken in Goslar und am Rammeis berg im Harz sprach, bis zur ersten Meldung 1148, daß ein Bergmeister Lo renz bei Schmiedeberg Bergbau und Eisenerz in Schlesien betrieben haben soll und Eisen „daselbst erschmolz”, waren viele Jahrhunderte vergangen. Aus dem Jahre 1163 stammt die Meldung, daß bei der Loslösung Schle siens von Polen in diesem Jahr alle „Gerechtsame und Bergregale” der pol nischen Könige auf die schlesischen Fürsten übergingen. 1175 bis 1176 soll der polnische König „zur Buße” Leute in die Bergwerke nach Schlesien ge schickt haben. Buchbergsthal wird im 13. Jahrhundert als das älteste Eisen werk in Mähren und Schlesien genannt. Vom Iglauer Bergrecht erfahren wir etwa um 1250 als dem ältesten niedergeschriebenen Bergrecht, 1270 gibt es auch ein Bergrecht in der ehrwürdigen Bergstadt Schemnitz, einer deut schen Stadt in der Slowakei. 1300 gibt König Wenzel II. der Stadt Kutten berg ein neues Bergrecht. In Schlesien bleiben die Bergregale Besitz der Fürsten, als es böhmisches Lehen wird, und auch im 14. Jahrhundert, als Mathias Corvinus den „Landfrieden” in Schlesien anordnet, ändert sich daran nichts. 1484 gibt es eine Bergordnung von Münsterberg, 1505 eine für die Erbfurstentümer Schweidnitz und Jauer. Eine bekannte richtungwei sende Bergordnung ist jene von Joachimstal aus dem Jahre 1516. Dieser lan ge Weg soll zunächst beendet werden mit der Nachricht über eine „Bergfrei heit” des Herzogs Johann von Oppeln und des Markgrafen Georg von Bran denburg-Ansbach für Oppeln, Oberglogau, Ratibor, Beuthen, Jägerndorf, Leobschütz und Oderberg, die 1526 zu Beuthen gegeben wurde. 1529 folgt „Czugkmantel” (Zuckmantel) und im gleichen Jahr „Freyenwalde” (Frei 111
waldau), 1544 Ottmachau, 1544 die Erbstollenordnung für Tarnowitz. 1556 die Bergfreiheit für die Bergstadt Engelsberg des Grafen Johann von Wür ben auf Freudenthal, und 1583 hören wir von der Bergordnung von Reichenstein, gegeben durch Wilhelm von Rosenberg. 1584 dürfte die erste Belehnung auf Steinkohle in Oberschlesien zu Altwasser bekanntgeworden sein. Soweit nun die Anfänge und das Herkommen des nach Schlesien ge brachten Bergrechtes und der Beginn des Bergbaues in unserem Lande. Noch ahnt die Welt nicht, welch große Reichtümer unter unserer Erde liegen, noch fehlt die Technik und das Wissen, um sie zu nutzen. Und trotz dem verdichten sich immer mehr Nachrichten über die Funde von „Eisen stein in sumpfigen Gegenden Oberschlesiens” und vom Abbau erster Koh lenfunde. Die Meldungen lassen aber vielleicht schon ahnen, worum es später in der Geschichte unseres Landes geht. Kehren wir zurück in die schlichte Zeit Kasimirs II. von Teschen und zu den Nachrichten aus dem Bielitzer Land, in welchem dieser Herzog im Zug der Zeit folgende Verbesserungen und Ordnungen einführt und entspre chende Urkunden ausfertigen läßt. Diese Urkunden betreffen Skotschau, Lazy bei Skotschau, Tschechwitz und Zislowitz. Es handelt sich meist um Brau- und Weinschenk- sowie Marktrechte. Um 1500 bestanden im nahen Kreis Saybusch lediglich erst eine Stadt und 18 Dörfer, die sich im Saybuscher Becken zusammendrängten und einen festen Block bildeten, der ringsum von einem breiten Gebirgswald umschlossen war. Auch nach Norden, also gegen Bielitz und Auschwitz, war dieses Becken von den nächsten Dörfern Nickelsdorf, Kunzendorf, Poromka und Sulkowitz durch einen 5 bis 10 Kilometer breiten Wald getrennt. Die einzige Stadt war Saybusch, deren Gründungsurkunde aus dem Jahr 1327 in deutscher Sprache abgefaßt ist. Die Städte des Teschener Landes erhielten bisher ja auch besondere Pri vilegien: so Bielitz 1424 schon den großen Stadtrechtsbrief, in welchem auch erstmals „Bürgermeister und Ratmannen” erwähnt waren, 1440 folgt das Stapelrecht für Salz, 1525 ein freier Fleischmarkt. 1498 erhalten die Bie litzer Bürger die Erlaubnis, ihre Viehweiden für Gärten und den Hausbau zu verwenden, erhalten ein fürstliches Brauhaus und das Weinschankrecht. 1521 schenkt ihnen Herzog Kasimir II. einen Teich bei Dzieditz, sie müssen 112
sich aber dafür verpflichten, ihre Stadt zu befestigen. 1525 darf Bielitz im Mühlgraben vor dem herzoglichen Schloß Fische halten. Schwarzwasser erhält 1482 Stadtrechte, die 1504 von König Wladislaus II. bestätigt werden. Teschen wird 1488 erstmals mit einer Stadtschule erwähnt, 1505 prägt der Herzog in Teschen eigene Heller und Groschen. 1511 werden in einem Privileg für Friedeck nur mehr Groschen erwähnt. Teschen versorgt bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts das ganze Teschener Herzogtum mit Geld. Aus Teschener Baurechten wird Bier bis nach Jablunkau hin geliefert. Neustadt/Zator erhält 1524 Marktrechte und auch die Mauten aus den Salz transporten und einer Brücke, die bei Nezstadt über die Skawa gebaut wur de. Dazu kommen noch Marktrechte. Durch die politischen Veränderungen im Auschwitzer Land wird dort auch für das Deutschtum das bisherige Recht abgeschafft, und die bisher für Polen und Deutsche verschiedenen Rechtsverhältnisse fallen fort. Am läng sten halten sich die alten Rechte in den deutsch gebliebenen Dörfern des Auschwitzer Landes, wo noch im 17. Jahrhundert der bäuerliche Schulze, die zwei Ratsherren und die sieben Geschworenen regelmäßig zu Gericht sitzen und auch in besonderen Fällen Todesurteile aussprechen. 1564 wird das deutsche schlesische Recht im ganzen Auschwitzer Land aufgehoben. In Teschen, wo böhmische Verwaltung herrscht, bricht 1511 die Reihe der deutschen Bürgermeister für fast ein Jahrhundert ab. Die Städte sind auf ländlichen slawischen Zuzug angewiesen, so daß sie mit der Zeit auch zum Teil polonisiert werden. Teschen wird teilweise polnisch, Bielitz bleibt ganz deutsch, da rundherum deutsche Dörfer liegen: Altbielitz, Batzdorf, Mückendorf, Karnitz und Kurzwald, auf der galizischen Seite Kunzendorf, Alzen und Wilmesau, Seibersdorf/Kozy, Altendorf/Starawies und Schrei bersdorf. Aus dem Gebiet östlich der Białka wird auch ab 1494 ein starker jü discher Zuzug insbesondere nach Andrichau/Heinrichau, Frauenstadt/Wadowitz, Liebenwerde/Kenty, Zablocie, Saybusch und Sporisch gemeldet. Nach Hanslik war die Westgrenze des Zuzuges die Białka, die damals die Reichsgrenze war. Nun will ich noch auf eine Besonderheit eingehen, die in der Regie rungszeit Kasimirs II. ihren Anfang nimmt, unser Land berührt und cha rakteristisch ist für unser Gebiet vor den Bergen in seiner Eigenschaft als Durchgangsland. Es ist das Wirken der Familie Fugger im südöstlichen Schlesien. Der 113
Name Fugger wird erstmals in Schlesien genannt, als 1487 Beauftragte Georg Fuggers Ablaßgelder in Schlesien eintreiben, und 1488 hören wir von den Fuggern, als sie vom Papst beauftragt werden, gewisse in Schlesien ein gekommene Ablaßgelder zu erheben und an die päpstliche Rentenkammer abzuliefern. 1491 findet man den Namen in einer Urkunde des Breslauer Rates. 1494 lernen sich die beiden uns schon bekannten Hauptgestalten der damaligen Handelsepoche Jacob Fugger und Johann Thurzo von Bethlenfalva in Ve nedig kennen und beschließen, die Neusohler Montanwerke in Oberun garn zu übernehmen. Mit süddeutschen Handelshäusern (Imhoff, Gering, Welser) beuteten sieja schon die Reichensteiner Goldbergwerke aus (etwa 160 km von Bielitz entfernt). Vom 1.9.1519 bis 31.8.1520 zum Beispiel wurden aus diesem Unternehmen 200 Mark Gold geschürft, was etwa 51 Kilo gramm entspricht. Die Fugger schließen 1495 einen Vertrag mit den Thurzos, der 1499 auf alle neu zu erschließenden Bergwerke Ungarns ausgedehnt wird. Am 14. Mai 1495 schließen die drei Brüder Jacob, Ulrich und Georg Fugger mit Herzog Kasimir II. von Teschen einen Vertrag ab, der ihnen den Weg nach und durch Schlesien sichert. Der Beauftragte der Fugger hierfür war der Breslauer Kaufmann Kilian Auer, selbst auch an den Geschäften finanziell beteiligt. Sein Vorstoß geht nach Krakau und nach Teschen und von da aus nach Ungarn. Dort treffen sich ihre beiden in Montanbelangen, einmal aus Österreich und das andere Mal aus Schlesien, ausgestreckten Arme. Das Unternehmen Fugger wird dabei selbst wohl kaum an große euro päische Pläne gedacht haben. Es versuchte von den in ihrem Besitz befindli chen Bergrechten, im Salzburgischen und in Tirol, aus, Stützpunkte in der zu Ungarn gehörigen Slowakei zu erwerben. Es galt, zum Teil ganz nahe im Süden unseres Heimatgebietes, Kupfer und Silber zu graben. Man ging nicht selbst ans Werk, sondern wählte den Weg über Nürnberg und Breslau und bediente sich jenes Mannes, der die nötigen Privilegien in Ungarn und auch in Polen besaß. Dieser Mann war Johann Thurzo. Er nannte auch Un ternehmungen in Goslar sein eigen, so daß sein Name auch in der deut schen Wirtschaft Klang hatte. 1474 hatte ihm König Mathias Corvinus die Genehmigung zur Erschlie ßung der slowakischen und ungarischen Montangebiete gegeben. Erst nach dem Frieden von Preßburg 1491, in welchem der Jagiellone Wladislaus III., König von Ungarn und Böhmen, dem Hause Habsburg die Erbfolge in 114
Böhmen und Ungarn zusicherte, ließen sich Mittel für das Gebiet von Neu sohl, das später zu einem Zentralpunkt des ungarischen Fuggergeschäftes werden sollte, in Oberdeutschland flüssig machen. Eine Grube nach der an deren konnte gekauft werden. Thurzo hatte auf einmal Geld. Woher es kam, war nicht bekannt, und wer es wußte, der schwieg. Sowohl die Thurzos als auch die Fugger taten so, als ob sie sich nicht kennen würden. Selbst gut informierte Kaufleute ahnten nicht, wie und wann sich Augsburg über seine Nürnberger Vertretung an der Breslauer Gesellschaft der Thurzos beteiligte. Innere Widerstände gab es beim Bischof von Fünfkirchen, die aber mit Hilfe des Kaisers Maximilian I. auch beseitigt wurden, und König und Bi schof gaben nach. Das Kapital erwarben sich die Fugger aus dem Handel mit Wolle, Seide, Barchent und Spezereien. Die Herrschaft über die Metalle vervollständigte ihre führende Rolle am europäischen Markt. Lag doch die gesamte europäi sche Kupfergewinnung zeitweise in den Händen der Fugger. Blei, Silber und Quecksilber wurden gleichso in fuggereigenen oder gepachteten Mi nen in Deutschland, Österreich, Kärnten, Tirol, Ungarn und auch Spanien gewonnen. Thurzo bildete sich in Venedig in der Kunst des „Seigerns” noch besser aus, während Fugger, der Kaufmann war, nun in Thurzo den Techniker fand, den er brauchte. Sie schlossen sich zu einer Gesellschaft zusammen, die nicht nur Erze und Metalle gewann, sondern sie auch verkaufte. Ihre Ausbeute betrug zunächst an Kupfererzen 600 Zentner. Nun kam mit dem Erzhandel auch für Schlesien die große Zeit. Es wur de der Marktverteiler für Erze von Kupfer, Blei und auch Gold. Oderberg wurde Stapel- und Umschlagplatz für die Oder, Krakau für die Weichsel. Als in Neusohl eine „Seigerhütte” gebaut wurde, in welcher man Silber aus dem Kupfer herauszuschmelzen verstand, erkannten die Ungarn den Wert des Prozesses und verboten die Edelmetallausfuhr. Daraufhin wurde nur mehr Erz aus Ungarn ausgeführt. Zwei Wege standen zum Transport der Güter nach Norden zur Verfü gung: über Sillein und das obere Waagtal nach Titschein, und von dort auf Bergwegen über Troppau, Jägerndorf, Neisse und Brieg nach Breslau. Der zweite Weg führte über den Jablunkapaß und das Herzogtum Teschen zur Oder und am linken Ufer, von Ratibor aus, weiter. Herzog Kasimir II. von Teschen war ja auch oberster Landeshauptmann 115
beider Schlesien und gestand dem Unternehmen den Durchzug durch sein Herrschaftsgebiet zu unter der Bedingung, daß die Straßen in gutem Zu stand erhalten bleiben. Das dazugehörige Holz stellte er aus seinen Wäl dern zur Verfügung. Als Zoll sollten in Teschen für jeden Wagen Erz sechs Groschen und in Freistadt vier Groschen erhoben werden. Die Fuggergesellschaft zahlte zum Beispiel für 15 584 Zentner Kupfer, die aus Krakau und Teschen eintra fen, im ganzen 256 Gulden, 2 Groschen und 11 Heller. Ab 1502 besitzen die Fugger selbst Anteile am Reichensteiner Gold bergwerk. Das Zentrum des Systems der Gesellschaft war Neusohl, von wo das Kupfer auf sechzehn Straßen in alle Richtungen verschickt wurde. Die für uns wichtigsten waren: von Neusohl aus über den Strec-Paß nach Norden, über Rosenberg, und zwar einmal mit Flößen nach Westen waagabwärts bis Sillein über den Jablunkapaß und Teschen zur Oder hin oder über Bielitz nach Krakau, das zweite Mal von Rosenberg aus, das Tal der Schwarzen Arwa aufwärts, über Myślenice nach Krakau. Die übrigen führten nach Süden, Südwesten und Westen in Richtung Budapest, Wien und Prag. Ein dritter Weg führte noch von Rosenberg aus nach Osten das Poprad-Tal aufwärts bis Neu-Sandetz, Bochnia ebenfalls nach Krakau, das ja der Verteiler für Dan zig-Antwerpen, Polen und Rußland war. Thurzo übernahm den Handel mit Kupfer nach Polen, Rußland, Preu ßen, Ungarn und Venedig, die Fugger den Rest der Straßenwege. 1506 erhält Freiwaldau (etwa 140 km von Bielitz entfernt), das damals noch zum Neisser Land gehörte, vom Breslauer Bischof das Bergrecht ver liehen. Auf dem Bischofsstuhl saß zu dieser Zeit schon ein Thurzo. Es war Johannes V. Thurzo. Im Jahr 1510 erwarben die Fugger die Freiwaldauer Goldbergwerke. Vermittler war Bischof Johannes V. Thurzo. Sie gehörten seit 1497 dem Breslauer Bürger Leonhard Vögel, der sie wieder in Betrieb setzte. Man bau te nun auch neue Straßen, auch über den Jablunkapaß. Kasimirs II. Einnah men flössen aus den Verkäufen seines Beskidenholzes für den Straßenbau und aus den Abgaben aus dem Stapelplatz Oderberg, wo das Erz von den Wagen auf Kähne umgeladen wurde. Er verpflichtete sich dafür, keine wei teren Zollstätten einzurichten. 1498 wurde das Erz erstmals aus Kostengrün den die Donau aufwärts bis Regensburg gebracht. Die Breslauer eroberten den Weg der Güter durch Schlesien wieder zurück. 1514 stoßen die Fugger 116
das Freiwaldauer Goldbergwerk wieder ab, da die Erträge nicht mehr aus reichend waren. Sie kamen zum Erliegen, und erst nach dem Ersten Welt krieg versuchte eine englische Gesellschaft den Betrieb wiederaufzuneh men, stellte aber schon bald die Arbeiten ein. 1515 wurde mit Georg Fugger vom Reh über Posen ein Zweig der Fami lie nach Warschau verpflanzt - ich sprach schon davon -, deren Existenz bis in die Gegenwart reicht. Das Fuggerhaus (Fukier) am Altstadtring Nr. 27 (Rynek starego miasta) zeigt eine klassizistische Fassade, das Innere schmücken romanische Gemälde südlicher Landschaften. Nach dem Zwei ten Weltkrieg wurde das Haus wiederhergestellt. Darin befindet sich noch heute ein Weinhaus. 1525 wurden die Fugger durch einen Reichstagsbeschluß des ungari schen Landes verwiesen und der Budap ester Vertreter am 25.6.1525 verhaf tet. Die Fugger und die Thurzos wurden zu einer Geldstrafe von 850 000 un garischen Gulden verurteilt, das Urteil aber nie ganz erfüllt. 1543 wurden zwar die Verträge mit Ungarn nochmal erneuert, die Fug ger verkauften aber alle Bergwerke, Hütten und Hämmer sehr rasch, als die Türken 1546 Budapest besetzten. Damit war das große Geschäft des Hauses Fugger in Schlesien zum Sterben verurteilt. Die Verträge wurden gelöst, da die Unsicherheit stieg und die Bergknappen zu den Waffen gerufen wurden, denn die Türkenge fahr war brennend geworden. Herzog Kasimir II. von Teschen erlebte allerdings dieses Ende nicht mehr. Durch ihren Reichtum waren die Fugger zu Bankiers der Habsburger und auch der Päpste geworden. Kriegszüge gegen Italien, Frankreich und die Türkei wurden von ihnen finanziert, selbst Königs- und Kaiserwahlen wurden mit Fuggerscher Finanzhilfe durchgeführt. Bekannt wurde jene Kaiserwahl, die 1519 Karl V auf den Thron brachte. Die Macht der Fugger zerfällt gegen Ende des 16. Jahrhunderts. Es wird noch einige Male die Rede von diesem bedeutendsten deutschen Bankenund Unternehmenskonsortium sein, das sich aus einer einfachen Bauernund Weberfamilie hocharbeitete. Bevor ich mich dem Nachfolger Kasimirs II. zuwende, sei noch auf eine Entwicklung eingegangen, die schon mehrfach angedeutet wurde, auch in der Zeit Kasimirs II. von Teschen in Deutschland ihren Anfang nimmt und in späterer Zeit auch Schlesien und unser Ländchen schwer erschüttert. 117
Luther tritt auf, Zwingli und Calvin. 1516: Schlesien fällt an das deutsche Haus Habsburg. Deutsche M eister in Krakau. 1529: die Türken vor W ien.
Wie überall in deutschen Landen, waren auch bei uns in Schlesien die Gei ster von einer gewissen Unzufriedenheit über die althergebrachten Formen des kirchlichen Lebens erfaßt. Dieser Zustand hat natürlich seine lange Vor geschichte, die bis in das 14. Jahrhundert zurückreicht, in welchem John Wiclif (1328-1384) in seinem englischen Heimatland als Reformer auftritt. Johann Hus, durch Wiclif angeregt, widerruft seine neuen Glaubenssätze selbst auf dem Konstanzer Konzil nicht, wird zum Ketzer erklärt und durch seine Verbrennung auf dem Scheiterhaufen zum Nationalhelden der Tsche chen gemacht. Die Kriege, die seinen Namen tragen, verwüsten von Böhmen ausge hend die Nachbargebiete in Österreich, Bayern, der Mark Meißen, sie wer den bis vor Danzig getragen und treffen auch in den Jahren bis 1436 Schle sien auf das schwerste. 1517 tritt nun ein Mann in Deutschland mit Reformen in die Öffentlich keit, die mit den mittelalterlichen Kirchenbegriffen brechen. Luthers Refor mation gibt einer ganzen Zeitepoche ihren Namen. In der Schweiz tritt Zwingli auf (1522), und 1541 gründet Calvin in Genf die nach ihm benannte Glaubensrichtung. 1534 entsteht die anglikanische Kirche in England. Das sind schwere Erschütterungen für die katholische Kirche. Die Lehre Calvins verbreitet sich in Frankreich, Westdeutschland, den nördlichen Niederlanden und in Schottland. Die neuen Lehren finden auch in Polen und Ungarn Eingang, erfassen ebenso Nord-, Ost- und Süd deutschland, 1522 Livland, Schweden (1525), Finnland, Dänemark (1545) und Slovenien (1561). Die Erweiterung des Gesichtskreises trägt sicherlich dazu bei, das mittelalterliche Weltbild zu verändern, und die Reformation im besonderen bewirkt letzten Endes eine völlige Erneuerung des gesamten Kirchenwesens. Die Stimmung der Geister war es, die das Auftreten der Reformatoren, besonders aber Luthers, so bedeutungsvoll und erfolgreich erscheinen ließ. Schon ein Jahr, nachdem die 95 Thesen am 31.10.1517 am Tor der Wittenberger Schloßkirche angeschlagen wurden, werden Luthers und Zwinglis Schriften in Breslau gedruckt und verbreitet. In Neukirch wird 1520 die erste evangelische Predigt durch den Augusti ner Melchior Hoffmann gehalten, 1522 in Freistadt durch Johann von Re chenberg. 1523 entscheidet sich Freistadt evangelisch zu werden, und die 118
Breslauer Maria-Magdalena-Kirche erhält einen evangelischen Pfarrer, Dr. Johann Hess. Beide Bekenntnisse werden vom Breslauer Bischof geschützt. 1524 erklären sich Löwenberg, Bunzlau und Hirschberg, 1526 Reichen bach, 1527 Striegau und 1530 Schweidnitz evangelisch. 1542 wird der erste evangelische Gottesdienst in Troppau gestattet (1580 gibt es dort nur noch 18 katholische Bürger), und unter Herzog Wenzel III.-Adam von Teschen (1528-1579) faßt auch der Protestantismus in seinem Herzogtum Fuß. Die ersten Spuren in Teschen weisen in das Jahr 1545. Die Anhänglichkeit sei ner Untertanen an die neue Lehre ermöglicht dem Herzog die Einziehung der Abtei Orlau und des Dominikaner- und Bernhardinerklosters in Te schen. 1553 besteht in Bielitz schon eine evangelische Gemeinde, und ab 1560 werden auch der Reihe nach alle Kirchen dort evangelisch (bis 1630). 1587 privilegiert die Herrschaft Bielitz (Graf Schaffgotsch) in seinem ganzen Gebiet den Protestantismus. Auch die Dörfer nehmen den neuen Glauben an. Um die Jahrhundertwende ist außer der Umgebung von Friedeck das ganze Land rein evangelisch. Die Bielitzer stellen gleich von Anfang an, auch für die Städte Freistadt, Oderberg, Teschen und Kremnitz in der Slo wakei, die Geistlichen. Um 1600 finden wir Bielitzer als Pastoren in allen Dörfern der Umgebung: Heinzendorf, Kurzwald, Karnitz, Nickelsdorf, Kunzendorf, Schimoradz, Lonkau und Miedzna bei Pleß. Auch nach Westgalizien greift die Reformation über. Kunzendorf erhält schon 1588 ein königliches Schutzprivileg für die Protestanten. Die Radziwillsche Visitation (1596 bis 1598) zeigt, daß das ganze altbesiedelte Gebiet der früheren Herzogtümer Auschwitz und Neustadt/Zator protestantisch ist. Von hier aus und über die durchlässige Grenze zur Slowakei, ebenfalls von den evangelischen Städten Bartfeld und Leutschau in der Zips, erfaßte die evangelische Welle auch die südwestlichen kleinpolnischen, später galizischen Gebiete. In Krakau übernahm es der deutsche Bevölkerungsteil, die neue Botschaft weiterzugeben, so daß in dieser Weltstadt die Ansätze weiter als an anderen Plätzen gediehen. Johann Boner - von dem noch an anderer Stelle die Rede sein wird - ist der Vorkämpfer der neuen Häretiker. Er war aus dem Elsaß nach Krakau eingewandert, sein Großonkel hatte es zum Ratsherrn und zum ersten Fi nanzmann am Hofe des polnischen Königs Siegmund I. „des Alten” ge bracht. Sein Neffe Severin erbte sein Kapital und die einflußreiche Stellung eines Hofbankiers. Der Sohn wurde wie schon sein Großonkel und sein 119
Vater gleichfalls Prokurator der Krakauer Burg und konnte so auf seinen Gütern in der Umgebung der Hauptstadt von Zeit zu Zeit evangelische Got tesdienste abhalten lassen. Im südlich benachbarten Ungarn war es, neben den Deutschen des Lan des, auch die habsburgische Gemahlin Maria des jungen Königs Ludwig II. (aus dem polnischen Hause der Jagiellonen), die schon früh für die evange lische Verkündigung eintrat. In Budapest begann sich um sie und ihren Rat geber, den Markgrafen Georg von Brandenburg-Ansbach, den späteren Jägerndorfer Herzog, ein Kreis lutherisch gesinnter deutscher Hofleute zu sammeln. Der ungarische Adel stellte sich aber auf die Seite der katholischen Kir che, und als 1520 das Gerücht umlief, der Kaiser werde sich für Luther und gegen Rom entscheiden, verstärkte sich der Gegensatz noch mehr. Der Landtag erließ strenge Bestimmungen und forderte sogar den König auf, alle Gefolgsleute des Wittenberger Ketzers zu enthaupten und ihren Besitz einzuziehen. 1525 wurde die geistliche und weltliche Obrigkeit ermächtigt, die Abtrünnigen auf den Scheiterhaufen zu bringen. Politisch wirkte sich all das nachteilig aus, setzte man doch an Stelle der Deutschen in maßgebenden Positionen nun Ungarn ein. Simon Grynäus und Vitus Vingheim, die lutherische Glaubenssätze auch an der Akademie in Budapest lehrten, mußten in die Verbannung. Grynäus ging nach Basel, Vingheim nach Wittenberg. Die uns am nächsten gelegenen Zipser Städte Leutschau und Bartfeld wurden 1529 beziehungsweise 1539 evangelisch. Kehren wir nach Schlesien zurück. Der Zeitabschnitt ab 1526 war über hundert Jahre lang im wesentlichen erfüllt von schweren Kämpfen, in welchen die beiden großen christlichen Religionen zueinander Stellung nahmen. Schlesien, das sich mit seinem überwiegenden Teil der Bevölkerung im reformatorischen Sinne umstellte, stand mit seiner Geschichte zu allen anderen Erblanden der kaiserlichen Krone im Gegensatz. Ferdinand I. bezeichnete die Umgestaltung als einen „Zwiespalt zwischen dem Geistlichen und dem Weltlichen”. 1527 huldigte Schlesien diesem Herrscher in Breslau als Nachfolger des bei Mohäcs gefallenen Schwagers Ludwig II. in Böhmen und Ungarn. Seine Bemühungen, den Glaubensstreit beizulegen, scheiterten am schon aufge tretenen innerprotestantischen Gegensatz. In Schlesien machte die Reformation Fortschritte: Im Beuthen-Tarno120
witzer Land gab es 1530 40 evangelische und 19 katholische Kirchen, im Plesser Gebiet war das Verhältnis 35 zu null, im Herzogtum MünsterbergOels 105 zu 20, im Briegischen 265 zu 40 (1556). Auf dem Konzil in Trient (1545-1563) setzte sich die radikale Partei durch, die das Ziel der Vernichtung des Protestantismus vertrat. Damit wur de eine neue Epoche in dieser Auseinandersetzung eingeleitet, die aber kei ne Volksbewegung im Sinne der Reformation war, sondern, mit weltlichen Machtmitteln unterstützt und ausgehend von der Selbstbesinnung der alten Kirche, die stärksten Anstöße und Anregungen von der lutherischen Bewe gung empfing, wohl in einigen Ländern siegreich blieb, in Deutschland und den Niederlanden aber nicht ihr Ziel erreichte. Die neuen Lehren gingen weiter in die Welt. Heute, im 20. Jahrhundert, nennen die Statistiken der Erde unter 850 Millionen Christen 452 Millionen Katholiken und 223 Mil lionen Evangelische. Deutschland blieb bis in die Gegenwart religiös ge spalten. Die gesamtschlesische Entwicklung nimmt zur Zeit Kasimirs II. eben falls einen recht wechselhaften Lauf. In seiner Regentschaftszeit wechselt unser Land mehrmals seinen Herrn. 1479 war es ja durch Mathias Corvinus an Ungarn gekommen, nachdem er sich im Frieden von Olmütz über den Verbleib Schlesiens in seiner Hand geeinigt hatte. Die labile Lage von 1458 ist nun, 1479, zu Ende. Schlesien er hält seine verdiente Ruhe, geht in den ungarischen Staatsverband ein, be kommt aber eine gewisse Selbständigkeit, indem es einen eigenen Landtag erhält. Durch die staatliche Verbindung bekommt der Jablunkapaß eine beson dere Bedeutung. Über ihn zieht jetzt der Handelsverkehr von und nach Un garn, schlesische Kaufleute können jetzt, ohne Krakau zu berühren, nach der Slowakei und Ungarn gelangen. Die Rolle Krakaus als Mittler nach der Zips ist gering geworden, der Handel in Richtung Lemberg fast unterbun den. Das geht so bis zum Jahr 1490. Da stirbt Mathias I. Corvinus. Der neue Herr in Ungarn und damit auch in Schlesien ist der Jagiellone Ladislaus (Wladislaus, Vladislaus) II. Die schlesischen Herzoge huldigen ihm. Unter ihnen befindet sich auch Kasimir II. von Teschen. Dieser König ist nicht sehr tüchtig. Die Ungarn nennen ihn einen „gelangweilten, müden Mann”, der genauso war, wie ihn die ungarischen Magnaten haben wollten. Er verpachtete und verkaufte später die Bergwer ke an das Haus Fugger. Die schlesischen Stände erzwingen von ihm das 121
große Landesprivileg, das zur provinziellen Unabhängigkeit führt, Schle sien bleibt jedoch als Einheit bestehen. Das Jahr 1526 ist für die weitere Geschichte Schlesiens von besonderer Bedeutung. In diesem Jahr fällt König Ludwig II., der 1516 König Wladislaus auf den Thron gefolgt war, in der Schlacht bei Mohäcs, und gemäß dem Erbvertrag von 1515 fallt Schlesien an den Habsburger Ferdinand I. Die Periode der slawischen Herrscher und des Schwankens einzelner schlesischer Fürsten zwischen der Anlehnung entweder an Böhmen oder an Polen, wie es die Lage gerade für richtig erscheinen läßt, und die Gefahr, daß weitere Teile Schlesiens dem Deutschen Reich verlorengehen, ist vor bei. Mit dem Jahr 1526, in dem Schlesien unter die Herrschaft des deut schen Fürstenhauses der Habsburger gelangt, erscheint die nationale Frage zugunsten des Deutschtums entschieden zu sein. Nun empfängt auch Schlesien aus den Geschehnissen des großen Habsburgerreiches heraus be stimmende Einflüsse. Die deutsche Verwaltungssprache wird wieder eingeführt und auch das deutsche Recht erhält wieder Eingang. Das Einsickern des Tschechischen wird dadurch unterbunden, und Regierungssitz ist nicht mehr Budapest, sondern das deutsche Wien. Die allgemeine Lage unseres Deutschtums war so, daß östlich von Bielitz schon Ende des 14. Jahrhunderts die Pfarrer einer Reihe von Ortschaf ten zwischen Białka und Skawinka, mit ihrem Ostende in Bärwald und Landskron, Deutsche waren. So in Auschwitz, Moosgrund, Liebenwerde, Gigersdorf, Kunzendorf, Bestwin, Denkendorf, Schreibersdorf, Altwil helmsdorf, Seifriedsdorf, Neustadt, Gerardsdorf, Chundorf, Friedrichsdorf, Wieprz, Helwand, Bärwald und nicht zuletzt Alzenau (Alzen). Es sind ver mutlich Franken (Alzenau am Main). Die Amtssprache ist seit Beginn des 14. Jahrhunderts Deutsch. Bis 1500 verloren nun alle nicht zusammenhän genden Sprachgebiete Oberschlesiens ihre deutsche Bevölkerung, außer Troppau, Kätscher und Bielitz. Der slawische Vorstoß im 15. Jahrhundert traf Schlesien und insbeson dere unseren Südzipfel, zwischen Polen und Tschechen gelegen, am schwersten. Seit dem Beginn des 16. Jahrhunderts wurden dann auch schon die großen Fernhandelszentren Posen, Krakau und Lemberg polonisiert, und es versank eben auch der langgestreckte schlesisch-deutsche Siedlungs streifen zwischen Bielitz und Lemberg. In Krossen und Landshut hielten sich letzte Reste der schlesisch-deutschen Sprache bis um 1800. Die Fami 122
liennamen und das Bewußtsein der Abstammung sicherlich bis in die neue ste Zeit. Ein Blick noch nach Südosten läßt uns erkennen, daß im vorhin genann ten Jahr 1526 aber auch noch Nordungarn an Habsburg kommt. Ferdi nand I. wird auch in diesem Land König, obwohl ihm der ungarische Adel wirksamen Widerstand entgegensetzt, der von den Türken unterstützt wird. Diese Türken wurden lebendig, belagerten im Osten 1494 und 1509 die Feste Lemberg und haben auch seit der Eroberung von Konstantinopel im Jahr 1453 ihre Züge gegen den Westen fortgesetzt, zogen auch bis Österreich (Villach) und Oberitalien (Friaul und Tagliamento) in den Jahren 1481-1512. In Ungarn gehen Peterwardein und Esseg an der Donau, Mohäcs und Budapest 1526 verloren. 1529 belagern sie Wien. Budapest und Wien sind nur mehr etwa 260 Kilometer von Bielitz entfernt. Immer näher an den schlesischen Südzipfel schiebt sich die Gefahr. Schließlich reicht das Staats gebiet der Türken im Matragebirge bis etwa 200 Kilometer vor Bielitz, und vom nördlichsten Zipfel des den Türken noch tributpflichtigen Gebietes im slowakischen Erzgebirge (zwischen Dobschau-Theissholz-Altsohl) sind es nur mehr 130 bis 140 Kilometer nach Bielitz. Dieser Zustand bleibt so bis zum Jahr 1683, in welchem die entscheidende Begegnung vor den Toren Wiens zugunsten der Deutschen und damit Europas stattfindet. Das waren bange Zeiten mit einer Dauer von rund 150 Jahren. Während nun - wie ich schilderte - in der Zeit Kasimirs II. Zeit schlesi sches deutschbesiedeltes Land des südöstlichsten Zipfels verlorengeht, das dortige Deutschtum schlechte Zeiten durchmacht und zum Teil im Slawen tum untergeht, und gegen Ende der Regentschaftszeit Kasimirs II. der säku larisierte Großmeister des Deutschen Ritterordens Albrecht dem polni schen König auf dem Krakauer Ringplatz huldigt, das Herzogtum Branden burg unter polnische Lehensherrschaft gerät, da entstehen in Krakau Mei sterwerke aus der Hand deutscher Architekten, Künstler, Kunstschmiede und Bronzegießer: Da ist ab 1464 Veit Stoß in Krakau ansässig (Altar der Marienkirche 1477 bis 1481, Grabmal Kasimirs IV Jagiełło auf dem Wawel 1492, Reliefbilder an dem Flügelaltar in der Siegmunds-Kapelle), da ist der Danziger Goldschmied Peter von den Rennen (Sarkophag des hl. Stanislaus im Dom), da wirkt Peter Vischer (Grabmal Kardinal Friedrichs, gestorben 1503, in der Burgskirche, der Kardinal ist ein Sohn König Kasimirs IV. und Elisabeth von Habsburgs; Grabmal des Humanisten Calimachus in der Do 123
minikanerkirche und die Grabtafel für den deutschen Patrizier Peter Salo mon in der Martinskirche) und da ist Baumeister Frankenstein mit dem Ita liener Mosca (Neugestaltung der Tuchhallen). Große Maler wie Hans Süß von Kulmbach und Hans Dürer sowie der deutsche Liederkomponist Heinrich Fink (1480-1519) waren in Krakau tä tig. 1488 kommt auch der Bruder Veit Stoß’, Mathias, der Goldschmied war, nach Krakau, und 1521 gießt der Nürnberger Hans Behem die Siegmunds glocke für den Krakauer Dom. 1485 wandert der Bankier Johann Boner aus Landau in der Pfalz nach Krakau ein und wird Schatzmeister König Kasimirs IV. von Polen-Litauen. Wie schon erwähnt, gehörten er und sein Neffe Severin zu den einfluß reichsten Patrizierfamilien Krakaus. 1517 kauft Boner die Starosteien Auschwitz und Neustadt/Zator von M. Szydlowietzki. Ebenso war da der in Danzig als Johann Flachsbinder geborene Dantiscus, der 1515 König Siegmund I. d. Ä. nach Preßburg und Wien begleitete und später Bischof von Kulm und Frauenburg war. Er war Humanist und wurde 1515, als er in Wien weilte, als Dichter geehrt. Er gab sein Deutsch tum auf und wurde Pole. Die Buchdruckerkunst nimmt ihren Anfang in Krakau, als ein Deut scher Sweipolt Fiol 1491 eine Buchdruckerei gründet (Organowski, E.), und schließlich studiert von 1491 bis 1494 Nikolaus Kopemikus an der Krakauer Universität. Später, im Jahr 1500, hält er in Rom schon Vorlesungen über Astronomie. Es ist die große, die „Goldene Zeit” in der Entwicklung Polens. König ist in dieser Glanzzeit Siegmund I., seine Ehefrau ist Prinzessin Sforza von Mailand. Der König will seine Zeitgenossen Kaiser Karl V und Franz I. von Frankreich an Prunk, Luxus und durch Kunstforderung noch übertreffen. Es scheint einer der Widersprüche dieser Epoche zu sein, daß gerade in jener Zeit, als über weite Strecken verlorenen schlesischen Grenzlandes und noch darüber hinaus nach Osten das Deutschtum versinkt, in Krakau selbst Deutsche höchste Leistungen vollbringen und die deutschen Patri zier dieser Stadt den Grundstock zu ihrem Reichtum legen können, wie es bei den Familien Thurzo, Morstin, Salomon, Schilling, Wirsing oder Boner der Fall war. Es blieben lediglich die großen Werke erhalten, die reichen deutschen Bürgerfamilien vergingen aber auch. Sie gingen im Polentum un ter, obwohl bis Mitte des 16. Jahrhunderts alle Zünfte noch aus deutschen 124
Elementen bestanden und das Deutsche bis dahin alleinige Verkehrs- und Geschäftssprache war. Aber zur Zeit Kasimirs II. von Teschen nehmen auch andere Unterneh mungen ihren Anfang, die den Lauf der Geschehnisse in der Welt in andere Bahnen lenkten. Seit die Türken Konstantinopel und den Balkan erobert hatten, die Mit telmeerwege und die alten Karawanenstraßen zu sperren beginnen, sind die direkten Handelsbeziehungen zwischen Europa und dem Orient erschwert. Die Welt ist noch klein und wenig bekannt, 1400 sind erst 21 % der Festlandsoberfläche der Erde und nur 7 % ihrer Meeresoberfläche bekannt. 1500 sind es 25 beziehungsweise 20,9 Prozent, die man kennt. Man sucht nach neuen Seewegen, nach dem Wunderland Indien. Die Vormachtstellung Venedigs und von Florenz als Mittelmeermäch te ist gebrochen. Neue atlantische Seemächte treten an ihre Stelle. Die schlesischen, ungarischen, überhaupt die europäischen Goldbergwerke produzieren zu wenig Gold oder kommen zum Erliegen. Der Bedarf an Zahlungsmitteln steigt ständig. Seit etwa 1415 dringen Portugiesen unter Heinrich dem Seefahrer an die Westküste Afrikas vor, 1484 wird die Kongomündung erreicht und 1492 segelt der Genuese Kolumbus von Palos ab mit dem spanischen Auftrag, einen Seeweg nach Indien zu suchen. Er landet auf der Bahama-Insel Guanahani und entdeckt Kuba, Haiti, später amerikanisches Festland am Orinoko. Der Portugiese Vasco da Gama entdeckt 1498 den Seeweg nach In dien. Man entdeckt Brasilien, Panama, und 1519 bis 1521 erobert Cortez Me xiko. Reiche Gold- und Silberschätze aus Peru und Mexiko beschleunigen die geldwirtschaftliche Entwicklung und ermöglichen die Ansammlung un geheurer Vermögen. Man findet Goldklumpen bis 16 Kilogramm Gewicht, 1503 bis 1510 werden allein 9 Tonnen Gold nach Spanien geschickt. Die Gier wird immer mehr gesteigert. 1517 beginnt der erste Sklavenhandel. Große Kolonialmächte entstehen. Spanien und Portugal spielen die er ste Rolle, werden aber zu Beginn des 17. Jahrhunderts von den Niederlan den und England abgelöst. Die politische Zerrissenheit hat auch hier zur Folge, daß eine Beteiligung Deutschlands an diesen gewaltigen Unterneh mungen verhindert wird. Es stürzt sich für lange Jahre noch in Glaubens kriege. Die Uneinigkeit geht so weit, daß zur Kaiserwahl im Jahre 1519 eigentlich nur zwei nichtdeutsche Kandidaten zur Wahl stehen: Karl, der Niederländer und Burgunder, und Franz I. von Frankreich, der Franzose. 125
Weniger die Bestechungsgelder der Fugger als das Mißtrauen gegenüber dem Papst und den Franzosen lassen Karl V, den König von Spanien, zum römischen Kaiser werden. Auch dieser römisch-deutsche Kaiser ist noch neun Jahre lang Kasimirs II. von Teschen Zeitgenosse, des Herrn in unse rem kleinen und unbekannten, im Verhältnis zu den sich anbahnenden Dingen in der Welt so unendlich armen, schutzlos den Begehrnissen der mächtigen Nachbarn ausgelieferten, aber schönen urschlesischen Ländchen im Quellgebiet von Oder und Weichsel. In seinen alten Tagen muß Kasimir II. noch erleben, daß seine Söhne sterben. Friedrich, der für den geistlichen Stand bestimmt war, studierte in Wien und Bologna, starb auf der Heimreise aus Italien, Wenzel, der schon seit 1518 mitregierte und mit seinem Vater gemeinsam Urkunden Unter zeichnete, war mit einer Markgräfin von Brandenburg vermählt, er starb 1524. Vier Wochen nach seinem Tod kam erst sein Sohn Adam, der spätere Wenzel III., zur Welt. Noch in der Wiege wird zwischen seinem Großvater Kasimir II. und Johann von Pernstein vereinbart, daß Wenzel III.-Adam die Tochter des Johann von Pernstein heiraten soll. Am 31.12.1528 stirbt der regierende Herzog Kasimir II. von Teschen, der 51 Jahre lang die Geschicke des Landes leitete. Ein Rückblick auf seine Zeit und ein Rundblick auf die Länder um uns gibt ein unruhiges Bild: Der König von Ungarn hat eine starke Stellung, hält ein stehendes Heer, weitet seine Macht über Wien hinaus aus, gewinnt Nie derösterreich, die Steiermark und Kärnten. Deutschland konnte dem nichts entgegensetzen. Erst Kaiser Maximilian I. befreit die Länder im Jahr 1490. Die Jagiellonen werden in Böhmen und Ungarn Herrscher, und in Polen wird 1492 der zweite Sohn Kasimirs IV, Johann-Albert, neuer König. In dieser Zeit steht die Macht der Jagiellonen in ihren Ländern schon auf schwachen Beinen. 1502 wird Maximilian I. deutscher Kaiser. Dieser volkstümliche Herr scher, der mehr die Interessen seines Hauses Habsburg als jene des Reiches vertrat, verfügte aber nicht über die erforderlichen staatsmännischen Eigen schaften, so daß seine Regierung für das deutsche Volk unfruchtbar blieb. Seit 1519 regiert der schon genannte Kaiser Karl V, der 1530 in Bologna ge krönt wird, 1556 übergibt er die Reichsregierung an seinen Bruder Ferdi nand I. Die Regierungszeit des Teschener Herzogs Kasimir II. geht 1528 zu En de. Zu diesem Zeitpunkt ist sein Enkel und Nachfolger Wenzel III.-Adam 126
aber erst fünf Jahre alt. Mit der Vormundschaft werden seine Mutter, die Markgräfin Anna von Brandenburg, und der schon erwähnte Johann von Pernstein auf Helfenstein betraut. A uf Schriftstücken nennt sich dieser Pernstein „Vormund Herzog Wenzels III.-Adam von Teschen und Großglogau und Statthalter und Anwärter des Herzogtums Teschen”. Als solcher beurkundet er den Bürgern von Teschen zum Beispiel das Privileg der Lein wandbleiche im Jahr 1540 und weiter noch einige Verkaufsurkunden für Freistadt, für den Kanzler des Teschener Fürstentums Johann Czelo auf Tschechowitz und Dragomischl und den Hofmeister des Fürstentums, Thomas von Bielowitzko. Während der Mindeijährigkeit Wenzels III. Adam von Teschen verleiht Kaiser Ferdinand I. auf Antrag von Johann von Pernstein der Stadt Teschen das Recht, „mit rotem Wachs siegeln zu dür fen”, und der Stadt Bielitz einen Jahrmarkt, der „am zweiten Montag in den Fasten abzuhalten ist”. Der Absprache seines Großvaters zufolge heiratet Wenzel III.-Adam 17jährig im Jahr 1540 die sechzehnjährige Tochter seines Vormundes Pernstein. Fünf Jahre später, 1545, tritt er die Regierung an, die durch seine und seiner Untertanen Glaubensänderung recht schwierig ist. Herzog Wenzels III.-Adam Zeitgenossen waren in Deutschland die Kaiser Karl V, Ferdinand I , Maximilian II. und in den letzten drei Jahren seiner Regentschaft noch Rudolf II. In Böhmen waren es die gleichen deutschen Kaiser. In Ungarn herrschten zunächst ab 1526 zwei Gegenkönige: der den Tür ken tributpflichtige Johann von Zapolya (Schwiegersohn des Polenkönigs Siegmund I. des Alten) bis zu seinem Tod im Jahre 1543 in den östlichen Komitaten, die danach unter türkische Herrschaft gelangen, so daß „Tür kisch-Ungarn” dann südlich der Hohen Tatra bis etwa auf nur 100 Kilometer an diese heranreicht. In den Westkomitaten regiert der deutsche Kaiser Fer dinand I. In Polen sind seine Zeitgenossen Siegmund I. der Alte und der letzte Jagiellone Siegmund II.-August bis 1572. 1540 verlor Polen die Oberherr schaft über die Moldau an die Türken, wie überhaupt die polnischen Stel lungen in Böhmen, Ungarn, am Schwarzen Meer und im litauischen Weiß rußland nicht mehr gehalten werden konnten. Eine Wende bricht im Osten an. König Siegmund-August verläßt seine bisherige Residenzstadt Krakau und zieht sich nach Wüna zurück. König und Reichstag stehen in Polen jetzt meist gegeneinander. 1555 muß er dem Adel aus Geldnot auf dem Reichstag zu Petrikau die Freiheit der Glaubens 127
ausübung zugestehen, genau wie 1557 Danzig, Thorn und Elbing. Er läßt seinen Beratern, besonders Stanislaus Hosius, Bischof von Kulm und Frauenburg, später auch zum Kardinal ernannt, freie Hand bei der Durch führung der Gegenreformation. Sie ist in ganz Polen erfolgreich. 1572 starb Siegmund-August ohne Erben. Fast zweihundert Jahre re gierte sein Geschlecht, und unter seiner Führung wurde Polen, unter Zurückdrängung des Deutschtums, zur beherrschenden Macht des Ostens. Es gelang Siegmund-August aber nicht, die innere Festigkeit des Staates herzu stellen. Nach seinem Tod wird Polen ein Wahlkönigtum. Die Erblichkeit der Krone fiel fort. Um den Thron bewarben sich unter anderen: Erzherzog Ernst von Habsburg und Heinrich von Valois. Die Wahl fiel auf den letzteren, der im Februar 1574 in Krakau gekrönt wurde, was ihn aber nicht hinderte, Polen im nächsten Jahr zu verlassen, um den französischen Thron zu besteigen. 1575 wurde zunächst Kaiser Maximilian II. und wenige Tage später, von einer anderen Partei, der siebenbürgische Fürst Stephan Batory zum König gewählt. Er wurde am 1.5.1576 vom Bischof von Leslau in Krakau gekrönt, während der Erzbischof von Gnesen und Primas von Polen vorläufig am deutschen Kaiser festhielt, bis er noch im gleichen Jahr starb. So liegen die Dinge also um unser Ländchen herum. Im Osten Unruhe, im Süden die vordrängenden Türken und im Westen auch kein starkes eini ges Deutschland. Wenzels III.-Adam erster kaiserlicher Oberlehensherr, Kaiser Karl V., hatte zwar ein gewaltiges Reich, scheiterte aber doch, da die Zahl seiner Gegner zu groß war: Franzosen, Türken und im Innern des Rei ches die deutschen Protestanten. Am 20. Februar 1524 hatte der türkische Herrscher Suleiman, König Ferdinand I. eine Kriegserklärung übersandt: „Er komme, Ungarn und Deutschland zu erobern und dem Reich der Christen für immer ein Ende zu machen”, und 1529 standen die Türken bereits vor Wien, ein Jahr nach Kasimirs II. von Teschen Tod. Johann von Zapolya hatte sein Heer mit je nem Suleimans vereinigt. Wien war auf eine Verteidigung nicht eingerichtet: „Die Gräben trokken, die Mauern alt, kaum sechs Schuh dick, Lebensmittel unzureichend, das Geschütz größtenteils unbrauchbar.” Der Kaiser hatte sich nach Linz begeben und vertraute auf die Wiener Bürger, die unter Hans Griessenekkers Führung standen. Am 24.9.1529 traf die türkische Donauflotte vor Wien ein. Das türkische Heer lagerte in 30 000 Zelten von Nußdorf bis 128
Schwechat. Des Paschas Lager erstreckte sich von St. Marx durch Simme ring bis unterhalb Ebereichsdorfs. Wiens Verteidigung bestand aus „20 000 Fußvolk und 2000 Reuter, die Macht der Belagerer hingegen aus 300 000 Mann”, so beschreibt eine alte Chronik (1805) die Größenordnung der sich gegenüberstehenden Kräfte. Die Böhmen kamen unter Ernst von Branden stein und Wilhelm von Wartenberg mit 2000 Mann, und die braven Schle sier schickten „300 mann Fußvolk und 70 Reuter” unter den Brüdern Hein rich und Johann von Schellenberg Johann von Reibnitz und Melchior von Panwitz. Die Angriffe der Türken sind zwischen dem Kärntner Tor und der Au gustinerkirche am wütendsten. Am 6., 9., 11. und 14. Oktober unternehmen sie die stärksten Angriffe, sie werden aber alle abgeschlagen, und die Tür ken beschließen, die Belagerung aufzugeben, als gerade ein Entsatz unter Pfalzgraf Friedrich von Krems sich nähert. Die Türken hatten 30 000 ihrer besten Janitscharen verloren. Ein Reichsheer unter Herzog Friedrich von Bayern schlug die Türken bei Enzersfeld und Loidersdorf. Auch am 19.9.1532, also drei Jahre später, als die Türken mit 15000 Mann von Graz aus über den Semmering zu ziehen versuchen, werden sie aufgerieben. 1541 wird Bielitz, der sich nähernden Türkengefahr wegen, auf Befehl Kaiser Karls V befestigt und 1578 unter Kaiser Rudolf II. zur Grenzfestung ausgebaut. Die Grenze des Deutschen Reiches verlief ja damals nach Verlust von Sewerien, Auschwitz und Neustadt/Zator, von der Przemsa kommend, die Weichsel und Białka entlang in die Berge, und das türkische tributpflichtige Gebiet reichte südlich Bielitz’ an drei Stellen näher als 150 Kilometer an un sere Stadt heran (bei Altsohl, Briesen und Dobschau). Die Furcht war also nicht unberechtigt. Als die polnischen Thronstreitigkeiten 1576 Anlaß gaben, einen Einfall der Polen zu befürchten, forderte Herzog Wenzel III.-Adam - der im Teschener Gebiet bleiben wollte - mit Nachdruck die Stadtgemeinde Teschen auf, zu beraten, „wo das Geschütz zu beschaffen und wo es aufzupflanzen, und der Schießbedarf herzubekommen wäre”. Die Erzeugungs stätten solcher Dinge waren ja weit weg von unserem Land.
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D ie Reformation bei uns, in Krakau und ihr Ende. Erste Abtrennung der Herrschaft Bielitz von Teschen. 1592: D ie von Sunnegks, Herren auf Bielitz.
Nach dem Tod von Kasimir II. von Teschen erreichte die Reformation auch unser Land. Sie machte so schnelle Fortschritte, daß bereits 1536 die Fran ziskaner und 1545 die Dominikaner Teschen verließen. Evangelische Ge meinden gab es in Teschen und auch in Biala gleich mit Eintritt der neuen Lehre. Die Deutschen waren die treibenden Kräfte, und von Bielitz aus griff die Reformation nach Osten weiter über, wo sie auch zum Teil von polni schen Adeligen durchgesetzt wurde. Die religiöse Entwicklung hatte sich in ganz Schlesien ja so abgespielt, daß etwa schon 1424 die hussitische Lehre Eingang fand, also auch in den östlichen Teilen Schlesiens, in den Herzogtümern Auschwitz und Neustadt/Zator. Schlesien stand ja damals, als der schwächste Luxem burger auf dem Throne saß, unter böhmischer Oberhoheit. Belegt ist die Tatsache des Glaubenswechsels in den Orten Wilmesau, Seibersdorf (Kozy), Batzdorf, Kunzendorf und im Land östlich von Bielitz mit Saybusch und seinen Dör fern. „Das ganze Schlesien hing damals mit den Hussiten zusammen”, be richtet die Stadtchronik von Saybusch aus dem Jahre 1704. 1428 sollen alle diese Orte wieder „rekonziliert” worden sein. Das dar auffolgende Jahr (1429) gehört zur härtesten Hussitenkriegszeit für Schle sien. Um 1513 soll aber in unserer Gegend das Abendmahl in beiderlei Ge stalt erteilt worden sein, so daß anzunehmen ist, daß der Hussitismus offen bar der Reformation den Boden vorbereitet hat, die insbesondere vom schlesischen Adel eingeführt und begünstigt wurde. Aus dem Jahr 1522 wissen wir, daß Herzog Friedrich II. von Liegnitz und Brieg zum evangelischen Glauben übertrat, und 1524 verkaufte der böhmische Kanzler Schellenberg das Herzogtum Jägerndorf an Georg von Hohenzollern-Ansbach, weil sich seine Einwohner dem evangelischen Glauben zuwandten, für einen Kaufpreis von 58 600 Gulden. Dieses Land wurde zum Bollwerk des Protestantismus für das ganze südliche Schlesien. Ab 1530 verbreitete sich der evangelische Glauben schnell über ganz Schlesien und die erste evangelische Gemeinde in Bielitz wurde sicherlich schon vor 1540 gegründet. Bielitz kommt 1548 an Herzog Friedrich-Kasimir, der auch ein evangelischer Fürst ist. In diesem Teil des Herzogtums gab es damals bereits 50 evangelische Kirchen. In Karnitz bei Bielitz haben 1550 tschechische Holzfäller ein Gotteshaus 130
aus Eichenholz erbaut Es waren „böhmische Brüder”, die den Bau ausführ ten, deren Glaube wohl auch das hussitisch-utraquistische Bekenntnis war. Die Kirche stand bis 1900 in dieser deutschen Gemeinde und war die älteste Holzkirche auf schlesischem Boden. Sie war bis 1660 evangelisch. 1554 wurde auch die Altbielitzer Kirche evangelisch. In Wittenberg wur de 1553 ein Bielitzer „Schulmeister und Stadtschreiber namens Mathias Richter von Bernnstädt” zum Priesteramt für Bielitz ordiniert. Seine Ge meinde war bis 1630 ganz evangelisch geblieben. 1560 wurde die in den Jahren 1443 bis 1447 erbaute St.-Nikolaus-Kirche in Bielitz evangelisch, und die Chronisten berichten, daß von diesem Jahr an das ganze Bielitzer Land vom katholischen Glauben abfiel und auch das vorher erwähnte Kamitzer Gotteshaus ab 1560 hundert Jahre lang evangeli sche Prediger beherbergte. In dieser Zeit entstanden auch die evangelischen Gemeinden Drösseldorf (Straconka), Wolfsdorf (Wilkowice), Polnisch-Bistrai, Fischendorf (Rybarzowice), Istebna und Mosty (1560 bis 1577). 1564 erfolgte die erste Erwähnung von Biala, das sich aus Kunzendorf (Lipnik), einem der größten Gemeinwesen des Landes Auschwitz, entwikkelt hatte. 1566 ist Bielitz bereits ganz evangelisch und gehört 1572 nicht mehr zum Herzogtum Teschen. Es ging ja für zehn Jahre (1572 bis 1582) an das Geschlecht der von Promnitz über. 1572 entstehen auch unsere Berggemeinden Ohlisch und Deutsch-Bistrai. Die treibenden Kräfte in der Verbreitung des neuen Glaubens sind die Deutschen. Von 57 im Herzogtum Teschen geborenen Pastoren der Refor mationszeit waren 46 Deutsche und allein 34 stammten aus Bielitz (Kuhn). Im Jahr 1555 vermerken die Chronisten, daß Herzog Wenzel III.-Adam sich dem Augsburgischen Bekenntnis zuwandte. Ab 1560 werden allmäh lich auch in Bielitz alle Kirchen evangelisch. Beim Tod Kaiser Ferdinands I. (1564) gab es im Süden Schlesiens fast nur mehr evangelische Fürsten: Herzog Wenzel III.-Adam von Teschen, Georg-Friedrich von Jägemdorf-Beuthen-Oderberg (der Ansbacher Hohenzoller), Johann von Münsterberg-Oels, Heinrich III. von Bernstadt, Georg von Brieg und Friedrich III. von Liegnitz. Nur Albrecht von Glatz und Bischof Balthasar von Neisse waren katholisch. Wohl im Jahr 1575 unter Kaiser Maximilian II. stand der Protestantis131
mus in den österreichischen Teilen des Deutschen Reiches auf seinem Hö hepunkt. Erst Kaiser Rudolf II. leitete die Gegenreformation ein, die dann auch rücksichtslos durchgeführt wurde. Die Schlesier, welche hundert Jahre zuvor sich noch als getreue Anhän ger der Kirche im Kampf gegen Georg von Podiebrad erwiesen, huldigen nun der neuen Lehre, die auch im Teschener und Bielitzer Land Eingang fand. Während der vormundschaftlichen Regierung finden wir noch katholi sche Kapläne am Hof der Herzogin Anna und katholische Priester an der Stadt- und Spitalskirche. Mit dem Regierungsantritt Wenzels III.-Adam 1545 aber nimmt man wahr, daß der Landesfürst und auch seine Untertanen zu den Bekennern der Reformation zählen. Das ging nicht plötzlich vor sich. Offenbar hat sie schon unter Kasi mir II. Fuß gefaßt, ohne Frage hat sie sich während der Zeit Johann von Pernsteins verbreitet und auch am herzoglichen Hof Eingang gefunden. Wenzel III.-Adam hat das auch nach seinem Regierungsantritt offen be kannt. Die Teschener Klöster wurden säkularisiert und 15 Jahre später wird auch das Kloster Orlau trotz Vermittlung des Kaisers Ferdinand I. von Wen zel III.-Adam aufgehoben. In Punzau bei Teschen bildet sich 1549 eine evangelische Gemeinde, de ren Pfarrer in deutscher und jeden dritten Sonntag in böhmischer Sprache zu predigen hatte. 1559 wird schon ein „Dekan des Herzogtums Teschen evangelischen Glaubens” urkundlich erwähnt. Die Neuerungsbewegung machte aber in unserem Land nicht halt, son dern fand gleich um 1518 Widerhall in der deutschen Bevölkerung östlich von uns, namentlich in Krakau. Da waren die Boner: Johann, der Bankier des polnischen Königs (gestorben 1523), Severin, Kastellan von Zarnow, Biecz und Neusandetz (gestorben 1549) und Johann sein Sohn, Kastellan von Chelm (gestorben 1562), und auch Graf Alexius Thurzo von Bethlenfalva (1536), Palatin und damit Stellvertreter des Königs, die evangelisch wur den, ja selbst die Herren des alten polnischen Geschlechtes der Radziwiłł, die Fürsten Johann und Nikolaus, traten 1540 bis 1542 zur neuen Lehre über. 132
1546 und 1547 trat die evangelische Bewegung in Polen aber erst so rich tig in die Öffentlichkeit und erhielt zusätzlich starke Impulse, als die „Böh mischen Brüder” in großer Zahl nach Polen kamen. Selbst Calvin wurde 1550 vom Krakauer Bürgertum eifrig gelesen. Die Blütezeit der Reformation Polens waren die Jahre 1550 bis 1560.1555 gab es auch schon eine erste deutsche evangelische Gemeinde im fernen li tauischen Wilna. In Krakau und Wieliczka waren größere Gemeinden, 1561 wurde sogar eine evangelische Synode in Krakau abgehalten, und König Siegmund Au gust II. gestand 1563 den protestantischen Adeligen seines Landes gleiche Rechte wie den katholischen zu. Im Krakauer Landtag waren 1572 etwa 60 Prozent der Mitglieder evangelisch. 1606 aber nur noch etwa 45 Prozent. Unter den reichen Adeligen dürften die evangelischen wahrscheinlich über wogen haben. Die zunehmende Politisierung der Reformation lastete schwer auf den evangelischen Gemeinden und ließ ihre Zahl immer kleiner werden. 1578 kam es dann schon zu Anschlägen auf Krakauer protestanti sche Kirchen, obwohl sie von König Siegmund II. August privilegiert wa ren. Es folgten scharfe Erlässe des Königs, die aber nicht verhindern konn ten, daß das Gotteshaus der Calvinisten 1578 angesteckt wurde. Das war auch die Zeit, in welcher sich der deutsche Habsburger Erzher zog Maximilian um den polnischen Thron bewarb, aber mit seiner Streit macht bei Pitschen geschlagen und gefangengenommen wurde. Er kam erst frei, als Habsburg auf den polnischen Thron verzichtete. Es war aber auch die Zeit, in welcher sich der polnische König in den Dienst der Gegenreformation stellte. Gewaltakte gegen „dissidentische” Gotteshäuser in Krakau blieben ungesühnt. Die Überfalle und Tumulte wiederholten sich auch 1591 und 1596 in Krakau. Der Druck wurde zu groß, und die Reformation in Polen erlag ihren Gegnern schließlich völlig. Aus dieser Zeit dürfte die Ansicht stammen, die noch heute in Polen gültig ist: daß „evangelisch” gleich „deutsch” und „katholisch” gleich „pol nisch” zu setzen wäre, eine Ansicht, die nicht dazu beitragen konnte, das Verhältnis zwischen den beiden Völkern, die nun eben einmal nebeneinan der wohnen, erfreulich zu gestalten. Und nun wenden wir unsere Blicke wieder westwärts zurück ins Bielitzer Land. Dort besitzen 1540 einige Bielitzer Bürger schon Häuser auch auf 133
der Ostseite der Białka, die in ihrer Stadt selbst, offenbar um 1543, mit der Tuchmacherei begannen. Aus dem Jahr 1547 wissen wir, daß Herzog Wenzel III.-Adam die Privi legien der Bielitzer Bürger bestätigte. 1548 kommt das Privileg der Tuchma cher hinzu, die nun eine eigene Zunft gegründet hatten. Durch den Auf schwung der Tuchmacherei erfolgte ein starker Zuzug von polnischen Ar beitskräften, der zu nationalen Uneinigkeiten führte. Durch das Privileg wird festgelegt, daß kein Fremder in den Dörfern um Bielitz Wolle einkau fen darf und „die Wallachen dürfen in der Walkmühle der Bielitzer Tuch macher keine Kotzen walken”. 1565 wird es notwendig, dem Privileg der Tuchmacher einen Zusatz hin zuzufügen des Inhalts, daß „keiner der nicht Teutscher Art und Zunge ist, soll lernen, noch als Meister in die Zeche aufgenommen werden Zuvorhuetung allerley unraths undt Uneinigkeit”. Die wirtschaftliche Strukturänderung in ganz Europa macht auch vor unserer entfernten deutschen Insel nicht halt und das Privileg war sicher lich angetan, die Reinhaltung des deutschen Charakters der Stadt gewähr leistet zu haben. Nur so konnte dem starken polnischen Zustrom nach Bie litz entgegengesteuert werden. Das Tuchmachergewerbe nimmt größere Ausmaße an und entwickelt sich zur größten Innung, die größer als alle an deren zusammen wird. Bielitz beginnt sich langsam aus dem üblichen Rah men des übrigen Landes herauszuheben. Wohl aus finanziellen Gründen und Nöten heraus entschließt sich Her zog Wenzel III.-Adam, die Herrschaft Bielitz an einen seiner Gläubiger, Ka spar Wiltschek „vom Guten Lande und Hultschin”, zu verkaufen. Der neue Herr von Bielitz stammt aus einem alten oberschlesischen Adelsgeschlecht, dessen Stammsitz das Gut Dobra bei Friedek ist und der zeitweise auch die Herrschaft Hultschin innehatte. Der Bruder des Kaspar Wiltschek, Johann, war Herr auf Tschechowitz und Ahnherr des späteren Reichsgrafen von Wiltschek. Kaspar erhält das Bielitzer Gebiet am 5.12.1553 und behält es bis 1565. In diesem Jahr erreicht Herzog Wenzel III.-Adam den Rückkauf, der den Herzog in die Lage versetzt, Bielitz seinem Sohn Friedrich Kasimir zu übertragen. 1566 verlegt der Herzogssohn seinen Sitz nach Bielitz. Der neue Herr von Bielitz stammte mütterlicherseits aus dem Hause Brandenburg-Ansbach (Anna) und war mit Katharina, der Tochter des Her zogs Friedrich von Liegnitz, verheiratet. Friedrich Kasimir selbst war Deut 134
scher und ließ die Verwaltung von niederschlesischen Adeligen, die er be rief, durchfuhren. Die Amtssprache war Deutsch. Im gleichen Jahr 1565 erhalten die Schneider- und Tuchmacherzünfte ihre Privilegien auch in deutscher Sprache vom Landesherrn bestätigt. Aus Bielitzer Braurechten wird Bier in dieser Zeit schon in die Ortschaften Nik keisdorf, Karnitz, Ernsdorf, Heinzendorf, Dzieditz, Tschechowitz, Mücken dorf, Batzdorf, Zabrzeg und Altbielitz geliefert. Am 29.9.1565 bestätigt er die Stadtbriefe, die in tschechischer Sprache Vorlagen, in deutschen Über setzungen. Von dieser Zeit an wurden alle seine weiteren Urkunden in deut scher Sprache abgefaßt. Es ist aber noch notwendig, einige Worte über seinen Sohn Friedrich Kasimir zu sagen, der nicht weniger leichtsinnig als sein Vater war. Er war nicht nur oft auf Reisen - so ist seine Teilnahme an den Krönungsfeierlich keiten für Kaiser Maximilian II. in Preßburg zum ungarischen König über liefert -, er stürzte die ihm anvertrauten Stände aber auch in Schulden und ging mit den ererbten Domänen und Besitzungen, wie sein Vater, ver schwenderisch um. Sie wurden verschenkt, verpfändet oder völlig ver schleudert und gingen so Stück für Stück dem herzoglichen Besitztum ver loren. So verpfändet Friedrich Kasimir 1545 die Herrschaft Friedek für 12000 ungarische Gulden an seinen Vormund Johann von Pernstein, seinem Kanzler Peter Czelo von Tschechowitz schenkte er Bonkau bei Schwarz wasser, und das ehemals Orlauer Benediktinern gehörige Solza schenkte er Georg Schretter von Neiße. Die Stadt Friedek gelangte an Graf Oppersdorf, der sie an die Familie Praschma weitergibt. 1571 stirbt der Herzogssohn Friedrich Kasimir von Teschen und Herr von Bielitz auf einer Reise zum Hoftag Kaiser Maximilians II. zu Prag in der Ortschaft Pschelautsch. Er hinterläßt einen Berg von Schulden. Es sind 244000 Thaler! Seine Herrschaftsbesitzungen werden mit Genehmigung des Kaisers verkauft. Bielitz wird mit kaiserlicher Genehmigung in eine Minderstandsherr schaft umgewandelt und aus dem Verband des Herzogtums Teschen her ausgelöst. Sie untersteht von jetzt ab direkt dem Breslauer kaiserlichen Oberamt. Dem Herzogtum Teschen gehen auf diese Weise neben Bielitz auch die Kammergüter Friedek und Freistadt verloren, eine Folge von schlechter Wirtschaftsführung von Vater und Sohn. 135
Bielitz wird für 80000 Gulden an den Freiherrn Karl von Promnitz, Herr auf Pleß und Sohrau, verkauft (1572). Karl von Promnitz entstammt einem alten deutschen Geschlecht aus Niederschlesien, dessen Repräsentanten 1542 ihr Wappen verliehen erhiel ten. Ein anderer Sproß dieser Familie, Balthasar, Bischof von Breslau, kaufte 1548 die Standesherrschaft Pleß. 1599 werden die Promnitz Freiherren und 1652 auch Reichsgrafen. Pleß besaßen sie bis 1785, Bielitz nur bis 1578. Der Erwerb von Bielitz bedeutete eine Ausweitung seines Plesser Besit zes nach Süden hin, doch währte der Besitz nicht lange, denn Karl geriet in Zahlungsschwierigkeiten und mußte Ende 1578 Bielitz seinen Gläubigern überlassen, von denen es dann für zehn Jahre Graf Adam von Schaffgotsch erwirbt. Am 11.4.1582 geht Bielitz für einen Kaufpreis von 55 000 Thalern an den neuen Besitzer über, dessen Stammburg Kynast bei Hermsdorf im Riesen gebirge seit 1368 im Familienbesitz ist. 1592 werden sie Freiherren und 1708 - gleich den von Promnitz - auch Reichsgrafen. Es war eine Zeit des Aufbaues. Eine Reihe von deutschen Beamten brachte er nach Bielitz und erklärte das lutherische Bekenntnis als das in Bielitz herrschende, ebenso wie dies die Promnitz taten. Der neue Herr stiftet das Armenspital und die St.-Anna-Kirche. 1572 er zwingen die Bielitzer Tuchmacher die Anlage der Nieder- und der Obervor stadt. Diese Vorstädte sind das Ergebnis starker sozialer Kämpfe, die in der Stadt wirksam waren. Hier in den Vorstädten wohnen jetzt die Handwerker, während in der Stadt selbst die alten Ackerbürger mit ihren alten verbrief ten Rechten auf Landwirtschaft, Viehweiden, Stadtwald, Fischteiche und das freie Bier- und Weinschankrecht wohnen. 1578 beschließt der schlesische Fürstentag, die Orte Schlawe (Glogau), Rosenberg (Oppeln), Kreuzburg, Militsch, Pleß und Bielitz zu befestigen. Das schlesische Land befindet sich aber auch noch weiterhin im geistigen Umbruch. In Brieg findet der neue Glaube 1534 Eingang, in Troppau und Wagstadt 1540. Ab 1576 wird der evangelische Gottesdienst in Neiße er laubt, 1564 war den Glogauern schon ein evangelischer Geistlicher gestat tet worden. Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts sind in ganz Schlesien über 1500 Kir chen evangelisch. Radikale Auswirkungen wie in Schwaben, dem Rhein land oder Thüringen mit seinen harten und blutigen Bauernkriegen blie 136
ben in Schlesien fast völlig aus. In Schlesien sei die Reformation „ernst und besonnen”, berichten zeitgenössische Chronisten. Um das Geschehen in ganz Deutschland zu skizzieren, sei die Feststel lung eingeflochten, daß es 1577 nur mehr ein einziges Bistum gab, das ka tholisch war: das Bistum Hildesheim. Besitzmäßige Veränderungen traten im Herzogtum Oppeln zum Bei spiel insofern ein, als nach dem Aussterben der dortigen letzten Piasten das Land an den deutschen Kaiser, den Habsburger Ferdinand I , fiel. 1552 bis 1555 wird es von der siebenbürgischen Königin Isabella regiert und bleibt dann weiterhin habsburgisch. Aus dieser Zeit stammen auch Ernennungen von Schlesiern in hohe kirchliche Ämter. So Jacob Ernst Julius Reichsgraf von Liechtenstein, der als Metropolit von Salzburg Primas von Deutschland war, oder Johann Heinrich Graf von Frankenberg als Erzbischof von Mecheln zugleich Pri mas von Belgien wurde. Kaspar von Logau wird Bischof von Wiener-Neu stadt, Mathias Grodetzki von Grodiez wird Bischof von Olmütz (1576), und ein weiterer Schlesier, Stanislaus Pawłowski aus Pawlowitz bei Pleß, wird 1579 bis 1648 Bischof in Olmütz. Von gesamtschlesischem Interesse ist noch zu erwähnen, daß 1558 Melanchthon auf das Gebirge zwischen Böhmen und Schlesien erstmals den Namen „Sudeten” anwendet, 1571 Joachim Cureus die „Gentis Silesiae Annalies” schrieb (Wittenberg 1571) und auch er den Namen „Sudeten” für das Gebirge im Süden Schlesiens gebraucht. Im Jahr 1561 hatte Rektor Martin Helwig erstmals eine Karte Schlesiens erstellt (Maßstab 1: 530000), eine für die damalige Zeit höchst rühmliche Leistung. Kaiser Ferdinand I. griff auch in dieser Zeit mit Eifer den Gedanken auf, der Habsburger Monarchie die Küsten Norddeutschlands zu öffnen und Breslau zu einem Hafen seines Reiches im Norden zu machen. Er regte so gar den Bau eines Oder-Spree-Kanals im Jahre 1549 an. Am 20.7.1567 heiratet Herzog Wenzel III.-Adam ein zweites Mal. Es ist die Herzogin von Sachsen, Engern und Westfalen, Sidonia. Ihr schenkt er 1569 die Herrschaft Jablunkau. Seinen letzten Willen legt er schon am 13.1.1572 in Dresden schriftlich nieder, obwohl sein Nachfolger und Sohn Adam Wenzel (IV) ihm erst am 12.12.1574 geboren wurde. Der Herzog gibt seinem Land die in Gebrauch stehende Landesord nung im Jahr 1573 schriftlich, die aber nicht den Beifall der Stände findet. 137
Die Klärung der Auseinandersetzung erlebt er nicht mehr. Er überläßt sie seiner Witwe, der Herzogin Sidonia, die sie dem Kaiser zum Entscheid vor legt Zu diesem Zweck kommt ein kaiserlicher Rat Abraham Bock nach Teschen und am 30.6.1590 geben die in Ostrau versammelten Stände ihre De klarationen ab. Das bisherige Gewohnheitsrecht wird nun geschriebenes Recht. Mit diesem Ergebnis gehen Sendboten nach Trentschin ab, wo Her zogin Sidonia seit 1586 in zweiter Ehe mit Emerich Forgach, Obergespan und Hauptmann von Ungarn, verheiratet ist. Kaiser Rudolf II. bestätigt die se Teschener Landesordnung im Jahr 1591. Herzog Wenzel III.-Adam wird im Alter mehrfach von Gicht gepeinigt, erleidet im Oktober 1579 einen Schlaganfall und stirbt einen Monat später. Über dreißig Jahre, die aber keinesfalls als glücklich zu bezeichnen waren, hatte er sein Land regiert. Als Wenzel III.-Adam im Jahr 1579 die Regentschaft Teschens aus der Hand legte, lag ein halbes Jahrhundert voller schwerwiegender Ereignisse hinter ihm. Er erlebte die letzte Krönung eines deutschen Kaisers in Italien (1530 in Bologna), das Trienter Konzil, das die geistigen Grundlagen für die Gegen reformation schuf (1545 bis 1563), er erlebte die Anfänge der Hugenotten kriege in Frankreich (ab 1562) und auch die Allianz Frankreichs mit den Türken gegen den deutschen Kaiser (1536). Er überlebt die vergeblichen Reichsfeldzüge gegen die Osmanen, und er überlebt auch den einzigen deutschen habsburgischen Kaiser (Maximilian II.), der zum Protestantis mus neigt und seiner Ausbreitung keinen Widerstand entgegensetzt. Er er lebt die Aufstände der Niederländer gegen die spanisch-habsburgische Herrschaft, die Herzog Alba mit aller Härte dort aufrechtzuerhalten ver sucht. Er erlebt auch das Abbröckeln der Macht und Größe des polnischen Staatswesens. In den letzten drei Jahren seiner Regentschaft ist auch noch der strenge Katholik Kaiser Rudolf II., der mit Vorliebe in Prag regiert, sein oberster Le hensherr, der gegen den neuen Glauben strenge Maßnahmen einleitet, auf der anderen Seite aber einer Reihe von Liebhabereien alchimistischer und astronomischer Art huldigt. Er fördert zum Beispiel Johannes Kepler sehr, zeigt aber politisch kei nerlei Initiative. Auch gegenüber den Osmanen blieb er untätig, bekommt auch noch aus den Reihen seiner Brüder und Vettern Opposition, die dann mit den protestantischen Aufständischen in Ungarn Frieden schließen, die 138
ihrerseits aber wieder mit Stefan Bocskay und den Türken im Bunde sind. Sein Bruder nötigt dem Kaiser den Verzicht auf Ungarn, Österreich und Mähren ab. Ein Majestätsbrief gesteht 1609 Böhmen und Schlesien religiöse Freiheiten zu. 1612 stirbt der kaiserliche Oberlehensherr unseres Teschener Fürsten völlig entmachtet. All diese Ereignisse um sein Land herum halten Herzog Wenzel III.Adam jedoch nicht ab, seinem Ländchen ein leutseliger Regent zu sein. Die Chronisten jener Zeit berichten aber, daß sein Wirken keinesfalls ein geseg netes war. Mit den geringen Mitteln, die ihm zur Verfügung standen, ver stand er nicht hauszuhalten. Er liebte das Prachtvolle, die Jagd und rau schende Feste. Beträchtliche Summen verschlangen die Gesandtschaften und Vertretungen, zu welchen er von seinem Oberlehensherrn bei Krönun gen, Hochzeiten und Begräbnissen, vor allem am polnischen Hofe, be stimmt wurde teilzunehmen. In seiner Regierungsperiode geht auch das Deutschtum im Auschwitzer, Neustadt/Zatorer und Sewerienschen Land weiter im Polentum auf. Obwohl Kenty im Jahre 1564 noch Liebenwerde hieß, wird Auschwitz im gleichen Jahr schon als polnisch gewordenes Land bezeichnet. Es herrscht bereits die polnische Sprache und das polnische Recht im Land. Zwischen 1220 und 1564 lag sein deutscher Lebenszyklus: im 13. Jahrhundert deutsch besiedelt, im 14. Jahrhundert ein deutsches Land und im 15. Jahrhundert waren die deutschen Menschen dort wieder zu Polen gemacht worden. Das Land selbst gehört auch politisch wieder zu Polen. Wieder sind Tausende von Menschen dem Deutschtum verlorengegangen. Die Geschicke des Landes gehen nun, nach dem Erbrecht, nach dem Tod Wenzels III.-Adam in die Hände seines Sohnes Adam-Wenzel (IV.) über, der jedoch beim Tod seines Vaters erst fünf Jahre alt ist. Es muß auch in diesem Falle eine vormundschaftliche Regierung die Geschäfte fuhren. Wohl nach dem Wunsch des Verstorbenen wird die Mutter des kleinen Für sten, Herzogin Katharina-Sidonia, Vormund. Die Blicke der nachbarlichen Fürsten sind auf unser Ländchen gerich tet, und schon 1584 wird der Herzogin vom Breslauer Bischof vermeldet, daß Kaiser Rudolf II. die Fürsten Georg von Liegnitz, Karl von Münster berg und Johann von Würben zur Vormundschaft bestellt hat. Nach ihrer zweiten Vermählung mit dem ungarischen Obergespan Emerich Forgach residiert die Herzogin nun auch nur zeitweise in Teschen, die übrige Zeit verbringt sie in Trentschin. Ihr Mann ist als „Obergespan” höchster Beamter 139
des Komitats (Grafschaft) Trentschin. Die Stände des Teschener Landes sind auch nicht mehr zufrieden. Ich habe davon schon berichtet. Bis zur Großjährigkeit führt sie aber noch die Vormundschaft für ihren Sohn. Das Land verdankt ihr neben der Beilegung der genannten Streitig keiten auch Anordnungen, Zugeständnisse und Schenkungen. Sie überläßt den „Schneider’schen Garten” den Bürgern zur Anlage einer Kirche und eines zweiten Friedhofes, hatte doch die Pest im Jahre 1585 an die dreitau send Menschen hingerafft. Kaiser Rudolf II. verleiht der Stadt auf Antrag der Herzogin einen vier ten Jahrmarkt. Es ergeht eine neue Kellerordnung und es wird der Verpach tung des Weinschankrechtes an eine Bürgergemeinschaft zugestimmt. Der Bäckerzunft gibt die Herzogin neue Freiheiten, erteilt die Genehmigung zur Errichtung einer Schmiede und legt fest, daß in Teschen nicht mehr als zwei Lebzelter sein dürfen. Eine Reihe von Zünften erhält 1590 die Bestäti gung ihrer Privilegien. Während der Vormundschaftsregierung bricht im benachbarten Polen nach dem Tod König Stephan Batorys ein neuer Kampf um die polnische Krone aus. Herzog Maximilian II., der Bruder des Kaisers, und Sigmund von Schweden sind die von den großen Parteien ausgerufenen Könige. Der bisherige König Heinrich von Valois hatte ja nach kurzer Regierungszeit den polnischen Thron verlassen, um sich um jenen von Frankreich zu be mühen. Da schickt Kaiser Rudolf II. eine Gesandtschaft nach Polen, die der polnischen Staatskasse 800000 Goldgulden für die Bekämpfung der Tür kengefahr überbringt. Die angesehene Familie der Zborowskis und ihr Anhang waren auf sei ten des Kaisers, doch der Klerus und der Adel waren dagegen, aus Sorge um eine etwaige Einbuße der Selbständigkeit durch den deutschen Fürsten. Der Kanzler Polens, Johann Zamojski, richtet seine Blicke auf den von seiner Mutter - einer jagiellonischen Prinzessin - schon im katholischen Glauben erzogenen schwedischen Prinzen Sigmund. Im August 1587 pro klamiert der Bischof von Kiew Herzog Maximilian II. von Habsburg, da gegen der Erzbischof von Gnesen den Prinzen Sigmund zum rechtmäßig gewählten König von Polen. Doch die Krone sollte erst mit Waffengewalt erkämpft werden. Maximilian zog mit seinem Heer gegen die alte Krö nungsstadt Krakau, wich aber nach einigen Verlusten auf schlesischen Boden zurück. Im Kreuzburg-Pitschener Land glaubte er sich sicher. Der polnische Kanzler zog mit seinem Heer gegen Pitschen nach, und auf 140
freiem Feld vor der Stadt kam es zum Zusammentreffen. Maximilian unter lag zusammen mit den auf seiner Seite kämpfenden Zborowskis. Er wurde gefangengenommen und kehrte erst zwei Jahre später aus der polnischen Haft zurück. Diesen Krieg nutzten auch bewaffnete Polen, um am 18. Oktober 1587 in die Ortschaft Mückendorf bei Bielitz einzufallen. Um ähnliches zu verhin dern, wurde ein Aufgebot gebildet, das an die polnische Grenze rückte. 300 Mann zu Roß und 3 500 Mann zu Fuß, darunter 500 gut bewaffnete Wala chen, besetzten die Grenze, „dadurch der Pollaken geheuffter streifender Rotten feindlicher Vorsacz abgewebdet und gesteuert, und die Grenczen des Landes Schlesien gesichert wurden”. Ein Jahr später zieht ungarisches Kriegsvolk zum Krieg gegen Polen durch unser Land. 1500 Husaren und 1500 „Haiduken” lagern in Teschen und „betrugen sich nicht in freundlichster Weise”. Im gleichen Jahr schlu gen andere ein Lager bei Skotschau auf. Die Kosten, welche die Einquartie rungen den Bürgern Teschens verursachten, werden mit 3166 Thalern und 24 Groschen angegeben. Für unser Land waren das recht unruhige Zeiten. Im Jahr 1587 kam der dreizehnjährige Herzog Adam-Wenzel (IV.) aus Gründen der Erziehung an den Hof des mütterlicherseits verwandten Kur fürsten Christian von Sachsen. Er kehrte erst nach einigen Jahren zurück und heiratete die Prinzessin Elisabeth von Kurland, eine Nichte der Herzo ge Ulrich von Mecklenburg und Franz von Sachsen. Sie starb aber schon im Jahr 1601. Herzog Adam-Wenzel IV soll sehr kriegslustig gewesen sein. Er betei ligte sich an Kämpfen gegen die Türken, die unser Land insofern beein trächtigten, als ständig Truppen auf der Heerstraße von Schlesien zogen. In den Jahren 1594 bis 1602 waren es deutsche und schlesische Landsknechte, die gegen Süden zogen. Da die Verhältnisse in Ungarn eine bewaffnete Er hebung befürchten ließen, ließ der Bischof von Breslau die Grenze besichti gen. Die beiden Beauftragten fanden, daß von Friedek an, an der mähri schen Grenze, „ein großes walddichtes gebürg darüeber Kein Paß ausser eczlicher Steige, so die Walachen mit dem Viech gemacht, doch seindr sie in eczlichen stunden Zuuorhauen. Von des Teschnischen Fürstenthumbs biß an die Ungarische grencz ist gleichfalß ein großes gebürge, dardurch kein Paß. Alß hinter deß Jablunka, welcher wege man sich des feindes ein fahl aus dem Zips, von der Leutsch (Leutschau und Umgebung) undt etczli141
che der 13 Stette der dieses Zuebefahren gar leicht dermaßen Zuuorhauen, das im durch Zue Paßiren unmöglichen, undt gehnt solch unwegsambes gebürge biß an die Bilicz”. „Der Paß selbst aus Polen” ist, wenn der Herr von Seipusch gute Nach barschaft hält, nach ihrer Meinung ebenfalls leicht unwegsam zu machen. Jenseits dieser Grenze war seit 1526 das Unglück zu Hause. Die Ungarn nennen die Niederlage von Mohäcs die „Katastrophe der ungarischen Ge schichte”. Die Einheit der mittelalterlichen Großmacht Ungarn lag in Trümmern. Der Landtag wählte den größten Grundbesitzer, den Woiwoden von Siebenbürgen, Johann Zapolya, zum König. Der Schwager des ge fallenen Ludwig II, Erzherzog Ferdinand I. von Österreich, bestritt die Rechtmäßigkeit dieser Wahl, ließ sich in Westungarn ebenfalls zum König ausrufen und trieb seinen Gegner mit Hilfe Karls V. außer Landes. Zapolya bat den Todfeind Ungarns, den Sultan Soliman, um Hilfe, der über Mohäcs bis vor Wien vorrückte. Wien konnte er nicht mehr nehmen. Budapest blieb bis 1686 in osmanischem Besitz, den Westen des Landes behielten die Habsburger. Die Lage der unter osmanischer Herrschaft lebenden Bevölke rung war verzweifelt. Das Land war schwer geschädigt, verarmt und ausge sogen. In den 145 Jahren osmanischer Herrschaft saßen nicht weniger als 97 Paschas in Budapest. Es hatte also jeder nur eineinhalb Jahre Zeit, in den Genuß der Einkünfte des Landes zu kommen. Nicht nur der Adel, sondern auch die Bauern flüchteten in großer Zahl in das christliche Gebiet. Das Osmanenjoch war unerträglich für die im europäischen Sinn erzogenen Un garn. Die Angst ging aber auch in unserem Lande um. Das traurige Los der Ungarn und die Gefahr, das gleiche Schicksal zu erleiden, wird zum Anlaß genommen, das Volk zur Ordnung zu rufen. Überliefert ist eine Beuthener Stadtverordnung aus dem Jahr 1593, derzufolge soll „dem nächtlichen Geschreie, dem Tanz und anderen Unlautbarkeiten Einhalt getan werden, weil wir das Strafgericht Gottes von seiten der Türken vor Augen haben”. Weil „der Zorn Gottes Miß wachs geschickt hat, soll kein Korn zu Branntwein gebrannt werden, bei Strafe von einem Floren pro Quart und drei Tage Arrest”. Aufstände toben südlich unserer Berge. An der Niederringung Szekelys hatte Adam-Wenzel IV von Teschen mit schlesischen Reitern Anteil. Auch gegen Boczkay kämpft er etwa um 1604. Sillein wird von den Aufständi schen besetzt und auch ein Einfall von da aus in unser Land ist zu befürch142
ten. „In großer Zahl soll der Feind an der Grenze stehen”, wird dem Bres lauer Bischof in diesen Tagen berichtet. Aus diesen Gründen waren ja schon 1541, als noch die Vormundschaftsregierung für Herzog Wenzel III.Adam amtierte, Schanzen gegen die Türken auf dem Jablunkapaß errichtet worden. Boczkay stellt sich an die Spitze der antihabsburgischen Adelsopposi tion und die bisher im Türkenkrieg errungenen Erfolge gehen wieder verlo ren. Erst als in Wien am 23.6.1606 mit dem calvinistischen Fürsten von Sie benbürgen Stefan Boczkay Frieden geschlossen wird, ist unser Land von der Gefahr befreit. Die auch nach Ungarn vorgedrungene neue Lehre darf von jetzt an dort frei ausgeübt werden. Aus Adam-Wenzels Regierungszeit stammen eine Reihe von Urkun den. Darunter jene, die der Stadt Jablunkau die Bewilligung erteilt, daß dort Gottes Wort nur nach dem Augsburgischen Bekenntnis zu lehren sei. Vier Tage im Jahr müssen die Jablunkauer „Holzstamme in die herzogliche Sa gemühle führen”. Auch diese Anordnung stammt aus seiner Regierungs zeit. Die „Sälzer” werden von ihm gegen den Handel mit polnischem Salz privilegiert, und den Innungen der Töpfer in Teschen und Jablunkau bestä tigt er ihre „Ordnungen”. Die Schusterzünfte von Teschen, Skotschau und Schwarzwasser werden mit „mancherlei Gerechtsamen” bedacht. Die Hoffnung, daß Adam-Wenzel IV. sein abgewirtschaftetes und zerris senes Herzogtum wieder zusammenführen würde, erfüllte sich nicht. We der Friedek noch Bielitz kamen zurück. Die finanzielle Lage war am Ende seiner Regierungszeit kaum besser als zur Zeit seiner Vorgänger. Auch er liebte die Pracht. Als Kaiser Mathias, der Bruder Rudolfs II., die Huldigung der Schlesier am 10.10.1611 in Breslau entgegennahm, war er auch beim Ein zug dabei. „An der Spitze ritt ein mit einem Tigerfell geschmückter Kosak, von dreien auf türkischen Roßen gefolgt. Tartarische Kesselpauker und Schalmeienbläser, eine Kompagnie deutscher Reiter 150 Mann stark, ein Trompeter, ein Oberster, Edelknaben mit Fähnlein und gelben Binden auf dem Kopf, ein Körnet und hundert Wallonen in roten und weiß gebrämten Kleidern folgten”, so berichtet der Chronist. „Die Zahl der Pferde betrug 285. Unser Herzog selbst war von zwölf Trabanten und vier Lakaien umge ben”, heißt es weiter. Für unseren armen Herzog war das sicherlich „über die Verhältnisse gelebt”. 1615 war er genötigt, den Rest seiner Güter Skotschau und Schwarzwas143
ser auf vier Jahre, und die Dörfer und Feldfrüchte gegen „Anlehen” zu ver pfänden. Herzog Adam-Wenzel IV arbeitet noch sinnloser am Ruin seines Landes als seine Vorgänger. In Machenschaften, die in Prag und Passau be trieben werden, um die Kaiser Rudolf II. verlorengegangenen Provinzen seinem Bruder Mathias wieder abzunehmen, war dem Teschener Herzog die Rolle eines Söldnerhauptmannes und als Belohnung das Herzogtum Troppau zugedacht worden. Die Regierungszeit Herzog Adam-Wenzels IV. von Teschen (1579-1617), in welcher die Herrschaft Bielitz zweimal den Besitzer wechselt, ist reich an Nachrichten, die vor allem Einblick in die religiöse Entwicklung des schlesi schen Südens und seiner Nachbargebiete geben. Eine wahre Leidenszeit macht Troppau durch. 1580 zählt diese Stadt nur mehr 18 katholische Einwohner. Die Einstellung des Herzogs Georg hat Früchte getragen, er war einer der ersten Fürsten Deutschlands, die ihr Land dem Protestantismus öffneten (Peter). Im Jahr 1584 wird mit einem kaiserlichen Dekret der gregorianische Ka lender in Böhmen und seinen Nachbarländern eingefuhrt, und acht Jahre später (1602) schafft Kardinal Franz von Dietrichstein, Bischof von Olmütz, die evangelische Predigt in Troppau ab, und die Stadt gerät sogar wegen ihres Glaubens 1603 in kaiserliche Acht, wird 1607 vom Regiment des kaiser lichen Obersten Geißberg belagert und besetzt. 1613 gibt Kaiser Mathias Troppau an den vorher vom evangelischen zum katholischen Glauben übergewechselten Fürsten Karl von Liechtenstein (Peter). Er hatte sich um die Gegenreformation verdient gemacht. Sein Enkel Johann Adam An dreas kaufte 1699 die Herrschaft Vaduz, wo das Geschlecht noch heute regiert. Dagegen kann Bielitz glaubensmäßig eine friedlichere Entwicklung durchlaufen. 1587 hat die Herrschaft vom Fürsten Adam von Schaffgotsch ein Religionsprivileg erhalten, dessen Urkunde vom Fürsten eigenhändig unterfertigt und mit rotem Wachs gesiegelt war. Die evangelische Gemeinde erbaute in den Jahren 1604 bis 1608 die Dreifaltigkeitskirche auf der Josefstraße. 1610 - so berichtet der Chronist war die ganze Bielitzer Sprachinsel völlig evangelisch. Die katholische Kir che hatte hier aufgehört zu existieren. Auch später, bis ins 18. Jahrhundert, war die Lage günstig, da die Herren von Bielitz alle Protestanten waren, und im 30jährigen Krieg waren die Kirchen der Sprachinsel katholisch und evan 144
gelisch, wie es gerade die Truppen waren, die das Land besetzt hatten. In diese Zeit fällt auch die Gründung von Löbnitz. 1588 erhält Freistadt, 1596 Jablunkau das evangelische Privileg, und zwei Jahre später gibt auch Frankreich seinen Hugenotten die Glaubensfreiheit. Kaiser Rudolf II. räumt beiden Religionen gleiches Recht ein, indem er ihre Anerkennung in drei Majestätsbriefen im Jahr 1609 (für Böhmen am 3. Juli, für die Lausitzen am 11. Juli und für Schlesien am 20. August) aus spricht, denn schon hatten sich die Stände Schlesiens und Böhmens wegen der religiösen Unterdrückung zusammengeschlossen. Als Dank für diese hochwichtige Rechtsurkunde erhält der Kaiser 100000 Thaler. Auch im südlich benachbarten und noch nicht türkisch besetzten Un garn gibt es zu dieser Zeit 900 lutherisch-evangelische Gemeinden. Aber bald folgen Meldungen, die ein anderes Bild aufzeigen. Eben aus diesem ungarischen Landstrich, in welchem viele Deutsche leben, kommt 1604 die Nachricht, daß Kaiser Rudolfs II. Härte gegen die Protestanten letz tere zum Aufstand treibt. Östlich von unserem Land, im Polnischen, verzeichnete man ab 1525 das Eindringen der Reformation, aber schon 1575 bis 1586 setzt unter Ste phan Batory die Gegenreformation ein, und zehn Jahre später -1596 - wird bereits ihr vollkommener Erfolg berichtet. 1607 unterwirft König Sig mund III. Wasa von Polen letztlich auch noch den evanglischen polnischen Adel. Alsbald wendet sich auch in Schlesien das Blatt. Die Bischöfe Andreas Jerin und Johann IV. Sitsch sind erste Gegner der Reformation. 1624 folgt ihnen Erzherzog Karl von Österreich als Bischof von Breslau, der bereits ein scharfer Gegner des neuen Glaubens ist. Am 18. September 1611 huldigen die beiden Lausitzen und Sorau Kaiser Mathias, der auch am 10. Oktober des gleichen Jahres nach Breslau kommt. Die Stadt huldigt ihm, und als Dankgeschenk für die Bestätigung der Religionsfreiheit erhält er eine Ton ne Gold. Der Kaiser schuf 1611 eine neue eigene, von der „Böhmischen Kanzlei” unabhängige sogenannte „Deutsche Kanzlei”, und eine besondere Recht sprechung auch in höchster Instanz mit einheimischen schlesischen Rich tern. Aber schon 1616 werden diese Maßnahmen rückgängig gemacht, die Kanzleien wieder vereinigt, und der kaiserliche Regent übersiedelt von Breslau nach Prag. 1610 tritt für das Teschener Land das schwerwiegende Ereignis ein, daß 145
Herzog Adam-Wenzel IV, um sich die Gunst des Kaisers zu erwerben, vom evangelischen zum katholischen Glauben Übertritt. Teschen, Skotschau und Schwarzwasser verlieren ihre evangelischen Kirchen, und mit großem Eifer - so verzeichnet der Chronist - verfolgt er fortan seine bisherigen Glaubensbrüder. 1617 wird Adam-Wenzel IV. durch den Kaiser zum Oberlandeshaupt mann von ganz Schlesien bestellt. Seine beiden Töchter können Ehen mit namhaften Fürstensöhnen eingehen. Sidonia heiratet Hannibal von Ho henems, einen Neffen des Salzburger Erzbischofs Marcus Sittikus von Ho henems, der dem Paar 1618 Schloß Emslieb an der Heilbrunner Allee in Salzburg baut. Die zweite Tochter Elisabeth-Lucretia heiratet durch Ver mittlung des Kardinals Dietrichstein den Fürsten Gundakar von Liechten stein. Die Hochzeit wollte Kaiser Mathias „ohne großen und Schwören U n kosten Volzogen” wissen. Der Herzog war natürlich am kaiserlichen Hof beliebt. Er erhielt ein Gehalt, nannte sich „kaiserlicher Rat und Kriegsoberster” und wurde ge gen Ende seiner Regierungszeit noch zum „Oberhauptmann Schlesien” be stellt. Besonders diese letztgenannte Ernennung scheint mit seinem Reli gionswechsel im Zusammenhang zu stehen. In Religionsdingen verstand er es nicht, wie die meisten schlesischen Fürsten der damaligen Zeit, den rich tigen Mittelweg zu gehen. Es wurde immer Partei genommen. Mit der gleichen Intensität, mit welcher er noch 1596 und 1598 für den evangelischen Glauben in Teschen und Jablunkau eintritt und an der Er langung des Majestätsbriefes für Schlesien mitwirkt, trat er nach seinem Re ligionswechsel gegen die Evangelischen auf. Biermann erwähnt, daß wohl auch die finanzielle Lage mit dazu beigetragen hat, den Wechsel vorzuneh men. Seine Unduldsamkeit trifft jetzt die Protestanten. 1611 müssen die pro testantischen Prediger in Teschen, Skotschau und Schwarzwasser den ka tholischen Platz machen und das Land verlassen. Alle bedeutsamen Ereignisse wurden in dieser Zeit von der Kanzel aus verkündet. So war es auch mit den Veränderungen, die diese Zeit im Ge brauch der Uhr brachte. Bis in diese Tage galt die sogenannte „ganze Uhr”, die nach südländischer Art 24 Stunden je Tag anzeigte. Sie sollte nun auf die „halbe Uhr”, die nur 12 Stunden zählte, umgestellt werden. Im westlichen Deutschland war diese Umstellung schom im 15. Jahrhundert vielfach durchgeführt worden. In der schlesischen Hauptstadt war erstmals für 146
Schlesien eine halbe Uhr 1535 am Rathaus eingebaut worden, fand aber we nig Anklang. Offiziell wurde sie in Breslau erst 1580 alltäglich und im restli chen Schlesien in den Jahren 1593 bis 1595 anbefohlen. In dieser Zeit wurde auch der neue Kalender eingeführt. A uf Veranlas sung von Papst Gregor XIII. wurde eine Erneuerung vorgeschlagen, welche die bisher beim Julianischen Kalender unterlassene Berechnung der Diffe renz von 12 Minuten und 12 Sekunden innerhalb von 365 Tagen und 6 Stun den berücksichtigte. Die Anordnung des Papstes war für das Jahr 1582 vor gesehen. Ein Dekret Kaiser Rudolfs II. verfügt 1584 für Böhmen und seine Nebenländer (also auch für Schlesien) die Einführung dieses neuen Gregorianischen Kalenders. Im benachbarten Polen fand er 1586 und in Un garn gar erst 1587 Eingang. Es sei nur am Rande vermerkt, daß der erste deutsche gedruckte Kalender 1439 von Johannes von Gmunden (in Ober österreich) herausgegeben wurde. Er bestand aus zwei Holztafeln im Groß format und befindet sich in der Staatsbibliothek zu Berlin. Als die Gegenreformation Schlesien erfaßte, flüchteten viele evangeli sche Tuchmacher und Leineweber aus dem habsburgischen Schlesien, das rekatholisiert werden sollte, über die schlesisch-polnische Grenze um ihres Glaubens willen. Die Wanderung und die Besiedlung der Gebiete erfolgte längs der Wasserscheide der zur Weichsel oder zur Oder eilenden Flüsse und Bäche. Die Wasserscheiden boten keine unüberwindlichen Hindernis se bei der Wanderung, man kam trockenen Fußes weiter. Der sich ergeben de Weg war auch entscheidend für die Anlage einer Reihe von Orten und Städten, die sich, einer Perlenkette gleich, entlang dieser Verkehrsadern er gaben. Dort siedelten sich die wandernden Deutschen an, denn Polen war damals kurzfristig noch ein Land der Toleranz. Die Kräfte der Gegenrefor mation wurden hier erst später wirksam, erlangten aber auch nicht jene Hit ze wie in den deutschen absolutistisch geführten Staaten. In Polen hatte je der Grundherr freie Hand, flüchtenden Handwerkern und Fabrikanten Asyl zu gewähren. So entstanden damals im 16. und 17. Jahrhundert eine Reihe von Gewerbeorten, die auch für die Besitzer nicht ohne Einkünfte waren, wie Lissa, Rawitsch, Zduny oder Bojanowo. Einige jener vor den re ligiösen Eiferern Deutschlands flüchtenden Tuchmacher gelangten schon damals in die Gegend von Lodsch, dessen deutschrechtliche Aussetzung als Dorf aus dem Jahr 1332 belegt ist. 1387 erhält ein Janussius als Schulze den Auftrag, das Dorf nach flämischen Hufen anzulegen. 1423 wird die Stadt 147
Lodsch als Ackerstädtchen auf etwa 30 Hufen Land mit höchstens 500 Ein wohnern erwähnt. Damals legte König Wladislaus Jagiełło fest: „Wir befreien für immer den Vogt, die Bürger und Bauern und alle Einwohner der Stadt Lodsch vom polnischen Recht, von aller Gerichtsbarkeit und Gewalt unserer Wojewoden, Starosten, Richter und aller unserer königlichen Beamten - die Bürger dieser Stadt sollen nur von ihrem Vogt gerichtet werden. Wir geben ihnen Gewalt selbst zu urteilen, zu strafen, zu bessern, zu verdammen, so wie es ihnen das deutsche Recht in allen seinen Paragraphen, Artikeln und Klau seln vorschreibt.” Die Schlesier in der Lodscher Gegend bei Alexandrow, Ruda-Bugay oder Adamów nennen sich selbst später „Hockerlinge” und ihre Sprache „hockerlingsch”. Auch sie erkannten, daß in der Lodscher Gegend die fließenden Wasser ihr stärkstes Gefalle hatten, und so bekamen diese Wasserläufe auch bald ihre Arbeit. Bald klapperten die Walkmühlen der Weber und rauschten spä ter die Fabriken, die von den Lodscher Bächen getrieben wurden. Es mag dies auch die Erklärung sein, warum gerade an dieser Stelle die Keimzelle für die später so große Industriestadt angelegt wurde. Das Wasser war, ähn lich wie für die Bielitzer Textilindustrie, auch hier das Entscheidende, um seßhaft zu werden. Kehren wir nun wieder in unser Bielitz zurück, das seit 1572 im Besitz der Herrschaft von Promnitz war. 1580 erhält die Stadt einen Teich bei Zabrzeg verliehen und 1582 verkauft von Promnitz die Herrschaft Bielitz an das niederschlesisch-deutsche Ge schlecht derer von Schaffgotsch, deren Besitz Warmbrunn und die Burg Kynast auf einem Granitkegel im Riesengebirge, ihr Ausgangssitz, schon 1368 im Besitz des Ritters Gotsche Schoff waren. Von Adam von Schaffgotsch wissen wir, daß er am 24.8.1587 den Orten Bielitz, Bistrai, Nickelsdorf und Ohlisch das Privileg der freien Religions ausübung erteilt. Es steht mit dem Protestantismus so günstig, daß von sei ner Alleinherrschaft gesprochen werden kann. Aus dem Jahr 1584 stammt, wie Hoinkes berichtet, ein von ihm aufgefundenes Zunftbuch, dessen Titel blatt ihm erhalten blieb, das „Bey Regierung des Edlen Gestrengen Ehren vesten wol benambten Herrn Adam Schoff Gocz genanndt auf Bilicz und Friedlandt, am Suntag vor Martiny Ao 1584, Beschribenn Bein Czech, mei stern Gabriel Fochs, George Knobloch” abgefaßt ist. 148
Tm Jahr 1592 geht unsere Herrschaft wiederum in andere Hände über. Am 10.3.1592 verkauft Schaffgotsch seinen Bielitzer Besitz für 80000 Thaler an Johann von Sunnegk. Die Sunnegks kommen aus dem Landstrich süd lich des Herzogtums Teschen, ihr Stammsitz ist die Grundherrschaft Budiatin, nördlich nahe Sillein, zu welcher das ganze nordwärts verlaufende Tal der Kisutscha bis zum Jablunkapaß gehörte. Sie blieben fünf Generatio nen lang, von 1592 bis 1724, Herren von Bielitz.
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DAS 17. JAHRHUNDERT Das Zeitalter der Sunnegks beginnt: Johann L, Stephan, Johann II., Emme rich, Julius, Julius-Gottlieb. Das Ende der Teschener Piasten - Mansfeld am Jablunka-Paß und in Bielitz. Militärische Aktionen folgen. Die Schweden in Bielitz (1645). Glaubensauseinandersetzungen. 1631: Bielitz wird wieder rekatholisiert. 1648 gehen die qualvollen Jahre zu Ende. 1671: die Sunnegks werden Reichsgrafen. Rundblick über Saybusch, Teschen und Bielitz - Handel und Ge werbe. Blick nach Süden und Osten. Schweden wieder im Lande und östlich von uns. Aufstand in Ungarn - Ungarn plündern Bielitz (1682). Die Türken vor Wien geschlagen (1683). Rückblick auf fünf Jahrhunderte.
Das Zeitalter der von Sunnegks beginnt. Das Ende der Teschener K asten.
Zunächst gestaltete sich das Verhältnis zwischen dem neuen Herrn und den Bielitzern nicht zum besten, denn es gab schon von früher her Grenzstrei tigkeiten mit den Sunnegks, als sie noch jenseits unserer Berge, bereits seit dem 16. Jahrhundert, zu Erfolgen kamen, die sich auf die Nachbarschaft mit dem Teschener Herzogtum nachteilig auswirkten. Ein Protest der Tesche ner Herzogin Katherina-Sidonia beim Kaiser gegen den Kauf der Bielitzer Herrschaft hatte keinen Erfolg. Aber es kam auch zu Besitzstreitigkeiten zwischen Johann von Sunnegk und den Bielitzern wegen des Stadtwaldes, aber letzten Endes waren die Bielitzer auf die Dauer stärker (Kuhn). Die Sunnegks waren von Generation zu Generation mehr dem Deutschtum zugetan und dem Westen gegenüber aufgeschlossener. Johann von Sunnegk stirbt Anfang des Jahres 1594. Die Herrschaft Bie litz erbt sein Sohn Stephan. Es war ein noch lange nicht schuldenfreies Erbe, das dem unmündigen Sohne da zufallt. 1596 wird er großjährig und heiratet die Tochter des Herrn der Minder standsherrschaft Deutschleuthen, Katharina von Giraltowitz. Er residiert im Bielitzer Schloß. Das Bielitzer Land wurde durch ihn nun wieder ein selbständiges Gebiet mit einem für seine Stände obersten Gericht, dem Stephan ein eigenes „Landrecht” gab. Das Gericht besetzte er allerdings größtenteils mit Edelleuten der benachbarten oberschlesischen Landstri 150
che als Beisitzer, wogegen die Bielitzer beim Breslauer Oberamt protestier ten und schließlich auch recht erhielten. Stephan starb am 30. September 1601 im Alter von nur 25 Jahren und hinterließ einen Sohn von knapp vier Jahren namens Johann (II.) mit ei nem hoch verschuldeten Besitztum. Einige Gläubiger übernahmen die Vormundschaft und verpachteten die Herrschaft 1601 an den Oberschlesier und Polen Wenzel Przyszowski. Wenn schon der polnische Einfluß unter Stephan von Sunnegk wuchs, so war er jetzt unter dem neuen Pächter noch drückender. Dazu mußten die Leistun gen gesteigert und die Robot auf sechs Tage in der Woche ausgedehnt wer den, was zur Folge hatte, daß die Bauern von Altbielitz, Batzdorf, Heinzen dorf, Dzieditz, Karnitz und Kurzwald in einen siebenjährigen Streik unter deutscher Führung traten (1608). Auf der anderen Seite zahlte Przyszowski keine Pacht mehr und blieb auch die kaiserlichen Steuern schuldig. 1616 schaffte eine oberamtliche Kommission Ordnung und Johann II. konnte - nunmehr neunzehnjährig - sein Erbe antreten. Ihm fiel es zu, die angesammelten Schulden und die vergessenen Steuern zu verkraften. Der junge Fürst war schon im Bielitzer Schloß geboren, dem Deutsch tum zugetan, führte im Schicksalsjahr 1620 die deutsche Sprache wieder in den Bielitzer Ämtern ein und setzte Deutsche als Beamte an ihre Spitze. Er war seit 1620 mit der Tochter des Plesser Herrn von Promnitz verheiratet, die 1622 starb. Er heiratete ein zweites Mal. Seine Frau wurde Anna Thurzo von Bethlenfalva auf Arwa, eine Nachfahrin des großen deutschen Berg bauunternehmens Johann von Thurzo (1437-1508) aus Krakau. Trotz rei cher Mitgift konnten die Schulden doch nicht beglichen werden, so daß mi litärische Exekutionen der Herrschaft auferlegt wurden, welche die Unter tanen noch mehr auspreßten. Dazu brachte der anbrechende Dreißigjähri ge Krieg noch Truppeneinquartierungen und Kontributionen. Alle Fürsten dieses Hauses waren evangelisch, und so wundert es nicht zu hören, daß man unter den evangelischen Pastoren um 1600 viele Bielitzer findet: in den Dörfern der Umgebung sind sie vor allem im Amt. In Hein zendorf, Kurzwald, Karnitz, Nickeldorf, Batzdorf, Schimoradz, Lonkau, Staude und Miedzna bei Pleß. 1604 folgt ein evangelisches Privileg für Schwarzwasser und am 24.6.1608 wird die Einweihung der Bielitzer evangelischen Dreifaltigkeitskirche ge feiert. 151
Dieses Ereignis stellt sicherlich einen Höhepunkt der reformatorischen Bewegung in unserem und dem Teschener Land dar, es ist die Hochblüte der Reformation im Land am Fuße der Beskidenberge. Im nächsten Jahr, am 13.7.1617, stirbt Adam-Wenzel (IV.) in Brandeis bei Teschen und wird in der Dominikanerkirche beigesetzt. Während der Regierungszeit Adam-Wenzels IV. wandelte sich, wie schon angedeutet, das Verhältnis zum Protestantismus in Deutschland und auch in Schlesien grundsätzlich. Harte und entscheidende Maßnahmen werden ergriffen. Der neue Herr der Kirche Mährens ist Kardinal Franz von Dietrichstein (1599), und in Schlesien wurde 1608 Erzherzog Karl von Österreich Bischof von Breslau. Die Stände Böhmens, Mährens und, nach langem Zögern, auch Schlesiens schlossen sich zusammen und erwirkten mehr oder weni ger die Herausgabe der hochwichtigen Majestätsbriefe des Jahres 1609 für Böhmen und Schlesien. Trotzdem nahm die Entwicklung der folgenden Jahre für die Evangeli schen einen anderen Verlauf. Die entscheidenden Gewalten lagen beim Kaiser und den Bistümern. Und während im Reich die „Liga” den Prote stanten entgegenstand, war in Schlesien die reformatorische Entwicklung nicht nur zum Stillstand gekommen, sondern sie begann rückläufig zu wer den. Die Übertritte zum katholischen Glauben nahmen zu. Die Fürsten Karl von Liechtenstein, Graf Karl Hannibal von Dohna und Graf von Oppersdorf, Pfandherr von Ober-Glogau, waren bedeutungsvoll für die nun einsetzende Entwicklung. Trotz Ergebenheit der Schlesier dem Kaiserhaus gegenüber wurden sie in den bereits ausgebrochenen böhmischen Aufstand hineingezogen. Am 31. Juli 1619 wurde die Konföderation mit den unierten Landschaften Böh men, Mähren, Ober- und Niederlausitz sowie Schlesien proklamiert. Die Konföderation unterstützt auch die Wahl des Winterkönigs Friedrich V. von der Pfalz. Das Ziel ist, die Habsburger abzusetzen. Die Wahl Friedrichs von der Pfalz zum Kaiser bahnt den Weg zu einem evangelischen Kaisertum. Friedrich wurde vor der Annahme der Wenzelskrone.gewarnt. Die War nung wurde nicht beachtet. Am 23.10.1619 traf Friedrich auf dem Weg nach Böhmen in Waldsassen ein, zwei Tage später zog er über Eger, Saaz nach Prag, wo er am 31.10. ein traf. 152
Friedrich unternahm eine Huldigungsreise durch Mähren und Schle sien, um Geld für sein böhmisches Heer zu erbitten. Zu Anfang des Jahres 1620 standen bereits spanische Truppen bei Passau und kaiserliche in Nie derösterreich, wo auch polnische Kosaken eingetroffen waren. Im Mai 1620 verstärkten auch schlesische Truppen das böhmische Heer, aber es fehlte die Hilfe einer wirklichen Großmacht. Dieser Zustand allein war für den Ausgang der bevorstehenden Kraftprobe ausschlaggebend. Ein friedlicher Ausgleich mit Böhmen war kaum mehr möglich. „Der Bock war zu weit im Garten”, wurde damals gesagt So wurde die sich erge bende habsburgisch-wittelsbachersche Verbindung zum Verderb und zum Ende des Protestantismus in den habsburgischen Ländern. Sie kam zustan de, als die Nachricht über Bethlens Marsch nach Westen durchsickerte. Da zu kam noch spanische Hilfe von den Niederlanden her. Die polnische Hilfe war mit 4000 Kosaken reichlich spärlich, aber mehr war der drohenden schwedischen Gefahr im Norden für Polen nicht möglich. Es bestand also ein katholischer Bund, der vom Mittelmeer bis nach Polen reichte. Nur Frankreich blieb noch außerhalb des Krieges der Konfessionen. Werfen wir noch einen Blick in östliche Richtung zum polnischen Nach barn. Dort war im späten 16. Jahrhundert die Gegenreformation in vollem Gange, und König Sigismund III. tat sich sowohl bei der Bekämpfung der Reformierten als auch der Orthodoxen mit Eifer hervor. Er griff auch, ganz gegen den Willen des polnischen Adels und des Reichstages, in die böhmi schen Wirren zugunsten Kaiser Ferdinands II. ein. Seinen Truppen, vorwie gend seinen Kosaken, ist es zu danken, daß Wien damals nicht von den ver bündeten Böhmen und Ungarn besetzt wurde. Wir hören von diesen Kosa ken noch an anderer Stelle. Der aus Schweden stammende Polenkönig Sigismund III. Wasa war aber auch Oberherr der Kosaken, die die Anrainer des Osmanischen Rei ches waren. Kosaken verwüsteten mit ihren den Wikingern ähnlichen Zü gen auch Teile dieses Reiches und kamen so in Gegensatz zu diesem. 1619 schlugen sie die Türken zurück, im nächsten Jahr wurde der polnische Kronhetmann Zulkiewski mit seinem Heer bei Cecora vernichtet und ver lor dabei auch sein Leben. Der türkische Krieg schob sich im folgenden Jahr immer mehr an Polen heran und es gelang im letzten Augenblick, mit Hilfe der Kosaken einen türkischen Durchbruch zu verhindern (1621 bei Chotin/ Chocim). Der Sultan unterlag und wurde zum Frieden gezwungen. So er gab sich das Einwirken der Türken direkt auf Polen. Im Jahr 1621 begannen 153
die Schweden sich in der Herrschaft über Ostseegebiete durchzusetzen, Riga, und damit das ganze dazugehörige Land, fiel in schwedische Hände, die sich nun gegen Polen rüsteten. Unser Nachbarland ging bösen Zeiten entgegen. Kehren wir jedoch wieder nach Böhmen zurück. Das Schicksal entschied dort gegen die Protestanten. Die „Schlacht am Weißen Berg” und für Schlesien die Kapitulation von Glatz brachten im we sentlichen die Wende zugunsten des Kaisers. Zwar mußte der Bischof von Breslau, Karl von Österreich, vorüberge hend außer Landes nach Polen gehen, und die östlichen Bezirke Schlesiens - genannt wurden Medzibor und Tarnowitz - mußten ein Eindringen polni scher Einheiten hinnehmen, die, wie man verzeichnete, mit 8000 Mann die Grenze überschritten und sich nach Mähren begaben. Ruhe kehrte aber noch lange nicht ein. Ein zweiter Schwarm polnischer Kosaken zog im April des gleichen Jahres 1620, bei Namslau eintretend, quer durch Schlesien und konnte erst in der Nähe von Jägerndorf durch ein schlesisches Aufgebot un ter Friedrich von Herrenberg aufgerieben werden. Die Schlacht am Weißen Berg leitete den Untergang des Protestantis mus in Österreich schlechthin ein. Ein hartes Strafgericht folgte sowohl für Böhmen als auch für Schlesien. 1622 mußten auch aus unserem westlichen Nachbargebiet die Wieder täufer und in den Jahren nachher auch die „Mährischen Brüder” ihre Heimat verlassen. Aus der Gegend zwischen Iglau und Neutitschein allein 20000 meist deutsche Menschen. Eine große Zahl ihrer Glaubensgenossen aus Böhmen, der „Böhmischen Brüder”, kam auch in unser Ländchen oder zog weiter nach Osten und fand dort Aufnahme. Die Mehrzahl des böhmischen Adels - 250 an der Zahl - verlor ihren Be sitz, 20 wurden enthauptet, einige Tausend wanderten aus. Es war ein hartes Strafgericht, das die Sieger über ihre Untertanen mit dem neuen Glauben hielten. Kaiser Ferdinand II. nützt den Sieg am Weißen Berge. Praktisch müssen die Protestanten das Land verlassen. Getroffen wurde vor allem nur das Deutschtum. Im südlichen Schlesien hält sich lediglich in Kreuzburg und in Bielitz der neue Glaube. Eine aus dem Jahre 1805 stammende Chronik weiß über diese Schlacht zu berichten: „1620. Schlacht am Weißen Berge bei Prag den 8. November. Böhmischerseits unter Winterkönig Friedrich dem Fünften von der Pfalz, ferner dem Prinzen Christian von Anhalt. Österreichischer und ligistischer 154
Seits unter dem Churfürsten Maximilian von Baiern, dem Oberbefehlsha ber Johann Tserklas Tilly und dem kaiserlichen General Boucquoi. Bethlen Gabors Reuterei floh am ersten in wilder Unordnung. Ein großer Teil er trank in der Moldau. Ebenso ging es dem böhmischen Fußvolke, und end lich den übrigen Deutschen. 4000 Böhmen und Pfälzer blieben auf dem Platze. Über hundert Fahnen wurden erobert, der Winterkönig verjagt, und Böhmen, Mähren und Schlesien waren bezwungen an eben dem Sonntage, wie das Evangelium befahl: ,dem Kaiser zu geben, was des Kaisers sey.”’ Draußen in der weiten Welt aber geschahen in dieser Zeit Dinge, die später tiefgreifende Machtverschiebungen zur Folge hatten. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts geht die bisher unangefochtene See machtstellung Spaniens zu Ende. Die stolze spanische „Armada” mit 160 Schiffen im Wert von 200 Millionen Golddukaten unterliegt im modernen Artillerie-Fernkampf der englischen Flotte. Das Zeitalter der englischen Seeherrschaft nimmt damit seinen Anfang. Parallel dazu läuft der Nieder gang der deutschen „Hanse”. Französische Seefahrer landen in Kanada. Aus dieser Zeit stammt die Bezeichnung „Neufrankreich” für diesen Landstrich, und wenige Jahre spä ter beginnen die Niederländer Ostindien zu kolonisieren. Engländer und auch Franzosen gründen ostindische Handelsgesell schaften, und die Holländer die Kap-Kolonie in Südafrika, während in Nordamerika die erste englische Kolonie Virginia mit ihren Tabakkulturen entsteht. Und es ist gar nicht uninteressant zu verzeichnen, daß aus dieser Zeit auch die ersten Meldungen über den Gebrauch von Eßgabeln am fran zösischen Hof, über das Aufkommen von Strümpfen, Handschuhen, Schnupftüchern, Fächern, Perücken und Schleppen stammen. Die Geldwirtschaft setzt sich gegen die Naturalwirtschaft immer mehr durch. Die Bank von Amsterdam als Zentrum des Zwischenhandels und die erste Getreidebörse, ebenfalls in Amsterdam, entstehen. Das Tabakrau chen beginnt sich in Deutschland durchzusetzen. Die „Alchimisten”, die Goldmacher, schädigen die meist fürstlichen Auftraggeber, denn ihren Bemühungen, auf ihre Art Gold zu gewinnen, ist kein Erfolg beschieden. In Deutschland ist man mit sich selbst beschäftigt, und mit der politi schen Zersplitterung und Schwäche, so meldet man aus dieser Zeit, geht ein wirtschaftlicher Rückgang parallel. Ein Jahr nach dem Tod unseres Teschener Herzogs beginnt zu allem Unglück, eingeleitet durch den „Pra 155
ger Fenstersturz”, ein Krieg, der Deutschland hart an den Rand des Abgrun des brachte und es über dreißig Jahre lang in Atem hielt. Aus dem Gegen satz der beiden Religionen entwickelte sich ein Kampf, in welchen sich auch Dänemark, Frankreich und Schweden mischten. Auch Schlesien blieb nicht von seinen Auswirkungen verschont. Durch mehrere Jahre hindurch raste auch durchs Oderland die Kriegsfurie. An der Schwelle dieses Zeitabschnittes soll nun ein junger Fürst die Re gierung in unserem Herzogtum übernehmen, dessen Weg aber, seiner Ju gend wegen, noch von anderen bestimmt wird. Nach dem Übertritt seines Vaters zum katholischen Glauben kam der junge Nachfolger Friedrich-Wilhelm aus erzieherischen Gründen zu den Jesuiten nach München. Während seiner Abwesenheit wurde das Herzog tum von einer Vormundschaftsregierung geführt. Sie bestand aus Erzher zog Karl von Österreich, Bischof von Breslau, Georg von Oppersdorf, Lan deshauptmann von Oppeln, und Fürst Karl von Liechtenstein, Herzog von Troppau. Für die Protestanten des Landes gab es keine Erleichterung, viel mehr verschärfte sich ihre Lage noch. So suchten die Teschener Städte im Jahr 1618 bei den in Breslau versammelten Fürsten und Ständen Hilfe und später sogar beim Kaiser selbst, so daß es den Evangelischen noch eine Zeit möglich war, ihre Religion auszuüben und ihre Kirchen zu behalten. In Ungarn regiert seit 1618 Gabriel Bethlen von Siebenbürgen und er greift mit Unterstützung der Türken in den Jahren 1619 bis 1626 dreimal die Waffen gegen Kaiser Ferdinand II. Auch er ergreift die Waffen, weil der of fene Kampf der Glaubensbekenntnisse noch im Gange ist. Gabriel Bethlen war inzwischen gegen Kaiser Ferdinand aufgebrochen und erschien schließlich vor Wien. Als polnische angeworbene Kosaken unter Drugeth von Homonna, einem alten Feind Bethlens, in Ungarn einfielen, mußte letzterer zurück. Wien blieb verschont. Am 25.8.1620 wurde Bethlen auf dem Reichstag in Neusohl zum König von Ungarn gewählt. Kaiser Ferdinand II. hatte zwar mit Gabor Bethlen im Januar 1620 Frieden geschlossen, doch die Ruhe war von kurzer Dauer. Der Sieg am Weißen Berg gab dem Kaiser mehr Handlungsfreiheit und der Kampf begann von neuem. Im Jahr 1622 schließt er mit dem Kaiser den Frieden von Nikolsburg. Auf der Reise dorthin übernachtet Bethlen im Waagtal im Städtchen Rosen berg, das als deutsche Siedlung im 13. Jahrhundert gegründet wurde, in dem von Sophie, Fürstin von Masowien, der Frau des Liptauer Obergespans 156
Ludwig Pekry von Petrowina und Witwe Stephan Bathorys erbauten Schloß. Wir hören noch einmal von diesem Bauwerk. Ein weiterer Einfall 1623 in das gleiche Gebiet endet wieder mit einem Frieden mit dem Kaiser 1624 in Wien. Gabriel Bethlen hielt 1625 um die Hand der Schwester des brandenburgischen Kurfürsten Georg-Wilhelm, Katharina, an. In Begleitung von eini gen hundert Reitern wurde sie durch Schlesien hindurch und unser Land über den Jablunkapaß mit großem Pomp nach Kaschau ihm zugeleitet. Wir wissen auch, daß sie am 22. Februar 1626 in Rosenberg am Eingang zur Zips im dortigen Schloß übernachtete. Sie brachte Kleider im Werte von 50 000 Talern mit, ein Zeichen dafür, welch großes Gewicht man damals auf wertvolle Kleider legte. Die Befürchtung, daß der Zug in der ungewissen Zeit zu Schaden kommen würde, traf nicht ein. Ohne Zwischenfall gelangte er ans Ziel. 1626 wird Gabriel Bethlen zu einem dritten, praktisch auch erfolglosen Angriff auf den Kaiser bewogen, der in die Geschichte des Protestantismus Ungarns als ein verdienter Mann eingeht. Er errichtet das Weißenburger Kollegium als maßgeblichen Mittelpunkt des neuen Glaubens in Ungarn. In eben diesem Weißenburg stirbt Bethlen auch am 15.11.1629. Die Verteidigung unseres Landes oblag den Ständen und den Bürgern des Landes. Sie hielten die Tore und Mauern bei Tag und Nacht besetzt, und Patrouillen bewachten den Jablunkapaß. Die sehr schwachen Kräfte der aufgebotenen Truppen und der schwere Dienst ließen die ermattete Bürgerschaft um Hilfe rufen. Sie wandten sich über den Landeshauptmann, den Herzog Georg Rudolf von Liegnitz, an das königliche Oberamt. Man wurde für die Treue gelobt, aber gebeten, die Wacht weiter zu halten. Im Jahr 1621 kamen neapolitanische Truppen unter ihrem Obersten Carlo Spinola, die jedoch schlimmer als die Feinde hausten. Sie bemächtig ten sich des Schlosses Ostrau, plünderten und schonten nicht einmal die Kirchen. Auch das Teschener Schloß wurde besetzt. Klagen darüber hatten den Erfolg, daß die Bürger daraufhingewiesen wurden, doch selbst um die Truppen gebeten zu haben. Bis in den Herbst des Jahres bleiben sie, dann ziehen die Neapolitaner ab. Dem Fürstentum hatten sie, ohne das geraubte Gut zu rechnen, Kosten in Höhe von 10 989 Thalern, 18 Groschen und 6 Hellern verursacht, so berichtet der Chronist, die erst im Jahre 1668 abge schrieben waren. Aber schon bald nach Abzug der Neapolitaner kamen neue Sorgen auf. 157
Der vom Kaiser geächtete evangelische Markgraf Georg von BrandenburgAnsbach-Jägerndorf fiel 1622 mit militärischer Macht in unser Land ein und besetzte Schloß und Stadt Teschen. Die katholischen Geistlichen wurden nun wieder vertrieben, aber das fast ausschließlich von Protestanten be wohnte Land im wesentlichen geschont. Im Schloß ließ er ein Kommando unter dem Grafen Ortenburg zurück, das aber bald vom kaiserlichen Ober sten Karl Hannibal Burggraf von Dohna vertrieben wurde. Seine uner wünschte Hilfe kam der Bevölkerung teuer zu stehen. Wiederum mußten 18779 Thal er gezahlt werden. Der Herzog selbst lebte in dieser bösen Zeit ja immer noch in München und kam, wie schon gesagt, erst gegen Ende des Jahres 1623 zurück, und der Bischof von Breslau, Erzherzog Karl von Österreich, ernannte ihn zum Kriegsobersten des ersten schlesischen Kreises, der junge Herzog berief Adalbert Gagadkowski von Saybusch zum Dechant seines Fürstentums. Nur er durfte in Teschen Trauungen, Taufen oder sonstige religiöse Zere monien abhalten. Für kurze Zeit übernahm er selbst die Regierung im Land und ging Anfang 1625 schon wieder in die Welt. Sein Weg führte nach den Niederlanden, um an der Belagerung von Breda teilzunehmen. Dort an der fernen Mündung des Rheines - um es kurz einzuflechten loderte seit 1568 die leidenschaftliche Erhebung der Niederlande gegen die spanische Unterdrückung und die Wiedereinführung des katholischen Glaubens in diesem Land. Auch hier war das Deutsche Reich wieder nicht stark genug, um zu verhindern, daß gerade das Mündungsgebiet seines wichtigsten Stromes verlorenzugehen sich anschickte. Von 1585 an waren die Niederlande mit Krieg überzogen. 1590 hatte Moritz von Oranien die Stadt Breda erobert und sie zur Musterfestung aus gebaut. Sie galt als uneinnehmbar. Die Augen der Welt waren auf diesen Platz gerichtet. Längst war diese Auseinandersetzung zu einem Festungskrieg gewor den, und als Meister der geradezu wissenschaftlichen Strategie solcher Kämpfe galten damals der Niederländer Moritz von Oranien und der gebo rene Genuese und spanische Feldherr Marques de los Balbazes Spinola. Sie lagen sich vor Breda, diesem Pfahl im Fleisch Spanisch-Brabants, gegen über. Spanien schreitet zum Gegenzug, indem unter Spinola 1624 mit der Belagerung Bredas begonnen wird, die 9 Monate dauert. Ein Ersatzheer muß abgewehrt und das Land unter Wasser gesetzt werden. Man will die Niederlande nicht so ohne weiteres preisgeben, obwohl die Spanische Ar158
mada zwar zerschlagen, aber die Vorherrschaft Spaniens in Europa noch auf ihrem Höhepunkt ist. Als die Festung am 5. Juni 1625 ausgehungert ist und übergeben wird, erhebt sich in Madrid lauter Jubel ob des Sieges. Der Kom mandant der Festung, Justin von Oranien, und seine Besatzung erhalten freien Abzug, das Fußvolk „mit fliegenden Fahnen und Trommelschlag”, denn der Krieg war damals noch „in edles Spiel der Ehre” (Hager), in wel chem man dem geschlagenen Gegner Ritterlichkeit entgegenbrachte. Marschall Spinola unterstützte in den Niederlanden mit selbstgeworbe nen Truppen Erzherzog Albrecht VII. von Österreich, den damaligen Herrn des habsburgischen Landes, im Auftrag des spanischen Königs. In diesen Verbänden müssen auch Herzog Friedrich-Wilhelm von Teschen und seine Leute gekämpft haben. In den Archiven von Breda sind Unterlagen hier über heute nicht mehr vorhanden. Durch die Teilnahme unseres Fürsten an diesen Kämpfen spannen sich die Fäden der Geschehnisse unseres Ländchens bis an die Mündung des Rheins. Am Ende dieses Kampfes stand die endgültige Herauslösung der Niederlande aus dem Verband des Deutschen Reiches im Frieden von Münster und Osnabrück 1648. Von dieser Unternehmung sollte Herzog Friedrich-Wilhelm aber nicht mehr in seine Heimat zurückkehren. Nachdem er noch am 19. August 1625 sein Testament zu Papier bringen lassen konnte, starb der erkrankte Fürst im November des gleichen Jahres in Köln. Die irdische Hülle wurde vom Rhein nach Teschen überführt, und in der Fürstengruft des Dominikaner klosters zu Teschen fand der letzte männliche Sproß der Teschener Piasten seine Ruhestätte. Sein Fürstentum einschließlich der Herrschaften Skotschau, Schwarz wasser und Jablunkau „mit allem Zugehör, Hoheiten und Gerechtigkeiten” hatte er seiner Schwester Elisabeth-Lucretia verschrieben. Der neuen Herrin blieb es auch nicht erspart, die Not ihres Landes ken nenzulernen. So war sie noch nach 1629 gezwungen, eine Urkunde auszu fertigen, in welcher die Verpflichtung enthalten war, die vorhin genannte Summe von 18 779 Thalern aus dem Jahr 1622 in drei Raten zu zahlen. Doch noch 1649 soll diese Begleichung offengestanden haben. Der ständig andauernde Krieg lockerte nicht nur die Sitten, sondern auch die Zucht und Ordnung. Räuber, Banden bis zu 50 Mann, trieben ihr Unwesen. Vor den Neapolitanern zum Beispiel flüchtete die gequälte Be 159
völkerung bis nach Ustroń, wurde aber auch dort aufgespürt und heimge sucht. 1616 war für Bielitz eine kaiserliche Kommission eingesetzt worden, die es ermöglichte, daß der junge 19jährige Johann II. von Sunnegk sein Erbe antreten konnte. Doch schon am 10.11.1628 weisen die Gläubiger kraft ihrer Forderungen an den Bielitzer Fürsten, der ohne Mittel ist, sein Besitztum dem kaiserlichen Obersten Graf Hans von Schlick, Graf zu Bassano und Weisskirchen, zur Nutzung an. Die Bielitzer leisten ihm den Untertaneneid. Ein Einspruch Johanns II. von Sunnegk wird erst am 2.10.1631 durch kaiserlichen Entscheid aner kannt, der ihm die Herrschaft Bielitz wieder zugesteht. Schlick war zwar ein Deutscher, aber die Bielitzer empfanden es als er leichternd, als dieser Entscheid bekannt wird und die Herrschaft Johann II. von Sunnegk übergeben wird. Trotz allem blieb aber das Verhältnis zu den Bielitzern schlecht, denn die Schuldenlast war groß. Am 22. November 1632 brachen Polen in die Herrschaft Bielitz ein. Bei ihrer Abwehr hatten die Bielitzer einen Verlust von neun Toten zu bekla gen. 1644 bemächtigte sich der Kastellan Warczicki des Bielitzer Waldes und schädigte die Stadt um 55 000 Thal er. Erst 1661 wurde ihm der Wald mit mi litärischer Hilfe und „einer teuren Kommission” wieder abgenommen. Johann II. von Sunnegk stirbt am 1.5.1641 und hinterläßt zwei Söhne im Alter von zehn bzw. fünf Jahren. Seine Frau Anna zieht sich auf das väterli che Schloß Arwa zurück. Diese Burg Arwa - Arwa-Varalya -, die einem 2077 Quadratkilometer großen Komitat den Namen gibt, war im 13. Jahr hundert auf einem 111 Meter hohen Felsen über dem Arwafluß als Grenz burg erbaut worden. Die Herrschaft Bielitz überläßt sie in diesen schlimmsten Jahren des 30jährigen Krieges ungetreuen Verwaltern. Die Schuldenlast wächst auf 199000 Gulden. Ihr Begleichungsprozeß lief noch bis in die übernächste Generation. Anna ist zu schwach zum Regieren! Als 14jähriger wird Sohn Emmerich von Anna am 11.8.1645 als Verwalter nach Bielitz gesandt, der am 20.8.1647 von Kaiser Ferdinand III. für mündig erklärt wird. Ende 1648 übernimmt er bis 1660 die Herrschaft in Bielitz. Diese zwölf Jahre sind leider durch Auseinandersetzungen mit seinem Bruder Julius er füllt, der die Herrschaft an sich bringen will. Die Gelegenheit ist günstig, denn Emmerich ist österreichischer Rittmeister und oft auf Kriegspfad. Un160
ter Spork und Montecuccoli ist er in Feldzügen nach Polen und Dänemark mit dabei und kann sich um die Bielitzer Dinge wenig kümmern. Julius erreicht am 12.8.1660 die Erbteilung, die ihm das verschuldete Land und Emmerich eine Rente von 25 000 Thalern zuspricht. 1661 stirbt Emmerich. Seine Witwe kauft sich die kleine Minderstandsherrschaft Roy bei Freistadt. Julius von Sunnegk wird 1670 in den Grafenstand erhoben und stirbt 1676, vierzig Jahre alt. Sein Sohn Julius-Gottlieb ist zu diesem Zeitpunkt erst elf Jahre alt. Bis zum 7.2.1687 dauert die Vormundschaftsregierung, dann übernimmt sie Julius-Gottlieb selbst. Für Bielitz folgte eine gute Zeit. Der Fürst konnte haushalten und kaufte die meisten Güter und freien Höfe wieder aus. Außer Ernsdorf und Nickelsdorf-Bistrai. Letzteres blieb Eigentum der Stadt Bielitz. 1724 starb Julius-Gottlieb und mit ihm der Bielitzer Zweig derer von Sunnegk. Wir waren beim Tod Herzog Friedrich-Wilhelms im Jahre 1625 von den Geschehnissen in Teschen abgeschweift, kehren wir dorthin nun wieder zu rück. Noch im Todesjahr ihres Bruders ließ sich die Herzogin huldigen, ohne jedoch im Besitz der kaiserlichen Bestätigung ihrer Erbschaft und Nachfol ge zu sein. Sie nennt sich „Herzogin von Teschen und Groß-Glogau, auch Fürstin von Liechtenstein”. Sie beruft sich auf Rechte, die auf ein Privileg König Wlasislaus’ II. von Böhmen und Ungarn aus dem Jahr 1498 zurück gehen. Es ergibt sich ein Streit, der aber durch die Krone 1638 dahingehend entschieden wird, daß das anheimgefallene Lehen auf Lebzeiten Besitz der Herzogin bleibt. Ferdinand III. bestätigt im gleichen Jahr auch noch die Pri vilegien der Städte Teschen und Bielitz und ein Jahr darauf die Landesord nung des ganzen Fürstentums. Elisabeth-Lukretias Ehe mit Gundakar von Liechtenstein ist nicht glücklich. Sie möchte ihren Gemahl von der Regierung des Teschener Lan des ausschließen und wendet sich an den Kaiser. Nach vorübergehender Schlichtung erfolgt offenbar der endgültige Bruch zwischen den Eheleuten. Nachdem Lukretia der Aufforderung ihres Gemahls, ihm auf seine mährischen Güter zu folgen, nicht nachkommt, verläßt Gundakar das Land für immer. Die Herzogin führt die Regierung bis zu ihrem Tod im Jahr 1653 weiter. 161
Auch im ersten Jahr ihrer Regierung scheint Gefahr aufzuziehen. 1626 schreibt der schlesische Oberhauptmann an den Grafen von Sunnegk, den Herrn von Bielitz, „wegen des von Bethlen nunmehr allzugewieß besorgen den Durchbruchs” für die „Päße von Jablunkau Sorge zu tragen”. Die Un garn kamen zwar nicht, aber dafür fiel der von Wallenstein geschlagene Graf Mansfeld in Schlesien ein. Damit sind die Namen der wohl markantesten Erscheinungen dieses Krieges genannt. Wallenstein, aus altem böhmischem Adel stammend, ist protestantisch erzogen und erst 1606, zwei Jahre nach seinem Eintritt in Habsburgs Dien ste, katholisch geworden; er kommt durch seine Verdienste zu ausgedehn tem Grundbesitz und Vermögen und schließlich wird er zum „Herzog von Friedland” ernannt. Als „Generaloberst-Feldhauptmann” steht er dem kai serlichen Vierzigtausend-Mann-Heer vor. Er wird schließlich „Herzog von Sagan”. M ansfeld am Jablunkapaß und in Bielitz. M ilitärische Aktionen folgen. D ie Schweden in Bielitz (1645). Glaubensauseinandersetzungen. 1631: Bielitz wird wieder rekatholisiert. 1648 gehen die qualvollen Jahre zu Ende. 1671: die Sunnegks werden Reichsgrafen. Rundblick über Saybusch, Teschen und Bielitz.
Mansfeld, der Sohn eines ehemaligen Statthalters der spanischen Nieder lande, war ursprünglich katholisch und wird später Calvinist. Ihn nehmen die Böhmen in Sold. Beim ersten Waffengang zwischen Wallenstein und Mansfeld unterliegt Mansfeld an der Elbbrücke bei Dessau, als er Wallensteins Schanzen an greift. Er geht über den Jablunka-Paß nach Ungarn, um sich mit Gabor Bethlen zu vereinigen. Durch ihn enttäuscht, wendet sich Mansfeld nach Venedig, um dort Kriegsdienste zu nehmen. Auf seinem Durchzug berührt er Troppau und Teschen. Weimarische Truppen hatten inzwischen Jägerndorf, Hotzenplotz und Leobschütz erobert. Am 12. August 1626 marschiert nun Mansfeld ins Teschener Land ein. Das Schloß Teschen kann ihm keinen Widerstand lei sten. Von der herzoglichen Regierung verlangt er die Auslieferung der Kir chen an die Evangelischen und auch unter anderem die Zahlung von 30 000 Reichstalern an Kriegskontributionen. Die Schanzen von Jablunkau, die Städte Bielitz und Skotschau und deren ganzes Land kamen unter seine Ge162
walt. In Teschen bleibt er bis zum 6.6.1627. Dann folgen die neuen Herren. Es sind die Wallensteinschen. Wallenstein zog am 31.7.1626 von den anhaitischen Landen aus über Bunzlau am linken Oderufer ihnen nach. Am 12.8.1626 erscheint der Herzog von Weimar in Oderberg, besetzt den Oderübergang und nimmt auch die Stadtobrigkeit von Troppau durch Handschlag für den König von Dänemark in Pflicht. Mansfeld und der Her zog von Weimar zogen unter Hinzunahme von Teschener Truppen nach Ungarn, wo sie sich mit Gabriel Bethlen vereinigten, der aber die Teilnah me an weiteren Aktionen erst für das nächste Jahr zusagte. Mansfeld verließ das Heer, und der Herzog von Weimar starb am 2.12., so daß dem führerlosen Heer nur der Rückzug nach Schlesien übrig blieb. Es breitete sich zu Anfang 1627 in ganz Oberschlesien aus, das ja offen stand, brandschatzte Oberglogau, berannte Neustadt, nahm Sohrau, Pleß, Rybnik und Gleiwitz, plünderte Beuthen, Ujest, Kloster Räuden, Groß Strehlitz, Tost, Rosenberg und Kreuzburg. Nur Oppeln widersteht. Wallenstein kehrt mit seinen Truppen aus Ungarn zurück und nimmt seinen Weg nach Mittel- und Niederschlesien, um Winterquartiere zu ma chen. Auch seine Truppen machen dem Land schwer zu schaffen, und die Wirtschaft Schlesiens wird arg zerrüttet. 5 Millionen Goldgulden Schaden entstehen dem Land. Es wird berichtet, daß „etliche aus dem Fürstentum zu Roß und zu Fuß zur Armee Mansfelds übergewechselt sind und so dessen Armee verstärkt haben”. Das war Anlaß, gegen diese - meist Lutheraner - „strenge vorzuge hen”. Wenzel Rumoltowski wurde angeklagt, für „den Denemarkischen Khöniegk” geworben zu haben. „In Eisen” wird er nach Troppau geführt, kann aber flüchten. Pfarrer Trzanowski von Bielitz muß auch den Wanderstab ergreifen und die Pfarrkirche wieder den Katholischen übergeben. Herr von Bielitz war der evangelische Freiherr von Sunnegk, auch er ist genötigt nach Ungarn auszuwandern, kann aber 1631 wiederkehren. Zu allem Überfluß bedrohen auch die kaiserlichen Besatzungen und Behörden in den sicheren Orten Oppeln und Ratibor die Bevölkerung mit Strafen wegen vermeintlicher Beteiligung auf seiten des Feindes. Im Herbst war Schlesien von den „kaiserlichen Feinden” befreit, aber die Wallensteinschen nahmen noch all das, was die ersten übrig ließen. 1620 163
tritt der Magistrat der Stadt Teschen zum katholischen Glauben über. Wie in Bielitz, so verlieren auch die Orlauer ihre evangelischen Kirchen. 1633 er läßt die Herzogin eine Weisung, derzufolge alle evangelischen Kirchen des Landes nun zu schließen sind. Offenbar sind aber später viele Kirchen den Evangelischen wieder eingeräumt worden, so am 10.8.1639 in Skotschau. In den Jahren 1627 bis 1642 durchstreifen noch die Kursachsen einige Male unser Land, sonst berührt aber keines Feindes Fuß mehr unser Ge biet. Dafür hausen aber die kaiserlichen Truppen fürchterlicher als die Fein de je zuvor. Die wallensteinschen Soldaten nahmen nun noch all das, was die Mansfelder und weimarschen übriggelassen hatten. So setzte Wallen stein den Rat und die angesehenen Bürger von Troppau gefangen und for derte für die unterlassene Plünderung 100000 Taler, welche Summe dann auf 60000 Taler ermäßigt wurde. Diese aus „allerley Volk” zusammengewürfelten Truppen saugten Land und Städte völlig aus. Die Landleute, oft dem Hunger nahe, flüchten ins benachbarte Polen und Ungarn oder rotten sich zu räubernden Banden zusammen. In den Städten erliegen Handel und Wandel, das Bürgertum kommt auf den Bet telstab. In dieser Not wendet sich die Herzogin an den kaiserlichen Obersten von Pestritz um Fürsprache beim Kaiser. Von 1627 bis 1631 habe sie „wallensteinsche, dohnasche und Liechtensteiner Kompagnien auf dem Jablunkapaß verpflegen und versorgen müssen”. Während dieser Zeit ist die Stadt Teschen „von Kroaten geplündert und die Bevölkerung vertrieben worden”. Nach Ungarn und Mähren ziehende Heerhaufen unter Brandmüller, Huf und Gürschdorfer, ungarische Völker unter Kovacs und Barkoczy, Husaren und sechs Kompagnien deutsches Fußvolk unter Graf Schlick haben größ tenteils „armiert und bekleidet werden müssen”. Ende 1631 stand das Regi ment Buttler zwei Monate in Schwarzwasser und Skotschau, dazu noch das Artillerie-Regiment Schaumburg, das in Teschen überwinterte. „Geldrequisitionen” des Kriegskommissars Schneider führten dazu, daß die Herzogin gezwungen war, sich von ihren Kleinodien und Kutsch pferden zu trennen. In dieser Zeit rückte auch noch der polnische Oberst Nemagocki mit einem Regiment in unser Land ein. Teschen war noch 1632 besetzt. Es ist eine lange Reihe von Namen der Kommanadanten der Ein heiten, die unser Land betraten: Fürst Colorado, Fürst Lobkowitz, Pagatz164
ki, Münster, Lembgau, Leslie und andere. Eine lange Reihe von Jahren tief sten Leides. Auch die Herrschaft Bielitz mußte kräftig zahlen. 178 306 Taler sind es von 1623 bis 1637, die zu begleichen sind. In dieser Zeit der Drangsalierung hatten die Einwohner der heimge suchten Landstriche und Städte kaum Schutz oder Beistand finden können. König Gustav II. Adolf landet in Pommern, um der Ausbreitung der kai serlichen Macht entgegenzutreten und den Protestanten zu helfen. Er zieht durch Thüringen und Franken bis nach Mainz. Bei Nürnberg zwingt ihn Wallenstein zum Abzug. Er begibt sich nach Sachsen. In der Schlacht bei Lützen fällt der König. Die politische Leitung des Krieges auf protestanti scher Seite übernimmt der schwedische Reichskanzler Axel Oxenstjerna. Kaiserliche und Schweden begegnen sich noch einige Male: so 1633 an der Steinauer Brücke in Schlesien. Wallenstein nahm dort am 18. Oktober 1633 den Kampf gegen die Schweden unter ihrem Befehlshaber Dubald auf. Letzterer und Graf Ma thias von Thurn wurden gefangen, mit ihnen 6000 Mann. „Schlesien mit al len seinen Festungen wurde wieder seinem Herrn dem Kaiser unterwor fen”, so berichtet die bereits an anderer Stelle erwähnte Chronik. Noch einmal werden die Schweden geschlagen. Sie werden vom Her zog von Weimar und von General Horn kommandiert. Die Kaiserlichen stehen unter dem Befehl König Ferdinands II. von Ungarn, Herzog Karls von Lothringen und Graf Mathias Gallas’. „12 000 Schweden und Protestan ten deckten den Walplatz. 4000 Schweden werden gefangen, unten ihnen ihr Befehlshaber Graf Horn, die Generale Roßstein, Cratz und Schaffelitzky mit mehreren Obersten.” Es ist bei Nördlingen am 16. August 1634. „Ganz Schwaben und Franken wird erobert und Ferdinand II. erobert auch Phil lipsburg mit großen Schätzen”, so berichtet man. Und ein drittes Mal stehen die Schweden unter dem Rheingrafen Otto den Kaiserlichen unter Herzog Karl von Lothringen und Johann von Werth gegenüber. Auch dieses Treffen geht für die Schweden verloren. Im gleichen Jahr findet Wallenstein in Eger seinen gewaltsamen Tod. Ein Jahr später greift Frankreich an der Seite Schwedens in den Krieg ein, um das Haus Habsburg zu schwächen. Nun greift auch der Krieg nach Westen. Bei Diedenhofen, Sedan, Tutt lingen und Möhring kommt es zu Kämpfen. Es sind Siege der kaiserlichen Truppen. Und wie verliefen die Dinge in Schlesien? 165
Im Jahre 1627 werden das erste Mal Schweden in Schlesien gemeldet, und 1642 das erste Mal in unserem Ländchen. Zuerst fliegende Korps der Armee Torstenson. 1644 rückt zur Verstärkung der Jablunkauer Schanzen der kaiserliche Oberst Rochow in Teschen ein, muß aber vor den Schweden kapitulieren und zieht sich nach Jablunkau zurück, wo auch die Herzogin weilt. Bis zum April 1647 halten sich die Schweden unter ihrem Kommandan ten Sobigard, danach werden sie von dem belagernden kaiserlichen Oberst Dewagi überwältigt Sie ziehen sich über Troppau zurück. Ein endgültiger Sieg scheint beiden Parteien nicht beschieden. Sie sind friedensgeneigt und treten zu Verhandlungen in Osnabrück zusammen. Der Westfälische Frieden von Münster und Osnabrück beendet 1648 ei nen der folgenschwersten Kriege auf deutschem Boden. Die Macht der Habsburger ist zeitweilig gemindert, das mächtige alte Kaisertum aber für immer vernichtet. Das Reich ist nach außen ohnmächtig, im Innern zerris sen, furchtbar verwüstet und verarmt. In den Hauptzerstörungsgebieten verzeichnet man Bevölkerungsverluste bis zu 70 Prozent, insgesamt werden sie auf etwa ein Drittel der Gesamtbevölkerung geschätzt. In Ostdeutsch land soziales Absinken des Bauerntums, die Sitten verrohen, das geistige Leben wird zerstört. Auch Schlesien und unser Herzogtum findet der Westfälische Frieden in tiefstem Elend. Sein Siechtum währt noch lange Zeit. Den Protestanten gestand er zu, ihres Glaubens wegen nicht zur Aus wanderung gezwungen zu werden. Die evangelischen Kirchen werden nacheinander geschlossen. Auch die Dreifaltigkeitskirche in Bielitz und ins gesamt 49 Gotteshäuser gehen verloren. Ihre Prediger müssen außer Lan des gehen. Am 19. Mai 1653 war die Herzogin Elisabeth-Lukretia gestorben. Sie hinterläßt einen Sohn Ferdinand-Johann von Liechtenstein und eine Toch ter Maria-Anna, welche sich mit dem Grafen Heinrich Wilhelm Schlick ver heiratet. In schwerster Zeit hat Elisabeth-Lukretia ihr Land regiert. Krieg und Verfolgung haben es restlos vernichtet. War mit Herzog Friedrich-Wilhelm die männliche Linie der Teschener Piasten ausgestorben, so war mit dem Tod seiner Schwester Lukretia der Zweig der Teschener Piasten nun völlig erloschen. Die Fürstin von Teschen regiert in einer der unglücklichsten Perioden 166
der deutschen Geschichte. Ihre Zeit steht in Deutschland am Beginn der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, der franzö sischen Invasion in Deutschland und, wie schon angedeutet, des Dualis mus, des Kampfes der zwei großen deutschen Herrscherhäuser des bisherigen Deutschen Reiches. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts waren erst 40 Prozent des Festlandes und 52 Prozent der Wasseroberfläche unserer Erde bekannt, und während die klugen und in Einigung begriffenen Nationen erfolgreich die von ihnen entdeckten Erdteile aufteilten, zerfleischt sich Deutschland und schwächt sich in nicht mehr gutzumachender Weise. Während die Nationen um uns stolz auf ihre Einigkeit verweisen, ste hen in Deutschland partikularistische Neigungen hoch im Kurs. Während die anderen zu geeinigten Völkern werden, befassen sich im Herzen Euro pas die deutschsprachigen Fürsten leidenschaftlich mit Dingen, die in die ser Hinsicht nur sekundäre Bedeutung besitzen. Das Erzhaus Österreich hatte sich durch den Ausgang des 30jährigen Krieges wohl eine starke Stellung ausbauen und sichern können. Die Ver bindung mit seinen Besitzungen, dem sogenannten Vorderösterreich, in Südwestdeutschland sowie den Kronen von Ungarn und Böhmen hob das Haus Habsburg weit über alle anderen Reichsstände heraus. Diese starke Position im eigenen Haus und im Südosten stand aber im krassen Gegen satz zur Machtlosigkeit des Hauses Habsburg als Inhaber der Kaiserwürde im übrigen Reich. Der Westfälische Frieden hatte die an sich schon beste hende Unabhängigkeit der 234 deutschen Territorien, namentlich bei den Großen Reichsfürsten, noch mit dem Recht bestätigt, auswärtige Bündnisse zu schließen und als oberste Richter über ihre Untertanen zu fungieren oh ne Appellationsrecht an das Reichsoberhaupt. Daran krankte das Reich. Das äußere Bild des Reiches war kein einheit liches mehr. Und daraus erklärt sich so mancher Vorgang in der späteren Geschichte, besonders aber in der Geschichte der Randgebiete. Ein schwa ches Deutsches Reich war auch immer zum Nachteil für die exponierten Landesteile. Der Grenzländer kennt einiges davon, und die Geschichte des Grenzlandes ist immer Spiegelbild der Schwäche oder Stärke des Mutter landes gewesen. Bis zum heutigen Tage! Lassen wir, bevor wir in den Ereignissen unseres Ländchens weiterge hen, noch einmal in gedrängter Form das Geschehene der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts an uns vorüberziehen. Es ist dies eine der schwersten und 167
unglücklichsten Zeitepochen nicht nur für das damals noch einheitliche Deutschland, nicht nur für das damals noch ungeteüte Schlesien, sondern auch für unsere engere Heimat, das oberste Schlesien, das in den Grenz bergen der Beskiden beginnt. Eine Fülle von Meldungen kennzeichnet die Not und die Unruhe, in welcher zu leben die Menschen zu dieser Zeit gezwungen waren. Für Schle sien schlechthin war der Beginn des 30jährigen Krieges auch der Beginn der Gegenreformation, die für das ganze Land lähmende Folgen brachte. 16i8 plündern polnische Kosaken die Stadt Pleß, in Böhmen bricht der Aufstand los, an welchem sich auch die protestantischen Schlesier beteiligen; sie werden ausgewiesen, ziehen größtenteils in das südliche Posener Land, werden dort im 18. Jahrhundert polonisiert und gehen so dem deut schen Volkskörper verloren. Viele Flüchtlinge finden in dieser Zeit der Un duldsamkeit Aufnahme und neue Existenz ganz in unserer Nähe im Raum unserer Schwesterstadt Biala, ihrer Umgebung und östlich davon. Als Folge des böhmischen Aufstandes wird Kaiser Ferdinand abgesetzt und Friedrich V. von der Pfalz zum König gekrönt. Bei der entscheidenden Zusammenkunft waren auch Troppau und die Stadt Teschen (durch Sebisch) vertreten. Der Bischof von Breslau Erzherzog Karl, der Bruder Kaiser Ferdinands, flieht nach Polen zu seinem Schwager, dem polnischen König Sigismund III., in der Hoffnung, den schlesischen Abfall durch polnische Hilfe einzudämmen. So erscheinen auch tatsächlich polnische Kosaken mehrfach in unserem Land. Aus diesem Gegensatz von Katholizismus und Protestantentum ent steht ein blutiger Krieg. Aus religiösen Gegensätzen entstanden wieder po litische, die ihrerseits erneut in Kriegen mündeten, an welchen sich um des Gleichgewichts willen auch das Ausland beteiligt, dem es darum ging, dem Anwachsen der Habsburger Macht Einhalt zu gebieten. Dänen, Schweden und auch Franzosen greifen ein. All das spiegelt sich auch in unserem Lande wider. Am 29.5.1620 wird Fürst von Liechtenstein, da er sich von der Huldi gung für den neuen König Friedrich V. von der Pfalz fernhält, von diesem al ler seiner Besitzungen für verlustig erklärt. Nach der Schlacht am Weißen Berg (8.11.1620) wird er vom Sieger für seine Treue belohnt. Kaiser Ferdi nand II. ernennt ihn zum Statthalter von Böhmen, gibt ihm alle seine Güter zurück und er erhält auch freie Hand, Schlesien zu rekatholisieren. Der ge 168
schlagene Friedrich V. flieht nach Schlesien, muß aber später in die Nieder lande gehen. 1620 sind polnische Kosaken wieder in Pleß. Unerwähnt soll auch nicht bleiben, daß im nächsten Jahr (1621) das Dorf Weichsel entsteht, das das größte Dorf Oberschlesiens wird. Es ist eine Be sonderheit auch unseres Landes, daß in den abgeschiedenen Berggegenden sich der damalige protestantische Glauben bis zum heutigen Tage rein er hielt über all die Jahre der Verfolgung und Umschichtung. Aus dem glei chen Jahr werden auch neapolitanische Truppen in unserem Land verzeich net, die es bis einschließlich des Jablunkapasses zu schützen hatten. Über diesen Paß ist 1621 der geächtete Herzog Georg von Ansbach-Jägerndorf ge zogen, als er nach Ungarn zu seinem Verbündeten Gabriel Bethlen flüchten muß. Von dieser Flucht kehrt er nie wieder zurück. 1624 stirbt er in Leut schau in der Zips. 1622 wird Jägerndorf von Kaiser Ferdinand II. an Fürst Karl von Liech tenstein übertragen, der ja schon Troppau besaß. Beuthen und Oderberg gibt der Kaiser an Graf Harrach. Beide gehen 1623 an Lazams I., Freiherr Henckel von Donnersmarck, über, während der Fürst von Teschen in seinen landesherrlichen Rechten und Gütern bestätigt wird. Die Fürstentümer Oppeln und Ratibor hingegen werden dem siebenbürgischen Großfürsten wiederum genommen und gehen an Erzherzog Bischof Karl von Österreich, später an des Kaisers gleichnamigen Sohn (Ferdinand III.). Landeshauptmann von Schlesien wird der strengkatholische Graf Friedrich von Oppersdorff (Stammsitz Oberglogau), der sich bemühte, in allen Kirchen wieder den katholischen Gottesdienst einzuführen. Die mäh rischen Walachen unserer Beskiden sind gleich den anderen Bewohnern der Talschaften zähe Anhänger des evangelischen Glaubens und werden mit schweren Strafen verfolgt, bleiben aber bei ihrem neuen Glauben. Un ser Land bleibt ein gequältes Land. Von 1623 bis 1637 werden 178 305 Taler an kaiserlichen Steuern, Kontributionen oder militärischen Lasten gezahlt. 1624 sind Kosaken ein drittes Mal in Pleß und plündern. Polen ist mit Habsburg verbündet und läßt Kosaken auch bis nach Mähren einfallen. 4000 Kosaken werden in Bewegung gesetzt, sie berühren Schlesien (Neiße), ziehen durch Mähren, ja sogar bis vor Wien gelangen sie. In dieser Zeit klagt der Herr von Bielitz, Graf von Sunnegk, über hohe Schatzungen und erlitte ne Schäden durch fremde Reiter, wird aber zur Geduld verwiesen (Peter). Am 12. August 1626 erscheint Herzog Johann Ernst von Sachsen-Wei 169
mar in Oderberg, und am gleichen Tag zieht Mansfeld in Teschen ein. Beide planen die Vereinigung mit Gabriel Bethlen, der den Jablunkapaß frei hält. Mansfeld behauptet Jägemdorf, Teschen, Bielitz, Skotschau und die Ge gend bis Neutitschein. Seit Mitte Oktober 1626 drängt Wallenstein auf den Angriff und die Belagerung von Teschen. Mansfeld war auch weiter nach Süden über den Paß nach der Slowakei gezogen. Da schloß Bethlen mit dem Kaiser Frieden. Mansfeld, der sich noch weiter nach Süden begeben hatte, kommt aber nicht mehr über den Paß zurück. Am 20.11.1626 stirbt er in Zara an der dalmatinischen Adriaküste. Wallenstein war nachgezogen, kehrt aber nach dem vorerwähnten Frieden von Preßburg über Wien nach Böhmen zurück. Der Herzog von Weimar kehrt auch zurück und begibt sich in das kapitulierende Troppau. Im gesamten Oberschlesien werden die Hauptkirchen zeitweise den Evangelischen zurückgegeben und die katholischen Beamten abgesetzt. Bethlensche Kosaken nehmen Stadt und Schloß Sternberg, und „kaiserli che” Kosaken überfallen die Mansfelder auf dem Weg von Hultschin nach Teschen. Das Kosakenquartier Kunzendorf wiederum wird von den Geg nern niedergebrannt. Am 1.2.1627 nehmen die Dänen Stadt und Schloß Pleß und verursachen einen Schaden von 150 000 Reichstalern. Sie nehmen auch Rybnik, Sohrau, Ziegenhals und Ratibor in Besitz. Die Bürgerschaft von Teschen war unter dem Druck der Verhältnisse schon 1629 zum katholischen Glauben zurückgekehrt, Troppau und Jägerndorf 1630.1633 erscheinen die Schweden. 1640 sind sie in Glogau. 1642 in Cosel, Troppau und Jablunkau, und sperren den Paß. 1645 kommen sie nach Neutitschein, Freudental, Teschen und betreten erstmals Bielitz. Sie werden hier auch im nächsten Jahr gemeldet. In der letzten Phase des Krieges waren sie erschienen, besetzten das Gebiet von der Ostsee bis in un sere Gegend und das ganze österreichische Gebiet von der Donau bis über die Oder hinaus. 1626 bestand Gefahr, daß sich die Protestanten Norddeutschlands zu einheitlichen Organisationen mit den Ungarn vereinigen. Graf Sunnegk von Bielitz erhält den Auftrag, für die Bewachung der Grenze zu sorgen, „wegen des von Bethlen allzugewiß zu besorgenden Durchbruchs”. Aber die Ungarn kamen nicht, dafür erschienen die von Wallenstein vertriebenen flüchtigen Truppen Mansfelds, auf dem Wege zu Bethlen, am 12.8.1626 bei uns. Die Schanzen von Jablunkau, die Städte und Schlösser von Teschen und Bielitz, kurz das ganze Land kam für einige Zeit in ihre Hände. Als Wal170
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lenstein erscheint, werden Protestanten und Mansfeldfreundliche verfolgt und Untersuchungen eingeleitet Dieses Los traf auch den gebliebenen Bielitzer Prediger Tranowski. Auch ein Graf Sunnegk war gezwungen, nach Ungarn auszuwandern (Peter). 1627 war Oberschlesien Schauplatz der Kämpfe zwischen Wallenstein und den Mansfeldem. Im Herbst war Wallenstein Herr in ganz Oberschle sien. Der Widerstand gegen die Einführung des katholischen Glaubens blieb aber lebendig, und eine Anzahl von Mitgliedern des oberschlesischen Adels wurde unter Anklage gestellt (Larisch, Schimonski, Sedlnitzki u. a.). Namen von 65 Geflohenen wurden an den Galgen geschlagen und ihre Gü ter eingezogen. Oberschlesien wurde der Vorteile aus dem „Dresdner Ak kord” für verlustig erklärt. Nun folgte die Vertreibung aller protestantischen Lehrer und Prediger und die Einziehung der Kirchen. So erging es dem Land noch mehrfach unter wechselnden Machthabern. Am 6.6.1627 wird der Bürgermeister von Teschen durch den Oberstleut nant von Dohr angewiesen, wie die Stadt zu verteidigen ist: „Jeder Wirt hat sein Haus mit Proviant für drei Monate zu versehen, an Munition sind Stein, Pulver und Blei, dann eine gute feste Muskete oder ein Büchsenrohr anzuschaffen, Proviant, Munition und den besten Hausrat in Kisten und Fässern an dem dazu angewiesenen Platz auf dem Schloß zu verwahren. Je der Bürger hat in seinem Hause 2 bis 3 Tonnen Wasser nebst Wasserspritzen und Eimern, ferner Stangen und Beile bereitzuhalten, um die Feuersgefahr zu löschen und die Schindeldächer abstoßen zu können” . .. „Wo ein Sturm des Feindes befürchtet wird, könne man vielleicht Kessel mit siedendem Wasser aufstellen.” Schließlich sollen Privilegien und Kanzlei der Stadt bei zeiten an einem sicheren Platz untergebracht werden. Weitere Rücksicht auf die Herzogin von Teschen Elisabeth-Lukretia zu nehmen, sei „unter den gegenwärtigen Kriegsläufen” unmöglich. Sie müsse 300 oder mehr „wohlgesessene” Walachen zur Arbeit und Verteidigung stel len. Verspüre man jedoch bösen Verdacht oder beharrliche Widersetzlich keit an ihr, müsse die Fürstin nach Troppau gebracht werden. 1628 erreicht Mansfeld unsere Heimat. Troppau, Jägerndorf, Teschen, Bielitz und die Schanzen von Jablunkau werden von seinen Söldnern er obert. Er zieht dann gemeinsam mit Herzog Bernhard von Weimar nach Mähren bis nach dem ungarischen Neutra weiter (etwa 180 km südl. von Bielitz zwischen den Flüssen Waag und Gran). In dieser Zeit (1628) befindet sich unter den zwölf Mitgliedern des 171
Bielitzer Magistrates nur ein Katholik, in Teschen ist er bereits 1629 zum ka tholischen Glauben übergetreten, 1629 ist Teschen wieder ganz katholisch. Die Gegenreformation setzt in Bielitz 1629 ein, doch hat die evangeli sche Bürgerschaft der Stadt die Jahre der Gegenreformation gut überstan den, selbst in der Zeit der größten Bedrängnis unterblieb der evangelische Gottesdienst nicht. Die Andachten wurden, wenn nicht anders möglich, in den Wäldern der Berge um Bielitz abgehalten. Auch noch 1687 war Bielitz ganz evangelisch „außer fünf Bürgern und einigen Besitzlosen”. Auch die Dörfer rundum blieben dem neuen Glauben treu. Das katholische Gleiwitz erhält für die tapfere Verteidigung gegen die Mansfelder von Kaiser Ferdinand II. ein neues Wappen, das die heilige Jungfrau über einem Turm zwischen zwei Adlern zeigt. 1629 wird Mansfeld zwar vertrieben, aber nun bedrängen die Kaiserli chen das Land. Im Zuge der Gegenreformation wurden 1630 alle evangelischen Pasto ren aus Bielitz und dem Herzogtum Teschen durch Kaiser Ferdinand III. des Landes verwiesen und die katholische Religion eingeführt. Das Einfüh rungsdekret für den Bielitzer katholischen Pfarrer ist in der bischöflichen Residenz zu Neisse am 1.9.1630 ausgestellt. Die Präsentation auf diese Pfar rei erhielt der Pfarrer aus der Hand von Fürst Johann Sunnegk, „Edlem von Jesenice, Freiherrn von Budiatin und Bielitz”. St. Nikolaus wird wieder ka tholisch. Auch die Kamitzer Pfarrkirche gibt Kaiser Ferdinand III. den Ka tholiken zurück. Die übrigen Dörfer bleiben evangelisch. 1630 muß es in Bielitz noch stürmisch zugegangen sein, die Protestanten offenbar über die Vertreibung ihrer Pastoren sehr erregt gewesen sein, denn erst im nächsten Jahr kann der Pfarrer von seiner Pfarrei Besitz ergreifen. Am 23.2.1631 kam es unter militärischer Assistenz zu dieser Einführung, die von einem fürstbischöflichen Kommissar der Bistümer Oppeln und Ratibor vorgenommen wird. Auch die Dreifaltigkeitskirche wird in diesem Jahr wieder katholisch. In dieser unruhigen Zeit gehen alle Urkunden der Pfarr ämter verloren. Bis 1655 bleiben aber noch einige evangelische Prediger tätig, deren Pa tronat die Stadt übernahm. In dieser Zeit der größten protestantischen Not landet 1630 König Gu stav Adolf von Schweden in Pommern, fällt aber in der Schlacht bei Lützen 1632. 172
Tm gleichen Jahr verzeichnet Bielitz einen Einfall der Polen, dem 19 Bür ger zum Opfer fallen. Wallenstein wendet sich nach Schlesien, und am 29.11.1632 fällt Neisse in seine Hand. Ein Jahr später, 1633, verbünden sich einige schlesische Her zoge mit Sachsen und den Schweden zur sogenannten Konjunktion zum Schutze ihrer Religion gegen den Kaiser. Wallenstein muß sich bis zur Elbe zurückziehen. Bis 1637 bleiben die Schweden in Freistadt und Teschen. Am 21.4.1647 dringt der kaiserliche Oberst Mathias Dewagi in Teschen ein. Die Schweden müssen nach Troppau zurück. Zur Erinnerung an die Schlacht auf der An höhe von Pastwisk bei Teschen wird eine Säule, die sogenannte Martersäu le, errichtet. Am 1.5.1641 stirbt Fürst Johann von Sunnegk, Herr von Bielitz. Sein Sohn Emmerich wird Herr auf Roy und Peterwitz, sein zweiter Sohn Julius, der mit Eleonore von Promnitz und in zweiter Ehe mit Elisabeth, Herrin von Ostrozie, verheiratet war, folgt ihm in Bielitz. Ein Jahr nach seinem Re gierungsantritt erscheinen die Schweden zum zweiten Mal in Schlesien, marschieren durch das Troppauer Land, erscheinen auch im Gebiet von Te schen und besetzen das ganze nordöstliche Mähren, wo das Deutschtum vollständig der Vernichtung anheimfallt. 1643 erscheinen fliegende Korps der Schweden. Teschen, Jägerndorf und Troppau werden von ihnen besetzt. Die Verhältnisse sind im Lande so unsicher geworden, daß von diesem Jahr an sogar die ungarischen Kupfer transporte unterbleiben. Die Gefahren sind zu groß. Der Weg über den Jablunkapaß nach Norden war seit alters her zu einer Welthandelsstraße ge worden, denn von Teschen ging die Fracht nach Breslau oder über Bielitz nach Krakau und von dort weiter in den Osten. Das Ländchen vor den Bergen zählt zu dieser Zeit zu den gequälten deutschen Landstrichen. Not und Armut sind jetzt auch hier zu Hause. 1644 bemächtigt sich der polnische Kastellan Warczycki des Bielitzer Waldes, für welchen die Stadt 55000 Thal er zahlen muß, um ihn wieder zuerhalten. 1645 kommen die Schweden wieder entlang dem Gebirge bis zum Jablunka-Paß. Sie werden in Bielitz und Saybusch gemeldet. 1646 sind sie dann in Bielitz und erpressen von den Einwohnern und dem Pfarrer Geld, verbrennen das Schloß, die Pfarre und 22 Häuser. Unter General Königsmark brandschatzen sie die ganze Gebirgsgegend Schle 173
siens von der Lausitz bis zum Jablunkapaß. Im Lande selbst entbrennen heiße Kämpfe zwischen Schweden und Kaiserlichen. Aus Geldnot verpfän det Kaiser Ferdinand III. die Herzogtümer Oppeln und Ratibor an den pol nischen König aus dem Hause Wasa, Wladislaus, der mit Cäcilie-Renate von Österreich verheiratet war. Die Schweden behandeln diese Landstri che, die bis 1647 verpfändet bleiben, mit Rücksicht auf das neutrale Polen sehr milde. Im nächsten Jahr (1648) kommen die Kriegshandlungen endlich zum Stillstand. In Münster versammeln sich die Vertreter der katholischen Mächte, die Spanier und Franzosen, in Osnabrück die Protestanten und die Schweden zu Friedensverhandlungen. Schlesien ist bei den Verhandlungen nicht ver treten. Die Protestanten der Erbfürstentümer dürfen auswandern. Alle Kir chen werden ihnen genommen. Ausnahmen bilden nur Jauer, Glogau und Schweidnitz. Die vielen unterdrückten Gläubigen gehen über die Grenze. Ihr Weg führt sie nach Südposen, die Oberlausitz, Brandenburg und Lieg nitz, wo Freiheit herrscht. Die genehmigten drei protestantischen Gnaden kirchen mußten außerhalb der Stadtmauern erbaut werden, die Wände durften nicht aus Stein aufgeführt, sondern nur in Fachwerkbauweise er stellt sein. In Bielitz soll auch die Dreifaltigkeitskirche zusammen mit den 49 übri gen evangelischen Kirchen des Ländchens geschlossen und die Prediger des Landes verwiesen werden (Peter). Die Chronisten wissen zu berichten, daß die Bevölkerung ab 1648 durch die Maßnahmen der Gegenreformation mehr belästigt wird als durch die durchziehenden Heere der verflossenen 30 qualvollen Kriegsjahre. Dem Deutschen Reich gehen wertvolle Landstriche verloren: große Tei le des Elsaß an Frankreich, die Mündungen von Weser, Elbe und Oder an Schweden. Die betroffenen Landstriche sind weitgehend verwüstet, die Be völkerung dezimiert und das Reich selbst politisch ohnmächtig wie noch nie in seiner Geschichte. Das war nun das Einwirken dieser Zeit auf unser Land! Mehr als 30 Jah re rasen der Krieg und seine Folgeerscheinungen durch die Lande. Das ohnehin schon arme Gebiet vor den Bergen liegt zutiefst getroffen darnie der. Die Unduldsamkeit verfeindet die Menschen obendrein. Spuren sind heute noch bemerkbar, obwohl mehr als 300 Jahre vergangen sind. 174
Zwei Glaubensrichtungen blieben auch in unserer Heimat bestehen. Sie leben nebeneinander, sie mußten nebeneinander leben und mußten sich vertragen. Die nationale Not des Grenzlandes hat die religiösen Gegen sätze abklingen lassen. Das war sehr deutlich in der Bielitzer Gegend zu spüren. Wir sind stolz darauf. Besonders die Bielitzer wissen es zu schätzen, daß sie an erster Stelle die Notwendigkeit erkannten, als Deutsche zusam menzustehen unter Hintanstellung aller anderen Belange, sonst wäre es nie möglich gewesen, ihr Deutschtum so lange zu erhalten. In der Folgezeit wird in Teschen durch den Tod der letzten Piastenherzogin das „Lehen Teschen” frei und von dem ältesten Sohn Ferdinands II, nämlich Ferdinand (IV), König von Ungarn, übernommen. Er ist der erste Habsburger, der direkter Herr von Teschen wird. Im gleichen Jahr zum rö mischen König gewählt, kann er aber das Amt nicht ausüben, da er im näch sten Jahr (1654) stirbt. Ihm folgt als Herr von Teschen 1654 nun sein Vater, Kaiser Ferdinand III., bis 1657. Danach Kaiser Leopold I. bis zu seinem Tod im Jahr 1705. In Bielitz war ja am 12.8.1660 durch Erbteilung der zweite Sohn Johann von Sunnegks, Julius, Nachfolger in dem armen und verschuldeten Land geworden; er regiert 16 Jahre und stirbt 1676 als Vierzigjähriger. Sein Sohn ist erst elf Jahre alt, so daß bis 1687 eine Vormundschaft eingesetzt bleibt. Zweiundzwanzigjährig tritt er am 7.2.1687 nun die Regentschaft an. Durch ihn verbessert sich die wirtschaftliche Lage, die Verhältnisse werden stabi ler. Nach 37 Jahren Amtsdauer stirbt mit ihm der letzte seines Geschlechtes am 29.8.1724. Das Haus Sunnegk (auch Sunnegh) von Jessenitz (ungar.: Szunyogh) er langte 1567 den Freiherrenstand durch Kaiser Maximilian II. und durch Kaiser Leopold I. 1671 die Reichsgrafenwürde in der Person des eben ge nannten Julius von Sunnegk. Das Wappen des Hauses in Gold zeigt drei grüne Hügel. Auf dem mittleren einen Eschenbaum und auf dem ersten ei nen schwarzen Bären, der von einer aus den Wolken herausragenden Hand mit einem Wurfspieß durchbohrt wird. Die ganze zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts und die erste des nächsten ist den Maßnahmen der Gegenreformation im schlesischen Land gewid m et 1638 kamen die Jesuiten, 1669 folgten die Kapuziner, 1684 die Franzis kaner. Sie alle kamen im Zuge der harten Gangart, die das Kaiserhaus auch hier durchführte. Haben die Perioden der ungarischen Zeit und der Gegenreformation 175
dem Lande auch tiefe Wunden geschlagen, es der Erschöpfung nahe ge bracht, so hat auf der anderen Seite in der ab 1650 wirksamen Epoche eine Reihe von Einflüssen Wirksamkeit erhalten. Hatte die ungarische Epoche Mathias Corvinus’ keine anderen Spuren hinterlassen als die Erinnerung an die Einführung der ersten regulären Steuern und daran, daß man Ungarwein von da an mehr als alle anderen schätzte, so hat das deutsche Österreich, das deutsche Haus Habsburg, Schlesien in der Baukunst neu belebt, neue Strömungen wirken lassen, dem Lande den Barock gegeben, durch welchen Schlesien in der deutschen Kunstgeschichte einen überragenden Platz einzunehmen in der Lage war. Eine Fülle von Bauaufträgen wurde erteilt, und in ihrem Gefolge zogen Scharen von befähigten Kräften, Baumeister, Stukkateure, Kunsthandwer ker und Maler, ins Land. Die vorhandenen Bauwerke wurden barockisiert, mittelalterliche Ausstattungen durch barocke Altäre, Gestühle, Kanzeln und Orgeln ersetzt. Es entstanden neue Kirchen in barockem Stil, so die Mathiaskirche (Laufen 1660) mit Malereien des geborenen Salzburgers Johann Franz Mi chael Rottmayr, der auch das Deckengemälde der Wiener Peterskirche schuf (gestorben 1730 in Wien). Die Stadtbilder vieler schlesischer Städte, wie Breslau, Neisse und ande rer, nahmen Ähnlichkeit mit jenen von Wien oder Prag an. Italienische Meister bauten an der Elisabethkapelle am Breslauer Dom, der geborene Grazer Fischer von Erlach, einer der bedeutendsten Barockmeister, der in Wien unvergängliche Werke schuf wie die Kirche des hl. Boromeo, die Pe terskirche, das Palais Prinz Eugen, die Südseite der kaiserlichen Burg, den Marstall, die ersten Pläne zu Schloß Schönbrunn, die Kollegienkirche zu Salzburg, er schuf auch die Kurfürstenkapelle am Dom zu Breslau. Der 1668 in Wien geborene Johann Lucas von Hildebrand war an den Arbeiten für das Palais Schreyvogel und das Palais Spaetgen in Breslau tätig. Der in Prag geborene Kilian Ignatz Dientzenberger (1689-1715), ein Deutscher aus der ehemaligen Reichshauptstadt an der Moldau, kam und führte den Neubau für das Kloster und die Klosterkirche in Wahlstatt aus, nachdem er die Nico lauskirche in Prag und die Maria-Magdalenen-Kirche in Karlsbad fertigge stellt hatte, ebenso wie Hildebrand, der sich vorher durch den Bau des Schlosses Mirabell in Salzburg, des Prinz-Eugenschen Schlosses Belvedere zu Wien und des riesigen Stiftes Göttweig, das auf einem Berg nahe Krems das Donautal überragt, einen unvergänglichen Namen geschaffen hatte. 176
Das in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts von Fürst Lobkowitz er baute Schloß Sagan mit seinem 1741 vollendeten Fürstensaal, der Ausbau der Prälaturgebäude von Kamenz und Heinrichau, die barocke Marienkir che zu Grüssau sowie der riesige Neubau des Klosters Leubus, überragt von den zwei Barocktürmen, stellen das letzte Denkmal der Verherrlichung des Hauses Habsburg als Träger der Missionsidee des deutschen Ostens dar. Vom Kärntner Peintner stammt das Organotropheum, von einem bayri schen Meister das Kreuzherrenstift zu Breslau. Auf österreichische Meister dürfte auch der Neubau des prachtvollen Universitätsgebäudes zurückzu führen sein, zu welchem 1728 der Grundstein gelegt wurde, durch den Be sitzwechsel 1742 allerdings nicht völlig zur Durchführung kam. Unter dem Namen „Leopoldina” wurde 1702 das akademische Gymnasium zur Uni versität erhoben. Das schlesische Volk selbst wäre vielleicht unberührt geblieben, hätte nicht der Druck, der auf die Schlesier ausgeübt wurde, eine heimliche Op position ausgelöst; und so kam es dazu, daß das Feuer des evangelischen Glaubens immer wieder angefacht wurde. Die „Dragonaden” derLiechtensteinschen Reiter im schlesischen Land sind in die Geschichte eingegangen. Die katholische Restauration des Landes trägt dazu bei, daß der Ausbau und die Besiedlung unserer Beskidenberge vorangetrieben werden. In der Einsamkeit der Hochtäler sind die Menschen vor dem Zugriff der kaiserli chen Amtsleute geschützt. Hier hielt sich auch ihr damaliger Glaube bis heute! Parallelen zu dieser Erscheinung in unseren Beskiden gibt es auch noch in anderen Randgebieten des deutschen Sprachraumes: rund um den Mon te Rosa und im Tessin. So im Gressoneytal die Orte „Oberteil” (Gressoneyla-Triniti), „Unterteil” (Gressoney St. Jean) und Eischime (Issime). Es sind deutschsprechende Walliser. Macugnaga am Schluß des Anzascatales und im Formazzatal die Teile der Gemeinde Pommat mit 1921 noch 705 deut schen Einwohnern. Im Maggia-Tal (deutsch: Main-Tal) an seinem Tal schluß das Dorf Bosco (deutsch: Gurin); es gab dort 1920 noch 206 deutsche Einwohner. Es ist das einzige deutschsprechende Dorf im Schweizer Kan ton Tessin. Ihnen allen erging es ähnlich, aber auch sie haben Glauben, Brauchtum und sprachliche Markmale bewahrt. In unser Land kommen ab 1650 Flüchtlinge und neue Siedlergruppen in die verwüsteten östlichen Gebiete, gerufen zum Teil auch von den Groß grundbesitzern, die am Abbau von Kohle und Erzen interessiert sind, 1652 177
kommt ein letzter deutscher Siedlerstrom aus der Glatzer Gegend nach Bielitz. Die Städte Bielitz und Biala nehmen evangelische Tuchmacher auf, an dere Tuchmacher lassen sich in allernächster Nachbarschaft, im Gutsgebiet der Gemeinde Kunzendorf, nieder. In der deutschen Zips ist das Volk auch bedroht und durch harte ungari sche Maßnahmen getroffen. Tököly, der Herr von Käsmark und ganz Ober ungarns, verfaßt in dieser Zeit für die Deutschen bestimmte Erlasse in frem der Sprache. Im Teschener Land, in welchem von den bestehenden 79 Pfar ren nur mehr 21 katholisch sind, werden den Evangelischen nur kleine Nebenkirchen eingeräumt. Evangelische Dorfgemeinden gibt es noch 56. Noch ein kurzes Wort über unsere südliche Nachbarlandschaft, das Saybuscher Land: Ich hatte schon erwähnt, daß Saybusch dem Geschlecht der Komorowski zugefallen war. Saybusch war für sie eine Wiedergutmachung für Besitzverluste, unter anderem auch im Arwatal (1477). Die Geschicke liefen hier im Saybuscher Land nicht recht glücklich. 1624 wurden die Saybuscher Besitzungen in einen „Saybuscher”, „Suchaer”, „Slemiener” und einen „Ludwigsdorfer” (Lodygowicer) „Staat” zerteilt. Obwohl man auch Deutsche neu ansiedelte (Drösseldorf-Straconka 1564, später WolfsdorfWilkowice und Fischendorf-Rybarzowice), war der Saybuscher Besitz schlecht in seinen wirtschaftlichen Ergebnissen und zuletzt auch stark ver schuldet. 1626 kaufte Königin Constanze von Polen die Herrschaft Saybusch. Constanze war die Frau König Sigmunds III. von Polen, einem Schweden aus dem Hause Wasa, und von Geburt eine deutsche Prinzessin (Tochter Erzherzog Karls I. von Steiermark und Marias, Tochter Herzog Alberts V. von Bayern). Aus dieser Zeit stammt das Ansiedlungsverbot für Juden im Stadtgebiet von Saybusch, das bis 1867 Gültigkeit behielt. Ihre Söhne bekleideten hohe Ämter. Wladislaus IV. Sigmund (gest. 1648) und Johann II. Kasimir (gest. 1672) wurden polnische Könige, JohannAlbert (gest. 1636) war Bischof von Krakau und Karl-Ferdinand Bischof von Breslau. Ihre Tochter Anna-Constantia heiratete Philipp-Wilhelm, Pfalz graf am Rhein. Constanze selbst starb in Krakau 1631 und ist unter der Psalteristenkapelle der Krakauer Kathedrale in einer Gruft beigesetzt. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erschütterten Kriege und Un ruhen auch das Wirtschaftsleben des Saybuscher Landes. Mit ihm verfiel auch das Gewerbe. Ab 1655 vertrieb man die kleinen Bauern und schuf ver mehrt Höfe. Fronleistungen stellten kostenlose Arbeitskräfte sicher. Die 178
Einschränkung der Freiheit und die Einführung der Fron lösten eine Bauernflucht nach dem Arwatal jenseits unserer Berge aus. Dort hatte die Gräfenfamilie der Thurzos zufriedenstellendere Bedingungen anzubieten. Andererseits nahmen die Saybuscher Herren wieder Unzufriedene aus dem Arwatal auf. Konflikte zwischen den beiden Adelsfamilien wurden durch den König des öfteren geschlichtet, sie blieben aber bis ins 18. Jahr hundert hinein, als das Saybuscher Land auch schon österreichisch wurde, nicht aus. Saybusch war aber auch einer der wichtigsten Mittelpunkte der Aufleh nung 1655 gegen die Schweden. Der aus seinem Lande flüchtende polni sche König Johann-Kasimir, der auch Saybusch nach seiner deutschen Mutter und seinem Bruder erbte, hielt sich auf dem Weg nach Schlesien im Schloß Saybusch auf. An der schlesischen Grenze bei Nickelsdorf warf man bedeutende Schanzen auf, die eine Gruppe von 150 Saybuscher und Ludwigsdorfer Bauern besetzt hielt. Ebenso viele bewachten den engen Durchgang an der Sola bei Miendzebrodzie. Andere standen am Kocierz-Paß. Die Schweden waren noch 1655 mit der Belagerung Krakaus beschäftigt und benutzten hierfür als Hauptquartier das Klostergebäude in der Vorstadt Kazimierz. Nach dem Fall der Stadt konnte an weitere Unternehmungen gedacht werden. Mit 700 Reitern brachen die Schweden im März 1656 von Krakau aus auf, gingen südlich Pleß’ über die Weichsel und griffen das Saybuscher Land von der Bielitzer Seite her an. Die Schanzen wurden genommen, die Dörfer Nickelsdorf und Wolfsdorf und anschließend auch Saybusch, das sie aber noch im gleichen März 1656 wieder verließen. Aus dem königlichen Nachlaß ging Saybusch dann 1678 an das Haus der Wielopolski über. Die Herrschaft umfaßte damals 45 Gemeinden mit 654 leibeigenen Familien. 105 Jahre blieb Saybusch in ihrem Besitz, sie vollen deten auch den Bau des Schlosses (1723). Johann Wielopolski war der erste Saybuscher Herr aus diesem Hause. In ihrer Zeit entstehen die Höfe Groß-Wiepsch und Abtsdorf (Lipowa). Die Gründung evangelischer Gemeinden wurde durch die strengen Maßnah men der Gegenreformation, vor allem durch Jesuiten, nach wenigen Jahren ihres Bestandes wieder vernichtet. Die Wirtschaft lief auch in dieser Zeit nicht glücklich, die Herrschaft geriet in Schulden und der Gedanke an eine Veräußerung kehrte immer häufiger wieder. 179
Das Fürstentum Teschen, das seit 1572 durch den Verkauf der Minder standsherrschaften Bielitz, Freistadt und Friedek beträchtlich geschmälert wurde, blieb praktisch seit 1290 unverändert. 363 Jahre regierten die Herzoge von Teschen aus dem Hause der Piasten als Lehensherzöge der böhmischen Krone. Der jeweils neue Herrscher empfing die Huldigung Schlesiens in Breslau. Auch unser Teschener Her zog leistete dort seinen Treueeid. Erb- oder andere Streitigkeiten unter den Fürsten schlichtete der König durch eigenen Schiedsspruch oder er ließ sie durch von ihm Beauftragte klären. Seit dem Freiheitsbrief von 1498 konnte der Landesvater von Teschen nur vom König selbst oder einem ihm im Rang gleichgestellten Kläger, und zwar nur in Schlesien und vor seinen Mitfürsten, belangt werden. Das Herzogtum war erblich, aber nicht unteilbar. Erbfähig waren nur die männlichen Nachkommen. Die Teschener Prinzessinnen erhielten eine Mitgift von 6000 bis 10000 Gulden. Die Gemahlinnen der Herzoge erhiel ten kontraktliche Ehegedinge, die in den meisten Fällen der eingebrachten Mitgift gleichkamen. Auf die innere Verwaltung übte der oberste Lehensherr üblicherweise keinen Einfluß aus. Erst Mathias Corvinus (Huniady) hob die königlichen Rechte auf Ko sten der herzoglichen an und regierte kraftvoll. Manche Freiheit wurde von diesem Zeitpunkt an nicht mehr vom Herzog, sondern vom König selbst erteilt. So wurden zum Beispeil die Marktrechte von Teschen von König Mathias und Kaiser Rudolf II. erteilt. Jene von Freistadt von König Wladislaus II., und den Bielitzem erteilte sie Kaiser Ferdinand I. Derselbe „begna dete” Teschen auch, „rot zu siegeln”. Auch widersprach der Herrscher dem vom Herzog in Anspruch genommenen Reformationsrecht ebenso, wie er der Säkularisation des Klosters Orlau widerstrebte. Außerdem regelte der Kaiser die tiefe Verschuldung der Herrschaften selbst. So wurde die Zahl der landesfürstlichen Gerechtsamen immer geringer, der König immer mehr wirklicher Oberlehensherr und der Vasall immer mehr sein Untertan, der sich den königlichen Befehlen und den Beschlüs sen der Fürstentage zu fügen hatte. Wie wir ja sahen, waren aber an dieser Entwicklung die Herzoge mit ihrer zum Teil unverantwortlichen schlechten Wirtschaft selbst nicht unschuldig an dieser Wendung der Geschicke. Sie standen unter dem starken Druck, für die Einbringung der Landessteuern und die Erhaltung des Landfriedens sorgen zu müssen. Drohte dem Lande 180
Kriegsgefahr, hatte er zu „waffnen”. Die ersten Steuern wurden in Schlesien von König Mathias Corvinus erhoben. Während der Türkenkriege im 16. Jahrhundert kam noch eine regelmäßige „Beihilfe” hinzu. 1527 mußte eine sogenannte „Schatzungssteuer” aus Anlaß der drohenden Gefahr durch die Türken erstmals geleistet werden. Von all diesen Abgaben konnte sich der Landesfürst selbst auch nicht mehr ausschließen. So betrug zum Beispiel von den dem König bewilligten 100000 Talern im Jahre 1605 der Anteil des Fürstentums Teschen 4000, der Herrschaften Bielitz und Freistadt je 3000, jener für Friedek 2000 und der Anteil für Schwarzwasser und Skotschau je 1000 Taler. 1620 betrug die „Schatzungs steuer” für ganz Schlesien rund 665921 Taler, davon entfiel auf das Herzogtum Teschen ein Anteil von 166010 Talern. Von diesem Schätzbe trag hatte Teschen selbst 13 612, Freistadt 5 428, Bielitz 4420, Skotschau und Schwarzwasser 1949 und Friedek 1804 Taler zu zahlen. Seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde auch die Biersteuer zur regelmäßigen Abgabe. Kaiser Ferdinand I. forderte sogar 12 statt wie bisher 6 Biergroschen. Das Verhältnis zu den Fürstentumsständen wurde für den Herzog auch immer abhängiger. Nur noch in der Verwaltung der Kammergüter war er unabhängig. Die herzoglichen Einkünfte verringerten sich von Jahr zu Jahr. Nicht zu letzt waren daran die Verkäufe und Schenkungen, welche die Herzoge tätig ten, schuld. Die fürstlichen Mauten in den Städten Teschen, Skotschau und Schwarzwasser überdauerten zwar das Ende der Piasten, sie wurden aber auch teilweise verpachtet. Ihr eigen konnten die Landesherren noch die Einkünfte aus einigen ihnen noch gehörenden Regalen nennen. So zum Beispiel jenes der Bleiche. Für jedes Stück Leinwand mußte dem Fürsten ein Anteil abgeliefert werden. Das gleiche galt für die Benutzung der her zoglichen Walkmühle. Die Fleischer zahlten für den „Kuttelhof’, wo sie ihr Vieh schlachteten, den „Kuttelzins” und einen weiteren Anteil für die Fleischbank, welche meist Eigentum des Herzogs oder des Vogtes war. Der Malzzins und die Biersteuer (neben dem „Biergroschen”) betraf das Braugewerbe, und der Wein aus den herzoglichen Kellern mußte in Bielitz, Skotschau und auch anderen Orten vor jenen aus den städtischen zum Aus schank kommen. 181
Die Adeligen und ihre Untertanen zahlten dem Herzog keine regelmä ßigen Steuern, und wenn sie ihn wie 1572 einmal unterstützten, ließen sie sich bescheinigen, daß dies unbeschadet ihrer Freiheiten geschah. Ihre oder die Hilfe der Bürger wurde aber in Anspruch genommen, wenn ein Herzog oder eine seiner Töchter heiratete oder wenn ein Herzog starb. In solchen Fällen wurde eine „Heiratssteuer” oder unter ElisabethLukretia eine „Fräuleinsteuer” ausgeschrieben. Von 1290 bis 1438 verfügten die Herzoge mit Sicherheit noch über eine eigene Münze. Am 13. Juli 1438 wurde sie an die Stadt Teschen verkauft. Ein „Münzgeld” mußte sie aber trotzdem jährlich an den Herzog zahlen. 1606 kam eine Beschwerde der Stadt Nürnberg, in welcher dem Herzog vorge worfen wird, Münzen geprägt zu haben, deren Gehalt an Silber geringer war, als der Nennwert angab. Unter Elisabeth-Lukretias Regierung soll ein geringhaltiger Heller her ausgebracht worden sein, der in Polen und der Ukraine in Umlauf gesetzt wurde, „worüber ein groß Lamentieren und Beschwerden entstand”. 1653 wurde in Teschen das letztemal Geld geprägt. Die Münzstätte wurde nach der Vereinigung des Landes mit Böhmen für immer geschlossen. Wohl einen der bedeutendsten Teile der herzoglichen Einnahmen stel len die Erträge aus den Kammerherrschaften Teschen, Jablunkau, Skotschau und Schwarzwasser dar. Auch aus dem „Hutungsrecht” flössen ansehnliche Beträge in die Kasse der Herzoge, die von seiten der Gebirgsbevölkerung gezahlt wurden. Die Beträge aus der Waldwirtschaft waren sehr groß und rangierten in den Spal ten der Einkünfte aus den Kammergütern mit an erster Stelle. Der Hofstaat und das Gefolge der Teschener Herzoge waren natürlich kleiner als jene zum Beispiel der Herzoge von Oppeln, die über ganz Ober schlesien herrschten. Diese Tatsache ergibt sich aus der kleinen Zahl von Zeugen, welche die vom Herzog verfertigten Urkunden mitunterschrieben. Nur auf den ältesten von ihnen treten Kastellane auf, so die von Te schen, Auschwitz oder Ostrau. Auch treten nur zur Zeit der ersten Tesche ner Fürsten Kämmerer, Mundschenke, Oberrichter oder Truchsesse auf, dagegen sind immer wieder der Hauptmann von Teschen, Bielitz oder an deren Orten, der Marschall, der Landrichter und der Kanzler des Herzog tums verzeichnet. Zum Hofpersonal, wie es zu Zeiten Herzog Adam-Wenzels zusammen 182
gesetzt war, zählen der Kammerjunker, Kammerräte, Jägermeister, Edel knaben und Lakaien. Die Herzogin verfügte über eine Hofmeisterin, Kammerfrauen sowie Hof- und Kammerjungfrauen, was sich nur zu oft als eine zu aufwendige Angelegenheit für das kleine Ländchen erwies. Urkunden verfertigte und besorgte der Notar oder Schreiber, der ab 1425 Protonotar, später Hofschreiber oder Sekretär genannt wurde. Er war, mit geringen Ausnahmen, stets dem geistlichen Stand zugehörig. Die Urkunden wurden seit dem 16. Jahrhundert vom Herzog eigenhän dig unterfertigt und ihnen ein Siegel „angehängt”, das den Teschener Adler führte, der seit Kasimir II. eine Krone trug. Die Sprache der Urkunden war bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts die la teinische, dann ein Jahrhundert lang die deutsche und seit Mitte des 15. Jahrhunderts bis zum Aussterben der Piasten überwiegend die böhmische. Auch darin zeigt sich in etwa der Verlauf des Kräftespiels unserer Gegend. Immer dann, wenn fremde Einflüsse spürbar wurden, war unser Mutter land politisch schwach. Die Hofsprache war lange Zeit die deutsche. Das Deutsche war bis zum Tode von Boleslaus I. (1407-1433) von den Fürsten bevorzugt, wurde später aber nicht mehr gesprochen. Die Hussiten-Kriege (1419-1436) und die sich damit geltend machende Opposition gegen das Deutschtum verdrängte das Deutsche. Die Bevölkerung von Bielitz war zu dieser Zeit ganz deutsch, in Teschen mindestens aber zur Hälfte. Die Maßnahmen gegen die Protestanten dürf ten die Zahl der deutschen Bevölkerung besonders nachhaltig gemindert haben. Der Adel war im Lande ziemlich zahlreich. Bis ins 16. Jahrhundert war es üblich, daß sich der Adel nur mit dem Vornamen und der hinzugefügten Ortsbezeichnung benannte: so gab es einen Hans von Ogrodzon, einen Pe ter von Karwin usw. Die Kastellane nannten sich mit vollem Namen: der von Auschwitz z.B. Nicolaus Lisignat, jener von Ostrau Hermann Specher. Wir finden einen Ritter Nicolaus genannt Marschall von Baumgarten oder einen Franz von der Überfahrt. Einer der ältesten Namen ist jener der Familie Körnitz. Er taucht schon auf der ersten Teschener Urkunde unter Herzog Wladislaus von Oberschle sien (gestorben 1282) auf. Sie sind später auch die Herren von Baumgarten, Ogrodzon, Roppitz und Bludowitz. Dann folgen, um nur einige zu nennen, 183
die Larischs, die Logaus, die Bees. Andere, aus Mähren oder Polen kom mend, siedeln sich im Teschnischen an, so die Rudzkis aus Beuthen oder die vorgenannten Larischs aus dem Auschwitzschen, die Bees aus dem Falkenbergischen, die Tenczyns aus dem westlichen Polen, aus Ungarn kom men die Kalischs. Die Schaffgotschs waren kurze Zeit im Teschnischen begütert, sie waren Eigentümer der Herrschaft Bielitz, die später auf die oberungarischen Sunneghs, Freiherren von Jesenitz und Budjatin, überging. Der Grafen-, Herren- und auch der Ritterstand waren dem Herzog zur Treue verpflichtet und mußten je nach Freiheitsbrief auch Kriegsdienste lei sten. So stellten, je nach Größe, die einen „vier Pferde mit Lanzenreitern” oder „einen Schützen mit Panzer und Eisenhut und einem Pferd” oder nur „einen Mann zu Fuß”. Der Ritterstand beschränkte sich auf die Verteidigung des eigenen Lan des. Erstreckte sich der Rriegszug über die Marken des eigenen Herzog tums hinaus, so hatte der Herzog die Unkosten zu bestreiten. Er mußte auch die vom Feinde gefangenen Edelleute auslösen. Grenzstreitigkeiten zwischen den adeligen Gmndbesitzern, Heiratsver träge, Erbstreitigkeiten, Verkäufe von Landgütern, Waisen- und Vormund schaftsangelegenheiten des Herren- oder Ritterstandes wurden, wenn eine gütliche Einigung nicht möglich war, dem „Landrecht” zur Kenntnis ge bracht und zur Entscheidung vorgelegt. Das „Landrecht” oder das „Landgedinge” wird in unserem Lande zum ersten Male 1413, zur Zeit Herzog Boleslaus’ I. (1407-1433), erwähnt. Recht wurde im Namen des Herzogs gesprochen. Er führte den Vorsitz, im Ver hinderungsfälle vertrat ihn der Marschall des Landes. Diese Landgedinge tagten zweimal im Jahr, und zwar am Montag vor Pfingsten und am Tag der heiligen Katharina. Außer dem Fürsten saßen 24 „Geschworene” Beisitzer aus dem Herrenund Ritterstand zu Gericht. Am ersten Tag war die ganze Ritterschaft zu er scheinen verpflichtet und war „zur Ordnung, Ehrbarkeit, Friede und Einig keit angewiesen”. Während das Gericht tagte, mußten die Landrichter, einem alten Brauch zufolge, einmal täglich auf dem Schloß bewirtet werden. Zur Rechten des Vorsitzenden Herzogs saß der Landesmarschall, zur Linken der Landesrichter und Landeskanzler, dem sich die Ritter anschlos184
sen, während die dem Herrenstand angehörigen sich dem Landesmarschall anschlossen. Sobald der Herzog und der Landrichter Platz genommen hatten, besetz ten vier bewaffnete walachische Trabanten und zwei Haiduken die Türen und hielten Wache, bis die Sitzung zu Ende war (Außer ihnen durften nur der Herzog selbst und der Landrichter Waffen tragen.). Ein rechtsgültiges Urteil konnte nur gefällt werden, wenn außer dem Herzog, dem Marschall, dem Landrichter und dem Kanzler wenigstens neun Beisitzer zugegen waren. Stimmenmehrheit gab den Ausschlag. Bei der getroffenen Entscheidung hatte es zu bleiben. Trotzdem kam es zu „Ap pellationen an den König”. Zuerst wurden auf den Tagungen die Rechtsfalle behandelt, dann folg ten die Witwen- und Waisenangelegenheiten. Für fürstliche Bestätigungsbriefe von Verkäufen mußte „ein Perzent” verabfolgt werden. Rechtskräftige Testamente mußten auf Pergament geschrieben und von adeligen oder glaubwürdigen Personen mitgesiegelt sein. Geldstrafen wur den „theils dem Beschädigten, theils der Landestruhe” zugesprochen. Die Gelder der Landestruhe konnten nur mit Genehmigung der Ritterschaft verwendet werden. Angelegenheiten, welche die fürstliche Hoheit und die fürstlichen Rega le betrafen, konnten nicht vor dem Landrecht verhandelt werden. Der Zustand der Bauern hatte sich wie in ganz Schlesien so auch im Teschnischen in jenem Maße verschlechtert, in dem die Machtvollkom menheit der Edelleute zunahm. Die Dorfschaften der Siedler von einst wurden nach und nach mit deutschem Recht „bewidmet”. Sie wurden aus ihren günstigen Stellungen herausgedrängt. Das den Gutsbesitzern erteilte oberste Recht gab die Land bevölkerung fast völlig diesen preis und sie verfiel langsam der Leibeigen schaft. Dies war praktisch bereits zu Anfang des 16. Jahrhunderts der Fall. In Deutschland regierte zu dieser Zeit Maximilian I., der „letzte Ritter”, in Po len die Söhne des Litauers Kaismir IV, Johann-Albrecht und Alexander, und in Böhmen Wladislaus II., ein polnischer Königssohn. „Mit Roboten überlastet”, so berichten zeitgenössische Chronisten, „mit Zinsen, Gabungen und Ehrungen fast zu Boden gedrückt, verloren die Bauern auch das Recht der Freizügigkeit, und an den Boden gekettet, gin gen sie ihrer persönlichen Freiheit verlustig.” 185
Die Gerichtsbarkeit ist fast ausschließlich in der Hand des Grundher ren. In einem Oberamtsschreiben von 1609, das sich auf alle schlesischen Erbfürstentümer bezieht, werden zwar Geschworene auf den Dörfern er wähnt, und die Teschener Landesordnung spricht von einem „Bauernamt” und von „Ältesten je nach Gebrauch des Dorfes”, aber an der Lage der Bauern selbst ändert das nichts. Und wie stand es mit den Bürgern der Städte unseres Landes? Sie stan den natürlich nicht auf jener hohen Stufe wie die hervorragenden Gemein den Schlesiens, denn abseits von den großen Land- und Wasserstraßen, oh ne großen Handel und zu jener Zeit noch ohne Industrie, waren sie entspre chend bescheidener als anderswo. So war es auch mit dem Drang nach mehr Selbständigkeit ihren Landesherren gegenüber, und so war es auch mit der Möglichkeit, irgendeine führende Rollern der Politik oder der Ver waltung zu spielen. Ihre Maßstäbe waren eben kleiner. Sie fügten sich in die gegebenen Verhältnisse und strebten nicht danach, dem Fürsten oder seinen Beamten ein Recht nach dem anderen abzuringen. Hier zeigte sich auch wieder der schon früher erwähnte Wesenszug der Gutmütigkeit des Schlesiers. Hier stand auch kein Handwerkerstand dem Patriziertum gegenüber, der nach Gleichberechtigung strebte. Ansätze hierzu konnten vielleicht im brauberechtigten Bürgertum gese hen werden, welches bei uns das „Großbürgertum” des 16. und der ihm fol genden Jahrhunderte bildete. Dennoch hat aber auch unsere Gegend, ha ben auch unsere Städte ihre Geschichte. Die Hauptprivüegien von Teschen und Bielitz von 1416 und 1424, also aus der Zeit Herzog Boleslaus’ I. von Teschen, die mit jenen von Skotschau und Freistadt im wesentlichen übereinstimmten, räumten den Bürgern das vollständige Erbrecht bis ins 4. Glied ein, gewährten ihnen aber auch das Erbrecht in bezug auf die Lehensgüter. So konnten ansässige Bürger auch Landtafelgüter im Herzogtum erwerben und auch vererben. Der bürgerliche Gutsbesitzer hatte sich den landesüblichen Leistungen, die auf dem Gute lasteten, zu unterziehen und hatte sich auch dem Land recht zu stellen. Dieses Privileg wurde zwar mehrfach angefochten, aber die Teschener Bürgerschaft zum Beispiel wurde später darin auch von Kaiser Franz I. ausdrücklich bestärkt und gegen jeden künftigen Einspruch ge schützt. 186
1424 wurde den Bielitzern auch die niedere Gerichtsbarkeit bestätigt, welche Teschen schon früher erhielt, und 1440 gewährten die Herzoge Wladislaus und Przemyslaus II. der Stadt Bielitz das Recht einer freien Salznie derlage „zur Besserung ihrer leiblichen Nahrung”. Die Bürger der Stadt brauchten für das Salz, welches sie kauften und in die Stadt brachten, nichts zu zahlen, während Gäste einen Groschen „für jede Bank Salzes zu erlegen haben”, so schrieb es das Privileg vor. Wer von den Bürgern mit seinen Pferden das Salz nach Bielitz oder in eine andere Stadt fuhr, hatte zu Skotschau die halbe, die Fuhrleute aber und die Gäste die ganze Maut zu erlegen. Herzog Kasimir II. gab 1521 Bielitz das Weinregal, dafür mußte die Stadt, die offenbar schon vor 1424 mit einer Mauer umgeben war, für die Besse rung der städtischen Verhältnisse Sorge tragen. Der gleiche Fürst verlieh Te schen und Bielitz auch einen Fleischmarkt. 1489 verlieh er auch den Bielitzern ein Weiderecht. Während die Vogteirechte in Teschen schon 1380 in die Hand des Lan desherren, des Herzogs Przemyslaus I., übergehen, bestehen sie in Bielitz noch etwa bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts weiter und gehen dann auchan den Fürsten des Landes über. Das gleiche würde für Freistadt zutfeffen. Seit der Beseitigung der Vögte gelangen die Bürgermeister und „Rath mannen” in Bielitz, Freistadt, Skotschau und Teschen zu größerem Einfluß. In der letzten Piastenzeit stand ein „Primator” an der Spitze der Stadt verwaltung, der Bürgermeister nahm die zweite Stelle ein. Er und die Rathmannen wurden alljährlich vom Herzog ernannt. „Zum Frommen des allgemeinen Besten, zur Verhütung von Aufruhr und allerley Unglück” mußten die abtretenden Magistrate über ihre Einnahmen und Ausgaben und über ihr sonstiges Wirken Rechenschaft ablegen. So verlang te es die landesfürstlich kasimirsche Verfügung von 1521. Im Jahr 1551 wurde dem Magistrat der Stadt Bielitz auf seine Bitte hin von Herzog Wenzel-Adam ein Gehalt aus der Stadtkasse zugestanden. Der Bürgermeister erhielt jährlich zehn, jeder „Rathmann” acht, der Vogt sechs Gulden, „damit sie desto fleißiger und wachsamer bei der Leute Gerechtig keit und der Gemeinde zu guten Bemühen seien”. Privat- und Kriminalrechtsfälle wurden vor dem „Schöffenstuhl”, der nach der Piastenzeit „Vogteiamt” genannt wurde, verhandelt. In einer Ur kunde von 1560 Herzog Wenzel-Adams wird auch ein Vogt in Jablunkau er 187
wähnt. Für Teschen war ein solcher schon 1516, also für die Regierungszeit Kasimirs II., genannt worden. Im Jahr 1548 wurde von dem sich für den Religionsfrieden so sehr ein setzenden Kaiser Ferdinand I. die Appellation an den Schöffenstuhl in Magdeburg untersagt. Der jahrhundertealte alte Kontakt des Rechtswesens und der Zusammenhang mit der Stadt des deutschen Stadtrechtes, das gera de im Zuge der deutschen Ostkolonisation größte Bedeutung erlangte, war zerschnitten. Die zuständige Appellationskammer war von jetzt an Prag. Die Schöffen von Bielitz, Skotschau, Teschen und anderen Orten mit höherer Gerichtsbarkeit erkannten über Tod und Leben. Den Landesfür sten stand Milderungs- und Begnadigungsrecht zu. So wurde, um einen Fall zu schildern, Wenzel Pilutki, da er zuviel gegen die Obrigkeit geschrieben und geredet hatte, ohne die Richtigkeit nachweisen zu können, vom Stadt gericht Skotschau zum Tod durch Vierteilen verurteilt. Herzogin ElisabethLukretia änderte das Urteil auf einfache Enthauptung ab. Es wurde am 7. November 1643 vollstreckt. Für die Erhaltung des Scharfrichters in Teschen zahlten die Städte Bie litz, Freistadt, Jablunkau, Pleß, Schwarzwasser und Skotschau anteüige Be träge. Allmählich bildete sich ein gewisser Rangunterschied unter den Bür gern heraus. Es konnte schließlich nach Groß- und Kleinbürgern und auch nach unseßhaften Bürgern unterschieden werden. Die Großbürger waren jene, die innerhalb der Ringmauer ein Großbür gerhaus und damit verbundene Wein- und Bierschankrechte besaßen. Kleinbürger waren jene, die zwar ein Haus innerhalb oder außerhalb der Mauer, aber keine Schankrechte besaßen. Die Unseßhaften waren jene, die kein Haus besaßen, später sich aber die Bürger- und Meisterrechte erwarben. Sie unterlagen in ihrer Arbeit und im Verkauf der Erzeugnisse ihrer Arbeit gewissen Beschränkungen. In Bielitz maßten sie sich diese Rechte aber an und es kam zu Auseinandersetzun gen. Es sollte ihnen auch weiter verwehrt sein, Handel zu treiben, vielmehr sollten sie für „Taglohn” arbeiten. Ihren Hausherren oder ihren Nachbarn durften sie, sofern sie ein Handwerk verstanden, unselbständig Arbeiten verrichten. Auch durften sie ihre Produkte nicht zum Schaden der Bürger aus der Stadt oder außer Landes schaffen. Es kam zu Beschwerden beim Herzog. Trotz des Widerstandes der Altbürger gelang es diesen „Hausleu188
ten”, sich das Bürger- und auch das Meisterrecht zu erringen, und sie forder ten sogar, da ihre Zahl ständig wuchs, Bauplätze auf den Viehweiden, um sich Häuser zu errichten. Ihr Sprecher war ein gewisser Stoske, der sich, nachdem der Magistrat seinen Wunsch abschlägig beschied, an den Herzog wandte. 1553 erhielten sie endlich durch Herzog Wenzel-Adam Recht. Sie bauten sich nun Häuschen auf der Weide, konnten auch ihr gelerntes Hand werk ausüben und zahlten dem Magistrat obendrein noch einen Grund zins. Das Wein- und Bierschankrecht blieb ihnen aber verwehrt. Nur aus dem Kreis der 76 Großbürger konnten in Bielitz „die Magi stratspersonen gewählt und ihnen die Ehrenämter anvertraut werden”. In den Vorstadtgassen wurden Vögte und Geschworene eingesetzt, die „auf Geschrei und andere Unordnungen Acht haben, und die Erläße des Stadtraths den Vorstädtern zur Kenntnis bringen sollten”. Nur allmählich werden auch die Kleinbürger zu „Zechmeistern” und in die Zünfte gewählt und gelangten so auch in das Vogteiamt. In Teschen gab es ebensolche Positionen. So wurden 1680, als schon Kaiser Leopold I. Landesherr war, an die „Vorstadtgerichtspersonen” 6 Gul den und den Obervorstadtgerichtsdiener 1 Gulden 12 Kronen gezahlt. Die Einnahmen der Städte waren vielfältig zusammengesetzt. Aus geist lichen Häusern, aus Brückenabgaben, Weidegeldern, aus dem Schrottamt, den Bänken, den „Hutungen”, den Malzhäusern, Fischhaltungen und aus Münz- und Wachgeldern flössen sie zu. Zu den Ausgaben gehörten Lei stungen für den „Spitelmeister”, den Organisten, Schulmeister, Stadtschrei ber, Lohn für den Gemeindehirten, „Märzgeld den Mönchen”, Zinsen an die Breslauer Priester, „Ehrungen dem Herzog”, Bau der Stadtmauer, Verbesserung der Wege, der Pflasterung und der Wehre, des Rathauses, der Tore und der Teiche, Entlohnung der Roboter „für das Holzauswerfen beim Mühlgraben” und „für Schindeln und Nägel”. Bielitz besaß außer seinen alten Hutweiden, welche zum Bau von Sied lungshäusern benutzt wurden, kostbaren Wald, Teiche in Dzieditz und die Ortschaft Nickelsdorf, welche die Stadt mit der Mühle, der Brettsäge, der „Ziegelscheuer”, dem Kretscham, den Waldungen und allen fürstlichen Rechten 1570 von Herzog Friedrich-Kasimir (Sohn Wenzel III.-Adams) ge kauft hatte. 1550 erwarb sie schon von Herzog Wenzel III.-Adam eine Teich stätte bei Zabrzeg. Teschen gingen die meisten Besitzungen durch schlechte Verwaltung, 189
durch Bürgschaften und Darlehen verloren, mit welchen sie den geldbe dürftigen Landesherren aushelfen mußten. Die ergiebigsten Einnahmequellen der städtischen Gemeinden waren das „Weinregal und das Brauurbar”. Das Recht, Kretschams zu errichten, stand ursprünglich nur dem Her zog selbst zu, der es oftmals auch weitergab an die Stadtvögte oder an die „Aussetzer” von Dorfgemeinden. Die Stadtgemeinden Teschen und Bielitz erhielten dieses Recht schon vor den großen Privilegien aus der Zeit Herzog Boleslaus’ I. (1407-1433). Man ging auch dazu über, selbst Bier zu brauen. Man braute Gersten bier, da das Braurecht von Weizenbier nur dem Herzog selbst zustand. Her zog Przemyslaus II. (1452-1477) verpfändete es zunächst der Stadt Teschen und trat es ihr später ganz ab. Eine städtische „Willkür” von 1468 legt die einzühaltende Ordnung beim Brauen und Ausschenken fest. Die „hausgesessenen” Bürger waren in eine Rolle einzutragen, und der Reihe nach brauten je zwei im städtischen Brau haus ihr vorgeschriebenes Maß von „14 Scheffeln”, schenkten auch „ihr Ge bräu” aus. Jedermann mußte auch von ihnen kaufen. Das Braurecht haftete, wie schon erwähnt, am Besitz eines Hauses in nerhalb der Ringmauer, deren es in Bielitz 76 und in Teschen etwa 150 gab. Herzog Kasimir II. (1477-1528) bestätigte dieses Recht, daß niemand brauen durfte, der nicht in der Rolle eingetragen war. Das gleiche galt für das Schenken und das Zuführen von „fremdem Bier” von außerhalb her. Ausgenommen waren jene, die vom Herzog hierzu besonders „begnadet” wurden, und Mönche und Geistliche, soweit es ihr Hausbedarf war. Eine Urkunde Herzog Kasimirs II. von 1523 verzeichnet die Namen je ner Ortschaften, welche Bier nur aus Teschen, Bielitz oder einer anderen Stadt beziehen durften. Für unser Bielitzer Brauhaus waren es 15 Orte, und zwar: Nickelsdorf, Karnitz, Ernsdorf, Heinzendorf, Zabrzeg, Dzieditz, Tschechowitz, Mückendorf, Batzdorf, Kurzwald, Altbielitz und „die new angefangene ort und Dorffer welche hiebenor, ietzonoch, Und inzukünfftigen Zeiten gebawet möchten werden”. Skotschau lieferte sein Bier seit 1550 in alle zu seiner Kammerherrschaft gehörigen Dörfer, Schwarzwasser nach allen Orten innerhalb einer Meile um die Stadt seit 1551, und Jablunkau erhält 1560 auch sein eigenes Meilen recht. Die Stadt gehörte bisher in diesen Belangen zu Teschen. Auch Frei stadt und Friedek hatten schließlich ihr eigenes Brau- und Meilenrecht. 190
Oft wurde das Braurecht auch verpachtet. So in Bielitz im Jahr 1753 auf Befehl Kaiser Maximilians II., um Schulden von 1478 Gulden (fl) mittels des Pachtschillings zu tilgen und verpfändete Grundstücke einzulösen. 1521 gibt Herzog Kasimir II. das Weinschankrecht an Bielitz. Es schreibt vor, daß der herzogliche Wein vor allen anderen zum Ausschank kommen muß. Dieser Vorbehalt erlischt 1565. 1690 erteilt Kaiser Leopold I. dem Siegfried Cunradt, „Apotheker und Wasserbrenner”, die „Freiheit, destillierte Wässer auf den Jahrmärkten und Kirchmessen des Herzogtums Teschen und den angrenzenden Herrschaf ten Bielitz und Pless zu verkaufen, jedoch nur zu diesen Zeiten, um die an deren Branntweinschenken nicht zu schädigen”. Maria-Theresia bestätigt 1747 den Karl Cunradtschen Erben die von Kaiser Leopold I. und Kaiser Karl VI. gegebenen Freiheiten. Bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts war das Bürgertum uhseres Landes in wenn auch langsamer, so doch steigender Aufwärtsentwicklung begrif fen. Teschen legte eine Neustadt an, Bielitz schuf Siedlungen, Freistadt und Friedek vergoßerten sich, das Kommunalvermögen wuchs, Teiche, Vorwer ke und ganze Dorfschaften konnten erworben werden. Erst der Dreißigjährige Krieg mit seinen Soldatenzügen und die Intole ranz des 17. Jahrhunderts vollendeten den wirtschaftlichen Ruin der städti schen Gemeinden. Die kirchliche Organisation hatte ihre Spitze in Breslau, dem Sitz der obersten kaiserlichen Behörden Schlesiens. Ihr unterstanden die Erzdiako nate Glogau, Liegnitz, Oppeln und Breslau selbst. Oppeln zerfiel in 12 Erz presbyterien. Teschen war eines davon (sedes Teschinensis), welches das ganze Herzogtum umfaßte. Bielitz besaß die dem heiligen Nikolaus geweihte Pfarrkirche, das Spi talskirchlein zu St. Anna und die später von den Protestanten erbaute Drei faltigkeitskirche. Die evangelische Kirche des Fürstentums unterstand dem Superinten denten und dem Konsistorium in Brieg. Seit dem 13. Jahrhundert wird auch über das Schulwesen unseres Lan des berichtet, das, wie in anderen Stadtgemeinden Schlesiens, um diese Zeit aufgebaut wurde. Seit Herzog Wenzel-Adams Zeiten wird von Zeitgenossen gerühmt, daß dieser Herzog seinen Untertanen in Stadt und Dorf Kirchen und Unter richtsanstalten errichtete. Aus dem Jahr 1565 ist bekannt, daß an die Schule 191
in Teschen „ein gelehrter Geselle” berufen wurde, der ein Jahresgehalt von 12 Gulden bezieht. Es ist sicherlich der Rektor der später „berühmten Teschener Schule”. Ähnliche Lehranstalten gab es in Schwarzwasser, Skotschau und Bielitz. In letzterer waren 1608 der Schulrektor Andreas Cendnerus, der Kantor Christoph Kensky und der Lehrer Tobias Nesitius tätig. Auch Johann Vulpius ist ein tüchtiger Lehrer dieser Zeit in Bielitz. Im Zuge der Gegenreformation wurden die evangelischen Lehranstalten alle wieder geschlossen. Von unserer Schule zogen zunächst die Auserwählten an die Universität nach Prag und seit dem 16. Jahrhundert nach Wittenberg. So mancher Sohn unseres Landes wurde berühmt. So Herzog Fried rich, Sohn des Herzogs Kasimir II., der 1505 Rektor der Hochschule in Wien gewesen sein soll, in jungen Jahren aber in Italien starb. Anton Anapaschani aus Friedek war Professor der Theologie an der Universität zu Krakau, Hans von Grodetzki war Bischof von Olmütz und nahm am Konzil von Trient teil. Georg Fabricius aus Falkenberg war zehn Jahre lang Hofprediger Herzog Adam-Wenzels und Inspektor der deut schen Kirche in Teschen. Thomas Holius war beliebter Prediger in Bielitz und Lucas Wenzelius in Teschen, Tobias Mautnerus ein gelehrter Theologe, Poet und Seelsorger in Bielitz, Georg Tranowski, der 1591 geborene Teschener, eignete sich sein Wissen in Teschen, dann in Guben und Kolberg, schließlich an der Univer sität Wittenberg an und war dann Lehrer in Holleschau, Walachisch-Meseritsch und Krasna in Mähren und auch Prediger in Meseritsch und an der Nikolauskirche in Bielitz, in Arwa und schließlich in Liptau. Er überstrahlte alle und eine Reihe von Schriften legt davon Zeugnis ab. Sein Kirchenlie derbuch war bei den Evangelischen polnischer Zunge zum Beispiel bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts in Gebrauch. Seine Tätigkeit als Prediger und Schriftsteller brachte ihm den Namen eines „slawischen Luthers” ein. Adam Bielski aus Bielitz war als Jurist und Poet und der 1509 in Bielitz ge borene Elias Kuntschius, an deutschen und italienischen Hohen Schulen gebildet, war im Oppelnschen und Ratiborschen als Arzt bekannt. Adam von Bielitz und Valentin Thurza, ebenfalls aus Bielitz, versuchten sich erfolgreich in der lateinischen Verskunst.
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Handel und Gewerbe. Blick nach Süden und Osten. Schweden wieder im Lande und östlich von uns. Aufstand in Ungarn.
Und nun einige Worte über den Handel und das Gewerbe. Wohlgemeinte Gesetze sollten dazu angetan sein, zu helfen und anzure gen, auch den Verkehr anzuheben. Oft erreichen sie aber ihr gestecktes Ziel nicht. Von den Machthabern wurden die Straße und Wege vorgeschrieben, welche der Verkehr zu nehmen hatte. Die verliehenen Niederlagsrechte einzelner Städte, die Zölle und Mauten, die grenzenlose Verwirrung im Münzwesen, schlechte Verkehrsmittel, adelige und auch nichtadelige We gelagerer lasteten schwer auf dem Handel, so daß er keine größere Bedeu tung erlangte. Zur Zeit König Mathias Corvinus’ führten zwei Wege von Schlesien nach Ungarn. Der eine über Neisse, Leobschütz und Troppau, der andere über Oppeln, Ratibor und Teschen. Aus der Zeit der Herzogin Elisabeth-Lukretia ist eine Beschwerde der Breslauer Handelsleute bekannt, welche über hohe Zölle außer den übli chen Pferde- und Wagenmauten auf dem Gebiet des Herzogtums Teschen klagen. Bielitz erhob Brückengelder in Höhe eines schlesischen Groschens je Wagen. So kam es, daß man Umwege suchte, die auch lange Zeit benutzt wurden. Einer davon führte über Bielitz und dann weiter über Saybusch nach Ungarn. Auch die Zünfte und Zechen erhielten ihre Ordnung. So 1481 die „Pfefferküchler” in Teschen, später die Tuchmacher von Bielitz durch Herzog Wenzel III.-Adam, und ebenda die Töpfer durch Johann Sunnegk. Das Handwerk wurde vor allem in Teschen und Bielitz Haupternäh rungszweig der Bevölkerung. Die städtischen Ackerflächen reichten nicht mehr aus, sie zu versorgen. Die stärkste Zeche waren die Tuchmacher. 1690 wird sogar von einer Glashütte in Brenna berichtet. 1547 und 1548 wird den Bielitzern durch eine herzogliche Urkunde zur Pflicht gemacht, nur soviel Holz aus den Wäldern zu schlagen, „als zur ge mein Nothdurft nötig ist”. Der Bergbau ist kaum erwähnenswert. In Althammer und Brenna scheint Eisenerz abgebaut worden zu sein. Die reichen Steinkohlenvor kommen des Landes waren ja noch unbekannt. Große Hoffnungen setzte man auf die Salzquellen von Solza und Orlau, sie wurden aber im 14. Jahrhundert aufgegeben. „Lasurerz” soll in der Herrschaft Bielitz gefunden worden sein. 193
Einträglicher als der Bergbau waren für den Landesherrn die Abgaben für Salz, vor allem in Bielitz. Die „Salzburg” in der Sunnegk-Gasse, oben in der Nähe der Infanteriekaserne, legt heute noch Zeugnis dafür ab. Für Kupfer aus der Slowakei war die Niederlage in Teschen erträgnis reich, erlosch aber im Jahr 1643, da kein Kupfer mehr aus der Slowakei über Teschen kam. Landbau, Gewerbe und Handel wurden in ihrer Entwicklung nicht sel ten von verheerenden Kriegen behindert. Die Hussitenkriege mit ihren Streitscharen berührten unser Ländchen kaum. Nicht verschont blieb es aber von der Auseinandersetzung zwischen König Georg Podiebrad und Mathias Corvinus. Der Dreißigjährige Krieg la stete sicherlich sehr schwer nicht nur auf unserem Teil, sondern auf ganz Schlesien. Keine Landschaft dieser Provinz blieb da verschont. Dann kam die Türkengefahr und ihretwegen wurde Schlesien auf dem Fürstentag des Jahres 1529 in vier Kreise oder Quartiere eingeteilt und eine eigene Verteidigungsordnung festgelegt, „denn die Not ist groß”. Der Türkenfürst Suleiman hatte den Krieg erklärt, und „er komme, U n garn und Deutschland zu erobern und dem Reiche der Christenhunde für immer ein Ende zu machen”. Im April des Jahres 1529 vereinigt Johann Zapolya sein Heer bei Mohäcs mit jenem des Türkenherrschers, und beide ziehen bis vor Wien. Im September legt die türkische Donauflotte vor Wien an. Die Stadt ist aller Verteidigungsmittel entblößt. In aller Eile werden die Mauern und Werke ausgebessert. 22000 Mann verteidigen Wien, aber 300000 greifen an. Aus den kaiserlichen Ländern kamen Hilfstruppen. Aus Böhmen kamen 2000 Mann unter Führung Ernsts von Brandeis und Wilhelms von Wartenberg, und die „braven Schlesier schickten der Resi denzstadt 70 Reuter und 300 Mann Fußvolk zu Hülfe, wovon sich Heinrich und Johann von Schellenberg, Johann von Reibnitz und Melchior von Panewitz und andere ganz besonders auszeichneten”. Steiermärker und Kärntner sind auch dabei. Mitte Oktober entschließt sich der Türkenfürst, die Belagerung aufzugeben. Einige Jahre später, 1532, tobt wieder eine Rebellion südlich unseres Landes in Oberungarn. Die „Kuruzzen” stehen auf. General Heister ver nichtet bei Tyrnau 4000 kuruzische Rebellen. Auch einige schlesische Adelige, die ihre Bedeutung im Kriege seit der Einführung des stehendes Heeres verloren haben, traten als Offiziere in die Armeen mächtiger Fürsten oder zogen mit Herzog Wenzel III.-Adam ge194
gen die Türken und eben diese Ungarn oder mit Herzog Friedrich-Wilhelm an den Rhein oder die Niederlande, wo man sich ja vom Reich lösen wollte. Doch war der Krieg nicht mehr die Hauptbeschäftigung des Adels. Er blieb auf seinen Gütern. Galt es aber, das Land vor feindlichen Einfällen zu schützen, so zogen die Adeligen mit ihren Untertanen an die Landes grenzen, wie zum Beispiel 1578 gegen Polen, wo Unruhe seit 1572 war, als König Sigmund II. August starb und man sich um die Nachfolge bemühte, oder 1621 gegen Ungarn. Als die Gefahr aus Polen drohte, blieb der Herzog in Teschen. Seine Stadt und auch Bielitz erhielten steuerliche Erleichterungen, um ihre Mauern und Befestigungen vervollkommnen und verbessern zu können. Die Untertanen des Adels waren verpflichtet, dabei Fuhrdienste zu leisten. Wichtigster Verteidigungspunkt des Landes, vor allem gegen Ungarn, war der Jablunkapaß, der mit seinen Schanzen besonders bedacht wurde. Die Nachbarn achteten die Landesgrenze nur zu oft recht wenig und fie len auch mitten im Frieden in unser Fürstentum ein, so die Polen in die Herrschaft Bielitz in den Jahren 1632 und 1644 und Niembschetzki von Niembschitz, der im August 1606 aus Mähren über Ostrau mit 350 Mann zu Fuß und 30 Reitern ins Teschnische einfiel. Die härtesten Strafen waren nicht in der Lage, diese „Räubereien” abzu stellen. Immer neue Banden aus Unzufriedenen des harten Regiments der Grundherren gegen die Untertanen entstanden. Entlassene und beurlaubte Soldaten oder Bauern, aus dem mährisch-schlesischen Gebirge stammend, überfielen die Edelsitze, raubten sie aus und legten ganze Ortschaften in Schutt und Asche. Auf den Kopf des einen ausgesetzte Preise bewogen den andern, ihn niederzuschlagen, um dann selbst gerädert zu werden. Mit der Zeit kehrten aber doch wieder Ruhe und Sicherheit ein. Lassen wir noch einmal unseren Blick einen Augenblick über unsere Berge hinüberwandern. Was sich dort im Süden unseres Ländchens tut, ist bezeichnend für die Schwäche des Reiches, für die Ohnmacht des deut schen Kaisers, das Reich vor der Gefahr, die aus dem Südosten droht, zu schützen. Von unserem exponierten Platz aus, am Rande Deutschlands, kann das besser beobachtet und beurteilt werden. Von 1613 bis 1649 war Gabriel Bethlen von Iktar Fürst von Siebenbürgen und organisierte sein kleines Land wirtschaftlich und militärisch recht gut, 195
schloß Bündnisse mit England, den protestantischen Staaten Holland und Dänemark, und der Kaiser mußte ihm die Vorteile, die im Wiener Frieden Österreich abgetrotzt wurden, bestätigen (1624). Sein Nachfolger Georg I. Rakoczy, Fürst von Siebenbürgen ab 1630, war mit den Schweden und Frankreich im Bunde und kämpfte 1644 mit ihnen gegen den Kaiser, eroberte Kaschau und schloß 1645 zu Linz einen Frieden, der die Glaubensfreiheit der Protestanten in Ungarn sicherte und ihm sie ben nordostungarische Komitate überließ. Sein Sohn Georg II. Rakoczy, 1642 zum Nachfolger gewählt, verfolgte das Ziel, die polnische Krone zu gewinnen, kämpfte 1657 mit den Schweden gegen Polen, verlor aber und wurde vom türkischen Sultan, dem die siebenbürgische Selbständigkeit schon lange nicht mehr paßte, abgesetzt. 1660 fiel er im Kampf gegen die Türken. Damit war die Selbständigkeit Siebenbür gens für immer zu Ende. Die Türken rückten wieder westwärts vor, bis ih nen noch einmal hart vor der Reichsgrenze bei St. Gotthard an der Raab 1664 Halt geboten wurde. Im Frieden von Eisenburg (Vasvar) mußten weite Gebiete Ungarns den Türken überlassen werden. So konnten türkische Streifzüge damals die Gegenden von Nikolsburg, Olmütz und Brünn in Mähren erreichen, ja sogar bis nach Schlesien drangen sie vor (Stadtmül ler). Und während in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts im Herzogtum Teschen Piasten von Adam-Wenzel IV. bis Elisabeth Lukretia mühselig re gierten und die Herrschaft Bielitz nach kurzfristigen Besitzwechseln end lich in die Hand des Geschlechtes der Sunnegks kam, das wenigstens für 132 Jahre ständig Herr im Hause blieb, rebellierten wenige Kilometer südlich unserer Berge protestantische Adelige noch um die Freiheit ihres Glaubens gegen Österreich. In den Jahren nach dem Frieden von Münster und Osnabrück ging es aber nicht mehr um den Glauben - Ungarn war schon vor allem im Westen weitgehend katholisch geworden -, sondern um die Freiheit und Unabhän gigkeit vom deutschen Kaiser, vom Hause Habsburg. Auch streng katholi sche Fürsten wie Rakoczy II. beteiligten sich, und später wollte Graf Tököly dieses Ziel sogar mit Hilfe der Türken erreichen, was zwanzig Jahre zuvor noch sicherlich auf inneren Widerstand gestoßen wäre. 1667 schlossen Polen und Rußland einen Waffenstillstand in Andrussowo, bei welchem Polen das westliche Weißrußland den Russen überlassen mußte. Das war nötig, denn es erwuchs eine neue Gefahr für unseren östli 196
chen Nachbarn: die Westukraine unterwarf sich der Hohen Pforte und der polnische König Johann-Kasimir legte erschöpft die Krone Polens nieder. Es stand ein recht ungleiches Duell zwischen dem zerbröckelnden Polen und dem riesigen osmanischen Reich bevor. Die Suche nach einem Mann, der Aussicht hatte, diesen Kampf am besten zu überstehen, war die drin gendste Aufgabe. Es wird Michael Korybut Wischniowietzki, ein Adeliger aus den östlichen Teilen des Landes, zum König gewählt. Ihm fällt es zu, eine Reihe von Auseinandersetzungen zwischen Polen auf der einen und den Türken, Kosaken, Tartaren sowie moldauischen und wallachischen Va sallen auf der anderen Seite zu führen. Schon 1667 hatte Johann Sobieski den anstürmenden Kosaken, Tartaren und Türken Widerstand geleistet, und nur er hatte jetzt Aussicht, erneuten Widerstand zu organisieren. Am 27. August 1672 mußten die Polen Podolisch-Kamienietz aufgeben und die Türken konnten sogar bis vor Lemberg gelangen, ja sie kamen stellenweise bis an die Weichsel. Johann Sobieski griff sie an, schlug sie zurück und be siegte sie bei Kalusch. Brandenburgs Herzog Friedrich-Wilhelm sandte als einziger auswärtiger Fürst den Polen einige Regimenter zur Hilfe 1673 besiegte Sobieski die Türken bei Chocim (Chotin). Am Vorabend dieser Schlacht starb König Michael Wischniowietzki. Der verwaiste Thron mußte wiederbesetzt werden, und so schritt man in Polen wieder zur Kö nigswahl. In Oberungarn tobte inzwischen ein regelrechter Bürgerkrieg, und in Polen rangen die auswärtigen Mächte mit großen Mitteln, Eifer und Ge wandtheit für den Sieg ihrer Königskandidaten. A uf der einen Seite Kaiser Leopold, sein Gesandter Graf Schaffgotsch und die Königin - Witwe Eleo nore, die Schwester des deutschen Kaisers Leopold -, auf der anderen Seite König Ludwig XIV. und seine Gehüfen. Der Vertreter des Vatikans sprach für Sobieski. Am 21. Mai 1674 war er gewählt, und am 24. Mai 1674 erklärte das Reich Frankreich den Krieg. 1674 mußte der Krakauer Kronschatz verkauft werden, um die Türken abwehr zu finanzieren. In der Zeit dieser großen N ot war es wieder der Brandenburger Herzog, der auch diesmal dem vereinsamten Polen militäri sche Hilfe sandte. Trotzdem trachtete man in Polen nach dem noch nicht verschmerzten Ostpreußen, schloß mit den Russen einen Vertrag und war auch bereit, mit den Türken Frieden zu schließen. Bezüglich Österreichs waren den Polen die Hände gebunden, da man angesichts der Türkengefahr froh war, einen Bruch mit Kaiser Leopold vermeiden zu können. Man war 197
leichtsinnig genug, Frankreichs zuliebe aber wieder den Aufstand in Ober ungarn lässig und verschwiegen zu unterstützen. Man tat dies unter streng ster Geheimhaltung, denn eine offene Aktion gegen Österreich hätte in Po len einen Sturm der Entrüstung hervorgerufen. Es ist hier nicht der geeigne te Platz, weiter auf diese Zusammenhänge einzugehen, aber es ist gut, gera de vom schlesischen Südzipfel aus in großen Zügen und kurzen Hinweisen dieses anzudeuten, denn gerade bei uns überschnitten sich die Interessen der hier zusammenstoßenden Völker. Eine Verschwörung, die ihren Namen nach Ferdinand Graf Wesselenyi führte - eine Erhebung der ungarischen Adelsopposition gegen den Kai ser -, wurde 1671 blutig niedergeschlagen. Aber nicht der Ruin dieses oder jenes ungarischen Großen, wie Graf Stefan Tököly, der auf seinem Felsennest hoch über der Arwa 1670 starb, während die Kaiserlichen das Waagtal heraufzogen, um ihn zu verhaften, und sein 14jähriger Sohn, der spätere Kuruzzenführer Emmerich als Mäd chen verkleidet nach Polen floh, auch nicht die Beseitigung der alten Verfas sungsrechte war die Tragik des deutsch-ungarischen Verhältnisses, sondern das Schicksal der Protestanten und der Gemeinden Oberungarns. Sie wur den nun auch Opfer der Gewissenstyrannei des aufgeklärten Absolutismus. Die Erbitterung wuchs. Aus der Erhebung der Kuruzzen wurde ein Auf stand und daraus ein Bürgerkrieg, der zugleich ein Religionskrieg war. 1672 begannen die großen Preßburger Prozesse gegen die Protestanten. Verlust der Güter und des Lebens oder Verschickung als Galeerenknechte ließen das neue Bekenntnis alsbald erlöschen. Die Pfarrer und Lehrer der dreizehn Städte der Zips, die Österreich als Pfand der Krone Polens besaß, wurden 1674 enteignet und nach Polen vertrieben. Die Kuruzzenkämpfe wurden zum Guerillakrieg. In den festen Plätzen der deutschen „Freistädte” Kaschau, Leutschau, Bartfeld und Preschau hielten die kaiserlichen Komman danten ihre Blutgerichte ab. In Emmerich Tököly erwuchs den Kuruzzen ein neuer Führer. Ihre Ge biete wurden aber nach und nach von Kaiserlichen besetzt, Polen gab die Unterstützung T ökölys auf, die Hilfe aus Frankreich war abgeschnitten, da zu die Annäherungen Österreichs an Polen und Polens an Brandenburg, die den Frieden anbahnten. Am 31.3.1683 schließen die Polen mit dem Kaiser ein Bündnis gegen die Osmanen. Polen wird in Poldolien, der deutsche Kaiser in Ungarn vorge198
hen. Werden Wien oder Krakau angegriffen, vereinigen sich beide Heere, um die jeweilige Hauptstadt zu verteidigen. Die Erhebung der „Kuruzzen” Oberungarns unter Graf Emmerich Tököly, deren Auswirkungen bis Bielitz ausstrahlten, lief. Tököly - im Ver trauen auf osmanische Hilfe und im Einverständnis mit Frankreich - lehnte im späteren Verlauf seiner Unternehmungen eine Verständigung, zu der der Kaiser bereit war, ab. Er beendete sein abenteuerliches Leben wie viele an dere, die sich auf Zusagen verließen, die nicht eingelöst werden konnten, 1705 im Exil (in Ismid in Kleinasien). Auf diese Dinge einzugehen war wichtig, denn sie gehören zum Ge schehen dieser Zeit in und um den Süden Schlesiens mit seiner Brückenla ge zwischen Deutschland mit Böhmen und Mähren einerseits und Polen und Ungarn auf der anderen Seite. Die Geschichte Schlesiens und beson ders unseres Teiles davon ist mit ihnen auf das engste verquickt. Ungarn ist neben Deutschland das einzige Land in Europa, in welchem das Ringen der Reformation mit der Gegenreformation nicht mit dem völli gen Sieg der einen oder der anderen Seite ausging. Ein Drittel des ungari schen Landes ist bis heute evangelisch. Auch in unserem Land vor den Ber gen hat der neue Glauben bis heute Bestand. Bielitz ist bis 1945 ein Zentrum des Protestantismus gewesen, das Olsa-Land mit seinen „Schlonsaken” ist heute noch evangelisch. Gerade dieses Glaubensbekenntnis trennt diese „Schlesier” sowohl von den Polen als auch von den Tschechen. Damals war das Deutsche Reich nicht in der Lage, in diesem Teil seines Kraftfeldes den Bewohnern ein gesichertes und ruhiges Leben zu ermögli chen. Es mangelte an innerer Einigkeit, es mangelte an tatkräftiger Hilfe für den Kaiser, der eben nur mehr ein Ehrensenior unter den übrigen Reichs fürsten war, die sich nach Belieben und Notwendigkeit mit auswärtigen Mächten verbinden konnten und so die Schlagkraft des Reiches schwäch ten. Der deutsche Osten und Südosten bekam das im m er zuerst zu spüren. Bevölkerungsverluste und Zerrüttung der Wirtschaft mußten immer diese Landstriche als erste hinnehmen. Grenzland zu bewohnen, war eben nie ein leichtes Schicksal. In eben diesem Zeitabschnitt schwanden auch hier die Aussichten auf die Überwindung der unseligen Glaubensspaltung im deutschen Lebens raum. Und nun kehren wir wieder zurück zu jenem Zeitpunkt der Geschichte unseres Ländchens, zu welchem auch der letzte, und zwar auch der letzte 199
weibliche Nachkomme aus dem Haus der Teschener Piasten starb und da mit diese Linie der Piasten endete. Seit dem Jahr 1290, als Mieschko I. Her zog wurde, hat dieses Fürstenhaus mehr als dreieinhalb Jahrhunderte unser Land regiert. Nun, da das Lehensverhältnis zu Ende ist, wird die Regierungsgewalt von der Krone selbst ausgeübt. In ihrem Auftrag übt das königliche Ober amt in Breslau seine Funktionen aus und brachte dies in einem Schreiben vom 3.4.1653 den Ständen des Herzogtums zur Kenntnis. Kaiser Ferdinand III. übertrug das Lehen seinem Sohn Ferdinand IV., „König von Deutschland, Böhmen und Ungarn”. In seiner Vertretung nahm Graf Oppersdorff die Huldigung entgegen, die ihm das Land zuteil werden ließ. Selbst kam er nicht nach Teschen. Zur Verwaltung der Kammergüter wurde ein „Regent” bestellt, welchem neben den Beamten auch die Burg grafen von Skotschau und Schwarzwasser unterstanden. Ein Kabinettschreiben vom 26.11.1653 beauftragte ihn unter anderem, mit der Zeit alle nichtkatholischen Beamten auszuschalten. Ein weiteres Amt war die Verwaltung der fürstlichen Registratur, mit welcher der Stadtsyndikus von Glatz, Johann Ferdinand Wießen, betraut wurde. Die Akten und Urkunden wurden nach Breslau geschafft und von dort offenbar nach Wien. Der Landeshauptmann und der Landesmarschall waren weitere höch ste Ämter. Der direkte Kontakt der Stände und Städte mit dem Landesfür sten war von jetzt ab nicht mehr vorhanden. Die Verbindung zwischen ihm und dem königlichen Oberamt, welches seine Weisungen wiederum von der böhmischen Hofkanzlei aus Wien erhielt, stellte der Landeshauptmann her. Durch ihn wurde das Fürstentum auch bei den Fürstentagen vertreten. Die Stände und Städte bemühten sich auch bei diesem Wechsel sofort um die Bestätigung ihrer Privilegien. Neben einem Schreiben an den Lan deshauptmann machte sich auch eine Deputation des Stadtrates von Te schen nach dem Hoflager in Regensburg auf den Weg, um diese Wünsche gleich dem königlichen Oberlehensherrn selbst nahezubringen. Den Wunsch nach freier Religionsausübung wies Ferdinand IV zwar zurück, be stätigte aber sonst alle Majestätsbriefe, Privilegien, „Willküren und Ge wohnheiten”. Im Alter von zwanzig Jahren starb der königliche Landesherr am 9.7.1654, und das Fürstentum kam nun wieder unmittelbar an den kaiserli 200
chen Vater Ferdinand III. zurück, der es bis 1657 regierte. Er war nun auch zugleich Herzog von Teschen, er, der deutsche Kaiser, König von Böhmen, Ungarn und den Nebenländern. Aus der Residenzstadt der zwar machtlosen und verschuldeten Teschener Fürsten wurde jetzt eine unbedeutende Provinzstadt. Einige kurze Bemerkungen seien noch über verschiedene Dinge des täglichen Lebens der damaligen Zeit im südlichen Schlesien hier eingescho ben. Wir wollen daran erinnern, daß schlesische Herzogtümer seit dem 14. Jahrhundert den Königen von Böhmen unterstanden, die seit Karl IV. (1347-1378) auch deutsche Kaiser waren. Das sei nur erwähnt, damit nicht vergessen wird, wem Schlesien gehörte. Eine Realität, die heute zu gern ver schwiegen wird. Die schlesischen Herzoge übten ihre Rechte und Regale wie unabhängige Fürsten aus. Nach dem Aussterben der schlesischen Für stenzweige übten ihre Nachfolger ohne Rücksicht, ob sie fürstlichen Stan des waren oder nicht, diese fürsüichen Rechte weiter aus. So machten seit der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts auch die soge nannten Hexenprozesse von sich reden. Gedruckte Berichte darüber verzeichnete man seit dem Jahr 1651. Es waren eigentlich richtige Verfolgun gen. Die Richter konnten auf ein bloßes Gerücht hin beginnen, zu inquirieren und Zeugen zu vernehmen. Gestanden die Angeklagten, mit dem Teu fel im Bunde gewesen zu sein, wurden sie alsbald verurteilt, leugneten sie, wurden sie gefoltert, was auch nach einigen Tagen - obwohl verboten - wie derholt werden konnte (Nagelprobe, Ansetzen des Daumenstockes, Schü ren am Arm, Beinschrauben oder Hexenstuhl). Sie konnten enthauptet, meist aber verbrannt werden. Ein Fall von Ertränken wird noch aus dem Jahr 1836 von der Halbinsel Heia gemeldet. Im südlichen Schlesien soll das letzte Hexenurteil 1684 zu Neisse ausgesprochen worden sein. Auf gewissen Bergen sollte ja der Teufel seine Hoftage abgehalten ha ben (Fichtelgebirge, Zobten). Die Prozesse wurden von katholischen wie evangelischen Geistlichen geführt, die Vollstreckung oblag „dem weltlichen Arm”. Dem Tabakrauchen und Kartenspiel wird schon mit Beginn des 17. Jahr hunderts gefrönt. Es sind zwei der schlechtesten Gewohnheiten, gegen die später versucht wird, zu Felde zu ziehen, jedoch bis heute ohne Erfolg. Geldspiele ob mit Würfeln, Karten oder auf andere Weise waren „bei Strafe von einem Schock Groschen” verboten (Oberglogau 1723). 201
Die Gasthäuser werden Einkehrhäuser, Kneipe, Krug, Herberge oder Kretscham genannt. Beliebte Namen sind: „Zum schwarzen Adler”, „Zum weißen Lamm”, „Zum letzten Heller” oder „Zum weißen Storch”. Wir erin nern uns noch, daß es in Bielitz ein „Weißes Lamm” und in Biala den „Schwarzen Adler” bis 1945 gab. Die älteste Erwähnung einer Gaststätte in unserem Land finden wir in Beuthen, wo aus dem Jahr 1224 „zwei Krüge” genannt werden. 1475 wird bestätigt, daß in den Stadtkellern von Beuthen und Gleiwitz „allerhand Weine”, Bier, Met und „allerhand Getränke ausgeschänkt werden dürfen, jedoch ohne dem einzelnen Bürger die Freiheit zu beschränken, dasselbe Geschäft zu betreiben”. Troppauer Bier war weit verbreitet, denn eine Gren ze gab es nach Norden hin nicht. Alles schlesische Land unterstand dem deutschen Kaiser in Wien. Seit dem 16. Jahrhundert wetterte man gegen die Tanzunsitte, den Tanz teufel und die Nachttänze (1569). Am 5. Januar 1669 macht die Inhaberin einer Schankwirtschaft eine Ein gabe an das gräfliche Amt um Erlaubnis, auch in ihrer Wirtschaft musizie ren zu dürfen, da das Verbot von Musik in Gastwirtschaften doch nicht so streng beachtet wird. Der erste ausführliche Bericht über ein Schützenfest stammt aus Neisse aus dem Jahr 1612. Maibäume setzt man in Schlesien seit dem Mittelalter. In Oppeln wer den in den vier Ecken des Ringplatzes Maibäume gesetzt. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts war es Sitte geworden, daß die Oppelner Garnison, die bis 1741 stets aus einem Fähnlein österreichischer Kürassierreiter bestand, die Maibäume errichtete und dafür mit Bier belohnt wurde. Und wie sahen nun die Städte aus, die zur damaligen Zeit nicht zu selten große handelspolitische Leistungen vollbrachten? Ein Reisebericht aus den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts sagt, daß zum Beispiel Lübeck, „die Königin der Ostsee”, nur etwa 14000 Ein wohner zählte. Die meisten Hansestädte waren kleiner als ihr Hauptort. Nur Köln hatte etwa 37000, im 16. Jahrhundert schon etwa 50000 Seelen. Zürich, Basel oder Frankfurt etwa 10000. Nürnberg und Straßburg 20000 bis 25000. Mainz nur 6000, Dresden 5000, Meißen nur 2000 Menschen. Wesentlich größer war wieder das Prag Karls IV, einstmals des Reiches Hauptstadt, es zählte zwischen 1350 und 1370 etwa 40000 Einwohner. Unsere Städte können mit den genannten lediglich vergleichend nach 202
der Zahl der brauberechtigten Häuser gemessen werden. Erst für die Wende zum 19. Jahrhundert liegen Einwohnerzahlen vor: Stadt
Häuser im 16. Jahrhundert
Einwohner etwa um 1800
Neisse Bielitz Teschen Ratibor Oppeln Gleiwitz Pleß Freistadt Oderberg
374 76 155 288 282 156 82 82 -
5.200 4.200 3.650 3.150 2.850 2.600 2.200 850 843
Die erste Pflasterung als Straßenbefestigung kam erst im 14. Jahrhun dert. In Lübeck 1310, in Straßburg 1322, in Wesel 1424, in Frankfurt 1399. Erst 1562 wurde vor dem Absteigquartier des Kaisers Pflaster gelegt, da der Weg dahin „etwa böse und im Winter sehr tief’ war. Die Tuttlinger warnten Kai ser Friedrich III. vor dem Besuch der Stadt. Als er doch kam, versank sein Pferd bis an die Schenkel im Schmutz. Aufmerksamkeit wendete man dem Straßenbau zuerst seit der Römerzeit in Frankreich und in Österreich im 17. Jahrhundert zu. Eine Beleuchtung der Straßen gab es natürlich nicht. Als Kaiser Karl IV. zu Besuch nach Lübeck kam, ordnete der Rat an, daß jedes Haus ein Licht aushängen müsse, „damit die Nacht in hellen Tag verwandelt würde”. In Deutschland brannte die erste Öllaterne 1687 in Berlin auf den Straßen (Gaslicht: Berlin 1826, elektrische Straßenbeleuchtung: Berlin 1882). Werfen wir noch einen kurzen zusammenfassenden Blick zurück auf die Geschehnisse der letzten Jahrzehnte in Bielitz und seinem Land: In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts (1552) war der neue Glaube so weit in Bielitz verbreitet, daß der Teschener Herzog Wenzel III.-Adam den ersten evangelischen Pfarrer dorthin abordnete. In der Folge war Bielitz und seine Umgebung bis etwa 1630 ganz evangelisch. Erst in diesem Jahr wurde die katholische Religion in Bielitz wieder, und zwar unter Druck, ein geführt, und die jeweiligen Teschener und später auch die Bielitzer herzogli chen Herren ernannten die katholischen Pfarrer. 203
Wir wissen, daß Bielitz seit dem 15.10.1654 durch ein Dekret des damali gen Breslauer Bischofs Karl-Ferdinand (Prinz von Polen und Schweden, Herzog von Oppeln und Ratibor, 1625-1655, ein Sohn König Sigmunds III. und der Königin Constanze) in ein Erzdekanat umgewandelt wurde. Sein Vater war Schwede, seine Mutter eine Habsburgerin. Zum Erzdekanat Bie litz gehörten: Bielitz, Altbielitz, Karnitz, Tschechowitz, Ochab, Grodzietz, Gurek, Riegersdorf, Heinzendorf, Ernsdorf, Kurzwald und Matzdorf. Im Jahre 1654 wurde die seit 1554 evangelische Kirche in Altbielitz wie der katholisch. Runde hundert Jahre diente sie dem neuen Glauben. Für die Evangelischen brachen jetzt die schwersten Jahre an (bis 1709). Teschen war 5 Meilen entfernt, und man benötigte etwa acht Stunden zu Fuß für die se Strecke. Im gleichen Jahr wurden den Evangelischen im Teschener Land allein fünfzig Gotteshäuser weggenommen, darunter die Kirchen von Frei stadt, Petrowitz, Marklowitz, Seibersdorf, Kuntschitz, Ochab, Perstetz, Heinzendorf, Bielitz, Altbielitz, Ernsdorf, Karnitz, Kurzwald, Grodzietz, Gurek, Ustroń, Nierodzim, Schimoradz, Baumgarten, Haslach und Zamarsk. Es ist leider Tatsache, daß bei dieser Umstellung alle Urkunden der Pfarrgemeinden verloren gingen. An anderer Stelle erwähnte ich, daß der Bielitz er Wald 1644 verloren ging, nun kam er an die Stadt zurück. 1667 wird die Tuchmacherzunft Biala-Kunzendorf gegründet. Sie wird von den polnischen Königen Johann II. Kasimir (bis 1668) beziehungsweise Johann III. Sobieski (bis 1696) als „Gewohnheit” bestätigt. Die Mitglieder der Zunft waren überwiegend aus Bielitz und dem übrigen Schlesien zuge wanderte evangelische Tuchmacher. Ihre Bielitzer Berufsgenossen hatten zu dieser Zeit die Fäden schon weiter gesponnen und bereits 1646 mit der Stadt Neustadt/Zator einen Liefervertrag für Tuche abgeschlossen. Nun wuchs auch am anderen Bialka-Ufer eine Schwesterstadt heran, in welcher wackere deutsche Tuchmacher sich ihr hartes Brot zu verdienen begannen. Die Bielitzer Stadtchronik weiß, daß auf dem Platz vor der Infanterieka serne (zuletzt Hindenburgplatz) an der Stelle des Kreuzes, an welches sich die Obervorstädter sicherlich noch erinnern können, das St.-LaurentiusHolzkirchlein stand. Es ging in den Reformationstagen ein und das Holz wurde 1657 von Anrainern weggeschafft. Zu dieser Zeit war Emmerich von Sunnegk (1648-1660) Herr von Bielitz. Im Jahr 1658 wurde Leopold I. von Habsburg deutscher Kaiser (bis 1705) und so auch oberster Lehensherr unseres Landes. Seine Zeit war für Schle 204
sien auf einigen Gebieten eine Zeit der Blüte (Kunst und gelehrte Studien). Er stiftete am 2.11.1702 die Leopoldinische Jesuiten-Universität in der schle sischen Hauptstadt Breslau. Unser damals noch ungeteiltes schlesisches Land war bis dahin ohne Universität, obwohl mehrere Ansätze zur Stiftung einer solchen geistigen Lehranstalt entweder in den Anfängen steckenblie ben oder, wie der Plan einer Jesuitenuniversität in Neisse, durch den vorzei tigen Tod des damaligen Erzherzog-Bischofs, des Habsburgers Karl im Jahr 1634, ihr Ende fanden. Als geistiger Vater dieser Gründung kann der in Dü naburg geborene Jesuitenpater Friedrich Wolf von Lüdinghausen gelten, der schon zweimal (1687-1691 und 1694-1697) Rektor des Breslauer Kollegs war. Der gleiche Friedrich Wolf von Lüdinghausen war auch die Schlüsselfi gur bei den Verhandlungen um den Bekenntniswechsel des sächsischen Kurfürsten August. Dieser weltkluge Vermittler und Hofmann steht als Bal tendeutscher nun an der Wiege der schlesischen Landesuniversität, deren österreichisches Zeitalter beginnt Ein befriedigender Besuch und die Grundsteinlegung von 1728 für den prachtvollen Neubau an der Stelle der abgebrochenen Kaiserburg, der aber durch den Besitzwechsel 1740 nicht zur völligen Durchführung kam, sind bemerkenswerte Merkmale dieser Zeit. Das gesamte schlesische Land, bei den Beskidengipfeln unserer Hei mat beginnend, hatte jetzt auch seine Universität. Es gehört zu den Kuriositäten in der Geschichte der deutschen Jesuiten und der deutschen Universitäten, daß bis zum Eintritt Frankreichs in den Siebenjährigen Krieg in Breslau fünf dem Breslauer Bischof unterstellte französische Patres unter anderem Vorlesungen für Artillerie- und Inge nieuroffiziere hielten. Auch in der Wirtschaft trat ein gewisser Wohlstand ein, besonders im Handel und der Garn- und Leinenindustrie. Schlesien war von den gewalti gen Umwälzungen, welche die Auffindung des Seeweges nach Ostindien mit sich brachte, kaum betroffen. Man bezog jetzt Wolle über niederländi sche Häfen oder Hamburg. Schlesische Leinen nahmen im Welthandel ei nen vorrangigen Platz ein. Im Süden Europas sah es aber anders aus. Seit 1663 war der türkische Großwesir Köprülü mit 120000 Mann in Ungarn im Vormarsch. In unserem Land „wappnen sich Herren und Ritter”, verstärken die Besatzungen am Jablunkapaß und entsenden Patrouillen zwecks Erkun dung der Nachbargebiete ins Ungarische. Unser Land ist Hauptdurchzugs gebiet für kaiserliche und Reichstruppen. 1663/64 ziehen brandenburgische Hilfstruppen gegen Süden, nachdem sie Oppeln, Cosel und Ratibor zuvor 205
als Quartier erwählt hatten. Zu dieser Zeit kamen auch die seit 1645 verpfän deten Herzogtümer Oppeln und Ratibor von Polen zurück. Aber es kamen nicht nur Soldaten. 1672 erschienen die Jesuiten in Teschen, errichteten eine Residenz und Missionsstützpunkte im Gebirge. Die Verfolgung der evangelischen Pfarrer war von nun an so stark, daß sie nur ich sprach schon an anderer Stelle davon - weitab in zurechtgemachten Ver stecken wenigstens einer kleinen Schar Gottesdienst, Schriftauslegung oder die evangelische Abendmahlfeier auf Waldwiesen, durch Horchposten vor den Landdragonern gesichert, zuteil werden lassen konnten. Besonders in den Beskiden unseres Landes, aber auch jenseits der Berge im Arwa-Gebiet, wo sie in abgelegenen Tälern oder verfallenen Burgen der gebirgigen Gespanschaften im Ungarischen bis hinunter nach Neutra und Trentschin wirkten, oft mit Lebensgefahr verbunden. Die Evangelischen mußten nach Kreuzburg oder über die Grenzen des evangelischen Herzogtums Brieg wallfahrten, seitdem sie sich weder in Teschen noch in der Promnitzschen Schloßkapelle mehr sammeln durften. Drüben über der Białka, im polnisch gewordenen, früher schlesischen Auschwitzer Herzogsland, wird im deutschen Dorf Friedrichsdorf (Frydrychowice) der Bau einer Holzkirche aus dieser Zeit gemeldet (1668). 1675 stirbt das Piastengeschlecht in Schlesien aus, so daß die Teilfürsten tümer Liegnitz, Brieg und Wohlau auch noch an Kaiser Leopold fallen. 1677 wird unser Biala erstmals als „Städtchen” bezeichnet (Es wird erst 1723 Stadt). Die Zeiten selbst werden aber zusehends härter und unruhiger und überall ist ein kultureller Rückgang zu erkennen. Seit 1600 wandern Tausende aus ganz Europa nach Amerika aus (bis 1770 insgesamt 750000 Menschen). 1680 beginnt auch die deutsche Auswanderung. Die erste deutsche Sied lung ist „Germantown” nahe Philadelphia. Im Südosten waren die Türken bis etwa 140 Kilometer an Bielitz heran gekommen und im Westen des Reiches geht 1681 Straßburg verloren. Es geht ein Bangen durch die deutschen Lande. Europa verlassen ungezählte Menschen. Die Ursachen, die Heimat zu verlassen, sind Kriege, Verwüstungen, Niedergang von Handel und Gewer be oder Aushebungen zum Militärdienst. Auch Bielitz bekommt diese Unruhe zu spüren. Am 4.10.1682 fallen un ter ihrem Führer Petroczy, aus Saybusch kommend, Tökölys Scharen in 206
Bielitz ein. Ein Jahr später belagern sie Frankstadt und Neutitschein, die sich tapfer wehren. Die Zeiten scheinen günstig für solche Vorhaben zu sein, denn Kara Mustapha zieht gegen Wien, der Kaiser flüchtet nach Passau. Neben dem drohenden Türkenangriff sieht sich der Kaiser auch süd lich unserer Berge endlosen Aufständen gegenüber, und hält, wo er nieder gerungen wird, blutiges Strafgericht Sein Bündnis mit dem König von Polen veranlaßt diesen, Hilfstruppen zur Verfügung zu stellen. Sie ziehen auch durch Schlesiens Süden. Deutsch-Piekar, Ratibor und Troppau liegen auf ihrem Weg. Auch in Schwarzwasser meldet man durchziehende Teüe des Entsatzheeres. Die ar me Gemeinde muß 292 Gulden an die Söldner entrichten. Im Osten, in unserem Nachbarland Polen, war die Geschichte wie schon angedeutet, auch nicht gerade glücklich verlaufen. Polen verlor seine nördlichen Provinzen an Schweden, und große Teile der Ukraine gingen an Rußland. Das polnische Staatsgebilde stand kurz vor der Aufteilung zwi schen Schweden, Brandenburg und Siebenbürgen. Darüber hinaus mußte der polnische König 1657 die Lehenshoheit über Ostpreußen aufgeben. Unser Land, das noch aus den Wunden des Dreißigjährigen Krieges blu tete, kam nach kurzer Zeit in den Bannkreis dieser Gefahren. Im benach barten Polen erhob man Einspruch gegen die Thronbesteigung Karls X. Gustav von Schweden. Es war dies eine für ihn willkommene Fügung, sich mit dem König von Polen, Johann-Kasimir, aus dem Hause Wasa auseinan derzusetzen. Er marschierte nach Polen. 1654 wird Krakau, 1655 Tarnów (130 km von Bielitz entfernt) von den Schweden besetzt, der König flüchtet in das österreichische Schlesien nach Oppeln. 1656 wird Warschau von einem schwedisch-brandenburgisch-preußischen Heer unter Karl X. von Schweden besetzt. Es ist interessant zu hö ren, daß zu dieser Zeit im Warschauer Schloß und in der Jesuitenkirche deutsch gepredigt wurde. Im Jahr zuvor wird auch Tschenstochau durch deutsche Söldner unter ihrem Obersten Burkhard Müller von der Lühnen angegriffen. Nur ein Wunder konnte das Land retten. Und dieses Wunder geschah im Kloster Jasna Gora in Tschenstochau. Es ging nicht vom Adel oder den herrschen den Schichten aus, vielmehr riß der Klerus mit den gläubigen Massen den M ut wieder hoch. Der alte Gegensatz zwischen Polen und Deutschen, ver stärkt durch den Glaubensunterschied, gab den Antrieb zum Widerstand gegen die Eindringlinge, meist Deutsche in schwedischem Sold. 207
Man entschloß sich, die „Schwarze Madonna” und das Kloster, das sie beherbergt, zu verteidigen. Die Belagerung mußte abgebrochen werden. Ein österreichisches Heer vertreibt die Schweden aus Krakau (1657). Der Versuch, nach Polen zurückzukehren, führte Johann-Kasimir auch durch unser Land. Mit einem Gefolge von nahezu 2000 Personen zog er durch Teschen über den Jablunkapaß, um über Ungarn in das östliche Polen, nach Lemberg, zu gelangen, wo sich die Patrioten sammelten. Die Begeisterung der Stunde nutzte Johann-Kasimir zu einem Gelöbnis. Er er klärte die heilige Muttergottes von Tschenstochau zur Königin und Schutz patronin von ganz Polen. Seit dieser Zeit gilt Tschenstochau bis heute, im jetzigen kommunistischen Staat, neben der Königsgruft am Wawel in Kra kau immer noch als nationales Heüigtum. Johann II. Kasimir verdankt Lemberg seine Universität, die er 1661 grün dete. All diese Vorgänge bannten aber die Gefahr eines erneuten schwedi schen Einfalles nicht. Nicht nur in Teschen, sondern auch in Bielitz, das ja ganz an der Grenze zu Polen lag, wurden Verbesserungen und Verstärkun gen der Verteidigungsanlagen durchgeführt. Ihre Benutzung trat nicht ein. König Karl X. Gustav wandte sich dem dänischen Krieg zu und überließ die Verteidigung seiner Stellung in Polen dem Kurfürsten von Brandenburg. Durch die Vermittlung Leopolds I., der die brandenburgische Stimme für seine Kaiserwahl benötigte, wurde ein Ausgleich zwischen den Kurfür sten und Polen erreicht. Der spätere Frieden von Oliva (1660) beseitigte die Kriegsgefahr wenigstens zunächst einmal für unser Gebiet. Der polnische König dankt 1668 ab (Joh.-Kasimir, der letzte polnische Herrscher aus dem Hause Wasa), geht nach Frankreich und stirbt 1672 in Nevers. Polen ist Spielball fremder Mächte geworden. Im Jahr 1657 bestieg Leopold I. den deutschen Kaiserthron. Am 17.3.1657 wurde der Landeshauptmann von Schweidnitz-Jauer, Otto Frei herr von Nostitz, von Kaiser Leopold I. beauftragt, sich mit dem Hofkanzler Franz Schindler nach Teschen zu begeben, um die Übergabe des Herzog tums in seinem Namen zu vollziehen, welches dann Leopold I. fast 50 Jahre lang regierte. Bei der Huldigung der Stände von ganz Schlesien war unser Herzogtum in Breslau auch mit vertreten. Kaiser Leopolds I. Regierungszeit war zum Großteil mit Kriegen ange füllt. Im Inneren war in dieser langen Regierungszeit leider nur wenig Aufschwung festzustellen. Wir kommen darauf noch zu sprechen. Und in 208
den äußeren Angelegenheiten nahmen die Auseinandersetzungen mit Ludwig XIV. von Frankreich breiten Raum ein. In Kaiser Leopold I. und Ludwig XIV. standen sich der Gegensatz zweier politisch wie seelisch-geistig grundverschiedener Haltungen gegen über. Obwohl für uns weiter weg, sollen sie doch kurz erwähnt sein, sie hiel ten damals Europa in Atem. Ludwig XIV, der siegreiche Sonnenkönig, voll Beweglichkeit und An passung, selbstbewußt, Repräsentant des modernen absoluten Staates, stand gegen Leopold L, der, eingezwängt in das steife spanische Zeremo niell, tief religiös, völlig von seinen Beratern abhängig, im Bann der kirch lich-rechtlichen Tradition, aber auch erfüllt von der Würde seines Herrschertums, Mühe hatte, nachdem er 1654/1655 zum König von Böhmen und Ungarn gewählt worden war, die französischen Bestrebungen abzu wehren, einen den Franzosen genehmen Bewerber zum Kaiser zu wählen. 1658 bestieg er den deutschen Thron. Die Auseinandersetzungen mit Ludwig XIV, an welchen sicherlich so mancher tapfere Soldat aus unserem Lande teilnahm, lagen wohl für uns zu weitab, wichtiger für die Geschichte unseres Landes waren die Kämpfe mit den Türken, und mit ihnen standen ja in enger Beziehung die Erhebungen der Ungarn, welche ihre politische und religiöse Freiheit gegen die Angriffe der Hofpartei des bei den Jesuiten erzogenen Kaisers verteidigen mußten. Seit Rakoczy, Wojwode von Siebenbürgen, sich am schwedisch-polnischen Krieg beteüigte, waren in Ungarn schlechte Zeitea Der türkische Großwesir drang in das unter Leopolds Herrschaft stehende Gebiet ein, und neben Neuhäusel, das 1663 fiel, gingen auch Orte im Nordwesten Ungarns verlo ren. Teile der türkischen Truppen drangen bis Mähren vor. Wenige Kilome ter südlich unserer Beskiden zog der bedrohliche Feind. Ein tatarisches Streifkorps drang, wie berichtet wird, wohl auch bis in die Nähe des Jablunkapasses vor. Der Bedrohung, welcher unser Land aus gesetzt war, begegnete der Teschener Stadtrat dadurch, daß er die Bevölke rung militärisch organisierte, die Wachen auf dem Paß verstärkte und Er kundigungszüge bis in das ungarische Gebiet hinüber ausführen ließ. Wenn auch kein Feind unser Land betrat, so wurde es nun doch wieder durch Ein quartierungen und Verpflegungen durchziehender kaiserlicher und Reichs truppen in starke Mitleidenschaft gezogen. Der pfalzgräfliche Regiments stab kostete zum Beispiel die Stadt Teschen über 2306 Gulden, und auch die Kammerherrschaften Skotschau und Schwarzwasser mußten ihren Teil be 209
rappen. Der Friede von Vasvar beendete den ersten Türkenkrieg. Deutsche, österreichische und französische Truppen wurden von Montecucoli, Ho henlohe, Coligny und Feuillade, und die türkischen vom Großwesir Ach med Köprülü befehligt. Die Chronik berichtet darüber unter anderem: „Souches und Heister befreien am 29. Juli das von dem Hospodar der Wala chei mit türkischen und tartarischen Völkern bedrängte Lewenz durch ein äußerst hartes Treffen. Montecucoli und Feuillade schlagen am 1. August 1664 bei St. Gotthard die entscheidende Schlacht, welche mit der völligen Niederlage der Türken endigte. Der Großwesir verlor 170000 Mann, teüs in der Schlacht, teils in dem hochangeschwollenen Flusse Raab.” Aber trotz Frieden fielen die Belastungen nicht fort, denn Teschen wur de nun neuerdings Garnisonsstadt und mußte 111 Mann einer Kompanie des Grafen Braida versorgen. Noch zwei Jahre lang mußten die Lasten ge tragen werden. Der Frieden von Vasvar (1664 - Eisenburg) befriedigte auch die Ungarn nicht. Nur mit Unmut ertrugen sie die Besatzungstruppen des Kaisers, und auch die Verfolgung der Evangelischen trug nicht zur Befriedung des Lan des bei, wie auch die errungenen militärischen Erfolge durch defensives Verhalten des Kaisers unausgenutzt blieben. Auch nach der Niederwerfung des Mägnatenaufstandes in Ungarn 1666 schwelte die Opposition der Ungarn fort. Das erneute Eingreifen des Kaisers, „in Hungaria die Sachen anders ein zurichten”, löste einen Bürgerkrieg aus, der erst zur Zeit des Nachfolgers Leopolds I. sein Ende fand. Leopold I. ließ Ungarn durch einen deutschen Gouverneur verwalten, an dessen Seite ein aus Ungarn und Deutschen zusammengesetzter Rat stand. Die Rebellen, die man „Kuruzzen” nannte, meist Protestanten, führ ten einen mit Erbitterung und Grausamkeit geführten Verteidigungskampf, der schließlich, als der 21jährige Graf Emmerich T ököly aus Käsmark in der Zips die Führung übernahm, beachtliche, nicht mehr zu übersehende Aus maße annahm. Sein Vater Stefan, Sproß einer nicht alten, aber ungemein reichen lutherischen Famüie, Nachkomme Georg Thurzos - die Famüie der Thurzos kommt auch in der Geschichte des Herzogtums Teschen zu Ehren -, starb, während er in der Burg Arva Widerstand leistete, bevor man ihn noch gefangennehmen konnte. Sohn Emmerich floh damals nach Sie benbürgen. Nun, auf den Gütern seiner Mutter erzogen, trug er, von Tatkraft und 210
Ehrgeiz erfüllt, seine Waffen sofort bis in das Arvaer Komitat, dem Land strich am Südrand unserer Beskiden. Seine Erfolge lassen den Kaiser ande re Wege in seiner ungarischen Politik beschreiten, doch von Ludwig XTV. angefeuert und von den Türken unterstützt, gaben sich die Rebellen noch nicht zufrieden. Am 12. September 1682 wird Tököly zum König von Un garn ernannt. Sein Beschützer, der Großwesir Kara Mustapha, wird aber im Jahr 1683 vor Wien geschlagen, und damit beginnt der Stern Tökölys zu sinken. Schritt für Schritt verliert er an Terrain, und als ihn der Pascha von Großwar dein gefangennehmen läßt, weil man in Tököly ein Hindernis für den Frie den sieht, legen seine Getreuen die Waffen nieder, um der Gefahr vorzu beugen, daß ihn die Türken an Kaiser Leopold I. ausliefern. Auch das letzte Bollwerk öffnet auf Anraten des alten Kuruzzen Stefan Petröczy den kai serlichen Truppen die Tore.
Ungarn plündern Bielitz (1682). D ie Türken vor Wien geschlagen (1683). Rückblick auf fünf Jahrhunderte.
Und wieder zogen in dieser unruhigen Zeit Truppen durch unser Land. Re gimenter von Jung- und Alt-Holstein, Fürst Lothringen, Strasaldo, Düne wald und auch Dragoner von Gerhard marschieren südlich feindwärts. Trotz strengster Sicherungsmaßnahmen drangen am 4. Oktober 1682 Tökölysche Scharen unter dem eben genannten Petröczy in das von Mili tär entblößte Bielitz ein. Sie kamen über Saybusch. Nachdem sie zehn Spio ne in die Stadt gesandt hatten, die Vorgaben, Stoffe zu kaufen, wurden die Stadttore gesprengt und die Wachen niedergemacht. Fünf Stünden plün derten sie, verwundeten 30 und töteten 35 Personen, darunter auch den Erz priester und Stadtpfarrer von Bielitz, Christian Burian. Die Drohung, auch noch Pleß, Skotschau und Teschen heimzusuchen, wurde nicht mehr verwirklicht, obwohl Tököly sich des benachbarten Komitats Trentschin bemächtigte. Auch Budiatin wurde besetzt (ein Herr von Budiatin war später auch Herr von Bielitz). Wie schon gesagt, nahmen die Ereignisse für die Rebellen einen ungün stigen Verlauf, und statt des Bündnisses, das Tököly mit dem König von Polen schließen wollte, schloß Kaiser Leopold I. mit Johann Sobieski ein Schutz- und Trutzbündnis. Tököly, der später noch durch türkische Gnaden Fürst von Siebenbür 211
gen wurde, mußte sein Vaterland verlassen. Er wurde in der Türkei inter niert und starb 1705 in Ismid, dem alten Nikomedien in Kleinasien. Eine Gestalt, die rund um unser Land sich einen, wenn auch nur teilweise und zeitweise steilen Aufstieg erkämpfte, trat ab, und als er seine Augen schloß, loderte die Flam m e des Aufstandes in Ungarn wieder stärker als je zuvor. Ihm stand Franz Rakoczy II., der Stiefsohn Tökölys vor. Seit dem Jahr 1671 belagern die Tartaren Lemberg. Ein Mann, der für Polen Geschichte macht, rettet die Stadt, die in den ersten Jahren des 17. Jahrhunderts ihre Bernhardinerkirche erhalten hatte. Baumeister waren der Italiener Paolo Romano und nach seinem Tod der Schweizer Ambrosius, der „Gunstvolle” genannt. Der Retter der Stadt ist Johann Sobieski, seit 1667 Großkronfeldherr, der die Türken auch bei Chocim im Jahre 1673 besiegt. Er wird durch die Gunst Frankreichs am 19. Mai 1674 zum König ge wählt. Die Türkenstürme über Ostgalizien dauern bis 1676 an. Und nun scheint sich eine Sammlung der Bedrohten anzubahnen. Zu Ostern 1683 schloß Kaiser Leopold L, ohne daß es Frankreich ver hindern konnte, ein Militärbündnis mit Johann III. Sobieski von Polen. Das Bündnis m it Kaiser Leopold I. sollte Polen für eine Zeit mit in das Rampenlicht der Geschichte stellen, indem es sich an der Abwehr der da maligen akuten europäischen Gefahr, der Türkengefahr, beteiligte. Im Sommer des gleichen Jahres stehen die Türken bereits vor Wien. Reichstruppen unter Herzog Karl (V.) von Lothringen - zahlenmäßig ge ring - sperren westlich und nördlich von Wien die Straßen, bis sich ein Er satzheer in Oberösterreich sammelte. Mitte Juli beginnen die Türken mit der Belagerung Wiens. Die Verteidiger stehen unter dem Befehl Graf Rüdi gers von Starhemberg; 2000 Bürger, 3000 Mann aus den Berufsgruppen (Bäcker, Gastwirte, Studenten), insgesamt etwa 16000 Mann, davon ein Drittel kampfunfähig. Am 9.9.1683 war der letzte Osmanensturm abgewie sen worden. Wie sahen, wie rund um unsere Heimat - in mehr oder weniger großen Entfernungen - die Welt immer unruhiger wurde. Nun drängen die Ereig nisse ihrem Höhepunkt zu. Des Reiches Hauptstadt ist in höchster Gefahr. Mit einem Heer von etwa 20000 Mann zog Johann Sobieski durch das Teschener Land, um im letzten Augenblick gemeinsam mit deutschen Für sten und Heeren dem hartbedrängten Verteidiger von Wien, Fürst Ernst Rüdiger von Starhemberg, Hilfe und Ersatz zu bringen. 212
Die alte Chronik von 1805 schreibt darüber: Die Festungswerke Wiens waren, wie das erste Mal, in dem elendsten Zustand. Die Kontrescarpe - das ist die äußerste Grabenböschung - ohne Palisaden, es fehlte an Geschütz, Munition und Viktualien. Nur der Eifer und die treue Ergebenheit der edlen Bürgerschaft unter ihrem hochherzi gen Bürgermeister Liebenberg, ihr braver Stadtrichter und ein Komman dant wie Ernst Graf Rüdiger von Starhemberg konnten die Stadt, konnten Deutschland vom türkischen Joch fernhalten. Nur 13 800 Soldaten hatten sich an regulärem Militär mit der mutigen Bürgerschaft vereinigt. Die Bela gerer waren 270000 Mann. Keine der unzähligen Stürme, weder Hunger noch Seuchen konnten den M ut und die Treue der tapferen Belagerten erschütttern. Neun Wochen wurde die Stadt von dem ungeheuren Heere durch unzähliges Geschütz, durch Minen und Stürme unaufhörlich geängstigt. Endlich, als die Not am größten war, aber auch die Türken schon 48544 Mann, darunter drei Pa schas, sechzehn Janitscharen-Agas und Dörebeys sowie über 500 Oberoffi ziere verloren hatten, nahte am 11. September der heißersehnte Ersatz. An der Spitze des christlichen Heeres, das aus 45000 Mann bestand, stand als Rangältester Johann König von Polen Sobieski aus dem „kujavischen Stamme”. Der Herzog von Lothringen, Georg Friedrich, Kurfürst von Sachsen, Max Emanuel, Kurfürst und Herzog von Bayern, der Fürst von Waldeck, als Führer. Unter ihren Fahnen und unter dem römisch-deut schen Reichsadler fochten die Edelsten vieler deutscher Völker als Freiwil lige. Von den Reichsfürsten die Herzoge von Sachsen-Lauenburg, Weißen fels, Eisenach, von Holstein, Württemberg, Braunschweig, Pfalzneuburg, Croy, Markgraf Hermann und der nachher so berühmte Prinz Louis von Baden (Türkenlouis), Eugen von Savoyen, der Markgraf von Bayreuth, Landgraf von Hessen, die Fürsten von Anhalt und Salm usw. Da fühlte man noch ein deutsches Vaterland im Busen. Und der Bericht fährt weiter fort: „Der Herzog von Lothringen hatte während der Belagerung den Tököly bei Presburg und den Pascha von Großwardein bei Stammersdorf geschlagen. Unweit Tulln geschah die Vereinigung der anrückenden Hilfs heere. In Hollabrunn beschlossen Sobieski und der Herzog, den kürzeren, obschon beschwerlicheren Weg über den Rücken des Kahlenberges dem bequemeren über Presburg vorzuziehen, da die verzweiflungsvolle Lage der Stadt keinen Augenblick Aufschub mehr gestattete.” In Stetteldorf am Wagram, nördlich von Tulln, tagte im dortigen Schloß 213
der große Kriegsrat unter Johann Sobieski, ehe zum Entsatz von Wien ge zogen und die Donau bei Neuaigen überschritten wurde. Der Sobieskiturm hält die Erinnerung dort an dieses Ereignis wach. Insgesamt dürften etwa 11000 Bayern, 21000 Mann Reichstruppen, 8 000 Franken und Schwaben sowie 10000 Sachsen versammelt gewesen sein. Neben etwa 60-70000 Deutschen waren 26000 Polen beteiligt. Am 11. September abends verkündeten zahllose Raketen und drei Ka nonenschüsse von der Höhe des Kahlenberges dem hartbedrängten Wien die nahe Hilfe. Mit Sonnenaufgang am 12. September, nachdem die Feld herren auf dem Leopoldsberg die Messe gehört und der Polenkönig seinen Sohn zum Ritter geschlagen, bliesen die Trompeten zum Angriff. Als Kara Mustapha den ganzen Leopolds- und Kahlenberg von Waffen blitzen und sich bewegen sah, da trat weibische Furcht an die Stelle des ruhmredigen Trotzes. Nach hartnäckiger Schlacht, vielen einzelnen Ge fechten, Stürmen und Wendungen gewannen die Kaiserlichen und ihre Hilfsvölker das ganze Terrain. Der rechte und der linke Flügel der Türken, der Großwesir und Mohammeds heilige Fahne flohen. Schon um 6 Uhr abends bezog die christliche Armee das türkische Lager. Die Türken hatten die Schlacht verloren, sie flohen 50 Stunden in einem fort, ohne Essen und Trinken. In der Schlacht hatten sie 20000 Mann verloren, Lager und Ge schütz fielen mit unermeßlichen Vorräten, 370 Kanonen, vielen Fahnen und Roßschweifen, 5000 bepackten Kamelen, 10000 Ochsen usw. in die Hände der Sieger. Ungeheuer war die Beute in den noch stehenden 25 000 Gezeiten, sie wurde auf 1 Million Gulden geschätzt. Die Perle der ganzen Beute nahm mit Recht der Polen edler König für sich: Kara Mustaphas Gezelt mit einem baren Schatze von 2 Millionen in Gold und unzähligen Pia stersäcken, seine vor Gold strotzenden Waffen, Roßschweif und Leibpferd, eine herrliche Standarte von erhabener Goldarbeit, die geheime Kanz lei, die der König von Frankreich dem Sieger vielleicht am wenigsten ver gönnte. Sobieski zog im Triumphe mit den übrigen Generalen in Wien ein. Mit diesem Sieg vom 12.9.1683 wurde nun endlich unser Land von der Gefahr eines Türkeneinfalls befreit. Ich erwähne das Ereignis mit besonderer Absicht, denn durch das Ge lingen der Türkenabwehr hat sicherlich auch das Schicksal unserer Heimat eine entscheidende Wendung erfahren. Von nun an entfernte sich die seit langem wirksame Bedrohung aus dem Osten für lange Zeit. Für Ungarn be 214
deutete die Türkenherrschaft jedenfalls eine Katastrophe: Vor 500 Jahren war Ungarn eine europäische Großmacht und hatte etwas mehr Einwohner als England. Heute zählt England 50 Millionen Einwohner, Ungarn dagegen nur 9 Millionen. Der Blutverlust war so groß, daß 3 Jahrhunderte nicht ausreichten, sich zu erholen. Wenn auch in den nächsten 17 Jahren die Stürme noch nicht abebbten und sich noch eine Reihe von schweren Kämpfen und Schlachten ergaben, so war mit ihnen doch eine neue Periode für Europa angebrochen: das Ban ner des Reiches in den Händen der Habsburger widerstand, aber es vollen dete sich die allmähliche Absonderung Österreichs vom Reich. Der Schwerpunkt der Habsburger Besitzungen verschob sich nach Osten. Es schlug zwar die Geburtsstunde der österreichischen Großmacht, aber das Reich und seine Einheit erlitten die ersten Sprünge. Es war zu ahnen, daß die weitere Entwicklung vielleicht im Sinne dieser eben erwähnten Rich tung gehen könnte. Es folgten Siege bei Waitzen 1684, Gran 1685, bei Ofen 1686, bei Mohäcs 1687, 1692 bei Großwardein und 1697 bei Zentha. Unser Land betrat zwar keines Feindes Fuß, aber es zogen immer noch Truppen durch. Kurbayrische und Sächsische kamen und lagen im Jahr 1684 eine Weile im Land, ein Jahr später blieb ein fränkisches Regiment über den Winter im Teschnischen. 1689 traf ein starkes brandenburgisches Heer ein, das über den Jablunkapaß nach Budapest zog. Nach den obenerwähnten Siegen unter Karl von Lothringen, Ludwig von Baden, dem „Türkenlouis”, und Prinz Eugen folgte 1699 endlich der Friede von Karlowitz. Neben den deutschen Hilfstruppen für all diese Schlachten zogen auch Schweden und Dänen durchs Land, und Teschen beherbergte sogar eine kurze Zeit lang 3 000 Irländer in seinen Mauern, welche der englische König „zu Unseren Kriegsdiensten in Hungaria zu gebrauchen gratis überlassen hat”, und die von Hamburg quer durch Deutschland und Schlesien über den Jablunkapaß 1689 nach Ungarn zogen. Sie hinterließen ein ziemlich schlechtes Andenken, denn sie waren ein „böses und gottloses Volk”. Aus der aus der gleichen Zeit stammenden Chronik von Otipka war zu entnehmen, daß auch Bielitz hart mitgenommen wurde. Krieg, Pest und Hunger „haben der Bürgerschaft einen harten Stoß versetzt. Auf den Dör fern wurde Stroh mit etwas Kleie zu Brod verbacken und gemeine Kräuter 215
gekocht und gegeßen. Es ist im ganzen Lande eine solche Calamität gewe sen, daß man gen Himmel die Säufzer zu schicken genöthigt war”. Die laufenden Kriegshandlungen zur Zeit Friedrichs III., Leopolds I. und auch ihrer Nachfolger verschlangen natürlich enorme finanzielle Mit tel, so daß nicht nur die bestehenden Landesabgaben erhöht werden muß ten, sondern es war notwendig geworden, auch neue, direkte und indirekte, Steuern einzuführen. Zuschläge für Getränke, ein Mahlgroschen für jeden Scheffel Getreide, ein Fleischpfennig, eine Kopf-, Vieh-, Rauchfang-, Gesin de- und auch eine Judensteuer gab es schon im Jahre 1666. Genau wie heute wurde selbstverständlich über diese Entwicklung sehr geklagt, aber die Abgaben mußten eben doch bezahlt werden. Schlimmer war aber, daß über Steuerrückstände aus dieser Periode berichtet wird, was doch als ein beredtes Zeugnis dafür anzusehen ist, daß die Steuerkraft unse res Ländchens erschöpft zu sein schien. Es war aber nicht nur das Kriegsgeschehen mit seinen Durchzügen und Beschlagnahmen und die Steuerlast, die schwer auf dem Lande lasteten, sondern was noch mehr dem Gedeihen unseres Ländchens im Wege stand, war die Unduldsamkeit dieser Zeit. Für die Protestanten unseres Landes knüpften sich auch an Kaiser Leo pold I., den Herzog unseres Ländchens, keine guten Erinnerungen. Auch sein Verhalten gegenüber den Evangelischen war nicht anders als das seiner Vorgänger. Die materielle und geistige Wohlfahrt war auch unter ihm nicht besser geworden, vielmehr verließen zusätzlich ungezählte fleißige Unter tanen das heimatliche Land. Bereits unter Ferdinand IV. wurden die evangelischen Kirchen und Schulen geschlossen und die Lehrer und Prediger des Landes verwiesen. Unter Leopold I. wurden scharfe Weisungen erlassen für den Fall, daß sie etwa heimlich wieder ins Land kämen. Die evangelischen Stände, die da und dort auf ihren Höfen oder Schlössern ihren Untertanen Gelegenheit gaben, den verbotenen öffentlichen Gottesdienst mit Gesang und Vorlesen von Predigten zu absolvieren, wurden mit hohen Strafen bedroht. Auch Bitten und Klagen der Deputierten in Wien und Fürsprachen der Herzoge von Brieg, Liegnitz, der Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg und auch des Schwedenkönigs waren vergeblich. „Die Gegenreformation wur de mit Eifer fortgeführt”, schreibt Chronist Biermann. Eine „Eliminations-Kommission” wurde geschaffen, an deren Spitze Erzpriester Wenzel Otyk von Dobrzan aus Freistadt und Oberstleutnant 216
Steinkeller standen. Landeshauptmann Johann Friedrich Larisch, 1661 noch evangelisch, war nun ebenfalls sehr aktiv. Der Stadtrat von Teschen wurde mit Katholiken besetzt. Ausschreitungen gab es in Deutschleuten, Pleß, Skotschau und Bielitz. Und obwohl im Westfälischen Frieden den evangelischen Schlesiern erlaubt ist, auswärtige Kirchen zu besuchen, er läßt Kaiser Leopold I. ein Verbot des „Auslaufens” der Evangelischen nach Cadca in der ungarischen Slowakei, um dort dem evangelischen Gottes dienst beizuwohnen. Am härtesten trifft ein kaiserlicher Erlaß vom 22. Juli 1673, der ein Gebot der Herzogin Elisabeth-Lukretias erneuert, daß Bürger das Land verlassen müssen, falls sie innerhalb einer gewissen Zeit nicht ih ren Glauben wechseln. 1675 ist Teschen bereits wieder ganz katholisch. In Bielitz hält sich das Protestantische zunächst noch. Der evangelische Herr von Bielitz, Graf von Sunnegk, läßt es unangetastet und schützt es nach Möglichkeit noch. Auch in den gebirgigen Teilen des Landes erhielt sich die lutherische Lehre. Heimlich - so wird berichtet - schleichen sich Seelsorger ein, predi gen und spenden den Versammelten das Abendmahl. Erträglichere Zeiten brechen für die Evangelischen unseres Landes erst mit dem Regierungsantritt des duldsameren Kaisers Josef I. an. Seine kurze Regierungszeit (1705-1711) ist kriegerisch bewegt. Von den Habsburger Herrschern, die das Reich um die Wende des 18. Jahrhunderts noch einmal auf den Höhepunkt äußerer Macht führen, war Josef I. am stärksten vom erwachenden deutschen Nationalgefühl und vom stolzen Bewußtsein aufsteigender Macht und Größe des Hauses Habsburg durchdrungen. Sein temperamentvoller Geist setzt so manchen Wechsel in den wichtigsten Staatsämtern durch, so auch die Ernennung Prinz Eugens zum Präsidenten des Wiener Hofkriegsrates. Er führt energisch Krieg gegen Ludwig XTV. und ist in seinen Erfolgen mehrfach bedroht durch die ungari sche Erhebung unter Rakoczy und den drohenden Konflikt mit dem schwe dischen König Karl XII., der die Dänen und Russen und den König von Po len - die sich gegen ihn vereinigt hatten - niederzwingt. Durch Schlesien zieht er in das Kursächsische und nötigt August II. König von Polen und Kurfürst von Sachsen zum Frieden von Altranstädt (24.9.1706). Die sogenannte Altranstädter Konvention vom 22.8.1707 erneuert die Bestimmungen des Friedens von Osnabrück für die evangelischen Schle sier, und zwei Jahre später wird den Teschenem gestattet, eine von den 217
sechs bewilligten Gnadenkirchen in ihrer Stadt bauen zu dürfen. Ihr Grundstein wird am 24.5.1709 gelegt. Eine neu errichtete evangelische Schule entwickelt sich rasch. Neben den Elementargegenständen wird auch Griechisch, Latein, Hebräisch und Französisch gelehrt. Philosophie, Mathematik, Geschichte, Geographie und Musik treten hinzu. Kaiser Josefl. stirbt am 17.4.1711. Ihm folgt sein Bruder Karl VI., der letz te männliche Sproß des Hauses Habsburg. Sein oberster Grundsatz ist die Sicherung der Unteilbarkeit der österreichischen Länder, der sogenannten Pragmatischen Sanktion. Die schlesischen Fürsten und Stände erkennen dieses Erbfolgegesetz 1728 an. In Bielitz war im 17. Jahrhundert das Jahrhundert der Sunnegks abge laufen: 1594 bis 1601 regierte 7 Jahre lang Stephan von Sunnegk. Danach wird die hochverschuldete Herrschaft von einer Vormundschaft verwaltet, die sie an Wenzel Przyszowski verpachtet. 1616 tritt Johann II. die Regierung an und behält sie bis 1628, dann folgt Graf von Schlick für drei Jahre, der sie von des Fürsten Gläubigern zur Nutzung erhielt. Ab 1631 ist wieder Jo hann II. Herr von Bielitz bis 1641. Neunzehnjährig übernimmt Sohn Emmerich für zwölf Jahre das Regi ment (1648-1660). Er und sein Vorgänger erleben als Herren von Bielitz den 30jährigen Krieg und seine Folgezeit. Seine Zeit ist durch Auseinanderset zungen mit seinem Bruder Julius ausgefüllt, dann erfolgt noch die Erbtei lung. 1661 stirbt Emmerich, 1676 Julius. Den minderjährigen Sohn Julius-Gottlieb vertritt eine Vormundschaft, 1687 bis 1724 regiert er selbst als letzter Sunnegk. Dann wird die Herrschaft verkauft. So bewegt das Jahrhundert rundum war, so lebhaft war auch der Wech sel in der Herrschaft der mit Glück und Reichtum nicht gerade gesegneten Herrschaft Bielitz. Fünf Regierende und zwei Vormundschaften lösten ein ander nach verhältnismäßig kurzen Zeitspannen ab. 1671 durch Kaiser Leo pold I. in den Reichsgrafenstand erhoben, stirbt das Geschlecht am 29. August 1724 aus. Ein Sunnegk - Johann II. - war in zweiter Ehe mit Anna Thurzo von Bethlemsdorf (Bethlenfalva) und Gräfin von Arva verheiratet. Ein Sproß Johann von Thurzo - ging 1463 nach Krakau und war dort ab 1477 Ratsherr. Das Haus Thurzo (auch Turzo) wurde durch Kaiser Maximüian 1.1505 mit 218
dem Prädikat „von Bethlemsdorf” (Bethlenfalva) in den Freiherrenstand und 1598 durch Kaiser Rudolf II. in den Reichsgrafenstand, unter Verlei hung der Erb-Obergespanschaftswürde im Arvaer Komitat, erhoben. Die Söhne des Krakauer Thurzo wurden Bischöfe: Stanislaus 1497 bis 1540 in Olmütz, Johann V. 1506 bis 1520 in Breslau. Beide krönten König Ludwig II. von Ungarn und Böhmen. Alexius von Thurzo erwirbt 1517 das Fürstentum Wohlau mit Steinau und Raudten in Schlesien und die Herrschaft Pleß. Dieses alte Geschlecht Oberungarns - in ältester Zeit Herren auf Lichtenfels und Rauheneck - in Niederösterreich, wo sie ab 1200 den Beina men „die Tursen” (Riesen) annahmen, und von welchem auch die Grafen Henckel von Donnersmarck ihre Abstammung herleiten, kam durch die Heirat mit Anna nun auch mit Bielitz in Berührung. Das 17. Jahrhundert neigt sich seinem Ende zu. Es ist das vierte, in wel chem Bielitz und sein Land urkundlich Erwähnung finden. Dem Ruf der Könige Böhmens, Ungarns und Polen folgend, strömt ab dem 11. Jahrhun dert eine wahre Völkerwanderung nach dem Osten und siedelt sich auch beiderseits der Sudeten und auch der Karpaten an. Im 12. Jahrhundert schwoll der Zuzug einzelner deutscher Siedler zu einer mächtigen Kolonisationsbewegung an. Sie wirken als Städtebauer, Rodebauern und als Bergleute. Wenn Böhmen, der Süden Schlesiens und der Norden Ungarns Goldländer des Mittelalters wurden, so war dies der Arbeit der deutschen Bergleute zu danken. Im 13. Jahrhundert erfuhr diese Kolonisationsarbeit eine ungeheure Ge fährdung durch den Einfall der mongolischen Tartaren, durch den das Werk der deutschen Siedler im ungarischen und polnischen Raum schwerste Ein bußen erlitt. Nach dem Tatareneinfall setzt ein machtvoller Aufstieg im Osten zwi schen Schlesien und Kroatien ein. Die „königlichen Gäste” erhalten Vor rechte, die freien Gästegemeinden entwickeln sich zu königlichen Städten. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts verlangsamt sich das koloni satorische Ausgreifen. Das Erworbene gilt es zu sichern, auch scheint die Anziehungskraft der an Volkszahl und Reichtum wachsenden deutschen Binnenstädte größer zu sein als jene des ostdeutschen Koloniallandes. Im 14. Jahrhundert versiegt der Kolonistenstrom nahezu vollkommen. Für den Ausbau der deutschen Siedlungsräume verbleiben nur mehr be scheidene Möglichkeiten. Der Raum Großpolens und das Innere Böhmens 219
schieden ganz aus. Es blieben nur die Gebiete längs der Ostsee im Norden, die Karpaten in der Mitte und die Alpen und der Karst im Süden. So bilden sich nun auch drei weit in das nicht deutschbesiedelte Gebiet vorspringende Landschaften heraus: Preußen, Schlesien und Österreich. Vor diesen deut schen Grenzlanden bilden sich oder erhalten sich nur mehr deutsche Sprachinseln, deren Zusammenhang unterbrochen oder nicht mehr ge schlossen werden konnte. So entstanden in den Landschaften an der Grenze Ungarns gegen Schle sien und Polen eine Anzahl deutscher Ansiedlungen, zum Teil auch Toch tersiedlungen älterer Orte. Das junge Deutschtum Schlesiens schickte einen mächtigen Kolonistenstrom über die Beskiden-Pässe bis tief in den ungarischen Süden. Bis Bartfeld und Preschau reichen diese Ausstrahlun gen. Im nördlichen Karpatenvorland greift die Besiedlung aus Schlesien bis nach „Rotreussen” (Galizien) aus. Lemberg erhält 1356 deutsches Stadt recht durch König Kasimir III. den Großen. Schlesier haben eine Brücke von ihrer Fernhandelsstadt Krakau aus nach dorthin gebaut. Südlich der Karpaten entstehen deutsche Bergstädte: Neustadt/Nagybanya undMittelstadt/Felsöbanya. Im Innern Deutschlands war die einheitliche Königsmacht vom 13. Jahrhundert an zunehmend wachsenden Territorialstaaten gewichen. W äh rend der deutschen Westen in dieser machtlosen Kleinstaaterei versank, verlagerte sich nun das Schwergewicht der deutschen politischen Geschich te ganz deutlich dem Osten mit seinen neuen großen Landesherrschaften zu. Hand in Hand mit der Ostsiedlung entstand aber in den großen Koloni sationsstaaten Böhmen, Mähren, Polen und Ungarn ein gewisser Wider stand. Böhmen errang im 12. Jahrhundert schon den Königstitel im Rah men des deutschen Reiches, Polen und Ungarn waren im 13. Jahrhundert „Großmächte” im damaligen Sinn und erreichten im 14. Jahrhundert den Höhepunkt ihrer Macht. Wir beobachten, daß in diesem Jahrhundert die Kräfte der Ostbewe gung auf breiter Front erlahmen, steckenbleiben oder zu verlöschen begin nen. Das Selbstbewußtsein der Einheimischen wächst. Hand in Hand da mit ereignen sich große staatspolitische Verschiebungen: Polen-Litauen wird die Führungsmacht Osteuropas, drei Jahre später erringen die Türken die Vorherrschaft auf dem inneren Balkan (Amselfeld 1389). Weitere acht Jahre danach schließen sich die nordischen Staaten zur 220
Kalmarer Union, zu einem Einheitsstaat, zusammen. Die Verschiebung der Kräfte ist nun ganz deutlich. Am Ost- und am Nordrand des immer mehr zerfallenden und sich in einzelne Territorialstaaten auflösenden Deutschen Reiches erhoben sich neue machtvolle Staatsgebilde. Die nationalkirchliche Revolution der Tschechen löst das so wichtige Königreich Böhmen sogar aus dem deut schen Reichsverband und kann nach schweren Kämpfen nur wieder (1419 bis 1434) in eine lockere und oft problematische Verbindung zum Reich ge bracht werden. Nebeneinander stehen nun einzelne Nationalstaaten: Frankreich, allen voran, dann England, im Herzen Europas das Silberland Böhmen, dann das Goldland Ungarn und Polen als Osteuropas führende Großmacht. Schritt macher in der neuen Entwicklung ist Frankreich, Deutschlands Vorrang stellung wird zurückgedrängt. Besonders im Osten lehnen sich Tschechen, Polen und Ungarn gegen die deutsche Vorrangstellung auf. Das deutsche Element wird durch das ganze 15. und 16. Jahrhundert zurückgedrängt, die deutschen Bürgerstädte des Ostlandes geraten Schritt um Schritt in die Hände des fremdvölkischen Elements. Auch unser Land ist davon nicht ausgenommen. Die Verluste, die das Deutschtum hinnehmen muß, sind erschreckend. Manche Gegen den werden wieder wüst Ihr Umfang wächst zunehmend bis ins 15. Jahr hundert. Dorffluren werden wieder vom Wald überzogen, so daß später eine völlige Neurodung nötig ist Eine Landflucht größten Ausmaßes setzt ein. Der gesellschaftliche Vorrang der Deutschen - vor allem in den Städ ten - wird abgelehnt und bekämpft, die deutsche Schwungkraft erlahmt auf allen Ebenen des Lebens, insbesondere in der Politik und in der kolonisato rischen Bewegung. So erklären sich die Erfolge der nichtdeutschen Völker. Auf weiten Strecken geht das Deutschtum zugrunde. Der Siedlungsrückgang kommt Ende des 15. Jahrhunderts zum Still stand. Seit den 20er und 30er Jahren des 16. Jahrhunderts zeigt sich im ge samten Osten das Aufleben der deutschen Siedlungstätigkeit. Ihre größten Erfolge zeitigt sie im schlesischen und böhmischen Land. Die Grenze des geschlossenen deutschen Sprachraumes wird dadurch bis zu 75 km nach Osten verschoben. Manche Neugründung entsteht Polens Macht verfallt in diesem Jahrhundert, eine neue Macht entsteht im Osten: Rußland. Es gerät auch in Gegensatz zu Polen-Litauen. Polen muß weite Gebiete abtreten. 221
Neue Schwungkraft zeigt die Reformation, deren Ausstrahlung bis zum Balkan und bis nach Konstantinopel reicht, sie verändert Deutschland und seine Nachbarländer in nachhaltiger Weise. Aber das religiöse und völki sche Schicksal des deutschen Ostens entschied sich in den Räumen Osteu ropas: in Böhmen, Ungarn und Polen. Hier blieb die alte Kirche in weiten Teilen schließlich doch siegreich. Der endliche Ausgang des Kampfes mit der Gegenreformation ist dem Ostdeutschtum zum Schicksal geworden. Am Ausgang des 16. Jahrhunderts war die alte Kirche wieder im siegreichen Vordringen. Zu den nationalen kamen jetzt auch religiöse Gegensätze. Evangelisch erschien von jetzt ab als deutsch, katholisch dagegen als pol nisch, wenn es unser Land betraf. Soweit Polen evangelisch wurde, bemüh te man sich in der Sandomirer Verständigung (1570) um Einigkeit der neuen Lehren im Lande des Calvinismus und des Luthertums und der Böhmi schen Brüder, der Erfolg war aber von kurzer Dauer. Seit 1573 sicherte zwar die „Warschauer Konföderation” den Nichtkatholiken (Dissidenten) die Gewissens- und Glaubensfreiheit zu, letztlich siegt doch die Gegenrefor mation - genau wie in Deutschland - mit Hilfe der weltlichen Macht der Herrscherhäuser. Noch im 17. Jahrhundert genossen die protestantischen Gemeinden den Schutz einiger Adelsfamilien - insbesondere der Radziwills -, aber seit der Thronbesteigung der Wettiner (1697) setzt ein schärferer Kurs gegen sie ein. Südlich unserer Berge im Ungarland ist die Gefahr aus dem Südosten auch im ganzen 17. Jahrhundert nicht gebannt. Seit die Türken 1529 vor Wien standen, sind die darauffolgenden eineinhalb Jahrhunderte unauf hörlich mit Abwehrkämpfen ausgefüllt. Bezeichnend für die damalige Auf fassung über diesen Kleinkrieg war, daß von der österreichischen und der türkischen Regierung einvemehmlich Einfälle, die nicht mehr als 3000 Mann stark waren und ohne Artillerie durchgeführt wurden, gar nicht als Friedensbruch angesehen wurden. Unsere Heimat erlebte diese ganzen Kriegsschrecken nicht, wurde aber von den durchziehenden Truppen das ganze lange Jahrhundert hindurch bis aufs Blut ausgesaugt. Es ist darüber ausführlich berichtet worden. Das Jahr 1683 brachte die Wende, von hier an wich die Angst und das Leiden. Habsburg errang das Land südlich des riesigen Karpatenbogens. Dem Beispiel der Habsburger folgend, versuchten auch Kursachsen 222
und Preußen ihre Macht nach Osten auszubreiten. Es setzte ein völliger Wandel in der Politik und in der Lagerung unserer Heimat ein. Der sächsische Kurfürst August I. der Starke erreichte, daß ihn die pol nischen Stände 1697 zum polnischen König wählten. Zwei Menschenalter hindurch, wenn auch mit Unterbrechungen und unter Wirren, herrschte das sächsische Haus der Wettiner in Polen, was nicht ohne beträchtlichen kulturellen und wirtschaftlichen Einfluß und Nutzen für Polen war.
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DAS 18. JAHRHUNDERT Geht es Deutschland gut, geht es auch dem Grenzland gut. 1722: Österreichi sche Vermessung Schlesiens. Die „Reichsfürstin von Teschen”. Die Teschener Gnadenkirche. Die sächsischen Kurfürsten werden Könige von Polen (Au gust II., AugustHL). Geschehnisse in Schlesien. Im Südosten: Der Friede von Karlowitz (1699). Der Schwerpunkt des Habsburgerreiches verschiebt sich, Deutschland und Rußland werden Großmächte. Polens Macht versinkt. Die Sunnegks sterben in Bielitz aus (1724). Biala erhält Stadtrechte (1723) - Die Solms Herren in Bielitz (1728). Die schlesischen Kriege, Schlesien wird geteilt (1742). 1743: Die von Haugwitz Herren von Bielitz. 1752: Von Sulkowski wird Herr auf Bielitz für 193 Jahre. 1755: Graf von Brühl wird Herr in KunzendotfBiala. Der Friede von Hubertusburg (1763), die Schlesier leben von jetzt an in zwei deutschen Staaten. Der preußisch-österreichische Dualismus. Bielitz in dieser Zeit. 1772: Das Bialaer Land an Österreich. Die Bielitzer Tuchmacherei nimmt Aufschwung. Die „Kaiserstraßen” entstehen. 1782: Unser Land mit Mähren vereinigt. Die Sulkowskis in Bielitz (bis 1792).
Geht es Deutschland gut, geht es auch dem Grenzland gut. 1722: Österreichi sche Vermessung Schlesiens. D ie Teschener Gnadenkirche. D ie sächsischen Kurfürsten werden Könige von Polen. Geschehnisse in Schlesien. Im Süd osten: Der Friede von Karlowitz (1699). Der Schwerpunkt des Hahsburgerreiches verschiebt sich, Deutschland und Rußland werden Großmächte. Polens Macht versinkt D ie Sunnegks sterben aus (1724). Biala erhält Stadtrechte.
Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg-Preußen benutzte die Verwicklun gen des Nordischen Krieges (1700-1721), um sich 1701 in Königsberg zum König „in Preußen” zu machen. Um die völkerrechtliche Anerkennung die ses neuen Königstitels mußte freilich noch einige Zeit diplomatisch gerun gen werden. Und das Haus der holsteinischen Herzogsfamilie wurde sogar auf den russischen Thron berufen: Herzog Karl Peter Ullrich von Holstein-Gottorp wurde von seiner Tante, der russischen Kaiserin Elisabeth (1741-1762), als Peter III. zum Thronfolger erklärt. Wir hören auch hiervon noch. Das beginnende 18. Jahrhundert hatte so neben der völlig gewandelten 224
politischen Situation auch einige kriegerische Auseinandersetzungen zum Inhalt: Rußland, Polen-Sachsen und Dänemark waren im Nordischen Krieg gegen Schweden verwickelt, Karl XII. zieht 1702 in Bochnia (Salz berg) und in Warschau ein, am 24.9.1706 wird der Frieden von Altranstädt geschlossen. Der sächsische Kurfürst verliert den polnischen Thron. Auch dieses ganze Geschehen bleibt nicht ohne Einwirkung auf unser Ländchen. Ruhe erhält es noch immer nicht. Ganz Europa befindet sich im Krieg, und das zu einem Zeitpunkt, zu dem erst 50,6% des Festlandes unserer Erde und nicht mehr als 64,7 % ihrer Wasseroberfläche bekannt ist, also wichtigere und gewinnbringendere Auf gaben ihrer Lösung harrten! Doch diese Chance nützen andere Mächte aus, Deutschland ist leider nicht dabei. Warum nun diese Zusammenfassung über vier Jahrhunderte? Die Schilderung dieser so ungemein bewegten Zeiten soll dem Leser vor Augen führen, in welch engem Zusammenhang das Wohl und Wehe des Grenzlan des, und somit auch unserer Beskidenheimat, mit der jeweiligen Machtstel lung Deutschlands im Konzert der europäischen Großen stand und auch noch heute steht. War Deutschland stark, ging es dem Deutschtum außer halb der Grenzen Österreichs oder des Deutschen Reiches auch gut. War es ohnmächtig, wie so oft in seiner Geschichte, erlitten das Grenzland und sei ne deutschen Menschen schwerste Verluste. Wohl nur die Bewohner des Grenzlandes können diese Tatsachen richtig beurteilen und einschätzen. Die meisten Entscheidungen fallen ohne sein Zutun und ohne seinen Rat schlag und seine Erfahrungen im Umgang mit den Nachbarvölkern in An spruch zu nehmen. Aus dem schlesischen Land könnte auch noch aus der Zeit der Wende des 17. zum 18. Jahrhundert berichtet werden, daß man 1702 die in Schlesien erstmals gezüchteten Ananasfrüchte Kaiser Leopold I. zum Geschenk ma chen konnte. Über die kartographischen Fortschritte weiß man, daß die Landkarte Kühnows vom schlesischen Bergland wesentlich besser ausfiel als ihre Vor gänger aus den Jahren 1602 bis 1664. Eine schöpferische Tätigkeit in der Landeskunde erwachte allerdings erst im 18. Jahrhundert. Noch die öster reichischen staatlichen Stellen schritten zu einer ersten genaueren Landes aufnahme, als Kaiser Karl VI. 1720 den schlesischen Ständen die Anregung gibt, nach Böhmen und Mähren nun auch für die Vermessung Schlesiens Mittel zu bewilligen. Das geschah 1722. 225
1723 bis 1732 war Ingenieurleutnant Wieland mit dieser Aufgabe befaßt, 1735 bis 1740 wurde diese Aufnahme von Leutnant Schubart revidiert. Eine besondere Rolle spielte um die Jahreswende eine Reichsfürstin von Teschen. (gest. 1743). König August II. der Starke von Sachsen-Polen war seit 1697 mit Ursula Katharina Fürstin Lubomirska, geborene von Böckum (Tochter des Truch seß von Litauen, ein zugewanderter Franzose) befreundet, die auch am Dresdner Hof lebte. Ihr Gatte war Georg Dominik Fürst Lubomirski, kö niglicher Kronoberkammerherr. Als Ursula Katharina August dem Starken 1704 einen Sohn schenkte, wurde sie von Kaiser Leopold I. zur „Reichsfür stin von Teschen” erhoben. August soll dabei vermittelt haben. Der Sohn Johann-Georg, in der Geschichte als „Chevalier de Saxe” be kannt, wurde später sächsischer Feldmarschall und Reorganisator des säch sischen Heeres nach dem 7jährigen Krieg. Er starb 1774 in hohem Ansehen als Malteserritter und Gouverneur von Dresden. Als Ursula-Katharina in Ungnade fiel, zog sie sich nach Breslau zurück und intrigierte gegen den König mit Hilfe des letzten Sohnes von Sobieski, des Prinzen Alexander von Polen, und begab sich nach dessen Tod auf ihr Gut Hoyerswerda in Niederschlesien. Die Herrschaft gehörte 1582 bis 1620 Seifried von Promnitz und von 1705 bis 1737 Ursula-Katharina, Fürstin von Teschen. Anschließend lebte sie in Dresden in morganatischer Ehe mit Prinz Ludwig, dem Bruder des regierenden württembergischen Herzogs Karl-Alexander. Sie wohnte dort im sogenannten „Württembergischen Pa lais” (Beichlingsches Haus) auf der Pimaer Straße, einem königlichen Ge schenk, dem späteren „Hotel de Saxe”. Ursula-Katharina starb 1743. Es war eine Laune der damaligen Fürstenzeit, wenn der Kaiser eine Frau zur Fürstin von Teschen ernannte, also ihr einen Titel und Rang ver lieh, welchen seine eigenen Gemahlinnen Margarete von Spanien, dann Claudia-Felicitas von Tirol und zuletzt Eleonore-Magdalene von PfalzZweibrücken besaßen, war doch der Kaiser selbst der Reichsfürst von Te schen. Am 21.9.1706 betritt der Schwedenkönig Karl XII. schlesischen Boden. Er zieht durch Schlesien, ohne den Kaiser zu fragen, und erklärt sich zum Beschützer dieses Landes. Quartier nimmt er in Altranstädt wenige Kilo meter westlich Leipzigs. Der dort abgeschlossenen Konvention verdankt die Teschener Gnadenkirche ihr Entstehen. In Altranstädt muß auch König August II. von Sachsen-Polen auf den polnischen Thron verzichten, was 226
aber durch Karls Niederlage bei Poltawa (8.8.1707) wieder aufgehoben wird. Kaiser Josef I., der seit 1705 regiert, ist nicht in der Lage, Altranstädt abzu wehren, seine Heeresmacht weitab in den spanischen Erfolgekrieg verwikkelt. Das Volk Schlesiens sah in Karl XII. so etwas wie einen Retter. Nach Ab schluß der Konvention verläßt Karl Schlesien wieder. Die Teschener Gnadenkirche hatte für Oberschlesien - wir dürfen nicht vergessen, daß Oberschlesien damals noch ungeteilt war und zu Österreich gehörte - höchste Bedeutung, da die Protestanten ganz Oberschlesiens kei nen Ort hatten, wo sie ihre kirchlichen Bedürfnisse befriedigen konnten. Außer in Kreuzburg - das aber zu Brieg gehörte - gab es keine Möglichkeit, eine Kirche zu besuchen. Etwa 40000 Gläubige hielten sich an die Tesche ner Gnadenkirche, und an hohen Festtagen warteten oft 20000 Menschen, um in ihr den Gottesdienst feiern und die Sakramente empfangen zu kön nen. Graf Erdmann von Promnitz hätte sehr gerne eine Gnadenkirche in Pleß gesehen, förderte aber, nachdem ihm der Erfolg versagt war, ebenso eifrig die Teschener Kirche und baute das Pfarrhaus dazu. Im östlichen Teil von Teschen baute der Troppauer Baumeister Hausrucker 1709 ein Gottes haus. Ihr erster Pastor war Muthmann, er kam aus der Gemeinde Konstadt bei Kreuzburg und waltete 21 Jahre seines Amtes. Die Teschener Gemeinde wurde dem Konsistorium Brieg unterstellt. Nach der Teilung Schlesiens 1741 entstand in Teschen ein eigenes, das 1784 nach Wien verlegt wurde. Mit weit über 10000 Evangelischen bleibt Teschen auch nach der Teilung im mer noch die größte Gemeinde im Lande. Die erste Predigt hielt Muthmann am 2.6.1709. Es war die erste öffentli che Predigt nach 56 Jahren. Das Gotteshaus konnte 8000 Menschen Platz bieten, 5000 davon auf Sitzplätzen. In der zugleich genehmigten Schule wurde nach 50jähriger Pause der evangelische Glaube erstmals wieder ge lehrt, sie hielt sich nahezu 150 Jahre und wurde dann in ein Gymnasium umgestaltet. Es gab eine Reihe von Schwierigkeiten für Kirche und Schule. Aus Deutschland und Schweden kamen Stiftungen. Zugesandte Bücher wurden beschlagnahmt und auch öffentlich verbrannt. Pastoren wurde der Aufent halt erschwert oder sie wurden sogar ausgewiesen. 1714 schrieb König Fried rich von Preußen dieserhalb an den Kaiser in Wien. Die Unterdrückung der Evangelischen führte am 1.5.1736 zu einer Rebellion (Platzeit). Gegen Ende des 17. Jahrhunderts tritt nun auch ein Staat in das Ge 227
sichtsfeld unserer Geschichte, der bisher kaum nachhaltig Erwähnung fand: Sachsen. Durch den Frieden von Rijswijk im Westen entlastet, konnte auch dieses Land des Deutschen Reiches seine Diplomatie neu orientieren. Ihr Blick wendete sich auch in Sachsen nach Osten, nach Polen. Dort war im Juni 1696 König Johann Sobieski gestorben, so daß ein Wettbewerb um diesen verwaisten Thron einsetzte. Mit Unterstützung Kai ser Leopolds I. und des Papstes wurde letzten Endes der sächsische Kur fürst Friedrich I. August Sieger. Mit diesem Ereignis begann die europäi sche Periode Sachsens, wohl die einzige in seiner Geschichte. Voraussetzung und Preis für diese Hilfe war der Übertritt Friedrich-Au gusts zum katholischen Glauben, der auch 1697 in Baden bei Wien erfolgte. Der Protestantismus Deutschlands war so seiner Führung verlustig und das Haus Hohenzollern trat die Nachfolge hierin an. Am 15.9.1697 wurde der Kurfürst in Krakau als August II. zum polni schen König gekrönt. Es war einleuchtend, daß der König seine diplomatischen Fäden so spann, daß die notwendige und lang ersehnte Landverbindung zwischen Sachsen und Polen auf irgendeine Weise Wirklichkeit werden könnte. Doch waren diese Bemühungen in keiner Weise von Erfolg begleitet, denn das hierfür in Frage kommende Gebiet lag entweder im hohenzollerischen oder habsburgischen Machtbereich. August II. schloß sich mit Sachsen-Polen und Rußland mit Dänemark zu einem Bündnis gegen Schweden zusammen, und kam so in kriegerische Verwicklungen, als die Schweden durch Schlesien hindurch nach Sachsen marschierten. Letztlich wurde der König bei Kliszow nahe Krakau (nur 130 km nordöstlich von Bielitz) von Karl XII. von Schweden geschlagen (am 19.7.1702) und verlor auch in der Folge seinen polnischen Thron, erlangte ihn aber mit russischer Hilfe wieder, was auch Schweden 1719 anerkennen mußte. August II. hatte sich in Polen behauptet, allen Wirrnissen zum Trotz ist ihm die Befriedung des unruhigen Landes jedenfalls soweit gelungen, daß das Leben wieder lebenswert wurde; aber der Einfluß Rußlands war über mächtig. Seine Politik in Polen hatte aber auch den Erfolg, daß die Wahl sei nes Sohnes zum Nachfolger gesichert wurde. Friedrich-August II., als polnischer König August III., wurde evange lisch erzogen, trat aber, um die Nachfolge auf den polnischen Thron seines Vaters nicht zu gefährden, am 27.11.1712 in Bologna heimlich zum katholi228
sehen Glauben über. Dieses Geheimnis wurde erst durch den öffentlichen Übertritt 1717 bekannt. Die Krönung fand am 17.1.1734 in Krakau, durch Bi schof Lipski vorgenommen, statt. Augusts II. Gemahlin war, wie so oft auf dem polnischen Thron, eine deutsche Habsburgerprinzessin, die älteste Tochter Kaiser Josefs, MariaJosepha. Seit 1733 Kurfürst, überließ er die Regierungsgeschäfte seinem Minister Graf Sulkowski, dem späteren Herrn der Herrschaft Bielitz, und ab 1738 sei nem Nachfolger in diesem Amt, dem Grafen Brühl, dem späteren Besitzer des Adelslehens Kunzendorf-Biala. Eine eigenartige Fügung des Schicksals, daß diese beiden Männer, die in Dresden sich sicherlich nicht gerade freundlich gegenüberstanden, nun bei de nach ihrem Sturz aus hohen Ämtern in unser Land kamen, Nachbarn wurden und eine „sächsische” Insel schufen, die aber nie Teil einer früher so sehr erstrebten Landbrücke wurde. Die Geschicke Sachsens und auch Polens hatten längst eine andere Richtung eingeschlagen. August III. konnte mit russischer Hüfe seinen Gegner Stanislaus Lesz czyński vertreiben und lebte bis zu seinem Tod 1763 in Warschau. S ein Land war 1756 von Preußen besetzt worden. Der Hauptteil Schlesiens war inzwi schen schon seit 1741 preußischer Besitz. Das sächsische Zeitalter war zu Ende gegangen. Im polnischen Erbfolgekrieg nimmt Kaiser Karl VI. Partei für den Kur fürst von Sachsen, August III., gegen den französischen Kandidaten Stanis laus Leszczyński. Trotz der Nähe Polens hat der Krieg keine nennenswerten Folgen. Es werden größere Truppenteile zusammengezogen, um sich gegen Einfälle zu schützen. Aber dergleichen geschieht nichts. Es ist sicherlich interessant zu hören, daß wegen dieses polnischen Erb folgekrieges (1733-1735) im so fernen Moseltal es zur ersten und einzigen Schlacht dieses Krieges kam. Die Reichsarmee überschreitet unter dem Oberbefehl des greisen Prinzen Eugen den Rhein. Bei Klausen im Kreis Wittlich an der Mosel trifft die Reichsarmee unter Feldzeugmeister Graf Seckendorf auf die Franzosen und schlägt sie. Dadurch sind die Franzosen schneller geneigt, auf die Wünsche Habsburgs einzugehen. August III. erhält die polnische Krone, sein Gegenkandidat als Entschä digung das Land Lothringen mit der Anwartschaft Frankreichs auf dieses Land. 229
Stanislaus Leszczyński hat, so vermerkt die Stadtchronik von Zweibrükken in der Pfalz, in den Jahren 1714 bis 1719 als vertriebener polnischer Kö nig und Schützling König Karls XII. von Schweden in dieser Stadt gelebt. Er ließ vor der Stadt im Jahr 1717 das heute noch als Ruine vorhandene „Lust haus Tschifflick” erbauen. Die ihres Landes verlustigen Herzoge von Lothringen erhalten Toscana, nachdem ihnen schon früher unser Herzogtum als Lehen übergeben wur de. Es ist Herzog Leopold von Lothringen, der am 12. Mai 1722 unser Land von Kaiser Karl VI. übertragen erhält. Die Urkunde wird in Laxenberg aus gestellt. Mit dieser Urkunde übergibt der Kaiser sein „in Schlesien gelege nes ihm eigentümlich zuständiges Herzog- und Fürstentum Teschen samt allen Zugehörungen” Herzog Leopold von Lothringen und seinen Nach kommen männlicher und weiblicher Linie. Nach dem Aussterben der Lothringer soll das Land wieder der Krone Böhmens zufallen. Am 20. November 1721 stellt der Lothringer Herzog seinen Bevollmäch tigten in Lünneville die Ermächtigungsurkunde aus, an seiner Stelle das Herzogtum Teschen in Besitz zu nehmen. Unter großen Feierlichkeiten wird es durch die kaiserlichen Übergabekommissäre, die Grafen Henckel und Gellhorn, am 13. Juli 1772 dem neuen Herrn übereignet. Herzog Leopold von Lothringen selbst hat unser Land nie gesehen. Die neuen Lehensträger standen in einem etwas anderen Verhältnis zu ihren obersten Lehensherren, als es unter den Piastenfürsten zu den Köni gen von Böhmen der Fall war. Sie waren Besitzer der Kammergüter und Richter über ihre Untertanen, saßen auch im Fürstenkollegium Schlesiens, aber der erste Beamte des Landes und der Kopf der kaiserlichen politischen Behörden im Fürstentum und der Minderstandsherrschaften war der Lan deshauptmann. Er unterstand dem Oberamt in Breslau. Um diese Zeit wer den Graf Adam-Wenzel von Tenczyn und Graf Wratislaus von Mitro witz als Landeshauptleute genannt. Kaiser Karl VI. steht als letzter Kaiser, der „die Majestät des Reiches als Ordnungsmacht Mitteleuropas gegenüber dem vordrängenden Landesfür stentum verkörperte, am Ende des Versuchs, die Reichsidee zu erneuern, und wohl am Beginn der sich nun formenden österreichischen Staats- und Reichsidee”. Die Erbschaft auf die spanischen Besitzungen will er nicht auf geben. Ihretwillen kommt er den ungarischen Rebellen entgegen und stellt des Reiches Interessen am Rhein und im Elsaß zurück. Den Verlust der spa nischen Krone kann er aber trotzdem nicht abwenden. Er vernachlässigt 230
Rüstungen und Finanzen und strebt um so mehr die Sicherung des habs burgischen Besitzes und die Durchführung der Pragmatischen Sanktion an. Damit legt er ohne Frage die Grundlagen zur gesamtösterreichischen Staatsidee. Wir verlassen nun für kurze Zeit den Ablauf der Geschichte um unser schlesisches Land herum und wenden uns den Geschicken Schlesiens selbst zu in der Frage der Entwicklung einer eigenen ständischen schlesi schen Landesvertretung, die ja auch ihren Entstehungsprozeß durchma chen mußte, bis sie zu einer brauchbaren Form gedieh, die zum Wohle der Schlesier, ihrer Freiheit und ihrer Eigenart angewendet werden konnte. Die Veränderungen in den großen Dingen der Staatsführung, ihrer Form und ihrer Stärke blieben auch auf unsere Landesvertretung nicht ohne Auswir kung. Wir wollen zu diesem Zweck in das 14. Jahrhundert zurückblenden. Wie in allen Ländern, in denen mächtige Herrscher regierten, kam auch in Schlesien jener Augenblick, in welchem dieser seine Untertanen für die Aufgaben heranzog, die ihm als wichtig erschienen. In unserem Falle war es König Johann von Böhmen (1310-1346), der wiederholt außerordentliche Landes- und Kronsteuern forderte und den Adel des Landes zu Kriegsdien sten heranzog. Diese Forderungen machten allmählich die Zustimmung der Stände notwendig, die diese in allgemeinen Landesversammlungen gaben, deren Spuren sich für unser Betrachtungsgebiet schon vor Herzog Nikolaus II. von Troppau, also vor 1318, finden lassen. Die Entstehung der Landtage hängt unmittelbar mit der Entwicklung und vor allem mit der Stärkung und Erstarkung der korporativen Rechte des Landadels zusam men, für deren Formung in den südlichen Gegenden das mährische Recht Vorbild war. Zunächst gab es nur Adels- oder Fürstentage, aber seitdem das Troppauer Gebiet unmittelbar unter dem böhmischen König, dem deutschen Habsburger Ferdinand I. (1556-1564) stand, rief der Landes hauptmann (der erste war Otto Stosch von Kunitz und Branitz) im Jahr 1383 eigene Landtage in der Regel in Troppau zusammen. Die Stände waren autonom. Der Oberlandesherr konnte aber auch Druck auf die Körperschaft aus üben, indem er Privilegien oder die getroffene Wahl von Oberlandesoffizie ren nicht bestätigte, was aber weder von den Jagiellonen (Wladislaus und Ludwig) noch von den Habsburgem, bis über Ferdinand II. (gestorben 1637) hinaus, in Anspruch genommen wurde. So konnte noch Herzog Wenzel III. von Teschen und Oberglogau der 231
dortigen Landschaft bestätigen, daß sie einige Steuern zu geben nicht ver pflichtet sei. Er bestätigte die Privilegien und erließ eine Landesordnung am 24.4.1573, die bis in das 17. Jahrhundert in Geltung blieb. Auch als Teschen nach dem Tod von Elisabeth-Lukretia an das Haus Habsburg fiel, bestätigte Ferdinand IV. 1653 die alte Landesordnung Wen zels III. Auch noch im 18. Jahrhundert, als Teschen dem Hause Lothringen als Lehen zufiel, bestätigte Maria-Theresia 1750 den ganzen Inhalt der Lan desordnung Wenzels aus dem Jahr 1573. Eine ständische Wirksamkeit der Landtage erwuchs erst, als sich die Städte durch Entsendung von Abgeordneten aus Industrie und Bürger schaft als Repräsentanten dieser Bevölkerungsgruppen in den Landtagen beteiligten. Den Vorsitz führte der Herzog oder in seiner Vertretung der Landeshauptmann. Die Entstehung der Fürstentage reicht bis in die Zeit der Luxemburger Könige zurück (1310-1437), als infolge Zwistigkeiten unter den Fürsten aus dem Hause der Piasten, von denen sich die Herzoge von Beuthen, Teschen, Oppeln und Ratibor in den Schutz der böhmischen Krone begaben, der Kö nig von Böhmen Landesherr von Oberschlesien wurde. König Johann von Böhmen aus dem Hause Luxemburg nahm bei der Zusammenkunft der schlesischen Fürsten 1337 in Breslau die Huldigung der ihm lehenspflichti gen Fürsten an. Diese Zusammenkunft war eigentlich der erste schlesische Fürstentag. In der Folgezeit verfiel diese Zusammenkunft wieder in ihrer Regelmä ßigkeit und erst König Mathias I. Corvinus (1458-1490) förderte diese Fürstentage durch engere Bindung der schlesischen Fürsten und Stände in Fragen zur Handhabung des Landfriedens, der königlichen Autorität, der landesherrlichen Gewalt in Polizeisachen dadurch, daß er einen Oberlan deshauptmann für Schlesien im Jahr 1474 ernannte. Der erste war Stephan von Zapolya, Graf der Zips, zum Unwillen der Schlesier, die ja schon von König Wladislaus (1471-1516) die Zusicherung erhielten, fortan nur schlesi sche Fürsten zu obersten Landeshauptleuten zu bestimmen. Der Landeshauptmann wählte nach freiem Ermessen seine Räte und Diener. Dieses Kollegium war die Behörde, die sich das Oberamt nannte. Das Oberamt schrieb die Fürstentage aus, die zunehmend mehr die Be dürfnisse des gesamten Schlesien verhandelten. Zu ihm erschienen die regierenden Fürsten und Landesherren, die vornehmsten Städte, ihre Bür germeister oder Ratsherren. Der König entsandte gewöhnlich zwei bevoll 232
mächtigte Kommissare, meistens von Prag. Seltener waren es schlesische Fürsten, die er bestimmte. Ständische Behörden waren: das Generalsteueramt, dessen General steuereinnehmer zugleich die Aufsicht über die Kriegsvorräte der Stände führte. Die im Lande stehenden oder dem König zu Hilfe gestellten Trup pen wurden nur von den Ständen geworben und dienten nur ihnen. Der Fürstentag befahl im Lande Frieden zu halten, erließ Polizeiord nungen, Münzordnungen und gab Handels- und Armengesetze heraus. Eine weitere Institution war das Oberrecht, das zweimal im Jahr unter Vorsitz des Landeshauptmannes auf der Burg zu Breslau tagte. Vor dem Oberrecht (Gericht) mußte sogar der König als oberster Herzog Rede und Antwort stehen. Diese Einrichtung des Oberrechtes, von den Standesge nossen anerkannt und durch den Freibrief König Wladislaus’ im Jahr 1498 gestiftet, beendete die inneren Kriege. Der gesicherte Rechtzustand war auch die sicherste Schranke gegen Machtansprüche des Oberherzogs selbst In dieser Ordnung war Schlesien wohl mit Böhmen verbunden, aber ihm nicht untergeordnet. Ein Beschluß des Prager Landtages war ohne Zustim mung und Bestätigung durch den schlesischen Fürstentag in Schlesien nicht rechtsgültig. So war die Entwicklung der ständischen Verhältnisse, als 1526 die Habs burger (Ferdinand I.) nach der Schlacht bei Mohäcs auf den böhmischen Thron kam. Von da an sank die ständische Macht, bis das 18. Jahrhundert und das beginnende 19. Jahrhundert das Schauspiel eines Fürstentages erlebte, des sen einziges letztes Recht das der einwendungslosen Geldbewilligung war. Ferdinand I. verordnete schon 1546, daß Rechtshändel nicht mehr durch von ihm unabhängige Schöppenstühle, sondern durch das neue Appella tionsgericht in Prag erledigt werden. 1558 wurde zu Breslau die königliche Kammer errichtet „zur Erhaltung der alten, und Mehrung und Erweiterung der neuen Privilegien”. Auch schon ab 1548 forderte der König von den Erbfürstentümern gegen den Freibrief König Wladislaus’ - Ritterdienste über die Grenzen des Landes hinaus in Kriegen. Der König trat dem Fürstentag gegenüber im mer gebieterischer auf und untersagte ihm auch, diesen ohne Angabe von Gründen auszuschreiben. König Ferdinand führte die im Deutschen Reich geltende Münzordnung ein und nahm die Verteilung der Steuergelder an 233
sich. Das war nur möglich, als die kaiserliche Macht zunehmend erstarkte und jene der Stände zusammenschrumpfte. Die Landeshoheit stieg und strebte der unumschränkten Herrschaft überraschend schnell zu. Der Kaiser war im Begriff, wie im ganzen Römi schen Reich so auch in Schlesien ein „absolutum dominium” zu errichten. Die kaiserlichen Räte, deren Vorstand der Landeshauptmann war, ver traten nur die Interessen des Kaisers. Das Oberamt war Mittelsbehörde zwi schen dem Herrscher auf der einen und den Fürsten und Ständen auf der anderen Seite. Sein Präsident war der Oberlandeshauptmann. Nach 1620, der Schlacht am Weißen Berge, büßte der Fürstentag seine frühere Stellung gänzlich ein, 1628 wurde die Umgestaltung des Oberamtes in ein königliches Gubernium geplant und 1631 das Oberrecht aufgehoben und das Münzrecht den Städten als Regal entzogen. Seit 1642 gab es in Schlesien nur mehr noch Partikular-Landtage der ein zelnen Fürstentümer. Die Fürstentage selbst waren seit Mitte des 17. Jahrhunderts nur mehr Verwaltungsbehörde für Steuersachen. Die Aufgaben des Landtages wurden immer unerfreulicher und die Ver fügungen seiner Organe immer undankbarer. Einige Urkunden belegen diesen Tatbestand. So erlaubten die Fürsten und Stände am 5.2.1619 der Ge meinde Teschen, die Pfarrkirche, „welche leer und von Katholiken verlas sen steht”, sowie die Schule und den Friedhof an sich zu nehmen. Am 22.3.1619 verständigt Johann Christian Herzog von Liegnitz, Oberhaupt mann, die Gemeinde Teschen, daß er mit den Fürsten und Ständen Augsburgischen Bekenntnisses wegen der Wiederabtretung der Kirche verhan delt hat. Eine andere Urkunde vom 12.6.1629 besagt, daß Herzogin Elisabeth-Lu kretia verfügte, daß nur jene Bürger zu Ämtern und städtischen Verrichtun gen, Zünften und Bruderschaften zugelassen seien, die katholischen Glau bens sind. Zuwiderhandlungen werden mit 50 Mark bestraft oder im Falle der Zahlungsunfähigkeit mit Gefängnis „nach Ausmaß des Richters”. Kö nig Ferdinand IV. (gestorben am 9.7.1654) bestätigte wohl am 21.2.1654 noch die Rechte und Freiheiten der Stadt Teschen, bezüglich der Bitte um Ein räumung des neuen Begräbniskirchleins und der freien Religionsausübung der Evangelischen „bleibt es bei der bisherigen kaiserlichen Regelung”. Am 10.4.1655 gibt der Landeshauptmann der Gemeinde Teschen den Befehl, „angesichts des Umstandes, daß die abgeschafften Prädikanten wie 234
der in das Fürstentum einschleichen und die verbotenen exercitia in Dör fern und Wäldern üben”, den Prädikanten im Fürstentum nicht mehr nach zulaufen und auch sonst - bei 10 Mark Strafe - ihnen „weder heimlich noch öffentlich eine Beförderung zu tun”. Die neugeschaffene Eliminationskommission schlägt im Fürstentum Teschen unter anderem vor, die Prädikanten samt ihren Weibern nicht zu dulden, ebenso auch nicht die unkatholischen Präzeptoren (Lehrer) in ihren Schulen. Weiter seien die Kirchenregister samt Kirchenmobilien und Immobilien wie Äcker, Teiche, Gold oder Kleinodien dem königlichen Amt in Breslau vorzulegen. Taufen, Trauungen, Begräbnisse dürfen von fremden Pfarrern nicht durchgeführt werden, und weder in Städten, Schlössern, Vorwerken, Meier höfen noch anderen Häusern darf das Predigen mit Lesen und Singen statt finden. An Feiertagen darf nicht gearbeitet werden. Am 29.10.1674 befiehlt der Landeshauptmann Joh. Friedrich Larisch dem Stadtrat von Teschen, jene Akatholischen, die ihre Kinder nicht in ka tholische Schulen schicken und sich in Gefängnissen befinden, zu enthaf ten. Sie müßten vom 1.11.1674 bis Ende Januar 1675 katholisch werden oder binnen dieser Frist ihren Besitz verkaufen, ihre Schulden bezahlen und aus wandern. Das waren harte Verfügungen, die wenig zum Glück der Bevölkerung beitrugen. Kaiser Josef I. eröffnet erst am 12.2.1710, daß, da die Stadt durch wegs mit katholischen Bürgern besetzt sei - dem bisherigen Statut entge gen -, Protestanten in der Stadt geduldet werden können. Alle diese Dokumente sind Zeugen dafür, wie tiefgreifend die Kluft zwi schen dem katholischen und unduldsamen Herrscherhaus und der evange lischen Bevölkerung Schlesiens geworden war und nur sehr langsam eine Milderung in der Handhabung dem neuen Glauben gegenüber Platz griff. Endlich ging auch 1719 die Würde des Oberlandeshauptmannes zu En de. Unter fortwährendem Niedergang der ständischen Wirksamkeit kam nun das Jahr 1740. Der letzte Fürstentag wurde in schlesischen Landen im Jahre 1847 am 7. Juni abgehandelt. Von dem weiteren Verlauf dieser verwaltungsmäßigen Entwicklung wird später die Rede sein. Am 20. Oktober 1740 starb Kaiser Karl VI. Und kurz nachdem seine Tochter Maria Theresia auf Grund der Pragmatischen Sanktion die Regie rung in den österreichischen Ländern antrat, rüstete auch schon halb Euro235
pa gegen sie zum Krieg, obwohl dieses Erbfolgegesetz von allen Höfen, mit Ausnahme des bayrischen, anerkannt wurde. Der gefährlichste unter den Widersachern schien König Friedrich II. von Preußen zu sein, der alte Erbansprüche auf einige schlesische Herzog tümer und Anrechte seines Hauses auf Jägerndorf anmeldete. Es blieb je doch nur beim Schriftwechsel. Lassen wir, bevor wir weitergehen, unseren Blick über die Grenzen un serer engeren Heimat noch ein wenig herausheben und kurz das betrach ten, was sich um uns herum tat. Für den ganzen Südosten des deutschen Sprachraumes war der Frie densschluß von Karlowitz 1699 - in Bielitz regierte damals gerade Julius Gottlieb von Sunnegk - von höchster Bedeutung. Es war einer der großen europäischen Friedensschlüsse. Die Grenzziehungen und die Gewichtsver teilungen, die er schuf, hatten in ihren Grundzügen bis 1918 - also ganze 219 Jahre - Gültigkeit! Seit Karlowitz lag das Schwergewicht des Habsburgerreiches - das konnte auch unsere Heimat merken - im mittleren Donauraum. Der gewal tige Karpatenbogen wird auf weite Strecken zur Grenze, bei uns wird er zum Bindeglied nach Süden. Eine wahrhaftige deutsche Völkerwanderung setzt ein. Die deutsche Neubesiedlung des südlichen und mittleren Ungarn vollzieht sich bis Bel grad hin, das um diese Zeit zu einer deutschen Bürgerstadt wurde. Im Inne ren der Stadt durften sich nur Deutsche niederlassen. Auch über unsere Berge zog ein Teil der Neusiedler ihrer neuen Heimat entgegen. Ein starkes Deutschland war der Garant dafür, daß der Zustand bei uns und auch dort fast 200 Jahre so blieb. In dieser Zeit entstanden zwei neue Großmächte: der Kaiserstaat Öster reich, verklammert mit dem Deutschen Reich, und als zweite Macht Ruß land. Östlich unserer Heimat sank Polens Macht in sich zusammen. Dieses katholische Land geriet mit dem orthodoxen Rußland in Gegensatz und mußte im Osten weite Gebiete abgeben. Im Westen wuchs Preußen empor, die polnische Oberhoheit über dessen Osthälfte wurde abgeschüttelt. Fried rich III. läßt sich am 18.1.1701 mit Erlaubnis des Kaisers zu Königsberg zum König von Preußen krönen. 1660 hatte Polen schon Livland an Schweden abgeben müssen. Parallel zum Machtverfall als Staat ging die hohe, bis an die Grenze der Verschwendung reichende großzügige Lebensart des polnischen Adels, die 236
Vorbild für den ganzen Osten war. Jahrhunderte hindurch galt sie als Inbe griff vornehmer Gesellschaftlichkeit und freiheitlicher Gesinnung. Nach dem Aussterben des piastischen Geschlechtes (1572) wurde Polen ein Wahl königtum, um dessen Thron sich habsburgische, französische, schwedische und siebenbürgische Fürsten bewarben. Der beginnende Machtzerfall ermunterte die Nachbarn, und zu Beginn des 18. Jahrhunderts haben sie auch im System der Großen gewichtige Veränderungen erzwungen. Dabei sanken Venedig, Schweden und Polen zu Mächten zweiten Ranges ab. So lagen die Dinge also rund um unsere Heimat etwa zu jener Zeit, als das Geschlecht der Bielitzer Sunnegks seinem Aussterben entgegenging. Deutscher Kaiser war Karl VI., der ebenfalls als letzter Männessproß re gierte, aber wenigstens eine Tochter als neuen Regenten hinterlassen konn te. Des Kaisers Macht war gering und unser Deutsches Reich ein unüber sehbares Chaos von reichsunmittelbaren Territorien und Ständen, die nur zu oft gegeneinanderstanden. Etwa 40 Millionen Menschen waren in 1789 Eigenhoheiten, davon 314 reichsständische und 1475 reichsritterschaftliche, aufgespalten. Königrei che, Erzherzogtümer, Erzbistümer, Bistümer, Abteien, Propsteien, Mark grafschaften, Herrschaften, ritterschaftliche Gebiete und Reichsdörfer wa ren da durcheinandergemengt. Auch unsere Heimat war hier eingeordnet. Die kaiserliche Macht verfügte über keine weiteren Einkünfte als über die Lehens-Kanzleigebühren und den Opferpfennig der israelitischen Ge meinden zu Frankfurt und Worms, zusammen 13 884 Gulden, die sie er brachten. Der Glanz des Wiener deutschen kaiserlichen Hofes erstrahlte nur dank der Machtstellung Österreichs nach den Türkenkriegen. Der Wiener Hofstaat zählte 2000 Personen, die Wiener Hofkammer hatte insgesamt gegen 25000 Personen zu erhalten. 1730 waren es sogar 40000! Die 2200 Pferde der Marställe Maria-Theresias zum Beispiel wur den von 400 Angestellten betreut. Kleine Höfe wollten oft durch äußeren Glanz das ersetzen, was an tat sächlicher Macht fehlte. In jenen vielen, oft nur wenige Quadratmeilen großen Herrschaften, die sich darüber hinaus noch durch Zollschranken abriegelten, wurde jener kleine, engstirnige Geist gezüchtet, der uns Deutschen so viel Ungemach bescherte. Wir werden ihm noch begegnen (Helbok). In Polen regierte mit Unterbrechungen ebenfalls ein deutscher Fürst, 237
August II. der Starke von Sachsen. Das Herzogtum Teschen kam nach dem Tod Leopolds I. (1705) über Josef I. (bis 1711) an Kaiser Karl VI. (bis 1722), der mit Elisabeth von Braunschweig vermählt war. Sie waren die Eltern Maria-Theresias, der Nachfolgerin des Kaisers in den österreichischen Ländern. 1722 übergibt der Kaiser Teschen an Leopold Josef Karl von Lothringen. 1724 stirbt nun in Bielitz der letzte von Sunnegk. Er hinterließ seine Gemah lin Juliana Elisabeth, eine Tochter des Reichsgrafen Johann Heinrich III. von Hohenstein und Fürstenstein. Der sparsame Fürst hatte letzten Endes doch wieder Ordnung in den Haushalt seines „Reiches” bringen können und die belasteten Liegenschaf ten freikaufen können. 132 Jahre lang waren die Sunnegks Herren von Bie litz. Einer stiftete dem Armenspital zu St. Anna 1000 schlesische Taler, Julius Gottlieb verfügte die Ausbesserung des Spitalskirchleins. In Bielitz stand außerdem noch ein städtisches Krankenhaus für 30 Kranke zur Verfügung. Derartige Krankenhäuser gab es zu dieser Zeit aber auch in Friedek, Freistadt, Skotschau, Schwarzwasser, Oderberg, Ostrau und Dombrau. Ab 13.10.1712 konnten alle Religionshandlungen der Bielitzer katholi schen Pfarrkirche gemäß einer Verordnung des Fürstbischöflichen Amtes in Breslau in deutscher Sprache erfolgen. Im Testament vom 28.8.1723 vermacht er der St.-Anna-Kirche am Zunfthausplatz, dem späteren Börsenplatz, einen namhaften Betrag. Die evange lischen Gotteshäuser in Bielitz waren schon 1709 alle geschlossen worden. In Teschen dagegen war das Jahr 1709 ein gutes Jahr für die Evangeli schen. Durch einen Rezeß vom 8.2.1709 war der Bau der Gnadenkirche durch Kaiser Josef I. ermöglicht worden. Es folgte auch die Gründung einer Schule. Nach 1945 gerieten fünf der damals genehmigten Gnadenkirchen in polnische Hände. Nur die Teschener blieb bis heute evangelisch („Schles. Gottesfreund” Nr. 10/11 bis 68). 1710 kommt die Herrschaft Ostrau an Heinrich Wühelm Graf Wütschek, Frei- und Bannerherr von Gutenland und Hultschin, Generalfeld marschall aus Groß-Glogau, das seit 1202 in Schlesien beurkundet ist. 1711 erfolgt die Gründung eines evangelischen Gymnasiums in Te schen. 1717 bestätigt der Hauptmann von Schlesien, daß schlesische Tuch produkte in das In- und Ausland verschickt werden. Aus dem Jahr 1724 sei nicht vergessen zu berichten, was sich in der deut 238
sehen Stadt Thorn zutrug. Ich erwähne es, da es eine für das Deutschtum des Ostens höchst bedauerliche Begebenheit darstellt. Thorn war 1231 vom Deutschen Ritterorden gegründet und 1233 mit kulmischem Recht ausge stattet worden, war Hansestadt und wurde 1466 zu Polen geschlagen und war seit 1557 evangelisch. 1645 fand in Thorn das „Colloquium charitativum”, das „Liebreiche Religionsgespräch”, zur Versöhnung der Katholiken, Lutheraner und Reformierten statt, das aber ohne nachhaltigen Erfolg blieb. Am Fronleichnamsfest im Jahre 1724 kam es zu Auseinandersetzungen, in deren Verlauf das Jesuitenkloster gestürmt und verwüstet wurde. Das „Thorner Blutbad” war die Folge der polnischen Regierung. Der deutsche Bürgermeister Rösner und neun evangelische Bürger wurden enthauptet. Ähnliches war auch schon 1312 in Krakau passiert. Das Urteil ruft Entrüstung hervor, England und Preußen wollen interve nieren, ebenso Rußland, aber nichts geschieht. Mehrere evangelische Kir chen werden geschlossen. Ein schwarzer Tag für das Ostdeutschtum. Von besonderer Bedeutung ist auch das Jahr 1723. Am 19. Januar 1723 hat König August II. das in lateinischer Sprache abgefaßte Dokument un terzeichnet, das Biala das Stadtrecht nach Kulmer (Magdeburger) Fassung verleiht. Diesem Dokument wurde auch ein Wappen zugeordnet, welches zwei rote Rosen auf grünem Grund zeigt, weil „in selber Zeit noch auf dem Ring Frucht gesähet werde, Biala wachsen möge wie die roten Rosen im grünen Feld”. Balthasar Damek, ein in Biala seßhafter Leinenhändler aus Wümesau, wurde der erste Bürgermeister. Im Jahr 1766, am 14. Mai, wurde dieses Stadtrecht durch den letzten polnischen König Stanislaus II. August noch erweitert (Kaluza). Von Deutschen gegründet und damals noch ganz deutsch waren NeuSandetz, Biecz (Bietsch), Krosno (Krossen). Auch in Tarnów, Jaroslau, Przemyśl und Sanok spielte das Deutschtum eine große Rolle. Kehren wir nun wieder zu unserem Bielitz zurück. Vier Jahre lang wird das verwaiste kleine Fürstentum Bielitz vom könig lichen Oberamt in Breslau verwaltet. Kaiser Karl VI. regierte zu dieser Zeit. Sein Versuch, die universale Reichsidee nochmals zu erneuern, scheiterte. Es war der letzte Versuch, das Reich zu einigen. Seine ganze Kraft galt der Durchsetzung der „Pragmatischen Sanktion”, welche die Nachfolge seiner Tochter sichern sollte. 239
D ie Solm s Herren in Bielitz (1728). D ie schlesischen Kriege. Schlesien wird erstmals geteilt (1742). 1743: D ie von Haugwitz Herren von Bielitz. 1752: Von Sulkowski wird Herr auf Bielitz für 193 Jahre. 1755: Graf von Brühl wird Herr in Kunzendorf-Biala. Der Friede von Hubertusburg (1763), die Schlesier le ben von jetzt an in zwei deutschen Staaten. Der preußisch-österreichische Dualismus.
Im Jahr 1728 ging Bielitz an Heinrich Wilhelm Graf Solms über. Heinrich Wilhelm von Solms, preußischer Wirklicher Kammerherr und Generalma jor, verheiratet mit Helene Dorothea geh. Gräfin Truchseß von Walden burg, die aber schon am 11.7.1712 starb. Seine zweite Frau wurde am 16.4.1713 die Burggräfin Sophie Albertine von Dohna-Schlobitten. Als die Pest in Königsberg ausbrach, zog er in das sächsische Städtchen Wilden fels. Das Geschlecht war evangelisch. 1730 kaufte er die Herrschaft Bielitz. Bei der Vereidigung auf den neuen Herrn wird eine deutsche Anrede gehal ten, die dann auch polnisch wiederholt wird. Es schwören zuerst die deut schen Stadtbürger, die deutschen Katholiken und Protestanten, dann folgen die polnischen Untertanen. In seinem Sohn Friedrich Ludwig dachte er ei ne Hilfe in der Bewirtschaftung der Herrschaft Bielitz zu gewinnen, doch dieser fand an der Landwirtschaft keinen Gefallen. Seit 1713 war auch Sohn Friedrich in Bielitz ansässig, war aber durch die rohen Sitten des benachbar ten Adels verletzt und suchte seine Befriedigung in der Dichtung. Sein Lieb lingsdichter war Horaz, dessen Oden er damals in Bielitz in deutsche Verse zu übertragen begann. Er hatte in Halle und Leipzig studiert und gab seine Arbeit unter dem Titel „Übersetzung der Oden des Horaz” 1756 bis 1760 in vier Teilen heraus. Seinen Aufenthalt in Bielitz beendete er im Juni 1735. Er trat mit Zu stimmung seines Vaters als Fähnrich in ein russisches Infanterieregiment ein, das im Rahmen eines russischen Hilfsheeres in Stärke von 18 000 Mann sich in unserem Land, auf dem Marsch nach dem Rhein, befand. Dort wird zwischen Kaiser Karl VI. und Frankreich darum gerungen, ob der Günst ling Frankreichs Stanislaus Leszczyński oder August III. von Sachsen die Krone Polens tragen wird. Er zog mit durch Böhmen in die Pfalz und kam dann durch Mähren und Schlesien nach Polen, wo ihm Feldmarschall Graf von Münnich die Füh rung einer Kompagnie übertrug. Münnich war ein Oldenburger Graf in rus sischen Diensten, der das Landheer zu reorganisieren hatte, große Erfolge hatte und schließlich nach Sibirien verschickt wurde. Wieder zu Ehren ge 240
kommen, war er Generaldirektor der baltischen Häfen. Seine Tagebücher sind eine wichtige Geschichtsquelle. Am 14.12.1739 heiratete der junge Fürst von Bielitz die Tochter seines Feldmarschalls, Luise Dorothea, in Kiew und wurde zu seinem Generaladjutanten befördert. Er besaß diplo matisches Geschick und wurde später auch Chef eines Kiewschen Regi mentes und zum Oberst ernannt. Bald darauf wurde er Generalleutnant, 1741 Wirklicher Geheimrat und von Kurfürst Friedrich August von Sachsen mit dem polnischen Weißen Adlerorden ausgezeichnet, begab sich später nach Wien und wurde noch Generalkriegskommissär des sächsischen Kö nigs. 1759 wurde er schwer krank, besuchte Karlsbad zur Wiedergenesung und starb am 27.8.1789 drei Tage vor seinem 82. Geburtstag. Er liegt in Baierfeld begraben. Sein Vater hatte aber bereits im Jahre 1743 die Herrschaft Bielitz wieder verkauft. Fünfzehn Jahre war Bielitz so im Besitz eines preußischen Grafen, der nach der Teilung Schlesiens im Jahr 1742 sein österreichisch gebliebe nes Ländchen wieder verließ. Heinrich Wilhelm Graf von Solms war der letzte Fürst, der die Herr schaft Bielitz im ungeteilten Schlesien regierte. Von 1163, dem Jahr der Absonderung Schlesiens vom polnischen Staats verband, bis 1742 war Schlesien eine Einheit. 579 Jahre lang gehörte es als Ganzes zum deutschen Machtbereich. Ab 1327 war es als Ganzes den deut schen Luxemburgern zugehörig, dann 52 Jahre wieder praktisch als ganzes Land bei Ungarn und ab 1526 ungeteüt 216 Jahre beim deutschen Haus der Habsburger. Es war den Deutschen des 18. Jahrhunderts Vorbehalten, es zu teilen. Nun, ab 1742 gibt es ein preußisches und ein österreichisches Schlesien. Die Erziehung - heute würde man „Umerziehung” sagen - der geteilten Schle sier wird zum Nachteil für ganz Schlesien nach zwei Herrscherhäusern aus gerichtet. Die einen mochten, ungewollt, die anderen nicht recht. Das blieb leider bis heute so, bis heute, wo beide Haus und Hof, Hab und Gut verlo ren haben und weg mußten. Diese Erziehung war also von nachhaltiger Wirkung. Auch das ist unser schlesisches Schicksal. Die Zeit wird auch diese Wun de heilen. Die menschliche Einsicht war offenbar nicht dazu in der Lage. Von lokaler Bedeutung sind aus dieser Zeit vielleicht noch einige Ge schehnisse zu registrieren. Am 22. Mai 1730 müssen auf kaiserlichen Befehl drei evangelische Pa241
stören und zwei Lehrer Teschen und die österreichischen Länder verlassen, was für die Gemeinde einen harten Verlust darstellt. Das religiöse Leben ist immer noch nicht friedlich. Man ist noch immer nicht duldsamer gewor den. Für die Evangelischen unserer Gegend war es nach Pleß oder Golassowitz zwar näher als nach Teschen, aber es galt 1740 fast als Landesverrat, dorthin zum Gottesdienst zu gehen. Darüber hinaus versuchte man unter Karl VI. und auch unter Maria-Theresia, die Protestanten wieder in die katholische Kirche zurückzuführen (1740-1780). Bielitz war um 1740 praktisch die einzige evangelische Stadt Österreichs. Am 26.6.1731 geht Teschen an den späteren Kaiser Franz I. (Sohn von Leopold von Lothringen, dem Gemahl Maria-Theresias) über. Im siebenten Solmsschen Regierungsjahr 1734 zählte die Bielitzer Tuch macherzunft 271 Tuchmachermeister und 13 Tuchscherer. Leinen erzeug ten in Bielitz 8, in Skotschau 9, in Jablunkau 15, in Schwarzwasser 36 Weber. 18 Schuster, 12 Fleischer, 6 Bäcker, 16 Schneider, 12 Schmiede und 10 Schlosser und Büchsenmacher sorgen für die Belange der Bielitzer Bevölke rung. Im ganzen gibt es in unserer Stadt 429 Gewerbetreibende. (Hanslik). Aus dem Jahr 1735 wird registriert, daß die Kartoffel erstmals in unse rem Land eingefuhrt wird. Sie wurde im herzoglichen Garten in Teschen angepflanzt. Sie wird bald in weitesten Kreisen als Nahrungsmittel bekannt und heimisch. Zwei Jahre später (1737) erntet man in Oels die ersten Früchte eines schlesischen Kaffeebaumes. Östlich von uns besetzen 1733 russisch-sächsische Heere fast ganz Po len. König Stanislaus, der nicht verzichten will, geht nach Danzig, flieht aber nach Königsberg und begibt sich nach Frankreich unter den Schutz Ludwigs XV. Über seinen Aufenthalt nach dieser Flucht berichtete ich an anderer Stelle. Im Polnischen Erbfolgekrieg muß er der Krone entsagen und erhält als Entschädigung das Land Lothringen. Der Krieg selbst, in wel chem der deutsche Kaiser Partei für August III. von Sachsen nimmt, be rührt unsere Heimat nicht. Mit dem Wiener Frieden vom 18.11.1738 findet er sein Ende. Schließlich will ich noch auf ein Ereignis zu sprechen kommen, das die Gemüter der Ostdeutschen der damaligen Zeit auf das heftigste bewegte. Es lief zwar weit von unserer Heimat ab, soll aber nicht vergessen werden. Eine Begebenheit, die offenbar einen Schlußpunkt unter die Periode der religiö sen Unduldsamkeit setzte: 242
Um das vermeintliche „Übel” der immer noch vorhandenen Religions verschiedenheit vollständig auszurotten, hatte Erzbischof Leopold von Firmian (1727-44) am 31. Oktober 1731 in Salzburg das folgenschwere Emi grationsedikt erlassen, wonach alle Nichtkatholiken zur Auswanderung verurteilt wurden. Die Anhänger des evangelischen Glaubens schlossen in Schwarzach den berühmten „Salzbund” und „leckten” zum Zeichen ihrer Vereinigung Salz. In Schwarzach im Pongau hatten die Betroffenen ihre Zusammenkünfte (am 13.7. und 5.8.1731). Bei der ersten wurde auf Anregung Ruepp Stuhlebners, des „Schmieds von Hüttau” dem dabei Handwerksbräuche vor schwebten, ein Salzfaß auf den Tisch gestellt, in das jeder griff, der „evange lisch sein und bleiben” wollte. Eine Deputation von 21 Vertretern mit Listen derer, die sich als evangelisch erklärten, wurde zum Regensburger Reichs tag entsandt, aber in Oberösterreich aufgehalten. Die Tischplatte mit einer karikierten Darstellung des „Salzleckens” befindet sich im „Hotel Post” in Schwarzach. Über 30000 Menschen verloren damals ihre Rechte und Besitztümer und verließen das Land (Goethes „Hermann und Dorothea” und Schönherrs „Glaube und Heimat” schöpften daraus dichterische Motive). Dem Bergbau war dadurch der Todesstoß versetzt, der Wohlstand geschwunden. Ein Drittel der gesamten Bevölkerung wanderte aus. Sie fanden eine neue Heimat im fernen Ostpreußen, wo sie zwischen Gumbinnen und Gołdap im Gebiet der Rominte angesiedelt wurden. Sie stellen die letzte Welle der Neubesiedlung dar. Sie wahrten durch das Salzburgerhospital noch lange ihren Zusammenhalt, ihre Kirche in Gumbinnen datiert von 1752. Inzwi schen hatte König Friedrich Wilhelm von Preußen ihr Gumbinnen 1721 zur Stadt erhoben. Gumbinnen galt noch lange als „Salzburgerstadt”, weil der Salzburger Menschenschlag, Aussehen und Art die Bevölkerung weitge hend bestimmte. Auch Goldaps Geschichte berichtet über evangelische Salzburger, die 1732 Einzug hielten. Die Brezeln der Goldaper waren in Ost preußen noch im 18. Jahrhundert begehrte Handelsware der Nachfahren der Salzburger. Am 18. Oktober 1944 brachen die Russen das erste Mal in Gołdap ein, es wurde zurückerobert und ging am 21.1.1945 endgültig verlo ren. Die Umgebung von Gumbinnen wurde Brennpunkt erbitterter Kämp fe vom 21. bis 23. Oktober 1944, die ihren Höhepunkt in einer Panzer schlacht südlich der Stadt hatten. Am 21.1.1945 ging das erheblich zerstörte Gumbinnen dann ganz verloren. Wer überlebte, mußte das harte Los der 243
Vogelfreiheit erdulden, und wenn er Glück hatte, die zerstörte Heimat wie der verlassen. Nach 213 Jahren erfuhren sie wieder ein brutales Schicksal. Viele, viele Tausende blieben auf der Strecke. Es stellt sich die Frage, wie glücklich das Leben dieser Menschen verlau fen wäre, wenn Nächstenliebe den damals Mächtigen von Salzburg einen anderen Weg diktiert hätte.
D ie schlesischen Kriege
Wir haben die schlesischen Verhältnisse 1740 verlassen und gesagt, daß es nicht nur beim Notenwechsel blieb. Am 16. Dezember 1740 überschritten die Truppen Friedrichs des Gro ßen die schlesische Grenze. Zwanzig Bataillone und sechsunddreißig Schwadronen waren es, die sich in Bewegung setzten. Sechs Bataillone soll ten folgen, um die Festung Glogau einzuschließen. Dieses an sich schwache Aufgebot schien doch stark genug, um das unverteidigte Schlesien zu beset zen. Vor dem Abmarsch der Truppen hielt der König an die Berliner Garni sonsoffiziere eine Rede, in der er davon sprach, daß er keine anderen Bun desgenossen habe als die Tapferkeit und den guten Willen. Seine Sache sei gerecht. Man würde auf Truppen treffen, die unter Prinz Eugen die Bewun derung der Welt errungen hätten. Mit diesen Soldaten werde man sich mes sen müssen. „Brechen Sie auf zum Rendezvous des Ruhmes, wohin ich Ihnen unverzüglich folgen werde.” Die Bevölkerung Schlesiens, die zu etwa zwei Drittel evangelisch war, begrüßte die Soldaten als eine Art von Befreier, denn die von seiten der österreichischen Verwaltung über Jahre hinweg getroffenen Maßnahmen waren nicht geeignet, inneren Frieden zu stiften. Die Wiener Regierung legte auf die Verteidigung Schlesiens nur wenig Wert. Beim Tod Karls VI. (1740) standen in Schlesiens Garnisonen nur 2 Bataillone und 8 Grenadierkompanien, die Liechtensteiner Dragoner und drei neue Regimenter. Der Kommandant von Glogau, Graf Wallis, erhielt Befehl, die schlesi schen Festungen, deren Werke fast alle verfallen waren, in Verteidigungszu stand zu setzen. Glogau wurde eingeschlossen. Der Gouverneur der Festung, Wenzel 244
Wallis, hatte von Wien strengen Befehl erhalten, die Feindseligkeiten nicht zu eröffnen. Breslau genoß bisher gewisse, einer Reichsstadt ähnliche Vorrechte. Es war sozusagen eine kleine Republik, war frei von österreichischen Garni sonstruppen und wurde von ihrem eigenen Rat regiert. A uf die Kunde vom Einmarsch der preußischen Truppen hin wurde, da seit dem Belgrader Frieden die meisten österreichischen Truppen in Un garn blieben, von Wien aus General Browne nach Schlesien gesandt. Etwa 3000 Mann konnte er zusammenziehen und zog gegen Breslau, das sich ihm aber widersetzte, bis die Truppen des Königs General Browne zum Rückzug bestimmten und sie am 1. Januar 1741 die Vorstädte der Stadt ohne Widerstand erreichten. Der Rat unterschrieb eine Neutralitätserklärung und die Tore wurden geöffnet. Alle im Dienst stehenden Beamten wurden abgesetzt. Ein Teil der Truppen war am Fuß der Berge über Liegnitz und Schweid nitz gegen Frankenstein gezogen, ein anderer ging über die Oder und zwang die 300 Mann starke österreichische Garnison von Namslau zum Abzug. Ohlau, mit einem alten halbzerfallenen Wall und einem trockenen Graben umgeben, wurde gestürmt, der Kommandant und 120 Mann nach Neisse geschickt. Brieg hatte eine Garnison von 1200 Mann. Um es zu blockieren, wurden fünf Bataillone und vier Schwadronen dorthin befohlen. Von Frankenstein aus erreichten die Truppen die Ober- und Nieder schlesien trennende Neiße, stießen auf Liechtensteinsche Dragoner und drängten sie bis Ottmachau zurück. Ottmachau wurde eingeschlossen und der Kommandant Major Müffling ergab sich. Am 12.1.1741 ergab sich auch die Besatzung des furstbischöflichen Schlosses in Ottmachau, wo der König sein Hauptquartier aufschlug. An der Oder entlang waren alle festen Plätze eingenommen. Es blieb nur noch Neisse, die Stadt, die fester als alle anderen war. Neisse wurde von Oberst von Roth verteidigt und die Preußen zogen daran vorbei. Es dauerte noch lange Zeit, bis sie das unbeugsame Neisse erhielten (31.10.1741). Dorthin zog sich auch General Neipperg zurück. Während man die Stadt belagerte, zogen sieben Bataillone und zehn Schwadronen gegen das obere Schlesien und drängten General Browne aus Jägerndorf, Troppau und dem Schloß Grätz, bezogen hinter der Oppa Quartiere und dehnten sich bis nach Jablunkau aus, wo sie die ungarische Grenze erreichten. Unser Land war also zum Kriegsgebiet geworden. 245
Im Januar 1741 besetzt General von Schwerin, ein pommerscher Graf, Neustadt am 15.1., Jägerndorf am 22.1., am 25.1. gibt es Gefechte bei Burg Grätz nahe Troppau und die Besetzung der Mohrabrücke. Ratibor und Op peln, in welchem nur 70 österreichische Husaren zur Verteidigung vorhan den sind, fallen gleichermaßen. Am 8.2.1741 ergaben sich die Besatzungen der beiden 1541 und 1578 er bauten Schanzen auf dem Jablunka-Paß. Man gewährt ihnen freien Abzug. Das Detachement stand unter dem Kommando von Oberst Lamotte. Von da an hatten die Truppen in einer fast dreißig Meilen langen Linie bis Reichenbach Winterquartiere bezogen. An Lamotte schloß sich das Gros unter Schwerin bis Troppau und Jä gerndorf. In Anschluß daran Truppen unter General Jeetze bei Weidenau bis zur Neiße, denn, „wenn Troppau genommen ist, kann der Feind mit sei ner Armee aus Mähren nicht ohne große Schwierigkeiten durchs Gebirge in Schlesien einbrechen”. Als Gefahr bestand, daß die österreichische Armee von Mähren über das Gesenke nach Schlesien marschieren könnte, war die Wahrscheinlich keit, daß die preußische Besatzung abgeschnitten werden könnte, noch größer. Man hielt Troppau, Zuckmantel und Johannistal jenseits der Einsat telung der Bischofskoppe und benötigte dafür Verstärkungen. Man rief La motte vom Jablunka-Paß zurück. Am 13.3. verließ Lamotte auch Teschen unter Mitnahme einiger angese hener Männer als Geiseln. Auch Oderberg wurde geräumt. Man zog sich nach Ratibor zurück, wo große Magazine für Oberschlesien lagen, die ge halten werden sollten. In der eintretenden Pause wäre die richtige Zeit zu Verhandlungen ge wesen, denn die internationale Lage war für den preußischen König nicht sehr günstig. Die Übergabe des Herzogtums Glogau an ihn hätte vielleicht zur Befriedigung seiner Ziele geführt. Es kam aber anders. Beide Seiten verstärkten ihre Truppen. General Neipperg wurde aus der Festung Raab geholt, wo er seit dem Frieden von Belgrad saß, und erhielt den Oberbefehl über die österreichischen Truppen. Er besetzte mit einem Korps die Pässe des Glatzer Berglandes. Maria Theresia wandte sich an ihre ungarischen Untertanen um Waf fenhilfe und erhielt sie auch. Große Kontingente von Soldaten wurden ge stellt. Sie erschienen auf den Kriegsschauplätzen im Westen und auch am Jablunkapaß und leisteten so lange Widerstand, bis das Hauptheer vom 246
Rhein zurückkehrte. Sie erschienen in Mähren und in Schlesien. Österrei chische Truppen unternehmen zu Beginn des Jahres 1741 Beunruhigungs züge im Oberschlesischen Land auf dem rechten Oderufer, wobei es kleine re Kämpfe mit ungarischen und kroatischen Einheiten gibt. Zu einer Aussprache trifft sich König Friedrich II. mit dem Feldmar schall Neipperg im Schloß Klein Schellendorf im Neisser Land. Im „Schellendorfer Vertrag” bot Wien den Preußen Oberschlesien mit Ausschluß von Teschen. Nach Ansicht des preußischen Königs war Ober schlesien ein ruiniertes Land, dabei unhaltbar und von Leuten bewohnt, von denen er nie rechte Anhänglichkeit werde erwarten dürfen. Für Preußen war aber der östliche Teil von Oberschlesien schließlich doch gerettet, das heißt: gerade die Region der Bodenschätze des Ober schlesischen Kohlenbeckens. Ziethensche Husaren erreichen Stockerau, nur eine Poststation von Wien entfernt. Die Wiener sehen jenen kleinen Mann nicht, der auf den Höhen des Bi samberges steht, hoch über der Donau. Mit großer Nase und Schnauzbart, in preußischer Husarenoffiziersuniform auf einem Vollblut sitzend, blickt er auf das zu seinen Füßen liegende Wien. Er prägt sich das Bild ins Ge dächtnis. Dann wendet er sein Pferd wieder nach Norden. In Olmütz be richtet Hans-Joachim von Ziethen seinem König von seinem Ritt nach Wien (Weihnachten 1741). Prinz Dietrich von Anhalt drang sogar mit zehn Bataillonen, ebensovielen Schwadronen und tausend Husaren in Ungarn ein, erobert drei Quartie re und nimmt 1200 Mann gefangen, kehrt zurück und schlägt endlich sein Lager zwischen Troppau und Jägerndorf auf. Am 18.4.1742 griffen Österreicher Oderberg an. Lamotte begab sich dorthin, aber im April ging ganz Oberschlesien den Preußen verloren. Im katholischen Oberschlesien waren Sympathien für Preußen nicht wahr scheinlich, in Ratibor sollen die Einwohner den Österreichern geholfen ha ben, und hier wie im Teschnischen und in Jägerndorf mußte Lamotte zu strengen Maßnahmen greifen. Am 18.5.1742 unternahmen geworbene polnische Husaren unter Oberst Sodrinski gegen 300 ungarische Husaren in der Nähe von Zuckmantel einen Vorstoß. Olmütz kapituliert, Iglau wird von Sachsen besetzt, Nikolsburg und die Umgebung von Brünn, Groß-Mereritsch, Kremsier, Prerau und Neutitschein von den Preußen. 247
Am 11. Juni 1742 wird der „Vorfrieden zu Breslau” zwischen dem preußi schen Minister Podewils und dem englischen Gesandten Hynford ausge handelt. Der Friede wurde zu folgenden Bedingungen geschlossen: Ober- und Niederschlesien mit der Grafschaft Glatz, mit Ausnahme der Städte Troppau, Jägemdorf und des hohen Gebirgszuges jenseits der Oppa, den Städ ten Teschen und Bielitz. Ein Streifen zwischen Oppa, Oder und Weichsel einerseits und dem Beskidenkamm andererseits bleibt bei Österreich. Das historische Herzogtum Oppeln, seit Jahrhunderten im wesentli chen eine Einheit, wird ebenso wie sein Deutschtum auf zwei Staaten auf geteilt: auf Preußen und auf Österreich. Das Herzogtum Teschen war bis hierher ein fester und selbstverständlicher Bestandteil Oberschlesiens und damit ganz Schlesiens. Aus dieser Zeit stammende Urkunden tragen häufig auch die Bezeichnung „Bielitz in Oberschlesien”. Dieser historischen Tatsa che trug man Rechnung, als es in der Zeit von 1939 bis 1945 auch „Bielitz (Oberschlesien)” hieß. Von jetzt an gibt es ein preußisches und ein österreichisches Schlesien, letzteres wird in den meisten Geschichtswerken nicht berücksichtigt und verfällt der Unkenntnis weitester Kreise: es ist vor allem unser Herzogtum Teschen und das Bielitzer Land. Mit allen Mitteln hat Maria-Theresia beim Vorfrieden von Breslau um den Besitz des oberschlesischen Berglandes, unseres Heimatgebietes, ge rungen. Schlesien gab sie nie so schnell verloren, und wer das Gebirge be sitzt, das zwar in seinen Erträgen im Verhältnis zu anderen Landstrichen doch recht dürftig ist, besitzt aber vorteilhafte Einmarschwege in das verlo rene Land, sobald der Augenblick für einen Angriff als gegeben erscheint. Schon im Mittelalter tritt die Bedeutung dieses Zwischengebietes deut lich hervor. Wenzel II. von Böhmen konnte 1291 Krakau gewinnen, nach dem die Herzoge von Beuthen, Oppeln und Teschen, drei Brüder, böhmi sche Lehensleute werden. Der Weg Wenzels zum polnischen Königtum führte über unser Teschener Land. Die Wichtigkeit wird unterstrichen durch die Heirat des Sohnes Wenzels mit einer Teschener Herzogin. Seine spätere Bedeutung für Österreich wird noch deutlich werden: das Tesche ner Land eröffnet den Weg nach Galizien, der Ungarn umgeht, und was noch wesentlicher ist, der Jablunkapaß, der ja auf unserem Gebiet liegt, stellt die nächste Verbindung zwischen Deutschland und Ungarn dar. Ist Teschen preußisch oder deutsch, so besteht eine direkte Verbindung beider, 248
unter Umgehung österreichischen Gebietes. So wurde unser Land, das jetzt zu Österreichisch-Schlesien gehört, ein Land von ganz besonderer politi scher und militärischer Bedeutung, ganz abgesehen von seinen Boden schätzen. Sein Besitz ist später lebenswichtig für die Monarchie. Wir hören noch davon. Österreichisch-Schlesien ist, das kann man sagen, ein deutsches Land gewesen. Und Z. M. Szaz schreibt 1960 über seine Bevölkerung: „Die Bevöl kerung Österreichisch-Schlesiens stand wehrlos zwischen Böhmen mit einer tschechischen, Polen mit einer polnischen und Preußen mit einer zwar deutschen, aber keineswegs freundlich gesinnten Bevölkerung.” In diesen wenigen Worten ist das Los der Menschen unseres Ländchens mehr als deutlich zum Ausdruck gebracht. Paragraph 5 der Breslauer Präliminarien besagte: „Abtretung von ganz Oberschlesien und der Grafschaft Glatz mit Ausnahme des Fürstentums Teschen, der Stadt Troppau und des Teiles jenseits der Oppa und der hohen Gebirge sowie der zu Mähren gerechneten, aber in Schlesien liegenden Be zirke an Preußen.” Es sollte alles von Oberschlesien an Preußen kommen, was nicht aus drücklich von Maria-Theresia ausgenommen wurde, und die Grenze sollte bilden: die Landesgrenze des Teschnischen, der Oppa-Fluß und die hohen Gebirge, die Schlesien von Mähren trennten. Im Vertrag selbst heißt es hierüber: „ä l’exeption de la principaute de Te schen, de la ville de Troppau et de ce qui au delä de la riviere d’Oppau et des hautes montaignes ailleurs dans la haute Silesie, aussi bien que de la seigneurie de Hennersdorf.” Es gab Schwierigkeiten, da die Österreicher die ganze Zone des Berglan des beanspruchten von jenem Punkt an, wo die Oppa aufhört, die Grenze zu bilden, bis an die Grafschaft Glatz, so daß nur die Ebene zu Preußen kommen solle. Man betrachtete die Anhöhe, auf welcher Schloß Johannes berg, die Sommerresidenz der Breslauer Fürstbischöfe, liegt, als einen der höchsten Berge Oberschlesiens und erwartete, daß Preußen auch Troppau und Jägerndorf räumen würde, da beide diesseits der Oppa lägen. Nach der Ratifikation hat man wohl die Räumung von Troppau verlangt, nicht aber jene von Jägerndorf. Nachträglich wurde, offenbar durch den beim Wiener Hof einflußreichen Besitzer von Jägerndorf, Fürst Liechtenstein, auch noch Jägerndorf verlangt. Da entgegen dem allgemeinen Sprachgebrauch der nördlich dicht vor 249
Jägerndorf fließende Bach, gewöhnlich das „Troplowitzer oder Comeiser Wasser” genannt, die wahre Oppa sei und daß deshalb Jägerndorf, als dies seits der Oppa gelegen, bei Österreich bleiben müsse. Es gab aber auch eine Ansicht, die besagte, daß der südlich von Jägerndorf fließende Fluß die Op pa sei, auf der Karte aber war dieses Flüßchen wieder als „Comeis-Oppa” eingetragen (Skribensky). Wie lagen nun die Dinge in diesem Stück der Geschichte? Im Jahr 1137 blieb Glatz im Frieden von Glatz zwischen Piasten und Przemysliden bei Böhmen. Das Herzogtum Troppau kommt zu Schlesien, indem König Johann von Böhmen 1318 den Herzog Nikolaus damit belehnt. Der Anschluß Schlesiens an Böhmen wird 1335 durch den Vertrag von Trentschin anerkannt. 1337 kommt das Fürstentum Ratibor an Troppau. Das bedeutet, daß das Oppaland zu Schlesien kommt (Nikolaus II. von Troppau). 1377 erfolgte eine Teilung des Oppalandes, wobei Troppau, Leobschütz und Jägerndorf przemyslidisch werden. Leobschütz, Hultschin und Kranowitz werden in der Folge an die Herzoge von Oels-Cosel verpfändet. Die vorhin erwähnten mährischen Enklaven in Schlesien sind: Hotzenplotz, Kätscher und die Herrschaft Hochwald zwischen Oder und Ostrawitza als Keil gegen Norden sowie die Herrschaft Fulnek. Der Breslauer Vorfrieden trennt Schlesien, aber nicht entlang der Gren ze von 1137 und auch nicht von 1318, sondern ganz neu. Die Historiker der damaligen und auch heutigen Zeit bezeichnen diese Grenzziehung als die unglücklichste Grenze in Europa, ein von historischen und geographischen Fehlern behafteter Kompromiß. Die Grenze von 1742 zerriß die historische Einheit der Fürstentümer Neisse, Troppau und Jägerndorf, sie zerschnitt im Neisser Land die Dörfer Gostitz, Oberhermsdorf und Groß-Kunzendorf und im Troppauer Land entlang der Oppa (Goldoppa) die Dörfer Tropplowitz, Geppersdorf, Schön wiese und Komeise. Teschen wurde mit Bielitz vom Hauptland getrennt, und Glatz, das seit 1137 nicht mehr zu Schlesien gehörte, kam nun zu Schle sien. Die Trennung von 1742, so widernatürlich sie auch war, sie blieb bis heute bestehen, ja selbst die Vertriebenen beider Seiten blieben in ihrer landsmannschaftlichen Gliederung bis heute getrennt! Der endgültige Frieden wird zu Berlin am 28. Juli des gleichen Jahres geschlossen. 250
Nach 400jähriger Zugehörigkeit zum Böhmischen und seit 1526 zum Habsburgischen fällt nun der größte Teil des Landes Schlesien an Preußen. Nur 5147 Quadratkilometer schlesischen Bodens bleiben bei Österreich: das Herzogtum Teschen, die Herrschaft Bielitz, der größte Teil von Troppau und Jägemdorf, ein kleiner Teil des Herzogtums Neisse mit Freiwaldau, Jauernig, Zuckmantel und Weidenau. In diesem Gebiet lebten damals 605 649 Einwohner. Es war, außer dem Land Niederösterreich, Wien und dem Triester Gebiet, das am dichtesten besiedelte österreichische Kronland mit 118 Einwohnern auf den Quadrat kilometer. Die Grenzfestlegung erfolgte preußischerseits durch den Geh. Rat von Nüssler und den Ingenieurmajor von Schubert, der früher in österreichi schen Diensten stand. Er verbesserte 1736 die „Wieland’schen Karten” der schlesischen Fürstentümer und trat nach der Schlacht bei Mollwitz in preu ßischen Dienst. Österreichischerseits war Oberamtsrat von Dorsch aus Troppau eingesetzt. Man begann im Plessischen da, wo unsere Białka (Biała), von Bielitz kommend, in die Weichsel mündet, am 22.9.1742 und beendete das mühsa me Werk am 21.10.1742 an der Grenze der Grafschaft Glatz mit dem Setzen der 138sten Grenzsäule. Der 22.9. des Jahres 1742 war also für uns der Tag, an welchem unsere Heimat vom übrigen Schlesien abgetrennt wurde! Am 6.12. wurde der Grenzrezeß zu Ratibor abgeschlossen, und am 20.1.1743 wurde zu Leobschütz die Ratifikation ausgetauscht. Damit war die Teilung Schlesiens vollendet. Kirchlich kommt der Restteil von Neisse an Rest-Troppau-Jägerndorf und so zum Bistum Olmütz. Der Rest des österreichischen Teiles von Schlesien, also auch unsere Heimat, bleibt beim Bistum Breslau. An Stelle des schlesischen Oberamtes Breslau tritt nun für den österrei chischen Teil das k.k. Amt in Troppau, das 1782 aufgehoben und Mähren angeschlossen wird. 1848 wird Schlesien (österr. Teil) wieder selbständig, und das Amt wird 1853 in eine „k.k. Landesregierung” in Troppau umgestaltet. Als einziges Herzogtum von Schlesien blieb das Teschnische ungeteilt unter österreichischer Herrschaft. Dieser Teil bestand neben dem Herzog tum Teschen noch aus der Minderstandsherrschaft Bielitz und den Minder standsherrschaften Friedek, Freistadt, Roy, Deutschleuten, Reichwaldau, Oderberg, Dombrau und Orlau, den Dominien Bazanowitz, Ober-, Mittel 251
und Nieder-Bludowitz, Tschechowitz, Ober- und Nieder-Domaslowitz, Drahomischl, Grodietz, Grodischtz, Gurek, Haslach, Herzmanitz, Hnoinik, Illownitz, Iskrziczin, Kalembitz, Ober- und Unter-Katschitz, Kostkowitz, Kotzobendz, Kotzurowitz, Konskau, Groß- und Klein-Kuntschitz, Nieder- und Ober-Lischna, Marklowitz, Mandischwetz, Niebory, Schles.Ostrau, Piersna, Pitrau, Pogorsch, Radwanitz, Ropitz, Repischtz, Schmoradz, Ober-und Nieder-Schöbischowitz, Schönhof, Schumbarg, Seibers dorf, Nieder-Suchau, Stadt Teschen, Ober- und Nieder-Toschonowitz, Trzanowitz, Trzinietz, Trzitiesch, Willamowitz, Zamarsk, Terlitzko, 9 in Bobrek, 4 in Schöbischowitz und je einer in Ropitz, Trzynietz und Gumna. Nach der im Jahr 1780 durchgeführten Volkszählung belief sich die Ein wohnerzahl dieses Gebietes auf 22945 Familien mit 109252 Seelen. Für den Österreich verbliebenen Teil von Schlesien setzte Maria-There sia eine eigene Verwaltungsbehörde ein. An Stelle des Breslauer Oberamtes wurde am 17. Oktober 1742 ein neues königliches Amt in Troppau errichtet, unter welchem der öffentliche Konvent Schlesiens, die fürstlichen Ämter und Regierungen in den Herzogtümern, Minderstandsherrschaften, die Re ligionskommission und das Konsistorium der Evangelischen standen. Um das Steuerwesen in Ordnung zu bringen, wurden Landesälteste bestellt. Teschen mit den Minderherrschaften hatte seine eigenen. Ih nen oblag nicht nur das Steuerwesen, sondern auch die Regelung der Ein quartierungen und des Vorspannes, die Bekanntmachung und der Vollzug politischer Verordnungen. Ein großer Teil der Aufgaben des früheren Lan deshauptmannes war auf sie übergegangen. Dieser übte im Namen des Her zogs nur noch die Justiz aus, welche in erster Instanz auch dem Magistrat Teschen, den Minderstandsherrschaften und ihren städtischen Magistraten sowie den mit der Gerichtsbarkeit ausgestatteten Dominien verblieb. Die höheren Instanzen waren, wie bisher, die Appellationskammer in Prag, be ziehungsweise die böhmische Hofkanzlei in Wien, wenn das Streitobjekt 5000 Taler überstieg. Zur Vertretung der Streitparteien waren Landesadvokaten bestellt. Te schen hatte 1732 sechs Advokaten, wovon einer als Kanzleidirektor nach Bielitz übersiedelte. Über die Interessen des Landesfürsten und die Handhabung der Geset ze und Verordnungen wachten zwei schlesische „Fiskale”. Wir verließen die Geschehnisse von Bielitz mit der Betrachtung der Per son des Grafen Heinrich Wilhelm von Solms und kehren jetzt wieder nach 252
Bielitz zurück, wo sich ein neuer Herr anschickte, von unserer heimatlichen Herrschaft Besitz zu ergreifen. Es war wiederum ein deutscher Fürst, der für neun Jahre unser Schutz herr sein sollte. Wir werden sehen, daß dieser schlesische Adelige und Herr von Bielitz ein gewichtiges Wort mitzureden hatte, dem auch der H of in Wien vertrauensvoll sein Ohr lieh. Es war dies Friedrich W. Graf von Haugwitz. Friedrich Wilhelm Graf von Haugwitz wurde am 11.12.1702 in Sachsen geboren. Seine Familie ist ein altes schlesisches Geschlecht, das seit dem 12. Jahrhundert in Preußen, Sachsen, Böhmen und Schlesien ansässig war. Friedrich Wilhelm war der älteste Sohn des 1733 in den Grafenstand erho benen Georg Karl Freiherr von Haugwitz und seiner Frau Helena. Er konvertierte frühzeitig zum Katholizismus und war seit 1725 in öster reichischen Staatsdiensten in Breslau, zeichnete sich als Beisitzer (seit 1736) des Breslauer Amtes und später als Oberamtsrat von Schlesien aus, da er wie berichtet wird - selbst arbeitete und nicht, wie andere, nur die Arbeit seines Sekretärs mit seinem Namen fertigte. Bald wurde er bei jedem wich tigen Geschäft der Provinz Schlesien zu Rate gezogen und mit der Leitung des Kontributionsamtes betraut, welches noch Kaiser Karl VI. in Schlesien eingeführt hatte. Der Sache Österreichs blieb Haugwitz auch nach der preußischen Beset zung Schlesiens treu. Im Jahre 1731 heiratete er Maria Eleonora Gräfin von Nositz, die aber bereits am 27.10.1736 starb. Ein zweites Mal heiratete er am 7.1.1738 eine Hedwig Therese, Gräfin von Falkenberg. Sein Sohn aus dieser Ehe, Otto Karl, starb als Gubernialrat 1761 in Mähren. Sein väterliches Erbe in Preußisch-Schlesien mußte Haugwitz, da ihn die preußischen Behörden mit großer Härte behandelten, verkaufen. Nach dem Breslau-Berliner Frieden begab sich Haugwitz als entschiedener Geg ner Friedrichs II. nach Wien und lebte dadurch in sehr ungünstigen Verhält nissen, bis Maria-Theresia durch ihren Gemahl und den Grafen Tarouca auf ihn aufmerksam gemacht wurde. Er wurde von ihr 1742 zum Landespräsi denten von Österreichisch-Schlesien bestellt. Er nahm seinen Sitz in Bielitz und blieb in unserer Stadt während des ganzen zweiten schlesischen Krie ges. Er war es, der die Kaiserin auf die Gefahr eines möglichen Verlustes von Böhmen und Mähren hinwies, wenn nicht ein stehendes Heer von 108000 253
Mann zur Verfügung stände. Schlesien sei ja nur verloren gegangen, weil viel zu wenig Truppen im Land an der Oder standen. Als dann tatsächlich der neue Angriff erfolgte, erwarb sich Haugwitz das große Vertrauen der Kaiserin. Am 18.1.1743 wurde er mit der Würde eines Geheimen Rates ausge zeichnet und 1749 mit der Reform der Staatsfinanzen als Präsident des „Directorium in politics et cameralibus” der deutsch-slawischen Erbländer des Hauses Habsburg beauftragt. Die Aufgabe löste er rasch, es gab Schwierigkeiten mit dem hohen Adel, dem der „arme schlesische Graf jüngsten Datums” nicht paßte. Aber zuerst in Mähren und dann auch in Böhmen gelang die Annahme des Haugwitzschen Planes. Am 8.6.1750 wurde er in den Herrenstand von Niederösterreich aufge nommen, was die niederösterreichischen Stände trotz früherer Feindschaft seinen Reformplänen gegenüber, aus eigenen Stücken taten. Am 30.7.1752 kaufte Haugwitz die Herrschaften Namiest und Krappitz samt dem Gut Knöritz in Mähren. Namiest war bis 1945 im Besitz der Haug witz und ist seit 1948 Gästehaus der tschechoslowakischen Regierung. Mikojan und Fidel Castro haben hier schon gewohnt. Über den Verbleib der bekannten Haugwitz-Daunschen Waffensammlung ist bis heute nichts be kannt. Am 29.11.1759 verlieh der Kaiser ihm das „Goldene Vlies”. Sein Ressort führte er mit musterhafter Ordnung und machte die Monarchie von den Subsidien der Seemächte unabhängig. Maria-Theresia machte ihn zum Kammerpräsidenten. Am 30.12.1760 wurde Haugwitz seines Postens als oberster Kanzler ent hoben und als Staatsminister in den neugeschaffenen Staatsrat berufen (für die inneren Geschäfte); er wurde so einflußreichster Berater der Kaiserin. In ihrem Testament schrieb sie, er sei ihr „wahrhaft durch die Vorsehung geschickt worden”. Der innerdeutsche Krieg hatte aber in der gleichen Zeit für die Deut schen auf beiden Seiten - für Preußen und für Österreicher - schwere inne re Zerwürfnisse gebracht, von den materiellen Schäden ganz abgesehen. Im inneren Zwiespalt, unschlüssig, was zu tun und was zu lassen ist, irrten Tau sende von einer kämpfenden Seite zur anderen, hatten Glück oder wurden vom Unglück verfolgt, kamen um, verbrachten viele Jahre hinter Kerker mauern, gepeinigt und verfolgt. Deutsche kämpften gegen Deutsche, weil 254
sie nicht wußten, auf welche Seite sie gehörten, weil sie dieses ganze Gegen einander nicht verstandea Nicht verstehen konnten, warum jetzt auf ein mal die, die bisher friedlich zusammenlebten, in einem Orte, in einem Kreis, in einem Herzogtum, warum diese Menschen auf einmal Feinde sein sollten. Einer dieser Flüchtenden, den auch der Weg durch unsere Heimatstadt lenkte, um sich der Verfolgung zu entziehen, trug einen klingenden Namen. Ein tapferer Mann, dem dieser Krieg zum Verhängnis wurde. Sein Leben wurde durch diese Auseinandersetzung zerstört. Das Jahr 1747 läßt einen durch Deutschland flüchtenden Deutschen sei nen Weg auch durch Bielitz nehmen. Es ist eines der Schicksale dieser ver worrenen Zeit der sich untereinander bekriegenden Deutschen. Dieser Mann ist Friedrich Freiherr von der Trenck, geboren am 16.2.1726 in Königsberg. Er ist der Vetter des berühmten Pandurenobersten Franz Frh. von der Trenck. Seit 1744 im preußischen Heer, wird er Adjutant des Königs, findet Gefallen und Gegenliebe bei der Schwester des Königs, Amalie. Sie bekommen sich nie. 1745 wird Trenck vom König gefangenge setzt, kann aus Glatz fliehen und nimmt seinen Wegen gegen Osten. Er will zu seiner Schwester, der Frau von Waldow, die auf ihren Gütern im Brandenburgischen zwischen Landsberg an der Warthe und Meseritz lebt. Sein Weg dorthin führt ihn auch durch unser Land und durch unsere Stadt, die er nicht in bester Erinnerung behalten kann. Unser Land betritt er bei Friedek, der schlesischen Grenzstadt gegen Mähren. Er schreibt dann weiter wörtlich: „Den 26. (gemeint ist der 26. Januar 1747) nach Friedek in Oberschle sien zwei Meilen. Den 27. auf ein hannakisches Dorf viereinhalb Meilen. Den 28. über Skotschau nach Bielitz, drei Meilen. Da dieses die Grenzstadt zwischen Polen und den österreichischen Staa ten ist, so forderte uns der dort in Garnison liegende Hauptmann Cappi, vom Marschallschen Regiment, den Paß ab. Wir hatten andere Namen dar in und waren gemeine preußische Deserteure. Ein aus Glatz desertierter Tambour kannte uns aber und sagte es dem Hauptmann. Dieser Dummkopf und grobe Menschenfeind ließ uns sogleich arretie ren. Er verweigerte uns despotisch jedes Gehör und ließ uns mit Verachtung zu Fuß nach Teschen zurückführen. Es waren vier Meilen. Dort kamen wir zum Oberstleutnant Baron Schwarzer, der ein recht 255
schaffener Mann war, uns bedauerte und das grobe Verfahren des Hauptmann Cappi bei so sonnenklarer Rechtfertigung tadelte. Ich erzählte ihm mein ganzes Schicksal offenherzig. Er tat alles, um mich von der polnischen Reise abzuhalten, und riet mir den Weg nach Wien an. Umsonst, mein gu ter Genius hielt mich damals noch von Wien zurück, und wollte Gott, daß ich mich ewig davon entfernt hätte! Ich kehrte also nach Bielitz zurück, abermals vier Meilen. Schwarzer gab uns bis dahin seine eigenen Pferde und vier Dukaten auf den Weg, die ich ihm dankbar in der Folge bezahlt habe und ewig nicht vergessen werde, weil sie meinen Zweck beförderten und mir ein Paar neue Stiefel verschaff ten. Inzwischen war mein ganzes Blut gegen den Cappi empört. Wir gingen sogleich durch Bielitz nach Biala, auf die polnische Grenze. Von da schickte ich ihm Kartell und forderte ihn auf Degen oder Pistole; erhielt aber keine Antwort. Er erschien auch nicht und blieb in meinen Augen ein Schurke in Ewigkeit. Den 1. Februar gingen wir von Biala vier Meilen nach Oswiezim, den 2. nach Bobrack und Olkusch fünf Meilen . . .” Bielitz brachte ihm also zunächst Pech, doch konnte er beim zweiten Versuch die damalige Grenze, welche die Białka bildete, glücklich über schreiten. Von seiner Schwester ging er nach Wien, wurde 1749 österreichischer Rittmeister, war 1754 bis 1763 wieder in preußischer Haft, kam erst durch Fürsprache Maria-Theresias wieder frei und lebte bis 1766 in Wien, seit 1791 in Paris. Sein unruhiges Leben fand am 25.7.1794 in Paris durch Hinrichtung als vermeintlicher Agent für Preußen sein Ende. In dieser Zeit wechselte so mancher tapfere Mann die streitenden Sei ten, denn auf beiden Seiten war Deutschland, ähnlich wie es heute der Fall ist. Gleich geblieben ist aber, daß sie, die Deutschen, sich spinnefeind sein mußten. Eine Tragik, die sich so oft in unserer Geschichte wiederholt. Durch die Erfolge der Österreicher in der Folgezeit in Schlesien besorgt, griff Friedrich II. 1744 erneut zu den Waffen, siegte wiederum und schloß am 15.12.1745 mit Österreich den Frieden von Dresden. Während dieses zweiten schlesischen Krieges rückten am 15.9.1744 fünf Eskadronen preußischer Husaren in Teschen ein, deren Verpflegung wäh rend ihres fünfzigtägigen Aufenthaltes die Stadt 6020 Gulden kostete. Dem in Troppau liegenden preußischen Korps mußten ebenfalls „Fourage” und Lebensmittel zugeführt werden. 256
Am 2.9.1744 rief Maria-Theresia die Bewohner Mährens und Schlesiens und auch die Bewohner unserer Berge zur Verteidigung des Landes auf. Das nächste Jahr, es ist das dritte Regierungsjahr des Bielitzer Fürsten von Haugwitz, bringt die kriegerischen Ereignisse auch wieder in unsere heimatliche Gegend. Bereits im Frühjahr gelang es den Preußen, weite Teile von Oberschle sien zu besetzen. Im Januar werden Troppau, Jägemdorf und Ratibor um kämpft, ungarische Einheiten kommen von jenseits der Oder und werden aus Troppau verdrängt. Preußen greifen Oderberg an und die Ungarn wer den auch in Ratibor überwunden, die Oderbrücke wird besetzt. Im Mai rückt Reitergeneral Ziethen gegen Jägerndorf, um die dort Ein geschlossenen zu entsetzen, am 27. dieses Monats nehmen Österreicher un ter dem übergelaufenen Fähnrich Vensky die noch unfertige Festung Cosel. Im nächsten Monat (4.6.1745) wird die Schlacht von Hohenfriedberg ge schlagen, Schlesien wird zunehmend von österreichischen Soldaten frei. Am 26.8. erscheint General von Nassau vor Cosel, das Oberwachtmei ster Flandrini am 5.9. übergeben muß. 3000 Kroaten werden gefangen. Wei ter geht’s auf Troppau zu. Im Oktober wird Feldmarschall von Esterhazy von Nassau aus Oder berg vertrieben, er rückt auf Poruba vor, die Ungarn gehen auf Pleß und Teschen und schließlich nach Jablunkau zurück. Im Dezember unternimmt Oberst von Wartenberg einen Streifzug ge gen Pleß und verdrängt auch dort wieder 1600 Ungarn, zieht sich selbst aber über Gleiwitz und Cosel zurück. Im letzten Teü des österreichischen Erbfolgekrieges schloß MariaTheresia ein Schutz- und Trutzbündnis mit Rußland. Russische Truppen berührten auch unser Land, als sie als Hüfstruppen nach Westen zogen. Sie kamen aber nicht mehr zum Einsatz, da vorher schon der Frieden von Aachen (1748) geschlossen wurde, der den Verlust Schlesiens zwar bestä tigt, die pragmatische Sanktion aber anerkennt. Maria-Theresia kann den Verlust von Schlesien nicht vergessen. Die sich bildende Allianz Österreich-Rußland-Frankreich scheint Friedrich eine ernste Gefahr für sein Schlesien zu sein, und so entschließt er sich noch einmal, seine Truppen marschieren zu lassen. Es war dies der Beginn des dritten oder Siebenjährigen Schlesischen Krieges, durch welchen unser Herzogtum weit härter als durch die beiden vorhergehenden getroffen wurde. 257
Gleich zu Beginn war es Standort ungarischer Truppen, und Anfang 1758 besetzte der preußische General Werner Österreichisch-Schlesien und auch unser Herzogtum. Eine Division Husaren lag in Teschen. Nach dreitägigem Aufenthalt verließ das Korps wieder die Stadt, nachdem es dem Fürstentum und den Minderstandsherrschaften eine Kontribution von 40000 Talern an Geld und je 20000 Hafer-, Heu- und Strohrationen, 60000 Mehlportionen und 400 Klafter Holz als Naturalabgaben auf erlegte. Zur Sicherung der Erfül lung wurden der Landesälteste Adam Josef Baron von Gotschalkowski, der Landesmarschall Bernhard von Rusetzki und der Stadtadministrator Jo hann Scherschnik mit nach Troppau genommen. Gegen Ende des Jahres 1758 bezog das Infanterie-Regiment Großher zog Toscana Winterquartier in der Stadt Teschen. Unter den an das Klima nicht gewohnten Italienern brachen seuchenartige Krankheiten aus. Etwa 300 Mann starben in der zum Militärhospital umgewandelten evangeli schen Schule. Zur gleichen Zeit residierte auch der Bischof von Breslau, Graf Schalfgotsch, in Teschen. Im Frühjahr des nächsten Jahres verließen die Italiener unser Land, und am 4. November 1759 erschien der preußische Major von Pannewitz mit 300 Husaren, besetzte die Stadttore und belegte die Stadt Teschen mit 6000 Talern als Repressalie für die von General Gi deon Freiherr von Laudon und den Russen im Brandenburgischen zerstör ten Dörfer und Städte. Gezahlt wurde allerdings nur ein weit geringerer Be trag, und die Dorfschaften leisteten Naturallieferungen. Die Aktion selbst galt vor allem dem Bischof von Breslau, der sich aber rechtzeitig nach 01mütz begeben hatte. Es ist zweckmäßig, noch einige Bemerkungen über die sächsischen Be mühungen in unserem Land und östlich davon folgen zu lassen. Wir hörten schon, daß Kurfürst August II. von Sachsen dank seiner geschickten Ver handlungsweise, reicher Geldmittel und vor allem der Unterstützung durch Kaiser Leopold I. und den Papst am 15.9.1697 zum polnischen König ge wählt und im nahen Krakau gekrönt wurde. Damit begann die europäische Periode Sachsens, das in Wien die Bildung einer Landbrücke nach Polen hin anstrebte, die über Niederschlesien gehen sollte. Durch die Erfolge der Österreicher im Südosten wurden diese Pläne hinfällig. Im Kampf gegen Schweden wurde Sachsen am 19.7.1702 bei Kliszow, nordöstlich von Krakau (etwa 130 km von Bielitz entfernt), geschlagen. 1704 wird Stanislaus Leszczyński im Schutze Schwedens polnischer König. Zu 258
allem Überfluß wurde August II. 1706 nochmals bei Fraustadt von den Schweden geschlagen. Nachdem sich das Glück von den Schweden abwen dete, konnte August II. 1714 wieder den polnischen Thron besteigen. Schweden erkannte im Stockholmer Waffenstillstand (1719) die Tatsache an. Er blieb König bis 1733. Am 1.2. dieses Jahres starb er in Warschau und ist auch dort begraben. August der Starke spielte aber auch für Teschen eine Rolle. An seinem H of lebte unter anderen vielen Frauen auch die Fürstin Lubomirska, gebo rene Böckum, die Tochter eines hohen Hofbeamten französischer Her kunft. Ursula Katharina, so hieß sie, wurde von Kaiser Leopold I. zur Reichsfürstin von Teschen ernannt, als sie am 21. August 1704 August dem Starken einen Sohn schenkte. Als Johann Georg, Chevalier de Saxe, ist er in die Geschichte eingegangen. Dieser Fürstin von Teschen gehörte auch von 1705 bis 1737 das sächsische Domänen- und Kammergut Hoyerswerda in Niederschlesien. Ihr Sohn Johann Georg stieg zum sächsischen Feldmar schall auf, führte die sächsische Reiterei im Krieg 1756 bis 1763, mußte am 15.10.1756 am Lilienstein in der Sächsischen Schweiz aber auch kapitulie ren. Nach dem Siebenjährigen Krieg leitete er die Neugestaltung des sächsi schen Heeres. Er starb 1774, nachdem er noch die Position eines Gouver neurs von Dresden bekleidet hatte und Ritter des Malteserordens geworden war. Die Landverbindung Sachsens mit Polen - eine Lieblingsidee des Kö nigs - gelang nicht, da zuerst Österreich und später Preußen unanfechtbar Besitzer von Schlesien waren. 1733 wird Graf Sulkowski Kabinettsminister und der junge Herrscher August III. überläßt ihm die Regierungsgeschäfte bis 1738. Am 5. März die ses Jahres wird Sulkowski gestürzt. In der hierüber gesichteten Literatur werden zwei Gründe erwähnt, wieso es dazu kam: erstens soll sein Gegen spieler, Graf Brühl, gemeinsam mit der Königin und dem Beichtvater des Hofes, Pater Guarin, seinen Sturz herbeigeführt haben. Zweitens soll sein Sturz wegen begangener Unterschleife und Fehler während des Türkenkrieges an den sächsischen Hüftruppen erfolgt sein. Nach Angaben von König Friedrich dem Großen soll Brühl ein Projekt Sulkowskis, das sich auf Böhmen bezog, dem Wiener Hof mitgeteilt haben. Nach einer anderen Version soll der nicht erfüllte Wunsch Sulkowskis, zum Reichsfürsten erhoben zu werden, ihn veranlaßt haben, am 5.2.1738 derart schroff dem König entgegenzutreten, daß der König ihm befahl, sich sofort 259
zu entfernen. Am nächsten Tag sei ihm der Entlassungsbefehl durch Gene ral Baudissin überbracht worden. Er verlor seine Ämter, behielt aber den Titel eines Kabinettsministers und Generals der Infanterie mit einer jährlichen Pension von 6000 Talern. Sulkowski soll aber nach dem Vorfall noch gute Beziehungen zu Brühl gepflogen haben. (Dr. Philip: „Die sächsischen Minister Sulkowski und B rühl. . .”) Ich füge diese Zeilen ein, um vielleicht eine wenig bekannte politische Vorgeschichte unseres späteren Herrn der Herrschaft Bielitz festzuhalten. Von seinem Gegenspieler wissen wir schon, daß er 1755 sich rechts der Biał ka ankaufte und als Herr von Biala-Kunzendorf bis 1763 Nachbar seines Vorgängers am Dresdner Hof wurde, der ja schon vor 1752 die Herrschaft Bielitz käuflich erwarb. Der Urheber des Glanzes der Familie von Sulkowski war der schon frü her genannte königlich sächsisch-polnische Staatsminister Alexander Josef von Sulkowski, der die Güter des früheren polnischen Königs Stanis laus Leszczyński in Lissa (Leszno) und Reissen (Rydzyn) im Posenschen kaufte. Geboren am 12.3.1695, kam er als Junge zunächst als Page beim Kur prinzen August von Sachsen an den Hof, wird Kammerjunker, Jäger- und Hofmeister, 1732 Oberjägermeister des Großherzogtums Litauen und Oberst des königlichen Leibregiments. Der König besuchte ihn auch mehr fach auf seinem nahe der Grenze gelegenen Schloß Reusse (Reissen). Er stand in der Gunst des Königs, war auch bei ihm, als König August III. am 15.12.1733, als er sich auf dem Weg befand, um die polnische Krone in Emp fang zu nehmen, nach Oppeln kam. In diesem Jahr war er Kabinettsminister geworden, und der König über ließ ihm fünf Jahre lang die Erledigung aller Staatsgeschäfte. Auch wurde er 1733 von Kaiser Karl VI. in den Reichsfürstenstand erhoben und erhielt das Indigenat (Heimatrecht) in allen kaiserlichen Erblanden verliehen. Sein König ermächtigte ihn, seinem Wappen das sächsische hinzuzufügen. Sulkowski konnte zu dieser Zeit den Herrschaftskomplex Neschwitz im Kreis Bautzen in der Oberlausitz, die zu den großen Herrschaften dieses Landstriches gehörte, erwerben. Das 1723 erbaute Schloß wurde 1945 ein Opfer des Krieges. Im erhalten gebliebenen alten Schloß befindet sich jetzt eine Vogelschutzstation. 1733 bis 1736 gehörte ihm auch das ab 1724 unter Leitung des Johann 260
Friedrich Eosander von Göthe erbaute Schloß im Dorf Übigau, heute im Stadtkreis Dresden gelegen. Er erwarb es aus der Hand König Augusts des Starken. Der Ort ist insofern interessant, da er später zum Sitz und Aus gangspunkt eines der sächsischen Maschinenbaubetriebe wurde, in wel chem man 1838 die erste inDeutschland hergestellte Lokomotive „Saxonia” baute. Aber auch auf einer Reihe anderer Besitzungen waren die Sulkowskis beurkundet: Im Großherzogtum Posen die Herrschaft Lissa und Reissen (Fraustadt) 1756. Kobylin und Zduny (Krotoschin) 1788. Görchen (Kröben) 1804. Gurzno (Frauenstadt) 1804. In Westpreußen Krojanke (Flatow) 1788 und Smirdowo. In Schlesien die am 22.7.1754 zum Herzogtum erhobene Standesherr schaft Bielitz, das Rittergut Słupna (Beuthen) und die vorhin genannten Orte in der Oberlausitz. 1735 wurde er zum kommandierenden General der sächsischen Armee ernannt und übernahm deren Oberbefehl in Polen. 1737 ist er Befehlshaber jener Truppen, die Sachsen dem deutschen Kaiser gegen die Türken zur Verfügung stellte. 1738 wird er seiner Ämter enthoben und muß den Hof verlassen. Er zog sich auf seine Güter Lissa und Reissen zurück. 1752 kaufte er die Herrschaft Bielitz für den ansehnlichen Betrag von 630000 Gulden von Graf von Haugwitz, die gerade 1751 zur „freien” Stan desherrschaft geworden war. Maria-Theresia verlieh ihm und seiner erstgeborenen Nachkommen schaft 1752 auch die Würde eines deutschen Reichsfürsten. Am 19. März 1752 wurde die Standesherrschaft Bielitz zum Fürstentum erhoben, die in ein Fideikommiß umgewandelt wurde, einen unveräußerlichen Besitz, der sich meist nur im Mannesstamm vererbt. 1754 wird Sulkowski Herzog und Bielitz ein Herzogtum, zu welchem Ernsdorf, Tschechowitz, Batzdorf, Grodzietz, Bierau, Kostropitz, Bistrai und Matzdorf gehörten. Die Urkunde der Ernennung zum böhmischen Herzog ist am 2.11.1754 ausgestellt. MariaTheresia dehnte im gleichen Jahr die Würdenerblichkeit auf alle männli chen und weiblichen Nachkommen aus. Damit war auch die Annahm e des Prädikates „Durchlaucht” verbunden. Der Herzog von Bielitz hat die glei chen Rechte wie die übrigen schlesischen Herzoge. Al exander-Josef war zweimal verheiratet. Seine erste Frau war Maria 261
Anna Franziska, geborene Freiin von Stain zu Jettingen. Sie war am 2.2.1712 geboren und entstammte dem Haus der Ritter und späteren Freiherren von Stain, das seit 1469 zu Jettingen im Landkreis Günzburg (Bayern) erwähnt ist. Jettingen war, wie das ganze Gebiet um Günzburg, bis 1806 österrei chisch und reichsunmittelbar. Maria Anna ist die Mutter aller Kinder von Alexander von Sulkowski. Sie starb im Alter von 29 Jahren am 16.11.1741. Von ihren Söhnen leitet sich die österreichisch-bielitzer Linie (durch Sohn Franz de Paula) und die preußisch-reissener Linie (durch Sohn Anton) ab (Ranfft: „Genealiog. Nach richten” Band III, S. 543.). Durch diese Frau kam österreichisch-bayrisches Blut in das Bielitzer Herrengeschlecht. Das Geschlecht selbst soll - die meisten Anzeichen deuten daraufhin seinen Ursprung in Schlesien haben und ein Zweig des adeligen Hauses Leschwitz sein. Die Nachfahren zogen nach Sulkow links der mittleren Weichsel. Der Ort wurde ihr Stammsitz, von ihm leitet sich der Name her. Das Wappen der Sulkowskis kann nach den erreichbaren Unterlagen wie folgt beschrieben werden: 1. und 4. Geviert in Schwarz ein silberner Doppeladler. 2. und 3. Geviert von Silber und Rot senkrecht geteilt mit einem Löwen von wechselnder Farbe. Mittelschild: Das Stammwappen Sulima, der Adler trägt aber auf der Brust einen kleinen, mit einem Fürstenhut gezierten Schild, darinnen das einfache sächsische Wappen. Auf dem Helm wiederholt sich der Doppelad ler. Schildhalter: 2 Löwen. Das Stammwappen Sulima wird beschrieben: Quergeteilt, oben in Gold ein wachsender schwarzer Adler, unten in Rot drei kreuzförmig in Süber gefaßte Diamantsteine. Auf dem gekrönten Helm der wachsende Adler. Der erste Bielitzer Sulkowski stirbt am 22.5.1762. Sein Neffe Anton, durch das Einsetzen der Stände im Großherzogtum Posen durch König Friedrich Wilhelm III. als Besitzer von Reissen, wird ständiges Mitglied des Provinziallandtages, 1824 sogar Landmarschall und preußischer Staatsrat. Die Einwirkung der sächsischen Periode wäre nicht vollkommen ge schildert, wenn nicht noch ein Mann erwähnt würde, den das Schicksal ebenfalls in unsere Heimat lenkte. Es war der Nachfolger Sulkowskis am sächsischen Hof, Heinrich Graf von Brühl. Heinrich Graf von Brühl, seit 1737 Reichsgraf, war am 13. August 1700 in 262
Gangloffsömmern in Thüringen geboren und stieg unter König August II. von Sachsen-Polen vom Steuereinnehmer zum Wirklichen Geheimrat und Direktor des Departements für Inneres (1731) auf, stand 1733 dem jungen Kurfürsten, dem späteren August III., bei der Erlangung des polnischen Thrones zur Seite und verstand es, imm er neue Geldquellen zu eröffnen. 1737 wurde der nunmehrige Reichsgraf Chef des Militärs und 1738 Chef des Departements für Äußeres und Oberkämmerer. 1746 wurde er Ministerprä sident. Es war auch Brühls Ziel, eine Landbrücke zwischen Sachsen und Polen herzustellen, was bei der traditionellen Anlehnung Sachsens an Österreich nur auf Kosten Preußens gehen konnte. Daß sich daraus eine Feindschaft ergab, war zwangsläufig. Er benutzte die Zeit seiner Tätigkeit in hohen Ämtern, sich auch persönlichen Reichtum zu schaffen. Von 1744 an gehörte ihm das spätbarocke Schloß Oberlichtenau im Kreis Kamenz (1750 und 1760 von den Preußen verwüstet), 1746 erbaute er das heute in der Stadt Dresden gelegene Palais Friedrichsstadt und 1747 er warb Brühl das Rittergut Seifersdorf im Stadtkreis Dresden, das bis 1945 im Besitz der Familie blieb. Die historischen Naturanlagen im „Seifersdorfer Tal” mit seinen Büsten und Tempeln sind verschwunden oder verfallen. Im gleichen Jahr kam auch Herrensitz und Gut Gausitz im Kreis Bautzen und 1750 das Rittergut Hosterwitz in Dresden in seinen Besitz. Die erhöhten Terrassen, das schönste Stück der Festungsanlagen von Dresden, gingen in seinen Besitz über und als „Brühl’sche Terrasse” in die Geschichte ein. Die Reihe der Landkäufe wurde auch außerhalb der Gren zen Sachsens fortgesetzt. 1755 erwarb der schon sehr reiche Fürst den Gemeindebezirk Kunzendorf-Biala und weilte auch auf seinem neuen Besitz während des ganzen Siebenjährigen Krieges (1756-63). Friedrich der Große ließ alle Besitzungen Brühls im besetzten Sachsen verwüsten. Brühl sah nach Beendigung der schlesischen Kriege all seine politischen Ostpläne durchkreuzt und legte nach dem Hubertusburger Frieden und dem Tod des Königs (5.10.1763) alle seine Ämter nieder. Auch KunzendorfBiala blieb nicht mehr lange in seinem Besitz, denn ganz kurz danach starb auch er in Dresden, wohin er sich begeben hatte. Das war am 28.10.1763. Seine Politik stürzte Sachsen ins Unglück. Daran konnte auch die wechseln de Parteinahme nichts ändern. Im ersten schlesischen Krieg befand sich Sachsen auf der Seite Preußens und ging trotz des Sieges leer aus. 263
Im zweiten und dritten schlug es sich auf die Seite Österreichs, war so bei den Verlierern und wurde hart bestraft. Als Preußen in Sachsen einmar schierte, befand sich Brühl gemeinsam mit seinem König in Warschau. Sachsens größte geschichtliche Epoche endete praktisch ebenfalls am 15.2.1763, dem Tag des Abschlusses des Friedens im Schloß Hubertusburg. Und nun wenden wir uns nochmals zum westlichen Ufer unserer Białka nach Bielitz zu unserem ersten Fürsten aus dem Hause Sulkowski. Rektor Gustav Schlauer hat in den 20er Jahren in der „Schlesischen Zeitung” Bielitz einiges über unser Fürstenhaus veröffentlicht. Aus der Sammlung von unserem Landsmann Dr. Kaluza wurden mir einige dieser Aufsätze zugänglich. Ich lasse nun mehrere seiner Mitteilungen, die aus Gerichtsprotokollen des Schloßarchivs stammen und die Familie und der ersten Fürsten Alexander-Josef von Sulkowski betreffen, folgen. Er schrieb damals: „Ist der Regierungsantritt des fürstlichen Hauses Sulkowski durch die gleichzeitige Erhebung der freien Standesherrschaft Bielitz zu einem Für stentum und bald darnach zu einem Herzogtum für unsere Heimat von be sonderer Bedeutung, so wird das Interesse für diese Zeit noch gesteigert durch die so tief in alle Verhältnisse einschneidenden Veränderungen des öffentlichen Lebens in Folge der Aufhebung der Untertänigkeit und Robot um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Gleich allen andern bisher besprochenen Herrschaftsbesitzern von Bie litz hat auch das fürstliche Haus Sulkowski eine weit zurückreichende Ver gangenheit. Über die Abstammung und Herkunft dieses Geschlechtes wird uns durch eine Urkunde Kaiser Karls VI. vom 22. August 1733 authentische Nachricht gegeben. Durch dieses Diplom wurde die gegenwärtige fürstliche Linie in den Reichsgrafenstand erhoben. In der Urkunde heißt es, daß durch beglaubigte Quellen nachgewiesen worden sei, daß Sulima, der Ahn herr des Hauses, der sich zur Zeit des Königs Boleslaus III. Schiefmund (1102-1138) in Polen niedergelassen hat, ursprünglich dem uralten reichs gräflichen Hause Solms (auch Sulms oder Sulima) angehört habe. Deshalb wurde der Reichsgrafenstand der Sulkowski durch Kaiser Karl VI. nur er neuert und ihnen zum Andenken ihrer Abstammung zwei goldene Löwen als Schildhalter des vermehrten reichsgräflichen Wappens verliehen. Das Wappen Sulima besitzen noch mehrere andere polnische Familien, unter anderen die Gamratowicz und ist dieses Wappen über dem Grabe des Bi 264
schofs Gamrath auf der Katedrale am Wawel zu Krakau links hinter dem Hauptaltar zu sehen. Der Name Sulkowski wurde dem Stammgute Sulkowo borowe im Kreis Mlawa in der Nähe von Warschau entnommen. Die ununterbrochene Geschlechtsfolge der Grafen Sulima Sulkowski beginnt mit Paul Sulima von Sulkowo berów Sulkowski, der mit Franziska Maciejowska verheiratet war. Dieser Ehe entsproß Johann Sulima von Sulkowo-Sulkowski, welcher mit Katharina Dluska vermählt war. Von seinen beiden Söhnen zeichnete der eine sich im 30jährigen Kriege unter Wallen stein aus; er starb unvermählt. Der zweite Sohn Sebastianus von SulkowoSulkowski heiratete Barbara Radzimirska und hinterließ einen Sohn Stanis laus von Sulkowo-Sulkowski. Er war Burggraf von Krakau, später Kämme rer in Ploek und mit Elisabeth de Wagry-Wagrowka verheiratet Seiner Ehe entsprossen eine Tochter und zwei Söhne, Alexander Josef und Anton. Alexander Josef von Sulkowo-Sulkowski ist der eigentliche Begründer der fürstlichen M acht Ausgezeichnet als Staatsmann erwarb er dem Ge schlecht Fürstenrang und Herzogskrone. Er war Fürst des Heil. Röm. Rei ches und Herzog zu Bielitz, litauischer Hofjägermeister, Generalleutnant des polnischen Heeres, oberster Haushofmeister und erster Kabinettsmini ster des sächsischen Hofes, Piascyner Starost, ferner Starost von Adelman, Nowodmor und Sukolniki, Ritter des Ordens vom weißen Adler, des sächsi schen St.-Heinrich-Ordens, des mssischen St.-Andreas- und St-AlexanderNewski-Ordens, des bayrischen Hubertus-Ordens usw., Herr auf Reissen, Graf auf Lissa, Schmiegel, Kobylin, Zduny, Bauzkow, Weine, Görschen, Luschwitz usw., in Großpolen Herr der Güter Neschwitz, Holscha, Zescha usw., in Sachsen der Herrschaft Gubel, in Preuß.-Schlesien der Herrschaft Krojanka, Schloppe usw., in Westpreußen von Sulkowe borowe, im Kreise Mlawa der Kolonie Bozdar bei Warschau, Besitzer der Schlösser in Reissen und Bielitz, der Vorstadt Lissa und des Palastes in Warschau, der Paläste in Dresden, Lissa und Neschwitz. Fürst Alexander Josef von Sulkowski wurde am 13. März 1695 geboren, war schon als Jüngling dem König von Polen August II. aufgefallen und als Page seinem Sohne, dem künftigen König August III., zugeteilt worden. Bald wurde Alexander Sulkowski der unzertrennliche Freund, Vertraute und Spielgenosse des Kronprinzen, mit dem er auch zwei große Reisen un ternahm. Die zweite Reise, die von 1712 bis 1719 dauerte, endete mit der Ver mählung des Kronprinzen mit der Erzherzogin Marie Josephine in Wien. 265
Am 23. Oktober 1728 heiratete Alexander Josef Sulkowski die ehemali ge Hofdame der Kronprinzessin, Maria Franziska Baronin Stain zu Jettin gen. War so Graf Sulkowski der vertrauteste Ratgeber des Kronprinzen, so konnte er wohl glauben, daß seine Stellung unerschütterlich sei. Allein schon j etzt erwuchs ihm in der Person des Grafen Brühl ein gefährlicher Nebenbuhler. Doch sollte es noch Jahre dauern, bis ihm sein Werk, der Sturz des Grafen Sulkowski, gelang. Als König August II. am 1. Februar 1733 gestorben war und am 5. Okto ber 1733 sein Sohn als August III. zum König in Polen gewählt worden war, erhielt Alexander Sulkowski die höchsten Titel und Ämter. August III. ver lieh ihm sein Hauswappen, welches dem Sulimawappen einverleibt wurde. Es ist dies das Wappen der Wettiner. Aber auch in materieller Hinsicht be gründete Fürst Alexander Josef die Macht seines Hauses. Im Jahre 1738 kaufte er nach zuvoriger Genehmigung durch eine Konstitution des polni schen Reichstages vom Jahre 1736 sämtliche Güter nach dem polnischen König Stanislaus Leszczyński. Inzwischen hatte Graf Brühl in seinen Intrigen nicht geruht, es gelang ihm, den schwachen, mißtrauischen König August III. zum Sturze Sulkowskis zu bewegen und denselben inNebigen bei Dresden zu internieren. Doch gelang es ihm, von da nach Polen zu entfliehen. Am 9. September 1738 hielt er mit seiner Gemahlin seinen feierlichen Einzug in Lissa und lebte nun ganz zurückgezogen. Am 16. November 1741 starb seine Gemahlin. Der glücklichen Ehe entsprossen 7 Kinder, 4 Söhne und 3 Töchter. Die Söhne hießen August, Alexander, Franz und Anton. Im Jahre 1742 heiratete Graf Alexander Josef von Sulkowski zum zweiten Ma le, welcher Ehe ein Sohn und eine Tochter entsproßten. Am 26. Februar 1752 erwarb Graf Alexander von Sulkowski vornehm lich unter Vermittlung seines ältesten Sohnes August, der damals bereits Kammerherr am österr. Hofe war, von dem Grafen Friedrich Wilhelm Haugwitz die Herrschaft Bielitz für 630 000 fl. Zu dieser Herrschaft gehörten 18 Maierhöfe im Umfange von 5024 Joch 1541 Quadratklafter. Ferner gehör te dazu noch der Ober-Heinzendorfer Kretscham, das Zabrzeger Brannt weinhaus, das Schloß, Bielitzer Brauhaus und Bierkeller. Am 18.3.1752 wurde Graf Alexander Josef von der Kaiserin Maria The resia in den Fürstenstand erhoben. Am nächstfolgenden Tage, also am 19. März 1752, wurde durch Reskript der Kaiserin Maria Theresia die freie Stan 266
desherrschaft Bielitz mit allen ihren An- und Zugehörungen zu einem be sonderen Fürstentum erhoben, und zwei Tage später, am 20. März 1752, erteilte die Kaiserin dem Fürsten die Bewilligung, aus dem Fürstentum Bie litz ein Fideicommissum familiae perpetuum machen zu dürfen. Schließ lich hatte die Kaiserin Maria Theresia durch Reskript vom 2. September 1754 dem Fürsten Alexander Josef Sulkowski ,in allermildester Ansehung derer um Uns und Unserer durchlauchtigsten Erzhaus erworbenen stattli chen Verdienste die Königliche Gnade gethan und sein Fürstenthum Bie litz in Schlesien zu einem Herzogthum, mithin sowohl ihn als einen jeden aus seinem männlichen Fürstlichen Namen in ordina priveogeniture et linealis successionis folgenden Besitzer zur Herzoglichen Würde, seine übri ge sämtliche, jetzt und künftige eheliche Descendenz beiderlei Geschlechts hingegen in den Fürstenstand Unseres Erb-Königreiches Böheimb und des sen incorporirten Ländern mit dem Prädikat Hochgeboren gnädigst erho ben und versetzt’.” Im Kriege zwischen Preußen und Ö sterreich stand Fürst Alexander treu an der Seite der Kaiserin. Sein jüngster Sohn Anton wurde in der Schlacht bei Zorndorf am 25. August 1758 gefangen und ein halbes Jahr lang in der Festung Küstrin gefangengehalten. Ja, Fürst Alexander rüstete sogar aus eigenen Mitteln eine Truppe aus, um der Kaiserin zu Hilfe zu kommen. Diese Absicht wurde dem König Friedrich II. verraten. Der preußische Ge neral Braun kam mit 8000 Mann vor Lissa und Reissen an, erbat sich die Gastfreundschaft des Fürsten und erklärte plötzlich während der Tafel den Fürsten für verhaftet. Fürst Alexander wurde am 25. Februar 1759 in die Fe stung Glogau gebracht und dort bis zum 16. Juni 1760 gefangengehalten. Die lange Festungshaft hatte die Gesundheit des Fürsten untergraben. Er konnte sich nicht mehr erholen und starb am 22. Mai 1762 in Reissen. Zur Vervollständigung der Ereignisse in unserer Stadt seien noch einige Daten vermerkt, die in die Regierungszeit Alexander-Josefs von Sulkowski fielen. Im Jahr 1755 schnitzte Johann Caspar Frech das Tabernakel der Alt-Bielitzer Kirche, wie eine Inschrift aussagte, und im gleichen Zeitraum wurde in Biala die Errichtung aller Zünfte angeordnet. Am 24.3.1756 kaufte die Bielitzer Tuchmacherzunft das an der Ecke des Niederringplatzes und neben dem bürgerlichen schankberechtigten Haus Christlieb Langers gelegene Grundstück für 1000 Rheinische Gulden. 267
Seit 1750 besaßen die Gebrüder Bartelmuß schon ein kaiserliches Privi leg zur Fabrikation von Textilien. Aus der Geschichte der katholischen Kirche, in welcher seit 1630 der je weilige Grundherr von Bielitz den Pfarrer ernannte, sei aufgezeichnet, daß die am 23.11.1750 von einem Blitzschlag in Brand geratene Pfarrkirche am 2.12.1753 wieder eröffnet und am 26.8.1759 durch den zuständigen Fürstbi schof von Breslau, Philipp Gotthard Graf von Schaffgotsch, Fürst zu Neiße, Herzog von Grottkau, Freiherr zu Kynast und Trachenberg als St.-Niko laus-Kirche geweiht wurde. Nach diesem Brand im Jahr 1750 gab der Magistrat der Stadt Bielitz eine geregelte Feuerlöschordnung heraus, welche die Zünfte zur Stellung von Löschmannschaften verpflichtete. 1760 kam die „Micklersehe Chronik” heraus, welche eine Quellenschrift der Bielitzer Stadtgeschichte darstellte. Unser Bielitz, welches am Rande des österreichisch gebliebenen Teiles von Schlesien lag, gehörte so zu dem kleinsten der böhmischen Krone zu gehörigen Kronlande, dem sogenannten „Österreichisch-Schlesien” mit seinen insgesamt 154 000 Einwohnern. Es war eines der vielen Teilfürstentü mer des Deutschen Reiches der damaligen Zeit. (Böhmen zählte damals 1941100 und Mähren 867 000 Einwohner.) Dieses an sich kleine Städtchen stand damals wieder an der Schwelle einer neuen Regierungsperiode in der Reihe seiner herzoglichen Grundher ren. Auf den ersten Sulkowski folgte sein ältester Sohn August-Kasimir, der sich schon mehrfach um unsere Heimatstadt verdient gemacht hatte. In sei ner Eigenschaft als Kammerherr des kaiserlichen Hofes in Wien hatte er be ste Gelegenheit hierfür.
D ie Jahre 1762 bis 1786, August-Kasimir von Sulkowski
Herzog August-Kasimir war der älteste Sohn, am 15.11.1729 geboren, mit Luise Gräfin Mnischek (geb. 1732, gest. am 10.6.1799) verheiratet und starb am 21.9.1786 in Warschau kinderlos. Er regierte 24 Jahre. Die Aufzeichnungen über ihn in bezug auf Bielitz besagen unter ande rem, daß er seinen Verwaltern eine jährliche Summe von 20000 Gulden ab verlangte, die aus dem Besitz herauszuwirtschaften waren. Gelang dies 268
nicht, verkauften die Beamten, um die Beträge zu vermehren, „was sich er gab”. Aber sein Regierungsantritt fiel noch in eine ruhelose Zeit, die 1741 ihren Anfang nahm und immer noch nicht einer geordneten Zeit des Frie dens wich. Der Siebenjährige Krieg stand im sechsten Jahr seiner Dauer. Noch zweimal in diesem Krieg - und zwar am 29.9.1760 und am 31.5.1762 - wurde unser Herzogtum durch preußische Truppen berührt. Bis aufs Blut ausgelaugt, waren Preußen und Österreich zu Verhandlun gen bereit. Die Deutschen in ihrer Gesamtheit freuten sich über diesen Ent schluß, war er doch dazu geeignet, das tragische Ringen der Deutschen un tereinander zu beenden. Das Schloß Hubertusburg wurde als Verhandlungsort auf Anregung des sächsischen Kurprinzen Friedrich-Christian bestimmt, weil sich Friedrich der Große um diese Zeit meist im benachbarten Dahlen oder in Leipzig auf hielt. Die Pracht der Inneneinrichtung war 1761 zuerst ausgeplündert und an schließend ausgeschlachtet worden, so mußten die sechswöchigen Frie densverhandlungen in einem Nebengebäude des 1721 bis 1733 von J.C. Naumann errichteten und 1743 bis 1751 von J. C. Knöffel umgebauten und erweiterten Jagdschlosses Kurfürst Friedrich-Augusts des Starken abgehal ten werden. Sie beendeten am 1.3.1763 die Auseinandersetzungen des Sie benjährigen Krieges, jenes Krieges, in welchem zum letzten Mal versucht wurde, eine dauernde Teilung Schlesiens zu verhindern. Der Versuch blieb vergeblich, genau wie die beiden ihm vorausgegangenen. Umsonst war der Kontinent so lange erschüttert worden. Für uns südlichste Schlesier ist durch die von jetzt ab gültige und bin dend gestaltete Trennung ein Riß sanktioniert worden, der nicht nur die Vormachtstellung der Habsburger in Deutschland beendet, sondern, was tragischer ist, das Deutschtum der ausgeschalteten Gebiete zwar auch in einem deutsch regierten Staat weiterleben konnte, dieser Staat aber durch den Verlust seiner stärksten deutschen Volksgruppe - der schlesischen nun in seinem den Staat tragenden deutschen Volksanteil stark geschwächt wurde und Maria-Theresia wohl oder übel gezwungen war, Rückhalt bei den anderssprachigen Völkern ihres Reiches zu suchen. Darin lag die Tragik für uns. Es ist ein Unterschied, ob schlesische Geschehnisse von einem Nord deutschen oder von einem Österreicher geschrieben werden. Aber noch 269
markanter ist er, wenn sie von einem Schlesier aus der südlichsten Kante zu Papier gebracht werden. Hierbei scheint doch die Zusammengehörigkeit al ler Schlesier das Leitmotiv zu sein. Und stellt sich das lange Ringen doch ohne Frage nur so dar, als daß gekämpft wurde, um nur Teile Schlesiens vom Besitz des deutschen Herrschergeschlechts der Habsburger in jenen des deutschen Herrschergeschlechtes der Hohenzollern zu überführen. Auf die Siedlungsgrenzen und die Zusammengehörigkeit der dort leben den Deutschen konnte keine Rücksicht genommen werden. Graf Hertzberg für Preußen, H. G. von Collenbach für Österreich und von Fritsch für Sachsen unterschreiben das Vertragswerk. Am schwersten tat sich Collenbach hierbei. Nur schweren Herzens unterschreibt er. Die Vormachtstellung seines Herrscherhauses ist zu Ende, die Ausschaltung aller Deutschen südlich des Erz- und Riesengebirges und an der oberen Oder und Weichsel, die in der späteren kleindeutschen Lösung Bismarcks ihren Ausdruck fand, war nähergerückt. Es zeigt sich immer mehr, daß in Mitteleuropa nicht mehr eine zentrale Macht wirksam ist. Die Reichsgrundlage ist geschmälert, und Österreichs Stellung dem polnischen und ungarischen Raum gegenüber strategisch ge sehen ungünstiger geworden. Drehscheibe bleibt aber in dieser Hinsicht nach wie vor das Teschener Land, das „Land vor den Bergen”. Seine Aufga be, Verbindungselement zwischen Ost und West, aber auch Süd und Nord zu sein, ist geblieben. Die Schlesier gehören nun aber endgültig zwei deut schen Staaten an. Daß Schlesier südlich der Weichsel oder der Sudeten nun nicht mehr „dazu gehörten”, war schmerzlich für jene, die es betraf, und wird auch von jenen Menschen am besten verstanden, die solche und andere Teilungen am eigenen Leibe erfahren und erlebt haben. Meist sind solche Dinge nur für einen lachenden Dritten von wirklichem Nutzen. Der Friede von Hubertusburg am 15.2.1763 beendete erst die Leiden der Bevölkerung, welche einerseits durch Kontributionen an die kaiserlichen wie auch preußischen Truppen, und andererseits durch Einquartierungen bedrückt und schwer betroffen wurde. So endete der blutige Krieg, der ganz Europa umzuwälzen drohte und durch welchen keine der Mächte ihr Gebiet mehr vergrößern konnte, als es schon der Friede von Berlin 1742 tat. Und als die kriegführenden Mächte den Kampfplatz verließen, auf wel 270
chem mit soviel Haß und Erbitterung gefochten wurde, spürte man erst die Wunden, die geschlagen worden waren, und man mußte sie nun heilen. Die Verluste waren hoch: Preußen verlor 180000, Österreich 140000, die „Reichsarmee” 28 000 Mann. Das waren allein die Verluste an Soldaten aus deutschen Ländern. Das betroffene Land war weithin verheert. A uf beiden Seiten wurde versucht, dem schlesischen Land so schnell als möglich Linderung zu verschaffen und nachzuholen, was an friedlicher Weiterentwicklung verloren ging. Dieser Schilderung der drei schlesischen Kriege war mehr Raum gewid met und dem Leser mehr Zeit abverlangt worden, da diese Geschehnisse entscheidend für die Teüung unseres Landes und somit ja auch Beweis da für sind, daß es in seiner Geschichte bis dahin eine Einheit war. Um dieser geschichtlichen Tatsache Rechnung zu tragen, sollte es eigentlich zu erwar ten sein, daß trotz Teilung auch weiterhin von beiden Teilen, dem preußi schen und dem österreichischen, geschrieben und berichtet wird. Die Suche nach geeignetem Quellenmaterial zeigte aber, daß entweder von dem einen oder dem anderen Teil Ausarbeitungen vorliegen. Nur sel ten - es sind wirklich Ausnahmen - wird vom „ganzen Schlesien” zum Bei spiel statistisches Zahlenmaterial vorgefunden. Das ist aber nicht nur der einzige Nachteil einer Teilung. Unwillkürlich drängt sich die Frage auf: Wie wäre die Geschichte Euro pas verlaufen, wenn sich nun die beiden großen deutschen Herrscherhäuser entschlossen hätten, anders zu handeln, sich friedlich über die Führung im Reich zu verständigen, statt gegeneinander Krieg zu führen? Die Welt ist seither um einige Teilungen reicher geworden. Es dürfte aber doch so sein, daß sie den „Geteilten” selbst nie zum „Glücksfall” wurden, und den Schöpfern - nach genügend großem Abstand betrachtet - auch nicht das Gefühl der Befriedigung einbrachten. In keinem Fall scheint aber auf Wunsch der Betroffenen geteilt worden zu sein. Das geteüte Schlesien war ein Produkt der Eigenart des deutschen We ges, der zum Unterschied zu anderen Staaten über ein territorial zerrissenes dynastisches Gefüge von kleineren und größeren, staatlich souveränen weltlichen und geistlichen Herrschaften führte, erwachsen aus dem Nieder gang der deutschen Kaisermacht des Mittelalters. Mit Friedrich dem Großen war nun neben Österreich eine zweite deut 271
sehe Großmacht getreten und dieser preußisch-österreichische Dualismus bestimmte jetzt den Weg der Politik in Deutschland fast ausschließlich. Beide Mächte waren zuinnerst vor allem auf die Erhaltung und den Aus bau ihrer eigenen Großmachtstellung bedacht. Ein einheitliches Reich, et wa wie es Frankreich, England oder Italien anstrebten und es auch erreich ten, war zu dieser Zeit in Deutschland nicht mehr vorhanden. Die Trennungslinie war uns von Jugend auf schon gegenwärtig, verlief sieja 176 Jahre lang nur einige zehn Kilometer nordwärts unserer Heimat stadt, der Weichsel entlang, und zerlegte das einheitliche Land in zwei poli tisch getrennte Lebensräume ein und desselben Volkes.
Bielitz in dieser Z eit 1772: Das Bialaer Land kommt an Österreich. D ie B ielitzer Tuchmacherei nimmt Aufschwung. D ie „Kaiserstraßen” entstehen. 1782: Unser Land mit Mähren vereinigt D ie Sulkowskis in Bielitz.
Die Zeit Herzog August-Kasimirs war, soweit sie unsere Heimat betraf, ge zeichnet von mancherlei Veränderungen und Ereignissen, die wiederum unsere Gegend beeinträchtigten bzw. mit in ihren Bann zogen. Die Tuchmacher waren durch eine Verordnung beschränkt, nur auf einem Webstuhl arbeiten zu dürfen. Dieses Verbot wurde erst 1765 durch eine kaiserliche Verfügung aufgehoben, zwei Jahre später, 1767, erhielt Jo hann Mänhardt eine Konzession auf Produktion von Wöllerzeugnissen. Die Protestanten unserer Stadt überreichten 1766, als Kaiser Josef II. das erste Mal nach Bielitz kam, eine Bittschrift um Genehmigung, eine evange lische Schule bauen zu dürfen, und am 24.3.1767 lehnte Maria-Theresia eine Bitte zum Bau eines evangelischen Bethauses sowie einer Schule ab. 1777 kam Kaiser Josef II. ein zweites Mal gelegentlich einer Reise nach Rußland nach Bielitz und wohnte im Hause des Bürgermeisters Czerna. Er wurde wiederum um die Genehmigung einer Bauerlaubnis für eine evange lische Schule gebeten. Die evangelische Gemeinde war in dieser Beziehung sehr rührig und hatte in dieser Richtung insgesamt vier Majestätsgesuche an den kaiserli chen Hof in Wien gerichtet, aber alle blieben ohne Erfolg. Erst das Jahr 1781 brachte die heißersehnte Änderung. Am 13.10. dieses Jahres erging das langersehnte Toleranzpatent für Schlesien. Von da an zeigte es sich auch, wie viele Protestanten es in unserer Heimat gab. In Alt-Bielitz gab es keinen einzigen Katholiken. 272
Dieses Toleranzpatent konnte auch zugleich als Signal für den Beginn des Baues einer evangelischen Kirche angesehen werden, denn am 26. Januar 1782 wurde dieses Patent vom schlesischen Oberamt der Bielitzer Gemeinde zugestellt, welches auch die Genehmigung zum Bau eines Bet hauses enthielt. Bielitz gehört zu den ersten Städten in österreichischen Landen, die eine selbständige Kirchen- und Schulgemeinde gründen konnten, die also offi ziell ab 1782 besteht. Ihr Bethaus wurde im gleichen Jahr eingeweiht. In der Niedervorstadt besaßen die Protestanten lediglich ein einfaches Bethaus ohne Turm mit Schul- und Pfarrhaus in der Nähe des Austeges. Den Protestanten des österreichischen Teiles von Schlesien wurde das Toleranzpatent erst am 30.3.1782 amtlich kundgetan. Unser Textilgewerbe hatte ab 1754 zunehmende Erfolge, namentlich im Export. Als Zielstaaten für Tuchlieferungen kam nun auch die Türkei und Persien hinzu. Ab 1772 kam noch das riesige Hinterland Galizien als Liefer gebiet hinzu. Die Regierungszeit August-Kasimirs enthielt Blütezeiten für das Bielitzer Tuchgeschäft. Der Handel mit der Türkei erreichte in den Jah ren 1777 und 1778 einen Höhepunkt. Hand in Hand mit dieser Entwicklung unternahm auch der Staat Schrit te, um den steigenden Verkehr besser zu bewältigen. Ab 1.4.1755 wurde das Postnetz bis Bielitz ausgedehnt, es verkehrten von da ab zweimal wöchentlich Postwagen von Brünn nach Bielitz, und ab 1785 war auch die neue Kaiserstraße Friedek-Teschen-Bielitz fertig. 1787 konnte die Tuchmacherinnung schon daran denken, ein Grund stück für ein neues Zunfthaus zu kaufen. Nicht zu vergessen sei die Aufhe bung der Leibeigenschaft im Jahre 1781. Zwischen den Jahren 1787 und 1792 entstand Alexanderfeld und wurde 1790 eine eigene Gemeinde, fast gleich zeitig mit Lobnitz. Für das Theaterleben in Bielitz war noch eine Verordnung von Bedeu tung, welche besagte, daß an jenen Tagen, an welchen es in Wien verboten sei, Theater zu spielen, es auch in Bielitz verboten sei, durch reisende Schauspieler Vorstellungen abzuhalten. Richtige Belege über den Beginn des Bielitzer Theaters dürften beim Stadtbrand von 1808 vernichtet worden sein. Das Kaluza-Haus am Stadtberg dürfte in der dritten Hälfte des 18. Jahr hunderts erbaut worden sein und ging erst rund hundert Jahre später in den Besitz von Maria Kaluza über (1879). 273
In Kirchspiel Bielitz wurde 1774 vom Orgelbauer Josef Staudinger die Orgel der Kurzwälder Kirche gebaut und in den Jahren 1783 bis 1800 mauer te Meister Drachny aus Teschen die Kirche in Riegersdorf. Die Spitalskir ehe Bielitz erhielt 1781 ein neues Dach. An Vereinsgründungen ist aus dieser Zeit die Gründung der Bielitzer Schützengesellschaft im Jahr 1784 festzuhalten. In der Verwaltung unserer Stadt und ihrer Zugehörigkeit zu Schlesien ist die Entscheidung des Wiener Hofes von Wichtigkeit, die besagte, daß 1782 Schlesien mit Mähren zu einer Verwaltungseinheit zu verschmelzen sei. Hauptstadt dieses neuen Gebietes wurde Brünn, das ab 1777 ein eigenes Bistum wurde und 1778 die von Olmütz übersiedelte Universität beher bergte. Im Gebiet von Karwin ließ Graf Johann von Larisch die ersten Schür fungen auf Kohle durchführen, eine für unsere Heimat und ihre spätere Entwicklung recht wichtige Entscheidung. Von unserer Nachbarstadt Biala ist aus dieser Zeit ähnliches zu berich ten; waren beide Städte doch immer auf das engste verbunden. In der ersten Zeit der Regierung August-Kasimirs war zwischen beiden noch die österreichisch-polnische Grenze - das Land Schlesien grenzte hier an die früheren schlesischen Herzogtümer Auschwitz und Neustadt/ Zator, welche seit dem 15. Jahrhundert zu Krakau gehörten, so also der Re gierungsgewalt des polnischen Königs unterstanden. Mit dessen Genehmi gung wurden im Jahre 1765 die Juden aus Bialas Stadtgebiet entfernt und siedelten sich in Kunzendorf und Batzdorf rechts der Białka an. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts unterstanden die Bialaer Juden der jüdischen Gemein de Auschwitz. Ein Jahr später erhielt Biala von König Stanislaus II. August Poniatow ski deutsches Stadtrecht verliehen (1766). Bis dahin waren die Protokolle der Bialaer Zunft in polnischer Sprache geführt worden. 1768 brachte Dr. Opolski eine Bialaer Stadtchronik und eine evangeli sche Kirchenchronik heraus. Die nächsten Jahre bringen für unsere Nachbargebiete höchst wichtige Ereignisse. Der polnische Staat befindet sich in einer tödlichen Krise und steht vor seinem eigenstaatlichen Ende. Eingeleitet wird diese Entwicklung durch den Befehl Maria-Theresias (1769), die Zips zu besetzen, die seit 1412 an Polen verpfändet war. Graf Em merich von Esterhazy zieht mit ungarischen Truppen in das deutsch besie 274
delte Land ein, wodurch seiner Polonisierung Einhalt geboten wird. Die Zips kehrt wieder nach Oberungarn zurück. Über 350 Jahre war sie unter polnischer Aufsicht und wirtschaftlicher Vorherrschaft gestanden. Das Deutschtum hat diese Verpfändung nur mit schweren Verlusten überstan den. Das Jahr 1770 bringt ein Ereignis, welches in der Geschichte des Deutschtums außerhalb der sicheren Grenzen Österreichs und Deutschlands seinesgleichen sucht. Nur wenige Kilometer östlich von Bielitz und Biala lag einst die deut sche Siedlung Seiffersdorf. Wegen der Verfolgung ihres evangelischen Glaubens durch die katholisch-polnischen Grundherren fassen sie den Plan, heimlich ihre Heimat zu verlassen und in glaubensmäßig weniger ge fährdeten Gebieten sich eine neue Heimat zu suchen. Die Absprachen sind streng geheim, da eine Genehmigung zum Auswandern vom Gutsherrn zu erlangen war. König Friedrich II. half. Ein Befehl an die Plesser Husaren trug ihnen auf, den Bedrängten zu helfen. Leutnant Woyrsch mit 100 seiner Husaren machte sich ebenso heimlich auf den Marsch nach Seiffersdorf und konnte die Bauern mit 200 Wagen glücklich über die Grenze holen. Fürst Erdmann von Anhalt-Köthen-Pleß wies ihnen Land in seiner Herrschaft zu und sie delte sie mit Regierungsunterstützung an. So entstand die Siedlung „Anhalt im Kreis Pleß”. Den Werdegang dieser Siedlergemeinde aus dem Bielitzer Land schilderte Pastor Andreas Wackwitz in seinem Buch „Die deutsche Sprachinsel Anhalt-Gatsch in Ober schlesien” sehr eindrucksvoll, die am 21. Mai 1770 ihren Anfang nahm und 1945 mit uns allen gemeinsam das gleiche Schicksal erlitt. Das tiefgreifendste Ereignis für Biala und sein Hinterland brachte das Jahr 1772. Polens Nachbar-Großmächte hatten beschlossen, den nicht mehr le bensfähigen und uneinigen Staat aufzuteilen. Biala, das ganze Herzogtum Auschwitz und Neustadt/Zator mit seinen 2478 km2 und rd. 200000 Einwohnern sowie ganz Galizien kommen dabei an Österreich. Zwischen Bielitz und Biala gibt es keine Reichsgrenze mehr. Eine riesenhafte Aufgabe erwächst dem neuen Besitzer des Landes jenseits der Białka. Die bis Bielitz bestehenden Postlinien werden nun bis Lemberg verlän gert, die beiderseits mit Pappeln bepflanzte Kaiserstraße und die Postmei 275
sterei Bielitz werden zu Schlüsselelementen des Verkehrs nach den östli chen Landesteilen. Mit Wien war Bielitz über Teschen und Olmütz durch 23 Poststationen verbunden. Post aus Wien kam täglich vormittags an und ging auch täglich vormittags ab. Die Reisedauer von Wien nach Lemberg mit der „Ordinaripost” dauerte sieben Tage (Kaluza). Im Zuge der gewaltigen Anstrengungen, das neugewonnene Land dem Stand der übrigen Provinzen anzugleichen, folgte am 18.6.1774 ein Ansied lungspatent durch Maria-Theresia für Deutsche aller Gaue im neuen Kronland Galizien. 1774 wurde die deutsche Universität Lemberg gegründet, und ein Jahr später fuhr die erste Post von Brünn über Bielitz nach Lemberg auf der zu diesem Zeitpunkt schon fertiggestellten Straße, nunmehr von Wien bis Lemberg. Am 13.10.1781 erließ Kaiser Josef II. das Toleranzpatent für Galizien, so daß sich auch Protestanten in Galizien ansiedeln konnten. Freiheit für Pro testanten bezüglich Bürger- und Meisterrechten, akademischen Würden und zur Beamtenlaufbahn war damit gegeben. Am 10. November 1781 wurde bereits das Patent veröffentlicht, Biala hatte also früher die ersehnten Freiheiten als Bielitz. Am 20.11.1781 hielt der Teschener Hauptpastor Traugott Bartelmus die erste Dankespredigt. Die Gemeinde Biala hatte Glück, zu dieser Zeit waren der damalige Großfürst Paul-Petrowitsch und Katharina II. durch Bielitz und Biala gereist, man bat sie um Hilfe. Durch russische Vermittlung kam Biala so zur kaiserlichen Genehmigung. Biala gehörte damals noch zum Wieliczkaer Kreis. Am 19.3.1782 feierte die Gemeinde mit einer Festpredigt das kaiserliche Patent der religiösen Freiheit. Mit dem Bau von Kirche und Schule war schon im Vorjahr begonnen worden. Das Land, das östlich unserer Heimat an Österreich kam, umfaßte 78 500 qkm mit 2,6 Millionen Einwohnern (1772). Rund hundert Jahre spä ter waren es bereits 7,3 Millionen, 19117,8 Millionen, die im Kronland Gali zien wohnten. Diese wenigen Zahlen sollen nur die Anstrengungen und den Erfolg der Wiener Regierung kennzeichnen. Die Städte befanden sich in kläglichem Zustand. Nur wo Reste der einseitigen deutschen Besiedlung bestanden, vor allem in Biala, herrschten günstige Verhältnisse. Die Ansiedlung sollte gefordert werden, indem auch den Protestanten freie Religionsausübung zugestanden wurde. A uf seiner ersten Besuchsrei se 1773 durch Galizien mußte Kaiser Josef II. die Notwendigkeit des Heran276
Ziehens von Kulturelementen erkennen. Auch reiche Kaufleute aus Thom, Danzig und Elbing sollten geworben werden. Man war sogar bereit, soge nannte „Privatoratorien” (Bethäuser), wie sie in Ungarn und im Teschener Gebiet üblich waren, zu gestatten und auch preußische evangelische Han delsleute und Fabrikanten, die mit der dortigen Regierung unzufrieden wa ren, zur Ansiedlung zu bewegen. Steuerliche Begünstigungen sollten hier besonders helfen. Der neue galizische Gouverneur Graf Hadik arbeitete im Auftrag des Kaisers das bereits erwähnte Ansiedlungspatent vom 18.6.1774 aus, da es bisher stets zu Zurückweisungen protestantischer Ansiedlungswilliger ge kommen war. 1780 machte Kaiser Josef II., gelegentlich eines Treffens mit Kaiserin Katharina, Galizien einen zweiten Besuch, wobei er feststellte, daß das Land noch wenig angebaut, schlecht bevölkert ist und es viele ungepflegte Wälder und Moräste gibt. Im Herbst 1780 brachen in Preußisch-Schlesien, besonders in Pleß und anderen Herrschaften an der galizischen Grenze, Bauernunruhen aus. Hier bei stellte man fest, daß Protestanten scharenweise aus der Gegend von Bia ła nach Pleß zum Gottesdienst zogen, da ihnen Teschen zu entlegen war. Diese Deutschen aus der Bialaer Gegend waren ja schon im Mittelalter dort ansässig, sie zogen über die Białka, da bei uns die Gegenreformation hart durchgeführt wurde. Vor allem waren es schlesische Tuchmacher. Nach Prof. Kaindl hatte Biala mindestens seit 1584 deutsches Recht, und seit 1709 bestand hier eine protestantische Gemeinde. 1723 erhielt Biala Magdeburger Recht. 1766 war in Biala eine „Kongregation” der Kaufleute zur Hebung des Handels errichtet worden, als deren „Älteste” Simon Merkt und Balthasar Schindler genannt sind. Sechzehn Jahre später kam nun Biala an Österreich. Nach Berichten österreichischer Beamter waren die deutschen Bewohner dieser Gegend ar beitsam. „Die Weiber beschäftigen sich mit Wollspinnen und Krempeln, die Männer mit Tuch- und Leinwandfabrikation. Diese nützlichen Unterta nen waren meistens des Lesens und Schreibens kundig, meist nüchtern, reinlich in der Kleidung und erziehen ihre Kinder anständig in ihrer Art. Sie hängen treu an ihrem protestantischen Glauben und zogen scharenweise Sonnabend nach Feierabend mit ihren Nahrungsbündeln auf dem Buckel 277
nach Plessen und füllten dasige evangelische Kirche mit ihren Weibern, Kindern und Kindeskindern vollkommen an.” Dabei wurden sie auch für die Auswanderung nach Preußisch-Schlesien geworben. All diese Beobachtungen führten dazu, daß man ins Auge faßte, in Bia ła ein evangelisches Bethaus einzurichten. Damit war auch erreicht, daß protestantische Einwanderer den Weg nach Galizien wählten. Der galizische Gouverneur und Statthalter schlug vor, die gleichen Vergünsti gungen zu gestatten, wie sie im preußischen Patent vom 5.1.1770 gewährlei stet wurden. Wien erklärte sich einverstanden, aber der Staatsrat nicht. Man war aber geneigt, in Biala und der Neugründung in Podgorze (Krakau) evan gelische Bethäuser und je einen Pastor zu genehmigen (Patent vom 17.9.1781). Man genehmigte auch einzelnen Siedlern Reisegeld für die Reise von Wien nach Galizien, für Kinder unter 14 Jahren zwei Gulden je Kopf. In 01mütz kam noch ein Gulden und in Biala noch ein weiterer dazu. Es wird unsere Landsleute sicher interessieren, wo es um diese Zeit noch überall deutsche Siedlungen östlich der Białka gab: Da ist zunächst die Bezirkshauptmannschaft Biala, wo 1786 es noch in folgenden Orten deutsche Gemeinden gab, und zwar Liebenwerde/Kenty, Kunzendorf, Wilmesau, Alzen, Biala selbst. Alzen war 1783 unter Kaiser Jo sef II. entstanden. Dann kam Saybusch, das nur im gleichnamigen Ort eine Anzahl Deutscher aufnahm. In der Bezirkshauptmannschaft Frauenstadt/Wadowitz: Andrichau (Heinrichsau), Wieprz und Patzdorf (Pazowice), die 1786 Deutsche auf nahm. Wegen ihrer einstigen Zugehörigkeit zu Schlesien und ihrer deutschen Bevölkerung wurde dieser Teil Westgaliziens (die einstigen Herzogtümer Auschwitz undNeustadt/Zator) ab 1817 zum „Deutschen Bund” gerechnet. In der Bezirkshauptmannschaft Krakau waren es Kazimierz (zu Krakau) 1774 bis 1777 und Krakau selbst 1795 bis 1809, die noch viele Deutsche aufnahmen. In Podgorze wurden deutsche Siedler seit 1782 angesiedelt. Letztere war eine königliche Freistadt, in welcher sich sehr viele Deutsche niederließen. Im Bezirk Wieliczka entstand das deutsche Dorf Lednitz (Lednica nie miecka) 1785, und im Bezirk Bochnia waren es ab 1783 die deutschen Ge meinden Bartuschitz (Bratusice), Bogutschitz (Bogucice), Steindorf (Ka278
mionna), Klay (Klaj), Kretschhof (Krzeczow) und Fürstenau (Książnice). 1784 folgten die Ansiedlungen Gablau (Gawlow), Maikowitz (Majkowice) und 1785 Trinitatis und Vogtsberg (Vogtsdorf/Wojtowstwo) bei Bochnia hinzu. Und schließlich entstanden im Bezirk Neusandetz, welcher schon im Mittelalter ein wichtiger Siedlungsraum war, 1783 die deutschen Sied lungen Gaben (Gabon), Golgowitz (Golkowicenniemieckie), Laufendorf (Yiegonice), Mayerdörfel/Podmajerz, Podritz (Podrzycze/Unterbach), Tannendorf (Swierkla), Wiesendorf (Laczko), Bikowitz (Zbikowice). 1784 folgten Ernsdorf (Szczerez), Morau (Morawina) und Oltschau (Olszanka). 1785: Hutweide (Gaj) und Katschau (Kadcza), schließlich 1786 Zakamienice als Vorstadt von Neusandetz. Von 1778 bis 1785 erfolgte unter Kaiser Josef II. also eine planmäßige deutsche Kolonisation. Die in dieser Periode zusätzlich eingewanderten zahlreichen deutschen Beamten, Soldaten und Handwerkerfamilien schu fen einen breiten Streifen deutschen Siedlungslandes, der sich südlich ge gen die Karpaten erstreckte. Die schmucken Dörfer unterschieden sich deutlich von nichtdeutschen Ansiedlungen. Als wichtiges Ereignis für das Deutschtum außerhalb der Grenzen Deutschlands und Österreichs ist auch die in die Regierungszeit AugustKasimirs von Sulkowski fallende Entstehung des Wolgadeutschen Staats wesens im Jahr 1764, eine Gründung, die ab 1924 ein Freistaat und seit 1918 ein „Rätefreistaat” wurde. 1941 wurde er aufgelöst und seine mehr als eine halbe Million betragende, zu 55 Prozent deutsche Bevölkerung in alle Windrichtungen Sibiriens zerstreut. Diese vorhin geschilderte deutsche Siedlungstätigkeit wäre nie eingetre ten, wenn nicht der Staat, zu welchem die Gebiete von Krakau, Wieliczka, Bochnia und Neusandetz gehörten, einer Teilung anheimgefallen wäre. Die politischen Verhältnisse in diesem polnischen Staat waren nicht mehr solide. Der letzte polnische König Stanislaus II. August Poniatowski (1764-1794) stand gänzlich unter russischem Einfluß. Die Forderung der Gleichberechtigung aller Konfessionen, die Zulassung von Orthodoxen zu Staatsämtem und der russische Druck schlechthin waren mehr, als der pol nische Nationalstolz zu ertragen bereit war. Trotz der im Lande befindli chen starken russischen Truppenkontingente schlossen sich die konservati ven katholischen Patrioten am 29. Februar 1768 in Bar, einer Stadt in der Ukraine, zur „Konföderation von Bar” zusammen. Ihr Ziel war die Wieder gewinnung der Unabhängigkeit des Landes, Erlangung der Freiheit des 279
Glaubens und der Freiheit gegenüber den Russen, selbst wenn es dabei ge gen den eigenen König gehen sollte. Vier Jahre benötigten die Russen, bis der Widerstand gebrochen war. Die Führer wurden auf türkisches und un garisches Gebiet abgedrängt, schließlich rief der König selbst russische und österreichische Truppen ins Land. Krakau mußte vor dem russischen Gene ral Suworow kapitulieren. Österreich verhielt sich bei dieser Auseinander setzung den Polen gegenüber wohlwollend, so daß die Spitzen des Aufstan des im österreichischen Gebiet Unterschlupf finden konnten. Das Haupt der Bewegung war der Bischof von Podolisch-Kamienietz (Kamieniec podolski) Krasiński. Er kam, um sich in Sicherheit zu bringen, über Bielitz ins Teschener Land, wo er sich längere Zeit unerkannt aufhal ten konnte. Er berief seine Führer nach Biala und tagte dort im November 1769. Die Teilnehmer wurden von Fürst August-Kasimir von Sulkowski im Schloß zu Bielitz empfangen. Unter ihnen befanden sich Bischof Krasiński, der Schatzmeister Wessel, Fürst Karl Radziwiłł und viele einflußreiche Kastellane und Marschälle. Aus Gründen der Sicherheit übersiedelte die Generalität der Konföderation nach Bielitz, wo allerdings auch nicht der Be schluß gefaßt wurde, den König abzusetzen. Das geschah erst am 9. August 1770 in Preschau in der Slowakei, wodurch der Auftakt zu der fast 150jährigen Unfreiheit der Polen gegeben war. Die Großmächte verständigten sich nun schnell und schlossen am 5. August 1772 den ersten Teilungsvertrag Polens ab. Polen verlor ein Viertel seines Staatsgebietes und etwa ein Drittel seiner Bevölkerung. Österreich erwarb das Land, das Galizien genannt wurde, und das ruthenische Lodomerien mit Lemberg. Ein Teil der Polen verließ verzweifelt ihr Land, manche nahmen am amerikanischen Unabhängigkeitskrieg teil, wie der polnische Nationalheld Thaddeus Kościuszko, der ab 1777 Washingtons Adjutant war und erst 1783 in seine Heimat zurückkehrte. Diese erste Teilung hatte auch in unserem Heimatgebiet wichtige Grenzverschiebungen zur Folge: Biala und sein Hinterland kamen unter die deutsche Verwaltung der Habsburger, so daß die polnische Grenze weit von der Białka abrückte, und weiter nördlich trennte nunmehr die Schwar ze Pschemsa Deutschland von Rußland, die Weiße Pschemsa Rußland von Österreich und die vereinigte Pschemsa Deutschland von Österreich. Unser östliches heimatliches Land am rechten Bialka-Ufer war nun nicht mehr Ausland, Bielitz nicht Grenzstadt des Reiches und so nur noch 280
Bindeglied zu unseren Landsleuten im westlichen Galizien, zu welchem nun auch die östliche Hälfte unserer Sprachinsel gehörte. Teschen und sein Herzogtum ging nach dem Tod Kaiser Franz’ I. (18.8.1765) auf Kaiser Josef II. über. Der neue Teschener Herr war eine besonders edle Gestalt, ein neuer Typ des deutschen Fürsten. Friedrich der Große nannte Kaiser Josef II. einen Menschen von der liebenswürdigsten Lauterkeit und Offenheit, voll Lebhaftigkeit und Frohsinn, eine schöne Seele. Durch unser Land zog eine Welle von Reformen: Die Befreiung der Bauern von den Grundlasten, die allgemeine neue Gerichtsordnung, die Beseitigung der Vorrechte des Adels, das Streben nach einer von Rom los gelösten österreichischen Nationalkirche, die Auflösung der Klöster, über 700 an der Zahl. „Ich sehe nicht gern, daß die Leute, denen die Sorge für das zukünftige Leben aufgetragen ist, sich so viel Mühe machen, unser irdisches Dasein zum Augenmerk ihrer Weisheit zu machen”, war eine seiner Auffassungen. Nach seinen Plänen sollten die Kleriker Staatsbeamte werden, die die Seel sorge und Heilverkündung verwalten sollten. Papst Pius VI. hoffte durch einen Besuch in Wien den Kaiser umstim men zu können und erschien auch 1782 persönlich in Wien, um eine Zu rücknahme der staatskirchlichen Verfügungen zu erreichen. Sie blieben in Kraft und hinterließen in der Struktur des österreichischen Katholizismus sehr tiefgreifende Spuren. Er vereinfachte die oberste Verwaltung durch Zusammenlegungen, zum Beispiel der Hofstellen für Österreich, Böhmen und der ungarischen Hofkanzlei, er führte die deutsche Amtssprache in Ungarn und den ande ren Landen ein, schaffte die Folter ab, zog aber dadurch den Widerstand der nationalen Gruppen und der Kirche groß und mußte schließlich die mei sten seiner Reformen auf dem Totenbett widerrufen, die er nicht zuletzt auch im Gedanken an die Wohlfahrt seiner Völker, aber unter Mißachtung ihrer volkstümlichen und historischen Eigenart unternommen hatte. Seine Maßnahmen sollten die Zerklüftung des deutschen Staatswesens überwin den. Kaiser Josef II. war ein Vorbild eines Herrschers dieser Prägung. 1784 erfolgte sogar ein Auswanderungsverbot. Sein Toleranzedikt von 1781 brachte nicht die Gleichstellung der übrigen Konfessionen. Er wollte die ka tholische Kirche zu einem Pfeiler absoluter Herrschaft ausbauen, forderte aber ein alles Eigenleben ausschließendes Aufsichtsrecht des Staates. 281
Seit der Teilung Schlesiens bildete der österreichische Anteil des Bis tums Breslau die Kommissariate Teschen und Neisse. Die Generalvikare und die erzbischöflichen Kommissäre wurden vom Breslauer Bischof er nannt und wurden von der Regierung bestätigt. Das Teschener Kommissariat zerfiel in die Dekanate Bielitz, Freistadt, Jablunkau, Karwin, Teschen, Schwarzwasser und Skotschau. Die Evangelischen des Teschener Landes, die unter manchen Schwie rigkeiten litten, unterstanden bis zum Ausbruch des österreichischen Erb folgekrieges (1741-1748) dem Konsistorium in Brieg. 1749 wurde ein eigenes Konsistorium für den österreichischen Teil in Teschen geschaffen. Die Ver hältnisse waren aber so, daß die Evangelischen nicht zufrieden waren. Durch das Edikt Kaiser Josefs II. von 1781 und die „Cirkular-Verordnung für Schlesien” vom 30.10.1782 wurden erträgliche Verhältnisse gesphaffen. Das Teschener Konsistorium wurde 1785 nach Wien verlegt und ein Su perintendent ernannt, der zunächst für Mähren, Schlesien und Galizien zu ständig war. Bald bildeten sich neue evangelische Gemeinden, so 1782 in Ernsdorf, Bielitz, Bludowitz, Kameral-Ellgoth, Weichsel und Bistritz, 1785 in Ustroń, 1788 in Dragomischl, 1789 in Goleschau, 1827 in Alt-Bielitz, 1862 in Orlau und Skotschau. Die völlige Gleichberechtigung wurde erst von Kaiser Franz-Josef aus gesprochen. Es war dies im Jahr 1861 der Fall. Die Landwirtschaft nahm ebenfalls einen Aufschwung. Der Anbau der Kartoffel, sie wurde 1735 das erstemal von dem Teschener Burggrafen Kai ser im herzoglichen Garten gepflanzt, wurde nach der schlechten Ernte des Jahres 1736 von der Regierung anempfohlen. Der allgemeine Anbau der Kartoffeln wurde aber erst seit den schlesischen Kriegen üblich, und von den Preußen lernten die Schlesier und Mährer das Essen dieser Knollen frucht. Die Hungerjahre 1771 und 1772 zwangen zu einem intensiven Anbau der Kartoffel. Er half die schlechte Zeit zu überdauern, ermöglichte aber in der Folge auch die Ausweitung der Spirituserzeugung zu einem ansehnli chen Industriezweig. Neben den herzoglichen Betrieben entstand noch ein zweiter großer landwirtschaftlicher Komplex. Landeshauptmann Johann Graf von Larisch heiratete die Adoptivtoch ter Johann Wenzel von Mönnichs. Seine Besitzungen, die im Troppauischen und Preußischen nicht gerechnet, lagen in Karwin, Terlitzko, Groß282
Kunzendorf und Reichwaldau. Durch Kauf kamen noch Freistadt, Deutsch- und Polnischleuten und auch Peterswald hinzu. Um diese Zeit nimmt unser Land schon in bezug auf rationelle Boden bearbeitung unter den Kronländern Österreichs eine führende Stellung ein. Die Einrichtung der Zechen oder Zünfte, wie sie uns aus früherer Zeit bekannt sind, bestand immer noch, und es war auch gar nicht denkbar, daß die ehrsamen Meister hier eine Änderung zugelassen hätten. Diese Zünfte engten in gewisser Hinsicht das Gewerbe ein, konnten aber die Entwick lung des einen oder anderen Gewerbe- oder Industriezweiges unterbinden. Das galt vor allem für die beiden Gewerbe der Leinen- und der Tuchwe berei, die wohl in Schlesien hoch im Ansehen standen. Allgemein aus Schlesien berichten die Chronisten, daß die Maßnahmen gegen die Prote stanten besonders der Leinenweberei empfindlichen Schaden zufügten. „Die besten Weber sind nach der Lausitz ausgewandert, und in PolnischLissa, Fraustadt, Rawitsch, Bojanowo, Zduny, Krotoschinund anderen pol nischen Grenzstädten wohnen lauter aus Schlesien geflüchtete deutsche Leute.” So etwa berichtet Grünhagen. Auch der preußische König Friedrich Wilhelm I. nahm mancherlei Ein wanderer auf. Berühmt wurden die von ihrem Erzbischof ausgetriebenen Salzburger Protestanten, die 1731 eine neue Heimat in Ostpreußen fanden. Um das vermeintliche Übel der Religionsverschiedenheit vollständig zu be seitigen, hatte Erzbischof Leopold von Firmian am 31. Oktober dieses Jahres ein folgenschweres Emigrationsedikt erlassen, wonach alle Nichtka tholiken zur Auswanderung gezwungen wurden. Über 30 000 verloren da mals dort ihre Rechte und Besitztümer und verließen das Land. Kam in Schlesien das Weberhandwerk zu Schaden, so wurde dort dem Bergbau dadurch der Todesstoß versetzt. ' In der Stadt Teschen war die Tuchmacherei in Verfall geraten. 1734 gab es nur mehr drei und 1743 fünf herabgekommene, verarmte Meister, die nicht mehr viel zu leisten in der Lage waren. Ihre Walken waren ebenfalls verfallen. Dagegen lief dieses Gewerbe in Bielitz recht gut. 1733 zählte die Tuch macherzunft 271 Mitglieder, und in der Stadt gab es dreizehn Tuchscherer, während es hiervon in Teschen nur einen gab. Weber gab es in Teschen 1734 dreißig, in Skotschau neun, in Jablunkau fünfzehn und in Schwarzwasser sogar sechsunddreißig. Der Flachsbau hielt mit der Industrialisierung nicht recht Schritt, so daß 283
zur Zeit Maria-Theresias Garn aus dem preußischen Teil Schlesiens und aus Galizien eingeführt werden mußte. Um die Erzeugung feinen Tuches zu fordern, wurden Anweisungen für seine Herstellung veröffentlicht und 1724 auch eine eigene Leinwand- und Schleierordnung für Schlesien gedruckt. Sie behandelte die Verbesserung des Flachses, die Behandlung des Garns, die Bereitung von Leinwand, die Bleiche und spricht von Käufern und Händlern und von Strafen, falls gegen sie verstoßen wird. Nach den Leinewebern ist die nächststärkste Zunft jene der Schuster. In Teschen gab es 25 davon, Fleischer 24, Bäcker 18, Schneider 10, Schmiede 5, Büchsenmacher und Schlosser 6. 1734 lebten in Bielitz 18 Schuster, 12 Fleischer, 9 Bäcker, 16 Schneider, 12 Schmiede, 10 Schlosser und Büchsenmacher. Mit den Glasern, Färbern, Gürtlern, Klempnern, Maurern, Perücken machern, Seifensiedern und Zimmerleuten gab es in Teschen zusammen nur 171, in Bielitz 429 „Gewerbsleute”. Das „unglückliche Gebot, welches den Evangelischen das Bürger- und Meisterrecht verwehrte”, so berichtet Biermann, „hat Teschen, das früher unstreitig auch in gewerblicher Hinsicht den ersten Rang unter den Städten des Herzogtums innehatte, tief herabgebracht, es war schon im 17., mehr noch im 18. Jahrhundert von Bielitz überflügelt.” 1705 wurde durch kaiserliche Anordnung das Breslauer Hohlmaß zum „Gebrauch anbefohlen”. In dieser Zeit siedeln sich auch italienische Handelsleute im Lande an. 1680 erhält der erste Italiener Bürgerrechte in Teschen. Die Bielitzer suchten sich ihren Absatzmarkt wahrscheinlich in Polen und Ungarn, wohin auch beachtliche Leinenlieferungen aus dem übrigen Teschener Land hingehen. Eine besondere Rolle spielte der Salzhandel. Er war für die Bevölkerung zum Teil sogar mit Unbequemlichkeiten verbunden, zumal es durchaus üblich war, daß staatlich beauftragte Beamte Haussuchungen durchführten, bei welchen sie nach Salz suchten, welches ein „Handelsmonopol” des Staates war. Über gefundene Salzmengen mußte exakte Auskunft gegeben werden. Die Nähe der Salzstadt Wieliczka und die hohen Salzpreise bei uns in Schlesien und auch in Mähren verleiteten zum Schleichhandel, der auch trotz hoher Strafen stark im Schwung gewesen sein soll. Auch bewaffnete Auseinandersetzungen mit den Grenzwachen sollen vorgekommen sein. 284
So wird aus dem Jahre 1703 berichtet, daß bei einem derartigen Gefecht sechs Schleichhändler von den „Wibrantzen”, den Grenzwächtem, erschos sen worden wären. Weder Kerkerstrafen noch Folterungen schreckten ab. Erst die Besitznahme Westgaliziens durch Österreich legte dieses Geschäft lahm. 1702 wurde durch einen Erlaß Kaiser Leopolds I. der Tabakhandel zum staatlichen Monopol erklärt, und von diesem Moment an begann der Schleichhandel mit dieser Pflanze, deren Einfuhr bisher frei war. Der staatlich gelenkte „Verschleiß”, der Tabakhandel, begann eigentlich erst im Jahre 1727. Selbst die Tabakpfeifen mußten ihre Hersteller gegen kontrollierte Bezahlung verkaufen. Neue Berufe wurden in dieser Sparte der „königliche Tabakamtsbesteller” und der „Tabakverleger”. Bis 1749 bestand eine Verfügung, wonach fremde Käufer für Getreide nur während festgelegter Stunden einkaufen konnten. Diese Beschränkung hob Maria-Theresia auf. Einen Wandel brachte auch König Friedrichs II. Verfügung, Wolle nicht mehr aus Preußen ausführen zu dürfen. So mußte sich Österreich-Schle sien 1754 nach anderen Lieferanten umsehen. Um gleichwertig zu sein, mußten die Herstellungsart und die Mittel hierfür verbessert werden. Für die bessere Appretur wurden fachkundige Arbeitskräfte in das Land gezo gen. In dieser Zeit fand auch der Leinsamen seinen Weg von Riga über Polen in die österreichischen Länder. Fachleute, die einwanderten, wurden von Maria-Theresia begünstigt. So wurden sie zum Beispiel von der Militärpflicht befreit und die Fabrikanten von „lästigen Taxen” entbunden. Zwei Papiermühlen, eine in Matzdorf und eine in Morawka, entstan den. Herzog Albrecht von Sachsen-Teschen schuf ein Hammerwerk in Ustroń, wo sich auch schon ein Hochofen befand, da der in Morawka be findliche Eisenhammer seit 1780 nicht mehr arbeitete. Die herzogliche Kammer besaß das Privileg, das besagte, daß in den Fürstentümern Teschen und Bielitz nur Eisen aus Ustroń verarbeitet werden durfte. Die Fürsorge der Herrscher für die Ausweitung und Gründung unserer Industrie blieb auch nicht ohne gute Wirkung für das Ländchen. Aus dieser Zeit resultiert der Aufstieg von Bielitz zur Industriestadt, die Tuche in großen Mengen herstellte und sie nach Polen, Rußland, Ungarn 285
oder die Türkei - um nur einige zu nennen - ausführte. Bielitz lief allen sei nen Nachbarstädten in dieser Hinsicht den Rang ab. Fremde zogen zu, gründeten neue Unternehmen und die ersten, die als Inhaber von Fabriksprivilegien genannt werden, sind Grünwald und Kolbenheyer, andere bekannte Namen wie Sternickel und Gülcher kamen erst 1843 aus Eupen an des Reiches damaliger westlicher Grenze zu uns nach Bielitz. Bielitz hatte in verhältnismäßig kurzer Zeit schon einen beachtlichen Vorsprung gewonnen, so daß auch Teschen in dieser Beziehung nicht mehr konkurrieren konnte. In Teschen entstanden zwei Wollmärkte seit 1764, Bielitz erhielt 1744 einen Viehmarkt, und ab 1774 gestattete Maria-Theresia Teschen die Abhal tung von zwei freien Messen im Jahr. Die erste wurde „mit Pauken- und Trompetenschall” vom Stadtsyndikus am 18. April 1775 eröffnet. Sächsische Kaufleute mit Wollstoffen, „etliche Handelsleute” aus Lem berg und Brody mit Tabakspfeifen und Unschlitt, Manufakturwaren aus den kaiserlichen Erbländern, Tuch, Zucker, Kaffee, Juwelen und Galante riewaren aus dem preußischen Schlesien waren vertreten. Doch war dieser Einrichtung kein rechter Erfolg beschieden, und wir hören, daß sie im Jahr 1780 wieder zum Erliegen kam. Weit mehr, als es Messen in der Lage waren, wurde unser Land durch den aufkommenden Verkehr befruchtet. Kaiser Josef II. legte einen Straßenzug von Wien über Olmütz, Teschen nach Bielitz und weiter nach Lemberg schon 1775 an, dazu die später gebau te Straße aus Ungarn bis Jablunkau. Diese Straßen wurden aber schon zehn Jahre später wieder einsamer, wurden sie doch durch die das Land durchziehenden Eisenbahnlinien, vor allem von Oderberg nach Auschwitz und die „Flügelbahn” Dzieditz-Bielitz, die im Jahre 1856 eröffnet wurde, stark entlastet. Das Postwesen wurde in unserem Lande erst recht spät eingeführt. Die ersten Nachrichten hierüber stammen aus dem Jahr 1728. Der erste Postwagen von Brünn über Olmütz, Troppau bis Teschen fuhr am 1.4.1775. Die Strecke wurde aber bald über Bielitz hinaus bis Lemberg erweitert. Ein neuer Postkurs von Olmütz über Friedek, Teschen und Bie litz schuf Kaiser Josef II. Poststationen waren damals in Friedek, Terlitzko, Nieder-Bludowitz, Pogorsch, Smilowitz, Skotschau, und die südlichste war Jablunkau. 286
Das Staatswesen, in welchem wir lebten, die Donaumonarchie der Habsburger, war nach drei schweren schlesischen Kriegen zur Ruhe gekom men, Preußen hatte sich den Aufstieg zur Großmacht erkämpft, zwar nicht in der Größe wie Habsburg, Rußland, Frankreich oder Großbritannien, sondern zu einer sekundären Großmacht, die es auch bis 1866 blieb. Österreich war diplomatisch im Vormarsch, dafür sorgte schon die kai serliche Familie mit 16 Kindern, wovon 10 am Leben blieben, die höchste Positionen erlangten. Darunter zwei Kaiser (Josef II. und Leopold II.), zwei Königinnen (Marie-Antoinette und Maria-Carola, Frankreich bzw. Sizi lien), ein Sohn Statthalter von Mailand, ein anderer Kurfürst von Köln. Die Jahre 1765 bis 1780 waren auch die Zeit einer großen Blüte des Habs burgerreiches. Es herrschte Friede, in den Alpenländern, in den Sudeten ländern und in Schlesien blühte das Gewerbe auf, und von Ostende und Triest aus gewann der Seehandel an Bedeutung. Diese anderthalb Jahrzehnte waren zugleich der Höhepunkt des öster reichischen Barock. Gewaltig wurde geplant und gebaut: die großen Ab teien und Stifte, die Sommerresidenzen und Winterpalais in den großen Städten Wien, Prag, Graz, Preßburg, nur um gegen den französischen Kö nig bestehen zu können. Das Verhältnis zu Preußen wurde besser, 1769 besuchte Josef II. den Preußenkönig in Neisse, eine gewisse symbolische Bestätigung des Verzich tes auf Schlesien, ein Jahr später kam der Preußenherrscher nach MährischNeustadt zum Gegenbesuch. 1772 wirkten beide gemeinsam an der ersten Teilung Polens mit. 1777 gerieten sie wieder wegen Bayern in Streit. Österreich besetzte Nie derbayern und Preußen marschierte in Böhmen ein. Am 5.7.1778 überschritten schlesische Truppen die Grenze und besetz ten auch Troppau und Jägemdorf. In der Nacht des 28. Oktober 1778 rückten zahlreiche österreichische Truppen in Teschen ein. Am Tag darauf hörte man starken Kanonenlärm. Zwei Bataülone Kroaten wurden von überlegenen preußischen Kräften im Wald von Hermanitz angegriffen und zum Rückzug auf Friedek gezwun gen. Diese preußischen Einheiten waren die letzten „feindlichen” Truppen, die unser Land für fast ein Jahrhundert lang betraten. So kriegerisch es 1778 aussah, kam es doch - einige Scharmützel an der Grenze ausgenommen zu keinen großen Kampfhandlungen mehr. 287
Unter der Vermittlung von Frankreich und Rußland kam zwischen den streitenden Deutschen der Friede von Teschen am 13.5.1779 zustande. Den Frieden handelten folgende Diplomaten aus: Baron von Breteville für Frankreich, Fürst Repnin für Rußland, als Ge sandte ihrer Länder, und Graf Zinzendorf für Sachsen, Baron von Riedesel für Preußen und Graf von Kobenzl für Österreich. Die Gesandten der Pfalz Baron von Seefeld, und von Zweibrücken Baron von Hohenfels. Österreich verzichtete auf seine bayrischen Ansprüche, erhielt aber das Innviertel und Braunau. Der Vertrag wurde im Landhaus unterzeichnet und durch Böllerschüsse der Bevölkerung bekanntgemacht. Ein Ball vereinigte anschließend die Di plomaten. Zu diesem Ball, so berichteten zeitgenössische Chronisten, sollen sich viele Teschnerinnen erstmals ihre Abendkleider aus Wien haben bringen lassen. An den Frieden erinnert der „Friedensschlußgarten” in Teschen, wel cher vom Magistratsrat Bilowitzki zur Verfügung gestellt wurde und seiner schönen Lage wegen häufig von den Gesandten, besonders von Baron Bre teville, besucht wurde. Unsere Nachbarstadt rückte für Wochen in das Blickfeld der großen Geschichte. Johann Jacob Moser, „königlich-dänischer Etatsrath”, schrieb darüber in seinem „Der Teschener Friedensschluß vom Jahr 1779 mit Anmerkun gen”. Es war die Fortsetzung der Staatsgeschichte des zwischen Österreich und Preußen in den Jahren 1778 und 1779 geführten Krieges. Gedruckt zu Frankfurt am „Mayn” bei Johann Gottlieb Garbe, 1779. § 40 besagt: „Darauf kam es zu einem förmlichen Congreß zu Taschen, einer Stadt in dem Österreichischen Theil von Oberschlesien.” Sonst ging der Sturm des Krieges an Oberschlesien vorüber, wo Fried rich der Große 1777 den Freiherrn von Heinitz zum Bergwerksminister und 1779 den Grafen Friedrich Wilhelm von Reden zum Direktor des schlesi schen Oberbergamtes berief. In Preußen läuft im Jahr 1785 die erste Dampf maschine an. Am 31. Mai 1766 erwarb dann Maria-Theresia das Herzogtum Teschen und übertrug es ihrer Tochter Maria-Christine als Mitgift zur Ehe mit Prinz Albert von Sachsen-Teschen, Reichsmarschall im Bayrischen Erbfolge streit. 1781 bis 1793 hatte die Teschener Herrin zusammen mit ihrem Ge mahl (dem Sohn Augusts III. von Sachsen-Polen aus dem kurfürstlich säch 288
sischen Haus) als kaiserlicher Statthalter die österreichischen Niederlande verwaltet. Die Erzherzogin von Österreich und die Herzogin von Teschen lebten nach ihrer Rückkehr bis zu ihrem Tod in Wien. Aus der Zeit des Ankaufes von Teschen durch Maria-Theresia stammt wohl auch die Bezeichnung „Sachsenburg” in Teschen. Er legt eine große Bibliothek und eine Kunstsammlung in der „Albertina” an, deren 200jähriges Bestehen 1969 gefeiert werden konnte. Herzog Albert hat sich durch die se Gründung einen dauernden Platz unter den Kunstliebhabern erworben. 200 Gemälde, Stiche und archivalische Dokumente sprechen heute noch dafür. Und während der Friedenskongreß tagte, schlug ein k.u.k. Ingenieur korps im Raum von Deutschleuten bei Freistadt ein Lager auf, um, falls man sich nicht einigte, sofort wieder aufzubrechen gegen die Preußen. Am 9. Mai 1779 kam es dann zur Einigung. A uf kirchlichem Gebiet sei vielleicht von Teschen noch zu berichten, daß 1780 sechs Erzpriester und 26 Pfarrer zum Teschnischen Erzpresbyteriat gehörten und auf kaiserliche Anordnung neue Pfarreien in Ustroń, Istebna, Brenna und Heinzendorf entstehen. Nach dem Frieden vom 28. Juli 1742 wurde das verbliebene Schlesien neu organisiert. Am 17.10.1742 wurde statt des Oberamtes in Breslau ein neues Amt in Troppau verfügt, das als „Landesgubernium” fungierte. Sein erster Präsident wurde Friedrich Wilhelm Graf von Haugwitz zu Bielitz (1743-1752). Sein Amt trat er am 27.1.1743 an. Der geringe Umfang Österreichisch-Schlesiens erwies eine eigene Ver waltung als zu kostspielig, was den Gedanken reifen ließ, die Verwaltung Schlesiens mit jener von Mähren zusammenzulegen. Kaiser Josef II. ver wirklichte diesen Plan am 1. Juli 1782, indem er das königliche Amt in Trop pau auflöste und seine Geschäfte der Verwaltung Mährens übertrug. Dem schlesischen Konvent sollte seine eigene Wirksamkeit verbleiben, nur sollte er jetzt statt mit dem königlichen Amt in Troppau mit dem „mäh risch-schlesischen Gubernium zu Brünn” korrespondieren. Sein Präsident trug jetzt den Titel „Gubernator von Mähren und Schlesien”. Die neue Or ganisation setzte an die Stelle der früheren Landesältestenämter zwei Krei se mit einem Kreishauptmann an der Spitze. Außer ihm gehörten zu dem Amt: drei rechtskundige Kreiskommissare, ein Sekretär, ein Protokollist, drei Kanzelisten, drei berittene Kreisdragoner, überdies die ehemaligen Wibrantzen, die man jetzt Portatschen nannte und die als Grenzwächter gegen 289
die räuberischen Grenzbewohner Ungarns dienten, und die mit Flinten und Hackstöcken bewaffnet waren. Die Vereinfachung der Verwaltung erstreckte sich auch auf das Kassen-, das Post- und das Straßenwesen. Während Friedrich II. von Preußen die längst schon veraltete ständische Verfassung Schlesiens sofort ablöste und dem eroberten Land eine im übri gen Preußen schon erprobte Verwaltung gab, knüpfte Maria-Theresia im österreichischen Teil an die alte ständische an und paßte sie den gegenwärti gen Verhältnissen an. Man schuf einen Fürsten- und Ständetag und für die laufenden Angelegenheiten einen öffentlichen „Konvent” der Deputierten der Fürsten und Stände Rest-Schlesiens, dessen Geschäfte mit jenen der ständischen Ausschüsse anderer Provinzen übereinstimmten. Zu beiden schickten die Herzoge von Teschen und Bielitz ihre Vertreter, welche rechtskundig sein und dem Herren- oder Ritterstand angehören mußten. Sie durften keine Staatsbeamten sein. Bei dem Fürstentag waren außer den beiden Herzogen auch noch der Bischof von Breslau für die österreichischen Anteile von Neisse, der Herzog von Troppau und Jägerndorf und die Landstände dieser Herzogtümer ver treten. Beim Fürsten- und Ständetag hatte der Herzog von Teschen den Vorsitz inne, da er den obersten Lehensherrn, das kaiserliche Haus, vertrat. Zu sei nen Angelegenheiten gehörten die Belange der Steuern und Abgaben. Er hatte sie zu bewilligen und aufzuteilen, allerdings nur nach einem „höch sten Orts” bestätigten Entwurf. Er trat einmal im Jahr, meist im November, für drei Tage zusammen. Seine Beschlüsse wurden dem Kaiser zur Kennt nis gegeben. Fanden sie Zustimmung, wurden sie zusammen mit einer Be stätigung der bestehenden Privilegien und Freiheiten in Form eines Rever ses gutgeheißen. Der königliche Steuereinnehmer lieferte die Einnahmen des Herzog tums Bielitz, seiner Kameraldörfer, des Dominiums Ernsdorf, der Stadt und ihrer drei Dörfer sowie der anderen Minderstandesherrschaften und der „Municipalstädte” Friedek, Freistadt und Oderberg und auch des Teschener Gebietes an die Landessteuerkasse in Troppau ab. Bielitz zahlte jährlich 7469 Gulden, Schwarzwasser, Skotschau und Jablunkau je 3432 Gulden. Die Regierungszeit Augusts von Sulkowski kann vom 23.5.1762 bis zu 290
seinem Tod am 7.1.1786 gerechnet werden, runde 24 Jahre, und er wurde nur 57 Jahre alt. Er starb in Warschau. Gustav Schlauer hat auch über diesen Bielitzer Fürsten Ausführungen gemacht, die in der „Schlesischen Zeitung” Bielitz veröffentlicht wurden. Das mir zugängliche Material lasse ich nun im Wortlaut folgen: „Wir wollen in der Mitteilung der anderen Angaben der Gerichtsproto kolle fortfahren: Wie schon früher erwähnt wurde, starb Fürst Alexander Josef von Sulkowsky, Herzog von Bielitz, am 22. Mai 1762 zu Lissa. Sein ältester Sohn, Fürst August, der wiederholt in Bielitz gewesen war, übernahm das väterli che Erbe. Da ergab sich aber ein unerwarteter Zwischenfall, der Magistrat der Stadt Bielitz verweigerte den Huldigungseid. Auf die an das k.k. Amt in Troppau gerichtete Beschwerde des Fürsten erging nun der Aufrag, den Huldigungseid unverzüglich pflichtgemäß abzulegen, was auch geschah. Das Gerichtsprotokoll berichtet darüber: ,Den 15. Junij 1763. In Praesentia tit. H. Landes Hauptmanns Frantz Zhorsky von Zhorze als dermaligen von seiten Sr. Hertzogi. Durchlaucht Specialiter bevollmächtigten Commissarii und dero H.H. Regierungs Ra then Pelka von Neustadt und Ignatz Urbani. Nachdeme Bürgermeister, Rahtmann, Vogt und Schöppen, dann die ge samte Gemeinde der hiesigen Stadt Bielitz seith dem Monath Nov. 1762 die dem anjetzo nach absterben Sr. Herzogi. Durchlaucht Alexandris Josephi allhier Regierend gewesenen Hertzogen Succedirten Primo genito gleich falls Ihro Hertzogi. Durchlaucht Augusto Schuldigste Erb Huldigung bis dato auß Ursachen weil selbete nicht als Erb Unterthanere diese Homagial Pflicht nach dem Uhralten gebrauch zu praestiren angestanden und nun in mittelst deshalb bey Einem Hochlöbl. Kayßer Königl. Amte in Troppau deshalb von der Hertzogi. Regierung Beschwerde geführet, auch mit aller hand Urkunden diese Gerechtigkeit den Eyd der Treue der Erbunterthänigkeit ehehin allemahl geleistet zu haben documentiret worden, in wessen Conformität auch hochgedachtes Kayß. Königl. Amt dahin gerechtsam decretiret und sub dato Troppau den 30. April 1763 an das Teschnische K Königl. Landes Ehesten Amt intimiret wie nach Magistrat und die gesamte Burgerschafft die Erbhuldigung dem vorigen herkommen nach, und zwar in ausgedrückten Worten alles zu allen Zeiten Thun und Verrichten zu Wol len und sollen, war Treuen Erbunterthanen ihre Erbpflicht und Schuldig keit nach zu thun obliegt, abzulegen Schuldig und Verbunden seind. 291
Wannenhero gemäß so Thanen Hoch Ambtl. Decreti heunt dato derley Homagium Magistrat, Vogt und Schöppen nebst der gantzen Burgerschafft allhier in der Hertzogi. Burg würklichen abgelegt und jenen Huldigungs würklichen abgeleget und jenen Huldigungs wahre Treu Erbunterthanen in Facie totias Regiminis wozu man von Seiten Sr. Hertzogi. Durchlaucht Specialiter bevollmächtiget worden, abgeschworen haben, so mit den wurde der Actus Finalisirt und hieauf zur Danksagung dieses vollzogenen Werkes die Hertzogi. Regierung, nebst dem Magistrat, Scabinat und der Stadt Ge meinde den Kirchengang in die allhiesige Pfarr Kirche gehalten und da selbst das Te Deum Laudamus abgesungen worden. Den 24. Januarii 1786. Wie hier die Exequien nach absterben weyl. H. August Herzogs Durchlaucht gehalten worden. Nachdehme alle Zeitliche Dinge durch lange Reyhe von Jahren ins Ver gessen gerathen, wenn sie nicht registriret werden. Als wird der nach weldt und gedächtnus hiermith angemercket, daß den 24ten dieses vor die Seele des den 7ten d. M. abents um 11 Uhr in Warschau verstorbenen Weyl. H. August, des Heyl. Röm. Reichs von und zu Sulkowsky Fürsten, regierenden Herzogs Durchlaucht die Exequien in der hiesi gen Stadt Pfarr Kirchen folgender gestalt gehalten worden, als lmo, wurde früh um 8 Uhr das officium defunctos gebettet, darauf wurde 2do. die Trauerrede durch den wohl Ehrwürdigen H. Adalbert Haneke zur Zeit Kays. Königl. Local Kaplan in Heintzendorf, die von jedermann beyfall gehabt, gehalten. Nach Vollendung derselben wurde 3tio. das Seelenamt durch den Hochwürdigen Herrn Johann Sczyrba zur Zeit Stadt Pfarrer und Ertzpriester mit assistenz zweer Leviten gehalten, nach diesem wurde 4to. eine Stille Messe in einer Bunten Kastei unter Musie auf dem Chor gehalten; beiy dieser Trauer Function waren in allem 11 Priester, die vor die Seele des verstorbenen H. Hertzogs Durchlaucht die heylige Messe gelesen haben. Der Andacht haben beygewohnt der Leid Tragende Herr Tit. plen. Theodor Graf Sulkowsky, Kays. Königl. pensionirter Obrister, das fürstliche Landrechts und Kanzelley Personale und Herren Rath und WirtschaftsBeamte. Der Magistrat und Scabinat in corpore wie auch eine ziemi. Anzahl von 292
der Stadt Commune, dann die Kammeral Dorfgerichte nebst dem gemein Ausschus aus jedem Dorfe. Das hohe Altar war alles Schwartz verhangen. Vor demselben waren zwey große Pyramiden mit Lampen beleuchtet, Mitten im Presbyterio Stunde auf dem mit Lampen beleuchteten Trauerge rüst die Tumba in der höhe, ringsherum waren beleuchtete Pyramiden und auf denen seithen die Herzogi. Wappen wie auch vorne her angebracht, un ter selber war nachstehendes Epitom vitae durchlauchtigen Hertzogens zu lesen: (Wir lassen dasselbe in deutscher Übersetzung folgen) Herzog August ging zu den früher Regierenden ab. Er erreichte 57 Jahre, vom Vater die Gestalt, von der Mutter erbte er die Gesichtszüge. Er folgte seinem Vater im Bielitzer Majorat 1762. Stolz auf sein Wappen strebte er durch seine Taten seinem Stamm gerecht zu werden. Er machte im Heer des Kaisers eine Reihe von Feldzügen und Gefechte gegen Preußen mit. Er beendete mit großer Erfahrenheit und Glück des Geistes alles mit höchstem Ruhm. In Widerwärtigkeiten stark und unerschütterlich im Rat erhielt er in der polnischen Republik unter dem heutigen Könige als erster das Amt eines Marschalls. Wegen glücklich vollendeter dringender Staatsgeschäfte verdiente er sich seines Königs und Vaterlandes Dank. Er war ein Förderer von Kunst und Literatur, durchreiste Italien, Frankreich, Spanien, 293
England, Holland und Rußland in Staatsgeschäften, woselbst er in großem Ansehen stand. Zurückgekehrt mit der allerdurchlauchtigsten Gemahlin widmete er sich aufs neue den Geschäften der Republik. Er übertrug dem Alexander, seinem erlauchten Bruder, die Ehre des Herzogtums zugleich mit dem Herzogtume Bielitz. In Warschau vollendete er den Weg der Sterblichen am 7. Januar 1786.’ ” Fürst August unternahm als Majoratsherr das Fürstentum Bielitz. Durch verschiedene Maßnahmen erhöhte er den Ertrag des Fürstentums von 18.000 fl auf 24.000 fl. Er hatte jedoch noch die Schuldenlast des unbe zahlten Drittels des Kaufpreises zu tragen und kam deshalb unter Seque stration. Die jährlich einlaufenden Erträge von 24.000 fl wurden durch A l h Jahre zur Abzahlung der Schuld samt Interessen verwendet, so daß von der Schuld im ganzen 87.827 fl 57 kr getilgt wurden. Am 7. Januar 1786 starb Fürst August ohne Nachkommen. Wenig bekannt ist, daß Fürst August Sulkowski, der auch Palatin von Gnesen, nachher Palatin von Posen war, der eigentliche Verfasser der polnischen Konstitution war, welche Polen von König Stanislaus August Poniatowski bekommen hat.
Was die Polen sagen
Bevor wir in unserer Betrachtung weitergehen wollen, will ich noch einfügen, was neue polnische Historiker über die beiden ersten Herren von Bie litz zu berichten wissen. Die „Große Allgemeine Enzyklopädie” Warschau 1970 schreibt über den ersten Fürsten von Bielitz wie folgt: „Sulkowski, Alexander-Josef (1), geboren 13.3.1695, gestorben 21.5.1762, Vater von Anton und August, Liebling des Königs August II., Hofjägermei ster von Litauen. Ab 1729 höchster Hofmeister (Ochmistrz) und erster Ka 294
binettminister von Sachsen 1733-1738. Sächsischer Infanterie-General. Nahm teil an den Kämpfen im Rheinland gegen Frankreich (im poln. Erb folgekrieg auf Seite Österreichs), 1737 kämpfte er in Ungarn gegen die Tür ken. Angeklagt durch Brühl zum Schaden für Sachsen, wegen „geheimer Ränke” (konszachty) der Ämter enthoben, kehrt nach Polen zurück, lebte in Reisen (bei Lissa), welches er 1736 von König Stanislaus Leszczyński er warb. 1752 kaufte er die Herrschaft Bielitz, durch welche er das Recht auf den Titel eines Herzogs erhielt. 1759 in Reisen durch die Preußen gefangen genommen, wurde er wegen Begünstigung Österreichs in Glogau festge setzt.” Über seinen ältesten Sohn August-Kasimir (2) schreibt dasselbe Werk: „Geboren 15.11.1729, gestorben 17.1.1786, Sohn des Alexander-Josef (1), Ordinate von Reisen 1768, von Kalisch 1778, von Posen 1782. Parteigänger König Stanislaus Augusts bei Beginn seiner Herrschaft. 1765 wurde er nach Frankreich mit der Nachricht von der Königswahl gesandt. Im Herbst 1765 ist er stellvertretender Kommandant der Ritterschule Warschau. Mit Repnin zusammen ist er einer der Schöpfer des gesetzgebenden Sejm 1773— 1775, Marschall des immerwährenden Rates 1775-1776. Verband sich erneut mit dem König. Mitglied der nationalen Erziehungskommission. 1774 erlangte er das Ausnahmeprivileg für die Gründung eines Schau spieltheaters in Warschau.” Ohne Frage waren die Sulkowskis Theaterfanatiker und hatten neben Warschau auch in Reisen Bühnen betrieben. Die Reisener und besonders die Warschauer Veranstaltungen erfuhren eine Würdigung in dem Buch „Das Warschauer Sulkowski-Theater, Dokumente aus den Jahren 1774— 1785”, eine Zusammenstellung von Quellen und Stoff, die sich auf nicht mehr vorhandene Unterlagen des Reisener Archivs stützte. Gedruckt von Mieczysław Rulikowski, wurde es in Auszügen durch ihn 1957 herausgege ben. Nach seinem Tod wurde das Buch mit einem Vorwort von Barbara Krol versehen, das selbst eine interessante Arbeit über die Sulkowskis dar stellt. Das Buch stellt eine reiche Sammlung von Nachrichten über die An fänge und die Entwicklung des Theaterlebens in der Hauptstadt des letzten polnischen Königs Stanislaus II. August Poniatowski (1764-1795) dar. Die Zeit gegen Ende des 18. Jahrhunderts war in Polen recht unglück lich. Der allmächtige Adel hinderte eifersüchtig den König, eine stetige Regierung durchzuführen, und unterdrückte die Bauern so sehr wie die Städter. Die russische Zarin machte ihren früheren Geliebten Stanislaus 295
Poniatowski zum König von Polen, der den Rechtgläubigen Religionsfrei heit versprach, worauf sich ein Teil des polnischen Adels dagegen auflehnte und sich zur Konföderation von Bar zusammenschloß. Grund genug für Katharina, ihre Truppen einmarschieren zu lassen. Sowohl Stanislaus II. Poniatowski (1764-1795) als auch Katharina II. (1762-1796) waren Zeitgenossen dieser beiden Bielitzer Fürsten. Österreich hatte, wenn wir jetzt beim Tod unseres Fürsten AlexanderKasimir zurückblicken, selbst ein wechselhaftes Schicksal hinter sich. Ein stetiges Auf und Ab war das markante Merkmal unseres Kaiserstaates: 1742 im Frieden zu Breslau verliert die Monarchie Ober- und Niederschlesien mit rund 39000 Quadratkilometern. 1748 im Frieden zu Aachen gehen Österreich Parma, Piacenza und Guastalla mit etwa 5750 qkm verlustig. Dagegen gewinnt es bei der ersten Tei lung Polens die Zips, Galizien und Lodomerien mit etwa 80000 qkm; 1775 gewinnt Österreich die Bukowina mit einer Fläche von rd. 10 500 qkm, und im Frieden von Teschen kommt erneut das Inn-Viertel mit 2000 qkm hin zu. Und als Maria-Theresia 1780 stirbt, hinterläßt sie ein Reich von über 630000 qkm mit mehr als 24 Millionen Menschen. Damit wollen wir die Zeit August-Kasimirs verlassen und uns dem nächsten Abschnitt unserer Geschehnisse zuwenden.
D ie Jahre 1786 bis 1792, Alexander-Anton und Franz de Paula von Sulkowski
Alexander-Anton (3) war der zweite Sohn des Begründers der Bielitzer Sulkowski-Herrschaft, der jetzt nach dem Tod seines Bruders Alexander-Kasi mir das Erbe antritt. 56 Jahre alt, hat er ein schon abgerundetes Soldatenle ben hinter sich. Wir wissen von ihm, daß er am 15.10.1730 geboren wurde und mit 29 Jahren mit Bestallung von 5.6.1759 zum Obersten zu Fuß er nannt wurde. Am 18.3.1760 rückte er - dreißigjährig - zum österreichischen General-Feldwachtmeister (die österreichische Dienstgradbezeichnung für Generalmajor) auf, am 19.1.1771 wird er Feldmarschalleutnant (entspricht dem deutschen Generalleutnant). Im Alter von 56 Jahren starb er als sol cher am 21. September 1786 in Wien. Die „Schlesische Zeitung” schrieb aus der Feder von Direktor Schlauer darüber: „Den 27. November 1786 wird vermerkt, daß anheunt das von dem in Wien unterm 21. September d. J. hochseelig verstorbenen Herrn Fürsten 296
Alexander, regierenden Herzogen zu Bielitz in einer Sielbernen Urne auf bewahrt und anhero überbrachtes Herz in der hiesigen Schlos-Kapelle rech ter Hand in ein dazu mit eysernen Gegitter verfertigtes Blind Fenster durch den hiesigen H. Erzpriester und Stadt Pfarrer Johannes Sczyrba nach vor gängiger einsegnung beygesetzt und sonach das Gegitter verschlossen wor den, wovon der Schlüßel in die hiesige Registratur zur Aufbewahrung ist übergeben worden.” Er war gerade neun Monate lang Herr von Bielitz und starb kinderlos. Nachfolger Alexander-Antons wurde sein Bruder Franz de Paula (4), dritter Sohn des Gründers Alexander-Josef. Geboren am 29.1.1733 zu Rei sen auf dem Sulkowski-Schloß im Posenschen, erhielt er am 26.12.1753 also mit zwanzig Jahren, es regierte Kaiser Franz I. aus dem Hause Lothrin gen - eine Obersten-Stelle im Infanterieregiment Damnitz, welches seit 1754 den Namen „Colloredo-Wallsee” trug. Er kämpfte im Siebenjährigen Krieg gegen die Türken und befehligte als Feldmarschall bis zum Reichen bacher Kongreß (1790) die Beobachtungsarmee an der preußischen Grenze. Das Regiment hieß ab 1769: Nr. 40. Von 1754 bis 1758 war unser Fürst Kom mandeur dieses Regiments. 1757 nahm Franz de Paula von Sulkowski an dem Zug des Feldmar schalls Hadik von Futak, Träger des Großkreuzes zum Maria-Theresia-Orden, nach Berlin teil, wo er mit zwei Bataillonen vor dem Stadttor in Reser ve lag. Es war das im zweiten Feldzug des Siebenjährigen Krieges, als am 15. Oktober, dem Namenstag Maria-Theresias, etwa 3000 Husaren sich der Stadt bemächtigten. Eine Kontribution in Höhe von 300000 Talern wurde auferlegt und an die Truppe verteilt. Die Stadt wurde geschont, sechs preu ßische Fahnen erbeutet. Nach 24 Stunden wurde Berlin wieder geräumt. Als Anerkennung für die Tat erhielt er von der Kaiserin 3000 „Stück Ducaten” und den am 27. Juni 1757 gestifteten Maria-Theresia-Orden. Im Jahre 1758 erfolgte die Ernennung Franz von Sulkowskis zum Gene ralfeldwachtmeister. Im Juli desselben Jahres wurde Fürst Franz de Paula aber teils wegen der verunglückten Expedition gegen das Schloß Sonnen stein (bei Pirna auf steilem Felsen über der Elbe gelegen, eine der stärksten Landfestungen), teils wegen mangelhafter Geldgebarung in seinem frühe ren Regiment vom Dienst suspendiert bis zum Abschluß der gegen ihn ge führten Untersuchung. Am 22.3.1759 wurde ihm jedoch der Austritt aus dem kaiserlichen Heer bewilligt. Über sein Schicksal in den folgenden Jah ren war nichts zu erfahren. 297
Am 15.10.1765 zwang bei Schloß Sonnenstein Friedrich der Große das sächsische Heer zur Kapitulation. Österreichische Truppen unter Browne sollten die belagerten Sachsen entsetzen, waren aber selbst in so ungünsti ger Lage, daß sie sich zurückziehen mußten.
Sechs Jahre Bielitzer Geschehen
In den Besitz der Herrschaft Bielitz dürfte Franz de Paula im Jahre 1787 ge kommen sein. Anfänglich renovierte und vergrößerte er das Bielitzer Schloß. In den Jahren 1787 bis 1790 parzellierte Fürst Franz de Paula den kaiserlichen Reformen zufolge alle Vorwerke seines Herrschaftsbesitzes etwa 20 Gutshöfe -, und in dieser Folge trat eine neue Besiedlung unter Ver größerung der Gebiete der alten Dörfer ein. Im Bereich der früheren drei Vorwerke von Altbielitz wurde die neue Siedlung Alexanderdorf - später erst Alexanderfeld - mit 76 Bauernhöfen geschaffen. 1790 ist dann Alexan derfeld auch schon eine selbständige Gemeinde. Im selben Jahr entsteht auf die gleiche Weise Franzdorf, welches heute ein Teil der Gemeinde Kurzwald ist. Die Güter wurden von der Untertänigkeit befreit, statt des Frondienstes hatten sie ersatzweise nur eine Art Rente zu entrichten (Aus: „Bielsko-Biała, Zarys rozwoju miasta i powiatu”. Herausgeber „Slask” Kattowitz 1971). Durch die Bauernbefreiung kamen auch in Lobnitz zehn Bauern von der Fron frei. Durch die Sozialmaßnahmen Kaiser Josefs II. wurde die Machtstellung der Groß- und Gutsbesitzer beträchtlich eingeengt, nicht zur hellen Freude der Betroffenen. Am 25. August 1790 erhielt Fürst Franz de Paula über seine Bitte erst ei ne Pension in Höhe von 2000 Gulden jährlich unter gleichzeitiger Verlei hung des Charakters eines Feldmarschalleutnants. Unzufrieden und unter dem Druck der kaiserlichen Reformen verließ Fürst Franz unsere Heimat und ging nach Amerika. Seine letzten Jahre verlebte er in Wien, wo er auch neunundsiebzigjährig am 22. April 1812 starb. Die Schlesische Zeitung schrieb, wiederum aus der Feder Schiauers, über unseren Fürsten wie folgt: „Das Fürstentum kam nun an den dritten Sohn des Fürsten Alexander-Josef, den Fürsten Franz, der Bielitz zur Resi denz wählte und zwei Söhne, Alexander und Johann, hatte. Herzog Franz Sulkowski verschönerte das Bielitzer Schloß durch Zubauten und legte im 298
Schloßgarten ein Badehaus und einen Irrgarten an. Als er das Herzogtum übernahm, betrug die Schuldenlast noch 132 948 Gulden. Um auch diese Schuld abstoßen zu können, verkaufte er im Jahr 1787 die 18 herrschaftli chen Maierhöfe an die Untertanen, desgleichen das Heinzendorfer Gebirge an die Herrschaft Ernsdorf. Aus dem fürstlichen Brauhaus wurde ein Thea ter gemacht, den Bierschank übernahm die Stadt Bielitz gegen einen jährli chen Pachtschilling von 600 Gulden.” Von den Kirchengemeinden ist aus dieser Zeit bekannt, daß 1787 in Bie litz 8948 Kommunikanten gezählt wurden und 1790 verlieh Franz de Paula die Präsentationsurkunden an den Pfarrer von Bielitz. Es war dies Pfarrer Adalbert David Hanke, aus Fulnek gebürtig. Der oberste Kirchenfürst in der Diözese Breslau, zu welcher Bielitz ge hörte, war damals Fürstbischof Phillip Gotthard Graf von Schaffgotsch in Breslau. Am 5.9.1787 ersteigerte die Tuchmacherzunft aus den Grundstücken des St.-Anna-Spitals 925/ó Quadratklafter für 83 Gulden und 40 Kr. ihren Platz für ein geplantes Zunfthaus. In der nachfolgenden Zeit von 1788 bis 1790 war das Textilgeschäft mit der Türkei fast zum Erliegen gekommen, da unter Kaiser Josef II. ein neuer Krieg mit diesem Lande ausbrach. Dagegen wurde 1789 die Bielitzer Bergbaugesellschaft aus der Taufe ge hoben. Gustav Schlauer berichtete 1924 in der „Schlesischen Zeitung” darüber, daß am 28.12.1789 der Freifahrungsschein ausgestellt wurde. Er lautete auf die „im hiesigen herzoglichen Sulkowskischen Territorio in dem Kameraldorf Altbielitz liegende Fundgrube, St. Stanislaus genannt, auf des Frei bauern Wenzel Korziskos Grund”, dann auf einen „Stollen St. Nikolai auf Mineralien Metall und Fossilien in genere, in Specie aber auf Silber- und Golderz, die der Allerhöchste Bergvater allda bescheren möchte, samt der erforderlichen Weeg und Stegen, und hinter den Stollen Mundloch zu Ab.Zimmerung des Grubenholzes befindlichen Platzes und deren Halden mit all übrigen Bergwerks Gerechtigkeiten mittels eingelegten schriftlichen Muthzettel durch den H. Johann Nickel Beck, Batail. Rechnungsführer des vacant k. k. Palavicinschen 3. Bat. dto. 17. September gemuthet und bereits anher erwenten Bergbau freygelassen worden”. Zur Aufrechterhaltung der Ordnung wurde der fürstliche Registrator Johann Poledniak als obrigkeit licher Kommissär bestimmt. 299
Gleich die ersten Arbeiten ließen erkennen, daß sich kein abbauwürdi ges Gestein zeigte, und so war die Gesellschaft von Anfang an ein aussichts loses Unternehmen. 1793 war der Schacht bereits wieder verfallen, die Muthungsscheine wa ren inzwischen gelöscht worden, und die ganzen Akten wurden dem Berg obergericht in Kuttenberg zugestellt. Schlauer stellte einwandfrei fest, daß der Stollen auf dem Grundstück des Wenzel Korzisko sich im Niederdorf bei dem Haus Nr. 44 befunden hatte. Über das Theaterleben in Bielitz wissen wir, daß bereits 1791 Schauspie le, von ortsfremden Berufsbühnen dargeboten, im Schießhaus- und Zunft haussaal zur Aufführung gelangten. Ab 1792 wurde aber dann schon laufend Theater in Bielitz gespielt. Am 17.6.1792 erteilte das Gubernium über das Teschener Kreisamt die Spieler laubnis hierfür, und zwar ist überliefert, daß im Januar „Kabale und Lie be” von Schiller auf dem Spielplan stand. 1784 hatte ein Wiener Buchdrucker namens Trattner die Absicht, sogar in Krakau, wo immer mehr Deutsche zuwanderten, einen Theater- und Redoutensaal mit einem angeschlossenen Gasthof zu bauen. In den Jahren 1783 und 1784 war ein Mann namens Göttersdorf dort Unternehmer einer deutschen Schaubühne. 1790 bis 1800 waren in Biala, das über eine völlig reindeutsche Zunftgilde verfügte, 122 neue Meister aufgenommen worden, wovon 91 zugewandert waren. In Biala wurde 1787 die evangelische Schule gebaut und eröffnet, welche katholische Schüler gleichfalls besuchen konnten. Diese Art des Schulbe triebes lief bis 1812 (Schulgasse Nr. 25). Biala zählte damals (1787) 280 Häu ser. Die Deutschen Westgaliziens hatten zu dieser Zeit die Hoffnung, anläß lich der Reichstagswahlen im Land für die Gemeinde Biala und die Koloni stengemeinden einen besonderen Wahlkreis zu erhalten. Der Plan scheiter te jedoch am Widerstand des damals schon sehr einflußreichen Polenklubs in Wiener politischen Kreisen. Um uns herum sind für diese Zeit noch einige Daten festzuhalten: 1786 gab es im preußischen Oberschlesien beim Tod Friedrichs des Gro ßen schon 42 Hochöfen, die eine Produktion von 165 000 Zentnern (82501) Roheisen erbrachten. 300
1790 begann dort auch der moderne Ausbau der Schwerindustrie und der Kohlenflöze, die in Richtung Bielitz nur bis kurz südlich der Weichsel zum Tragen kamen. Der südlichste Punkt war Zebracz. Der Herzog von Teschen vergrößert sein Besitztum laufend. AlbrechtKasimir kauft 1791 Harbutowitz und 1792 folgt Kalembitz. Im gleichen Jahr gab es in Oberschlesien bereits 20 Kohlengruben. Ein besonderes Ereignis dieser Zeit verzeichnet das Jahr 1790, als im Herbst dieses Jahres östlich von uns der einzige Dichter ersten Ranges, der Krakau je besuchte und leider schon die Verfallperiode der Stadt erlebte, seine Schritte dahin lenkte. Es war der damals 41 Jahre alte Johann Wolf gang von Goethe. Im Jahr 1782 wurde Goethe geadelt, 1786 bis 1788 unternimmt er die für seine Dichtung und sein Leben richtungweisende italienische Reise. 1792 begleitet er seinen Herzog auf dem Frankreich-Feldzug. In der Musik sind ganz berühmte Namen Zeitgenossen unserer Fürsten Alexander-Anton und Franz de Paula von Sulkowski. Da ist Chr. Willibald Gluck (1714-1787), der mit antiken Stoffen die Oper erneuerte, da ist Josef Haydn (1732-1809), der Schöpfer der klassi schen Sinfonie, und da ist Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791), genial und vielseitig. 1792 kommt der größte Wiener Klassiker nach Wien: Ludwig van Beet hoven, neben Bach das am tiefsten schöpferische Musikgenie der Weltlite ratur. A uf der anderen Seite zeichnen sich deutlich Mißstände des sozialen und politischen Lebens ab. Einer davon ist der „Soldatenhandel” zahlrei cher Landesfürsten, die mit auswärtigen Mächten „Subsidienverträge” ab schließen, durch welche Kapital ins Land kommt, das zum Teil in monu mentalen Bauten und Stiftungen angelegt wird, während die ins Ausland vermieteten Truppen, Menschen des eigenen Landes, fremden Zwecken zugute kommen. Der französische Kriegsminister Herzog von Choiseul-Amboise sagte hierzu einmal: „Der im Ausland geworbene Soldat hat doppelten Wert, weil er dem französischen Staat nützt und dem Gegner entzogen wird” (um 1740). Das ganze 18. Jahrhundert war von solchen Verkäufen gekennzeichnet: 1781 kämpften 28 000 Deutsche in Amerika, 1779-1782 auf Menorka und 301
in der Festung Gibraltar waren es auch Deutsche, die mithalfen, den spani schen und französischen Angriff abzuwehren. Ab 1792 erging der Aufruf an die Soldaten aller Armeen zum Eintritt in die Revolutionsarmee Frankreichs. 1792 wurde die „Legion franche etrangere” gegründet, im gleichen Jahr das Bataillon Bayern und die Germani sche Legion. Aber das war nur der Anfang. An anderer Stelle wird dann über spätere Zeitabschnitte dieser traurigen Erscheinung gesprochen. 1787 wird zur Bildung von Jägerskorps in Böhmen, Mähren und Schle sien aufgerufen.
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Schlußbemerkung
Mit diesen Ausführungen nähern wir uns dem Ende eines Zeitabschnittes, dessen Ablauf auf mehreren Gebieten des Lebens einen nachhaltigen Wan del einleitete. Das bisherige Wirtschaftsleben war auf dem Handwerk be gründet. Mit dem Ende des Handwerks schickte sich die Maschine an, gra vierende Änderungen zu erbringen, deren Auswirkungen offenbar noch heute nicht abgeschlossen sind, und auf dem Gebiete der staatlichen Exi stenz Österreichs nähern wir uns dem Ende eines jahrhundertealten tra ditionsgebundenen Staatsverständnisses und eines ebenso verankerten Na tionalempfindens. Hier erreichen wir das Ende des absoluten Regierungssy stems. Was nun folgt, hat das Leben zutiefst beeinflußt und verändert. Im Falle der Wirtschaft war es die Maschine, die grundlegenden Wandel schaff te, und auf dem Gebiete des Nationalempfindens und des Nationalgefühls waren es die Vorgänge, die in Frankreich einsetzten, von Herder aufgenom men und in seinem Schrifttum unter anderem auch den großen und kleinen slawischen Völkern östlich von uns weitergegeben, eifrig zur Kenntnis ge nommen und sich fast revolutionärer als im deutschen Raum auswirkten. Dieser „Völkerfrühling” hat gerade in Mitteleuropa vermocht, sich nachhal tig auszuwirken, nicht zuletzt in Österreich, dem Staat der elf Nationen un ter einem deutschen Herrscherhaus. Mit dem Regierungsantritt des ersten österreichischen Kaisers - er war auch der letzte Herrscher des „Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation” - Franz II. wurde das Ende dieses fast tausendjährigen Reiches eingeläutet. Als österreichischer Kaiser Franz I. hat er dann unter französischem Druck im Jahr 1804 die deutsche Kaiserkrone niedergelegt. Ohne Frage ein wesentlicher Einschnitt im Ge schehen und der Gestaltung des deutschen Sprachraumes. Die Übergänge waren auf keinen Fall plötzlich, der Umbruch beanspruchte eine lange Übergangsperiode von einer Reihe von Jahren, die wir in den weiteren Bän den darstellen wollen.
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D ie deutsche Besiedlung des schlesischen Südens nach 1260 durch den Herzog von Op peln, Ladislaus I. (1246-1281). Dadurch entstand eine Sprachbrücke über die Beskiden nach den Zipser Deutschen hin, die jedoch um das 15. Jahrhundert verlorenging. (nach Prof. Kühn)
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D as südliche Schlesien in seiner einstigen Form vor den verschiedenen Teilungen. Das Bielitzer und Bialaer Land lag damals im Herzogtum Teschen.
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D as Herzogtum Bielitz. Aus der „Freien Minderstands-HerrschafiBielitz”von 1571 wird am 30.1.1751 eine „Freie Standesherrschaft”, am 19.3.1752 ein „Fürstentum” und am 2.9.1754 das „Herzogtum Bielitz” und blieb es bis 1918. Es umfaßte 150 Quadratkilome ter an Fläche. Bild: Ausschnitt aus Jonas Negrellis Karte vom Herzogtum Teschen aus dem Jahr 1724.
Die deutsche Sprachinsel Bielitz-Biala im 20. Jahrhundert (nach Prof. Kuhn). Sie entstand an einer alten Wollhandelsstraße zwischen Ungarn und Schlesien (nachBrusatti).
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Biełitz im Jahr 1801. Eine friedliche Stadt: kein Lärm, keine Industrie, nur fleißige Handwerksleute. Sie bilden den Grundstock fü r den späteren Wandel (nach Samuel Johanny, 1801).
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Bielitz um 1895. Der Wandel ist deutlich: viele rauchende Schlote kennzeichnen die in dustrialisierte Stadt. Textil- und Textilmaschinenfabriken haben Bielitz bekannt ge macht.
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Bielitz gegen Südwesten. Über die Hügel der Stadt geht der Blick gegen die Berge, die Beskiden. Über ihre Gipfel verläuft Schlesiens Südgrenze.
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Den M ittelpunkt der S tadt bildet das herzogliche Schloß aus dem 15. Jahrhundert. Hier am „Stadtberg” pidsiert ein emsiges Leben.
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Die Ostfront des Schlosses erhebt sich über einer steilabfallenden Geländestufe. Schloß bazar und Schloßfront sind gut aufeinander abgestimmt. Links: die St.-Anna-Schloßkapelle, 1855fü r die Gemahlin des Schloßherm errichtet, seither Grablege unserer Für sten.
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Bielitz. Vom Theaterplatzfä llt der Blick über den Stadtberg nach Norden in die KaiserFranz-Josef-Straße. Der Schloßbazar wurde 1899, der Tunnel 1878fertig.
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Bielitz. Blick nach Süden vom Schloß aus. Links das Postamt (1895), rechts Turm der kath. Kirche (1910). Durch die „Schloßgraben”-Straße fuh r die Straßenbahn in den „Zigeunerwald”.
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Bielitz. Vom Theaterplatzfällt der Blick au f die Ostfront des Schlosses. Der Bau stammt aus den Jahren 1441 bis 1474. Die heutige Form ist nach Plänen des Wiener Architekten Josef Pölz von 1855 bis 1858 gestaltet. Die St. -Anna-Schloßkapelle wurde 1855fertig.
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Bielitz. Die „Amtsgebäude”, das A m t der „Bezirks-Hauptmannschaft” und das „Amts gericht” wurden 1898 als Sitz der österreichischen Verwaltung errichtet.
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D as Stadttheater Bielitz. Seit 1792 wurde in Bielitz regelmäßig Theater gespielt, 1890 wurde der neue Bau eingeweiht. Die Pläne stammen vom Architekten Ritter von FörsterWien. Zunächst 750, spätere Erweiterung au f 1000 Plätze (1905).
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Bielitz. D as Theater-Innere. Es verfügte zunächst über 4 8 6 Sitzplätze, 22 Logen und 200 Stehplätze. Der prunkvolle Vorhang ist ein Werk des Wiener Malers Kautsky. Insgesamt wurde in Bielitz 153 Jahre deutsches Theater gespielt. D as Theater besaß ständig sein ei genes Ensemble.
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Bielitz. Die „k. k. Höhere Staatsgewerbeschule” entstand aus der 1862 gegründeten pri vaten Webschule und erhielt 1913 diesen Prachtbau.
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Die„k. u. k. Mittelschulen” in Bielitz. D as Obergymnasium und die Oberrealschule. Erstere 1871, letztere 1850 gegründet. Die gezeigte Anstalt wurde in den Jahren 1872 bis 1883 in drei Abschnitten errichtet und lehrte in deutscher Sprache bis 1945.
320
Bielitz, Infanteriekaseme. Sie wurde im Juli 1895 vom österr. Infanterieregiment N r 54 bezogen und erlebte typische Grenzlandgeschichte:je nach dem Staat, zu welchem unse re Heimat gehörte, wechselte auch die Besatzung der Kaserne. Erbaut nach Plänen des Wiener Architekten Heinrich Freiherr von Ferstel, der auch die Wiener Votivkirche ent warf.
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D as Rathaus in Biala. Die aufgalizischem Boden gelegene deutsche Stadt schuf sich im Jahr 1897 diesen eindrucksvollen Bau. Biala gehörte in allen Dingen zur gemeinsamen Sprachinsel Bielitz-Biala. Die Stadt ist eine deutsche Gründung. Sie wurde 1494 erst mals erwähnt, 1723 erhielt Biala deutsches Stadtrecht a u f Kulmer (Magdeburger) Grundlage. Das verliehene Stadtwappen zeigt zwei Rosen nebeneinander.
Biała. A lte Tuchmacherhäuser an der „Au”, im Hintergrund die Türme der katholischen Kirche.
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Vom Stadtkern fä llt der Blick nach Westen au f den ansteigenden „Stadtberg” mit Schloßturm, Kohlen- und Laubengasse, Kaluzahaus und Stadtsparkasse.
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Blick nach Osten: „Cafe Bauer”, Delka- und Giebnerhaus. Nach links geht’s zum Bahn hof, nach rechts in den Zigeunerwald.
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Bielitz, Laubengasse, Durchblick zum Schloß. Links: die aus dem 17. Jahrhundert stammenden „Lauben”, rechts zweigt die „Rosengasse” ab. Hintergrund: Schloßturm und Stadtberg.
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Bielitz. Kaiser-Franz-Josef-Spital. „Am Strößl” eröffnet am 15. August 1893. Am 16. Juni 1912 kam ein Operationssaal, damals modernster Gestaltung, hinzu. Baumei ster waren Jüttner & Bolek aus Bielitz.
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Bielitz. Kaiser-Franz-Josef-Straße: „Hotel K aiserhof’. 1891/92 erbaut, 58 Gästezimmer, großer Saal, Haus höchster Klasse, das verwöhntesten Ansprüchen entsprach.
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Altes Tuchmacherhaus, Bielitz, Josef Straße. Im hölzernen Obergeschoß befand sich der Trockenraum des Meisters. D as Haus wurde später Tuchmachermuseum, brannte ab und befand sich 1985 im maßgerechten Wiederaufbau.
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Biała, katholische Pfarrkirche. Die Barockkirche wurde 1849 bis 1850 nach Plänen der Firma Rost erbaut, und 1886 erhöhte man die Türme unter Beibehaltung des Baustils.
330
Biała, Franzensplatz (zweiter Ring). Partie gegen Nordosten m it evangelischer Kirche und Weinhaus Inochowski, einem beliebten Treffpunkt aller Kreise der Doppelstadt.
331
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Inhaltsverzeichnis Zum G e le it...............................................
5
Georg von Podiebrad und Mathias Corvinus in Schlesien............................................. 94 Türkengefahr...........................................
99
Einführung Das Bielitzer Land und seine L eute..
7
Nachbargebiete......................................
10
Blick auf die Wirtschaft........................
21
Bevor die Deutschen gerufen wurden! Frühzeit - Wanderungen.....................
28
Lechfeld - Polen entsteht - Neue Bistümer Wirren und Rivalitäten beginnen . . . . 32 Friede von Bautzen - Krakau wird böh misch - Schlesiens Geschichte beginnt 36 Ohnmächtiges Schlesien - Mongolensturm - Liegnitz - Besiedlung des schlesischen Südens - Krakau kurz bei Schlesien.. 39 Geschehnisse rund um unser Land ..
58
Verflechtungen Südschlesiens mit deut schen Landen - Ursprünge des Bergbaues Gang durchs Bielitzer und Saybuscher Land - Erzstraßen durch unsere Berge - Der Erz handel blüht............................................. 103 Luther tritt auf, Zwingli und Calvin - 1516: Schlesien fällt an das deutsche Haus Habs burg - Deutsche Meister in Krakau - 1529: die Türken vor W ie n ............................ 118 Die Reformation bei uns, in Krakau und ihr Ende - Erste Abtrennung der Herrschaft Bielitz von Teschen - 1592: die von Sunnegks, Herren auf B ielitz...................... 130 Das 17. Jahrhundert Das Zeitalter der von Sunnegks beginnt Das Ende der Teschener Piasten......... 150
Vom 13. zum 14. Jahrhundert Die Wanderung deutscher Siedler . . .
67
Der Auszug aus Prag - Teschen wird selb ständiges H erzogtum ............................ 68 Karl IV. und seine Zeit - Teschener Herzoge in dieser Periode............................ 77
Das 15. Jahrhundert Schlechte Zeiten für den Süden Schlesiens........................................
Das 16. Jahrhundert
Handel und Gewerbe - Blick nach Süden und Osten - Schweden wieder im Land und östlich von uns - Aufstand in Ungarn 193
84
Erstmals Bürgermeister in Bielitz . . . .
Mansfeld am Jablunkapaß und in Bielitz Militärische Aktionen folgen - Die Schwe den in Bielitz (1645) - Glaubensauseinan dersetzungen - 1631: Bielitz wird wieder rekatholisiert -1648 gehen die qualvollen Jah re zu Ende - 1671: die Sunnegks werden Reichsgrafen - Rundblick über Saybusch, Teschen und B ie litz .............................. 162
86
Unsere Heimat: altschlesischesGebiet Hussiteneinfalle.............................. 91
Ungarn plündern Bielitz (1682) - Die Tür ken vor Wien geschlagen (1683) - Rückblick auf fünf Jahrhunderte............................ 211
343
Das 18. Jahrhundert Geht es Deutschland gut, geht es auch dem Grenzland gut - 1722: Österreichische Ver messung Schlesiens - Die Teschener Gna denkirche - Die sächsischen Kurfürsten werden Könige von Polen - Geschehnisse in Schlesien - Im Südosten: Der Friede von Karlowitz (1699) - Der Schwerpunkt des Habsburgerreiches verschiebt sich Deutschland und Rußland werden Groß mächte - Polens Macht versinkt - Die Sunnegks sterben aus (1724) - Biala erhält Stadt rechte......................................................... 224 Die Solms Herren in Bielitz (1728) - Die schlesischen Kriege - Schlesien wird erst mals geteilt (1742) - 1743: die von Haugwitz Herren von Bielitz - 1752: von Sulkowski wird Herr auf Bielitz für 193 Jahre - 1755: Graf von Brühl wird Herr in KunzendorfBiala - Der Friede von Hubertusburg (1763),
344
die Schlesier leben von jetzt an in zwei deut schen Staaten - Der preußisch-österreichi sche D u alism u s......................................... 240 Die schlesischen K rieg e.......................... 244 Die Jahre 1762 bis 1786, August-Kasimir von Sulkowski....................................................268 Bielitz in dieser Zeit - 1772: Das Bialaer Land kommt an Österreich - Die Bielitzer Tuchmacherei nimmt Aufschwung - Die „Kaiserstraßen” entstehen - 1782: Unser Land mit Mähren vereinigt - Die Sulkowskis in B ielitz............................................... 272 Was die Polen sa g en ................................ 294 Die Jahre 1786 bis 1792 - Alexander-Anton und Franz de Paula von Sulkowski. . . 296 Sechs Jahre Bielitzer G eschehen.........298 Schlußbemerkung.....................................303 Bildanhang..................................................304 Literaturübersicht.......................................332