Thomas Borbe / Peter Glanert
ELEKTRISCHE TRIEBWAGEN IN MITTELDEUTSCHLAND
Thomas Borbe / Peter Glanert
ELEKTRISCHE TRIEBWAGEN IN MITTELDEUTSCHLAND VON DEN ANFÄNGEN 1926 BIS ZUR DR-BAUREIHE 280 1980
Dipl.-Ing. Thomas Borbe (50): Studium des Maschinenbaus an der Technischen Universität Berlin. Neben einer selbstständigen Berufstätigkeit als Fachjournalist und -autor aktiv und an zahlreichen Veröffentlichungen auf dem Gebiet der Eisenbahngeschichte beteiligt. Seit 2013 bei einem großen Schienenfahrzeughersteller im Bereich Instandhaltung und Modernisierung von Triebfahrzeugen tätig.
Dipl.-Ing. Peter Glanert (68): ab 1964 beschäftigt bei der Deutschen Reichsbahn (DR); nach Ausbildung zum Triebfahrzeugführer Ellok Studium Automatisierungsanlagen an der Ing.-Schule für Elektrotechnik in Velten-Hohenschöpping. Ab 1975 Entwicklungsingenieur auf dem Fachgebiet Bahnenergieanlagen in der VES/M Halle/S. Ab 1980 dann zuständig für Entwicklung, Erprobung und technische Freigabe von Oberleitungsbauteilen bei der DR und anschließend bei der DB AG bis zum Übertritt in den Ruhestand im Jahre 2006. Seit 1970 tätig mit Publikationen über die Historie des elektrischen Zugbetriebs.
ISBN 978-3-8375-1159-8
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Konzept und Text: Thomas Borbe, Peter Glanert Grafische Gestaltung: Kaj Jenna Ritter Gesamtherstellung: Himmer AG, Augsburg
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Inhalt
Inhalt
Vorwort
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Start in der Rbd Magdeburg mit dem ET 82
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Zwischen Halle und Leipzig – Der ET 41 für den Nachbarortsverkehr
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Die Einheitstriebwagen und ihre Wegbereiter Der ET 41 gab die Entwicklungsrichtung vor Schwäbische Triebwagen in Mitteldeutschland Die Triebwagenentwicklung in der Rbd Breslau Der ET 25 als erster Einheitstriebwagen der DRG Die ersten mitteldeutschen ET 25 kommen aus Schlesien Das BW Leipzig West erhält weitere schlesische Triebwagen
34 34 35 38 42 48 50
„Holländer“ in Not Niederländische Triebwagen 1945 bis 1949 in Ostdeutschland Das Zeitalter der Stromlinienfahrzeuge Die Entwicklung der niederländischen Elektrotriebwagen Holländische Triebzüge als Kriegsbeute in der SBZ Die Rückführaktion der „Holländer“ und was davon übrig blieb
52 52 52 55 61 69
Neustart mit Hindernissen Der Wunsch nach elektrischen Triebwagen Vom Triebwagen zum Wendezugsteuerwagen Der ET 25 als Versuchsträger für den ET 27
70 70 78 80
Die Wiedergeburt der „Holländer“ – Der schwierige Weg des ET 25 201 Der Bau des ET 25 201 Die Verschrottung der übrigen „Holländer“
82 82 92
Die Baureihe 280 für den DDR-S-Bahnverkehr Voraussetzungen, Ausgangslage und Fahrzeugentwicklung Die Erprobung der Baumusterfahrzeuge Einsatz und Verbleib
94 94 106 112
Chronik der elektrischen Triebwagen in Mitteldeutschland Literatur- und Quellenverzeichnis Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen
120 125 125
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Hell, übersichtlich und komfortabel präsentierten sich im ES 41 die Großraumabteile der 3. Wagenklasse. Die Decke war mit weißem Stoff bespannt, und Opalglaslampen leuchteten die Abteile aus. Die Rückenlehnen der Sitzbänke ließen sich umklappen und ermöglichten den Fahrgästen, in Fahrtrichtung stets vorwärts zu sitzen (Hist. Slg. DB AG).
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Vorwort
Vorwort
Nachdem zuerst in Schlesien ab April 1914 und anschließend in Bayern ab Februar 1926 in den elektrifizierten 16 2/3-Hz/15-kV-Netzen elektrische Triebwagen zum Einsatz gekommen waren, zog das vom Streckenumfang her kleinste elektrifizierte mitteldeutsche Netz nach. Auf den hier zu diesem Zeitpunkt elektrifizierten Strecken Leipzig – Dessau – Magdeburg und Leipzig – Halle führten zwei Reichsbahndirektionen die Geschäfte: Halle und Magdeburg (ab 1931 Hannover). 1934 wurde der so genannte „Mitteldeutsche Ring“ mit Elektrifizierung der Strecke Halle – Magdeburg geschlossen, und Ende 1942 erreichte die Fahrleitung von Nürnberg aus über Saalfeld und Weißenfels den Leipziger Bahnknoten. Mit der Elektrifizierung dieser Strecke kam ab 1939 die RBD Erfurt als dritte „elektrische“ mitteldeutsche Direktion hinzu, die jedoch keinen E-Triebwagenbetrieb durchführte.
In den letzten Kriegsmonaten verschlug es wiederum schlesische Elektrotriebwagen in das mitteldeutsche Netz, die hier bis zu der von den Sowjets Ende März 1946 befohlenen Einstellung des elektrischen Zugbetriebs noch eine kurzzeitige neue Heimat fanden. Die Spurensuche nach den in die UdSSR deportierten Fahrzeuge war lange Zeit ergebnislos, aber in den letzten Jahren sind nachweislich wieder zwei der lange Zeit verschollenen Triebwagen aufgetaucht, die hier kurz vorgestellt werden.
Das gesamte bis 1946 in Mitteldeutschland elektrisch betriebene Streckennetz fiel in der Nachkriegszeit unter die Verantwortung zunächst der Deutschen Reichsbahn (Ost) und dann der DR. Die auf diesem Netz zwischen 1926 und 1980 eingesetzten elektrischen Triebwagen sollen nachfolgend einer näheren Betrachtung unterzogen werden. Dabei werden nicht nur deren Lebensläufe vorgestellt, sondern auch die Hintergründe für ihre Beschaffung, die Betriebsbewährung, der Verbleib und selbstverständlich auch deren Technik beleuchtet.
Den Abschluss der Betrachtungen bildet neben nicht verwirklichten DDR-Projekten der Triebzugbaureihen ET 26 und ET 27 die Baureihe 280. Trotz des geltenden Elektrifizierungsstopps ließ die DR zur Verbesserung des Nahverkehrs in den Bezirksstädten bei den LEW in Hennigsdorf einen leistungsfähigen Nahverkehrstriebzug entwickeln, von dem zwei Baumuster-Halbzüge seit Anfang 1974 erprobt werden konnten. Die als betriebstüchtig eingeschätzten Züge wurden aus den unterschiedlichsten Gründen, die hier erläutert werden, dennoch nicht in Serie gebaut. Ganz nebenbei erfährt der Leser, dass zu dieser Zeit in Rostock ein S-Bahn-Netz mit Gleichstrombetrieb nach Berliner Vorbild errichtet werden sollte.
Die in Leipzig beheimateten ET 41 beeinflussten maßgeblich die Entwicklung der Einheitstriebwagen der späteren Baureihen ET 11, ET 25, ET 31, ET 55 und ET 91. Dass die Betrachtungen sich auch über die Grenzen des mitteldeutschen Netzes bis nach Schlesien und in das Schwabenland nach Stuttgart ziehen, ist den Ereignissen der Zeitgeschichte geschuldet. So kamen einige der für das Stuttgarter Vorortnetz zu beschaffenden Triebzüge zur Abnahme und Erprobung nach Mitteldeutschland, weil in deren Einsatzgebiet der elektrische Zugbetrieb noch nicht aufgenommen worden war. Auch bayerische Triebwagen der späteren Baureihe ET 85 weilten zu Versuchs- und Vergleichsfahrten mit den ET 41 hier. Notwendige historische Bezüge zum elektrischen Bahnbetrieb in Schlesien werden angeschnitten, denn Ende 1936 fand ein Austausch zwischen schlesischen ET 25 und den ursprünglich für Mitteldeutschland vorgesehenen ET 31 statt.
Weitere Beschreibungen stellen die Triebwagen holländischer Herkunft vor, die nach dem 8. Mai 1945 auf dem Gebiet der SBZ bzw. der späteren DDR verblieben waren. Darüber hinaus werden die Einzelgänger ET 25 012 und ET 25 201 ausführlich besprochen und die Hintergründe für deren Beschaffung geschildert.
Die Autoren danken Ulrike Gierens von der Historischen Sammlung der DB AG sowie Helmut Constabel, Bengt Dahlberg, Gunter Dietrich, Peter Garbe, Wolfgang Heitkemper, Ulrich Hübner, Helmut Klauss, Hans-Joachim Lange, Karlheinz Leyer, Helmut Linke, Ralph Lüderitz, Andy Melms, Hans Müller, Wolfgang Müller, Holger Neumann, Heinz Ramann, Wolfgang-D. Richter, Thomas Scherrans, Nico Spilt, Wolfgang Theurich, Christian Tietze, Gerard van de Weerd, Dieter Wünschmann und Bernd Zöllner für die Unterstützung bei Recherchen und die Überlassung von Bildmaterial. Thomas Borbe / Peter Glanert
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Start in der Rbd Magdeburg mit dem ET 82 Dass ausgerechnet die Rbd Magdeburg die Beschaffung von zwei Triebwagen favorisierte, wirft Fragen auf. Wann wurden diese bestellt, und wo sollten diese auf dem seinerzeit nur rund 30 Kilometer langen elektrifizierten Streckenanteil dieser Direktion verkehren? Ab 1923 liefen ja die Vorbereitungen zur Elektrifizierung der Strecke Halle – Magdeburg, die wegen der herrschenden Finanznot 1924 wieder abgebrochen werden mussten. Der Hintergrund zur Beschaffung dieser Triebwagen ist im Zusammenhang mit der angedachten Streckenelektrifizierung zu finden, die von Schönebeck aus einen 3 km langen elektrifizierten Abschnitt nach Groß Salze-Elmen erhalten sollte. Es bestand die Absicht den dortigen Kurort von Magdeburg aus mit Kurzpersonenzügen günstig anzuschließen - und dazu erschien der elektrische Triebwagen das geeignetste Verkehrsmittel zu sein. Daraus ist abzuleiten, dass diese Idee bis in das Jahr 1923/24 zurückreichen könnte, also zu dem Zeitpunkt, als Magdeburg von Dessau aus über Gommern am 26. Juni 1923 Anschluss an das elektrifizierte Netz erhielt. Anfang 1924 hatte die Rbd Magdeburg allerdings noch ganz andere Probleme zu lösen, sie musste sich nämlich um die Zuweisung einiger Elloks aus der Rbd Halle kümmern. Doch die bis dahin als einzige einen elektrischen Betrieb durchführende Direktion war nicht bereit, sich von einigen, der ohnehin zu wenigen Exemplare trennen zu wollen und gedachte auch weiterhin die elektrisch bespannten Leistungen bis Magdeburg allein durchzuführen. Der Streit der beiden Direktionen wurde bis in die Hauptverwaltung der DRG (HV DRG) in Berlin hineingetragen. So erhielt die Rbd Magdeburg erst im Februar 1924 eine einzige Ellok der Gattung EG 511 ff. von der Rbd Halle, der im Juni zwei weitere folgten. Im Dezember 1924 war die Rbd Halle bereit, weitere vier Elloks zu überweisen. Nun konnte sie auf die leistungsschwachen Elloks der Gattung EG 511 ff. langsam verzichten, denn bis zum Jahresende waren hier die EG 701, 702, 704 und 710 (spätere E 77 51, 52, 54 und 60) eingetroffen. Die Bestellung der beiden Triebwagen muss etwa 1924 erfolgt sein, möglicherweise sogar noch vor der am 1. Mai stattgefundenen Einstellung der Planungsarbeiten, denn mit dem Wegfall der Elektrifizierung nach Groß Salze-Elmen wäre auch der Grund für ihre Beschaffung entfallen. Vom 11.7.1924 existiert ein WASSEG-Zeichnungsentwurf (Liefergemeinschaft AEG-SSW), des Wechselstrom-Triebwagens Magdeburg–Rothensee, der das Fahrzeug mit vollkommen anderer Aufteilung zeigt als es dann ausgeführt wurde. Da die Zeichnung vom E-Teillieferanten gefertigt wurde, ging es hierbei möglicherweise um die Unterbringung elektrischer Bauteile im Fahrzeugteil. Interessant hierbei sind die mit 1100 mm einheitlichen Raddurchmesser im Drehgestell. Der Drehzapfen des Triebdrehgestells ist asymmetrisch, der des Laufdrehgestells symmetrisch angeordnet. Der Wagenkasten mit Mitteleinstieg beherbergt im dortigen Einstiegraum die
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Hochspannungskammer, in die von oben der im Dach montierte neue Einheits-Ölhauptschalter hineinragt. Am auffälligsten erscheint jedoch die auf der linken Seite angeordnete Führerstandskabine. Eine weitere Zeichnung vom 2.3.1925, die den Triebwagen nahezu in der realisierten Ausführung zeigt, stammt von der Linke-Hofmann-Lauchhammer AG (LHL) aus Breslau. Diese zeigt beim Wagenkasten Gemeinsamkeiten mit den zur gleichen Zeit für das schlesische Netz entwickelten Triebwagen der späteren Baureihe ET 89, die im mechanischen Teil von Linke-Hofmann und der Wumag, Görlitz gefertigt und von den SSW elektrisch ausgerüstet wurden. Ob Linke-Hofmann dann tatsächlich für die Magdeburger Triebwagen die weitere Entwicklung fortgesetzt hat, entzieht sich unserer Kenntnis. Möglich wäre jedoch, dass der in der Dessauer Waggonfabrik vollzogene Bau des Fahrzeugteils nach Konstruktionsunterlagen der LHL durchgeführt wurde. Die beiden Triebwagen nahm die Rbd Magdeburg am 3. Oktober 1926 in Betrieb. Da die Strecke nach Groß Salze-Elmen – wie ursprünglich vorgesehen – keine Fahrleitung erhalten hatte, musste man sich um ein neues Einsatzgebiet kümmern. Dieses fand man in der Verwendung als Personalzug, der zwischen Magdeburg Hbf und Rothensee verkehrte. Da die beiden Triebwagen hiermit nicht ausgelastet waren, fuhren sie auch Personenzugleistungen zwischen Magdeburg Hbf und Biederitz bzw. Gommern. Erst nach der 1934 abgeschlossenen Elektrifizierung zwischen Magdeburg und Halle erreichten die Triebwagen auch ihr ursprünglich vorgesehenes Fahrtziel des jetzt Bad Salze-Elmen genannten Kurortes. Die mit einer Länge über Puffer 21.900 mm messenden Triebwagen besaßen einen Drehzapfenabstand von 14.200 mm. Der Achsstand der beiden gleichartig ausgeführten Drehgestelle betrug 2.650 mm, wobei sich der Drehzapfen wegen der Unterbringung des Fahrmotors (in dem einen Drehgestell) asymmetrisch 1.150 mm entfernt vom Laufradsatz befand. Die Raddurchmesser der außen liegenden Laufradsätze betrugen 1.000 mm, die des inneren Treib- bzw. Laufradsatzes 1.200 mm. Auf Grund des großen Treibraddurchmessers musste der Fußboden 1.375 mm über SO angeordnet werden, was einen dreistufigen Einstieg erforderte. Der Ganzstahlwagenkasten mit einem Tonnendach und der aus kräftigen Stahlprofilen bestehende Fahrzeugrahmen waren miteinander vernietet, wobei der zu den Fahrzeugenden hin konisch verlaufende Grundriss für diese Triebwagen charakteristisch war. Über beiden Drehgestellen befanden sich auf jeder Fahrzeugseite zwei bündig mit der Seitenwand abschließende Drehtüren, von denen die inneren in den Einstiegraum, die äußeren in ein von diesem abgetrenntes Dienstabteil führten. Von den Einstiegräumen gelangte man, ebenfalls durch Trennwände mit Schiebetüren abgeteilt, in die Fahrgasträume der
Start in der Rbd Magdeburg mit dem ET 82
Übersichtskarte der Ende 1923 in Mitteldeutschland elektrifizierten Strecken (Slg. P. Glanert)
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ursprünglich noch 3. und 4. Klasse. Nach Wegfall der 4. Wagenklasse wurde im Jahre 1929 der ehemalige 4.-KlasseGroßraum nochmals unterteilt, und man richtete nahezu in Wagenmitte ein 2.-Klasse-Abteil mit zehn Sitzplätzen ein1. In den Diensträumen befanden sich in einer halbseitig abgeteilten Kabine die Führerstände.
Die Triebwagen waren mit einer Kkpt-Druckluftbremse ausgerüstet. Jeder Radsatz wurde beidseitig abgebremst, jedem Drehgestell war ein gesonderter, am Fahrzeugrahmen befestigter Bremszylinder zugeordnet. Den inneren Radsatz des vorderen Drehgestells trieb ein kompensierter sechspoliger Reihenschlussmotor des Typs WBM
Die WASSEG-Zeichnung SA 5594 vom 11. Juli 1924 zeigt die ersten Überlegungen zur Ausführung der Triebwagen. (Slg. W.-D. Richter)
Der am 2. März 1925 bei den Linke-Hofmann-Werken entstandene Entwurf mit der Zeichnungsnummer Te.129/17637 zeigt beim Vergleich mit der Zeichnung auf Seite 9 zahlreiche Gemeinsamkeiten im Grundriss mit den schlesischen Triebwagen der späteren Baureihe ET 89. (Slg. Th. Scherrans)
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Start in der Rbd Magdeburg mit dem ET 82
Musterblattzeichnung des ET 89. Die in der Draufsicht ganz unten mit 21900 mm angegebene Wagenkastenlänge ist falsch und bezieht sich auf die Länge über Puffer. (Slg. P. Glanert)
Werkfoto des fabrikneuen ET 501 Magdeburg, dahinter steht der ET 502 Magdeburg. (Dessauer Waggonfabrik; Slg. P. Glanert)
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Rechte Wagenseite der ET 501 und 502 Mag in der Ursprungsausführung mit 3. Klasse (links) und 4. Klasse (rechts). In Wagenmitte gegenüber dem Abort der für die Durchführung des Hochspannungskabels dienende Schacht. (Slg. P. Glanert)
Die Musterblattzeichnung zeigt die linke Wagenseite und gibt den Zustand nach dem Umbau auf die 2. und 3. Wagenklasse wieder. Die rechts oben eingetragene Zeichnungsnummer und der Verweis zur Firma Linke-Hofmann stimmen mit den Angaben auf dem auf Seite 8, unten gezeigten Zeichnungsentwurf überein. (Slg. P. Glanert)
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Start in der Rbd Magdeburg mit dem ET 82
304 mit einer Stundenleistung von 244 kW bei 61 km/h an. Wie dem nebenstehenden Schriftstückauszug der Rbd Magdeburg zu entnehmen ist, müssen die beiden Fahrmotoren ursprünglich zur Verwendung in anderen Triebfahrzeugen, möglicherweise für die stornierten Elloks der späteren Baureihe E 927, vorgesehen gewesen sein2. Zur endgültigen Abstellung dieses Mangels wurde 1929 die Ankerwellenlagerung von Gleit- auf Rollenlager umgebaut. Der Fahrmotor besaß Fremdkühlung, wobei ein auf dem hinteren Querträger des Triebdrehgestells montiertes Lüfteraggregat die Kühlluft vom Dach aus durch einen Kanal ansaugte und von der Zahnradseite aus durch das Motorgehäuse drückte. Ein einseitiges, ungefedertes Zahnradgetriebe mit einem Übersetzungsverhältnis 22 : 71 übertrug das Motordrehmoment über einen Tatzlagerantrieb auf den Treibradsatz, womit sich die Radsatzfolge (1A) 2’ ergab. Mit zwei angehängten Beiwagen sollte der Triebwagen eine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h erreichen. Eine Dachleitung mit zwischengeschalteten Dachtrennschaltern verband die beiden Scherenstromabnehmer, die sich über den Drehgestellmitten befanden. Vom etwa in Wagenmitte angeordneten Hochspannungsdurchführungsisolator gelangte die Hochspannung über ein Kabel zum Hauptschalter. Die elektrische Hauptausrüstung befand sich unter dem Wagenfußboden. Der ölgekühlte Hauptumspanner besaß
An DRG Hauptverwaltung 11. Sept. 1928
Fktwr/3031/4 Betr.: Umbau der Triebwagenmotoren Magdeburg-Rothensee auf Rollenlager. Nach Mitteilung der Reichsbahndirektion Dresden wurde der Fahrmotor vom Triebwagen 501 Magdeburg infolge stark heißlaufenden Ankerlagers so schwer beschädigt, dass die Rotorschenkel von 130 auf 127 mm nachgedreht und Stator wie Rotor neu gewickelt werden müssen. Neben bereits früher aufgetretenen Mängeln, die auf die veraltete Bauart der seinerzeit der Reichsbahn als Gelegenheitskauf angebotenen Motoren zurückzuführen sind, ist es bereits der zweite Fall, dass durch die Unzulänglichkeit der Motorlager derart schwere Beschädigungen aufgetreten sind.
Die SSW-Zeichnung 25AB6a 52720 vom 2.7.1926 zeigt die Dachausrüstung der Triebwagen. Die anfangs aufgebauten Stromabnehmer der Bauart SBS 9 wurden bald gegen die Bauart SBS 10 ausgetauscht. (SSW; Slg. W.-D. Richter)
sechs Anzapfungen für die Fahrmotorsteuerung sowie drei bei 600, 800 und 1.000 Volt für die Heizung des Triebwagens und der Beiwagen. Das waren zwei beachtenswerte Neuerungen, wurde doch bisher immer ein Teil des Fahrgastraums zur Unterbringung des Hauptschalters, Haupt-
umspanners und der Stufenschütze beansprucht. Auch die erst Ende der 1920er Jahre eingeführte Einheitszugheizung mit den drei Spannungsstufen 600, 800 und 1.000 Volt war 1926 längst noch nicht der allgemein angewendete technische Stand. In Baden und Schlesien herrschten, falls
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überhaupt schon vorhanden, größtenteils Heizspannungen um 300 Volt vor, in Mitteldeutschland besaßen die Elloks, auch nicht die neu beschafften der Gattungen ES 51 bis 57 (später E 06 01 bis 07) und EG 701 bis 725 (später E 77 51 bis 75), noch keine Einrichtungen zur elektrischen Zugheizung und verkehrten in der Heizperiode mit Heizkesselwagen. Die sieben elektromagnetischen Fahrstufenschützen schalteten immer zwei benachbarte Trafoanzapfungen gleichzeitig ein und speisten über zwei Sammelschienen die Endpunkte einer Schaltdrossel, an deren Mittelpunkt der Fahrmotor an-
geschlossen war. Die Schaltung ist somit die einfachste Ausführung einer Schützensteuerung und ermöglichte die Vielfachsteuerung beider Triebwagen von einem Führerstand. Die Glühlampenbeleuchtung speiste ein 1,25-kW-Asynchronumformer mit parallelgeschalteter Batterie mit 24 V. Unter den Nummern ET 501 und 502 Magdeburg wurden die Fahrzeuge in den Bestand eingereiht. 1931 änderten sich diese infolge der neuen Direktionszuständigkeit in ET 551 und 552 Hannover. Schließlich erhielten sie 1932 nach Einführung des neuen Nummernsystems die Betriebsnum-
¯ Der elT 1031 Hannover zum Beginn der 1930er Jahre, vermutlich im Bereich des Bw Rothensee aufgenommen. Das Zuglaufschild zeigt die Zielbahnhöfe Magdeburg und Biederitz. (H. Maey; Slg. H. Linke) Hier die linke Wa genseite des elT 1031 Hannover. Auf dem Zuglaufschild sind „Personalzug“ und „Gommern“ zu lesen. (H. Maey; Slg. W.-D. Richter)
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mern elT 1031 und 1032 Hannover, denen dann 1940 in einer erneuten Umnummerungsaktion die heute noch allgemein bekannten Betriebsnummern ET 82 01 und 02 folgten. Bereits ein Jahr vor der Ablieferung der beiden Triebwagen beschäftigte man sich mit der Frage, wie diese mit eigener Kraft in den Ringlokschuppen 1 des zukünftigen HeimatBw Rothensee fahren könnten. Die Fahrleitung war hier von der Drehscheibenspinne aus vor den Schuppentoren abgespannt, da es deren zu geringe lichte Höhe nicht ermöglichte, sie bis in den Schuppen hinein verlegen zu können. Somit
entstand auf den Zeichenbrettern bei den SSW eine geradezu abenteuerlich anmutende Konstruktion, die ihr Vorbild bei den Schwedischen Staatsbahnen hatte. Ein auf einem kurzen Wägelchen montiertes Kantholzgestell trug einen manuell an den Fahrdraht anlegbaren Schleifbügel. Mit diesem war über eine kurze isolierte Leitung ein Stromzuführungsbügel verbunden, der sich beim Heranschieben des Stromabnehmerwagens auf den Oberscheren-Querholm des niedergelegten Triebwagenstromabnehmers legte. Nach Kupplung beider Fahrzeuge konnte der Triebwagen mit eigener Kraft bis in den
Stromabnehmerwagen, gekuppelt mit einer Ellok der Reihe D in einem schwedischen Bw. Ein bauartgleiches Fahrzeug wurde u. a. im Bw Borås verwendet. (Slg. W.-D. Richter)
SSW-Zeichnungsentwurf 5AB6a 52584 vom 4.6.1925 des ± Stromabnehmerwagens. In der Seitenansicht sind die Konturen vom „Wechselstrom-Triebwagen R.B.D. Magdeburg“ und der Ellokgattung EG 511 ff. eingezeichnet. (SSW; Slg. W.-D. Richter)
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Schuppen hineinfahren – und der Bügel des Stromabnehmerwagens blieb draußen am Fahrdraht. Das sollte ebenso auch bei der Ausfahrt aus dem Schuppen heraus funktionieren. Ob der am 4. Juni 1925 erstellte Zeichnungsentwurf für die beiden Triebwagen jemals umgesetzt wurde ist unbekannt und erscheint zweifelhaft. Der Betrieb mit diesem Gefährt hätte eine Schaltungsänderung zwischen der Stromabnehmer- und Hauptschalterabhängigkeit erfordert. Im Regelfall können die Stromabnehmer erst abgesenkt werden wenn der Hauptschalter ausgeschaltet ist bzw. bewirkt das Senken der Stromabnehmer die vorherige Zwangsausschaltung des
1927 Zug-Nr.
T 1400
T 1402
Magdeburg Hbf
w 11.35
w 15.20
Biederitz
w 12.08
w 15.35
Zug-Nr.
T 1063
T 1401
T 1403
Gommern
w 07.28
Biederitz
w 12.08
w 12.22
w 18.34
Magdeburg Hbf
w 07.43
w 12.38
w 18.50
1160
1162
1164
2.3. oG
2.3. oG
2.3. oG
Magdeburg Hbf
w 11.57
w 15.33
So 18.32
Biederitz
w 12.07
w 15.43
So 18.42
Gommern
1938 Zug-Nr.
Gommern
Zug-Nr.
1338
1315
1161
1163
1165
2.3. oG
2.3. oG
2.3. oG
2.3. oG
2.3. oG
Magdeburg Hbf
w 06.12
w 07.14
Biederitz
w 06.27
w 07.28
w 12.28
w 16.13
So 18.50
Gommern
w 06.38
w 07.39
w 12.38
w 16.23
So 19.00
Hauptschalters. Eine selbstständige Fahrt des Triebwagens in Verbindung mit dem Stromabnehmerwagen hätte jedoch einen eingeschalteten Hauptschalter erfordert. Über eine derartige Schaltungsänderung ist bisher nie berichtet worden. Aber wie das Foto beweist, hat es ein derartiges Gefährt bei den SJ tatsächlich gegeben.
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Die beiden Triebwagen bewährten sich bei geringen Wartungs- und Instandhaltungskosten gut. Lediglich ihre bescheidene Anfahrbeschleunigung wurde bemängelt. Ihrem eigentlichen Verwendungszweck, nämlich dem Einsatz als wirtschaftlichen Kleinstzug über geringe Entfernungen, konnten sie voll und ganz entsprechen. Nachfolgend zwei Auszüge der Laufwege und Fahrplanzeiten aus den Jahren 1927 und 1938. Bei beiden Fahrplänen ist die Unpaarigkeit nach Gommern auffällig. Der ET verkehrte sicher als Lz-Fahrt nach Gommern. Zur Vergrößerung des Platzangebots beschaffte die Rbd Magdeburg drei Beiwagen, über die bisher viel gerätselt wird. Nach der aktuellen Recherche ergibt sich folgender Kenntnisstand: Ein 1915 als Steuerwagen VS 102a Han beschaffter Wagen der Gattung Citr Pr 15 konnte während der Kriegszeit nicht seinem Bestimmungszweck zugeführt werden. Deshalb erfolgte 1920 sein Umbau zum Ersatzmittelwagen eaT 0575 Mag für den in der Bw Güsten beheimateten Edison-Speichertriebzug eaT 575/0575/576. Nach Ausmusterung des Triebzugs wurde der Mittelwagen wieder frei und 1926 zum Beiwagen 5001 Mag umgebaut. Der bauartgleiche VS 103a Han besaß im Gegensatz zum VS 102a außer dem Gepäck- bzw. Traglastenraum im Großraum eine 2.-Klassebestuhlung und damit die Gattungsbezeichnung Bitr Pr 15. Auch er wurde nicht seinem angedachten Verwendungszweck gerecht und als Personenwagen 49011 Mag verwendet, bis er 1926 als Beiwagen 5002 Mag umgebaut wurde. Beide Wagen verfügten über durchgehende Zugstangen und wurden für ihren Einsatz im E-Triebwagenbetrieb mit elektrischer Beleuchtung und Zugheizung nachgerüstet. Ein dritter Beiwagen sollte als Verstärkungswagen dienen. Dieser wurde 1915 als Steuerwagen VS 17a für den benzol-elektrischen Triebwagen VT 17 beschafft und erhielt 1926 analog der zuvor beschriebenen Umbauten die Betriebsnummer 5003 Mag. Er war mit Abteilen der 3. und 4. Wagenklasse ausgestattet, besaß jedoch keine durchgehende Zugstange und konnte deshalb nur am Zugschluss eingestellt werden. Mit Schreiben 25 Tm 14. Fktw 7 vom 20.7.19293 wandte sich deshalb die Rbd Magdeburg an die Hauptverwaltung der DRG und bat unter dem Betreff: Beiwagen für Wechselstromtriebwagen um Beseitigung dieses Missstandes. Sie führte aus, dass der Beiwagen 5003 „… seit einiger Zeit auch im öffentlichen Verkehr gebraucht (wird), wobei das Fehlen der durchgehenden Zugvorrichtung zu Schwierigkeiten führt. Dies ist hauptsächlich der Fall, wenn anstelle der Wechselstromtriebwagen elektrische Lokomotiven eingesetzt werden müssen. Hierbei werden im Winter mindestens 3 elektrisch geheizte Wagen gebraucht, die wir einschl. des Wagens 5003 auch nur haben. Der letztere muss stets am Schluß des Zuges laufen, wodurch auf der Zugbildungsund Wendestation zeitraubende und den übrigen Verkehr störende Rangierarbeiten nötig sind.“ Weiterhin wurde darauf verwiesen, dass „… beim Einsetzen elektrischer Lokomotiven anstelle der Triebwagen in
Start in der Rbd Magdeburg mit dem ET 82
Übersichtszeichnung des Steuerwagens VS 17a vor und nach seinem Umbau zum Beiwagen 5003 (Slg. H. Klauss)
dem Wagenzuge auch ein Abteil 2. Klasse geführt werden (muss). Da die 3 vorhandenen Wagen mit elektrischer Heizung nur die 3. Klasse führen, soll das kleinere Abteil des Wagens 5003 als 2. Klasse Abteil hergerichtet werden.“ Zum Schluss wird ausgeführt: „Da wir den Beiwagen 5003 in der jetzigen Beschaffenheit im öffentlichen Verkehr nicht weiterverwenden können, mussten wir uns schon 1 Ci-Wagen von der Reichsbahndirektion Halle leihen.“ Damit sind wir gedanklich auch schon bei den Einheitspersonenwagen der Gattung Ci, der ehemaligen Gattung Di, angelangt. Nach dem Abgang der beiden Beiwagen 5001 und 5002 Mag hatte sich die Rbd Magdeburg im Februar 1928 beim RZA in Berlin um die Zuteilung zweier derartiger Wagen bemüht. Die AEG bestätigte am 25.9.1928 den Auftragseingang zur Lieferung der elektrischen Ausrüstung für zwei 4.-Klasse-Beiwagen für die Wechselstromtriebwagen Magdeburg–Rothensee. Hieraus ist ersichtlich, dass die beiden Beiwagen der Einheitsbauart erst ab 1928/29 zur Verfügung standen und nicht schon ab Indienststellung der Triebwagen im Jahr 1926. Beide Wagen erhielten wahrscheinlich die nun wieder freigewordenen Nummern 5001 und 5002 Mag in Zweitbesetzung, ab 1931 dann 5001 und 5002 Han und nachweislich ab 1932 el 2991 und 2992 Han. Die Umnummerung in EB 82 01 und 02 erlebten 1940 nur noch die beiden Beiwagen der Einheitsbauart.
Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang der 1920 beschlossene versuchsweise Umbau des VT 18 (bauartgleich mit dem VT 17) in einen elektrischen Triebwagen mit hydraulischer Kraftübertragung. Hintergrund für dieses Vorhaben war die Absicht der Preußischen Staatsbahn, die während des Ersten Weltkrieges wegen Treibstoffmangels abgestellten Triebwagen nicht wieder in Betrieb zu nehmen. Um trotzdem noch eine Verwendung zu ermöglichen, beschäftigte sich G. Wittfeld mit alternativen Antriebslösungen für diese Fahrzeuge. Für den Bahnbetrieb sollte der im elektrischen Aufbau äußerst einfache Einphasen-Induktionsmotor auf seine Eignung erprobt werden. Da dieser unter Belastung nicht selbstständig anlaufen kann, wurde zwischen Motor und Treibradsatz ein Lentz-Flüssigkeitsgetriebe geschaltet. Dieses ermöglichte, den mit konstanter, hoher Drehzahl laufenden Motor allmählich zu belasten. Den Umbau des VT 18 nahm die AEG vor. Über einen Versuchsbetrieb dürfte das Fahrzeug auf Grund seines schlechten Wirkungsgrades jedoch nicht hinausgekommen sein. Auf welchem Streckennetz die Erprobung stattfand ist ebenso unbekannt wie der Verbleib dieses eigentümlichen Triebwagens. Doch zurück zu den beiden ET 82. Gemäß einer Lokzählung der RBD Hannover vom 20. Juni 1945 stand der ET 82 01 im BW Magdeburg-Rothensee und der ET 82 02 im Bahnhof Zeddenick (Strecke Biederitz – Loburg). Beide Fahrzeuge
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Die beiden Beiwagen der Einheitsbauart mit offenen Bühnen wurden 1926 mit der 4. Wagenklasse in Dienst gestellt. Nach ihrer Umrüstung als Beiwagen für den E-Triebwagenbetrieb führten sie die 3. Wagenklasse. Die Musterblattzeichnung aus den 1930er Jahren zeigt den Zustand nach dem erfolgten Umbau mit den Nummern 2991 und 2992 Hannover. (Slg. P. Glanert)
wiesen nur leichte Schäden auf. Bei einer weiteren Lokzählung der seit dem 1. August 1945 wieder geschäftsführenden Rbd Magdeburg vom 16. November 1945 waren ET 82 01 und 02 nach wie vor beim Bw Magdeburg-Rothensee registriert4. Ob die Triebwagen zu diesem Zeitpunkt wieder im Einsatz standen ist nicht bekannt, erscheint aber auf Grund ihrer Beschädigungen als wenig wahrscheinlich. Ein Foto mit unbekanntem Aufnahmedatum zeigt beide Triebwagen in einer zum Abtransport in die UdSSR bestimmten Fahrzeugzusammenstellung im Sommer 1946 auf dem Bf Mosigkau bei Dessau. Beide Triebwagen waren somit zumindest lauffähig.
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Nach dem Bericht über die Arbeit der Deutschen Reichsbahn in der sowjetischen Besatzungszone im Monat August 1946 „… sind außer den elektrischen Lokomotiven auch elektrische Triebwagen für Oberleitung nebst Beiwagen zur Ablieferung abgestellt worden“. Hierzu dürften auch die beiden ET 82 zählen. „Die im RAW Dessau lauffähig hergerichteten elektrischen Trieb-, Steuer- und Beiwagen für Oberleitung ... sind vor kurzem zum größten Teil abbefördert worden“, heißt es weiter im entsprechenden Dezemberbericht5. Damit kann der Abtransport der beiden ET 82 in die UdSSR als sehr wahrscheinlich gelten.
Start in der Rbd Magdeburg mit dem ET 82
Dem von der AEG versuchsweise zu einem Elektrotriebwagen umgebauten ehemaligen benzol-elektrischen Triebwagen VT 18 war kein Erfolg beschieden. (AEG-Werkfoto, Slg. U. Hübner)
Ansicht eines von der RBD Magdeburg in das RAW Dessau überwiesenen Lokzugs bei einem Zwischenaufenthalt im Bf Mosigkau auf der Strecke Köthen – Dessau (Slg. H. Berger).
Ende einer Karriere am Rande des elektrischen Zugbetriebs in Mitteldeutschland: In einem Lokzug aus Magdeburg mit fünf Loks der Baureihe E 77 und einer E 503 standen beide ET 82 im Frühjahr 1946 auf dem Bf Mosigkau während der Zuführung in das RAW Dessau, wo die E-Triebfahrzeuge für den Abtransport in die UdSSR „marschfertig“ gemacht werden mussten. An dem ET ist der rot-cremefarbige Anstrich erkennbar. (Slg. H. Berger)
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Zwischen Halle und Leipzig – Der ET 41 für den Nachbarortsverkehr Für den zwischen Halle (S.) Hbf und Leipzig Hbf vorgesehenen „Nachbarortsverkehr“ bestellte die Rbd Halle sechs Schnelltriebwagen und nahm diese ein gutes Jahr nach der Indienststellung der beiden Magdeburger ET 501 und 502
(später ET 82) in Betrieb. Hersteller waren die Firmen Wegmann & Co. und die SSW. Die Anlieferung des ersten Triebwagens erfolgte Ende Dezember 1927, dem die restlichen fünf bis Ende Januar/Anfang Februar 1928 folgten.
Der ET 501 Halle im Anlieferungszu stand im Dezember 1927 im Bw Leipzig West (Histor. Slg. DB AG)
Maßzeichnung der Triebwagen (Slg. P. ± Glanert)
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Zwischen Halle und Leipzig - Der ET 41 für den Nachbarortsverkehr
Zur Absolvierung des ursprünglich vorgesehenen Betriebsprogrammes mit der Zusammenstellung ET + EB + EB + ET wurde zu jedem Triebwagen ein Beiwagen beschafft. Das waren zweiachsige Plattformwagen der Bauart Cid-26, die mit Luft- und Steuerleitungen sowie elektrischer Heizung ausgerüstet wurden. Die Bestellung der drei Steuerwagen erfolgte erst nachträglich, als sich die Triebwagen schon in
der Fertigung befanden. Sie sollten im Personenzugdienst Fahrten mit nur einem Triebwagen in der Zusammenstellung ET + EB + ES ermöglichen und damit das Umsetzen des Triebwagens an den Zielbahnhöfen vermeiden. Sowohl die Bei-, als auch die Steuerwagen wurden im August 1928 während des bestehenden Sommerfahrplanes in Dienst gestellt.
Die Musterblattzeichnung der Bei wagen el 2981 bis 2986 Halle zeigt den Zustand nach der Umrüstung von 3./4. Klasse auf die 3. Klasse. (Slg. P. Glanert)
Musterblattzeichnung der Steuerwagen ± im Zustand nach dem Umbau auf reine 3. Klasse. Die Zeichnung führt nur die nach dem Unfall vom August 1934 zwei vorhandenen Wagen elS 2061 und 2062 Halle auf und liefert damit einen Anhaltspunkt, dass der Ausbau der 2. Klasse zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen war. Einzelheiten zum Umbau siehe Text auf der nächsten Seite (Slg. P. Glanert)
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Ansicht des Steuerwagens elS 2062, aufgenommen nach der blaugrauen Neulackierung des gesamten Wagenkastens. (Histor. Slg. DB AG)
Sowohl die Trieb- und Steuerwagen, als auch die zweiachsigen Beiwagen(!) besaßen unterhalb der Fensterbrüstungsbänder den seit 1926 durch die HV der DRG festgelegten blaugrauen Ellokanstrich (Farb-Stoffnummer 562.01.18, entspricht RAL 7031)6,7. Zur Attraktivitätssteigerung erhielten die Flächen oberhalb der Fensterbrüstungsbänder bis zur Dachkante einen hell-feldgrauen Farbton. Die Fensterbrüstungsbänder selbst, die Übergänge zur Dachkante sowie die Fahrzeugrahmen und die Laufwerke waren schwarz lackiert. Der hellgraue Anstrich verschmutzte sehr schnell, sodass bereits ab dem 2. Halbjahr 1931 die Wagenkästen bei fälligen Neulackierungen einheitlich blaugrau lackiert wurden. Eine nochmalige Änderung des Anstrichs erfuhren die Triebund Steuerwagen ab Mitte der 1930er Jahre; sie erhielten den nun üblichen elfenbein-roten Triebwagenanstrich. Somit waren durchaus Zugbildungen zu beobachten, die unterschiedliche Anstrichausführungen und nach 1932 ggf. auch noch unterschiedliche Betriebsnummern trugen (ET/ES … bzw. elT/elS …). Die äußere Gestaltung der in ihrem grundsätzlichen Aufbau identischen Trieb- und Steuerwagen ähnelte sehr den damaligen Eilzugwagen. Die als Ganzstahlkonstruktion mit einem Tonnendach ausgeführten Wagenkästen besaßen auf jeder Seite zwei über den Drehgestellen befindliche Einstiege mit Doppelschlagtüren. Zwischen den Einstiegräumen befanden sich drei Großraumabteile. Davon führte eins die 2. Wagenklasse, die anderen beiden die 3. Klasse. An beiden Enden des Triebwagens und an einem Ende des Steuerwagens befand sich vom Einstiegraum aus zugänglich rechtsseitig der Führerstand. Der links gelegene Raum diente als Dienst- und Aufenthaltsraum für den Zugbegleiter und besaß eine Stirnwandtür mit Übergangsmöglichkeit für
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das Zugpersonal zum nächsten Wagen. Am anderen Ende des Steuerwagens befand sich ein Traglastenabteil mit Klappsitzen. Trieb- und Steuerwagen besaßen eine Länge über Puffer von 22.900 mm und 21.600 mm lange Wagenkästen. Der Achsstand der nahezu gleichartig ausgeführten Drehgestelle betrug 3.200 mm. Der einzige Unterschied bestand in der asymmetrischen Anordnung des Drehzapfens bei den Triebdrehgestellen mit 1.440/1.760 mm wegen der Unterbringung des Fahrmotors. Die Drehgestelle des Steuerwagens besaßen symmetrisch angeordnete Drehzapfen, womit sich für den ET ein Drehzapfenabstand von 16.000 mm, für den ES von 15.500 mm ergab. Sämtliche Radsätze besaßen einen einheitlichen Durchmesser von 1.000 mm. Die beim ET in Richtung Wagenmitte weisenden Radsätze waren die Treibradsätze, sodass sich die Radsatzfolge (1A)(A1) ergab. Die anfangs nur eigenbelüfteten Fahrmotoren übertrugen das Drehmoment über einen Tatzlagerantrieb auf den zugehörigen Radsatz. Weil die Fahrmotorleistung für das zu absolvierende Betriebsprogramm zu gering war, fand ab 1930 die Nachrüstung einer konstruktiv bereits vorbereiteten Fremdbelüftung statt. Damit konnte die Dauerleistung pro Fahrmotor von 140 kW auf 184 kW bei 100 km/h zulässiger Höchstgeschwindigkeit gesteigert werden. Die Fahrleitungsspannung gelangte über zwei Scherenstromabnehmer der Bauart SBS 9 und eine diese verbindende Dachleitung mit darin angeordneten handbedienten Trennschaltern zum Dachdurchführungsisolator. Von dort aus führte ein Hochspannungskabel zum Öl-Hauptschalter. Dieser war mit seinem Deckel im Wagenfußboden aufgehängt. Sein
Zwischen Halle und Leipzig - Der ET 41 für den Nachbarortsverkehr
Blick in den Führerstand auf die seitliche Trennwand zum Dienstabteil. Hier sind oben Klappsicherungen und Schuppenspannungsumschalter, darunter querliegend der Zugheizschalter und ganz unten die Kleinselbstschalter für Steuerungs- und Beleuchtungsstromkreise untergebracht. Hinter der Fahrschalterkurbel befindet sich das Führerbügelventil. (SSW; Slg. W.-D. Richter)
Vorn in der Mitte der Fahrschalterschrank mit Fahrschalterkurbel und Richtungssteuerwalze sowie die Messinstrumente für Heizstrom, Fahrleitungsspannung und Fahrmotorstrom. Rechts daneben das Führerbremsventil, darüber das Zusatzbremsventil, der Geschwindigkeitsmesser und der Pfeifenzug. Oberhalb des Fensters die Druckluftmanometer. (SSW; Slg. W.-D. Richter)
Ansicht des Triebdrehgestells der Bauart Wegmann. Vorn der Treibradsatz mit dem Fahrmotor. (SSW; Slg. W.-D. Richter)
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Oberteil befand sich zusammen mit dem Überspannungsableiter in einem Blechkasten unterhalb einer Sitzbankgruppe. Ein Hochspannungskabel führte vom Hauptschalter aus unter dem Wagenfußboden entlang zur Oberspannungsklemme des Transformators. Aus Platzgründen ragte dessen Einführungsisolator unter der benachbarten Sitzbank, ebenfalls durch eine Blechabdeckung geschützt, in den Fahrgastraum hinein. Alles in allem wohl eine im deutschen Triebwagenbau einmalige, wie auch technisch ausgeklügelte Lösung.
Der in Wagenmitte unter dem Wagenboden aufgehängte Haupttransformator ELT 7 in Kernbauweise besaß zwei Schenkel und Scheibenwicklungen. Seine Kühlung erfolgte durch zwangsweisen Ölumlauf mittels einer Ölpumpe. Im Trafokessel in Wagenlängsrichtung eingewalzte Kühlrohre bewirkten die Kühlung des Trafoöls durch den natürlichen Luftzug während der Fahrt. Der Umspanner besaß zwölf Anzapfungen für die Leistungssteuerung. Außerdem waren noch drei Anzapfungen bei 600, 800 und 1000 Volt für die elektrische Heizung und eine bei 200 Volt für die Steuerspannung und die Hilfsbetriebe vorhanden. Die Unterbringung der großen und damit auch schweren elektrischen Hauptausrüstungsteile unter dem Fahrzeugrahmen war zwecks Gewinnung von Nutzfläche im Fahrgastraum zwar äußerst erwünscht, sollte aber in der Folgezeit zu gravierenden technischen Problemen führen, auf die noch eingegangen wird.
Die Hochspannungsanschlüsse des Hauptschalters ragen unterhalb der Sitzbank in den Fahrgastraum hinein. Unterhalb des Fußbodens führt vom Hauptschalter das Hochspannungskabel durch ein Isolierrohr zum Oberspannungsanschluss des Hauptumspanners, dessen Einführungsisolator, ebenfalls unterhalb einer Sitzbank angeordnet, bis in den Fahrgastraum ragt. (SSW; Slg. Th. Borbe)
Eine elektromagnetische Schützensteuerung ermöglichte über einen Stromteiler die Einstellung von elf Fahrstufen. Je sechs Stufenschütze befanden sich in zwei Kästen ebenfalls unter dem Wagenboden. Als Schütze wurden die von der AEG und den SSW entwickelten des Typs ELS 12 verwendet. Dieser Typ verursachte anfangs Probleme, sodass auch versuchsweise Schütze des BBC-Typs WS 11 zum Einsatz gelangten. Durch die ab 1922 eingeführten Vereinheitlichungsgrundsätze war dies ohne Probleme möglich, da die Hauptabmessungen der technisch unterschiedlich ausgeführten Bauteile identisch waren. Je Fahrstufe waren zwei Schütze gleichzeitig eingeschaltet, und über die Mittelanzapfung des im Umspannerkessel mit untergebrachten Stromteilers floss der Motorstrom über die
Blick in die geöffneten Kästen mit Stufen- und Richtungswenderschützen (SSW; Slg. W.-D. Richter)
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Zwischen Halle und Leipzig - Der ET 41 für den Nachbarortsverkehr
für jeden Motor aus vier Schützen bestehenden Fahrtwender zum jeweiligen Fahrmotor. Die sechspoligen, kompensierten Reihenschluss-Fahrmotoren vom Typ ELM 8 waren eine Gemeinschaftsentwicklung der AEG und der SSW. Über eine 19-polige Steuerleitung war die Vielfachsteuerung mehrerer - bis zu vier - im Zugverband laufender ET möglich. Da die Anzahl der Adern nicht ausreichte, musste die fahrtrichtungsabhängige Ansteuerung der Sandstreuer über einen Hilfskontakt am Richtungswenderschütz erfolgen. Im sich anbahnenden Konkurrenzkampf gegenüber dem Auto legte die DRG nicht nur auf eine schnelle Verbindung zwischen den beiden Großstädten Wert, sondern auch auf eine ansprechende und verkehrswerbende Ausstattung der neuen Fahrzeuge. Die ursprünglich nur mit der 3. Wagenklasse auszurüstenden Wagen erhielten in Anbetracht des Messeverkehrs zusätzlich noch 2.-Klasse-Abteile. Zudem bestand die Absicht, alle Abteile hell, groß und übersichtlich zu gestalten. Trennende Wände mit Zwischentüren wurden nur zwischen Raucher- und Nichtraucherabteilen sowie zwischen der 2. und 3. Wagenklasse eingebaut. Die Innenwände wurden in der 2. Klasse mit Mahagoniholz, in der 3. Klasse mit Eichenholz verkleidet. Die Innenseite des Tonnendaches erhielt eine teils waagerechte, mit weißem Stoff bespannte Scheindecke aus Sperrholz, die durch Mahagonilei-
sten in Quadrate und Rechtecke aufgeteilt wurde. Becherfassungen mit Opalglasglühlampen dienten zur Abteilbeleuchtung. Über jedem Einstieg befand sich eine durch Türkontakte gesteuerte Leuchte, die bei Dunkelheit die Trittstufen beleuchtete. Die Beleuchtungsspannung von 24 Volt lieferte beim ET eine vom Ölpumpenmotor mitangetriebene Lichtmaschine, bei den ES und EB ein vom Radsatz angetriebener Generator, jeweils mit gepufferter Bleibatterie. Die Beheimatung der Triebwagenzüge sollte ursprünglich im Bw Halle erfolgen, fand dann aber im Bw Leipzig West statt. Am 7. Februar 1928 wurden mit den ersten drei Triebwagen auf den Strecken Halle (S.) – Leipzig und Leipzig – Dessau – Magdeburg Probe- und Vorführfahrten durchgeführt. Diesen folgte der planmäßige Einsatz, beginnend ab dem 20. Februar 1928, auf den zuvor genannten Strecken. Im Jahr der Indienststellung trugen die Triebwagen die Betriebsnummern ET 501 bis 506 Halle, die Steuerwagen 5001 bis 5003 Halle und die Beiwagen 5261 bis 5266 Halle. Ab 1929 änderten sich die Nummern der Triebwagen in ET 601 bis 606 Halle. Eine weitere Umnummerung folgte 1932 in elT 1061 bis 1066, elS 2061 bis 2063 und el 2981 bis 2986. Da die Beiwagen 1933 wieder in den Reisezugwagenpark zurückgegeben wurden, erlebten 1940 nur noch die verbliebe-
Großraum der 2. Wagenklasse im Triebwagen. Die Wände sind ¯ mit Mahagoniholz getäfelt und die Sitze mit blaugrau gestreiftem Plüsch bezogen. (SSW; Slg. W.-D. Richter)
Einblick in das Großraumabteil 3. Klasse des Steuerwagens. ® Gut erkennbar sind die umklappbaren Rückenlehnen der Wendesitze. (Hist. Slg. DB AG)
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Während der am 7. Februar 1928 durchgeführten Probe- und Vorführfahrt haben die drei Triebwagen auf der Rückfahrt von Magdeburg nach Leipzig im Bf Zerbst einen Zwischenaufenthalt eingelegt (Histor. Slg. DBAG).
nen fünf Trieb- und zwei Steuerwagen ihre letzte Umnummerung in ET 41 01 bis 05 und ES 41 01 und 02. Die ET 41-Einheiten erfreuten sich auf Grund ihres hohen Komforts bei den Reisenden allgemeiner Beliebtheit. So verfügten der elS 2062 und ein weiterer elT, dessen Betriebsnummer unbekannt ist, über eine so genannte „Bewetterungsanlage“, einen Vorläufer der heutigen Klimaanlagen. Über Einzelheiten hierzu gibt ein Vermerk der Eisenbahnab-
teilungen des RVM vom 24. Februar 1937 Auskunft8. In einer „Besprechung zu schwebenden Fragen der Heizung und Lüftung von Triebwagen“ wurde darauf verwiesen, dass die beiden zwischen Halle und Leipzig eingesetzten Trieb- und Steuerwagen versuchsweise mit einer Klimaanlage ausgestattet wurden, die für die Frage der Luftheizung, Lüftung und Klimatisierung weiterer zu beschaffender Fahrzeuge grundsätzliche Bedeutung haben.
Steuerwagen elS 2062 auf einem etwa 1936 aufgenommenen Foto. Zu sehen ist die Beschickung der Luftkühlanlage bzw. „Bewetterungsanlage“ für die Fahrgastraumbelüftung mit einem Eisblock. Diesen Luxus bot damals die Reichsbahn ihren Fahrgästen zwischen Leipzig und Halle. (Histor. Slg. DB AG)
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Die im Steuerwagen mit umklappbaren Rückenlehnen ausgestatteten Wendesitze erlaubten das Sitzen in Fahrtrichtung. Allerdings waren die Fahrzeuge auch mit zahlreichen Nachteilen behaftet. In der 3. Wagenklasse gab es zu wenig Sitzplätze. Das traf sowohl auf die Trieb- als auch auf die Steuerwagen zu, die jeweils mit der 2. und 3. Wagenklasse ausgestattet waren. Diesen Mangel beanstandete das RZA Berlin unter dem Aktenzeichen Fktwb 2630.7 im Mai 1931. Gleichzeitig wies das RZA darauf hin, dass die 2. Klasse unverhältnismäßig schwach besetzt sei. Es stellte deshalb bei der Hauptver-
waltung in Berlin den Antrag auf Umwandlung der drei Steuerwagen 2./3. Klasse in solche der 3. Klasse. Das sollte in der Art geschehen, dass lediglich die Sitzbänke der zweiten Klasse gegen solche der dritten, unter Beibehaltung der übrigen Ausstattung und Wagenaufteilung, zu ersetzen waren. Die Hauptverwaltung genehmigte am 9. Juni 1931 die Vorschläge des RZA9. Dabei waren die Arbeiten so auszuführen, dass bei Änderung der Verkehrsbedürfnisse die Abteile leicht in den früheren Zustand zurückversetzt werden konnten.
Eine einheitlich blaugraue Regeleinheit mit einem auf reine 3. Klasse umgerüsteten Steuerwagen vor dem Triebwagenschuppen des Bw Leipzig West im Jahre 1934. Der linke Triebwagen ist elT 1066 und besitzt noch seine Original-Drehgestelle. (Slg. H. Linke)
Zwei in Leipzig Hbf vom Bahnsteig 13 ausfahrende Triebwagen im Anlieferungsanstrich. Der Zug befindet sich auf dem direkten Ausfahrgleis in Richtung Bitterfeld – Dessau. Die Aufnahme erfolgte wahrscheinlich noch vor der im August 1928 erfolgten Inbetriebnahme der Steuerwagen. (Histor. Slg. DB AG)
Dieser ET kam im Triebwagenschuppen des Bw Leipzig West etwas zu spät zum Halten. (Slg. H. Neumann)
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Eine aus Halle (S.) in Leipzig Hbf am Bahnsteig 10 einfahrende, aus ET+ES+ET bestehende Regeleinheit. Links befindet sich der Außenbahnsteig 10a. Der zweifarbige Originalanstrich lässt auf ein Aufnahmedatum Anfang der 1930er Jahre schlussfolgern (Histor. Slg. DB AG)
Am Bahnsteig 10 steht der Zug für die Rückfahrt nach Halle bereit. (Histor. Slg. DB AG)
Eine aus ET 502 + Els 5001 + ET 501 gebildete Regeleinheit. Die unterschiedlich hellen Grautöne der Fensterbänder bei den Triebwagen und dem Steuerwagen lassen darauf schließen, dass das Foto kurz nach der Inbetriebnahme der Steuerwagen entstanden ist. (SSW; Slg. W.-D. Richter)
Außer diesen eher leicht zu behebenden Forderungen des Betriebsdienstes bereiteten die Triebwagen jedoch wegen vielfältiger technischer Mängel immer wieder Probleme. Die zu schwach bemessene Fahrmotorleistung erforderte 1930 die Nachrüstung der bereits erwähnten Fremdbelüftung. Der damit vorgesehene Einsatz im Schnellzugdienst zwischen Halle und Leipzig in der Fahrzeugzusammenstellung ET + ES war trotz dieser Verbesserungsmaßnahme mit den angestrebten Fahrzeiten nicht möglich und führte zur Kombination ET + ES + ET, den so genannten „Regeleinheiten“. Fortan liefen die Steuerwagen in Zugmitte als Beiwagen. Ebenfalls bis zum August 1930 waren die Arbeiten zur Erhöhung der Steuerleitungsadern durch Einbau zusätzlicher Steuerstromkupplungen in den Trieb-, Steuer- und Beiwagen abgeschlossen. Auch die Sicherheitsfahrschaltung der Bauart „BBC neu“ erhielten die Trieb- und Steuerwagen bis zu diesem Zeitpunkt.
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Ferner musste ab 1932 die ursprünglich eingebaute pneumatische SSW-Stromabnehmersteuerung umgebaut werden, da diese kein gleichmäßiges Heben und Senken der Stromabnehmer aller im Zugverband laufenden ET gewährleistete. Erprobungen mit einer elektro-pneumatischen AEG-Steuerung fanden mit der aus den Fahrzeugen elT 1062 + elS 5002 + ET 604 (mit dieser Schreibweise aktenkundig überliefert) bestehenden Regeleinheit statt. Aber auch der mechanische Teil der ET gab Anlass zu Veränderungen. Im Februar 1929 mussten alle Triebwagen wegen festgestellter Anbrüche an den Achsgabelführungen aus dem Verkehr gezogen werden. Zu diesem Zeitpunkt wurde bereits die Laufruhe der Wagen, die vor allem im Geschwindigkeitsbereich zwischen 70 und 80 km/h zu starken Vertikalschwingungen des Wagenkastens führte, bemängelt. Hierzu führte
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das Heinrich-Hertz-Institut umfangreiche Untersuchungen durch. Als Ursache wurden die in Fahrzeugmitte unterhalb des Rahmens angebrachten schweren Bauteile wie Haupttransformator, Ölhauptschalter und die Schaltgeräte ermittelt, die bei einem Drehzapfenabstand von 16.000 mm in Verbindung mit der ausgeführten Drehgestellfederung beim Überfahren der Schienenstöße diese Erscheinungen auslösten. Doch so schnell wie hier dargestellt war das Problem nicht gelöst, denn sogar aus Bayern wurden zwei Triebwagen für Vergleichsfahrten herangeschafft. Die Rbd München beabsichtigte zu dieser Zeit die Einführung eines Schnellverkehrs zwischen München und Rosenheim und wollte dazu zwei Triebwagen der Gattung ET 705 ff. (später Baureihe ET 85) auf eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h umbauen lassen. Dieses Vorhaben wurde durch die beabsichtigten Vergleichsfahrten mit den mitteldeutschen ET 601 bis 606 Halle beschleunigt und führte zum Umbau der ET 705 und 709 München, den späteren ET 85 05 und 09. Gegenüber den mitteldeutschen ET überzeugten die bayerischen durch ausgezeichnete Laufeigenschaften, waren bei diesen die schweren elektrischen Ausrüstungsteile doch in alt hergebrachter Bauweise in einer besonderen Hochspannungskammer über dem Laufdrehgestell im Fahrgastraum untergebracht. An den mitteldeutschen Triebwagen ließ sich zwar die elektrische Hauptausrüstung aus konstruktiven Gründen nicht mehr an anderer Stelle platzieren, doch versuchte man durch eine Veränderung der Drehgestellabfederung und einer Verstärkung des Wagenkastens dem Problem zu begegnen. Aus diesem Grunde empfahl das RZA Berlin unter dem Aktenzeichen 2630 Fktwb.19 und dem Betreff: „Änderungen an dem Wechselstromtriebwagen Halle–Leipzig“ am 16. Dezember 1931 der Hauptverwaltung in Berlin zukünftig die Verwendung von Drehgestellen Görlitzer Bauart. Außerdem sollten probeweise an einem der vorhandenen sechs Triebwagen Verstärkungen des Wagenkastens vorgenommen werden. Vorgeschlagen wurde das Einziehen von Längspfetten zwischen den Dachspriegeln, der Einbau von weiteren Verstärkungsblechen in die hoch beanspruchten Seitenwandfelder zwischen den Fenstern und die Anordnung von Zugbändern und Knotenblechen in der Ebene der Zwischenwände. Bei
der Ausführung dieser Arbeiten sollten darüber hinaus weitere Verbesserungen, die hauptsächlich der Steigerung des Fahrgastkomforts dienen sollten, durchgeführt werden. Die Hauptverwaltung bewilligte schließlich am 15. Januar 1932 die vorgeschlagenen Maßnahmen. Der daraufhin ertüchtigte ET 602 Halle absolvierte am 8. Juli 1932 seine Probefahrt. Die Umbaukosten für den unter der lfd. Nr. 121 im Verzeichnis über Sonder- und Normungsarbeiten erteilten Arbeitsauftrag hatte nach Auskunft der für das ausführende Raw Dessau zuständigen Werkstättendirektion (WD) Dresden 3.048,69 RM gekostet. Diese Ausgaben waren nicht vergebens, denn an Hand der Messungen bei der Probefahrt zeigte sich, „dass die waagrechten Schwingungen abgenommen hatten und dass ferner die Durchbiegungsschwingungen des Wagenkastens nur noch selten die frühere Stärke erreichten und in wesentlich kürzeren Zeiten abklangen. Allerdings ist gegenüber dem unverstärkten Wagenkasten über den Drehgestellen eine Zunahme der senkrechten Schwingungen eingetreten, die auf die größere Steifigkeit des verstärkten Wagenkastens zurückzuführen sein dürfte“, führte das RZA in seinem Bericht an die Hauptverwaltung in Berlin vom 6. Oktober 1932 aus. Auf Grund des zulässigen Achsdruckes, der bei Ausführung der Verbesserungsarbeiten nicht überschritten werden durfte, war für die übrigen fünf ET eine umfangreiche bzw. durchgreifende Verstärkung jedoch nicht möglich. Wegen der schlechten Finanzlage der DRG war die Ausführung der erforderlichen Arbeiten an diesen Triebwagen zudem 1932 nicht vertretbar. Aber immerhin war der Ersatz der vorhandenen Drehgestelle, nach Versuchen mit der Bauart Görlitz II, durch solche der Bauart Görlitz III vorgesehen, weshalb ohnehin mit einer Laufverbesserung zu rechnen war. Dieser Austausch, bei dem aus Sparsamkeitsgründen wiederverwendbare Teile der bisherigen Drehgestelle benutzt wurden, fand bei allen Triebwagen zwischen 1934 und 1936 statt. Das RZA empfahl deshalb, die Verbesserungen an den übrigen fünf Wagenkästen bis zu einer notwendig werdenden Aufarbeitung des Wagenkastens, also bis zur nächsten fälligen Hauptuntersuchung zurückzustellen, womit die Hauptverwaltung einverstanden war.
Der im Gelände des Bw Leipzig West aufgenommene elT 1064 Halle trägt ganzflächig den blaugrauen Wagenkastenanstrich. Die ehemals an den Stirn-/ Seitenwandecken angebauten Schlussleuchten sind entfernt, und der Triebwagen ist mit den Versuchsdrehgestellen der Bauart Görlitz II ausgerüstet. Der Aufnahmezeitpunkt ist demzufolge ab 1932 einzuordnen. (Histor. Slg. DB AG)
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Fast zeitgleich mit dem zuvor geschilderten Anliegen musste sich das RZA wegen einer anderen Angelegenheit an die Hauptverwaltung wenden. Unter Aktenzeichen 2531 Fktwh/1 vom 18. Dezember 1931 und dem Betreff: Schenkelbrüche an den Laufachsen der Wechselstromtriebwagen heißt es: “Das Reichsbahnausbesserungswerk Dessau meldete ... Ende April 1931 erstmalig Beschädigungen an einem Achsschenkel. Die Besichtigung der Achsen des Triebwagens 604 führte zu nachstehenden Feststellungen: Der 120 mm starke Schenkel der einen Laufachse zeigte vier feine, mit dem Vergrößerungsglas gut erkennbare Anrisse von etwa 25 mm Länge, die sämtlich im Bereich der hinteren Spannhülsenkante lagen.“ Der beschädigte Radsatz wurde daraufhin für weitere Untersuchungen zurückbehalten.
geräusche. Der Einbau eines schrägverzahnten Getriebes, jedoch mit ungefedertem Großrad im elT 1063 brachte keine Besserung. Erst dessen im elT 1061 erprobte Federung führte zur Lösung des Problems. Trotzdem wurde der Umbau aus Kostengründen nur bei fälligen Zahnradwechseln durchgeführt.
Bereits im September 1931 war vom Raw Dessau ein weiterer Achsschenkelanbruch an einem Laufradsatz des ET 601 festgestellt worden. Da die elektrischen Triebwagen wegen ihrer Höchstgeschwindigkeit besonders hohen Beanspruchungen ausgesetzt waren, hielt das RZA Berlin im Einvernehmen mit der Rbd Halle die Auswechselung sämtlicher Laufachswellen für betriebsnotwendig. Dem Antrag wurde am 12. Januar 1932 in Berlin stattgegeben und am 10. April 1933 der Vollzug durch die WD Dresden mit einem Kostenaufwand von 311,68 RM je Laufradsatz mitgeteilt10.
Vom Versuchsamt Grunewald im Jahre 1938 vorgenommene Bremsversuchsfahrten in der Kombination Trieb- und Steuerwagen ergaben, dass die in den vergangenen Jahren durchgeführten Um- und zusätzlichen Einbauten die Fahrzeugmasse unzulässig erhöht hatten. In deren Folge wurden die geforderten Mindestbremshundertstel nicht mehr erreicht. Um einer betrieblich nicht vertretbaren Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit zu begegnen, fand sich die Lösung des Problems im Umbau der ursprünglich vorhandenen Kkpt-Bremsen in Hikpt-Bremsen. Der ursprünglich bei der Fa. Wegmann beabsichtigte Umbau konnte dort aus Kapazitätsgründen nicht durchgeführt werden. Am 2. Juni 1939 stellte deshalb das RZA München an die Eisenbahnabteilungen des RVM den Antrag, diesen Umbau im RAW Dessau durchführen zu lassen. Durch den Kriegsausbruch verzögert, zog sich der Beginn der am 15. Juni 1939 genehmigten Umbauarbeiten bis Anfang 1941 hin. Erste umgebaute Fahrzeuge waren im März 1941 der ET 41 03 und der ES 41 01.
Verbesserungsbedürftig waren auch die Zahnradgetriebe der Fahrmotoren, denn die ursprünglich eingebauten zweiseitigen, geradverzahnten Getriebe mit gefederten Großrädern verursachten bei höheren Geschwindigkeiten störende Heul-
Die ersten Verluste, je ein Trieb- und Steuerwagen (elT 1066 und elS 2063), erfolgten am 12. August 1934 nach einem Frontalzusammenstoß mit der E 04 06 in Halle Hbf. Zum Unfallbericht siehe Kasten.
Das im Juli 1940 aufgenommene Foto zeigt den elT 1064 (ET 41 04) in der letzten creme-rotfarbigen Anstrichausführung im BW Leipzig West. Das rechts neben der Einstiegtür befindliche Schriftfeld verrät, dass das Fahrzeug immer noch über die Kkpt-Bremse verfügt. (Foto RBD Halle; Slg. P. Glanert)
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Frontalzusammenstoß zwischen elT 1066 und E 04 06 im Vorfeld des halleschen Hauptbahnhofs. Auf Grund der großen Schäden wurden elT 1066 und der hinter ihm laufende elS 2063 ausgemustert. Die Ellok und der hinter dem Steuerwagen eingereihte Triebwagen elT 1062 wurden wieder repariert. (Slg. H. Neumann)
Die hintere Stirnfront des elT 1066, auf die der Steuerwagen aufgeklettert war. (Histor. Slg. DB AG)
Das hintere Kopfstück des elS 2063 wurde durch den Aufprall vom übrigen Wagenkasten samt Untergestell abgetrennt. Das Foto zeigt das Vorderteil des von der Hilfsmannschaft schon teilweise zerlegten Kopfstückes. (Histor. Slg. DB AG)
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Die vordere Stirnfront des elT 1066, mit der der Triebwagen mit E 04 06 zusammengeprallt war. (Histor. Slg. DB AG)
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Zwischen Halle und Leipzig - Der ET 41 für den Nachbarortsverkehr
Bericht des Reichsbahnrats Boden der DRG, RZA für Maschinenbau Berlin vom 20. August 1934 über den Zugunfall bei Halle (S) am 12.8.34 morgens etwa 7:35 Uhr11; siehe hierzu Skizze auf Seite 32.
Am Sonntag, dem 12.8.34 ist der fahrplanmäßige Triebwagenzug Halle - Leipzig auf einen auf falschem Gleis haltenden Sonderzug aufgefahren. Der Triebwagenzug bestand aus 1 Trieb-, 1 Steuer- und 3 weiteren Triebwagen. Er hatte also bei der großen Motorenleistung bereits nach 500 m eine erhebliche Geschwindigkeit, schätzungsweise 60 bis 70 km/h. Da die Ausfahrt Halle nach Leipzig sehr unübersichtlich ist, konnte der Triebwagenführer den Sonderzug auf seinem eigenen Gleis erst etwa in 150 m Abstand sehen. In sofortiger Erkennung der Lage gab er Notsignal, betätigte Schnellbremse und Sandstreuer und verließ dann fluchtartig seinen Führerstand, um nicht zerdrückt zu werden. Dieser Führer ist dann beim Zusammenstoß im Wageninneren hingeschlagen und verletzt worden, aber mit dem Leben davon gekommen. Der Sonderzug bestand aus einer schweren Ellok 04 06 und 8 eisernen Ci-Wagen, Baujahr 1928-1929. Auch der Führer dieses Zuges erkannte die Gefahr und versuchte, da er in der Steigung stand, diese auszunutzen und nach rückwärts zu fahren. Er löste die Bremse und legte die Fahrkurbel auf Stellung 3 rückwärts. Als er in den Maschinenraum zurückgehen wollte, erfolgte der Zusammenstoß. Hierbei wurde der Führer in der Maschinenraumtür eingeklemmt und tödlich verletzt. Wäre er einen Augenblick früher zurückgegangen und nur einen Meter weiter im Maschinenraum gewesen, dann wäre er mit dem Leben davongekommen.“ Die Hilfsmannschaft fand folgende Situation vor: „Am Lokomotivzug war der vierte Wagen mit der hinteren Achse entgleist. Die Plattform ist nach unten stark abgebogen, eine Achshalterhälfte ist nach oben gebogen. Gegen den Widerstand der entgleisten Achse ist nun der vordere Teil des Zuges gedrückt worden. Hierbei sind die Plattformen sämtlicher Ci-Wagen etwa 40 bis 70 mm nach unten abgebogen. In diesen Ci-Wagen waren mehrere Füllungen der Zwischenwände über den Sitzen herausgeschlagen, anscheinend durch die Köpfe der Fahrgäste. Auch waren mehrere gußeiserne Gepäcknetzstützen abgerissen. Ferner sind sämtliche Scheiben in den Stirnwandschiebetüren zerstört worden. Die Seitenwandscheiben sind, auch in den ersten Wagen, nicht zerstört, auch ließen sich alle Fenster leicht bewegen. Die letzten 4 Wagen des Sonderzuges habe ich nicht mehr besichtigen können, da sie bereits dem zuständigen RAW zugeführt waren. Sie sollen keine nennenswerten Beschädigungen erlitten haben. Die Ellok ist am vorderen Führerstand stark eingedrückt. Das schwere Untergestell hat gehalten und sich etwa 3,5 m in den aufgefahrenen Triebwagen gedrückt. Im Maschinenraum konnte ich besondere Zerstörungen nicht feststellen. Beide Fahrzeuge standen nach dem Unfall in etwa 5 m Entfernung voreinander. Die Wechselstrom-Trieb- und Steuerwagen sind eiserner Bauart (genietet), Lieferer Wegmann & Co, Kassel, 1928/29. ... Das Drehgestell des ersten Wagens wurde ebenfalls etwa 2,5 m nach hinten geschoben und hat die hinter ihm sitzenden Apparate, Schaltkästen, Bremsteile usw. zerstört. Im Wageninneren sind die Bänke an den Mittelgangsstützen zum Teil vom Fußboden abgerissen. Die Seitenfenster waren größtenteils nicht zerbrochen. Durch die Massewirkung, verstärkt durch das Gefälle, ist dieser Triebwagen am hinteren Ende hochgebogen. Hierbei ist er trotz Hülsenpuffer auf den nachfolgenden Steuerwagen 2063 aufgeklettert. Die Beschädigungen dieser Stirnwände beider Wagen sind jedoch gering (vorstehende Lampenkörper, Blendenschutzbleche über den Fenstern, Griffe usw. beschädigt). Am schwersten ist das hintere Ende des zweiten Wagens, des Steuerwagens 2063 beschädigt. Die hinter diesem Steuerwagen laufenden 3 Triebwagen mit 3 x 62,5 = rd. 187 t Leergewicht haben den hinteren Einstieg des Steuerwagens vollkommen zusammengeschoben.“ Beim ES 2063 ist das sehr schwere Wagenkopfstück mit dem Drehgestell-Drehpfannenträger mit dem restlichen Fahrzeugrahmen nur durch zwei U-Profil-Langträger und zwei mittlere Fußbodenträger verbunden. „Diese Träger sind wegen ihrer zu großen Knicklänge ausgeknickt. Der Drehpfannenträger ist mit den anschließenden Langträgerteilen herausgebrochen und die beiden Langträger sind an den“ [Bruchstellen] „um etwa 180° verbogen bzw. gerissen. Nach dem Unfall lag der Steuerwagen an einem Ende auf den Schienen. Der abgebrochene Teil stand auf dem Drehgestell in einigen Metern Entfernung. Teile dieses Wagens sind so hoch geschleudert, daß sie den unteren Träger einer Fahrdraht-Brückenaufhängung nach oben verbogen haben. Bei dem Unfall ist der Steuerwagen an dem abgebrochenen Ende ebenfalls aufgeklettert und hat die Stirnwand des nachfolgenden Triebwagens eingedrückt. Die übrigen Teile dieses Wagens sind nicht nennenswert beschädigt worden. Selbst die unmittelbar hinter der Eindruckstelle liegenden 4 Türen waren noch gangbar und ihre Fensterscheiben nicht zerstört. Außer dem Lokführer des Sonderzuges ist noch eine Frau gestorben (infolge der Aufregung durch Herzschlag). Es haben sich etwa 160 Verletzte gemeldet. Die Verletzungen stammen von Glassplittern, durch Gegenprallen gegen Sitze, Wände oder andere Reisende und von herabfallenden Gepäckstücken. Für die Wagenkonstruktion kann aus dem Unfall die Lehre gezogen werden, das Untergestell bei eingezogenen Einstiegräumen so zu verstärken, daß ein Ausknicken oder Ineinanderschieben möglichst verhindert wird.“
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Situationsskizze des Unfalls (Zeichnung Th. Borbe).
Was mag den Fotografen der RBD Halle wohl mehr interessiert haben - die jungen Männer vom Reichsarbeitsdienst beim Rübenhacken oder die in Höhe des Schrankenpostens 110 bei Schkeuditz in Richtung Halle vorbeifahrende ET-41-Einheit in unterschiedlichen Anstrichausführungen? Zwischen dem zweiten und dritten ET läuft der später als EB 41 01 bezeichnete Beiwagen. (Histor. Slg. DB AG)
Als Ersatz für den elS 2063 diente ab Oktober 1938 ein vierachsiger Reisezugwagen der Bauart C4i-30, der am 1. Mai 1941 die Wagennummer EB 41 01 erhielt. Da die Steuerwagen in den so genannten „Regeleinheiten“ nur zwischen zwei Triebwagen eingereiht Verwendung fanden, wurden sie 1944 in Beiwagen umgebaut, indem sie ihre Führerstandseinrichtungen verloren. Sie wurden entsprechend umgenummert: ES 41 02 in EB 41 02 und ES 41 01 in EB 41 03. Wiederum ein Frontalzusammenstoß mit einer E 04, diesmal mit E 04 12, am 11. Januar 1945 in Halle Hbf bedingte die Ausmusterung des ET 41 05. Doch damit nicht genug. Bei einem Bombenangriff auf Leipzig am 27. Februar 1945 brannten die ET 41 02, 03 und 04 sowie EB 41 01 und 03 aus und wurden am 3. Juni 1945 ausgemustert.
Die E 04 12 als Unfallgegnerin des ET 41 05 steht im Januar 1945 im BW Halle P. Zwecks Reparatur gelangte sie in das RAW Dessau, das sie an die AEG nach Hennigsdorf weiterleitete. Dort erfolgte ebenfalls keine Reparatur. Seit 1951 im BW Velten hinterstellt, fand 1954 die Überführung in das Raw Dessau als Ersatzteilspender statt. 1966 erfolgte ihre Ausmusterung. (Slg. W. Müller)
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Zwischen Halle und Leipzig - Der ET 41 für den Nachbarortsverkehr
Somit überstanden das Kriegsende nur der ET 41 01 und der EB 41 02 (ex ES 41 02). Nach der Reparatur kleinerer Schäden im RAW Dessau stand ab 3. November 1945 der ET 41 01 wieder im Dienst. Der EB 41 02 soll, ebenfalls nach Reparatur, aus Dessau erst am 20. Juni 1946 im BW Leipzig West eingetroffen sein, also nach Einstellung des elektrischen Zugbetriebs. Die beiden Fahrzeuge fielen, nachdem sie nach der Einstellung des elektrischen Zugbetriebs noch einige Monate als Reisezugwagen Verwendung gefunden hatten, unter die Reparationsforderungen der Sowjets. Am 17. Oktober 1946 wurden sie in das RAW Dessau überführt, von wo aus sie vermutlich bis zum Jahresende 1946 die Fahrt in die UdSSR angetreten haben. Ein Relikt hat das Kriegsende und die folgenden Jahrzehnte überlebt. Eine umklappbare Sitzbank 3. Klasse aus dem ehemaligen ES 41 01, zuletzt EB 41 03 ist heute in Engelsdorf zu bestaunen. Der im Februar 1945 ausgebrannte Wagen war bis 1947 im BW Leipzig West abgestellt. Irgendjemand hat
Die mustergültig aufgearbeitete Bank mit der umklappbaren Rückenlehne aus dem ehemaligen EB 41 03 (ex ES 41 01). (W. Müller)
vermutlich während der Verschrottung des Wagens eine komplette Sitzbank ausgebaut und auf dem Kohlenhof 2 des BW aufgestellt. Da saßen dann die Kohlenlader und zuletzt der Greiferkranführer/Tankwart drauf. Niemand hat dieses Unikum besonders beachtet. Der Tankwart hat sie irgendwann einmal grau gestrichen, da das Holz schon am Verfallen war. Erst als der im Bw Leipzig West beschäftigte Wolfgang Müller im „Lokmagazin“ einen Beitrag über den ET 41 studiert hatte, fiel ihm die Bank wieder ein. Der ihm bis dahin unverständliche und seinerzeit nicht funktionsfähige Mechanismus bekam plötzlich einen Sinn. Von nun an warf er ein wachsames Auge auf die Bank, damit sie nicht noch verschwindet. Eine ABM-Maßnahme im ehemaligen Raw Engelsdorf suchte Arbeit und fragte im Bw Leipzig West an. W. Müller gab u.a. auch die Bank dorthin mit, damit sie restauriert werden könne. Das ist dann tatsächlich 1998 abgeschlossen worden. Der Mechanismus wurde auseinander genommen, entrostet und gangbar gemacht. Alle Holzteile erneuerte ein Tischler aus dem ehemaligen Raw entsprechend der vorgefundenen Reste, gekostet hat das alles nichts. Leider fehlten die originalen Beschlagteile, aber das tut dem ganzen keinen Abbruch.
Blick auf das Hebelsystem, das die Lehne in beiden Endlagen in eine leicht geneigte Stellung versetzt. (W. Müller)
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Die Einheitstriebwagen und ihre Wegbereiter Der ET 41 gab die Entwicklungsrichtung vor In seinem ausführlichen Aufsatz über die Wechselstromtriebwagen Halle-Leipzig12 stellte Tetzlaff zum Abschluss einige Betrachtungen über die weitere Entwicklung derartiger Fahrzeuge an. Neben der Auslegung der Antriebsausrüstung für unterschiedliche Einsatzbereiche erschienen die Erfordernisse zur Wagenausstattung mit Personen-, Post- und Gepäckabteilen ebenso wichtig. Er gelangte zu dem Schluss, „… dass sich mit dem derzeitig erreichten technischen Stand Fahrzeuge für verschiedene Verkehrszwecke nach den Wünschen der örtlichen Betriebsleitungen herstellen (lassen), ohne die Schaffung ganz neuer Fahrzeugformen zu bedingen. (…) Wahrscheinlich wird man mit geringen Abweichungen von der beschriebenen Bauart einen Einheitstriebwagen im Rahmen der erwähnten Grundbedingungen herstellen können.“ Damit hatte Tetzlaff erstmalig, im Jahre 1930, den Gedanken der „Einheitstriebwagen“ formuliert. Ein berechtigter Wunsch, wenn man bedenkt, wie viele unterschiedliche Triebwagenbauarten innerhalb des zurückliegenden Jahrzehnts entwickelt und gebaut worden waren (unter diesem Problem leidet bekanntermaßen heute wieder die DB AG). Im schlesischen, mitteldeutschen und bayerischen Netz fuhren inzwischen sechs unterschiedliche Triebwagengattungen. Für den Stuttgarter Vorortverkehr sowie für Schlesien bestand zudem dringender Bedarf für Neuentwicklungen. Und tatsächlich feilte das RZA in Berlin schon 1930
an einer Konzeption für Nahverkehrstriebwagen, die in Verbindung mit Steuer- und Beiwagen allen anfallenden Bedürfnissen gerecht werden sollten. Die Zeit für die Umsetzung dieser Planungen drängte, denn aus wirtschaftlichen und unterhaltungstechnischen Gründen war eine weitere Verbreiterung der Fahrzeugvielfalt nicht erwünscht. Das betraf natürlich auch die zuvor genannten erforderlichen Neuentwicklungen. Hier lagen also die gleichen Gründe vor, die beim Dampflokbau zur Entwicklung der Einheitsdampfloks geführt hatten. Doch sollte es noch einige Jahre dauern bis sich der Vereinheitlichungsgedanke bei elektrischen Triebwagen vollends in die Tat umsetzte. Zeitgleich beschäftigte man sich auch mit dem Gedanken zur Schaffung einer „Ellok für alle Zwecke“. Wie die weitere Entwicklung zeigen wird, ließ sich dieser Gedanke weder im Lokomotiv-, noch im Triebwagenbau konsequent umsetzen. Als Vorstufe der Vereinheitlichung sind die Triebwagen der Gattungen elT 12 und elT 17, die späteren Baureihen ET 65 für das Stuttgarter Vorortnetz und ET 51 für das schlesische Netz anzusehen. Sie stellen ein wichtiges Bindeglied zu den Einheitstriebwagen dar, weshalb die beiden Baureihen an dieser Stelle als Vertreter markanter Entwicklungsschritte kurz vorgestellt werden, zumal uns beide Triebwagengattungen bei den folgenden Betrachtungen auch in Mitteldeutschland wieder begegnen werden.
Diese von der WUMAG gefertigte Zeichnung eines „Oberleitungs-Triebwagens mit 16 to. Achsdruck, Bauart 1930“ vom 31. Mai 1930 zeigt eindeutig die Abwendung von den beim „ET 41“ verfolgten, vorerst sich nicht bewährenden Konstruktionsgrundsätzen und die Hinwendung zum „ET 85“ mit Unterbringung des Hauptumspanners über dem Laufdrehgestell. Die Hintergründe dafür wurden bei der Beschreibung des ET 41 näher erläutert. (Zeichnung WUMAG; Slg. W.-D. Richter)
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Die Einheitstriebwagen und ihre Wegbereiter
Eine weitere Zeichnung zeigt die konstruktiven Grundsätze, die dann bei den Triebwagen der Gattungen elT 12 und elT 17 (spätere Baureihen ET 65 und ET 510) umgesetzt werden (Slg. H. Linke).
Schwäbische Triebwagen in Mitteldeutschland Zusammen mit der Elektrifizierung der Strecke Augsburg – Stuttgart war beabsichtigt, die von Stuttgart ausgehenden Vorortstrecken nach Ludwigsburg und Esslingen mit Fahrleitung auszurüsten. Auf diesen sollte der Vorortverkehr künftig mit neu zu beschaffenden elektrischen Triebwagenzügen der Gattung elT 12 durchgeführt werden. Da sich die Fertigstellung der ersten Züge bereits vor dem Abschluss der Elektrifizierungsarbeiten andeutete, ersuchte im November 1932 das RZA Berlin die Rbd Halle, die ersten im Raw Dessau abzunehmenden Fahrzeuge zwischen Halle und Leipzig zu erproben. Mit einer ausnahmsweise gestatteten Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 75 km/h auf 80 km/h sollten die Züge in der Zusammenstellung ET + EB/EB + EB/ EB + ET im Eilzugdienst auf genannter Strecke verkehren. Doch die Auslieferung der ersten Triebwagen elT 1201 und 1202 Stuttgart einschließlich der Umrüstung der bereits vorhandenen Beiwagen verspätete sich, sodass ihre Abnahme erst am 30. Januar 1933 in Dessau stattfand. Von hier aus wurden sie in das Bw Leipzig West zur Erprobung überwiesen. Auch die Triebwagen elT 1203 bis 1208 Stuttgart gelangten ab März 1933 hierher. Damit konnte ihr Einatz im öffentlichen Verkehr ab Anfang März 1933 erfolgen, der sich bis Anfang Mai 1933 erstreckte. Eine Ausnahme bildete lediglich der Zeitraum vom 4. bis zum 7. März während der Leipziger Messe.
Die Fahrten der insgesamt acht süddeutschen ET blieben ein Einzelfall. Kein Wunder also, dass der Vierteljahresbericht, Januar bis März 1933, über den elektrischen Zugbetrieb der Reichsbahndirektion Halle ausführlich auf die Versuche mit den süddeutschen Triebwagen einging13. Dort heißt es: „elT 1201 – 1206. Die neuen Stuttgarter Vorort-Triebwagen wurden im Betriebe durch mehrwöchige Probefahrten geprüft und ergaben hinreichende Betriebstüchtigkeit des neuen automatischen Schaltwerks von BBC. Bis zu ihrer Rückgabe an die RBD Stuttgart versahen sie nach erfolgreichem Ablauf der Probefahrten zwischen Leipzig und Dessau den Planverkehr der Triebwagenzüge zwischen Leipzig und Halle“. Diesen Städteschnellverkehr bewältigten die Triebwagenzüge ohne Probleme, obwohl sie speziell für ihr vorgesehenes Einsatzgebiet im Nahverkehr in und um Stuttgart ausgestattet worden waren. In ihrer Heimat war die Verwendung vorhandener zweiachsiger Personenwagen der Baujahre 1929/30, die als Beiwagen zwischen den neu zu fertigenden Trieb- und Steuerwagen im Zugverband laufen sollten, vorgesehen. An deren äußerer Gestalt mussten sich die Neubauten orientieren, um ein einheitliches Zugbild zu schaffen. Das zu erwartende Verkehrsaufkommen erübrigte den Einsatz einzeln fahrender Triebwagen, sodass die Trieb- und Steuerwagen jeweils nur einen Führerstand erhielten. Die kleinste Betriebseinheit bestand somit aus ET + ES, verstärkt durch ein oder
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zwei kurzgekuppelte Beiwagenpärchen. Die Fahrzeuge der ersten von insgesamt drei Beschaffungsperioden wurden eingereiht als elT 1201 bis 1217 (später ET 65 01 bis 17, elS 2201 bis 2216 (später ES 65 01 bis 16) und el 2650 bis 2672 (später EB 65 01a/b bis 23a/b). Der ET besaß zwei genietete und konstruktiv der Bauart Görlitz III angelehnte Drehgestelle, in denen alle vier Radsätze angetrieben wurden. Die Fahrmotoren leisteten dauernd 804 kW bei 57 km/h und übertrugen ihr Drehmoment über einen
Tatzlagerantrieb und ein einseitiges, schräg verzahntes Vorgelege mit gefedertem Großzahnrad auf den zugehörigen Radsatz. Die Unterbringung der elektrischen Großgeräte erfolgte größtenteils unterhalb des Wagenkastens zwischen den Drehgestellen. Lediglich eine kleine Hilfsmaschinenkammer, in der das Schaltwerk, der Richtungswender und der Öl-Hauptschalter untergebracht waren, beanspruchte noch Platz im Fahrgastraum.
Aufnahme des elT 1206 während seines Einsatzes in Mitteldeutschland im Bw Leipzig West (W. Huber; Slg. W. Müller)
Der elT 1206 mit Bei- und Steuerwagen im Einsatz im Raum Stuttgart (H. Maey; Slg. H. Linke)
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Die Einheitstriebwagen und ihre Wegbereiter
Musterblattzeichnung des elT 1201 bis 1217 Stuttgart, später ET 65 01 bis 17 (Slg. P. Glanert)
Musterblattzeichnung des elS 2201 bis 2216 Stuttgart, später ES 65 01 bis 16 (Slg. P. Glanert)
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Die Triebwagenentwicklung in der Rbd Breslau Nach der Anfang 1928 im schlesischen Netz beendeten Elektrifizierung zwischen Breslau Freiburger Bf und Königszelt war die gesamte Hauptstrecke über Hirschberg bis Görlitz mit einer Länge von rund 203 Kilometer elektrisch befahrbar. Betrieblich wurden jedoch die meisten Reisezüge in Hirschberg „gebrochen“ oder von Görlitz bzw. von Breslau kommend nach Ober Schreiberhau bzw. Polaun und Krummhübel „geflügelt“. Dafür bot sich der Triebwagen geradezu als Ideallösung an. Durch die Finanznot bedingt wurden aber erst 1932 je vier Trieb-, Steuer- und Beiwagen bestellt. Damit erfolgte ihre Entwicklung bzw. Beschaffung fast zeitgleich mit derjenigen der Stuttgarter Triebwagen. Ihre Indienststellung erfolgte 1934 als elT 1701 bis 1704 (später ET 51 01 bis 04), elS 2351 bis 2354 (später ES 51 11 bis 14) und el 2501 bis 2504 (später EB 51 01 bis 04). Obwohl für vollkommen verschiedene Einsatzzwecke konzipiert – der elT 12 für den Nahverkehr und der elT 17 für den Eilzugdienst über größere Entfernungen, teilweise auch für den grenzüberschreitenden Einsatz in die Tschechoslowakei – wiesen beide Gattungen zahlreiche Gemeinsamkeiten auf. Dazu gehören die Hauptabmessungen wie LüP, Drehzapfenabstand und Drehgestellachsstand sowie der einheitliche Raddurchmesser von 1.000 mm. Alle vier Radsätze des ET 51 wurden über einen Tatzlagerantrieb und einseitige, schräg verzahnte Vorgelege mit gefedertem Großzahnrad angetrieben. Die installierte Fahrmotordauerleistung mit 664 kW bei 73 km/h fiel aus verständlichen Gründen etwas geringer aus als bei den elT 12. Betrug die Dienstmasse eines aus ET + 2x2 EB + ES bestehenden Stuttgarter Halbzugs 190,5 t, musste ein aus ET + EB + ES bestehender elT 17-Triebwagenzug nur 125,5 t bewegen. Zugeschnitten auf den speziellen Einsatz erhielten die
90 km/h schnellen elT 17 Führerstände an beiden Wagenenden (die Steuerwagen nur an einem Ende). Somit konnte der einzeln fahrende ET die Reststreckenabschnitte nach Polaun oder Halbstadt bedienen und damit gegenüber einem Komplettzug (ET + EB + ES) Kosten für die in der Tschechoslowakei zu entrichtenden Achskilometer einsparen. Der vorgesehene Einsatz erforderte neben der Ausstattung mit Abteilen der 2. und 3. Wagenklasse auch den Einbau von Post- und Gepäckabteilen. Die Bei- und Steuerwagen wurden in ihrem äußeren Erscheinungsbild den Triebwagen angeglichen, sodass sich ein einheitliches Erscheinungsbild ergab. Beim ET gelang es, trotz der kompakten Fahrgastraumaufteilung sämtliche elektrischen Hauptausrüstungsteile unterflur unterzubringen. Trotzdem griff man bei beiden Baureihen auf alt Bewährtes zurück. Erprobte Ausrüstungen, wie z. B. das schräg verzahnte Vorgelege mit gefedertem Großrad und die Görlitzer Drehgestelle, wurden nach der im elT 10 (ET 41) durchgeführten Erprobung übernommen und werden auch bei der weiteren Entwicklung Standard sein. Eine richtungsweisende Neuerung im deutschen Triebwagenbau war hingegen die im Bericht der Rbd Halle erwähnte BBC-Steuermaschine, die die bisher angewandte Schützensteuerung ablöste. Ein Gleichstrom-Drehmagnet trieb ein Nockenschaltwerk an, an dessen Kontakten die Trafoanzapfungen angeschlossen waren. Ein vom Fahrmotorstrom gesteuertes Fortschaltrelais regelte dabei die Aufschaltgeschwindigkeit, sodass der Triebwagenführer mittels eines Fahrschalterhebels nur den Auf- oder Abwärtslauf des Schaltwerks bzw. das Verharren auf einer Fahrstufe einleiten musste. Die Fahrschalterkurbel hatte in der Entwicklungsgeschichte damit ausgedient.
Elektrifiziertes Streckennetz der Rbd Breslau Ende 1934 (Slg. Th. Scherrans)
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Die Einheitstriebwagen und ihre Wegbereiter
Der fabrikneue elT 1702 in Breslau Freiburger Bf (SSW-Werkfoto; Slg. H. Linke)
Musterblattzeichnung des elT 1701 bis 1704 Breslau, später ET 51 01 bis 04 (Slg. P. Glanert)
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Musterblattzeichnung des elS 2351 bis 2354 Breslau, später ES 51 11 bis 14 (Slg. P. Glanert)
Musterblattzeichnung des el 2501 bis 2504 Breslau, später EB 51 01 bis 04 (Slg. P. Glanert)
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Die Einheitstriebwagen und ihre Wegbereiter
Blick durch die geöffnete Seitenwandtür in den Führerstand eines elT 1701 bis 1704. Auf dem Fahrschaltertisch rechts der Hebel zur Bedienung der Auf-Ab-Steuerung (AEG-Werkfoto; Slg. U. Hübner)
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Der ET 25 als erster Einheitstriebwagen der DRG Basierend auf der Entwicklung der Triebwagen elT 12 und elT 17 entschloss sich die DR im Jahre 1932 unter der späteren Federführung des ab 1933 hierfür zuständigen RZA München, mit der Auflegung einer Typenreihe von Einheitstriebwagen zu beginnen. Erklärtes Ziel hierbei war die Schaffung von Fahrzeugen, die sowohl für den Nah-, als auch für den Fernverkehr verwendbar waren. Weiterhin sollten auch die elektrischen Ausrüstungsteile der unterschiedlichen Hersteller gegeneinander tauschbar sein. Gemeinsam mit der Maschinenfabrik Esslingen entstand ab 1934 ein kurzgekuppelter, zweiteiliger Triebzug mit der Rad-
satzfolge Bo’2’ + 2’Bo’, also mit 4 Fahrmotoren. Neu waren die völlig geschweißten Drehgestelle, Fahrzeugrahmen und Wagenkästen. Zur Verringerung des Luftwiderstands wurden die Stirnwände gerundet, und bündig in die Seitenwand eingelassene Schiebetüren schlossen die Einstiege ab. Unterhalb des Fahrzeugrahmens verkleideten Schürzen die dahinter in Bodenwannen untergebrachten Ausrüstungsteile. Um den Fahrzeugrahmen weitgehend vom hohen Trafogewicht zu entlasten, tauchten die am Wiegenbalken aufgehängten Umspanner in den Freiraum zwischen den Fahrmotoren der Triebdrehgestelle hinein.
Musterblattzeichnungen des elT 18 in der Ausführung mit 2. und 3. Wagenklasse. Oben der „a“-Wagen mit einem Großraum 3. Klasse, Traglastenraum und Gepäckraum. Unten der „b“-Wagen mit einem Großraum 3. Klasse und drei Einzelabteilen der 2. Klasse. Die auf den Zeichnungen vermerkten Angaben Wagen a und Wagen b sind falsch und gehören zur jeweils anderen Triebzughälfte. (Slg. P. Glanert)
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Die Einheitstriebwagen und ihre Wegbereiter
Musterblattzeichnung der mit 2. und 3. Klasse ausgestatteten Steuerwagen elS 2401–2404, 2423–2426 und 2441–2444 (Slg. P. Glanert)
Aufsetzen des Wagenkastens auf die Drehgestelle. Der unter dem Wiegenbalken befestigte Hauptumspanner befindet sich im Drehgestellfreiraum zwischen den beiden Fahrmotoren, womit der Fahrzeugrahmen zwischen den Drehgestellen wesentlich leichter ausgeführt werden kann. (MAN-Werkfoto; Slg. W.-D. Richter)
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Die Höchstgeschwindigkeit wurde mit Rücksicht auf den vorgesehenen Einsatz im Schnell- und Eilzugdienst auf 120 km/h festgelegt. Andererseits bedingte der Einsatz im Nahverkehr eine hohe Anfahrbeschleunigung. Deshalb wurde für eine Geschwindigkeit bis 40 km/h ein Beschleunigungswert von 0,65 m/s2 gefordert. Im Personenzugdienst sollte der Doppeltriebwagen mit zwei zusätzlichen Steuerwagen von rund 60 t Anhängemasse eine Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h erreichen. Das alles waren nach dem damals gerade erreichten Stand der Technik äußerst anspruchsvolle Werte, weshalb die Motorisierung recht großzügig ausfiel. Die zwischen 1935 und 1938 als elT 1801a/b bis 1838a/b und 1949a/b in drei Baulosen gelieferten Triebzüge der späteren Baureihe ET 25 wogen zwischen 88,3 und 94,8 t und verfügten über eine Dauerleistung von 840
kW bei 94 km/h, einige sogar über 920 kW bei 108 km/h. Vergleicht man diese Werte mit einer Zweiwageneinheit des elT 17 (ET 51), bestehend aus ET + ES, ist die Dienstmasse nahezu identisch, die Fahrmotorleistung des elT 18 jedoch ein knappes Drittel höher. Die gewichtsparende Schweißtechnik und die Verlagerung der Hauptumspanner von der Rahmenmitte in die Drehgestelle hatten es also ermöglicht, eine wesentlich leistungsfähigere und damit schwerere elektrische Ausrüstung (Hauptumspanner, Schaltgeräte) bei nahezu gleicher Dienstmasse zu installieren. Bis zu drei Doppeltriebwagen konnten mittels Vielfachsteuerung im Zugverband gesteuert werden. Die im Jahre 1935 gelieferten 48 Steuerwagen elS 2401 bis 2448 ermöglichten zudem die Anpassung der Zugstärke an das jeweilige Fahrgastaufkommen.
Ablieferung einer Dreiwageneinheit in Esslingen. Vorn der elT 1823 (später ET 25 009), der seine Erstbeheimatung im Juni 1935 im Bw Breslau Freiburger Bf finden und Ende 1936 als erster Triebzug dieser Gattung im Bw Leipzig West beheimatet werden wird. (AEG-Werkfoto; Slg. Chr. Tietze)
Einem elT 18 auf das Dach geblickt. Die Triebzüge wurden sowohl mit Stromabnehmern der Bauart SBS 9, als auch SBS 10 abgeliefert. (MANWerkfoto; Slg. W.D. Richter)
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Die Einheitstriebwagen und ihre Wegbereiter
Hier im Vergleich zum Bild auf Seite 41 die Ansicht des Führerstandes der Einheitstriebwagen elT 18 (später ET 25). Gegenüber dem elT 17 (ET 510) ist dieser etwas geräumiger ausgeführt. Die Anordnung und Ausführung der Bedienungs- und Anzeigeinstrumente ist bei beiden Gattungen nahezu identisch. (Slg. H. Linke)
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Nahezu alle führenden deutschen Waggonbau- und Elektrofirmen wurden am Bau der neuen nach einheitlichen Zeichnungsvorgaben zu fertigenden Triebzüge und Steuerwagen beteiligt. Die Fahrzeugteile der ET und ES lieferten Fuchs Waggonbau in Heidelberg, die Linke-Hofmann-Werke in Breslau, die Maschinenfabrik Esslingen, die MAN in Nürnberg und Rathgeber in München. Die von AEG, BBC und SSW entwickelte elektrische Hauptstromausrüstung war auf beide Triebwagen gleichmäßig aufgeteilt. Dabei verfolgte jede Firma eigene Entwicklungsgrundsätze; die Bauteile waren jedoch gegeneinander austauschbar. Die innerhalb eines Jahres entwickelten Doppeltriebwagen erfüllten voll die in sie gesetzten Erwartungen und waren richtungsweisend für die folgenden Triebzüge der späteren Baureihen ET 31 und ET 55 sowie der beiden Aussichtstriebwagen ET 91 01 und 02. Die Zuteilungen der neuen Einheitstriebzüge erfolgten ab 1935 an die Bahnbetriebswerke Basel, Breslau Freiburger Bf, Esslingen, München Hbf, Nürnberg Hbf und Tübingen. Ab 1936 folgten Lauban, Leipzig West sowie Regensburg, und ab 1937 gelangten sie noch nach Augsburg und Magdeburg. Im weiteren Verlauf interessieren uns die schlesischen Triebzüge mit ihren Steuerwagen. Im Bw Breslau Freiburger Bf traf am 10. Mai 1935 der elT 1820 (später ET 25 006) ein. Ihm folgten bis zum 28. Juni die elT 1821 bis 1824 (später
ET 25 007 bis 010). Im gleichen Jahr verstärkten elf Steuerwagen elS 2444, 2401 bis 2405 (später ES 25 004 bis 009) mit 2. und 3. Wagenklasse sowie elS 2406 bis 2410 (später ES 25 113 bis 117), nur mit der 3. Wagenklasse, den Bestand. Das Verhältnis von fünf Trieb- zu elf Steuerwagen belegt die wohl ursprüngliche Absicht, jeden Doppeltriebwagen mit zwei Steuerwagen als Vierwagenzug zu betreiben. Die neuen Fahrzeuge übernahmen sofort die Eilzugleistungen von den langsameren ET 51, die bisher zwischen Breslau und Hirschberg teilweise als Neunwageneinheiten verkehrt sind. Die Hauptstrecke wies lang anhaltende Steigungen zwischen 10 und 20 ‰ auf, wodurch die Triebwagen im Verbund mit zwei Steuerwagen leistungsmäßig überfordert wurden. Selbst für die in Hirschberg geflügelte und nach Ober Schreiberhau weiterfahrende ETa/b + ES- Einheit überschritten die 25 ‰-Steigungen auf der „Zackenbahn“ ebenfalls das Leistungsvermögen der Doppeltriebwagen. Das angestrebte Betriebskonzept mit Bündel- und Flügelzügen ließ sich also nicht realisieren. Die Hauptverwaltung in Berlin entschied deshalb im Oktober 1936, die Doppeltriebwagen mit ihren Steuerwagen aus Schlesien abzuziehen und gegen sechs dreiteilige Triebzüge der Gattung elT 13 (später Baureihe ET 31, mit 6 Fahrmotoren) auszutauschen. Diese gelangten gerade zur Ablieferung und waren ursprünglich für das mitteldeutsche Netz vorgesehen.
Im Juni 1936 bereiste Carl Bellingrodt die Rbd Breslau. Hierbei gelang ihm dieses Foto des elT 1823 mit einem Steuerwagen in Breslau Freiburger Bf. (Slg. P. Glanert)
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Die Einheitstriebwagen und ihre Wegbereiter
Der elT 1822 (später ET 25 008) mit Steuerwagen im Einsatz auf der „Zackenbahn“. Das Foto entstand 1936 oberhalb von Petersdorf an der Brücke, die über den Zacken-Fluss führt. (C. Bellingrodt; Slg. Chr. Tietze)
Als Ersatz für die leistungsmäßig zu schwachen ET 25 setzte die Rbd Breslau ab November 1936 sechs Triebzüge der späteren Baureihe ET 31 ein. Von diesen verkehrten je zwei Einheiten zwei-, drei- und vierteilig, womit sich das angestrebte Konzept der Flügelzüge umsetzen ließ. (Slg. Chr. Tietze)
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Die ersten mitteldeutschen ET 25 kommen aus Schlesien Folglich traf vom Bw Breslau Freiburger Bf kommend am 29. Dezember 1936 im Bw Leipzig West der elT 1823 (ET 25 009) mit den elS 2401 bis 2403 (ES 25 005 bis 007) ein. Gleichzeitig gelangten in das Bw Magdeburg Hbf die elS 2404 und 2405 (ES 25 008 und 009), obwohl dort noch kein zugehöriger ET vorhanden war. Diese kamen mit elT
1832 (ET 25 011) und elT 1833 (ET 25 012) erst im Februar 1937 als Neulieferungen dorthin. Neulieferungen erhielt auch das BW Leipzig West mit elT 1834 (ET 25 013) und elT 1835 (ET 25 014) im März und April 193714.
Am 29. Dezember 1936 ist im Bw Leipzig West der elT 1823 zusammen mit den Steuerwagen elS 2401–2403 aus der Rbd Breslau eingetroffen. (Histor. Slg. DB AG)
Trieb- und Steuerwagen werden nach ihrer Ankunft von einigen Beamten inspiziert. (Slg. Bengt Dahlberg)
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Die Einheitstriebwagen und ihre Wegbereiter
Der noch als elT 1835 beschilderte ET 25 014 im Juli 1940 in seinem Heimat-BW Leipzig West (Histor. Slg. DB AG)
Mit diesem ET/ES 25-Bestand wurde von Magdeburg und Leipzig aus auf dem mitteldeutschen Ring über Halle (S.) oder Dessau überwiegend der Eil- und Personenzugdienst bedient. Dabei verloren die älteren ET 41 ab dem Jahreswechsel 1936/37 ihre Leistungen auf dem Abschnitt Dessau – Magdeburg. Erwähnenswert ist noch, dass am 28. Juni 1938 auf der Ehlebrücke zwischen Magdeburg-Neustadt und Biederitz der Triebwagen 1823a mit der hinteren Achse des zweiten Drehgestells wegen eines durch Kerbwirkung verursachten Achsbruchs entgleiste - so etwas gab es damals auch schon. Etwa zur gleichen Zeit war für die Behandlung der elektrischen Triebzüge auf dem Bahnhof Magdeburg Hbf eine Triebwagenhalle im Bau. Der Hallenbaukörper war bereits vollendet. Lediglich die Untersuchungsgruben und die übrige Innenausrüstung sowie der Anbau mit den Räumen für die Mitarbeiter, der Heizanlage und des Prüfumspannerraumes mussten noch fertiggestellt werden. Mit der Inbetriebnahme rechnete man im Herbst 193915. Auch die ET/ES 25 waren, wie die anderen in Mitteldeutschland eingesetzten Triebwagen, von Kriegsschäden betroffen. So brannten ET 25 013 und 014 in Leipzig als Folge des Bombenangriffs in den frühen Morgenstunden des 4. Dezember 1943 aus (das Betriebsbuch von ET 25 013 ist erhalten geblieben)16. Als Ersatz gab das BW Lauban am 17. April 1944 den ET 25 005 mit dem ES 25 115 an das BW Leipzig West ab.
Diese konnten die nachfolgenden kriegsbedingten Abgänge aus beiden Bahnbetriebswerken jedoch nicht ersetzen, denn weitere Verluste dezimierten deren ET/ES 25-Bestände. Schließlich waren zum Kriegsende nur noch die ET 25 005 und 009 sowie ES 25 006 und 007 des BW Leipzig West betriebsfähig, während das BW Magdeburg Hbf über keine einsatzfähigen ET/ES 25 mehr verfügte. Im April 1945 wurde der Steuerwagen ES 25 005 infolge von Kriegshandlungen beschädigt, konnte aber nach erfolgter Reparatur ab August wieder eingesetzt werden. Der beschädigte Magdeburger ET 25 011 konnte ebenfalls repariert werden und kam ab Anfang 1946 zum Einsatz. Noch am 29. März 1946 wurde er dem BW Leipzig West zugeteilt. Ihre Aufgabe als eigenständig fahrende Triebwagen konnten die Einheiten zu diesem Zeitpunkt wegen des Anfang April 1946 beginnenden Abbaus der mitteldeutschen Fahrleitungen nicht mehr erfüllen. Um sie wegen der Knappheit an Transportkapazitäten trotzdem sinnvoll verwenden zu können, erfolgte ab dem 1. April 1946 ihr Einsatz als Reisezugwagen in dampflokbespannten Zügen. Nachdem sie unter die Reparationsforderungen gefallen waren, überstellte das BW Leipzig West die ET 25 005, 009, 011, ES 25 005, 006 und 007 am 23. September 1946 in das RAW Dessau. Von dort aus traten sie bis zum Jahresende gemeinsam mit verwendbaren Teilen der zerlegten ET 25 013 und 014 und ES 25 115 die Reise in Richtung UdSSR an.
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Das BW Leipzig West erhält weitere schlesische Triebwagen Anfang 1945 begann die RBD Breslau, neben Elloks auch elektrische Triebzüge vor der nahenden Ostfront in vermeintlich „sicherere Gebiete“, vornehmlich mit dem Ziel Süddeutschland, zu verlagern. Doch nicht alle gelangten bis dorthin, sodass sich in Mitteldeutschland etliche schlesische ET 31 sowie ET/ES/EB 51 einfanden. Von drei in Richtung Süddeutschland abgesandten ET 31 traf der dreiteilige ET 31 004a/b/c am 4. Juli 1945 im BW Leipzig West ein. Mit einem Umweg über Reichenbach/ Vogtland erreichte der vierteilige ET 31 006a/b/c/d, dessen zweiter Mittelwagen, der ET 31 006d, ausgebrannt war, am 10. November 1945 das gleiche BW. Beide Triebzüge waren nicht betriebsfähig.
Nach Reparatur kleinerer Schäden konnte das BW Leipzig West den ET 51 14 ab dem 26. September 1945 einsetzen. Als Steuer- und Beiwagen standen dort zu diesem Zeitpunkt auch die ES 51 13 und 14 und EB 51 03 zur Verfügung. Der ET 51 03 verkehrte wegen seiner fehlenden Steuermaschine nur als Steuer- oder Beiwagen. Um seinen regulären Einsatz zu ermöglichen wurde er am 5. März 1946 zur Reparatur in das RAW Dessau gebracht. Auch in Saalfeld war man nicht untätig und richtete trotz der großen Beschädigungen im BW den als Schadfahrzeug abgestellten ET 51 04 wieder lauffähig als Personenwagen her, bevor er im Januar 1946 zur endgültigen Reparatur in das RAW Dessau überführt wurde.
Nach einer Reparatur im RAW Dessau konnte das BW Leipzig West den ET 31 004a/b/c ab dem 3. November 1945 einsetzen. Die Reparaturen am anderen Triebzug dauerten bis zum Jahresende; er stand dem BW Leipzig West ab dem 3. Januar 1946 dreiteilig als ET 31 006a/b/c zur Verfügung; der ausgebrannte ET 31 006d blieb im RAW abgestellt.
Wie bei den anderen Triebwagen auch sollte der reguläre elektrische Betrieb mit den reparierten Fahrzeugen nicht mehr lange möglich sein. Auch bei dieser Baureihe wurden ab dem 1. April 1946 die noch verwendungsfähigen Wagen als Reisezugwagen eingesetzt. Weil die Reparationsforderungen der Sowjets auch vor den inzwischen zweckentfremdeten Triebwagen nicht Halt machten, musste das BW Leipzig West bereits am 27. August 1946 die ET 31 004 und 006 gemeinsam mit dem ET 51 14 in das RAW Dessau überstellen. Auch an den noch verbliebenen ET 51 03, 04, ES 51 13 und 14 sowie dem EB 51 03 bekundeten die Sowjets ihr Interesse. Sie mussten am 17. Oktober 1946 in das RAW Dessau überstellt und dort für ihren Abtransport hergerichtet werden. Einzig EB 51
Von den vom BW Hirschberg nach Esslingen auf die Reise geschickten ET/ES/EB 51 gelangten zwischen dem 4. und 6. April 1945 nach Mitteldeutschland die Einheiten ET 51 03/ES 51 13/EB 51 03 und ET 51 04/ES 51 14/EB 51 04 sowie der ET 51 14. Bis auf den ET 51 04, den es in die RBD Erfurt verschlug, trafen die anderen Fahrzeuge im BW Leipzig West ein.
Der um einen Mittelwagen verstärkte, nun vierteilige ET 31 006 im Einsatz auf der Riesengebirgsbahn im Bf Krummhübel. 1945 gelangte er in das BW Leipzig West. (Fleiß; Slg. Chr. Tietze)
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Die Einheitstriebwagen und ihre Wegbereiter
Elf Jahre vor dem Abtransport nach Mitteldeutschland steht im März 1934 die fabrikneue Garnitur ET 51 03, EB 51 03 und ES 51 13 ablieferungsbereit auf dem Firmengelände der Linke-Hofmann-Werke in Breslau. (AEG-Werkfoto; Slg. Chr. Tietze)
04 nahm einen anderen Weg. Während ihres Abzuges aus Halle hatten ihn die Amerikaner am 6. Juni 1945 mitgenommen. Er gelangte nach Süddeutschland und erreichte damit doch noch sein ursprünglich vorgesehenes Ziel. Ab September 1948 war er im BW Esslingen beheimatet. Abschließend sollen an dieser Stelle noch kurz die zum Einsatz gekommenen Nachfolger benannt werden, nachdem die Triebwagen wegen des Abbaus der Fahrleitungen nicht mehr selbstständig fahren konnten. In einem Schreiben vom 28. März 1946 (also ein Tag vor dem schriftlich erteilten SMAD-Befehl Nr. 95) der Deutschen Zentralverwaltung für den Verkehr an den Chef der Lokomotivabteilung bei der Transportverwaltung der SMAD heißt es unter dem Betr.: Umstellung des elektrischen Zugbetriebes auf Dampfbetrieb im mitteldeutschen Raum: „Am 15.4.1946 soll dann der elektrische Betrieb auf der Strecke Leipzig - Bitterfeld - Dessau - Zerbst und am 10.4. auf der Strecke Halle - Leipzig stillgelegt werden, Auf der Strecke Leipzig - Zerbst sind 21 elektrische Lok und auf der Strecke Halle - Leipzig 14 elektrische Lok eingesetzt. ... Für die außerdem eingesetzten 4 elektrischen Triebwagen werden 2 Dieseltriebwagenzüge und im Übrigen leichte Dampfzüge eingesetzt.“ Dem bleibt anzumerken, dass für die vier genannten ET die Triebzüge ET 25 005, 009 sowie ET 31 004, 006 sowie die ET 41 01 und ET 51 14 in Betracht kommen. Infolge der bis Ende der 1930er Jahre durchgeführten Anpassungsmaßnahmen ließen sich alle Baureihenvertreter gemeinsam in einem Zugverband über Vielfachsteuerung betreiben.
Die abtransportierten Trieb-, Steuer- und Beiwagen verschwanden in den Weiten der Sowjetunion und sollen dort als Reisezugwagen genutzt worden sein. Erst vor einigen Jahren tauchte auf dem Areal des Eisenbahnmuseums in St. Petersburg ein Einzelwagen auf, hinter dem ein ehemaliger deutscher Wechselstromtriebwagen vermutet wurde. Er ließ sich trotz der zahlreichen vorgenommenen Umbauten eindeutig als ehemaliger ET 25 011b identifizieren. Ein weiteres Fahrzeug deutschen Ursprungs fotografierte im August 1989 ein Eisenbahnfreund im Depot Judino (heute Petuchovo) in Tatarstan, an der Strecke Sverdlovsk – Petropavlovsk kurz vor der Grenze zu Kasachstan gelegen. Trotz aller daran durchgeführter Umbauten war es als ein ehemaliger ET 511 zu erkennen. Da alle vier ET 511 entweder direkt aus Schlesien oder mit Umweg über die SBZ in die UdSSR gelangt waren, bestünde die Möglichkeit, dass es sich hierbei auch um ET 51 14 handeln könnte, der in der Nachkriegszeit noch ein kurzes Gastspiel in Mitteldeutschland gegeben hatte. Die seit Februar 1945 ausgebrannten und anschließend ausgemusterten Trieb- und Steuerwagen ET 41 02, 03 und 04 sowie EB 41 01 und 03 standen nach Kriegsende in Leipzig und wurden dort bis 1950 verschrottet. Auf Grund ihres schlechten Zustandes blieben im RAW Dessau der seit Anfang 1945 z-gestellte ET 25 012a/b und der im Mai 1945 ausgebrannte ES 25 008 stehen. Das gleiche Los ereilte den ausgebrannten Mittelwagen ET 31 006d. Die Reste der seit Dezember 1943 ausgebrannt abgestellten ET 25 013a/b und ET 25 014a/b verschrottete das RAW Dessau bis 1950.
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„Holländer“ in Not Niederländische Triebwagen 1945 bis 1949 in Ostdeutschland Nach dem Kriegsende befanden sich auf dem Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) an mehreren Orten zahlreiche Elektro- und Verbrennungstriebwagen sowie Reisezug-, Güterund Postwaggons in den unterschiedlichsten Ausführungen, die aus den Niederlanden stammten. Die hierzu vorhandenen Unterlagen sind recht dürftig und widersprechen sich inhaltlich zum Teil sogar, worauf nachfolgend näher eingegangen wird. Benannt werden auch Angaben, die sich nicht immer zweifelsfrei und eindeutig auslegen bzw. interpretieren lassen. Obwohl sich dieses Kapitel hauptsächlich mit den elektrischen
Triebwagen für das 1,5-kV-Gleichspannungssys-tem befasst, werden hier zwecks besseren Verständnisses der folgenden Ereignisse die anderen holländischen Fahrzeuge mitbesprochen. Es würde an dieser Stelle jedoch zu weit führen, die gesamte Triebwagenentwicklung der Niederländischen Staatsbahn (NS) vorzustellen. Die Autoren beschränken sich deshalb nur auf wichtige Entwicklungsetappen. Auch ein kurzer Abriss über die verschiedenen Typen von Elektrotriebwagen der NS und deren Bezeichnungsweise sollen die folgenden Abhandlungen verständlicher machen.
Die Formgebung des „Fliegenden Hamburgers“ VT 877a/b wurde im Windkanal als die strömungstechnisch günstigste ermittelt. Die Niederländischen Staatsbahnen übernahmen diese in einer etwas abgewandelten Form für ihre Diesel- und Elektrotriebzüge der Mat’-Serien. (Werkfoto AEG; Slg. U. Hübner)
Das Zeitalter der Stromlinienfahrzeuge Die Kopfform der niederländischen „Stromlinien“-Triebzüge ab der Gattung Mat’34 wurde im Windkanal getestet. Das ist naheliegend, denn schließlich begann in den 1930er Jahren die Ära der windschnittigen Fahrzeuge. Und hier waren die Luftschiffe aus Friedrichshafen u. a. der Ausgangspunkt für diese Entwicklung, die auch die Schienenfahrzeuge erfassen sollte. So verwundert es nicht, dass die äußere Gestalt der Mat’Triebköpfe von einem deutschen Unternehmen getestet wurde, welches sich dem Luftschiffbau verschrieben und in Friedrichshafen am Bodensee seinen Firmensitz hatte. Eng verbunden mit dem Zeppelinbau war die 1909 gegrün-
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dete Maybach-Motorenbau GmbH. Hier baute man zunächst Motoren für die Friedrichshafener Luftschiffe. Eigentümer des Unternehmens waren Wilhelm Maybach und Ferdinand Graf von Zeppelin. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde auf Grund des Versailler Friedensvertrages der Bau von Luftschiffen untersagt. Die Motorenbauer suchten in den 1920er und 1930er Jahren nach neuen Einsatzgebieten für ihre Erzeugnisse und rüsteten den ersten Verbrennungs-Schnelltriebwagen der Deutschen Reichsbahn Gesellschaft mit Motoren eigener Fertigung aus. Bekanntermaßen erlangte der als „Fliegender Hamburger“ (DR-VT 877a/b) bezeichnete Triebzug seit sei-
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nen im Jahre 1932 vollzogenen ersten Gehversuchen große Popularität und war so erfolgreich, dass auch andere europäische Bahnverwaltungen den Einsatz von Verbrennungsschnelltriebwagen mit Maybachmotoren planten. Weil der Luftwiderstand von Fahrzeugen mit zunehmender Geschwindigkeit große Mengen an Antriebsenergie aufbraucht, die Motorleistung aber nicht ohne weiteres, insbesondere wegen der damit einhergehenden Gewichtzunahme gesteigert werden konnte, suchte man bei Maybach nach Möglichkeiten, hierauf Einfluss zu nehmen. Nichts lag deshalb näher, als beim Luftschiffbau Zeppelin entsprechende Versuche mit Modellen in deren „Windstromkanal“ durchführen zu lassen. Schließlich war Maybach ohnehin über den Firmeneigentümer Graf Zeppelin mit dem Friedrichshafener Unternehmen eng verbunden. Ein entsprechendes Angebot unterbreitete Maybach dem Reichsbahn-Zentralamt für Maschinenbau in Berlin in den ersten Monaten des Jahres 1934. Insbesondere ging es darum, genauere als die bisher bestimmten Luftwiderstandsbeiwerte (cw) für den VT 877a/b und weitere in Planung befindliche Reichsbahn-VT zu ermitteln. In einem Schreiben des RZA an die Hauptverwaltung der DRG vom 19. März 1934 heißt es hierzu: „Durch Ausführung von Modellversuchen für die Französische Nordbahn, die Belgische Staatsbahn und die Niederländischen Eisenbahnen konnte der Luftschiffbau Zeppelin umfassende Erfahrungen in der Untersuchung von Triebwagen sammeln. Diese Erfahrungen werden von der Maybach-Motorenbau GmbH für die beabsichtigten Versuche voll zur Verfügung gestellt, da die
Maybach-Motorenbau GmbH bei der Ausführung von Messungen für die ausländischen Bahnverwaltungen es sich vorbehalten hat, die gewonnenen Erfahrungen der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft zugänglich zu machen. Durch Ausnutzung dieser Erfahrungen können daher die sonst notwendigen Voruntersuchungen erspart und Doppelarbeiten vermieden werden17. Wir beabsichtigen, die Luftwiderstandsermittlungen an zweiteiligen und dreiteiligen Schnelltriebwagen und an 4-achsigen Trieb- und Steuerwagen durchzuführen. Außer der allgemeinen Widerstandsermittlung bei achsparalleler und schräger Anblasung sollen insbesondere die günstigste Ausbildung der Bodenschürze und die vorteilhafteste Anordnung der Verkleidung der Ausrüstungsteile an der Wagenstirnwand wie Seitenpuffer, Mittelpufferkupplung, Steuerstromkupplung und ähnliches untersucht werden. Wir haben ein Angebot der Firma Maybach-Motorenbau GmbH auf Ausführung dieser Messungen einschließlich Anfertigung der Modelle eingeholt. Dieses lautet auf einen Betrag von 11.145,- RM.“ Die Genehmigung zur Durchführung dieser Versuche erfolgte am 7. April 1934 bei gleichzeitiger Bewilligung von 12.500 Reichsmark. Wenig später, am 19. April 1934 erging an die Firma Maybach der Auftrag zur Durchführung der Versuche, die am 15. September 1934 abgeschlossen waren. In seinem Abschlußbericht führte das RZA am 16. November 1934 aus: „… den grundsätzlichen Messungen wurde der zweiteilige Schnelltriebwagen in Jacobs-Bauart zugrunde gelegt (Anm. d. A.: Dabei handelt es sich um die Bauart Hamburg). ...
Ansicht eines zweiteiligen VT analog der Serienausführung Hamburg im Windkanal bei Zeppelin in Friedrichshafen (Histor. Slg. DB AG)
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Die Versuche zur Ermittlung des Einflusses der Kopfform wurden so durchgeführt, dass lediglich die Kopfformen verändert wurden; die sonstigen Modellausführungen und auch die Versuchsbedingungen wurden hierbei stets unverändert gelassen.“ Eine Kopfform, die bei den holländischen Mat’-Triebwagen zum Einsatz kam, wurde als Kopfform „H“ bezeichnet. Das Modell eines zweiteiligen VT mit Jacobsdrehgestellen mit der Kopfform „H“ ergab bei einer Anblasung in Fahrtrichtung mit v=30,8 m/s (112 km/h) einen cw–Wert von 0,409, während
die verbesserte Kopfform des „Fliegenden Hamburgers“, wie sie bei den Serienzügen zum Einsatz kam, unter gleichen Bedingungen einen cw-Wert von 0,363 erzielte18. Trotzdem erhielten die ersten Verbrennungs-Schnelltriebwagen für die Niederlande, die mit Maybachmotoren ausgestatteten Mat’34 bzw. DE 3- und DE 5-Triebzüge, eine Kopfform analog der Ausführung „H“. Diese Variante bestimmte auch das äußere Erscheinungsbild aller weiteren bis zum Kriegsende in den Niederlanden in Betrieb genommenen „Stromlinien“-Triebwagen bzw. -züge der Mat’-Serien.
Kopfform „H“ auf dem „Grundmodell“ mon tiert. In dieser Ausführung wurde ein zweiteiliges Modell im Maßstab 1:15 im Windkanalversuch bei Zeppelin im Jahre 1934 untersucht. Deutlich sind die kleinen Fenster im Frontbereich zu erkennen, die in sehr ähnlicher Weise beim Vorbild, den niederländischen Mat’34 ff.-Triebzügen, ausgeführt wurden. (Histor. Slg. DB AG)
Diesel-elektrischer Triebzug DE 3 der Gat± tung Mat’34 der NS mit Maybach-Motoren im Mittelwagen. Die im Windkanal ermittelte äußere Formgebung sollte in den folgenden Jahren auch die aller weiteren zu beschaffenden Diesel- und Elektrotriebwagen bestimmen. (Werkfoto Beijnes; Slg. N. Spilt)
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Die Entwicklung der niederländischen Elektrotriebwagen Doch unser weiteres Interesse soll den Elektrotriebwagen gelten. Bereits vor der Beschaffung der Stromlinientriebwagen betrieb die NS seit 1923 einen umfangreichen Verkehr mit elektrischen Triebwagenzügen zwischen Amsterdam und Rotterdam. Die hier eingesetzten Trieb-, Mittel- und Steuerwagen der Gattung Mat’24 waren Einzelfahrzeuge mit Aufbauten in Mischbauweise (Seitenwände und Dach anfangs aus Holz, dann Stahl/Holz und zuletzt ausschließlich Stahl). Nach der damals gültigen Bezeichnungsweise gab es folgende Serien:
Die Hauptgattungszeichen A, B und C verweisen auf die Wagenklasse, das D auf ein Gepäckabteil. Ein Triebwagen wird gekennzeichnet durch ein vorangestelltes m. Mittel- und Steuerwagen für Elektrotriebwagen führen im Nebengattungszeichen ein e, der zweite Buchstabe kennzeichnet das Fahrzeug als Mittelwagen (c) oder als Steuerwagen (s). Hersteller des wagenbaulichen Teils waren die Firmen Hawa, Beijnes, Werkspoor und die WUMAG in Görlitz. Den elektrischen Teil lieferten Vickers und Westinghouse. Das zuvor beschriebene Bezeichnungssystem löste 1937 ein neues ab, in welches dann auch die Stromlinienzüge eingegliedert wurden.
Triebwagen mBD 9001 - 9030 mCD 9401 - 9447 mC 9001 - 9038 mABD 9001 - 9004
mit 3. Klasse und Gepäckabteil mit 3. Klasse mit 3. Klasse mit 1., 2., 3. Klasse und Gepäckabteil *)
Mittelwagen Aec 8501 - 8527 Bec 8501 - 8533 Cec 8501 - 8555
mit 1. Klasse mit 2. Klasse mit 3. Klasse
Steuerwagen Ces 8101 - 8103 Cesc 8107 - 8110
mit 3. Klasse *) mit 3. Klasse +)
Der Erfolg mit den 1934 beschafften diesel-elektrischen Triebzügen veranlasste die NS, dieses Konzept auch für die weiteren zu beschaffenden elektrischen Triebzüge zu übernehmen. Schon 1935 erschienen acht zweiteilige Mat’35-Einheiten. Mit drei verschieden ausgerüs-teten Wagenkästen konnten zwei unterschiedliche Doppeltriebwageneinheiten (kurzgekuppelt und mit Jacobsdrehgestell) gebildet werden. Je nach Ausstattung - mit oder ohne Gepäckabteil - erhielten die Triebzüge die Seriennummern:
El 2 - 201 bis 203 und 207 ElD 2 - 204 bis 206 und 208
mit je einem BCk + Ck-Wagen mit je einem BCk + CDk-Wagen
Triebwagen mABD 9001 der Mat’24-Serie, Baujahr 1927, in der ± Erstlackierung mit Wagenkasten aus Stahl, noch ohne elektrische Dachausrüstung. Von der Gattung mABD befanden sich nach bisheriger Kenntnis keine ET in der SBZ. Trotzdem ist das Foto interessant, vermittelt es doch sehr gut den Charakter der Mat’24Fahrzeuge der NS. (Werkfoto WUMAG Görlitz; Slg. W. Theurich)
*) diese Trieb- und Steuerwagen wurden 1927 zum Bilden von Zweiwagenzügen beschafft +) 1935 durch Umbau aus Cec-Wagen entstanden
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Aufnahme vom Cec 8509 der Mat’24-Serie der NS in der Ursprungslackierung. Von diesem Typ befanden sich mehrere Wagen in der SBZ bzw. der späteren DDR. (Werkfoto WUMAG; Slg. W. Theurich)
Ein bunt gemischter Mat’24-Triebwagenzug am 16. Juni 1956 im Bf Leiden. Es führt ein mBD 9001 - 9030, gefolgt von einem UmbauSteuerwagen der Serie Cecs 8107 - 8110. (Slg. N. Spilt)
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Ein aus zwei Mat’35-ElD 2-Einheiten der Seriennummern 201 bis 203 und 207 gebildeter Triebwagenzug ist hier 1952/53 zwischen Den Haag und Scheveningen unterwegs. (N. Spilt)
Damit sind wir schon bei dem neuen Bezeichnungssystem, das hier ebenfalls kurz erläutert wird. El weist auf einen Elektrotriebwagen hin, die anschließende Ziffer gibt die Anzahl der Wagen eines Triebzuges an. Das Gattungszeichen B bedeutet 2. Wagenklasse, C die 3. Wagenklasse. D bezeichnet ein großes Gepäckabteil, und k steht für (Kopf-) wagen mit angetriebenen Radsätzen. Demzufolge handelt es sich hier um zwei Kopfwagen eines zweiteiligen Elektrotriebzuges, von denen beim El 2 einer die 2. und 3. Klasse, der andere ausschließlich die 3. Klasse führt. Beim ElD 2 verfügt der 3.-Klassewagen über einen zusätzlichen Gepäckraum. Mittelwagen mit einem e hinter dem Gattungszeichen besitzen einen Reserve-Stromabnehmer zur wahlweisen Energieversorgung der Triebköpfe (Kopfwagen k), und einen Wagen mit Speiseabteilen kennzeichnet ein zusätzliches r; derartige Fahrzeuge werden noch vorgestellt. Der mit den Mat’35-Zweiteilern eingeschlagene Weg zog sich in der Folgezeit wie ein roter Faden durch die Entwicklung der holländischen E-Triebzüge und wurde zu einer wahren Erfolgsgeschichte. 1937 erfolgte die Indienststellung der zweiteiligen Mat’36-Triebzüge mit den Seriennummern 211 bis 263 und der Wagenzusammensetzung BCk + Ck. Beide Wagenkästen ruhten am Kurzkupplungsende wieder auf einem Jacobs-Drehgestell. Unter deutscher Besatzung begann ab 1942 die Erweiterung von 29 Zweiwagenzügen des Typs El 2 um einen Mittelwagen mit Gepäckabteil und vier Abteilen 3. Klasse. Die dreiteiligen
Züge verfügten nun über zwei Jacobsdrehgestelle und wurden als Typ EID 3 mit den Seriennummern 401 bis 429 bezeichnet (Ck + CDo + BCk). Die restlichen Zweiteiler beabsichtigte man durch Einfügen eines reinen 3.-Klasse-Mittelwagens Co ebenfalls zu El 3-Dreiteilern aufzurüsten. Diese Pläne vereitelte der Krieg, sodass diese Züge erst ab 1949 mit den neuen Seriennummern 441 bis 453 in Betrieb gingen. Die gleichzeitig mit den zweiteiligen Mat’36/El 2-Zügen bestellten dreiteiligen Mat’36-Züge des Typs ElD 3 mit den Seriennummern 601 bis 637 verfügten über zwei Kopf- und einen Mittelwagen, jedoch erhielt jeder Wagen zwei eigene Drehgestelle. Der Triebzug setzte sich zusammen aus den Wagen CDk + Ce + Bk, wobei der Mittelwagen wiederum einen Reservestromabnehmer besaß. Im Hinblick auf eine spätere Erweiterung auf Vierwagenzüge hatten die Züge der 600er Serie eine ausreichend dimensionierte Antriebsleistung erhalten. Bis 1942 verstärkte ein zweiter C-Mittelwagen dann auch alle Züge bis auf den im Mai 1940 in Rotterdam kriegszerstörten ElD 3 - 619. Die neue Typbezeichnung lautete ElD 4 - 601 bis 618 und 620 bis 637 mit den Wagen CDk + Ce + C + Bk. Von den Fahrzeugen Mat’35 und Mat’36 wurde schließlich noch die Gattung Mat’40, bestehend aus zwei Kopfwagen BCk und CDk mit den Seriennummern ElD 2 - 301 bis 314 abgeleitet und ab 1943 geliefert. Auch diese Triebzüge bestanden aus Einzelwagen. Die Einheit mit der Nummer 315 konnte bis zum Kriegsende nicht mehr fertiggestellt werden,
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Der El 2-215 als Zug 56, aufgenommen am 3. Oktober 1953, dem letzten Betriebstag der Linie Den Haag – Scheveningen (J.J.B. Vellekoop; Slg. N. Spilt)
NS-Mat’36-Serie 211 bis 263 der Baujahre 1937 bis 1938. Links der Ck- rechts der BCk-Wagen (Zeichnung G. van de Weerd)
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Dieser dreiteilige Mat’36-Zug der Serie 401 bis 429 wurde in der Zeit zwischen 1942 und September 1944 fotografiert. (Slg. A. Melms)
Mit diesen CDo-Mittelwagen wurden ab 1942 29 Mat’36¯ Triebzüge der Serie 211 bis 263 zu dreiteiligen Triebzügen umgerüstet. (Zeichnung G. van de Weerd)
Ein dreiteiliger Mat’36 der 600er Serie im Haltepunkt Oosterbeek auf der Strecke Utrecht – Arnheim. An der Zugspitze der CDk-Wagen, gefolgt vom Ce mit dem Reservestromabnehmer und dem Bk. Am Zugende befindet sich eine weitere zweiteilige Einheit. (N. Spilt)
Zeichnung der dreiteiligen Mat’36/ElD 3-Einheit. Links der CDk-Wagen gefolgt vom Ce-Mittel- und dem Bk-Kopfwagen. (Zeichnung G. van de Weerd)
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und den Einheiten 303 bis 309, 311 und 312 fehlte bei Ablieferung die elektrische Ausrüstung, so dass ihr Einsatz vorläufig als motorlose „Gleiter“ erfolgte. Doch es gab auch Einheiten, die in einem Triebzug beide Drehgestellausführungen nutzten. Dabei handelte es sich um die fünfteilige Gattung Mat’40 und des Typs ElD 5 mit 800er Seriennummern, bei denen drei Wagen mit Jacobsdrehgestellen (CDk, Coo, Co) und zwei Wagen (Cr und ABk) auf ei-
genen Drehgestellen liefen. Die Indienststellung der Einheiten Nr. 801 bis 825 erfolgte 1942 bis 1944, also während des Zweiten Weltkrieges19. Der Fünfteiler verfügte über acht Fahrmotoren, von denen je zwei in den Kopfwagen und die restlichen vier in den beiden Drehgestellen des mit dem Reservestromabnehmer ausgerüsteten Co-Wagens untergebracht waren. Hier erhielt erstmals auch ein Mittelwagen eine zusätzliche Antriebsausrüstung.
36 C-Wagen beschaffte die NS, um die dreiteiligen Mat’36-Züge der Serie 600 zu vierteiligen zusammenstellen zu können. (Zeichnung G. van de Weerd)
Links der BCk- und rechts der CDk-Wagen der Mat’40-300-Serie. Von diesen Triebzügen wurden 1943 14 Einheiten an die Niederländische Staatsbahn geliefert. NS 303, 306 und 310 befanden sich nach Kriegsende in der SBZ. (Zeichnung G. van de Weerd)
Ein zweiteiliger Mat’40-Zug der 300er Serie an der Haltestelle Renbaan Buurtweg (Strecke Rotterdam – Scheveningen) am 28. Mai 1949. (M. von Dort; Slg. N Spilt)
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In Amsterdam ist 1960 das Foto eines fünfteiligen Mat’40 der 800er Serie entstanden. (N. Spilt)
Holländische Triebzüge als Kriegsbeute in der SBZ Eine weitere in der SBZ verbliebene Wagengattung waren Postwagen, die der Gattung Pec 8501 bis 8506 und 8507 bis 8521 angehörten. Diese konnten in den Verband von Triebwagenzügen eingereiht werden, verfügten also über die für die Zugsteuerung erforderlichen Luft- und Steuerstromleitungen. Beide Wagenenden besaßen den Mat 35 ff.-Kopfwagen ähnliche Frontpartien, verfügten aber über keine Führerstände. Diese Tatsache wurde offenbar bei den späteren, noch zu besprechenden, Besichtigungen verkannt, da sie hier immer als Steuerwagen oder als ET ohne Fahrmotoren erwähnt werden. Von allen diesen Bauarten befanden sich nach dem 8. Mai 1945 teils vollständige Einheiten, teils Reste oder Einzelwagen in unterschiedlichem Zustand u. a. in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Selbst elektrische Trieb- und Beiwagen älterer Bauart Mat’24 der Baujahre 1924-1931 standen in einem Dutzend auf den Gleisen der DR (Ost). Auch nicht genauer identifizierbare holländische Fahrzeuge wurden registriert. Wann und wie diese Fahrzeuge nach Mitteldeutschland gelangten, kann bisher nur an Hand von bruchstückhaft überlieferten Angaben erahnt werden. Aussagekräftige und eindeutige Primärquellen ließen sich bis jetzt von den Autoren nicht erschließen. Jedoch gibt es Informationen u. a. von Gerard
van de Weerd aus den Niederlanden oder von dem beim deutschen Bahnbevollmächtigten für die Niederländische Staatsbahn in Utrecht tätigen Mitarbeiter Vogel, der während des Zweiten Weltkrieges in den Jahren 1941-1945 dorthin delegiert worden war20. Auch bei Wikipedia lassen sich Hinweise finden. So ist auf der niederländischen Variante des Onlinelexikons zu lesen, dass Mat’40-Triebzüge während des Zweiten Weltkrieges nach dem „Osten“ verbracht wurden21. Bei van de Weerd ist die Rede davon, dass allein von den 29 Mat’36-Einheiten, die einen zusätzlichen Mittelwagen erhalten hatten (Typ EID 3 mit den Seriennummern 401 bis 429), 21 während des Zweiten Weltkrieges nach Deutschland kamen. Weiter führt er aus, dass nach Ende der Kampfhandlungen einige von diesen Zügen nicht aufgefunden werden konnten bzw. aus dem Ostblock nicht zurückgegeben wurden22. Außerdem soll es holländische Postwagen und zumindest einen Mat’36, denjenigen mit der Nummer 234, nach Polen verschlagen haben, so van de Weerd. Nach seinen Angaben kehrte dieser Triebzug im Dezember 1951 in seine Heimat zurück. Von Vogel, der später als Bundesbahnoberrat bei der Bundesbahndirektion in Trier tätig war, stammen Angaben über den ETEinsatz. Sie betreffen den Zeitraum nach dem 17. September 1944, als die holländischen Eisenbahner zum Streik aufgerufen
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Ein Postwagen der Nummernreihe 8501 bis 8506 (Werkfoto Beijnes; Slg. N. Spilt)
Die Postwagen 8507 bis 8521 unterscheiden sich von ihren Vorgängern durch eine größere Länge und die nicht mehr eingezogenen Stirnwandnasen. (Zeichnung G. van de Weerd)
wurden und der nachfolgende Bahnbetrieb auf den Hauptstrecken der Niederlande von deutschen Eisenbahnern aufrecht gehalten wurde. Vogel äußerte sich im Februar 1946, bei der Vernehmung durch den Director General of British Railway in Bielefeld, auf die Frage: „Wie groß war die Wirksamkeit von Angriffen auf Wagenansammlungen der holländischen Eisenbahnen“, wie folgt: „Von dieser Art Angriffe sind in erster Linie die innerhalb der Niederländischen Eisenbahnen abgestellten elektrischen Triebwagenzüge, die wir nicht benutzt haben, betroffen worden. Die Züge wurden in der Regel solange angegriffen, bis sie ausbrannten oder ganz vernichtet waren.“23 Auf Grund dieser Ausführungen kann angenommen werden, dass zumindest bis zum Beginn des Streiks der holländischen Eisenbahner die elektrischen Triebzüge im Einsatz gestanden haben. Dafür spricht auch, dass, die Niederländische Staatsbahn 1943/44 wohl kaum neue Einheiten in Betrieb genommen hätte, wenn diese seinerzeit nicht bis zur bereits benannten Abstellung verwendet worden wären. Die zahlreichen
62
Zerstörungen an dem ET-Bestand erfolgten also hauptsächlich seit Mitte September 1944 bis zum Kriegsende. Aber zumindest ein Teil der ET, der diesen Angriffen nicht ausgesetzt war, muss spätestens zu diesem Zeitpunkt (September 1944), wahrscheinlich auf deutsche Veranlassung hin (eventuell als Räumgut), in andere Gebiete verbracht, also anderweitig und nutzbringend verwendet worden sein. Nur so lässt sich erklären, dass nach Kriegsende einige von ihnen in Mitteldeutschland und Polen aufgefunden wurden. Nicht unerwähnt bleiben soll an dieser Stelle, dass der Betrieb von Verbrennungstriebwagen hingegen seit der Aufnahme der Tätigkeit des deutschen Bevollmächtigten für den Bahnbetrieb in den Niederlanden im Mai 1940 verboten war24. Auf der anderen Seite befanden sich nach der deutschen Kapitulation Reichsbahnfahrzeuge auf holländischem Gebiet. Davon sollten einige ihren Weg zurück nach Deutschland nehmen. Im Rahmen Ihrer Möglichkeiten versuchte die Britische Besatzungsmacht hier hilfreich tätig zu werden.
Holländer" in Not
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Die Rückführaktion der „Holländer“ und was davon übrig blieb Bereits am 27. September 1947 hatte sich die Niederländische Militärmission in Berlin an die Transportverwaltung der Sowjetischen Militärischen Administration in Deutschland (SMAD) gewandt. Abschriften des Gesuchs gingen auch an das Hauptquartier der Britischen Transportdivision bei der Kontrollkommission in Berlin. Darin wurde die Durchleitung von 61 gedeckten Reichsbahngüterwagen aus Holland durch die britische in die sowjetische Besatzungszone bestätigt. Im Gegenzug sollten 60 schwer beschädigte Eisenbahnwagen und ein mobiler Generator von der Sowjetzone durch die britische Zone nach Holland gebracht werden. Einzelheiten über die Durchführung und die ordnungsgemäße Abwicklung des Transportes wurden zwischen den drei beteiligten Parteien verhandelt25. Gleichzeitig war die DR (Ost) an einer Rückgabe von Fahrzeugen interessiert, die in der RBD Dresden standen. Das belegt ein Schreiben vom 6. Oktober 1947 der Deutschen Zentralverwaltung für den Verkehr (DZVV) an die Transportverwaltung der SMAD in Berlin. Unter dem Betreff: Holländische Triebwagen für 1500 V Gleichstrom heißt es: „Mit Schreiben vom 5.5.1947 –Hv 32 Bbt 13 – bat ich um die Genehmi-
gung, 15 im Bezirk der Reichsbahndirektion Dresden abgestellte holländische Triebwagen der Niederländischen MilitärMission anbieten zu dürfen, um die Fahrzeuge, die von der Reichsbahn nicht verwendet werden können, vor Schäden durch Witterungseinflüsse und Plünderungen zu bewahren. Auf dieses Schreiben ist noch keine Antwort eingegangen. Ich bitte deshalb nochmals um Entscheidung.“26 Bevor auf die Antwort der SMAD eingegangen werden soll, wäre interessant zu klären, um welche Gleichstromtriebwagen es sich handelte. Antworten hierauf lassen sich, wenn auch nur indirekt, finden. Durch Fotos der RBD Dresden kann nachgewiesen werden, dass sich im Frühjahr 1945 im BW Dresden-Pieschen der vierteilige Triebzug Mat’36, Nr. 615 befand. Auf dem gleichen Gleis stand auch eine Mat’40/Serie 300-Einheit. Die Nummer des Fahrzeuges lässt sich auf dem Foto nicht ermitteln. Weil aber insgesamt nur drei bisher bekannte Mat’40/Serie 300-Züge mit den Nummern 303, 306 und 310 in der SBZ registriert wurden, kann nur einer dieser Triebwagen auf dem Foto zu sehen sein. Wahrscheinlich handelt es sich um den
Der NS-Triebzug der Mat’36-Serie 600 Nr. 615 im Bw Dresden-Pieschen bei Kriegsende 1945. In Bildmitte der Ce-Wagen mit dem Reserve-Stromabnehmer auf dem Dach. Links der Bk-Kopfwagen, rechts vom Ce- der C-Wagen. Noch weiter rechts auf dem Bild nicht mehr zu erkennen der CDk-Wagen (RBD Dresden; Histor. Slg. DB AG)
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Zug 306. In der im Februar 1948 angefertigten Liste über die „Noch vorhandene Niederländische Triebwagen“ wurde diese Einheit mit dem Standort RBD Dresden angegeben27. Für die Züge 303 und 310 wurde in einer zeitgleich erstellten „Zusammenstellung der zurückgegebenen Niederländischen Triebwagen“ die Angabe „innen schadhaft“ gemacht. Die auf dem Foto abgebildete Mat’400/Serie 300-Einheit ist jedoch, zumindest zur Hälfte, völlig verbrannt und keineswegs innen nur schadhaft. Die Triebzüge 303 und 310 können deshalb wohl eher ausgeschlossen werden weshalb nur Zug Nr. 306 als möglicher Kandidat für den 1945 fotografierten Mat’40-Zug verbleibt. Ende 1947/Anfang 1948 befanden sich darüber hinaus folgende Einheiten in der zuvor genannten RBD: Postwagen 8507 und 8512, Mat’24-Wagen: 9013, 9026 (jeweils ohne
Gattungsnennung) und mC 9035. Ferner die unbekannten Fahrzeuge mit den NS-Nummern 9044 und 9047. Auch diese Fahrzeuge werden zu den 15 angebotenen Triebwagen gehört haben. Letzteres natürlich unter der Annahme, dass eine Umsetzung der hier genannten Triebwagen von anderen Direktionen bzw. Standorten zwischen dem Zeitpunkt der Nennung von 15 Triebwagen im Oktober 1947 bzw. dem Aufnahmezeitpunkt der Fotos im Frühjahr 1945 und dem Zeitpunkt der Erstellung der zuvor zitierten Listen im Februar 1948 nicht erfolgte, wovon ausgegangen wird. Weil die in der SBZ bzw. der späteren DDR verbliebenen Fahrzeuge für die weiteren Betrachtungen noch von Bedeutung sein werden, wird die Liste mit der Aufzählung der im Februar 1948 erfassten Fahrzeuge hier in Abschrift wiedergegeben28. Sie gibt Auskunft über deren Standort und Zustand.
Trotz der starken Zerstörung lässt sich der zweiteilige Mat’40-Triebzug der Serie 300 im BW Dresden-Pieschen sehr gut erkennen. Wahrscheinlich handelt es sich um den Zug mit der Nummer 306. Rechts der CDk- und links der BCk-Wagen. Am linken Bildrand der CDk-Wagen des NS 615 (RBD Dresden, Februar 1945; Histor. Slg. DB AG)
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Holländer" in Not
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„Noch vorhandene Niederländische Triebwagen“ Lfd. Nr.
Triebwagen Nr.
Art
Anzahl der Wagen
Anzahl der Achsen
Standort des Wagens
Zustand des Wagens
1
NS 9014
ET
1
4
2
NS 401
ET 2: BCk ET 1: CDk
3
8
Bf Halle
stark beschädigt
3
NS 404
ET 2: BCk ET 1: CDk
3
8
Bf Halle
stark beschädigt
4
NS 428
ET 2: BCk ET 1: CDk
3
8
Bf Halle
stark beschädigt
5
NS 809
ET
1
4
Bf Halle
stark beschädigt
6
NS ?
Post
1
4
Bf Halle
stark beschädigt
7
NS 8507
ES
Post
1
4
RBD Dresden
8
NS 306
ET
CDk
2
8
RBD Dresden
9
NS 615
ET
4
16 od. 20
RBD Dresden
ET
CDk, C, Ce Bk
ABk
10
NS 8512
ES
Post
1
4
RBD Dresden
11
NS 9160
ET
BD
1
4
RBD Erfurt unbekannt
Als Personenwagen eingesetzt
12
NS 8534
ES
AB
1
4
RBD Erfurt unbekannt“
Als Personenwagen eingesetzt
13
NS 38
ET
3
10
Bf Neudietendorf RBD Erfurt
Ausgebrannt, nicht lauffähig
14
NS 210 ?
C4ü
1
4
RBD Halle
15
NS 426
ET
1?
8
RBD Schwerin
16
NS 602
ET
3
12
RBD Schwerin
17
NS 606
ET
4
16
RBD Halle
18
NS 617
ET
4
16
RBD Schwerin
19
NS 620
ET
1
4
RBD Schwerin
20
NS 628
ET
2
8
RBD Schwerin
21
NS 824
ET
2
8
RBD Schwerin
22
NS 9009
ET
1
4
RBD Halle
23
NS 9013
ET
1
4
RBD Dresden
24
NS 9044
ET
1
4
RBD Dresden
25
NS 9025
ET
1
4
RBD Halle
26
NS 9026
ET
1
4
RBD Dresden
im Bauzug
27
NS 9035
ET
1
4
RBD Dresden
im Bauzug
28
NS 9047
ET
1
4
RBD Dresden
im Bauzug
29
NS 9160
ET
1
4
RBD Erfurt
30
NS 9159
ET
1
4
RBD Halle
31
NS 9910
ET
1
4
RBD Halle
32
NS 2905
VT
1
4
RBD Magdeburg
33
NS
VT
1
2
RBD Halle, RAW Dessau
B8
Bemerkungen
(vom ElD 5/ Serie 801 bis 825)
Längsträger durchgebogen
im Bauzug
Die Listenposition Lfd.-Nr. 6 enthielt einen hier nicht wiedergegebenen O-Wagen. Der NS 9160 wird jeweils unter den Positionen 30 und 12 geführt, was als Doppelnennung interpretiert wird.
65
Doch zurück zur angeforderten Antwort auf die Bitte der DZVV vom 6. Oktober 1947. Diese erfolgte am 29. Dezember 1947 mit der SMAD-Anordnung, nach der „alle in der sowjetischen Besatzungszone vorhandenen Niederländischen Verbrennungs- und elektrischen Triebwagen nebst Beiwagen spätestens bis zum 10.1.48 über Oebisfelde an die Westzone abzugeben“ sind. Weiter heißt es in einem Schreiben der Hauptverwaltung an die RBD’en und AW’e in der SBZ vom 3. Januar 1948: „Über jede Triebwageneinheit ist ein Übergangsprotokoll mit folgenden Angaben anzufertigen und uns einzusenden: Fahrzeugart, Fahrzeug-Nr., Achszahl und kurze Beschreibung des Zustandes. Zum 10.1.48 ist uns von allen RBDen und RAWen die Abfuhr der Niederländischen Triebwagen unter Angabe der Anzahl und Nummern zu bestätigen.“ Unterschrieben war die Mitteilung von dem späteren Verkehrsminister der DDR Erwin Kramer29.
Bei den in Holland eingetroffenen Fahrzeugen handelte es sich um folgende, mit Angabe des Tages der DR (Ost)-Überstellung, wobei Anmerkungen der Autoren zur vermuteten Gattung (die Angaben fehlten teilweise) und Besonderheiten in Klammern stehen.
Am Mittwoch, den 7. Januar 1948: rä rä
rä rä
Um diese Anordnung ausführen zu können, registrierte die DR (Ost) alle auf ihrem Gebiet vorhandenen holländischen Elektrotrieb-, Steuer-, Bei- sowie Verbrennungstriebwagen bis zum Januar 1948 und erstellte die beiden Aufstellungen „Zusammenstellung der zurückgegebenen Niederländischen Triebwagen“ (umfasst 61 Positionen) und „Noch vorhandene Niederländische Triebwagen“ (weiter oben in Abschrift wiedergegeben) bis zum Februar 1948. Bemerkenswert ist, dass die Anzahl der schwer beschädigten Eisenbahnfahrzeuge, die aus der SBZ gegen in Holland verbliebene 61 DR-Güterwagen ausgetauscht werden sollten, mit der Anzahl der Positionen der „Zusammenstellung der zurückgegebenen Niederländischen Triebwagen“ übereinstimmt. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die beiden hier genannten Sachverhalte zusammenhängen. Dem Leser soll an dieser Stelle die Nennung der von der DR (Ost) über Oebisfelde an die Britische Zone und von dort an die Niederlande abgegebenen Triebwagen nicht vorenthalten werden. Diese Informationen sind deshalb interessant, weil bisher nur unvollständige Angaben über den Verbleib dieser Fahrzeuge vorliegen und sich damit die Gelegenheit bietet, deren Schicksale weiter aufzuklären. Für die abgegebenen Einheiten gibt es drei Quellen. Zum einem die bereits zitierte Aufstellung vom Februar 1948: „Zusammenstellung der zurückgegebenen Niederländischen Triebwagen“ aus einer Reichsbahnakte. Zum anderen die korrigierte Fassung dieser Liste vom Oktober 1948 in einer Akte der SMAD. Und drittens eine Aufstellung die nach dem 18. Mai 1948 angefertigt wurde. Letztere ist ebenfalls in den Akten der SMAD vorhanden und hat, im Gegensatz zu den beiden zuvor genannten Aufstellungen, einen großen Vorteil. Sie enthält sowohl die von der DR (Ost) angegebenen 61 Positionen, als auch diejenigen, die von der Britischen Zone, DR (West), in Empfang genommen wurden. Ferner wird aufgelistet, welche Positionen bei den Holländern eingegangen waren. Aus diesem Grunde wird für die nachfolgenden Angaben hauptsächlich auf die nach dem 18. Mai 1948 angefertigte Aufstellung zurückgegriffen.
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ä @Sä-QM ääTMCää"DBääTMCääL"Cää , (mB4D) ä,@Sä-Q ääCHDä#1ä.RSäF@Aää6@FDMä@MäCHDä'NKKÊMCDQä empfingen jedoch nur zwei Wagen. Bei van de Weerd gilt der Zug in seinem Heimatland als vermisst)30 ä,@Sä-QM ääCQDHSDHKHFääUHDQSDHKHFäNAVNGKä#1ä.RSää Wagen meldete) äNGMDä9TNQCMTMFäYTäDHMDQä&@SSTMFäNCDQä3QHDAV@FDMSXODäCHDä%@GQYDTFDä mit den Angaben: 9125 (1 ET), ZZD 4001 (1 VT), ZZD 4003 (1 VT)
Am Freitag, den 9. Januar 1948: rä rä rä
,@Sä-QM äääääIDVDHKRäL"Cä äCDQäUHDQ@BGRHFDäCHDRDKLDBG@MHRBGDä3QHDAV@FDMäCDQä,@S 2DQHDä Gattung: omBC, Nr. 2903 äNGMDä9TNQCMTMFäCHDä6@FDMäLHSäCDMä MF@ADMää$3äTMCäDHMä 53äLHSäCDQä%@AQHJ -QääCDQäUNMäCDQä#1ä.RSä@KRä@AFDFDADMä gemeldet, aber weder bei der DR (West), britische Zone, noch bei den Niederländern als eingegangen registriert wurde (Verbleib gilt als ungeklärt)
Ansicht des vierachsigen Verbrennungstriebwagens der Mat’37Serie omBC 2901-2908. In der SBZ befanden sich nach Kriegsende die Wagen Nr. 2903 und 2905. (Zeichnung G. van de Weerd)
Am Samstag, den 10. Januar 1948: rä
rä rä
ä @Sä-Q äää6@FDMäV@GQRBGDHMKHBGäCDQä"#J 6@FDMäVDHKä , dieser in den Niederlanden 1950 vorhanden war, während der BCk-Wagen als vermisst gilt) ,@Sä-Q ää SDHKHFä äDHMäCQDHSDHKHFDQä5DQAQDMMTMFRSQHDAV@FDMäLHSäCDQä-Q ä äV@GQscheinlich handelt es sich um den dreiteiligen u. a. mit JacobsdrehFDRSDKKDMä@TRFDQßRSDSDMä,@SäLHSäCDQä-TLLDQä
Holländer" in Not
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Am darauf folgenden Sonntag wurden fast ausschließlich Verbrennungstriebwagen überstellt. Im Einzelnen handelte es sich jeweils um: rä
rä
rä
rä
ä DMäRDBGR@BGRHFDMä,@RBGHMDMV@FDMäL#äLHSä,@XA@BGLNSNQDMä C der fünfteiligen Mat’40-Einheiten, Serie DE 5 mit den Nummern: 51, 61, 64, 65, 67, 68 und 69 (die DR (Ost) meldete fälschlicherweise, da keine Angabe über die Wagen sondern nur über die Achsanzahl - sechs- vorhanden war, der SMAD jeweils 2, anstatt 1 Wagen je Triebwagen). mD 67 wurde weder von der DR (West) noch von den Niederländern in Empfang genommen (ungeklärter Verbleib) äDHMDMä3QHDAV@FDMäLHSäCDQä-TLLDQääADHäCDLäDRäRHBGäDMSFDgen den Angaben der DR (Ost) nicht um 2 Wagen, sondern um einen handelte31 YäVDHä5DQAQDMMTMFRSQHDAV@FDMäLHSäCDMä-TLLDQMä''ää SDHKHFä 12 Achsen, weder bei DR (West) noch der NS eingegangen) und GK 29 (3-teilig, 8 Achsen, eventuell ein Mat’34) äCHDäADHCDMä$KDJSQNSQHDAV@FDMäCDQä2DQHDä,@Sä-QM ääTMCää (jeweils komplett, wobei beide Einheiten fälschlicherweise bei der DR (Ost) als VT geführt wurden).
Nach zwei Tagen Pause folgten am Mittwoch, den 14. Januar, mit Mat’24, Nr. 9155 (mB4D) und dem ET Nr. 9120 die beiden nächsten Fahrzeuge in die Britische Zone.
Am Donnerstag, den 15. Januar, gingen über die Zonengrenze: rä rä rä rä rä
,@Sä-Q ää ,@Sä-Q ääJNLOKDSSä ,@Sä-Q ääJNLOKDSSäFHKSäHMäCDMä-HDCDQK@MCDMä@KRäUDQLHRRSä ,@Sä-QM äääJNLOKDSSäTMCää6@FDMäUNMä-Q ää äRNVHDäDHMäVDHSDQDRäDHMSDHKHFDRä%@GQYDTFäCDRRDMä-TLLDQäCHDä#1ä (Ost) nicht angeben konnte. Die DR (West) und die Niederländer führen den unter Position Nr. 48 in allen zitierten Listen geführten 6@FDMä@KRäDHMFDF@MFDMDRä%@GQYDTFäLHSäCDQä-TLLDQät!"äg ä Hinter BC 2905 verbirgt sich vermutlich der vierachsige dieselmechanische Triebwagen omBC Nr. 2905 der Mat’37-Serie
Die letzte Abgabe von holländischen Triebwagen geschah am Freitag, den 16. Januar, mit der Überstellung des Mat’24 Nr. 9032 (mC). Am darauf folgenden Samstag wechselte immerhin noch ein mit Motoren und Stromabnehmern beladener zweiachsiger XWagen mit der NS-Nr. 56262 die Grenze, der die Niederlande jedoch nicht erreichte. Über die hier genannten Triebwagen hinaus, denen zur Überführung holländische Schutzwagen beigegeben wurden, sollten nach DR (Ost)-Angaben mit den Listen-Nrn. 54-61, weitere Einheiten am 18. Januar 1948 folgen. In der Hauptverwaltung der DR (Ost) hatte Erwin Kramer Anfang Februar 1948 auch einen Vermerk darüber erstellt, dass die Übergabe aller Triebwagen erfolgt sei, zumal die Übergabeprotokolle in Berlin eingegangen waren.
Doch am 6. Oktober 1948 musste der Berichterstatter der Wagenabteilung der Generaldirektion der Reichsbahn in Berlin der Transportverwaltung der SMAD im Berliner Wendenschloß mitteilen (in Klammern Anmerkungen der Autoren): „... Die in laufender Nr. 54 bis 61 aufgeführten Triebwagen 401, 428, 404 (gelten alle drei in den Niederlanden als vermisst), 809 (hier handelt es sich lediglich um den ABk-Wagen), ohne Nr. (1 Wagen), 807 (von diesem Triebzug waren am 15.1.48 vier Wagen abgegangen, während der fünfte Wagen in der SBZ verblieb. Da der Abk-Wagen vom 807 in den Niederlanden als vermisst gilt wird es sich hier mit großer Wahrscheinlichkeit um diesen Wagen handeln), 212 (gilt in den Niederlanden als vermisst) ... waren am 18.1.48 zur Übergabe bereitgestellt und die Übergabeprotokolle bereits ausgestellt worden. Diese ... wurden nicht mehr übergeben sondern zum Bahnhof Haldensleben zurückgeführt und dort abgestellt.“ Welche Gründe dazu führten, ließ sich nicht ermitteln. Erwin Kramer hat sie in seinem Schreiben an die Wagenabteilung der SMAD-Transportverwaltung auch nicht benannt32. Die Autoren können nur Vermutungen hierzu anstellen. Falls es wirklich zu einem Austausch der Güterwagen gegen die Triebwagen gekommen ist, wäre die Anzahl der 61 (z. T. mehrteiligen) Triebwagen-Positionen und der damit zu übergebenden Wagen wesentlich größer gewesen als die aus Holland kommenden 61 DR-Güterwagen. Aus diesem Grunde wurden die Positionen 54 bis 61 nicht mehr über die Grenze in die Britische Zone abgegeben, so die Annahme. Immerhin wechselten mit den ersten 53 Positionen 86 Einzelwagen in ihre alte, holländische Heimat. Auch die DR (West) bzw. Britische Zone und die NS führten die Positionen 54 bis 61 als nicht empfangen. Mit einer Ausnahme, der Position Nr. 58. Die DR (Ost)-Liste enthielt an dieser Position einen niederländischen vierachsigen ET, dessen Fahrzeugbezeichnung und Nummer nicht angegeben werden konnte. Die nach dem 18. Mai 1948 angefertigte Aufstellung enthält an dieser Position den Vermerk, dass sowohl von der DR (Ost) die Abgabe, als auch von der DR (West) und der NS der Eingang eines „MD 56 ?“ registriert wurde. Hier kann nur spekuliert werden, dass es sich um den mD, also den Maschinenwagen der diesel-elektrischen Mat’40-Einheiten, Gattung DE 5, mit der Nummer 56 handelt. Außerdem enthält die nach dem 18. Mai 1948 angefertigte Aufstellung weitere in der Abgangsliste der DR (Ost) nicht enthaltene Positionen, welche in Holland aber als Eingang geführt wurden. Dabei handelt es sich um den Wagen mit der Nummer 8503, der bisher in den Unterlagen der DR nicht genannt wurde sowie um die Mat’24-Wagen Nr. 9014 und 9160 (mBD), die nach den Angaben der DR (Ost) vom Februar 1948 genauso wie der vierteilige Mat’36 Nr. 606 angeblich in der SBZ verblieben waren. Um es vorweg zu nehmen, keines der hier genannten Fahrzeuge wurde bei einer weiteren Auflistung der DR (Ost) im September 1949 über die in der DDR vorhandenen elektrischen holländischen Triebwagen geführt (siehe weiter unten). Damit ist die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass diese tatsächlich in die Niederlande gelangten, so wie es in den Akten der SMAD wiedergeben wird.
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An dieser Stelle soll aus einem anderen Grunde nochmals auf die gescheiterten Abtransporte eingegangen werden, denn ungenutzte Fahrzeuge führten zu weit reichenden Folgen. Nach dem Abbau zahlreicher zweiter Strecken- und sonstiger Gleise waren die Abstellmöglichkeiten für Fahrzeuge in der SBZ sehr begrenzt. Aus diesem Grunde wandte sich die Kontrollabteilung der Deutschen Wirtschaftskommission bei der RBD Halle am 17. Januar 1949 an die Hauptverwaltung in Berlin mit dem Anliegen die SMAD zu befragen, „... wo die dort stehenden Wagen, und zwar 5 Holländer Triebwagen 2 Polnische Triebwagen und 1 Französischer Triebwagen, 6 Triebwagen - Drehgestelle von elektr. Loks und fremdländisches beschlagnahmtes Gut, letzteres belegt 300 qm Werkstattraum, untergebracht werden können.“ Diese standen im RAW Dessau und beanspruchten Abstellmöglichkeiten, die für 27 im RAW Delitzsch abgestellte Verbrennungstriebwagen gebraucht wurden33.
Bereits bekannt und gelistet sind auch der vierteilige 615, der 1945 noch im BW Dresden-Pieschen fotografiert worden war, ein Triebkopf des 306 (wahrscheinlich der BCk–Wagen, ebenfalls 1945 in Dresden-Pieschen stehend) und der Postwagen Pec 8512 in Weferlingen, während sich in Genthin die Mat’24Wagen 9009, 9025, 9159 (mBD) und der nicht weiter zuzuordnende einteilige Triebwagen mit der NS-Nummer 9910 befanden.
Nur acht Monate nach dieser Mitteilung fanden sich neben den bereits genannten, weitere holländische Triebwagen ein, was sich zudem rund ein Jahr nach der Fahrzeugabgabe an die Niederlande offenbar-te. Seinerzeit teilte die Generaldirektion in Berlin (18.10.1950) im Zusammenhang mit der Rückgabe von polnischen Eisenbahnwagen dem Amt für Restitutionen eine im September 1949 erstellte Liste von Trieb-, Steuer und Beiwagen fremder Eisenbahnverwaltungen mit, die auch niederländische Einheiten benennt34.
Aber auch niederländische Fahrzeuge, die bisher überhaupt nicht genannt wurden, werden mit der Mitteilung an das Amt für Restitutionen erstmals verzeichnet. So der völlig ausgebrannte Mat’36, Nr. 233, der als vierteilige Einheit in Güterglück stand. Bei van de Weerd gilt dieser als vermisst und ist dort zudem nur als zweiteilige Einheit bekannt. Ferner ein vierteiliger ET mit der Nummer 18 A, ein achtachsiger Steuerwagen (hier muss es sich bei der Achszahl oder bei der Anzahl der Fahrzeuge um einen Fehler handeln) und drei Wagen des NS-Zuges Nr. 809, jeweils in völlig ausgebranntem Zustand, ebenfalls in Güterglück stehend, während sich die bisher nicht genannten einteiligen ET mit den Nummern 9926 und 9952 in Weferlingen mit dem Vermerk: „elektrische Innenausrüstung zerstört und ausgeraubt, resp. verbrannt“ befanden. In Genthin wurde zudem der zweiachsige Verbrennungstriebwagen mit der NS-Nummer 157857 im gleichen Zustand wie die zuvor aufgezählten Triebwagen vorgefunden.
In dieser wird ein Mat’36 Nr. 611 genannt, der sich in Neudietendorf in völlig ausgebranntem Zustand befand, obwohl ein Zug mit gleichlautender Bezeichnung und Zustand von der SBZ kommend in Holland eingetroffen war (siehe weiter oben, Übergabe am 7.1.1948). In Neudietendorf stand weiterhin der bereits seit Februar 1948 bekannte, vierteilige Drehgestelltriebwagen gleichen Zustandes wie Nr. 611, mit der Nummer 38. Gelis-tet wurden aber auch die Züge, die am 18.1.1948 nicht mehr Richtung Westzone abgingen (212, 401, 404, 428, 807 ABk-Wagen, 809 ABk-Wagen sowie ein Triebwagen ohne Nr.). Diese waren nun in Jerichow abgestellt, außer des Triebwagens ohne Nr., der in Weferlingen, einem Ortsteil von Oebisfelde stand. Als Zustand ist für alle Einheiten „elektrische Innenausrüstung zerstört und ausgeraubt, resp. verbrannt“ vermerkt, während der Triebzug in Weferlingen völlig ausgebrannt war.
Die Unterschiede zwischen den DR (Ost)-Listen für das Amt für Restitution vom September 1949 und der im Februar 1948 erstellten Liste: „Noch vorhandene Niederländische Triebwagen“ lassen sich nur schwer erklären. Einerseits werden 1949 Fahrzeuge genannt, die es 1948 in der SBZ noch nicht gegeben haben soll, andererseits fehlen 1949 Triebwagen, die 1948 noch gelistet worden waren. Immerhin ließe sich der zuletzt genannte Sachverhalt mit Verschrottungen erklären. Ob diese durchgeführt wurden ließ sich bisher nicht klären. Dass 1949 einige Triebwagen genannt wurden, die 1948 noch nicht gelistet waren, könnte mit dem Zugang von niederländischen Triebwagen aus anderen Gebieten erklärt werden oder/und mit dem Umstand, dass 1948 - entgegen den Anordnungen der SMAD - nicht alle Fahrzeuge erfasst worden waren.
Seitenansicht des sechsachsigen Maschinenwagens der Mat’40/ ED 5-Züge. Von den mit Maybachmotoren ausgestatteten Fahrzeugen befanden sich bis zu sieben Stück in der SBZ. (Zeichnung G. van de Weerd)
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Holländer" in Not
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Die Aufbauleitung für Elektrifizierung Halle ließ in den 1950er Jahren den ehemals holländischen VT mit der Nummer 157 857 als Fahrleitungsabbügelwagen 135 704 Halle herrichten. (Slg. G. Dietrich)
Die Zahl der im September 1949 in der SBZ bzw. ab Oktober 1949 in der DDR verbliebenen niederländischen ET, ES, EB und VT kann angesichts dieser Umstände nur vage mit ca. 74, davon 3 Postwagen und einem VT angegeben werden. Dieses Fahrzeugmaterial sollte in den kommenden Jahren u. a. zum Aufbau eines Verbrennungstriebwagens (SVT 137 902, außer Motorwagen), eines Bahndienstfahrzeuges für die Streckenelektrifizierung bei der DR sowie eines elektrischen Triebzuges (ET 25 201; siehe Seite 82 ff.) verwendet werden. Die Voraussetzungen für den Aufbau eines elektrischen Triebzuges bot u. a. die Anlage 1 des am 18. März 1952 zwischen den Regierungen der UdSSR und der DDR abgeschlossenen Abkommens zur Wiedererlangung des 1946
abtransportierten Demontagegutes. Sie listet u. a. auch die Rückgabe von 181 Triebwagenmotoren sowie 44 Transformatoren für Elloks und Wechselstromtriebwagen auf. Da die Sowjetischen Staatsbahnen die ehemals deutschen Wechselstrom-Triebwagen in verschiedenen Republiken der UdSSR als Reisezugwagen genutzt haben, dürften sich im Rückführgut aller Wahrscheinlichkeit nach auch ausgebaute Fahrmotoren und Umspanner dieser Fahrzeuge befunden haben. Somit verfügte die DR ab 1953 über zahlreiche Ausrüstungsteile elektrischer Triebwagen, die sie vorläufig nicht nutzen konnte, da sie so gut wie keine eigenen derartigen Fahrzeuge mehr besaß. Wohl aber verfügte sie über die aus Holland stammenden Triebwagen, von denen einige wenige eine Wiedergeburt erleben sollten.
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Neustart mit Hindernissen Der Wunsch nach elektrischen Triebwagen Nachdem das Raw Dessau für den am 1. September 1955 wieder aufgenommenen elektrischen Zugbetrieb einen Grundstock elektrischer Lokomotiven aufgearbeitet hatte, bestand die Absicht, zur Attraktivitätssteigerung des Reiseverkehrs vorerst einen elektrischen Triebzug aus vorhandenen Beständen wiederherzustellen. Dieser sollte als Prototyp weiterer, von der volkseigenen Industrie zu entwickelnder Fahrzeuge dienen. 1946 waren auf dem Werkhof des Raw Dessau die kriegsbeschädigten Triebwagenteile ET 25 012a/b, ES 25 008 und ET 31 006d stehen geblieben. Während sich für den ET 31 006d noch ein ganz anderes Verwendungsgebiet finden sollte, baute das Raw Dessau zwischen 1957 und 1959 aus den Schadfahrzeugen ET 25 012a/b und ES 25 008 einen dreiteiligen Triebzug auf. Der Steuerwagen wurde nach wagenbaulichen Anpassungen zwischen den beiden Triebwagen als Mittelwagen eingereiht. Vom Spendertriebzug existierten neben den verwahrlosten Wagenkästen noch die als brauchbar eingeschätzten Drehgestelle, Fahrmotoren und Transformatoren. Da für die gesamte Steuerung neu zu fertigende Bauteile erforderlich waren, nahm man in diesem Zusammenhang gleich zeitgemäße Anpassungen vor. So zog die von 24 V auf 110 V umgestellte Steuerspannung umfangreiche Entwicklungsarbeiten
für alle davon betroffenen Bauteile, wie Schaltwerkantrieb, Relais, Schütze usw. nach sich. Mit diesem immensen Aufwand wollte man der Industrie die Gelegenheit bieten, nach abgeschlossener Erprobung des Musterfahrzeuges die Entwicklung neuer Triebzüge mit standardisierten Bauteilen nach modernen Gesichtspunkten zu ermöglichen35. Im Perspektivplan zur Elektrifizierung der Hauptstrecken im 2. und 3. Fünfjahresplan hatte die Hauptverwaltung der Maschinenwirtschaft (Hv M) am 20. März 1958 die beabsichtigte Entwicklungsrichtung bereits formuliert: „Um den Forderungen eines neuzeitlichen, modernen Verkehrs gerecht zu werden, ist der Wiederaufbau des ET 25 eingeplant. Die wirtschaftliche Ausnutzung und Erreichung hoher Geschwindigkeiten ergeben eine günstige Fahrplangestaltung, die sich im Städteverkehr, besonders in den dichtbevölkerten mitteldeutschen Industriegebieten, während der Berufszeiten auswirkt. Auch als Schnellverkehrsmittel im Fernverkehr wird eine Belebung des Fahrplanes erreicht. Der ET 25 ist als einzige Einheit in der DDR als aufbaufähig erhalten geblieben. Nach Aufbau und Erprobung im Betrieb sollen, nach Erkenntnis evtl. erforderlicher Verbesserungen, weitere Einheiten gebaut und zum Einsatz gebracht werden.“36
Der ET 25 012b als Schadfahrzeug im Jahre 1955 im Raw Dessau (H.-J. Lange)
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Neustart mit Hindernissen
Der dreiteilige ET 25 012 ist am 11. August 1959 im Raw Dessau zur Probefahrt angetreten. (H.-J. Lange)
Der Triebzug ist inzwischen bis zum Bahnsteig 1 des Dessauer Hbf vorgefahren, um von hier aus seine Probefahrt in Richtung Leipzig zu beginnen. Auf dem Bahnsteig stehen Beschäftigte der VAMF Dessau, die an der Entwicklung und dem Bau des Triebzugs beteiligt waren. (H.-J. Lange)
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Hiermit wird deutlich, dass der ET 25 einer weiteren Entwicklung darstellte vorhatte, einen größeren Bestand von gen aufzubauen. Die für 1958 geplante Fertigstellung
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012 nur den Beginn und man durchaus elektrischen Triebzüund Inbetriebnahme
des dreiteiligen ET 25 012 verzögerte sich. Nach Durchführung der obligatorischen Probefahrten, u. a. am 15. Dezember 1959, und der Abnahme wurde der Triebzug am 27. Februar 1960 dem Bw Leipzig West zugeteilt. Dieses setzte ihn ab dem Sommerfahrplan 1960 im
Neustart mit Hindernissen
Während der Vorbereitung zu einer Versuchsfahrt stellt sich am 21. Dezember 1960 der Triebzug auf dem Raw-Zuführungsgleis zwischen dem Raw und dem Hauptbahnhof dem Fotografen. (Histor. Slg. DB AG)
Schnellzugverkehr zwischen Leipzig und Magdeburg ein. Einige Personenzugleistungen führten ihn auch nach Dessau. Mit der Erweiterung des elektrifizierten Netzes erreichte der ET 25 012 auch die Endpunkte Zwickau, Erfurt und Dresden.
Der zunehmende Ersatzteilmangel bereitete dem Einzelgänger Probleme und bewirkte seine z-Stellung am 1. Juli 1972, der erst vier Jahre später am 27. Juli 1976 die Ausmusterung folgte. Anschließend diente das Fahrzeug noch über viele Jahre als Bahnhofs- und Bauzugwagen.
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Auf der Versuchsfahrt legt der ET 25 012 im Bf Raguhn einen Zwischenhalt ein. (Histor. Slg. DB AG)
Im Dezember 1962 fährt der ET 25 012 als P 1414 von Dessau nach Leipzig durch Haideburg. (H.-J. Lange)
Ankunft des Versuchszuges in Leipzig ± Hbf (Histor. Slg. DB AG)
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Neustart mit Hindernissen
Auch im neuen Fahrplanabschnitt fährt der ET 25 012 am 18. August 1963 noch die Personenzugleistung des P 1414. Hier ist er hinter dem Hp Marke zu sehen. Im Hintergrund steht das 1913 errichtete Unterwerkgebäude, das erst im Jahre 2001 abgerissen werden wird. (H.-J. Lange)
Zum Aufnahmezeitpunkt im Juni 1969 hat sich das Aussehen des Triebzugs verändert. Das Flügelrad an der Stirnseite hat der Betriebsnummer Platz gemacht, der Zierstreifen unterhalb der Dachkante ist entfallen, und die SBS 10-Stromabnehmer hat der neue Typ RBS 58 abgelöst, der das Fahren mit nur einem angelegten Stromabnehmer ermöglicht. Hier hält der Triebzug Betriebsruhe am Bahnsteig 18a des Leipziger Hauptbahnhofs. (D. Wünschmann)
Im Juni 1969 steht er als D 183 im Magdeburger Hbf mit Fahrtziel Leipzig Hbf. (H. Constabel)
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1970 zeigt sich der ET 25 012 auf der Fahrt nach Erfurt, nachdem er gerade den Bf Großheringen passiert hat. (R. Lüderitz)
Nach Abschluss der Elektrifizierung zwischen Leipzig und Dresden ist der Triebzug auch auf dieser Strecke zu sehen. 1971 durchfährt er mit der neuen EDV-Betriebsnummer 285 001 bis 003 gerade den Bf Oschatz. (D. Wünschmann)
Im Juli 1978 blickt der ausgemusterte Triebzug 285 201 bis 203 im Bw Lutherstadt Wittenberg einer noch ungewissen Zukunft entgegen. (D. Wünschmann)
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Neustart mit Hindernissen
Im April 1979 steht der Triebzug wieder in Leipzig, um ihn einer „nutzbringenden Verwendung“ zuzuführen. Fortan fristet er in Wurzen sein Dasein als Material- und Lagerraum. (D. Wünschmann)
Aber auch dort sind seine Tage gezählt. Von den Drehgestellen genommen steht im Juni 1988 der Wagenkasten des b-Teils (ex 285 003) im frischen Lack in Wurzen mitten im Grünen. (D. Wünschmann)
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Vom Triebwagen zum Wendezugsteuerwagen In die Zeit des Aufbaus des ET 25 012 fällt auch der Wiederaufbau des ET 31 006d, der jedoch nicht in Dessau, sondern im für die Reparatur und Instandhaltung von Reisezugwagen zuständigen Raw Delitzsch stattfand. Schließlich erfolgte sein Aufbau nicht als Triebwagen, sondern als zweiter Befehlswagen für den seit 1957 zwischen Halle Hbf und Leipzig Hbf pendelnden Wendezug. Dieser Zug bestand aus sechs LOWA-Mitteleinstiegwagen der Bauart E5 und einem Befehlswagen. Da die Strecke zu diesem Zeitpunkt noch nicht elektrifiziert war, dienten als Triebfahrzeuge einige Dampfloks der Baureihe 6510, die für den Wendezugbetrieb mit einer „Klingelanlage“ zur Verständigung zwischen dem Lokführer auf dem Befehlswagen und dem reglerberechtigten Heizer auf der Lok ausgerüstet worden waren. Der erste Befehlswagen war ebenfalls ein Wagen der Bauart E5, der am Nicht-Handbremsende im kleinen Einstiegsraum ein provisorisch eingerichtetes Befehlsabteil erhalten hatte. Der aus dem ET 31 006d aufgebaute zweite Befehlswagen mit der Wagennummer 250-001 besaß einen geräumigen Führerstand, anfangs ebenfalls nur mit Befehlseinrichtung, einen Gepäckraum sowie ein Großraumabteil der 1. Klasse. Nachdem die Strecke ab November 1958 elektrifiziert war, übernahmen alsbald die für indirekte Wendezugsteuerung ausgerüsteten E 44 109 und 146 die Aufgabe der Dampfloks. Die DR beabsichtigte, den Wendezugbetrieb auch auf weiteren Strecken einzuführen und rüstete deshalb in diesem Zu-
Stirnansicht des aus dem ET 31 006d aufgebauten Befehlswagens 250-001, aufgenommen am 15. Februar 1958 in Halle (S.) Hbf (Histor. Slg. DB AG)
sammenhang die ehemals für einen direkten Wendezugbetrieb ertüchtigte E 04 23 als Versuchsträgerin wieder mit diesen Einrichtungen aus. Um die E 04 23 von einem Steuerwagen direkt ansteuern zu können, begann Ende 1958 der Umbau des Befehlswagens 250-001 zu einem Steuerwagen. Er erhielt neben der bereits vorhandenen Bremsanlage die elektrischen Steuereinrichtungen für die Fernsteuerung der am anderen Zugende befindlichen Ellok.
Die für indirekte Wendezugsteuerung ausgerüstete E 44 146 zieht am 14. Mai 1959 in Höhe des Bk Mockau den Wendezug Piw 1244 nach Halle. (Histor. Slg. DB AG)
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Der aus E 04 23, dem Steuerwagen 250-001 und einem dazwischen gestellten Leitungswagen des Typs E5 gebildete Versuchszug zur Erprobung der direkten Wendezugsteuerung steht im Frühjahr 1959 im Bf Raguhn. Vergleiche die Stirnfront des Steuerwagens mit Bild auf Seite 78 (K. Leyer; Slg. H.-J. Lange)
Zwischen 1959 und 1965 bespannte die E 04 23 planmäßig den Wendezug zwischen Halle und Leipzig, bis sie von der Baureihe E 11 abgelöst wurde. Hier hat sie im Jahre 1964 gerade die Fahrleitungskuppelstelle in Bruckdorf bei Halle durchfahren. Wegen der auf 90 km/h beschränkten Höchstgeschwindigkeit des geschobenen Zuges befand sich der Steuerwagen immer in Richtung Leipzig. (Histor. Slg. DB AG)
In Leipzig Hbf fährt im Sommer 1959 am Bahnsteig 11 der Wendezug aus Halle ein. Die letzten drei Wagen und die am Zugschluss schiebende E 04 23 befinden sich verdeckt in der S-Kurve, die der Zug um das Stellwerk B 3 herum befährt. (Histor. Slg. DB AG)
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Der ET 25 als Versuchsträger für den ET 27 Mit dem Wiederaufbau des ET 25 012, ES 25 008 und ET 31 006d war der erste Grundstein zu einer sinnvollen Verwendung der seit Kriegsende in Dessau vorhandenen Schadfahrzeuge gelegt worden. Um die Verwendung der aus der UdSSR wieder erworbenen ET-Ausrüstungsteile musste sich die DR weiterhin Gedanken machen. Die folgenden Aktivitäten lassen eine gewisse Logik erkennen, wenn nicht wieder einmal das gemeinsame Wirtschaftssystem der sozialistischen Staaten andere Prioritäten gesetzt hätte. Wie bereits berichtet, sollte der ET 25 012 als Vorbild für weitere, neu zu fertigende E-Triebzüge dienen. 1958 begann die Entwicklung von drei dreiteiligen Triebzügen, die intern als Baureihe ET 26 bezeichnet wurden. Die Wagenkästen dieser Fahrzeuge sollte der VEB Waggonbau Görlitz entwickeln und fertigen. In diesen wollte die DR die altbrauchbaren Teile der elektrischen Ausrüstung aus dem Rückführgut selbst installieren. Sie waren noch als Erprobungsträger für eine Nachfol-
gebaureihe ET 27 gedacht. Erst diese sollten dann als komplette Neubaufahrzeuge, zwar mit den gleichen Wagenkästen des ET 26, aber mit einer von der volkseigenen Industrie aus Standardbauteilen gefertigten elektrischen Ausrüstung geliefert werden37. Beide Baureihen sollten eine Vielfachsteuerung erhalten, die sowohl mit dem ET 25 012, als auch zwischen den ET 26 und ET 27 untereinander kompatibel war. Nur so ist aus heutiger Sicht die Ausrüstung des Einzelgängers ET 25 012 mit einer funktionstüchtigen Vielfachsteuerung erklärbar. Die Fertigstellung der drei Mustertriebzüge der Baureihe ET 26 war für 1961 vorgesehen, denen die ersten Nullserienfahrzeuge der Baureihe ET 27 im Jahre 1963 folgen sollten. Nach Abschluss einer gründlicher Erprobung sollte dann die Serienfertigung des ET 27 erfolgen. Die bereits begonnenen Entwicklungsarbeiten mussten im 1. Quartal 1959 wieder abgebrochen werden, da am 15. Januar 1959 im Einvernehmen zwischen dem Ministerium für
Rekonstruktion der LEW-Zeichnung 10-01.087 mit folgendem Zeichnungstext: Elastischer Antrieb mit Kegelringfeder für ET 27. Entwurf 10-01.087. M 1:5. TE 1/10, den 9.12.58. Aus ihr ist ersichtlich, dass sich die LEW mit dem Thema ET 27 im Jahre 1958 ausführlich befasst hatten und außerdem der Kegelringfederantrieb schon lange vor seiner Praxiseinführung auf dem Papier fertig war. (Slg. Th. Borbe)
Verkehrswesen der DDR, der Staatlichen Plankommission (SPK) und Vertretern der Sowjetischen Staatsbahnen festgelegt wurde, zukünftig im Rahmen einer länderübergreifenden Standardisierung Doppelstock-Elektrotriebzüge mit der Fahrzeugbegrenzungslinie 1 WM für das sozialistische Lager zu
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bauen. Diese Triebzüge sollten wahlweise für die Stromsysteme DC 3 kV, 16²/³ Hz; 15 kV und 50 Hz; 25 kV elektrisch ausgerüstet werden. Während die UdSSR für ihre Züge die 3-kV-Ausrüstungen bereitstellen wollte, sollten die LEW in Hennigsdorf
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die Wechselstromausrüstungen entwickeln und liefern. Der im Bau von Doppelstockwagen über einschlägige Erfahrungen verfügende VEB Waggonbau Görlitz erhielt den Auftrag zur Projektierung des wagenbaulichen Teils. Dabei stellte sich heraus, daß sich die elektrische Ausrüstung im Verbindungsteil von Gliederzügen ebenso wenig wie in den Wagenkästen unterbringen ließ. Beides hätte zudem erhebliche Sitzplatzeinbußen und eine Zunahme des Gewichtes zur Folge gehabt. Untersuchungen zur Anordnung kleiner, mehrachsiger Triebgestelle an den Zugenden ließen erkennen, dass deren Reibungsgewicht nicht ausreichte, um die gewünschte Anfahrbeschleunigung zu erreichen. Da die kurzen Triebgestelle keine guten Laufeigenschaften bei höheren Geschwindigkeiten erwarten ließen, nahm man letztendlich von der Idee eines doppelstöckigen Elektrotriebzuges wieder Abstand.
Daraufhin stimmten die deutschen und sowjetischen Fachleute in einer gemeinsamen Beratung am 30. Mai 1959 dem Vorschlag zu, zukünftig wendezugfähige Doppelstockgliederzüge für Lokomotivbespannung mit der Fahrzeugbegrenzungslinie 1 WM für die Mitgliedsbahnen der OSShD zu entwickeln und zu bauen. Diese Entscheidung setzte der Entwicklung weiterer, ausschließlich für die DR bestimmter Wechselstrom-Triebzüge ein vorläufiges Ende. Damit hatte sich auch die Notwendigkeit der Entwicklung eigener, neuer Wagenkästen beim Waggonbau Görlitz erübrigt, und der DR war zunächst die Grundlage zur Verwendung der aus dem Rückführgut zu gewinnenden Teile der elektrischen Ausrüstung der ehemals mitteldeutschen und schlesischen Elektrotriebwagen entzogen worden.
Fünfteilige Doppelstock-Gliederzüge, wie hier mit 242 262 und drei Einheiten im Berufsverkehr zwischen Halle-Neustadt und Großkorbetha zu sehen, ließ die DR teilweise ab Werk mit Steuerabteilen für den Wendezugeinsatz ausrüsten. (H. Neumann)
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Die Wiedergeburt der „Holländer“ – Der schwierige Weg des ET 25 201 Der Bau des ET 25 201 Während einer Vorführfahrt des ET 25 012 am 20. August 1959 äußerten sich die daran beteiligten Teilnehmer der Abteilung Verkehr und Verbindungswesen des ZK der SED und ein Vertreter der Hauptverwaltung Betriebs- und Verkehrsdienst (Hv BuV) dahingehend, „für die Beschaffung weiterer Wechselstromtriebwagen zu sorgen und zu versuchen, für die noch vorhandenen elektrischen Ausrüstungsteile der Triebwagen BR ET 25 Wagenkästen zu beschaffen und zu Wechselstromtriebwagen aufzuarbeiten.“38 Damit war von Seiten der Staatspartei grünes Licht signalisiert worden, doch noch etwas auf dem Gebiet der Herstellung von Wechselstromtriebwagen zu unternehmen, aber was verbarg sich konkret hinter dieser Äußerung? Wie bereits erwähnt, hatte die UdSSR 1952/53 nicht nur ortsfeste Anlagen und Wechselstromelloks in die DDR verkauft, sondern auch Transformatoren und Fahrmotoren im Einzelnen nicht klassifizierter elektrischer Triebwagen. Mit letzterem Material hatte die DR ja beabsichtigt, aufbauend auf dem ET 25 012 über drei Mustertriebzüge der Baureihe ET 26 weitere Serientriebzüge der Baureihe ET 27 zu entwickeln. Offensichtlich war von dem Material aus dem Rückführgut nur so viel für diesen Zweck brauchbar, dass es für den Aufbau von drei Triebzügen ausreichte. Da sich das Projekt ET 26/ET 27 zerschlagen hatte, war man bestrebt, die vorhandenen elektrischen Ausrüstungsteile zukünftig auf einem anderen Weg noch einer sinnvollen Verwendung zuzuführen. Bereits im Jahre 1956 hatte das Raw Wittenberge in Zusammenarbeit mit dem Technischen Zentralamt (TZA) den in der DDR verbliebenen Maschinenwagen 137 902a des dieselelektrischen SVT „Berlin“ mit drei Wagen aus dem 1948 in
der DDR verbliebenen Bestand ehemals holländischer Elektrotriebzüge komplettiert. Dabei hatte der Maschinenwagen 137 902a zwei Mittelwagen und einen Steuerwagen erhalten. Der b-Mittelwagen ist in Tür- und Fensteranordnung identisch mit einem C- oder Ce-Spenderwagen der Mat’36/Typ ElD 4-Züge mit den Seriennummern 601 bis 637, während dem c-Mittelwagen die in Wagenmitte befindlichen Einstiege des C- oder Ce-Wagens fehlen. Der d-Steuerwagen entspricht in seiner Aufteilung einem Bk-Kopfwagen der gleichen holländischen Triebzugserie. Mit großer Wahrscheinlichkeit sind auch die Fahrmotoren der holländischen Triebwagen wieder verwendet worden. Es lag also der Gedanke nahe, für die drei aufzubauenden Elektrotriebzüge wiederum auf die noch vorhandenen „Bestände“ zurückzugreifen. Es bestand nun die Aufgabe, aus dem noch vorhandenen Sammelsurium eine erforderliche Auswahl unter den Aspekten des gegenwärtigen Erhaltungszustandes sowie gleicher Hauptabmessungen für die zukünftigen Trieb- und Mittelwagen zum Aufbau der Wechselstromtriebzüge zu finden. Auf den Bahnhöfen Menzendorf und Wittenberge standen etliche schadhafte holländische Gleichstrom-Triebzüge, die der 1948 angeordneten Rückführung in die Niederlande „entgangen“ waren. Nach einem Vorschlag des TZA, die benötigten Wagenkästen aus diesen Fahrzeugen zu gewinnen, erfolgte im September 1959 deren Besichtigung. Der Zustand der in Menzendorf abgestellten Wagen wurde als brauchbar eingeschätzt. Unter zunächst angestrebter Verwendung der Wagenkästen dieser und auch an weiteren Orten abgestellter Fahrzeuge sollten daraus 1961/62 im Raw Dessau drei als Unterbaureihe ET 252 bezeichnete Triebzüge aufgebaut werden.
Ein Bk-Wagen der Mat’36/600-Serie. Aufnahme vom Oktober 1953. Das Filmbuch vermerkt hierzu: Ausmusterungsloks/Schadloks Hagenow Land, Güstrow und Rostock, wonach auf den Aufnahmeort geschlossen werden kann. (Histor. Slg. DB AG)
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Die Wiedergeburt der Holländer" - Der schwierige Weg des ET 25 201 "
In ausreichender Anzahl waren für den vorgesehenen Verwendungszweck wiederum nur die Wagen der Gattung Mat’36, Typ ElD 4 mit den Seriennummern 601 bis 637 verwendbar. Hiervon wären verwendungsfähig gewesen: Nr. 602: In der RBD Schwerin wurde 1948 ein dreiteiliger Zug registriert (siehe Pos. 17 in der Bestandsliste). Da hier drei „ET“ genannt werden, wird neben den beiden wirklichen ETKopfwagen ein mit Stromabnehmer ausgerüsteter Ce-Mittelwagen vorhanden gewesen sein; der C-Mittelwagen dürfte damit gefehlt haben, was sich durch spätere Erkenntnisse bestätigen wird. Die Verwendung aller drei Wagen für einen ET 252 wäre somit möglich gewesen. Nr. 620: In den Bestandslisten der DR aus dem Jahre 1948 wird ein Kopfwagen dieses Zuges geführt, doch geben niederländische Quellen an, dass alle Wagen des ElD 4 - 620 bis auf den Ce-Mittelwagen nach 1945 in den Niederlanden vorhanden gewesen waren. In der DDR konnte nur der Ce-Wagen vorhanden sein. Letzterer hatte eine Länge von 22,7 m bei einem Drehzapfenabstand von 17,5 m. Mit diesen Abmessungen hätte er sich ausschließlich zum Aufbau eines Mittelwagens für den ET 25² geeignet (siehe Pos. 20 in der Bestandsliste). Nr. 628: Hier geben die DR-Bestandslisten 1948 (siehe Pos. 21) die beiden Kopfwagen Bk und CDk an. Da in den Nieder-
landen nach 1945 jedoch der Kopfwagen Bk und der Mittelwagen Ce als vermisst galten, werden in der DDR nur letztere vorhanden gewesen sein. Nr. 606, 615 und 617: Waren jeweils vollständig vorhanden, d. h. CDk-, C-, Ce- und Bk-Wagen der genannten Züge befanden sich in der DDR. Der 1949 in Neudietendorf stehende vierteilige NS Nr. 611 war völlig ausgebrannt und schied daher für die weitere Verwendung aus. Zum Beginn der 1960er Jahre im Raw Dessau aufgenommene Fotos zeigen auch einen Einzelwagen mit der Aufschrift EB 85-12, an dem ein Schild die Entnahme von Teilen untersagt. Beim Vergleich mit der Bestandsliste kann es sich hierbei nur um den unter Pos. 11 aufgeführten Postwagen Pec 8512 handeln, der ebenfalls für den Aufbau eines ET 252 bereitgestellt war. Welche der hier aufgeführten Fahrzeuge bereits für den Bau des Steuerwagens und der zwei Mittelwagen des SVT 137 902 verwendet worden waren, ließ sich nicht ermitteln. Mit Sicherheit kann jedoch davon ausgegangen werden, dass es sich hierbei um die noch am besten erhaltenen Wagen gehandelt hat und nun die weitere fünf Jahre lang ungeschützt im Freien abgestellten zur Verfügung standen. Doch bevor die Bauarbeiten beginnen konnten, musste man sich Gedanken über die zukünftige Abteilaufteilung und de-
Schon 1955 stehen im Raw Dessau einige Mat’36-Triebzüge. Hier ist ein Bk-Kopfwagen der 600er Serie zu sehen. (K. Leyer; Slg. H. Linke)
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Im gleichen Jahr befindet sich auf dem Dessauer Werkhof auch dieser CDk-Kopfwagen der 600er Serie. (K. Leyer, Slg. H.-J. Lange)
ren Ausstattung machen. Hierbei prallten Welten zwischen den Hauptverwaltungen Maschinenwirtschaft, Betriebs- und Verkehrsdienst und der Mitropa aufeinander. Wünsche eines hohen Reisekomforts mit fast an Luxus grenzender Ausstattung mussten sich letztendlich dem technisch Machbaren unterordnen. Ausführliche Einzelheiten hierzu werden in dem Buch „Wechselstrom-Zugbetrieb in Deutschland“, Band 3 Teil 2 geschildert. Im Mai 1960 erteilte die Hauptverwaltung Maschinenwirtschaft, Abteilung Technik (Hv M/T) der VES/M, Hauptfachgruppe Konstruktion in Dessau und der VES/W in Delitzsch den Auftrag zur Ausarbeitung der Konstruktionsunterlagen. Die Arbeiten für den ersten Triebzug begannen im Februar 1961 im Raw Dessau. Ursprünglich nicht erkannte Korrosionsschäden führten fast täglich zu neuen Überraschungen, die eine kontinuierliche Arbeit unmöglich machten. Nur die räumliche Nähe zwischen dem arbeitsausführenden Raw und der VES/M begünstigte die auf Grund der sich einstellenden Schwierigkeiten oft nur noch mögliche „gleitende“ Projektierung. Das änderte sich schlagartig, als 1962 die Arbeiten an den Wagenkästen von Dessau zum Raw Berlin-Schöneweide verlagert werden mussten. Hintergund für diese Entscheidung war die Instandsetzung von Elloks mit der Schadgruppe 0 im Raw Dessau, die häufiger als sonst anfiel. Das hatte zur Folge, dass ET 25 201 ohne wesentliche Fortschritte im Bauzustand blieb, denn die Arbeitskräfte mußten zur Beseitigung der Schäden an den Lokomotiven eingesetzt werden. Dieser Umstand wurde wiederholt zwischen dem Raw Dessau und der Hv Raw besprochen und mündete in der Entscheidung, dass ET 25 201 1963 im Raw Schöneweide fertiggestellt werden sollte. Für das Berliner Raw eine ungewohnte Aufgabe, wurden hier doch bisher ausschließlich S-Bahn-Züge instand gesetzt. Am 13. November 1962 wurden die beiden Kopfwagen von Dessau nach Schöneweide überführt.
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Die nun entstandene räumliche Trennung zum Projektanten erschwerte die ohnehin komplizierten Arbeiten zusätzlich. Auch waren die Arbeitsbedingungen in Berlin alles andere als optimal, da die langen Wagenkästen in der Richthalle nicht auf die für S-Bahnwagen bemessenen Gleise passten. Die Arbeiten mussten deshalb größtenteils im Freien unter notdürftig gespannten Zeltplanen weitergeführt werden. Währenddessen hatte das Raw Dessau den Wagenkastenrohbau des ersten Mittelwagens fertiggestellt und überführte ihn im Juli 1963 in das Raw Schöneweide. Hier sollte er vervollständigt und anschließend mit den beiden Endwagen zum Triebzug zusammengestellt werden. Bis zum Jahresende 1964 gelang es dem Raw Schöneweide trotz aller Widrigkeiten, die zwei Trieb- und den Mittelwagen des ET 25 201 fertigzustellen. Am 3. Januar 1965 wurde der Zug in das Raw Dessau überführt, das die Lackierung und Beschriftung ausführte. Anschließend erfolgte die Standerprobung in der benachbarten VES/M. Anfang 1964 hatte das Raw Dessau mit den Arbeiten am zweiten, für den ET 25 202 bestimmten Mittelwagen begonnen. Die Fertigstellung zog sich auf Grund der hierbei ebenfalls starken Korrosionsschäden des Spenderfahrzeuges bis Mai 1965 hin.
Der Aufbau des ET 25 201 wurde aus folgenden Spenderfahrzeugen vorgenommen: rä ä"#Jä rä ä"Dä rä ä"Dä ä ä rä ä!Jä
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Die Wiedergeburt der Holländer" - Der schwierige Weg des ET 25 201 "
Kopfteilseitenansicht des ET 25 201a während der im Jahre 1963 im Freien stattfindenden Aufbauarbeiten im Raw Berlin-Schöneweide. Der Wagenkasten hat eine neue Beblechung erhalten und ist farblich bereits grundiert. (Histor. Slg. DB AG)
Ein weiterer Blick auf den Wagenkasten des a-Wagens. Im Hintergrund steht ein weiterer noch aufzuarbeitender Wagenkasten für den ET 25 201. (Histor. Slg. DB AG)
Dass die Wagen der Baureihe ET 252 tatsächlich aus Fahrzeugen der NS-Mat’36-600er Serie aufgebaut wurden, ergibt sich aus der Länge und den Drehzapfenabständen der Trieb- und Mittelwagen. Alle anderen vorhandenen Triebzüge bzw. Wagen von NS-Baureihen scheiden wegen der abweichenden Abmessungen aus. Die ersten „Gehversuche“ des dreiteiligen Triebzuges fanden am 17. Februar 1965 auf dem Raw-Probegleis statt. Die Probefahrt führte den ET 25 201a/c/b am 8. Mai 1965 anlässlich des in der DDR als Staatsfeiertag begangenen Tages der Befreiung von Dessau nach Reichenbach/Vogtl. und zurück. Da bereits vor diesem Tag die Entscheidung gefallen war,
wegen der aufgetretenen Unkalkulierbarkeiten und der deshalb aus dem Ruder gelaufenen Kosten keinen zweiten und dritten Triebzug aufzubauen, fügte man den nun übrigen, für den ET 25 202 bestimmten Mittelwagen am 10. Mai 1965 in den Zugverband des ET 25 201 ein – eine folgenschwere Entscheidung! Die Abnahmefahrt des vierteiligen Triebzuges fand am 26. Mai 1965 statt, und drei Tage später wurde er zum Sommerfahrplanwechsel im Bw Leipzig West in Dienst gestellt. Das BW Leipzig setzte ihn in einem gemeinsamen Umlaufplan mit dem ET 25 012 im Schnell-, Eil- und Personenzugdienst anfangs nach Magdeburg, Dessau und Zwickau, später auch nach Erfurt und Dresden ein.Neubaufahrzeuge leiden meist noch
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Auf dem Raw-Probegleis unternimmt der ET 25 201 am 17. Februar 1965 die ersten Fahrten mit eigener Kraft. Im Hintergrund der dem Raw benachbarte Gebäudekomplex der VES/M (H. Müller; Slg. H.-J. Lange)
Der Triebfahrzeugführer G. Korn war Ende Mai 1965 bei seiner Einweisung auf dem ET 25 201 mit dem Fotoapparat dabei und fotografierte seinen künftigen Arbeitsplatz im ET 25 201b. (Slg. W. Müller)
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Die Wiedergeburt der Holländer" - Der schwierige Weg des ET 25 201 "
Am gleichen Tag entstand auch dieses Foto. Hierauf sind deutlich die unterschiedlichen Laufdrehgestelle, rechts sind der Triebwagen ET 25 201b, links der zweite Mittelwagen EM 25 201d vor dem Triebwagenschuppen des Bw Leipzig West zu sehen. (G. Korn; Slg. W. Müller)
Mit dem b-Wagen voran fährt der ET 25 201 am 25. November 1965 in Leipzig Hbf ein. (Histor. Slg. DB AG)
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Im April 1968 absolviert der Vierteiler eine Schnellzugleistung von Leipzig Hbf nach Magdeburg Hbf. (D. Wünschmann)
Im Juli 1968 steht der vierteilige Triebzug auf der Untersuchungsgrube seines Heimat-Bw Leipzig West. (D. Wünschmann)
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Die Wiedergeburt der Holländer" - Der schwierige Weg des ET 25 201 "
Dienstplan für die beiden ET 25 des Bw Leipzig West, gültig ab 26. Mai 1968. Zahlreiche Fahrten „um den Kirchturm“ führen die Triebzüge nach Halle (Hl), Altenburg (Ag), Böhlen (Bö), Neukieritzsch (Nk) und Espenhain (Esp) durch, aber auch Schnellzugleistungen nach Erfurt(Erf) , Magdeburg (Mg) und Zwickau (Zw) werden erbracht. (Slg. W. Müller)
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Einfahrt des dreiteiligen Zuges aus Zwickau in Leipzig Hbf im Sommer 1968. (D. Wünschmann)
an Kinderkrankheiten - das ist ein fast ungeschriebenes Gesetz. Auch der ET 25 201 blieb davon nicht verschont. Weit schwerwiegender waren die sich einstellenden Fahrmotorschäden. Wie ursprünglich beabsichtigt, hatte der Triebzug insgesamt vier eigenbelüftete Fahrmotoren der Vorkriegsbaureihe ET 250-1 erhalten und entsprach damit der Motorisierung der Doppeltriebwagen. Jene waren zwischen 1935 und 1938 mit einer installierten Stundenleistung von 920 kW und teilweise mit 1020 kW in Dienst gestellt worden. Wog
der zweiteilige ET 250-1 zwischen 88,3 und 94,3 t, brachte es der vierteilige ET 25 201 auf stolze 191,7 t - und das mit nur 920-kW-Motorisierung. Zum Vergleich wog der dreiteilige, mit 1020 kW Motorleistung ausgestattete ET 25 012 nur 126,3 t. Wesentlich eindrucksvoller ist der Vergleich der spezifischen Leistungskennziffern: Brachte es der ET 25 012 auf 8,1 kW/t, erreichte der ET 25 201 nur einen Wert von 4,9 kW/t. Man muss kein versierter Techniker sein, um daraus zu erkennen, dass die Fahrmotorschäden des ET 25 201 vorpro-
Im Februar 1966 wird der zur Durchführung einer Messfahrt wieder dreiteilige ET 25 201 zwischen Wolfen und Dessau bei der Durchfahrt durch den Betriebsbahnhof Haideburg aufgenommen. (H.-J. Lange)
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Die Wiedergeburt der Holländer" - Der schwierige Weg des ET 25 201 "
grammiert waren. Obwohl der zweite Mittelwagen 1968 wieder aus dem Zugverband herausgenommen wurde, verbesserte sich die Störanfälligkeit kaum. Der Dreiteiler war immer noch für die zur Verfügung stehende Antriebsleistung zu schwer. Bestimmt hätte die Nachrüstung einer Fahrmotorfremdbelüftung – wie seinerzeit beim ET 41 - das Problem etwas entschärft. Diese war bereits 1961 von der VES/M konstruktiv vorbereitet worden39, aber das hätte aufwändige Nacharbeiten erfordert, ohne sich eines durchgreifenden Erfolges sicher zu sein. Sowohl dem ET 25 012, als auch dem ET 25 201 gereichten weiterhin zum Nachteil, dass weder eine Kupplung, noch eine Vielfachsteuerung beider Triebzüge miteinander möglich waren. Der ET 25 012 besaß Puffer mit Schraubenkupplung und
gesonderte Steuerstromkupplungsdosen, der ET 25 201 hingegen eine Scharfenbergkupplung mit elektrischem „Klavier“, das die elektrischen Verbindungen sicherstellte. Die hohe Schadanfälligkeit führte dazu, dass alle vier Wagen des Triebzuges schon nach fünf Einsatzjahren am 20. August 1970 abgestellt, am 12. Mai 1971 z-gestellt und am 1. Oktober 1976 ausgemustert wurden. 1970 hatten sie noch die neuen EDV-gerechten Betriebsnummern 285 201-0/285 2028/285 204-4/285 203-6 erhalten. Die Einzelwagen dienten anschließend im Bw Halle P und im Bw Leipzig West über mehrere Jahre bis zur Verschrottung noch als Schulungs- und Lagerräume.
Im April 1970 steht der in 285 201 bis 203 umge¯ nummerte Triebzug in der Abstellgruppe des Leipziger Hauptbahnhofs. (D. Wünschmann)
Der ex 285 001 hat nach seiner Ausmusterung im Bw Halle P noch viele Jahre als Schulungsraum und Lehrkabinett gedient. Der seiner Drehgestelle beraubte Wagenkasten steht am 25. August 1990 im Gelände des Bw Halle P und wartet nun endgültig auf den Schneidbrenner. Im Hintergrund rechts ist die Wagenhalle der ehemaligen VES/M zu erkennen. (W. Heitkemper)
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Das Kurzkupplungsende des ex 285 201 mit dem Übergang zum Mittelwagen. (W. Heitkemper)
Die Verschrottung der übrigen „Holländer“ Weitere fünf auf dem Dessauer Werkhof noch im Jahre 1965 abgestellte „Holländer“ waren bereits für die beiden anderen noch herzustellenden Triebzüge mit ET 25 202 und 203 gekennzeichnet. Da es aus den geschilderten Gründen zu keiner Aufarbeitung dieser Fahrzeuge mehr kommen würde, stand ihre Ausmusterung außer Frage.
Das Raw erstellte für diese Fahrzeuge am 17. Juli 1965 die Ausmusterungsprotokolle. In diesen werden die fünf Wagen mit teilweise nicht nachvollziehbaren Betriebsnummern bezeichnet. Im Einzelnen sind den Protokollen folgende Angaben zu entnehmen:
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Die Wiedergeburt der Holländer" - Der schwierige Weg des ET 25 201 "
Vergleicht man die Angaben aus der Tabelle mit dem bei allen Bescheiden gleich lautenden Ausmusterungsgrund der genannten Wagentypen, ergeben sich einige Unstimmigkeiten. Werden in der Ausmusterungsbegründung vier Triebund ein Postwagen erwähnt, nennen die Ausmusterungsprotokolle E1/66 bis E3/66 die hierin genannten Fahrzeuge als insgesamt drei Trieb- (Kopf-) Wagen, wobei deren Wagennummern teilweise rätselhaft sind. Der als „ET ohne Fahrmotoren“ im Ausmusterungsprotokoll E4/66 genannte Wagen 85.12 ist jedoch ein Postwagen, verfügt beidseitig über den Triebwagen entsprechende Kopfpartien und sollte laut Ausmusterungsbegründung zum Aufbau des dritten Mittelwagens, also des EM 25 203c, dienen. Dem spricht jedoch entgegen, dass sowohl Wagenkastenlänge, als auch Drehzapfenabstand von denen der Mittelwagen der ElD 3 - 600er Serie abweichen. Der im Ausmusterungsprotokoll E5/66 als EB 627 (Beiwagen zu einem Elektrotriebzug) bezeichnete Wagen „ohne Fahrmotoren“ müsste, da nur drei weitere NS-Triebwagen, also Kopfwagen, in den anderen Protokollen zuvor genannt werden, zum Aufbau des vierten ET vorgesehen gewesen sein. Dem wiederum steht entgegen, dass die holländischen Kopf- und Mittelwagen bzw. Beiwagen unterschiedliche Drehzapfenabstände besaßen, die unverändert beim Aufbau des ET 252 übernommen wurden. Es könnte sich hierbei jedoch um einen seiner Fahrmotoren bereits beraubten Kopfwagen gehandelt haben.
Andererseits ist fraglich, ob es sich bei den in den Ausmusterungsprotokollen E2/66 und E5/66 genannten Wagen tatsächlich um den NS 627 handelt, da niederländische Quellen für diesen Zug andere Angaben über den Verbleib nach 1945 machen40. Obwohl dieser Zug nicht in den 1948 und später (1949) erstellten Bestandslisten geführt wurde, ist in Schriftwechseln der DR wiederholt vom Triebzug NS 627 die Rede41. Die vom Raw Dessau am 17. Juli 1965 erstellten Ausmusterungsprotokolle geben folgenden Ausmusterungsgrund an: Grund der Ausmusterung: Lt. Schreiben des MfV, Hv M vom 13.5.1964 unter Stellvertreter des Ministers, Genossen Arndt wurde u. a. darin festgelegt: „Entsprechend dem Untersuchungsergebnis der eingesetzten Kommission ist der Aufbau der holländischen Wagen für den 2. u. 3. Zug ökonomisch nicht zu vertreten. Der Bau des 2. u. 3. Triebzuges erfolgt daher nicht. Die 4 Triebwagen und der für den 3. Zug als Mittelwagen vorgesehene Postwagen holländischer Herkunft sind zu verschrotten.“ Die Ausmusterungsprotokolle sandte das Raw Dessau gemeinsam mit dem Ausmusterungsantrag am 19. Oktober 1965 an die Hv M. Es schlug in den Ausmusterungsanträgen vor, aus den die Werkgleise blockierenden Wagen noch Ersatzteile gewinnen und für den ET 25 201 aufarbeiten zu wollen. Mit der am 26. Februar 1966 durch die Hv M verfügten Ausmusterung der restlichen fünf holländischen Schadwagen war die Idee zum Aufbau eines kleineren E-Triebwagenbestandes auf der Grundlage vorhandener elektrischer Ausrüstungsteile endgültig zu den Akten gelegt worden42.
Im August 1966 steht im Raw Dessau noch einer der ausgemusterten holländischen ET, der für den Aufbau des ET 25 202 oder 203 vorgesehen war. Es ist ein Kopfwagen der 600er Serie, und es könnte damit der 627 Bk sein. (H. Constabel)
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Die Baureihe 280 für den DDR-S-Bahnverkehr Voraussetzungen, Ausgangslage und Fahrzeugentwicklung Im Juli 1965 forderte die Hv M, Abt. Technik in Berlin ihre Versuchs- und Entwicklungsstelle (VES/M) in Halle unter dem Betreff: Vereinheitlichte Triebzüge für den Nah- und Vorortverkehr auf, „…bis zum 30.10.1965 die notwendigen Untersuchungen zur Festlegung der Einsatzgebiete von Wechselstrom-Nahverkehrstriebwagen in den großstädtischen Siedlungs- und Industrieballungsgebieten der DDR unter Berücksichtigung des Berliner Raumes durchführen zu lassen (Schwerpunkte: Berlin, Dresden, Halle u. ggf. Rostock)“. Die Versuchs- und Entwicklungsstelle für den Betriebs- und Verkehrsdienst (VES/BuV) in Leipzig erarbeitete hierfür wesentliche Grundlagen. Dem folgten am 10. November 1965 durch die VES/BuV in einem 28-seitigen Dokument die betrieblichen und verkehrlichen Forderungen als Basis für das Pflichtenheft eines einstöckigen elektrischen Triebzuges für den Vorort-Schnellverkehr und die infrage kommenden Strecken. Die VES/BuV legte das Dokument ihrer Hauptverwaltung in Berlin vor. Von dort gelangte es zur Hv M in Berlin, womit gleichzeitig für die VES/M Halle wichtige Kenndaten formuliert wurden, um die weiteren Entwicklungsaufgaben vornehmen zu können. In den darauf folgenden Jahren wurden unter den beteiligten Stellen Fragen des Fahrzeugbedarfs, der Unterbringungsmöglichkeit mehrteiliger Triebzüge, der Einsatzgebiete und des Sitzplatzangebotes verhandelt bzw. abgestimmt, wobei die Hv M bis zum Mai 1966 die Technischen Forderungen des Nahverkehrstriebzuges formuliert hatte43. Nach dem 1966 verhängten Elektrifizierungsstopp erhob Walter Ulbricht bereits im April 1967 auf dem VII. Parteitag der SED
die Forderung zur Schaffung attraktiver Nahverkehrssysteme. Mit diesem „Parteiauftrag“ im Rücken gelang es den Verantwortlichen im Ministerium für Verkehrswesen (MfV), die Elektrifizierung unter dem Deckmantel der Verbesserung des Nah- und Vorortverkehrs in kleinen Schritten weiter zu betreiben. Zu einem modernen Nahverkehrssystem gehörten natürlich auch moderne Schienenfahrzeuge, mit denen man sich, auf Grund Ulbrichts Äußerungen, auch weiterhin befassen konnte. Demgemäß wurden die Untersuchungen aus den Jahren zuvor fortgesetzt, die sich im April 1968 mit der Frage befassten, für welche Bahnsteighöhen die für die Bezirkshauptstädte der DDR bestimmten Triebzüge ausgelegt werden sollen. Dabei muss der von der Deutschen Bundesbahn 1964 in Dienst gestellte ET 27 (ab 1968: Baureihe 427) als Orientierung gedient haben. Das kann gefolgert werden, weil sich in den Akten des MfV, die sich mit der DR-Baureihe 280 beschäftigen, der Artikel „Die Entwicklung eines S-Bahn ähnlichen NahverkehrsTriebwagens der DB für Wechselstrom 16 2/3 Hz, 15 kV“, aus der Zeitschrift Elektrische Bahnen, 36 Jahrgang, 1965, Heft 3, wiederfindet, während andere Sekundärliteratur fehlt44. Allein aus diesem Grund wird nachfolgend, um etwaigen Kritikern - ein Vergleich sei nicht angezeigt - zu begegnen, wiederholt die DB-BR 427 zitiert bzw. werden Vergleiche und ggf. Parallelen zu diesem gezogen. Auch die dreiteiligen DBTriebzüge der BR 420, die im gleichen Zeitfenster wie die DR-BR 280 realisiert wurden, werden öfters benannt, weil sich das von der DDR angestrebte „Weltstandsniveau“ (Anm. d. A.: Originalzitat) auch an diesem Fahrzeug orientierte.
Der ET 27 der DB diente der DR als Orientierung bei der Gestaltung der Eingangsbereiche für die Fahrgäste. Deutlich sind die Trittstufen im Bereich der Einstiegtüren zu erkennen, die ein bequemes Einsteigen von Bahnsteigen mit einer Höhe von 600, 380 und 210 mm über SO ermöglichen. (AEGWerkfoto; Slg. U. Hübner)
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Die Baureihe 280 für den DDR-S-Bahnverkehr
Ebenso wie bei der BR 427 war für die BR 280 die Gestaltung der Eingangstiegbereiche für die Fahrgäste von großer Bedeutung. Dabei galt es unterschiedliche Bahnsteighöhen zu berücksichtigen. Letzteres übt einen entscheidenden Einfluss auf die Gesamtkonstruktion eines Fahrzeuges aus, das entweder mit einem Fußboden einheitlicher Höhe im Fahrgastbereich, z. B. bei der BR 420, auszuführen oder aber um die Einstiegverhältnisse anders gestalten zu können, zwischen Einstiegs- und Fahrgastraum mit einer Schräge oder Stufe zu versehen ist. Letzteres erfordert einen gekröpften Fahrzeugrahmen.
die Möglichkeit zur Ausführung eines Übergangs zwischen den Wagen, was zusätzlich von der angestrebten Bauart der Kupplungseinrichtung abhing45. Schließlich wurden noch die Sekundärfederung der Drehgestelle und die Raddurchmesser festgelegt (z. B. BR 427: 900 mm, BR 280 und BR 420 je 850 mm)46,47. Auch die maximalen Einbauvolumen für Fahrmotoren, Hilfsbetriebe sowie für den Transformator waren mit den zuvor bestimmten Eckdaten vorgegeben. Auf all diese Gesichtspunkte wurde in dem besagten Artikel aus dem Jahre 1965 über den ET 27 eingegangen.
Alternativ bzw. zusätzlich bestand die Möglichkeit des Einbaus von Trittstufen in das Fahrzeuginnere, worüber z. B. die BR 427 verfügte. Der Fahrzeugrahmen musste bei dieser Variante mit einer Zick-Zack-Form versehen werden. Durch die jeweils gewählte Variante ergaben sich auch die Einbaumöglichkeiten der elektrischen Ausrüstung (unter dem Fahrzeugboden, im Wagenkasten oder auf dem Dach) und ggf.
Gleiche Überlegungen standen auch bei der DR für ihren Wechselstromtriebzug zur Bedienung des Nahverkehrs an, wobei es letztendlich um die Frage der Höhe des Fahrzeugfußbodens über Schienenoberkante bzw. gegenüber dem Bahnsteig ging (BR 427: 905 mm, BR 420: 1.000 mm, BR 280: 1.100 mm (unbeladen) / 945 mm (voll beladen bei voll abgenutzten Radreifen)48,49.
FO 760
550
380
300
SO
230
555
765
1045
optimale Bahnsteighöhe
Alle Maße in mm Einstiegverhältnisse für BR 280 mit zwei Einstiegbereichen ¯ (Zeichnung Th. Borbe)
Einstiegverhältnisse bei der BR 427 der DB (Slg. Th. Borbe)
Tabelle mit den Einstiegbedingungen der BR 280: Radzustand
Belastungszustand
Fußbodenhöhe ü. SO
Kupplungshöhe
Fahrzeughöhe
Ø [mm]
-
H1 [mm]
H 2 [mm]
H 3 [mm]
Bezugszustand
halb abgenutzt Ø 815
halb beladen
≈ 1043
≈ 988
≈ 3693
max. Höhe
neu
Ø 850
unbeladen
≈ 1100
≈ 1045
≈ 3750
min. Höhe
voll abgenutzt
Ø 780
voll beladen
≈ 945
≈ 940
≈ 3645
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In einer am 9. Januar 1968 im MfV mit dem Minister Kramer durchgeführten Dienstbesprechung über die einheitliche Bahnsteighöhe für Stadtschnellbahnen wurde mitgeteilt, dass für einen optimalen Fahrgastfluss ein gleiches Niveau zwischen Fahrzeugboden und Bahnsteig anzustreben sei. Bei der Überprüfung der vorhandenen Bahnsteighöhen in den Einzugsbereichen der vorgesehenen Stadtschnellbahnen wurden Bahnsteighöhen zwischen 220 bis 960 mm über Schienenoberkante ermittelt. Dabei war wegen des Gemeinschaftsverkehrs von Reise- und Güterzügen unter Berücksichtigung des 1 SM/DR-Profils in den Bereichen von Leipzig, Magdeburg, Dresden und Rostock eine Erhöhung der vorhandenen, noch umzubauenden Bahnsteige nur bis zu 760 mm möglich, während die technischen Parameter für den Triebzug Bahnsteighöhen bis 960 mm berücksichtigten50. Gleichzeitig wurde aber zu bedenken gegeben, dass in Vorbereitung bzw. im Bau befindliche Bahnsteige nur auf eine Höhe von 550 mm ausgelegt wurden. Da bereits das Funktionsmuster des vereinheitlichten Nahverkehrstriebzuges zunächst anlässlich des 20. Jahrestages der DDR am 7. Oktober 1969 ausgeliefert werden sollte und die Investitionsvorbereitungen bzw. deren Umsetzungen bei den Stadt-Schnellbahnen weit fortgeschritten waren, wurde eine kurzfristige Entscheidung über die Frage der Auslegung des Passagierzuganges erforderlich51. Schließlich sollte die Problemlösung im Einvernehmen mit den beteiligten Hauptverwaltungen und der Fahrzeugindustrie der DDR erfolgen. In den technischen Bedingungen zur Lieferung der Triebzüge wurde dann im Februar 1969 festgelegt, dass die Züge sowohl für 550 mm, als auch für niedrigere Bahnsteige vorzusehen seien. Dabei wurde beschlossen, dass zur Bedienung letztgenannter Bahnsteige Trittstufen am Fahrzeug vorzusehen sind52. Außerdem waren die Wagen so auszuführen, dass deren Umbau für den Betrieb an 960 mm hohen Bahnsteigen durch die DR möglich sein sollte. Fast zeitgleich mit der Klärung des zuvor benannten Problemkreises erfolgten konkretere Überlegungen über die Anzahl der zu beschaffenden Triebzüge.
In einem Strategiepapier für die Beratung zwischen der Hv M und dem Werkdirektor des VEB LEW vom Juli/August 1968 über den gemeinsam abzuschließenden langfristigen Wirtschaftsvertrag 1971 bis 1975 formulierte die Hv M folgende Beschaffungsübersicht: BR 280 Bezirke
1971
1972
1973
1974
1975
Stück nach Hv M
2
10
–
7
3
Der Hersteller LEW konnte sich hingegen vorstellen, nachfolgende Einheiten an die DR zu übergeben: BR 280 Bezirke
1971
1972
Stück nach LEW
2
–
96
1973
1974 40
1975 –
Bei den angegebenen Zahlen handelt es sich um vierteilige Halbzüge, bestehend aus je zwei Doppeltriebwagen ETa und ETb. Die Hv M hätte das umfangreichere Angebot der LEW gerne angenommen, verfügte aber nicht über die zusätzlichen finanziellen Mittel in Höhe von 100 Mio. M (aufgerundet). Die Preisvorstellung der LEW pro Halbzug lag bei rund 4,5 Mio. M (Musterzüge) mit dem Ziel, für die Serie 3,7 Mio. M pro Zug anzustreben. Die Vorstellungen der Hv M lagen auf Grund der Erfahrungen mit dem Baumuster der BR 170 (Blaues Wunder, Berliner S-Bahn) sowie Vergleichen mit dem Ausland (Schweden) bei 2,7 Mio. M. LEW konnte diesen Wunschpreis jedoch nicht anbieten. In dem Strategiepapier ist dazu vermerkt: „Die bisher bei LEW vorhandene Kalkulation ... läßt keine Verringerung des Preises gemäß Angebot LEW erkennen. Aus den genannten Gründen konnte eine Preisvereinbarung noch nicht erzielt werden.“ Für die ab 1972 zu liefernden Serienzüge strebte die Hv M an, den von LEW anvisierten Preis von 3,7 Mio. M um 20 % zu unterschreiten53. Ungeachtet der offenen Finanzierungsfrage wurde mit Datum vom 18. September 1968 in Berlin bzw. am 18. Juli 1968 in Hennigsdorf, durch Vertreter der Hv M und durch den Werkdirektor der LEW ein Wirtschaftsvertrag geschlossen. Darin hieß es: „Zur Realisierung der bestehenden Generalverkehrspläne für die Bezirke Dresden, Leipzig, Magdeburg, Halle sowie Berlin und Rostock wird in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Ministers für Verkehrswesens, Genosse Dir. Kramer, gemäß Niederschrift über die Beratung beim MfV vom 8.5.1968 die Entwicklung von 2 neuen Triebfahrzeugtypen aufgenommen.“ (Anm. d. A.: BR 270 für DC-Stromschienenbetrieb und BR 280 für 1AC-Oberleitungsbetrieb). Weiter wird in § 2 u. a. geregelt: „Für die Stadtschnellbahnen der Bezirksstädte wird das Bahn-Stromsystem 15 kV, 16 2/3 Hz zugrunde gelegt. Hierzu verpflichtet sich der VEB LEW zu folgenden Aufgaben: 1. Der VEB LEW fertigt ein Baumuster, bestehend aus 8 Wagen (4 Stück ETa und 4 Stück ETb) bis 1970 auf der Grundlage der technischen Forderungen der Hv M. ... Für das Jahr 1972 ist die Lieferung von 5 Vollzügen (40 Wagen) als Nullserie vorgesehen. Für diese Züge werden, soweit es möglich ist, die Erfahrungen, welche sich bei der Erprobung des Musterzuges ergeben haben, eingearbeitet. ... 3. Der VEB LEW verpflichtet sich, seine Produktion so einzurichten, daß die Serienlieferung ab 1974 erfolgen kann. Nach erfolgreichem Abschluß der Erprobung erfolgt die Serienlieferung in der Zeit bis 1980 auf der Grundlage des noch nicht verabschiedeten Ministerratsbeschlusses. Es muß mit einer Stückzahl von insgesamt ca. 125 Vollzügen, bestehend aus 1000 Wagen, gerechnet werden.“ Besonders Interessantes wurde in § 3 geregelt. Dort heißt es: „Für die Berliner S-Bahn einschließlich der Bezirksstadt Rostock wird das Bahnstromsystem 1500 Volt Gleichstrom zugrunde gelegt ...“, womit für Rostock die in den Jahren zuvor getroffenen Annahmen weiter konkretisiert wurden.
Die Baureihe 280 für den DDR-S-Bahnverkehr
Entwurfszeichnungen der Baureihen 280 (oben) und 270 (unten) mit geraden Stirnwänden aus dem Jahre 1970 (Slg. Th. Borbe)
1:1-Modell des Triebwagenkopfes der BR 270 Prototype. Die BR 270 war ursprünglich auch für den Betrieb auf der Rostocker S-Bahn vorgesehen. (LEW; Slg. Th. Borbe)
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Die Technischen Bedingungen für den Serienbau der zwei neuen Fahrzeugtypen sollten zum Zwecke der rechtzeitigen Materialbestellung und zur Sicherung einer kontinuierlichen Fertigung für den Triebzug BR 280 bis zum 31. Dezember 1972 und für die Baureihe 270 für Berlin und Rostock bis zum 31. Dezember 1973 ausgearbeitet sein54. Das war gleichbedeutend mit einer Vorgabe, bis zu welchem Zeitpunkt jeweils die Erprobung der Musterzüge abzuschließen und die Unterlagen für die Serienfertigung zu erstellen waren. Die Frage des Stückpreises war nach Abschluss der Erstellung der Technischen Bedingungen für die Serie zu klären. Eine ähnliche Verfahrensweise wurde für die in § 3 nur vage geregelte Stückzahl in Aussicht gestellt. Nach Beschlussfassung durch den Ministerrat sollte die Lieferanzahl endgültig geklärt und anschließend in den Wirtschaftvertrag übernommen werden. Abschließend übernahm LEW die Verpflichtung, die Entwicklung, Konstruktion und Fertigung auf der Grundlage des Weltniveaus durchzuführen, was eine Ausrichtung u. a. an der jüngeren DB-Baureihe 420 zur Folge haben musste55. Nach diesen eher formalen Regelungen konnte man sich in Berlin und Hennigsdorf wieder den technischen Parametern widmen. In Berlin, bei der Hv M, waren einige Details des Triebwagens trotz vorangegangener Empfehlungen noch immer ungeklärt. Sie richtete im September 1968 ein an den Minister Kramer persönlich gerichtetes Schreiben mit der Bitte, die bisher vorgesehene Türanzahl je Wagenseite zu erhöhen. Dabei wurde wie folgt argumentiert: „Anzahl und Gestaltung der Türen von Stadtbahnschnellbahnen müssen nach dem maximalen Fahrgastfluß während des Berufsverkehrs bemessen werden, da gerade während dieses Zeitraumes die SBahn ihre höchste Leistungsfähigkeit besitzen muss. Mit Rücksicht auf die Menschenansammlungen vor den Türen am Bahnsteig und die dadurch entstehenden Behinderungen des Fahrgastflusses sind möglichst viele Türen je Wagenseite anzuordnen. Die Türbreite ist für den gleichzeitigen unbehinderten Durchgang von 2 Personen auszulegen.“ Aus diesem Grunde sollten „Bei der Bemessung der Türanzahl ... für die Stadtschnellbahnen in den Bezirkshauptstädten die gleichen Beurteilungsmaßstäbe wie bei der Ber-
liner S-Bahn angewendet werden. Die Reisegeschwindigkeit muß möglichst hoch gewählt werden, um die Durchlaßfähigkeit der Strecke (Gemeinschaftsbetrieb) mit dem internationalen Verkehr, z. B. Dresden-Neustadt und Hbf zu verbessern, Aufenthaltszeiten sind möglichst kurz zu wählen.“ Folgerichtig wurde darauf hingewiesen dass: „… durchgeführte Untersuchungen ergeben haben, dass bei Anordnung von 3 Türen je Wagenseite gegenüber einer 2-türigen Ausführung die Bahnhofsaufenthaltszeiten um 30 % verkürzt, die Reisegeschwindigkeit um 8 % erhöht oder bei Annahme der gleichen Fahrzeit ca. 20 % Energie eingespart werden“ kann (Anm. d. A.: gemeint sind hier und in den nachfolgenden Ausführungen Türenpaare). Deshalb wurde gefordert, „… von der Industrie die Möglichkeit einer Anordnung von 3 Türen (6 Fahrgastspuren) je Wagenseite nochmals (zu) prüfen ... und zur exakten Beurteilung praktische Messungen über den Fahrgastwechsel bei der Berliner S-Bahn und an Modellen durchführen zu lassen“.56 Die so gemachten Vorschläge sollten in eine Beratung Kramers mit dem Minister für Industrie Eingang finden. Kramer, ein Mann der Praxis, zeigte sich aufgeschlossen, denn bereits am 11. Oktober 1968 fanden auf dem S-Bahnhof Berlin-Grünau mit einem besonders präparierten Zug der Berliner S-Bahn die erbetenen Untersuchungen statt. Hierbei waren die Türen des Beiwagens eines Viertelzuges ausgehängt worden, um die lichte Türbreite jener der zu beschaffenden DR-BR 280 anzunähern, während der andere Wagen unverändert blieb. 79 Personen, die eine 100 %-ige Belegung eines Wagens herbeiführten, stiegen wahlweise durch ein oder zwei Türpaare ein und aus. Ermittelt wurde der Zeitbedarf für reines Zusteigen, des Fahrgastwechsels sowie partielles Aussteigen bei den beiden Varianten mit aus- und eingehängten Türen. Aus den Versuchen ging u. a. hervor, dass die lichte Türweite der Ein- bzw. Ausgänge bei ausgebauten Türen nicht wirklich ausreichte, um ein Aussteigen von zwei Personen gleichzeitig zu ermöglichen, wenn eine der Personen noch Gepäck bei sich führte (1.200 mm lichte Türweite). Noch schwieriger gestaltete sich dies bei eingebauten Türen.
Aus der Stellungnahme des Instituts für Schienenfahrzeuge zur Aufgabenstellung für Verkehrswesen für elektrische Stadtschnellbahnund Bezirksverkehrsfahrzeuge vom 10.4.1968. Der Entwurf für den Triebwagen sieht drei Türenpaare vor. (Slg. Th. Borbe)
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Die Baureihe 280 für den DDR-S-Bahnverkehr
Einstiegverhältnisse bei eingehängten (links) und ausgehängten (rechts) Türen bei einem Triebzug der Berliner S-Bahn. Bei eingehängten Türen können zwei Personen nicht gleichzeitig aussteigen. (Rbd Berlin, Slg. Th. Borbe)
Zusammenfassend heißt es in der Untersuchung der Rbd Berlin, Verwaltung der S-Bahn, vom 16. Oktober 1968: „Unter Berücksichtigung der Abfertigungszeit erfüllt ein dreitüriger Wagen knapp die gestellten Bedingungen“. Trotz dieser wichtigen Erkenntnis wurden die Ergebnisse bei der Konstruktion der BR 280 letztendlich nicht gebührend berücksichtigt. Aber immerhin legten die Technischen Bedingungen vom 13. Februar 1969 für die BR 280 fest, dass die lichte Breite der vor dem Wagenkasten laufenden Doppelschiebetüren 1.200 mm bei 1.900 mm Höhe betragen sollte57. Das entsprach in etwa den Verhältnissen der durchgeführten S-Bahn-Versuche mit ausgehängten Türen. Bei dem in den Unterlagen des MfV angeführten Vorbild, der BR 427, waren Schwenkschiebetüren mit der stolzen lichten Durchgangsweite von 1.540 mm zum Einbau gekommen, was für den angestrebten Einsatzzweck besser geeignet gewesen wäre. Zudem leistete sich die DB das dritte Türenpaar je Wagenseite, auf welches die BR 280 trotz der vorangegangenen Empfehlungen verzichten musste, weil der Verkehrsminister am 26. November 1968
entschieden hatte, zwei Türenpaare je Seitenwand vorzusehen58. Dabei war der Wagenkasten der BR 427 allerdings um rund 590 mm länger und bot somit bessere Voraussetzungen für mehr Türen als der 23,8 m lange Aufbau der BR 280. Nebenbei bemerkt hatte die Festlegung auf zwei Türenpaare große Schwierigkeiten bei den LEW zur Folge, weil dort der Schwerpunkt der konstruktiven Vorarbeiten bereits bei der Variante mit drei Türenpaaren gelegen hatte59. Meinungsverschiedenheiten gab es auch bei anderen Details. Diese betrafen die Gestaltung der Führerhausstirnwand und traten zwischen der Hv M und dem Zentralinstitut für Gestaltung in Berlin auf, welches seinen Abschlußbericht unter dem Titel „Formgestaltung des Triebwagenzuges S-Bahn Bezirkshauptstädte“ am 20. März 1969 der DR vorlegte. Die ursprüngliche Ausführung, mithin das erste Modell, sah eine senkrechte Stirnwand vor. Damit stimmten die Vorstellungen von LEW und dem Zentralinstitut wegen der umfassenden Untersuchungen zur Konstruktion, Technologie und Ästhetik überein.
Modellstudie der BR 280 mit senkrechter Stirnwand. Obwohl bereits im September 1969 feststand, dass die BR 280 keine gerade Stirnwand erhalten sollte, wurde in der Ausgabe Heft 6 des Instituts für Leichtbau, Mitteilung Nr. 9 aus dem Jahre 1970 ein Entwurf mit gerader Stirnwand veröffentlicht. (P. Garbe)
99
Auf ausdrücklichen Wunsch der Hv M und entgegen der Vorschläge der beiden zuvor genannten Institutionen wurde die Erstellung eines weiteren Modells für eine geknickte Frontausführung verlangt. Die Abkehr von der ursprünglichen Variante schlug für das Originalfahrzeug mit zusätzlichen 600 M Fertigungskosten pro a-Wagen zu Buche. Der Hersteller hatte die senkrechte Variante auch deshalb favorisiert, weil sie fertigungs- und unterhaltungstechnisch gegenüber der geneigten Ausführung deutliche Vorzüge hatte und statisch weniger Probleme in sich barg als die realisierte „geknickte“ Form. Von diesen Vorzügen erlangte Erwin Kramer jedoch keine Kenntnis, weil die Hv M die entsprechenden Informationen nicht weitergegeben hatte, obwohl ihr beide Modelle vorgestellt worden waren. Der „unwissende“ Verkehrsminister legte schließlich durch Beschluss die geneigte Stirnwandform fest60. Am 13. Februar 1969 folgten die bereits weiter oben genannten verbindlichen Technischen Bedingungen für die in StahlLeichtbauweise auszuführenden Triebzüge. Diese sahen u. a. vor, dass die kleinste betriebliche Einheit aus vier kurzgekuppelten Wagen, die nur mittels Werkzeugen zu entkuppeln waren (ein Halbzug) bestehen sollte (Anm. d. A.: Die BR 427 verfügte über Regelzug- und Stoßeinrichtungen, die BR 420 über Kurzkupplungen zwischen den Wagen innerhalb eines Triebzuges). Das entsprach zwei Doppeltriebwagen, wobei jeder aus einem Endwagen mit Führerstand (ETa) und einem Mittelwagen (ETb) bestand. Zwischen den beiden in Zugmitte laufenden ETb-Wagen sollten ebenso wie zwischen ETa- und ETb-Wagen Übergänge vorgesehen werden. Bis zu maximal drei Halbzüge mussten von einem Führerstand aus gesteuert werden können, womit die größte zu fahrende Einheit vorgegeben war. Für das noch weiter unten
zu benennende Fahrprogramm, welches von der Hauptverwaltung Betrieb und Verkehrsdienst aufgestellt wurde, war die BR 280 mit einer großzügigen Antriebsleistung und deshalb mit je einem Motor pro Radsatz auszustatten. Als Fahrmotoren wurden parallel geschaltete und an die 33-Hz-Wechselstromwelligkeit speziell angepasste Gleichstrommotoren (so genannte Wellenstrommotoren) in Tatzlagerausführung mit einer Stundenleistung von je 210 kW vorgeschrieben. Von dieser Ausführung erhoffte sich die DR gerade im Nahverkehr eine erhebliche Verminderung des Kommutator- und Bürstenverschleißes bis zur vorgegebenen Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h. Damit verfügte der vierteilige Halbzug über eine Stundenleistung von 3.040 kW bei 78 km/h. Die Technischen Bedingungen formulierten ferner: „Die Fahrmotoren sind auf Grund der gewählten Leistungssteuerung für reine Spannungssteuerung ausgelegt. Für die Leistungssteuerung ist ein leistungslos schaltendes Niederspannungsschaltwerk mit drei Doppel-Hauptkontakten, einem Einzel-Hauptkontakt und entsprechenden Hilfskontakten in Verbindung mit speziellen Gleichrichterbrücken eingesetzt. Die Aussteuerung der Stufenspannungen und die Leistungsumschaltung übernehmen Thyristoren in den Gleichrichterbrücken“. Damit forderten die Technischen Bedingungen erstmals bei der DR den Einbau einer Spannungssteuerung über Thyristor-Stromrichterbrücken mit Phasen-Anschnitt, eine für DR-Triebfahrzeuge vollkommen neue Technik, die in abgewandelter Ausführung auch die zeitgleich entwickelten Güterzugelloks der Baureihe 250 erhalten sollten. Als Besonderheit wurde die Bordenergieversorgung durch einen rotierenden Umformer 1AC16 2/3-Hz/3AC-50 Hz vorgegeben. Mit diesen Vorgaben strebte die DR das so genannte „Weltstandsniveau“ an. Das westdeutsche „Gegenstück“, die BR 420, verwendete ebenfalls Drehstrom für seine Hilfsbetriebe, jedoch erfolgte hier die Umwandlung mittels statischer Hilfsumrichter61.
Seitenansichten der Triebzüge BR 280 und BR 427 (Slg. Th.Borbe)
100
Die Baureihe 280 für den DDR-S-Bahnverkehr
Stirnseite des a-Wagens. Während der Schweißarbeiten wird der Wagenkasten mit Lehren und Spreizen ausgesteift, um Verziehungen durch die eingebrachte Wärme zu verhindern. (LEW; Slg. Th. Borbe)
Blick auf das Kurzkupplungsende mit der hinteren Stirnwand des a-Wagens. (LEW; Slg. Th. Borbe)
101
Wagenkastenrohbau der BR 280 mit geeigneter Hebevorrichtung in der Lokomotivmontagehalle der LEW ca. 1973. (LEW; Slg. Th. Borbe)
Dachansicht des b-Wagens mit Hauptschalter, Dachtrennschalter und Lehre zum Aufschweißen der Befestigungskonsolen für den Stromabnehmer. (LEW; Slg. Th. Borbe)
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Die Baureihe 280 für den DDR-S-Bahnverkehr
Radsatz mit Fahrmotor und an der Rotorwelle angebrachter Bremsscheibe (LEW; Slg. Th. Borbe)
Triebzug der Baureihe 420 der DB (AEG-Werkfoto; Slg. U. Hübner)
103
Für den späteren Einbau einer sowjetischen punktförmigen Zugbeeinflussung war die Anbringung von Magneten an den Drehgestellen zu berücksichtigen. Damit deutete sich an, dass die DDR-Schienenfahrzeugindustrie mit der BR 280 und einer abgeänderten elektrischen Ausrüstung, auch Exportabsichten verfolgte (Entwürfe für eine 50 Hz, 25 kV-Variante mit 1.680 kW wurden bei den LEW bereits erarbeitet, wobei der ETb in der Planungsphase 1970 zu einem Beiwagen umfunktioniert wurde, während die Entwürfe ein Jahr später vorsahen, beide Stromabnehmer auf dem ETb unterzubringen. Ebenso war geplant, den Großteil der elektrischen Ausrüstung nun in diesem Teil des Zuges zu installieren). Wegen der Exportabsichten bestand zudem das Ziel, ein äußerst betriebssicheres Fahrzeug zu entwickeln, das aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus für eine tägliche Betriebszeit von 20 Stunden vorzusehen war. Für die Triebzüge wurde nachfolgendes Betriebsprogramm aufgestellt: Programm 1
Programm 2
Haltepunktabstand
2000 m
5000 m
Haltezeit
30 s
30 s
Reisegeschwindigkeit
ca. 50 km/h
ca. 80 km/h
Programmmäßige Höchstgeschwindigkeit
ca. 80 km/h
ca. 120 km/h
Maximale Bremsverzögerung (bezogen auf beladenen Triebzug mit 5 Personen/m² Stehplatzfläche)
ca. 1 m/s²
ca. 1 m/s²
Streckenneigung
0‰
0‰
Einsatzzeit täglich
20 h
20 h
Ruckbegrenzung im Normalbetrieb
ca. 0,5 m/s²
ca. 0,5 m/s²
104
Diese ähnelten in einigen Punkten den Anforderungen, die für den Betriebseinsatz der Baureihe 427 in der Bundesbahndirektion (BD) Stuttgart und für die Baureihe 420 (Haltestellenabstand 2,7 km) im S-Bahn-Verkehr zu erfüllen waren62. Während die DB ihren neuen S-Bahn-Triebzug seit Ende 1969 erprobte, konnte die Reichsbahn das Testprogramm für ihr Pendant nicht wie vorgesehen aufnehmen. Auf Grund von Produktionsschwierigkeiten im Zusammenhang mit Exportverpflichtungen konnte der Hersteller, Kombinat VEB LEW Hennigsdorf, die ursprünglich für das Jahr 1971 geplante Lieferung der beiden Halbzüge erst für das Jahr 1972 anbieten63. Zudem bestanden immer noch Meinungsverschiedenheiten zwischen der DR und LEW über die Bezahlung des Baumusters und über deren anschließend ggf. zu erfolgende Angleichung an eine Serienausführung, die sich über mehrere Monate hinzogen. Schließlich konnte man sich am 16. September 1971 in einer Beratung zur Abstimmung über die Anlage 4 des weiter oben angeführten Wirtschaftsvertrages immerhin darauf einigen, dass von der BR 280 im Jahre 1972 ein Halbzug, 1973 ein weiterer mit Auslieferungstermin bis zum 31. März 1973 und 1974 bzw. 1975 jeweils 18 Halbzüge an die Reichsbahn abzuliefern waren. Diese Zahlen sollten allerdings keinen langen Bestand haben.
Fotos vom ersten Halbzug sind selten. Hier steht der gerade ± fertiggestellte 280 001/002 vor seiner Geburtsstätte in Hennigsdorf. (P. Garbe)
Die Baureihe 280 für den DDR-S-Bahnverkehr
Die Hauptverwaltung Betriebs- und Verkehrsdienst, Abteilung Technik und Technologie erhielt am 22. Februar 1972 den Auftrag, den Bedarf an S-Bahntriebzügen für die Bezirksstädte festzustellen und erstellte dafür nachfolgende Tabelle: Hv BuV
1975
Magdeburg
8
1976
1977
1978
(5)
4
Dresden
6
6
6
Leipzig
10
5
5
Halle
4
4
1979
1980
15
5
1981
1982
1983
1984
10
5
5
5
10
20
10
10
20
15
15
15
Die Planungen der Hv M zu diesem Zeitpunkt sahen hingegen folgendes vor:
Hv M
bis 1976 1977 1978 1979 1980 1981 Summe 1975
BR 280
38
20
20
20
20
133
Dabei war das Beschaffungsprogramm bis 1975 um 30 Halbzüge aufgestockt worden, da die Vereinigung Volkseigener Betriebe (VVB) Schienenfahrzeuge keine Reisezugwagen an die DR liefern konnte und die dafür vorgesehenen Mittel nach einer Entscheidung des Ministers nunmehr für die Triebwagenbeschaffung bereitgestellt werden sollten64. Die Einsatzbereiche für 30 Halbzüge waren somit noch offen. Dafür boten sich folgende Verwendungszwecke an:
15
Summe 22
9
67
41
96
5
Das ergab einen Gesamtbedarf von 230 Halbzügen, davon 93 Halbzüge bis einschließlich 1980.
15
nach 1985
5
13
Rostock 8
1985
15
15
10
10
12
32
15
15
62
230
werden könne. Stattdessen solle die DR davon ausgehen, dass dieser zur Leipziger Frühjahrsmesse 1973 fertiggestellt werde65. Die Hv M nahm diese Informationen zur Kenntnis, forderte aber trotzdem die Auslieferung zum vereinbarten Termin. Probleme deuteten sich aber auch auf Reichsbahnseite an. Durchgeführte Investitionskontrollen hatten ergeben, dass auf Grund von fehlenden Baukapazitäten im Bezirk Dresden nicht alle Bahnsteige für den Nahverkehr auf die erforderliche Höhe gebracht bzw. in der vorgegebenen Zeit umgebaut werden könnten. Am 8. Mai 1973 bat deshalb die Hv M den Generaldirektor der LEW um Überprüfung, ob eine Verbreiterung der Trittstufen des Noteinstieges ohne Veränderung der Triebwagenbreite und ohne Überschreitung des Umgrenzungsprofils möglich wäre. Womit das leidige Thema Bahnsteighöhe wieder einmal auf die Tagesordnung kam.
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Ungeachtet dessen konnte der Baumusterzug 280 001 bis 004 erst am 5. Oktober 1973 „zu Ehren des am 7. Oktober zu begehenden Jahrestages der Gründung der DDR“ an die DR ausgeliefert werden, dem der zweite Zug 280 005 bis 008 nach seiner Vorstellung auf der Leipziger Frühjahrsmesse im März 1974 folgte. Damit ging eine Verschiebung der geplanten Serienlieferung einher, die nun 1976 erfolgen sollte, weshalb andere Vorhaben bei der Realisierung vorgezogen wurden66.
Zu diesen Überlegungen waren nach Klärung der Zuständigkeiten entsprechende Erhebungen unter Beteiligung der betroffenen Dienststellen durchzuführen. Gegen eine Bedarfsanmeldung von 133 Halbzügen bis 1980 unter Vorbehalt der Schaffung bestimmter technischer Voraussetzungen (Einstiegverhältnisse, Bahnenergieversorgung usw.) bestanden bei der DR keine Bedenken. Doch auch diese Aufstellung sollte überholt werden. Am 30. Mai 1972 informierten die LEW die Hv M darüber, dass wegen Kapazitätsschwierigkeiten der erste Baumuster-Halbzug voraussichtlich nicht bis zum 31. Dezember 1972 ausgeliefert
Seit der Planungsphase war bekannt, dass der neue elektrische Nahverkehrstriebzug sehr hohe Anforderungen an die Bahnenergieversorgung und ihre Anlagen stellen würde (Schreiben der VES/M vom 12. August 1968 an die Hv BuV). So wundert es nicht, dass noch vor Beginn des Erprobungsprogrammes die VES/M, Betriebsteil Dessau, in einer Besprechung am 27. Juli 1972 mitteilte, dass beim Anfahren eines Halbzuges (Vierwageneinheit) eine kurzzeitige Stromspitze von 675 A zu erwarten wäre67. Da die hierfür erforderliche Stabilisierung bzw. Ertüchtigung der Bahnenergieversorgung zum anberaumten Einsatzbeginn nicht gewährleistet werden konnte, sollte Vorsorge auf den
105
Triebzügen getroffen werden, damit beim Anfahren der aus der Fahrleitung entnommene Strom auf geringere Werte beschränkt blieb, weshalb zwei Oberstrombegrenzungsstufen vorgesehen wurden. Immerhin lag die Anfahrbeschleunigung
der BR 280 mit 1,2 bis 1,3 m/s² recht hoch und verlangte entsprechende Energie aus dem Fahrdraht. Dabei übertraf die DDR-Entwicklung deutlich den maximalen Beschleunigungswert der DB-Baureihe 420, der 1,0 m/s² betrug.
Vorstellung des Halbzuges 280 005 bis 008 auf der Leipziger Frühjahrsmesse im März 1974 (H.-J. Lange)
Die Erprobung der Baumusterfahrzeuge Diese Sprintereigenschaften konnten bei messtechnischen Erprobungen mit dem 280 001 bis 004 unter anderem auf dem Streckenabschnitt Halle-Neustadt – Buna Werke – Merseburg – Großkorbetha überprüft werden. Dabei war es die VES/M Halle, der die Durchführung der Untersuchungen von 280 001 bis 004 seit Anfang 1974 oblag und die im Wesentlichen positiv verliefen. Der zweite Halbzug 280 005
106
bis 008 kam im März 1974 ebenfalls zur VES/M, die mit ihm Leererprobungsfahrten im Raum Halle/Leipzig durchführte. Nur wenig später, am 17. April 1974 hatte der erste Zug (280 001 bis 004) seine Abnahmefahrt und wurde anschließend im Bw Halle P stationiert. Neben der VES/M waren auch andere DR-Stellen an der Betriebserprobung der neuen Züge beteiligt.
Die Baureihe 280 für den DDR-S-Bahnverkehr
Die Strecke zwischen Halle-Neustadt und Merseburg bot ideale Bedingungen für die Erprobung beider Halbzüge, da hier tagsüber kein Zugverkehr herrschte. Hier ist der zweite Halbzug 280 005 bis 008 im Frühjahr 1974 bei Holleben zu sehen. (P. Garbe)
Bei einer von der Technischen Prüf- und Kontrollstelle für den Betriebs- und Verkehrsdienst (TPKS BV) in Leipzig Anfang Januar 1975 erstellten „Verkehrlichen Einschätzung des Triebzuges BR 280“ erfolgte eine erste kurze Beurteilung der BR 280. Der Triebzug, der zweimal im Stillstand besichtigt werden konnte und einmal während einer Probefahrt durch die VES-M seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen hatte, musste sich dabei einer kritischen Überprüfung unterziehen. Unter Zugrundelegung der Annahme, dass die Triebzüge auf S-Bahnstrecken mit Neubaubahnsteigen (Höhe 550 mm) bzw. anderen hohen Bahnsteigen (760 mm) eingesetzt werden, bestanden sehr gute Bedingungen beim Fahrgastwechsel. Bei niedrigeren Bahnsteigen von 250 bis 380 mm Höhe, so wie sie während einer Probefahrt auf der Strecke Leipzig – Dessau Hbf angetroffen wurden, bestanden Differenzen zwischen Bahnsteig und unterster Trittstufe bis zu maximal 50 cm und erschwerten das Einsteigen erheblich bzw. machten es ganz unmöglich. Die Türgriffe besaßen eine unzweckmäßige Form, weshalb sie nicht besonders funktionssicher waren und das Öffnen der Türen nur sehr schwer, d. h. mit beiden Händen, ermöglichten. Im Einstiegsraum störte die Anordnung der ihrer Form nach unschönen Klappen, die der Abdeckung der dahinter befindlichen Schalteinrichtungen dienten. Das Wageninnere hingegen bildete ein einheitliches
Ganzes. Infolge der niedrigen Rückenlehnen entstand der typische Eindruck eines Nahverkehrsmittels, der im S-Bahnverkehr nicht als nachteilig empfunden wurde68. Als besonders nachteilig fielen sowohl die starke Geräuschentwicklung, als auch eine Vibration im Zuge auf. Weiterhin waren die Übergänge zwischen den Wagen ungeeignet. Einerseits waren die Verbindungstüren mit 600 mm sehr schmal, andererseits waren die Schaltschränke im Verbindungsgang für die Reisenden ein Hindernis und stellten ggf. eine Unfallgefahr dar. Falls von konstruktiver Seite nicht anders möglich, sollte auf die Durchgänge zukünftig ganz verzichtet werden. Neben der VES/M und der TPKS BV hatte auch die Hv M in Berlin ihre Wünsche für die zu erprobenden beiden Halbzüge angemeldet. In einer Beratung am 13. Februar 1975 unterbreitete die Hv M den durchaus sinnvollen Vorschlag, aus behandlungstechnischen Gründen die Halbzüge in kleinste betriebliche Einheiten (ETa + ETb) - also in Viertelzüge - zu teilen. Danach sollte der Viertelzug, wie bisher in sich kurzgekuppelt werden, während an dem Übergang von einem ETb-Wagen zu einem anderen ETb- oder auch ETa-Wagen (Sechswageneinheit!) eine Scharfenbergkupplung vorzusehen war. Die Hv BuV sollte dieses Anliegen auf seine Durchführbarkeit hin überprüfen.
107
Der Fahrgastraum der BR 280 mit seinen gepolsterten Sitzbänken und den Einstiegbereichen (P. Garbe)
Die Operative Betriebsleitung der DR akzeptierte zwar die vorgebrachten Gründe, trotzdem sollte versucht werden, durch eine entsprechende technische Lösung den Übergang zwischen zwei Viertelzügen, der bei Einbau einer Scharfenbergkupplung nicht gewährleistet werden konnte, zu sichern, um einen Fahrgastausgleich zu erreichen. Auf diesen Problemkreis wird weiter unten noch ausführlicher eingegangen. Die durch die VES/M ermittelten vorläufig zufriedenstellenden Erprobungsergebnisse veranlassten die Rbd Halle (S.), die
108
zukünftigen S-Bahntriebzüge der Öffentlichkeit vorzustellen und einen zwei Monate währenden Testbetrieb durchzuführen. Am 4. April 1975 fuhr der Halbzug 280 005 bis 008 im Rahmen einer Pressefahrt die geladenen Fahrgäste auf der S-Bahnlinie B von Leipzig Hbf nach Wurzen. Nur drei Tage später beförderte er im Rahmen der Besetzterprobung erstmals auch Fahrgäste auf der genannten Strecke. Für den weiteren Einsatz wurde 280 005 bis 008 am 1. Juni 1975 vom Bw Halle P dauerhaft zum Bw Leipzig West umbeheimatet.
Die Baureihe 280 für den DDR-S-Bahnverkehr
Zur Pressefahrt von Leipzig Hbf nach Wurzen und zurück steht am 4. April 1975 der Halbzug 280 005 bis 008 im Leipziger Hbf. (P. Garbe)
Die Linie B mit einer Streckenlänge von 25,8 km und 11 Bahnhöfen bzw. Haltepunkten bot die Gewähr für einen SBahn-typischen Einsatz, auch wenn auf Grund der Mitbenutzung der Ferngleise ein Taktverkehr nicht möglich war. Der geringste Abstand zwischen zwei S-Bahnen betrug in den Spitzenzeiten 20 Minuten, der sich auf 60 Minuten während der übrigen Tageszeiten erhöhte. Die BR 280 war in einem Umlauf eingesetzt, in welchem der Zug nur einmal täglich in der Spitzenzeit auf der Hinund Rückfahrt verkehrte. Von der ursprünglichen Aufga-
benstellung, das Fahrzeug auch auf der Stadtlinie A zu erproben, musste abgesehen werden, weil der Triebzug wegen Oberbaumängeln im Hp Leipzig-Gohlis nicht eingesetzt werden konnte69. Das teilte zumindest die Technische Prüf- und Kontrollstelle für den Betriebs- und Verkehrsdienst in Leipzig im Juli 1975 mit. In ihrem zweiten Bericht zur Betriebserprobung nahm sie Bezug auf das mit der Hv BuV abgestimmte Programm zur Erprobung des Triebzuges auf der zuvor genannten Linie B der Leipziger S-Bahn.
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Während der Besetzterprobung im April und Mai 1975 verkehrt der Halbzug zwischen Leipzig Hbf und Wurzen auf der S-Bahnlinie B. (Histor. Slg. DB AG)
Am Bahnsteig 20 des Leipziger Hbf steht der Halbzug 280 005 bis 008 mit Fahrtziel Wurzen. Auf dem Nebengleis hat 211 028 einen Schnellzug nach Dresden bespannt. Diese Lok hatte gemeinsam mit der 211 038 am 29. Mai 1970 den Eröffnungssonderzug anlässlich der durchgehenden Elektrifizierung der Strecke Dresden – Leipzig befördert. (Histor. Slg. DB AG)
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Die Baureihe 280 für den DDR-S-Bahnverkehr
Seltener Besuch im Leipziger Hbf. Ein Berliner S-BahnTriebzug anlässlich der lauftechnischen Untersuchung von S-Bahn-Zügen der BR 277 mit Neubau- bzw. Altbaudrehgestellen, durchgeführt von der VES/M Halle. Die Aufnahme entstand zwischen Oktober und Dezember 1978 und zeigt deutlich den Höhenunterschied zwischen Bahnsteigkante und Fahrzeugboden von rund 200 mm, der bei der BR 280 noch größer war als beim S-Bahnzug. (Foto DR; Slg. Th. Borbe)
Darin bestätigte sich, was sich bereits bei der ersten Begutachtung hinsichtlich der Bahnsteighöhe und dem Öffnen der Türen herausgestellt hatte (Bahnsteighöhen zwischen 180 mm in Leipzig-Paunsdorf und 700 mm in Leipzig Hbf, unterste Trittstufe des ET: 555 mm über SO). Aus diesem Grunde war zukünftig eine selbstständige durch den Reisenden bedienbare Türöffnungsvorrichtung (Druckknopf-pneumatisch bzw. elektropneumatisch) vorzusehen. Doch auch Positives war zu berichten. Die Zeit für den Fahrgastwechsel lag stets weit unter der fahrplanmäßigen und gemessenen Aufenthaltszeit des vergleichbaren Regelzuges, der sich aus dem üblichen Wagenpark und einer Ellok der Baureihe 242 im Wendezugeinsatz zusammensetzte. Diese Aussage betraf allerdings die Beobachtungen während der verkehrsschwachen Tageszeiten. Auch das Thema Kurzkupplung zwischen den ETb-Wagen wurde erneut angesprochen und deren Installation empfohlen. Ein Übergang zwischen zwei mittels Scharfenbergkupplung verbundener ETb-Wagen war dann wegen deren Einbauhöhe von 1.055 mm über SO und einer damit verbleibenden Durchgangshöhe von 1.440 mm aber nicht mehr realisierbar70. Die Scharfenberg-Variante hätte zudem ohne zeitaufwändige Trennung der Kurzkupplung und der Übergangsbälge die Behandlung in den vorhandenen Bw-Anlagen erlaubt. Zum anderen waren zugleich mit minimalem Aufwand evtl. schadhafte Viertelzüge voneinander zu trennen. Das hät-
te zudem den Vorteil gehabt, die infolge fehlender Abstellkapazität im Triebwagenschuppen bzw. wegen ungenügender Gleislänge (Leipzig etwa 60 m, für die später in Betracht gekommenen Anlagen in Magdeburg etwa 50 m) erforderlichen Kupplungsvorgänge deutlich leichter durchzuführen, die häufiger anfielen als zunächst angenommen. Auch die Bildung von Sechs- oder Zehnwagenzügen wäre damit problemlos möglich gewesen. Dem sei angemerkt, dass auch der DB-420 innerhalb des Triebzuges mit Kurzkupplungen versehen war. Während die BR 420 keinen Übergang zwischen den einzelnen Wagen ermöglichte, konnte die DB diesen Komfort den Fahrgästen in der BR 427 bieten. Die Operative Betriebsleitung der DR wollte aus nachvollziehbaren Gründen auf diese Freizügigkeit innerhalb ihrer BR-280-Züge ebenfalls nicht verzichten. Weitere Verbesserungsvorschläge für eine Umrüstaktion der Baumuster folgten am 2. Februar 1976. Diese dienten der Serienangleichung. Danach sollten auf ETa zusätzliche Laufstege auf dem Dach in Höhe der Bremswiderstände analog ETb, flache Heizkörper für die Führerstandsheizung, Verbesserungen des Sonnenschutzes für Stirn- und Seitenfenster, verbesserte Seitenfenster für den Führerstand, die Verbesserung der Zugänglichkeit zu den Heizkörpern im Fahrgastraum und die Optimierung der Anschlüsse der Fahrmotorlüfter zum Einbau kommen71.
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Die Zeichnung der Stirnwand zeigt als wesentliche Änderungen für die Serienfahrzeuge die verkleinerten Fenster, das tiefer liegende Typhon sowie gleich große Signalleuchten. Alle diese Merkmale wurden einige Jahre später für die Serienlokomotiven der Baureihe 250 übernommen. (LEW; Slg. Th. Borbe)
Einsatz und Verbleib Dem kurzen Einsatz von 280 005 bis 008 seit Anfang April 1975 fehlte ab dem Sommerfahrplanwechsel 1975 eine sinnvolle Einsatzmöglichkeit. Grund hierfür waren die geänderten Wagenumlaufpläne der Leipziger S-Bahn, in die sich 280 005 bis 008 nicht integrieren ließ. Anders sah das in Magdeburg aus, wo es diese Probleme nicht gab. Ab Ende Juli 1975 kam der Triebzug 280 005 bis 008 deshalb auf dem dortigen SBahn-Netz zum Einsatz. 280 001 bis 004 stand währenddessen zur Erprobung der VES/M zur Verfügung. Nachdem diese beendet war, wurde der Triebzug zum Bw Leipzig West umstationiert. Damit verlor das Bw Halle P seinen Sprinter zum 1. Januar 1976. Jedoch fand der Einsatz dieses Halbzuges erst nach einem Raw-Aufenthalt statt. Hier wurden zwischen Februar und August 1976 noch Verschleißmessungen an Hauptbaugruppen durchgeführt. Anschließend gelangte er ebenfalls zur Magdeburger S-Bahn. Auf deren Netz war er im Wechsel mit dem 280 005 bis 008 unterwegs. Und das mit Erfolg. Hier konnten die Sprinter ihre uneingeschränkte Betriebstauglichkeit unter Beweis stellen. Einen Wermutstropfen gab es aber doch. Zu Unterhaltungs- und Wartungsarbeiten mußten die beiden Triebzüge ihr 124 km entferntes Heimat-Bw in Leipzig aufsuchen. Diese Distanz war der Grund dafür, dass Magdeburg die beiden Züge nur sporadisch einsetzte. Aber nicht nur die weite Entfernung zum Heimatstandort
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war hinderlich. Zu alledem ereignete sich am 31. Januar 1977 in Leipzig ein Unfall. 280 005 bis 008 hatte zu Wartungsarbeiten die sächsische Messestadt angefahren, wobei der 280 006 im Bereich des Hauptbahnhofes bei einer Entgleisung schwere Beschädigungen erlitt. Deren Beseitigung erfolgte im zuständigen Raw Dessau, was bis zum September 1977 andauerte. Anschließend verkehrte der Triebzug wieder im Magdeburger S-Bahn-Netz. Viele Einsatztage müssen den beiden Halbzügen nicht mehr vergönnt gewesen sein, denn das Heimat-Bw Leipzig West stellte sie im Herbst 1978 ab. Der Grund hierfür lag wohl in dem Nachteil, dass für die in Magdeburg verwendbaren Fahrzeuge eine dort ansässige Infrastruktur fehlte, in Leipzig hingegen ihr Einsatz problematisch war, zumal das dortige Bw ebenfalls nur unter notdürftigen Bedingungen die Fahrzeugunterhaltung durchführen konnte. Somit verschwanden die unbeliebten Triebzüge vorerst einmal „in der Ecke“. Doch noch einmal wurden sie zum Leben erweckt. Auf Grund öffentlicher Proteste und des Druckes der Parteiorgane veranlasste die Rbd Halle (S.) eine nochmalige Reaktivierung beider Halbzüge, die noch nicht abgeschrieben waren. Die daraufhin erfolgten Probefahrten führten sie zwischen März und Mai 1979 von Leipzig Hbf aus nach Wurzen und Böhlen.
Die Baureihe 280 für den DDR-S-Bahnverkehr
Ende Juli 1975 ist der Halbzug 280 005 bis 008 zur Fortsetzung des Versuchsbetriebs in Magdeburg eingetroffen. (H. Ramann; Slg. Th. Borbe)
Am 3. August 1975 fährt der Halbzug 280 005 bis 008 am Bw Magdeburg-Rothensee vorbei. Es sind die ersten Einsatztage im SBahnverkehr. (H. Constabel)
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Während der Zuführung in das Bw Leipzig West entgleist am 31. Januar 1977 infolge einer Weichenstellung unter dem fahrenden Zug der b-Wagen 280 006. (Slg. W. Müller)
Der „zweispurig“ gelaufene 280 006 hat einen Fahrleitungsmast umgeknickt und dabei schwere Schäden am Fahrzeugrahmen erlitten. (Slg. W. Müller)
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Die Baureihe 280 für den DDR-S-Bahnverkehr
Der gleiche Halbzug am 17. Januar 1976 bei Rothensee im S-Bahneinsatz zwischen Zielitz und Schönebeck-Salzelmen (H. Constabel)
Zur Wartung der Triebzüge der Baureihe 280 hatte der Triebwagenschuppen des Bw Leipzig West neben zwei aufgeständerten Schuppengleisen einen zusätzlichen Anbau erhalten, in dem die Elektronikwerkstatt untergebracht war. (W. Müller)
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Die Probefahrten führen den 280 005 bis 008 am 12. April 1979 nach Böhlen. (D. Wünschmann)
Auch in Wurzen ist der Halbzug - wie hier im April 1979 - auf Probefahrt anzutreffen. (D. Wünschmann)
116
Die Baureihe 280 für den DDR-S-Bahnverkehr
Anschließend fand ab dem Sommerfahrplanwechsel ein erneuter Einsatz zwischen Leipzig Hbf und Wurzen statt, wobei hauptsächlich der 280 005 bis 008 verkehrte. Die Freude bei den Fahrgästen währte nur kurz, denn der 280 001 bis 004, der ersatzweise hätte fahren sollen, mußte im Frühjahr 1980 seinen Dienst quittieren. Grund hierfür waren abgefahrene Radreifen. Nicht viel besser erging es 280 005 bis 008. Hier beendete ein Brandschaden am 9. November 1980 die Einsatzfähigkeit des Zuges. Nachdem die beiden unbeliebten Triebzüge wieder rund zwei Jahre abgestellt waren, konnten sie nach Fristablauf am 27. Dezember 1982 endlich „z“-gestellt werden. Die Gründe warum sie nicht wieder instandgesetzt wurden, blieben intern und gelangten nicht an die Öffentlichkeit. Spekuliert wurde, dass die beiden Einzelgänger nicht in das Betriebskonzept des Leipziger S-Bahnverkehrs passten. Zwar
verfügte das Bw Leipzig West über einen eigens für die Baureihe 280 modernisierten Rechteckschuppen, doch dieser war für den 97 m langen Halbzug zu kurz. Für die Ausführung von Instandhaltungsarbeiten musste der Halbzug entweder geteilt oder mittels aufwändiger Dreiecksfahrt gedreht werden. Diese Lösung war nicht akzeptabel. Der uneingeschränkte Einsatz der Muster- und späteren Serientriebzüge hätte umfangreiche Infrastrukturbaumaßnahmen erfordert. Sowohl in Leipzig beim Heimat-Bw als auch in anderen Städten (z. B. Magdeburg) hätten neue Triebwagenhallen errichtet werden müssen. Die finanziellen und baumateriellen sowie bauausführenden Kapazitäten ließen solche weitgehenden Maßnahmen nicht zu. Zwecks weiteren Einsatzes der beiden Baumusterhalbzüge wäre alternativ ein kostspieliger Umbau in die Serienausführung möglich gewesen, denn für die Serie war nach den „Tech-
Wieder im Leipziger S-Bahneinsatz auf der Linie B. 280 005 bis 008 verlässt im Sommer 1979 gerade den Haltepunkt Machern. (R. Lüderitz)
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nischen Bedingungen zur Lieferung von 15 kV, 16 2/3 Hz-Triebzügen für den S-Bahnverkehr in den festgelegten Bezirksstädten der DDR, Serie BR 280 009 ff. “ vom 30. September 1975 vorgesehen, die b-Wagen mit Scharfenberg-Kupplung auszustatten und einen Übergang innerhalb des Zugverbandes nur im Viertelzug zwischen dem a- und b-Wagen zu ermöglichen72. Damit hätten die zuvor geschilderten Probleme nicht mehr bestanden. Eine ähnliche Zusammenstellung wurde später bei den Berliner S-Bahn-Triebzügen Baureihe 481/482 realisiert, bei denen zwischen den beiden Wagen einer Einheit ein fast fahrzeugbreiter Durchgang besteht und am Ende jeweils eine Scharfenbergkupplung vorhanden ist. Während der 481 mit Führerstand ausgestattet ist, verfügt der andere Teil der Einheit, der 482, nur über ein Notfahrpult. Schon bei der Bestellung der 280er-Prototypen war die Anpassung der Fahrzeuge an eine spätere Serie zwischen der DR und den LEW zum Gegenstand von Verhandlungen gemacht worden, so dass mit deren Umbau bei einer Weiterführung des Projektes BR 280 zu rechnen gewesen wäre. Auch andere Ursachen ließen sich anführen. Die Sprinter konnten ihre volle Beschleunigung unter Zugrundelegung aller Betriebsvarianten nur dann voll erbringen, wenn für eine ausreichende Energiebereitstellung gesorgt wurde. Die Annahme bestand, dass die DR dazu nicht in der Lage war, zumal bei den häufigen Anfahrten im S-Bahn-Einsatz mit hohen stromintensiven Lastfällen zu rechnen war. Das Fahren eines aus acht Wagen bestehenden Vollzuges war deshalb nicht möglich, und mit vier Wagen reichte die erforderliche Platzkapazität nicht aus. Doch auch diese Argumentation war nicht stichhaltig, da schon bei der Planung und der anschließenden Beschaffung der Triebzüge dieses Versorgungs-
problem bekannt war und man sich die aufwändige Entwicklung, Erprobung bzw. Indienststellung hätte sparen können, wenn man nicht gleichzeitig an die notwendige Erweiterung der Bahnenergieversorgung gedacht und deren Realisierung vorgesehen hätte. Aufschluss über die wahren Gründe liefert ein internes Papier der Hv M, in dem das Programm zur Ablösung der Dampflokomotiven und die Entwicklung der (elektrischen) Zugförderung bis 1990 definiert wurde. Unter dem Punkt „Triebfahrzeuge“ ist nachzulesen: „Bei der Deckung des Bedarfs aus der DDR-Produktion (KLEW Hennigsdorf) treten vielfältige Probleme auf. Obwohl aus Kapazitätsgründen bereits die Beschaffung des ET BR 280 nicht konzipiert wurde, tritt eine Fehlbilanz von 116 E-Tfz im Zeitraum 1981-1985 und von 91 E-Tfz im Zeitraum 1986-1990 auf (siehe Anlage 10). Selbst bei völligem Verzicht auf die Ausmusterung und die Reserve (was völlig unreal wäre) wird der Bedarf nicht gedeckt.“73 LEW produzierte bis Mitte der 1970er Jahre die Ellokbaureihen 211 und 242 in Serie, und die Serienproduktion der neuen Güterzugelloks der Baureihe 250 wurde vorbereitet. Neben weiteren Exportverpflichtungen war LEW kapazitätsmäßig nicht in der Lage, für die DR auch noch die Baureihe 280 herzustellen. Deren Produktion wäre zu Lasten der dringend benötigten Elloks der Baureihe 250 gegangen. So ergab sich die Frage, was mit den noch mit etwa 15 Mio. Mark zu Buche stehenden Fahrzeugen anzufangen wäre. Eine Ausmusterung der relativ neuen Triebzüge hätte niemand verantworten können, weshalb nach alternativen Einsatzmöglichkeiten gesucht wurde. Im Rahmen der Elektrifizierungsarbeiten benötigte die DR stets geeignete Fahrzeuge, um mit diesen
Auf der S-Bahnlinie B wieder im Fahrgasteinsatz ist am 20. August 1979 der 280 005 aus Wurzen in die Halle des Leipziger Hbf auf Gleis 22 eingefahren (R. Lüderitz)
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Die Baureihe 280 für den DDR-S-Bahnverkehr
die Fahrleitungsmontage zu beschleunigen. Kein Wunder also, dass man auf die Idee kam, einen Halbzug mit durchgehender Arbeitsbühne auszustatten und auch sonst in geeigneter Art und Weise für den neuen Einsatzzweck herzurichten. Die zunächst genial erscheinende Idee war jedoch nicht ausgereift bzw. vollständig durchdacht. Das sollte sich alsbald mit fatalen Folgen bemerkbar machen. Doch zunächst erfolgte bei der Firma Kramp in Plauen in den Jahren 1983 bis 1986 der Umbau. Dabei wurde die Innenausstattung in 280 001/002 und 003/006 dem geplanten Verwendungszweck entsprechend angepasst. Dazu zählte der Umbau von jeweils einem Wagen in einen mit Lager-, Umkleide- Werkstatt und Aufenthaltsraum. Die ausreichende Wasserversorgung gelang durch Unterbringung von großzügig bemessenen Wassertanks. Doch war all das nicht von Erfolg gekrönt, denn der Super-Montagezug konnte nicht verwendet werden. Die Ernüchterung kam nach einigen Einsätzen beim Bahnstromwerk (Bsw) Leipzig und offenbarte sich darin, dass der Montagezug ausschließlich elektrisch hätte abgebremst werden können. Der pneumatischen Bremse oblag in der Ursprungsfunktion nur die Aufgabe der Zusatzbremse. Doch woher sollte der Strom kommen. Schließlich arbeitete der Zug auf Strecken, die noch ohne Fahrdraht waren. Außerdem lagen die Widerstände der elektrischen Widerstandsbremse einst auf dem Dach und waren nicht mehr vorhanden. Weitere Kritikpunkte ließen sich nicht ausräumen. So mußten Fahrmotoren und Transformatoren an ihren alten Plätzen belassen werden, weil andernfalls die sichere Lage der Fahrzeuge auf den Schienen nicht gewährleistet war. Die Folge war der Transport von „toter“ Masse, mithin musste mehr Energie zum Bewegen des Zuges verbraucht werden als für die eigentliche
Aufgabe erforderlich war. Dem stand auch die Länge des Montage-Zuges mit 97 m entgegen, für den es nicht immer gelang, geeignete freie und lange Abstellgleise in Einsatznähe zu finden. Selbst die lange Arbeitsbühne auf dem Dach konnte nicht befriedigen. Sie war nicht höhenverstellbar, weshalb zusätzliche Leitern zum Einsatz kommen mussten. Bei all diesen Mängeln erscheint es verständlich, dass das zweite Leben der Umbauwagen ex 280 001/002 und 003/006 noch unglücklicher verlief als ihr erstes. Als Folge der Unzulänglichkeiten wurde der Montagezug im Bf Gaschwitz bis zum April 1989 abgestellt. Ex 280 001 und 002 gelangten anschließend in das Uw Leipzig-Wahren, während ex 280 003 und 006 zum Bsw Leipzig umsiedelten. Zwei der genannten Wagen dienten während der vom Bsw Leipzig durchgeführten Elektrifizierung des Streckenabschnittes Borsdorf – Beucha Ost immerhin noch als Umkleide- und Aufenthaltsräume. Nicht ganz so glücklos war das Los des zweiten Halbzuges, bestehend aus 280 004/005 und 007/008. Zwecks Nutzung der einzelnen Wagen trennte man die Einheit und verwendete für das interimsweise errichtete fahrbare Unterwerk bei Kyhna (Strecke Halle – Delitzsch) den Wagen ex 280 005 zwischen 1984 und 1989 als Aufenthaltsraum. Ex 280 004, 007 und 008 übernahmen zeitgleich die Funktion von Lager- und Aufenthaltsräumen an verschiedenen anderen Orten. Erst am 14. Oktober 1992 erfolgte die offizielle Ausmusterung der einstigen Sprinter. Zu einem Zeitpunkt, als einige von ihnen den Weg des alten Eisens bereits gegangen waren. Damit endete die hoffnungsvolle Entwicklung von sehr modernen und beschleunigungsstarken elektrischen Vollbahntriebwagen für das 16 2/3 Hz, 15 kV-Netz der DR.
„Letzter Einsatz“ des 280 005 als Bahndienstfahrzeug 1985 im fUw Kyhna (H. Neumann)
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Chronik der elektrischen Triebwagen in Mitteldeutschland 1923 1. Mai 1923: Gründung einer Aufbauleitung für die Elektrifizierung der Strecke Halle – Magdeburg mit Abzweig von Schönebeck zum Kurort Groß Salze-Elmen. 26. Juni 1923: Magdeburg erhält von Dessau aus über Gommern Anschluss an das elektrifizierte Netz. 1924 Die Rbd Magdeburg bestellt vermutlich vor Abbruch der Elektrifizierungsarbeiten zwei Triebwagen, um den Kurort Groß Salze-Elmen von Magdeburg aus mit Kurzpersonenzügen günstig anzuschließen. 1. Mai 1924: Abbruch der Elektrifizierungsarbeiten auf der Strecke Halle – Magdeburg über Köthen mit Abzweig von Schönebeck nach Groß Salze-Elmen wegen Geldmangels. 11. Juli 1924: Erster WASSEG-Zeichnungsentwurf des WsTriebwagens Magdeburg-Rothensee. 1925 2. März 1925: Eine weitere Projektzeichnung stammt von der Linke-Hofmann-Lauchhammer AG (LHL) aus Breslau und zeigt die Magdeburger Triebwagen, ähnlich dem späteren ET 89, nahezu in der realisierten Ausführung. 1926 3. Oktober 1926: Die Rbd Magdeburg nimmt die beiden Triebwagen im Bw Rothensee als ET 501 und 502 Mag in Betrieb. In amtlichen Unterlagen werden sie als „Triebwagen Magdeburg-Rothensee“ bezeichnet. Da die ursprünglich vorgesehene Einsatzstrecke nicht elektrifiziert wurde, finden sie Verwendung als Personalzug zwischen Magdeburg Hbf und Rothensee und fahren außerdem Personenzugleistungen zwischen Magdeburg Hbf und Biederitz bzw. Gommern. Ehemalige Steuerwagen VS 102a Han zum Beiwagen 5001 Mag, ex VS 103a Han zum Beiwagen 5002 Mag und ex Steuerwagen VS 17a zum Beiwagen 5003 Mag umgebaut. 1927 29. Dezember 1927: Inbetriebnahme des ersten Schnelltriebwagens „Halle-Leipzig“ mit der Betriebsnummer ET 501 Hal im Bw Leipzig West. 1928 Januar und Februar 1928: Inbetriebnahme der Triebwagen ET 502 bis 504 und 506 Hal im Bw Leipzig West, denen der ET 505 im Mai folgt. 7. Februar 1928: Vorführfahrt mit drei Triebwagen auf den Strecken Leipzig – Halle und Leipzig – Magdeburg. 20. Februar 1928: Beginn des planmäßigen Einsatzes der fünf vorhandenen Triebwagen ET 501 bis 504 und 506 Hal. Bis August 1928: Indienststellung von drei Steuerwagen Els 5001 bis 5003 Hal und sechs Beiwagen der Bauart Cid-26 mit den Nummern 5261 bis 5266 Hal für die Triebwagen „Halle-Leipzig“. 1928/29: Nach Ausmusterung der ursprünglich verwendeten Beiwagen werden für die Triebwagen Magdeburg-Rothensee zwei Einheitspersonenwagen der Gattung Ci mit den Nummern 5001 und 5002 Mag in Zweitbesetzung in Dienst gestellt. vermutlich 1928: Umnummerung der Triebwagen ET 501 und
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502 Magdeburg in ET 551 und 552 Magdeburg. 1929 Umbau der Ankerwellenlagerung von Gleit- auf Rollenlager bei den Fahrmotoren der beiden Magdeburger Triebwagen. Februar 1929: Alle Triebwagen ET 501 bis 506 Hal müssen wegen festgestellter Anbrüche an den Achsgabelführungen aus dem Verkehr gezogen werden. Änderung der Betriebsnummern der Triebwagen „Halle-Leipzig“ von ET 501 bis 506 Hal in ET 601 bis 606 Hal. Die HV der DRG beauftragt das RZA mit der Entwicklung neuer elektrischer Triebwagen nach einheitlichen Konstruktionsgrundsätzen. 1930 1. Quartal 1930: Einbau eines 2.-Klasseabteils in den Triebwagen ET 551 und 552 Magdeburg. 2. Quartal 1930: Nachrüstung einer Fahrmotorfremdbelüftung bei den ET 601 bis 606 Hal und Einbau zusätzlicher Steuerleitungen in den Trieb-, Steuer- und Beiwagen. Zwischen Leipzig und Magdeburg kann deshalb wegen Fahrzeugmangels kein Triebwagenverkehr durchgeführt werden. Ab 2. Halbjahr 1930: Da die Fahrmotorleistung der ET 601 bis 606 Halle für die Beförderung eines Steuerwagens im Schnellzugdienst immer noch unzureichend ist, erfolgt die Bildung der sog. „Regeleinheiten“, bestehend aus ET+ES+ET. August 1930: Abschluss der Konstruktionsarbeiten zur Schaffung eines Einheitstriebwagens, deren Umsetzung auf Grund des Geldmangels nach der Weltwirtschaftskrise nicht sofort möglich ist 1931 August 1931: Änderung der Betriebsnummern der beiden Magdeburger Triebwagen infolge der neuen Direktionszuständigkeit in ET 551 und 552 Hannover. Vergleichsfahrten zwischen den mitteldeutschen ET 601 bis 606 Hal und den bayerischen ET 705 und 709 Mü zur Ermittlung der Ursachen der Wagenkastenvertikalschwingungen. Ab dem 2. Halbjahr 1931: Die Wagenkästen der zwischen Leipzig und Halle/Dessau eingesetzten Triebwagenzüge werden wegen großer Verschmutzung des hellgrauen Anstrichs oberhalb der Brüstungsleisten bei fälligen Neulackierungen einheitlich blaugrau lackiert. 2. Halbjahr 1931: Umbau der Steuerwagen Els 5001 bis 5003 Hal von 2./3. Klasse in reine 3. Wagenklasse. 16. Dezember 1931: Das RZA empfiehlt der HV DRG für die Triebwagen „Halle-Leipzig“ zukünftig die Verwendung von Drehgestellen Görlitzer Bauart sowie Verstärkungen des Wagenkastens zur Minimierung der Schwingungen. 1932 Einführung eines neuen Nummernsystems für die Trieb-, Steuer- und Beiwagen. ET 551 und 552 Han erhalten die Betriebsnummern elT 1031 und 1032 Han, ET 601 bis 606 Hal erhalten die Betriebsnummern elT 1061 bis 1066 Hal, die zugehörigen Steuerwagen Els 5001 bis 5003 Hal die Betriebsnummern elS 2061 bis 2063 Hal und die Beiwagen 5261 bis 5266 Hal die Betriebsnummern el 2981 bis 2986 Hal.
Chronik der elektrischen Triebwagen in Mitteldeutschland
Ab 1932: Umbau der ursprünglich eingebauten pneumatischen SSW-Stromabnehmersteuerung in eine elektropneumatische in den elT 1061 bis 1066 Hal. 8. Juli 1932: Der auf Empfehlung des RZA mit neuen Drehgestellen und verstärktem Wagenkasten ertüchtigte ET 602 Halle absolviert seine Probefahrt. November 1932: Das RZA Berlin ersucht die Rbd Halle, die ersten für den Stuttgarter Vorortverkehr bestimmten Triebwagen im Raw Dessau abzunehmen und zwischen Halle und Leipzig zu erproben. 1932: Unter der späteren Federführung des ab 1933 hierfür zuständigen RZA München beginnt die Auflegung einer Typenreihe von Einheitstriebwagen. 1933 Rückführung der Beiwagen el 2981 bis 2986 Hal in den Reisezugwagenpark. 30. Januar 1933: Abnahme der elT 1201 und 1202 Stuttgart (spätere Baureihe ET 65) im Raw Dessau. Bis März 1933 werden auch noch elT 1203 bis 1208 Stuttgart abgenommen und vom Bw Leipzig West aus bis Anfang Mai 1933 zwischen Halle und Leipzig eingesetzt. 1934 12. August 1934: Zusammenstoß eines Triebzuges und Personenzuges in Halle. Dabei werden elT 1066 Hal und elS 2063 Hal so schwer beschädigt, dass sie am 2. November 1934 ausgemustert werden. Beginn der Entwicklung der ersten Einheitstriebwagen der Gattung elT 18 (spätere Baureihe ET 25). 7. Oktober 1934: Aufnahme des elektrischen Zugbetriebs auf der Strecke Halle – Magdeburg. Bei den Triebwagen elT 1061 bis 1066 Hal erfolgt zwischen 1934 und 1936 der Austausch der ehemaligen WegmannDrehgestelle gegen solche der Bauart Görlitz III. 1935 Auslieferungsbeginn der Einheitstriebwagen elT 18 (spätere Baureihe ET 25). 48 Steuerwagen elS 2401 bis 2448 für die Einheitstriebwagen elT 18 in Dienst gestellt. 1. Juni 1935: Erst nach abgeschlossener Elektrifizierung zwischen Magdeburg und Halle und der in Schönebeck abzweigenden Stichstrecke erreichen die ET 82 auch ihr ursprünglich vorgesehenes Fahrtziel des jetzt Bad Salze-Elmen genannten Kurortes. 1936 29. Dezember 1936: Aus der Rbd Breslau trifft im Bw Leipzig West elT 1823 (ET 25 009) mit den elS 2401 bis 2403 (ES 25 005 bis 007) ein, das Bw Magdeburg Hbf erhält die elS 2404 und 2405 (ES 25 008 und 009). 1937 Februar 1937: Das Bw Magdeburg Hbf erhält aus Neulieferungen die elT 1832 (ET 25 011) und elT 1833 (ET 25 012). März/April 1937: Als Neulieferungen erhält das BW Leipzig West die elT 1834 (ET 25 013) und elT 1835 (ET 25 014). 1938 Vom Versuchsamt Grunewald im Jahre 1938 vorgenommene Bremsversuchsfahrten ergeben, dass bei den elT 1061 bis 1065 Hal infolge der durchgeführten Umbauten die Min-
destbremshundertstel nicht mehr ausreichen. Oktober 1938: Ein vierachsiger Reisezugwagen der Bauart C4i-30 wird als Beiwagen für den ausgemusterten elS 2063 in Betrieb genommen. 1939 Zwischen Juni 1939 und Anfang 1941 erfolgt bei den ET 41 und ES 41 im RAW Dessau der Umbau der KkptBremsen in Hikpt-Bremsen. 1940 Januar 1940: Ein neuer Umnummerungsplan tritt in Kraft. Die mitteldeutschen Trieb-, Steuer- und Beiwagen werden wie folgt umgenummert: elT 1031 und 1032 Hannover in ET 82 01 und 02, elT 1061 bis 1065 Halle in ET 41 01 bis 05, elT 1832 und 1833 Hannover in ET 25 011 und 012, elT 1823, 1834 und 1835 Halle in ET 25 009, 013 und 014, elS 2061 und 2062 Halle in ES 41 01 und 02, elS 2401 bis 2403 Halle in ES 25 005 bis 007, elS 2404 und 2405 Hannover in ES 25 008 und 009, el 2991 und 2992 Hannover in EB 82 01 und 02 1941 1. Mai 1941: Der als Beiwagen eingereihte Reisezugwagen der Bauart C4i-30 erhält die Betriebsnummer EB 41 01. 1943 4. Dezember 1943: Bei einem Bombenangriff brennen ET 25 013 und 014 in Leipzig aus. 1944 Ausbau der Führerstandseinrichtungen aus den beiden Steuerwagen und entsprechende Umnummerung: ES 41 02 in EB 41 02 und ES 41 01 in EB 41 03. 17. April 1944: Als Ersatz für die ausgebrannten ET 25 013 und 014 gibt das BW Lauban den ET 25 005 mit dem ES 25 115 an das BW Leipzig West ab. 1945 Anfang 1945: Der Magdeburger ET 25 012 wird bei Kriegshandlungen beschädigt und anschließend z-gestellt. 11. Januar 1945: Ein Zusammenstoß mit E 04 12 in Halle Hbf bedingt die Ausmusterung des ET 41 05. 27. Februar 1945: Bei einem Bombenangriff auf Leipzig brennen die ET 41 02, 03 und 04 sowie EB 41 01 und 03 aus. 4. bis 6. April 1945: Im BW Leipzig West treffen die schlesischen ES 51 14/EB 51 04, ET 51 03/ES 51 13/EB 51 03 sowie der ET 51 14 ein; der ET 51 04 gelangt in die RBD Erfurt. April 1945: Der Steuerwagen ES 25 005 wird durch Kriegshandlungen beschädigt. Anfang Mai 1945: Der Magdeburger ES 25 008 brennt bei einem Luftangriff aus. 8. Mai 1945: Von den mitteldeutschen ET/ES 25 sind nur noch die ET 25 005 und 009 sowie ES 25 006 und 007 des BW Leipzig West betriebsfähig, während das BW Magdeburg Hbf über keine einsatzfähigen ET/ES 25 mehr verfügt. 9. Mai 1945: Nach Kriegsende befinden sich teils vollständige Einheiten, teils Reste oder Einzelwagen holländischer Triebwagen in unterschiedlichem Zustand u. a. in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. 3. Juni 1945 Ausmusterung der ausgebrannten ET 41 02, 03 und 04 sowie EB 41 01 und 03.
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6. Juni 1945: EB 51 04 wird von den Amerikanern bei ihrem Abzug aus Halle requiriert und gelangt in die US-Besatzungszone. 20. Juni 1945: ET 82 01 wird im BW Magdeburg-Rothensee und ET 82 02 im Bahnhof Zeddenick (Strecke Biederitz – Loburg) registriert. Beide Fahrzeuge sind mit leichten Schäden abgestellt. 4. Juli 1945: Der dreiteilige ET 31 004a/b/c aus Schlesien trifft im nicht betriebsfähigen Zustand im BW Leipzig West ein. August 1945: Der ES 25 005 ist nach im RAW Dessau erfolgter Reparatur wieder einsatzfähig. 26. September 1945: Der ET 51 14 ist nach Reparatur kleiner Schäden im BW Leipzig West wieder in Betrieb. Er verkehrt gemeinsam mit den betriebsfähigen ET 51 03, ES 51 13, 14 und EB 51 03. 3. November 1945: Nach erfolgter Reparatur im RAW Dessau kann das BW Leipzig West den dreiteiligen ET 31 004a/b/c und den ET 41 01 wieder einsetzen. 10. November 1945: Der vierteilige, nicht betriebsfähige ET 31 006a/b/c/d trifft aus Schlesien mit einem Umweg über Reichenbach/Vogtland im BW Leipzig West ein; der Mittelwagen ET 31 006d ist ausgebrannt. 1946 3. Januar 1946: Der nunmehr dreiteilige ET 31 006a/b/c steht nach Reparatur im RAW Dessau dem BW Leipzig West zur Verfügung. Der ausgebrannte ET 31 006d bleibt als Schadfahrzeug im RAW Dessau abgestellt. Januar 1946: Der im BW Saalfeld als Personenwagen wieder lauffähig hergerichtete ET 51 04 wird zur Reparatur in das RAW Dessau überführt. Anfang 1946: Der Magdeburger ET 25 011 kommt nach durchgeführter Reparatur wieder zum Einsatz. 5. März 1946: Der bisher wegen fehlender Steuermaschine als Beiwagen eingesetzte ET 51 03 wird zur Reparatur in das RAW Dessau überstellt. 29. März 1946: Umbeheimatung des ET 25 011 vom BW Magdeburg Hbf in das BW Leipzig West. 1. bis 6. April 1946: Auf Grund des von der SMAD erteilten Befehls Nr. 95 vom 29. März 1946 wird der elektrische Zugbetrieb in Mitteldeutschland eingestellt. Sämtliche ortsfeste Anlagen sind zu demontieren und gemeinsam mit den elektrischen Triebfahrzeugen als Reparationsleistung in die UdSSR abzutransportieren. Ab 1. April 1946: Verwendung der ET/ES/EB als Reisezugwagen in dampflokbespannten Zügen. April 1946: Im Bf Mosigkau auf der Strecke Köthen – Dessau wird ein Lokzug mit sechs Magdeburger Elloks auf der Überführungsfahrt in das RAW Dessau gesichtet, in dem sich auch die ET 82 01 und 02 befinden. 27. August 1946: Die als Reparationsgut beschlagnahmten ET 31 004 und 006 sowie der ET 51 14 werden vom BW Leipzig West in das RAW Dessau überstellt, um sie dort auf den Abtransport vorzubereiten. 23. September 1946: Das BW Leipzig West überstellt die ET 25 005, 009, 011, ES 25 005, 006 und 007 in das RAW Dessau. 17. Oktober 1946: Überführung von ET 41 01 und ES 41 02, ET 51 03, ES 51 13, 14 sowie EB 51 03 vom BW Leipzig West in das RAW Dessau.
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bis Ende 1946: ET 25 005, 009, 011, ES 25 005, 006 und 007, Teile der zerlegten ET 25 013 und 014 und ES 25 115 sowie ET 31 004 und 006, ET 41 01, ES 41 02, ET 51 03, 04, 14, ES 51 13, 14, EB 51 03, ET 82 01 und 02 haben die Reise ohne Rückkehr in Richtung UdSSR angetreten. 1947 Auf dem Werkhof des Raw Dessau sind nach dem Abtransport des Reparationsgutes außer einigen ausgeschlachteten Elloks die kriegsbeschädigten Triebwagenteile ET 25 012a/b, ES 25 008 und ET 31 006d stehen geblieben. 29. Dezember 1947: Die SMAD ordnet an, alle in der SBZ vorhandenen niederländischen Verbrennungs- und elektrischen Trieb- und Beiwagen spätestens bis zum 10. Januar 1948 über Oebisfelde an die Westzone abzugeben. Von dort soll der Weitertransport in die Niederlande erfolgen. 1948 3. Januar 1948: Schreiben der Hauptverwaltung an die RBD’en und RAW’e in der SBZ mit der Weisung, über jedes an die Niederlande abzugebende Fahrzeug ein Übergangsprotokoll mit Angaben über Fahrzeugart, Fahrzeugnummer, Achszahl sowie eine kurze Beschreibung des Zustandes zu fertigen. 6. Oktober 1948: Meldung an die Transportabteilung der SMAD, dass nicht alle der zur Übergabe bereitgestellten niederländischen Fahrzeuge abtransportiert worden sind. Diese wurden zum Bahnhof Haldensleben zurückgeführt und dort abgestellt. 1949 September 1949: Die Anzahl der in der SBZ verbliebenen niederländischen Triebwagen kann etwa mit 71 ET, ES, EB, drei Postwagen und einem VT angegeben werden. 1952 18. März 1952: Abschluss des „Abkommens zwischen der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Überlassung von elektrischen Eisenbahnfahrzeugen und der Ausrüstung für Bahnkraftwerke und Unterwerke an die Deutsche Demokratische Republik im Austausch gegen Reisezugwagen“. Damit gelangt die DR wieder in Besitz eines Großteils des 1946 in die Sowjetunion verbrachten Demontageguts. 1955 1. September: Wiederaufnahme des elektrischen Zugbetriebs bei der DR auf dem Streckenabschnitt Halle – Köthen. 1957 Das Raw Dessau beginnt aus den Schadfahrzeugen ET 25 012a/b und ES 25 008 den dreiteiligen Triebzug ET 25 012 aufzubauen, der als Prototyp für weitere, noch zu entwickelnde E-Triebzüge dienen soll. Dezember 1957: Inbetriebnahme des im Raw Delitzsch aus dem Schadfahrzeug ET 31 006d aufgebauten Befehlswagens 250-001 Halle für den Wendezugeinsatz auf der Strecke Halle Hbf – Leipzig Hbf. 1958 Entwicklungsbeginn von drei dreiteiligen E-Triebzügen auf der Basis des ET 25 012, die intern als Baureihe ET 26 bezeichnet werden. Ihre Fertigstellung ist für 1961 geplant. Ende 1958: Um die E 04 23 von einem Steuerwagen direkt ansteuern zu können, rüstet das Raw Dessau den aus dem
Chronik der elektrischen Triebwagen in Mitteldeutschland
ET 31 006d entstandenen Befehlswagen 250-001 als Steuerwagen aus.
1964 Anfang 1964: Das Raw Dessau beginnt mit den Arbeiten am zweiten, für den ET 25 202 bestimmten Mittelwagen.
1959 15. Januar 1959: Beschlussfassung, dass im Rahmen einer länderübergreifenden Standardisierung bei den Eisenbahnen der sozialistischen Staaten Doppelstock-Elektrotriebzüge für unterschiedliche Stromsysteme beschafft werden sollen. Diese Entscheidung führt zum Abbruch der Entwicklungsarbeiten für die Baureihen ET 26/27. 30. Mai 1959: Da sich die erforderliche Antriebsleistung in Doppelstock-Elektrotriebzügen nicht unterbringen lässt, wird entschieden, zukünftig wendezugfähige Doppelstockgliederzüge für Lokomotivbespannung mit der Fahrzeugbegrenzungslinie 1 WM für die Mitgliedsbahnen der OSShD zu entwickeln und zu bauen. 11. August 1959: Fertigstellung des ET 25 012 im Raw Dessau. Die kommenden Monate sind mit Probefahrten ausgefüllt. 20. August 1959: Während einer Vorführfahrt des ET 25 012 sprechen sich die daran beteiligten Teilnehmer dahingehend aus, für die Beschaffung weiterer Wechselstromtriebwagen zu sorgen. Da wegen Abbruchs der Entwicklungsarbeiten für die Baureihen ET 26/27 nun keine Neubauwagenkästen mehr verfügbar sind, soll versucht werden, für die aus dem Rückführgut noch vorhandenen elektrischen Ausrüstungsteile Wagenkästen zu beschaffen und zu Wechselstromtriebwagen aufzuarbeiten. September 1959: Nach einem Vorschlag des TZA, die benötigten Wagenkästen aus noch vorhandenen holländischen ETriebzügen zu gewinnen, erfolgt die Besichtigung der auf den Bahnhöfen Menzendorf und Wittenberge abgestellten Schadfahrzeuge. Das Raw Dessau soll aus diesen 1961/62 drei als Unterbaureihe ET 25² bezeichnete dreiteilige Triebzüge aufbauen. 15. Dezember 1959: Abnahmeprobefahrt des ET 25 012.
1965 3. Januar 1965: Überführung des dreiteiligen ET 25 201 vom Raw Schöneweide in das Raw Dessau, das noch Restarbeiten wie Lackierung und Beschriftung ausführt. 17. Februar 1965: Erste Standversuche des dreiteiligen ET 25 201 in Dessau. 1. Mai 1965: Der Aufbau des für den ET 25 202 bestimmten Mittelwagens wird im Raw Dessau abgeschlossen. 8. Mai: Die Probefahrt führt den ET 25 201a/c/b von Dessau nach Reichenbach/Vogtl. und zurück. 10. Mai 1965: Da der Entschluss getroffen worden war, wegen der unkalkulierbaren Kosten keinen zweiten und dritten Triebzug mehr aufzubauen, wird der gerade fertiggestellte und für den ET 25 202 bestimmte Mittelwagen als zweiter Mittelwagen in den ET 25 201 eingestellt. 26. Mai 1965: Abnahmeprobefahrt des vierteiligen ET 25 201. 29. Mai 1965: Indienststellung des ET 25 201 im Bw Leipzig West. Juli 1965: Die Hv M, Abt. Technik erteilt der VES/M in Halle den Auftrag, bis zum 30. Oktober 1965 Untersuchungen zur Festlegung der Einsatzgebiete von Wechselstrom-Nahverkehrstriebwagen in den großstädtischen Siedlungs- und Industrieballungsgebieten durchzuführen. 19. Oktober 1965: Das Raw Dessau beantragt bei der Hv M die Ausmusterung der fünf noch im Werk befindlichen holländischen Wagen, die für den Aufbau der Triebzüge ET 25 202 und 203 dienen sollten. 10. November 1965: Die VES/BuV legt in einem Dokument die betrieblichen und verkehrlichen Forderungen als Basis für das Pflichtenheft eines einstöckigen elektrischen Triebzuges für den Vorort-Schnellverkehr und die infrage kommenden Strecken vor.
1960 27. Februar 1960: Beheimatung des ET 25 012 im Bw Leipzig West. Mai 1960: Die Hauptverwaltung Maschinenwirtschaft, Abteilung Technik (Hv M/T) erteilt der VES/M, Hauptfachgruppe Konstruktion in Dessau und der VES/W in Delitzsch den Auftrag zur Ausarbeitung der Konstruktionsunterlagen für die Triebzüge der Baureihe ET 25².
1966 26. Februar 1966: Die Hv M verfügt die Ausmusterung der fünf im Raw Dessau befindlichen holländischen Schadfahrzeuge.
1961 Februar 1961: Im Raw Dessau beginnen die Arbeiten zum Aufbau des ersten Triebzugs ET 25 201. 1962 13. November 1962: Aus Kapazitätsgründen im Raw Dessau werden beide Rohbau-Kopfwagen des ET 25 201 von dort zum Raw Berlin-Schöneweide überführt, wo bis 1963 der Triebzug fertiggestellt werden soll. 1963 Geplanter Einsatzbeginn (Stand 1958) der aus den Vorserientriebzügen ET 26 als Neubaufahrzeuge abgeleiteten Nullserientriebzüge der Baureihe ET 27. Juli 1963: Überführung des im Raw Dessau fertiggestellten Wagenkastenrohbaus des ersten Mittelwagens für den ET 25 201 in das Raw Schöneweide.
1968 Wegen zu geringer Antriebsleistung haben sich die Fahrmotorschäden am vierteiligen ET 25 201 gemehrt. Deshalb wird der zweite Mittelwagen aus dem Triebzug wieder herausgenommen. 18. Juli 1968: Abschluss eines Wirtschaftsvertrags zwischen DR und LEW, der u. a. bis zum Jahr 1980 die Lieferung von 125 Vollzügen, bestehend aus insgesamt 1.000 Wagen, der zukünftigen Baureihe 280 vorsieht. Juli/August 1968: In einem Strategiepapier für eine Beratung zwischen der Hv M und dem Werkdirektor des VEB LEW über den gemeinsam abzuschließenden langfristigen Wirtschaftsvertrag 1971 bis 1975 formuliert die Hv M eine erste Beschaffungsübersicht über zwei vierteilige Probetriebzüge(1971) und 20 Serientriebzüge (1972 bis 1975) der Baureihe 280. 1969 13. Februar 1969: Übergabe der verbindlichen Technischen Bedingungen für die in Stahl-Leichtbauweise auszuführenden Triebzüge an LEW. Diese sehen u. a. vor, dass die
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kleinste betriebliche Einheit aus vier kurzgekuppelten Wagen, die nur mittels Werkzeugen zu entkuppeln sind (ein Halbzug) bestehen soll. Es wird auch der Einbau einer Spannungssteuerung über Thyristor-Stromrichterbrücken mit Phasenanschnitt, eine für DR-Triebfahrzeuge vollkommen neue Technik, gefordert.
tungsarbeiten erleidet der b-Wagen 280 006 im Bereich des Leipziger Hauptbahnhofs bei einer Entgleisung schwere Beschädigungen. September 1977: Nach Reparatur des 280 006 im Raw Dessau ist der zweite Halbzug 280 005 bis 008 wieder einsatzfähig.
1970 20. September 1970: Wegen hoher Schadanfälligkeit wird der ex ET 25 201, jetzt mit den neuen Betriebsnummern 285 201 bis 204, im Bw Leipzig West abgestellt.
1978 Herbst 1978: Abstellung der beiden 280er-Halbzüge im Raum Leipzig.
1971 12. Mai 1971: z-Stellung des Triebzuges 285 201 bis 204. 1972 30. Mai 1972: LEW teilt der Hv M mit, dass wegen Kapazitätsschwierigkeiten der erste Baumuster-Halbzug 280 001 bis 004 nicht wie vereinbart bis zum 31. Dezember 1972 ausgeliefert werden könne. Stattdessen solle die DR davon ausgehen, dass dieser zur Leipziger Frühjahrsmesse 1973 fertiggestellt werde. 1. Juli 1972: z-Stellung des Triebzuges 285 001 bis 003 (ex ET 25 012). 1973 5. Oktober 1973: Übergabe des ersten BaumusterHalbzugs 280 001 bis 004 an die DR. 1974 März 1974: Nach seiner Präsentation auf der Leipziger Frühjahrsmesse kommt der zweite Halbzug 280 005 bis 008 ebenfalls zur VES/M nach Halle zur Erprobung. 17. April 1974: Abnahmeprobefahrt des ersten Halbzuges (280 001 bis 004) und anschließende Stationierung im Bw Halle P. 1975 13. Februar 1975: In Auswertung erster Ergebnisse mit den Probetriebzügen unterbreitet die Hv M den Vorschlag, aus behandlungstechnischen Gründen die Halbzüge in kleinste betriebliche Einheiten (ETa + ETb) - also in Viertelzüge - zu teilen. Das hätte bedeutet, an den Übergängen zwischen zwei b-Wagen auf die Durchgänge zu Gunsten des Einbaus einer Scharfenbergkupplung zu verzichten. 4. April 1975: Im Rahmen einer Pressefahrt auf der S-Bahnlinie B von Leipzig Hbf nach Wurzen wird der Halbzug 280 005 bis 008 der Öffentlichkeit vorgestellt. Drei Tage später beginnt die Besetzterprobung auf dieser Strecke. 1. Juni 1975: Der Halbzug 280 005 bis 008 wird vom Bw Halle P dauerhaft zum Bw Leipzig West umbeheimatet. Juli 1975: Einsatzbeginn des Triebzugs 280 005 bis 008 auf dem Magdeburger S-Bahn-Netz. 1976 1. Januar 1976: Nach Abschluss der Erprobungen durch die VES/M wird der zweite Halbzug 280 001 bis 004 vom Bw Halle P zum Bw Leipzig West umbeheimatet und nach im Raw Dessau durchgeführten Verschleißmessungen ab August 1976 ebenfalls in Magdeburg eingesetzt. 27. Juli 1976: Ausmusterung des Triebzuges 285 001 bis 003. 1. Oktober 1976: Ausmusterung des Triebzuges 285 201 bis 204. 1977 31. Januar 1977: Während einer Überführung des 280 005 bis 008 von Magdeburg in das Bw Leipzig West zu War-
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1979 März bis Mai 1979: Durchführung von Probefahrten von Leipzig Hbf aus nach Wurzen und Böhlen mit den auf Druck der Öffentlichkeit wieder reaktivierten beiden Halbzügen der Baureihe 280. Ab 27. Mai 1979: Erneuter Einsatz der Baureihe 280 auf der S-Bahnstrecke zwischen Leipzig Hbf und Wurzen. 1980 Mai 1980: Abstellung des 280 001 bis 004 wegen Erreichens der Radsatzgrenzmaße. 9. November 1980: Ein Brandschaden im Bf Borsdorf beendet die Einsatzfähigkeit des anderen Halbzuges 280 005 bis 008. 1982 27. Dezember 1982: Die seit 1980 abgestellten beiden Halbzüge der Baureihe 280 werden nach Fristablauf „z“-gestellt. 1983 1983 bis 1986: Umbau der Einzelwagen 280 001,002, 003 und 006 zu einem Fahrleitungsmontagezug bei der Firma Kramp in Plauen/Vogtland. 1984 Bis 1989 dient der Einzelwagen ex 280 005 im interimsweise eingerichteten fUw Kyhna auf der Strecke Halle – Eilenburg als Aufenthaltsraum. Nach dessen Außerbetriebnahme bleibt der Triebwagen dort noch bis April 1991 abgestellt. Ex 280 004, 007 und 008 übernehmen zeitgleich die Funktion von Lager- und Aufenthaltsräumen an verschiedenen anderen Orten. 1986 Nach wenigen Einsätzen des Fahrleitungsmontagezuges im Bsw Leipzig offenbaren sich dessen konstruktive Schwächen, und er wird im Bf Gaschwitz bis zum April 1989 abgestellt. Anschließend dienen die Einzelwagen 280 002 und 006 als Lagerräume im Uw Leipzig Wahren, der 280 003 dient dem gleichen Zweck im Bsw Leipzig, und der 280 001 bleibt nach seiner Verwendung als Aufenthaltsraum während der Elektrifizierungsarbeiten im Bf Beucha abgestellt. 1992 14. Oktober 1992: Zu einem Zeitpunkt, als gar nicht mehr alle acht Wagen vorhanden sind, erfolgt die offizielle Ausmusterung der beiden Halbzüge der Baureihe 280. Bis spätestens Ende 1993 sind alle Wagen verschrottet.
Chronik der elektrischen Triebwagen in Mitteldeutschland / Literatur- und Quellenverzeichnis / Fussnoten
Literatur- und Quellenverzeichnis a) Archive
d) Fachzeitschriften
Bundesarchiv: BArch
Tetzlaff: Reichsbahn-Wechselstrom-Triebwagen für Nachbarorts- und Fernverkehr; EB-Sonderdruck Februar, April und Mai 1930
Aktenbestand DM 1 Aktenbestand DC 2 Aktenbestand DF 4 Aktenbestand R 5 Aktenbestand Z 47 F SMAD
DZVV, Ministerium für Verkehr, bzw. Eisenbahnwesen bzw. Verkehrswesen Amt für Restitutionen Ministerium für Wissenschaft und Technik (MWT) Reichsverkehrsministerium Sowjetische Militärische Administration in Deutschland
Historische Sammlung der DB AG Berlin (Histor. Slg. DB AG) Fotos und Daten
b) Bücher P. Glanert, Th. Scherrans, Th. Borbe, R. Lüderitz: Wechselstrom-Zugbetrieb in Deutschland, Oldenbourg Industrieverlag, München 2010 bzw. 2011 bzw. 2012 Band 1: Durch das mitteldeutsche Braunkohlerevier 1900 bis 1947 Band 2: Elektrisch in die schlesischen Berge - 1911 bis 1945 Band 3: Die Deutsche Reichsbahn Teil 1: - 1947 bis 1960 Band 3: Die Deutsche Reichsbahn Teil 2: - 1960 bis 1993
Dieling, Hans: Drehgestelle für die niedrige Fußbodenhöhe des ET 27, Elektrische Bahnen Heft 4/1965 Tribukait, Klaus: Konstruktion und Bau der Wagenkästen des ET 27; Elektrische Bahnen Heft 4, 36. Jahrgang 1965 Rappenglück, Walter: Neue Triebzüge der Deutschen Bundesbahn für Ballungsräume, Elektrische Bahnen Heft 11, 40. Jahrgang 1969 Wilke, Gerhard: Die Entwicklung eines S-Bahn-ähnlichen Nahverkehrs-Triebwagens der Deutschen Bundesbahn für Wechselstrom 16 2/3 Hz, 15 kV; Elektrische Bahnen Heft 3, 36. Jahrgang 1965 Weber, Dipl.-Ing, Horst, Moderne 16 2/3-Hz-Triebzüge der Baureihe 280 für den S-Bahnverkehr der Deutschen Reichsbahn in den Bezirksstädten der DDR, Schienenfahrzeuge 12/1973, Seite 403 bis 408
c) Internet Gerard van de Weerd NL 2223W Katwijk http://www.seinarm.nl/
Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen 1. Firmen AEG BBC K LEW LEW
LHL MAN SSW WASSEG WUMAG
Allgemeine Elektricitäts Gesellschaft, Berlin und Hennigsdorf Brown, Boveri & Cie., Mannheim Kombinat Lokomotivbau Elektrotechnische Werke „Hans Beimler“, Hennigsdorf (1970 bis 1990) Lokomotivbau Elektrotechnische Werke „Hans Beimler“, Hennigsdorf (1951 bis 1970; vormals AEG) Linke-Hofmann-Lauchhammer AG, Breslau Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg Siemens Schuckert Werke, Berlin Liefergemeinschaft der Firmen AEG und SSW Waggon- und Maschinenbau AG, Görlitz
2. Verwaltungstechnische Abkürzungen AW BD Bsw Bw BW DB DB DR DR DR
Ausbesserungswerk Bundesbahndirektion Bahnstromwerk Bahnbetriebswerk (bis 1937 und ab 1952) Bahnbetriebswerk (ab 1937 bis 1952) Deutsche Bundesbahn (ab 8. September 1949 bis 31. Dezember 1993 in der Bundesrepublik) AG Deutsche Bahn AG (seit 1. Januar 1994) Deutsche Reichsbahn (ab 8. Oktober 1949 bis 31. Dezember 1993 in der DDR) (Ost) Deutsche Reichsbahn (nach dem 8. Mai 1945 bis 7. Oktober 1949 in der SBZ) (West) Deutsche Reichsbahn (nach dem 8. Mai 1945 bis
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DRB DRG DZVV NS fUw HV DRG HV DR Hv BuV Hv M Hv Raw MfV OBE OSShD Raw RAW Rbd RBD RVM RZA SJ TPKS Bv TZA Uw VAMF VES BuV VES/M VES/Raw VES/W
zum 7. September 1949 in den Westzonen bzw. in der Bundesrepublik) Deutsche Reichsbahn (ab dem 10. Februar 1937 bis 8. Mai 1945) Deutsche Reichsbahn Gesellschaft (12. Februar 1924 bis 9. Februar 1937) Deutsche Zentralverwaltung für den Verkehr in der SBZ vom 27. Juli 1945 bis 4. April 1948 Niederländische Staatsbahn Fahrbares Unterwerk Hauptverwaltung der DRG, Berlin Hauptverwaltung Deutsche Reichsbahn (1945 bis 1948 und 1952 bis 1954) Hauptverwaltung des Betriebs- und Verkehrsdienstes im MfV Hauptverwaltung für die Maschinenwirtschaft im MfV Hauptverwaltung der Ausbesserungswerke im MfV Ministerium für Verkehrswesen DDR, ging 1954 aus dem Ministerium für Eisenbahnwesen hervor Oberste Bauleitung für Elektrifizierung Organisation für die Zusammenarbeit der Eisenbahnen der sozialistischen Staaten Reichsbahn-Ausbesserungswerk (ab 1927 bis 1937 und ab 1952) Reichsbahn-Ausbesserungswerk (ab 1937 bis 1952) Reichsbahn-Direktion (ab 1922 bis 1937 und ab 1952) Reichsbahn-Direktion (ab 1937 bis 1952) Reichsverkehrsministerium, Berlin Reichsbahn-Zentralamt, Berlin und München Statens Järnvägar, Schwedische Staatsbahn Technische Prüf- und Kontrollstelle für den Betriebs- und Verkehrsdienst Technisches Zentralamt der DR (ging nach dem 8. Mai 1945 aus dem RZA Berlin hervor) Unterwerk Versuchsanstalt für Motorfahrzeuge, Dessau Versuchs- und Entwicklungsstelle für Betriebs- und Verkehrsdienst (DR) Versuchs- und Entwicklungsstelle für Maschinenwirtschaft (DR) Versuchs- und Entwicklungsstelle für das Ausbesserungswesen (DR) Versuchs- und Entwicklungsstelle für Wagenwirtschaft
3. Bahn- und fahrzeugtechnische Abkürzungen 1 SM/DR
Lichtraumumgrenzungslinie auf der Grundlage der von der OSShD festgelegten Lichtraumumgrenzungslinie 1 SM unter Berücksichtigung der für die DR geltenden Besonderheiten
1 WM
Fahrzeugbegrenzungslinie (senkrecht zur Gleisachse gedachte Querschnittsfläche, welche die größtmöglichen zulässigen Ausmaße von Schienenfahrzeugen angibt) BR Baureihe ET, ES, EB Trieb-, Steuer-, Beiwagen für elektrischen Betrieb LüP Länge über Puffer RBS Reichsbahnstromabnehmer (DR) SBS Siemens BahnStromabnehmer SO Schienenoberkante SVT Schnellverkehrs-Triebwagen mit Verbrennungsmotor Tfz Triebfahrzeug VT, VS Trieb-, Steuerwagen für Antrieb mit Verbrennungsmotor Z von der Ausbesserung zurückgestellt
4. Sonstige DDR M Mat RAL
RM SBZ SED SMAD SPK UdSSR VEB VVB ZK
Deutsche Demokratische Republik Mark, (Landeswährung der DDR) nl. Materieel deutsch: Material Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e. V. (früher Reichs-Ausschuss für Lieferbedingungen) hier im Zusammenhang mit Farben Reichsmark (Währung Deutschland bis 1948) Sowjetische Besatzungszone Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Sowjetische Militärische Administration in Deutschland Die Staatliche Plankommission* Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken Volkseigener Betrieb Vereinigung Volkseigener Betriebe Zentralkomitee der SED, war eine ständige administrative und vor allem ausführende Einrichtung zwischen den Parteitagen
5. Technische Begriffe und Einheiten Technische Größe Beschleunigung Durchmesser Frequenz Geschwindigkeit Gleichspannung Länge Leistung Leistungskennziffer Luftwiderstandsbeiwert Masse Streckenneigung Stromstärke Wechselspannung Zeit
Formelzeichen a Ø f v DC l P cw m s I AC t
Maßeinheit(en) m/s² mm, m Hz m/s, km/h V, kV mm, m kW, MW kW/t kg, t ‰ A, kA V, kV s, h
* Die Staatliche Plankommission (SPK) der DDR war für die gesamtstaatlliche Planung und Entwicklung der sozialistischen Volkswirtschaft und für die Kontrolle der Durchführung der Planaufgaben zuständig. Als zentrales staatliches Organ des Ministerrates oblag ihr die Koordinierung, Ausarbeitung und Kontrolle der mittelfristigen Perspektivpläne (Fünfjahrplan) und den daraus abgeleiteten Volkswirtschaftsplänen.
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Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen / Fussnoten
6. Gattungsbezeichnungen der NS Hauptgattungszeichen A B C D P M
Bedeutung Erste Klasse Zweite Klasse Dritte Klasse Gepäckabteil Postabteil Triebwagen
Nebengattungszeichen e
Bedeutung Mittelwagen mit einem Reservestromabnehmer
c s k r 4 mD bzw. MD DE El El 2
Mittelwagen Steuerwagen Kopfwagen Speiseabteil Anzahl der Abteile, hier vier Maschinenwagen eines DE Dieselelektrischer Triebwagen Elektrotriebwagen Die nach der Bezeichnung „El“ folgende Zahl gibt die Anzahl der Wagen im Triebzug an
Fußnoten 1 2 3 4 5 6 7
8 9 10 11 12
13 14 15 16 17 18 19
BArch R 5/21780, Blatt 44 BArch R 5/21780, Blatt 28 BArch R 5/21780, Blatt 71 BArch DM 1/351 BArch DM 1/566 HV DRG; Verfügung 32D 6335 vom 8.6.1926 Tetzlaff: ReichsbahnWechselstrom-Triebwagen für Nachbarortsund Fernverkehr; EBSonderdruck Februar, April und Mai 1930 BArch R 5/7083 BArch R 5/22236 BArch R 5/22236 BArch R 5/22451 Tetzlaff: ReichsbahnWechselstrom-Triebwagen für Nachbarortsund Fernverkehr; EBSonderdruck Februar, April und Mai 1930 BArch R 5/22451 Teil 1 von 2 BArch R 5/21661 BArch R 5/21670 Historische Sammlung DB AG BArch R 5/7952 BArch R 5/22236 http://www.seinarm.nl/
20 BArch R 5/Anh. I/117 21 http://nl.wikipedia.org/ 22 http://www.seinarm.nl/ Stroomlijn/elektrisch/ mat362.aspx 23 BArch R 5/Anh. I/117 Sammlung Strater 24 BArch R 5/Anh. I/117 25 BArch Z 47 F SAMD 26 BArch Z 47 F SMAD 27 BArch DM 1/106 28 Quelle: BArch DM 1/106 29 BArch DM 1/106 30 http://www.seinarm.nl/ Stroomlijn/elektrisch/ mat362.aspx 31 http://www.seinarm.nl/ Stroomlijn/elektrisch/Pec. aspx 32 BArch Z 47 F SMAD 33 BArch DM 1/364 34 BArch DC 2/631 35 BArch DF 4/59883 36 BArch DM 1/2805 37 BArch DF 4/59883 38 BArch DM 1/7248 39 BArch DF 4/53271 40 http://www.seinarm.nl 41 BArch DM 1/106 42 BArch DM 100/1006 a 43 BArch DM 1/12677 44 Wilke, Gerhard: Die Entwicklung eines S-Bahnähnlichen NahverkehrsTriebwagens der Deut-
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schen Bundesbahn für Wechselstrom 16 2/3 Hz, 15 kV; Elektrische Bahnen Heft 3/1965 BArch DM 1/12677 Dieling, Hans: Drehgestelle für die niedrige Fußbodenhöhe des ET 27, Elektrische Bahnen Heft 4/1965 Schienenfahrzeuge, Transpress Berlin, Ausgabe 12/1973 Tribukait, Klaus: Konstruktion und Bau der Wagenkästen des ET 27; Elektrische Bahnen Heft 4, 36. Jahrgang 1965 Schienenfahrzeuge, Transpress Berlin, Ausgabe 12/1973 BArch DM 1/12677 BArch DM 1/12677 BArch DM 1/12677 BArch DM 1/8214 BArch DM 1/8214 BArch DM 1/8214 BArch DM 1/12677 BArch DM 1/12677 BArch DF 7/3159 BArch DF 7/3135 BArch DF 7/3135 Rappenglück, Walter: Neue Triebzüge der Deut-
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schen Bundesbahn für Ballungsräume, Elektrische Bahnen Heft 11, 40. Jahrgang 1969 Wilke, Gerhard: Die Entwicklung eines S-Bahnähnlichen NahverkehrsTriebwagens der Deutschen Bundesbahn für Wechselstrom 16 2/3 Hz, 15 kV; Elektrische Bahnen Heft 3, 36. Jahrgang 1965 BArch DM 1/8214 BArch DM 1/12677 BArch DM 1/8214 BArch DM 1/8214 BArch DM 1/12677 BArch DM 1/12677 BArch DM 1/12677 BArch DM 1/12677 BArch DM 1/12677 Technische Bedingungen zur Lieferung von 15 kV, 16 2/3 Hz-Triebzügen für den S-Bahnverkehr in den festgelegten Bezirksstädten der DDR, Serie BR 280 009 ... 280 00. 30. September 1975, unveröffentlicht BArch DM 1/9926
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EIN WEITERES STANDARDWERK IN DIESER REIHE
100 Jahre Serien-Elloks in Preußen
Peter Glanert / Wolfgang-Dieter Richter / Thomas Borbe
DIE ELLOK-BAUREIHEN E 01 UND E 711 ENTWICKLUNG, EINSATZ UND VERBLEIB DER ES 9 – 19 UND EG 511– 537 100 Jahre elektrische Serienlokomotiven der Königlich-Preußischen Staatsbahn
Vor 100 Jahren, im März 1914, nahm die KöniglichPreußische Staatsbahn ihre ersten elektrischen Serienlokomotiven in Betrieb. Dieses Jubiläum ist Anlass, eine umfassende Aufarbeitung der Lokomotivgeschichte der damaligen Entwicklungsepoche vorzulegen. Der Leser erfährt nicht nur viel über die ersten preußischen Serien-Elloks ES 9 bis 19 (ab 1926 Baureihe E 01), EG 511 bis 537 (ab 1926 Baureihe E 711) und die den Güterzugloks bauartverwandten Triebgestelle EB 1 bis 3 (1922 ausgemustert), die Autoren vermitteln vielmehr auch Wissenswertes über die sie begleitenden „Weggefährten“ im In- und Ausland sowie die zeittypische Technik. Das neue Standardwerk zu Entwicklung, Einsatz und Verbleib der ES 9-19 und EG 511-537! 192 Seiten, Format 22,0 x 29,7 cm, Hardcover, mit über 180 Fotos und 64 Zeichnungen
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Erhältlich im Buchhandel oder direkt bei: VGB-Bestellservice · Am Fohlenhof 9a · 82256 Fürstenfeldbruck Tel. 08141/534810 · Fax 08141/53481-100 ·
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ELEKTRISCHE TRIEBWAGEN IN MITTELDEUTSCHLAND Nachdem man In Schlesien und Bayern in den 1920er Jahren gute Erfahrungen mit dem Regelbetrieb von elektrischen Triebwagen gesammelt hatte, etablierte die Reichsbahn den Einsatz dieser Fahrzeugart auch um Leipzig herum. Die Strecken Leipzig – Dessau – Magdeburg und Leipzig – Halle hatten schon länger ihren Fahrdraht, bevor um 1934 der „Mitteldeutsche Ring“ mit Elektrifizierung der Strecke Halle – Magdeburg geschlossen wurde. Ende 1942 erreichte die Fahrleitung von Nürnberg aus über Saalfeld und Weißenfels den Leipziger Bahnknoten. Die auf diesem Netz zwischen 1926 und 1980 eingesetzten elektrischen Triebwagen sind Thema dieses Buches. Im Blickpunkt stehen dabei nicht nur die Lebensläufe der Triebfahrzeuge, sondern auch die Hintergründe für ihre Beschaffung, die Betriebsbewährung, der Verbleib und selbstverständlich auch ihre Technik. Die notwendigen historische Bezüge zum elektrischen Bahnbetrieb in Bayern, Schlesien und Württemberg werden aufgebaut, denn zwischen den beteiligten Reichsbahndirektionen bestand in den 1930ern ein reger Austausch an Erkenntnissen und auch Fahrzeugen. Auch die Triebwagen holländischer Herkunft, die nach dem 8. Mai 1945 auf dem Gebiet der SBZ bzw. der späteren DDR verblieben waren, sind Thema. Darüber hinaus werden die Einzelgänger ET 25 012 und ET 25 201 ausführlich besprochen. Den Abschluss bildet die DR-Baureihe 280.
ISBN 978-3-8375-1159-8
9 783837 511598
€ 24,95 [D]