5.2015
SEPTEMBER / OKTOBER
€ 12,90 A: € 14,60 CH: SFR 25,80 BENELUX: € 14,90 DK: DKR 150,00
SICHT: GROSSE ÜBnESR chnellzugAlle deutsche strecken von 1939
bis heute
Unvergessene Magistralen
BAHN-EXTRA 5/2015
Unvergessene Magistralen
Wo der Fernverkehr Geschichte ist
• Hannover – Würzburg • Berlin – Braunschweig • Koblenz – Trier • Hagen – Gießen • Dresden – Hof • Erfurt – Schweinfurt • Würzburg – Stuttgart • Vergessene Bahnknoten
Alba Publikation GmbH & Co. KG, Infanteriestraße 11a, 80797 München
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Aufnahmen: Dr. Rolf Brüning (gr. Bild), Hans-Joachim Lange, Joachim Seyferth, Joachim Bügel/Bildarchiv d. Eb.Stiftg. (u., v.l.)
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Fernreisen früher: Im September 1963 beförderte V 200 002 einen D-Zug auf der Strecke Würzburg – Stuttgart, im Bild bei Schweigern (gr. Foto). Im November 1993 ist 103 109 mit einem IC auf dem „Kanonenbahn“-Abschnitt Berlin – Güterglück unterwegs (links). 1984 gibt es im Bahnhof Dillenburg auch den Hinweis auf Schnellzüge (Mitte) und 1978 befährt 03 0010 mit D 555 die Nordbahn Stralsund – Neustrelitz – Berlin (rechts)
Mit dem Zug in die Ferne Willkommen zu einer Zeitreise im doppelten Sinne. BAHN EXTRA „entführt“ Sie zu Strecken, die einst für Fahrten in die Ferne Bedeutung hatten: als große Verbindung von und nach Berlin, als Magistrale im Nord-Süd-Verkehr oder als Nebenfernstrecke, die das Netz wertvoll ergänzte. Von dem Fernzug-Betrieb ist heute in den meisten Fällen nichts geblieben. Erleben Sie hier noch einmal die glanzvollen Jahre dieser Strecken; die Jahre, als dort Schnellzüge und mehr Alltag waren!
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Inhalt
| UNVERGESSENE MAGISTRALEN
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Thomas Hanna-Daoud Verantwortlicher Redakteur Titelfotos Titel: Georg Wagner (gr. Bild: 601 als Sonderreisezug auf der rechten Rheinstrecke zwischen Lorch und Kaub, Mai 1982), Ralph Lüderitz S. 4: Marco Frühwein (o.), Hans-Joachim Lange (M.), Josef Mauerer S. 5: Karte: GM/Anneli Nau; gezeigt wird das aktuelle Streckennetz in Deutschland; die Strecke Berlin – Eschwege wurde teilweise nachgezeichnet, die Strecke Förtha – Gerstungen (abgebaut) fehlt Rücktitel: o.: cws (DB-Ellok 103 mit IC auf der Werrabrücke bei Oberrieden (Nord-Süd-Strecke), 1980er-Jahre); u.: Georg Wagner (132 484 mit IC 178 „Bettina von Arnim“ Frankfurt (M) – Berlin im Bahnhof von Brandenburg, Oktober 1991)
letztes Jahr hatten mich Freunde überzeugt: Wir gehen auf Tour mit der Fahrraddraisine. Voller Elan strampelten wir an einem sommerlichen Augusttag im niederrheinischen Kleve los, auf der alten Verbindung nach Kranenburg. Aber so richtig vorwärts kamen wir nicht. Das, was unterwegs wartete, war einfach zu interessant: die weite Landschaft, die beschaulichen Siedlungen und vor allem die Strecke selbst. Kilometertafeln, Reste von Signalen und manches mehr am Gleis kündeten von den Jahren, als Dieselloks der V-160-Familie mit Reisezügen vorüber brummten. Die Fotostopps waren bald wichtiger als die Draisinenfahrt. Wieder zu Hause, holte ich gleich meine alten Kursbücher hervor, um ausgiebig Fahrpläne zu studieren. Und stellte fest: 30 Jahre früher gab es auf der eingleisigen Strecke zwei D-Züge, Amsterdam – Köln und den „Austria-Express“ Amsterdam – Klagenfurt. In ähnlicher Art möchten wir Sie hier mitnehmen zu Strecken, die eine große Vergangenheit haben. Freuen Sie sich auf faszinierende Einblicke in eine Zeit der Fernreisen, die es so nicht mehr gibt – die aber noch in vielerlei Hinsicht lebendig ist. Viel Vergnügen!
Inhalt Erinnerungen 6 Die großen Jahre
Als die Nord-Süd-Strecke noch wichtig war
60 Quer durch DB-Land
Ein D-Zug des DDRBinnenverkehrs auf der Strecke Berlin – Magdeburg; über die Verbindung fuhren auch Interzonenzüge und Züge von bzw. nach West-Berlin
Unterwegs mit dem „Frankenland“
74 Auf Spurensuche
Eisenbahn-Relikte zwischen Förtha und Gerstungen
96 Der Geschichte auf der Spur Mit der Fahrraddraisine unterwegs
Bilderbogen 10 Auf großer Fahrt
Fernstrecken in Deutschland
52 Blickfänge
Stillleben und Szenerien
90 Nachschlag
Weitere unvergessene Magistralen
Hintergrund 18 Für D-Züge und mehr
Die Entwicklung der Magistralen
Knotenpunkte 36 Im Schatten der Vergangenheit Der Bahnhof Kreiensen
82 Vergangener Glanz Der Bahnhof Görlitz
Rubriken 98 Vorschau, Leserservice, Impressum 4
Mauerfall 1989 belebte den deutsch-deutschen 18 Der Reiseverkehr, DB- und DR-Netz wurden stärker verknüpft. Die Entwicklung der Strecken im Überblick
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Mit detaillierten
Streckenkarten
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Strecken und Züge
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28 Stendal – Uelzen – Bremen
Die großen Jahre der „Amerikalinie“
32 Berlin – Neustrelitz – Stralsund Die Nordbahn einst und jetzt
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38 Berlin – Eschwege
Zu Besuch bei einem Teil der „Kanonenbahn“
43 Holzminden – Scherfede
Die Geschichte einer kuriosen Verbindung
46 Berlin – Magdeburg – Braunschweig Die „Magistrale“ gestern und heute
58 Hann. Münden – Göttingen
Die Karriere einer Ausweichstrecke
62 Hagen – Gießen
Die Alternative zum Rheintal
68 Koblenz –Trier
Der Fernreiseverkehr an der Mosel
72 Förtha – Gerstungen
Ein Kind des „Kalten Krieges“
76 Dresden – Reichenbach – Hof
Was wurde aus der „Sachsenmagistrale“?
84 Erfurt – Schweinfurt
Höhen und Tiefen am Rennsteig
87 Würzburg – Stuttgart
Einst für Züge nach Berlin und Hamburg
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Erinnerungen
| GEDANKEN AN DIE NORD-SÜD-STRECKE
Die großen Jahre Martin Weltner hat dieVerbindung Hannover – Göttingen – Bebra – Würzburg in ihren besten Zeiten erlebt. Er bestaunte F-Züge und Trans-Europ-Express, Intercity, D-Züge und die vielen modernen Fahrzeuge. Abstecher in ein Eisenbahn-Paradies
D
ie Nord-Süd-Strecke und ich – das gehörte irgendwie über Jahrzehnte zusammen. Wenn man den Abschnitt von Hannover über Bebra nach Würzburg betrachtet, dann habe ich ihn nämlich über lange Zeit erlebt. Ich wohnte fast immer in der Nähe der Strecke, viele Erinnerungen blieben mir im Gedächtnis. Und vor allem: Ich habe die großen Jahre mitbekommen. Nach dem Zweiten Weltkrieg war dies über Jahrzehnte die Magistrale für den Verkehr zwischen Nord- und Süddeutschland. Es begann im Jahre 1962, als ich in Bebra einen örtlichen Kindergarten besuchte. Der Weg dorthin führte über die Straßenbrücke in der nördlichen Bahnhofsausfahrt, die
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einen grandiosen Blick auf die Bahnanlagen bot. Ich sah den Bahnhof, das Bahnbetriebswerk sowie die ausfahrenden Züge in Richtung Göttingen (auf der Nord-Süd-Strecke)
Der Autor
Martin Weltner Martin Weltner, geboren 1957, wurde in Bebra eingeschult und holte sich dort den „Eisenbahnvirus“, der bis heute anhält. Beruflich ist er seit über einem Jahrzehnt für den GeraMond Verlag tätig; er arbeitet unter anderem für Lok Magazin und Eisenbahn Magazin.
und nach Kassel. Noch dampfte es kräftig, obwohl die Elektrifizierungsarbeiten schon in vollem Gange waren. 01, 01.10 und die beiden 10er gaben sich ein Stelldichein vor den Fernverkehrszügen, auch die V 200 mischte längst mit. Ein Höhepunkt desTages war jeweils die Durchfahrt eines der eleganten Triebzüge VT 11.5 als TEE „Helvetia“ von Hamburg-Altona nach Zürich; sie passierten die Nord-Süd-Strecke von Göttingen bis Frankfurt ohne Halt.
Kreiensen an der Schranke Zwei Jahre später waren wir nach Hameln umgezogen, und die Fahrt zur Großmutter nach Bad Gandersheim alle zwei Wochen
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Stolze Lokomotive mit stolzem Zug: Im August 1958 bespannt 10 001 den D 167 „Riviera-Express“ und passiert mit ihm den Block Ohl bei Steinau Dr. Rolf Brüning
Blick von der Bahnhofsstraße auf den Bahnhof Bebra, durch den im Jahr 1964 eine ölgefeuerte 44er rollt. Am Bahnsteig wartet eine 01 mit einem Postexpresszug. Von diesem Standpunkt aus bestaunte Martin Weltner als Steppke in den frühen 1960ern den regen Bahnbetrieb; die NordSüd-Strecke hatte an dem Treiben maßgeblichen Anteil Ludwig Keller/Archiv d. Eb.stiftg.
Neben den vielen Fernreisezügen leitete die Bundesbahn auch zahllose Güterzüge über die Nord-Süd-Strecke. Einen davon hat 44 1678 am Haken, die im September 1958 bei Elm dahin zieht Brian Bittner/Bildarchiv der Eisenbahnstiftung
wurde ein Ritual.Vater sattelte seinen Kleinwagen, auf den noch wenig befahrenen Bundes- und Landstraßen ging es dann durch das schöne Weserbergland zumVorharz. Nur kurz vor Kreiensen, da gab es regelmäßig einen Verkehrsstau: Bis zu 20 Automobile standen vor der geschlossenen Schranke am nördlichen Ortsrand, um den Zügen der BundesbahnVorrang zu gewähren.Von links eine E 10 mit einem Schnellzug aus grünen, blauen und roten Wagen, dann von rechts eine E 41 mit ein paar Umbauwagen als Eilzug, und schon näherte sich erneut von links ein langer Güterzug mit einer E 40 an der Zugspitze. Der letzte Wagen war gerade vorbeigerollt, da öffnete der Schrankenwärter BAHN EXTRA 5/2015
die Barriere, um ein gutes Dutzend Autos passieren zu lassen. Doch die nächsten Züge kamen schnell, und wieder waren die Schrankenbäume unten ... „Kreiensen an der Schranke“ war seinerzeit ein geflügeltes Wort, aber Ende der 1960er-Jahre hatten Bundesbahn und Straßenbauverwaltung ein Einsehen und ersetzten die Schranke durch eine Überführung. Auch als Reisender im Zug begeisterte mich die Nord-Süd-Strecke, war sie doch recht kurvenreich. Der Blick aus dem Zugfenster faszinierte immer, vor allem, weil ständig irgendwelche Gegenzüge kamen. Fernreisezüge, bei denen man diese Eindrücke sammeln konnte, gab es reichlich –
selbst nachts rollte es in dichter Folge. Tagsüber bot die Fahrt natürlich mehr. An manchen Stellen zog die Lok ihre Wagengarnitur in Sichtweite der innerdeutschen Grenze vorbei. Der graue Zaun in einigen hundert Metern Entfernung war ja ein wesentlicher, wenn nicht gar der Grund für die Bedeutung dieserVerbindung. Erst die deutsche Teilung und der Wandel derVerkehrsströme von OstWest- in Nord-Süd-Richtung hatten die NordSüd-Strecke zu dem gemacht, was sie nun zu Bundesbahn-Zeiten war. Das blieb auch in der Folge so: Von 1971 an tauchten IC-Züge auf der Strecke auf, zwei der vier Linien aus dem IC-Netz führten über diese Relation. In den 1980er-Jahren
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Erinnerungen
| GEDANKEN AN DIE NORD-SÜD-STRECKE
Welch glorreiche Züge nahmen den Weg über die Nord-Süd-Strecke! Im September 1959 ist F 56 „Blauer Enzian“ mit V 200 044 auf der Fahrt nach Süden und befindet sich gerade kurz vor Gemünden; das Bild entstand im Bahnhof von Rieneck Dr. Rolf Brüning
Das Stampfen der 01.10 vor ihren schweren Schnellzügen war eines der typischen Geräusche auf der Nord-Süd-Strecke. Im September 1959 hat es 01 1102 mit D 383 zu tun, den sie bei Elm Richtung Norden bringt Carl Bellingrodt/Bildarchiv der Eisenbahnstiftung
wurde die Nord-Süd-Strecke dann von diesen schnellen Zügen beherrscht, und die Baureihe 103 wurde zur Heldin des Alltags. Blockzüge – drei 1.-Klasse-, ein Speisewagen und sechs oder sieben 2.-Klasse-Wagen – pendelten im Stundentakt zwischen nordund süddeutschen Zielen. Als Fernpendler war ich oft zwischen Hannover und Freiburg unterwegs und die 103 bewältigten diese Leistungen, für die sie nie gebaut worden waren, mit Bravour. Beschleunigen, bremsen, wieder beschleunigen – selbst der recht flache, aber kurvenreiche Streckenabschnitt durch das Leinetal von Hannover über Göttingen bis Eichenberg verlangte den Loks alles ab – und als Fahrgast genoss ich die Reise im Abteil eines Schnellzugwagens Bm 235 mit Fenstern, die sich noch öffnen ließen.
Das Beste und die Ablösung Auf die wachsende Bedeutung der Strecke reagierte die Bundesbahn stets schnell. Beispielsweise führte sie zwischen Bebra und Cornberg den ersten Gleiswechselbetrieb in Deutschland ein. Damit konnten schnelle Züge langsamere auf freier Strecke überholen. In den 1950er-Jahren wurden auf der Nord-Süd-Strecke die modernsten und leistungsfähigsten Lokmotiven eingesetzt: 01 und 01.10 mit Neubaukessel, die beiden 10er, V 200 und 44er prägten das Bild. Doch wirkliche Entlastung brachte erst die Elektrifizierung, die im März 1963 abgeschlossen wurde: „Elektrisch von Hannover bis Neapel“ jubelte die Bundesbahn seinerzeit. Einheitselloks wurden auf der Nord-SüdStrecke alltäglich, später ergänzt durch die
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Betriebsbeispiel 1970
Zug auf Zug Wie rege der Fernverkehr auf der Nord-Strecke war, zeigt die folgende Auflistung der Fernverkehrszüge. Im Sommerfahrplan 1970 fuhren morgens zwischen 8 und 11 Uhr von Hannover aus Richtung Süden: Zugnummer D 1010 D 370 D 384 D 1072 TEE 80 TEE 78 D 572 D 582 D 484 D 774 D 1182 D 576 D 586 D 272
Zugname – Schweiz-Express – – Blauer Enzian Roland – – – Schwarzwald-Express – – – Hispania-Express
Laufweg (von – nach) Hannover – Freiburg Kopenhagen – Basel Kopenhagen – Frankfurt (M) Bremen – Basel Hamburg – Klagenfurt Bremen – Mailand Wilhelmshaven – Basel Hamburg – München Hannover – Stuttgart Kiel – Seebrugg Hamburg – Berchtesgaden Hamburg – Basel Bremerhaven – München Hamburg – Port Bou
103. Also abermals das Beste, das es bei der Bundesbahn gab. Auf Dauer war die kurvenreiche Verbindung der DB aber ein Dorn im Auge; die Fahrt kostete zu viel Zeit, um mit dem Auto oder anderen Verkehrsträgern mithalten zu können. Und hätten sich Planung und Bau der Neubaustrecke Hannover – Würzburg nicht gut 15 Jahre hingezogen, die FernreiseHerrlichkeit auf der alten Strecke wäre viel früher vorbei gewesen. Am 29. Mai 1988 nahm die DB mit Fulda – Würzburg den ersten Teil der neuen, schnelleren Verbindung
Hannover ab 08:10 (nur Sa.) 08:21 08:29 09:19 (nur Sa.) 09:23 09:27 09:30 09:34 09:44 10:00 10:06 10:16 10:25 10:31
in Betrieb. Der Fernreiseverkehr wechselte dorthin, und das fast vollständig. Heute fahren auf der alten Nord-SüdStrecke Hannover – Göttingen – Bebra – Würzburg in erster Linie Güterzüge, daneben Nahverkehrszüge verschiedener Bahnbetreiber. Nur bei Sperrungen der Neubaustrecke kehrt noch ein bisschen vom ehemaligen Fernverkehrs-Flair auf dieseVerbindung zurück. Was mich betrifft, so erlebe ich dies nicht mehr aus nächster Nähe. Seit zwei Jahrzehnten wohne ich einige hundert Kilometer entfernt. Martin Weltner
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Die Ära der doppelklassigen IC-Züge markierte die letzte Blüte des Fernreiseverkehrs auf der Nord-Süd-Strecke. In den 1980er-Jahren ist einer der Bundesbahn-Spitzenzüge von Fulda gekommen und erreicht gleich Gemünden am Main, wo die Nord-Süd-Strecke mit der Verbindung aus Frankfurt – Aschaffenburg (vorn) zusammen läuft cws BAHN EXTRA 5/2015
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Bilderbogen
| FERNSTRECKEN IN DEUTSCHLAND
Auf großer Fahrt Die Eisenbahn verband Metropolen, erschloss Regionen und schuf nicht selten den „Anschluss an die Welt“. Oft waren es erst ihre Strecken, die (Fern-)Reisen überhaupt möglich machten. Im Lauf der Jahre ergaben sich aber auch Änderungen im Netz – zu Lasten mancher Verbindungen
Als leuchtendes Beispiel geht die 181 mit D 2257 auf der Moselstrecke voran. Im November 1988 ist sie auf der Nebenfernstrecke zwischen Karden-Treis und Müden unterwegs Georg Wagner
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Bilderbogen
| FERNSTRECKEN IN DEUTSCHLAND
Nur drei Wagen machen den Schnellzug aus, den eine 78er im Jahr 1937 durch Rüdesheim nach Süden befördert. Auf der Straße ist damals nur wenig los, wenngleich es für die Automobile schon die „Rheinstein-Garage“ gibt. Die Bahn hat etwas weiter südlich noch über die Hindenburg-Brücke Verbindung zur anderen Rheinseite nach Bingen. 1945 wird dieser Übergang zerstört und nicht wieder aufgebaut Adam Raisch/Bildarchiv der Eisenbahnstiftung
Der Bahnhof Kreiensen erhielt im 19. Jahrhundert ein stattliches Empfangsgebäude. Viele schmückende Details zeigten dem Reisenden, in welch wichtiger Station er sich befand. Davon künden sie noch immer, auch wenn der Bahnhof heute nicht mehr so wichtig ist Volker Emersleben
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Aufbruchstimmung Die Möglichkeiten der Eisenbahn leiten Mitte des 19. Jahrhunderts einen Bauboom ein. Zahlreiche Strecken entstehen, der Reiseverkehr auf der Schiene floriert. Die Euphorie über das neue Verkehrsmittel schlägt sich auch in der Ausstattung der Bahnhöfe nieder. Bis weit in das 20. Jahrhundert hinein
In Hof an der Saale führen die Strecken aus Sachsen (Dresden, Leipzig) und Bayern (Nürnberg, Regensburg) zusammen. Für die Reisenden richtete man im dortigen Bahnhof eine Gaststätte mit ansehnlichem Saal ein; den gab es so auch noch zu Bundesbahn-Zeiten Slg. Dr. Daniel Hörnemann
Stolz zeigen sich Reichsbahner mit der Ellok E 17 118 in der Zwischenkriegszeit im Bahnhof Görlitz. Über die Station läuft unter anderem der Verkehr zwischen Schlesien und Berlin bzw. Schlesien und Sachsen – Bayern Slg. Wilfried Rettig
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Bilderbogen
| FERNSTRECKEN IN DEUTSCHLAND
Getrennte Welten Die deutsche Teilung nach dem Zweiten Weltkrieg zerschneidet das Streckennetz. Die Verkehrsströme ändern sich, Bundesbahn und Reichsbahn organisieren den Betrieb weitestgehend eigenständig. Vier Jahrzehnte lang dauert dieser Zustand an
Zu den Aushängeschildern der Deutschen Reichsbahn gehört der Triebzug VT 18.16 bzw. später 175. Er fährt zum Beispiel von Berlin über Plauen (Foto) und Bad Brambach in die Tschechoslowakei. Zu Einsätzen von der DDR in die Bundesrepublik kommt es dagegen nicht Historische Slg. der DB
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Mit dem Intercity-System führt die Bundesbahn 1971 schnelle Reisezüge im Taktverkehr ein. Vier IC-Linien erschließen die Wirtschaftszentren der Bundesrepublik, der Verkehr in Nord-Süd-Richtung dominiert. Mit zum IC-Netz gehört die Altmühltalstrecke Ingolstadt – Treuchtlingen, auf der die Züge aber nur durchfahren. Im Bild eine 103 mit einem der seit 1979 eingesetzten doppelklassigen IC-Züge cws
Einst rollten hier D-Züge Berlin – Würzburg – Stuttgart. Aber in den 1970er-Jahren ist die Verbindung Erfurt – Schweinfurt bei Mellrichstadt unterbrochen und einschließlich des bayerischen Signals sich selbst überlassen Dr. Lutz Münzer
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Bilderbogen
| FERNSTRECKEN IN DEUTSCHLAND
Auch so kann Modernisierung aussehen. Bei Salzwedel fahren die Züge heute über eine ausgebaute, elektrifizierte Hauptbahn. Das Bahnbetriebswerk „nebenan“ braucht dagegen niemand mehr. Es hat inzwischen nicht einmal Gleisanschluss Volker Emersleben
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Im abendlichen Magdeburger Hauptbahnhof wartet Diesellok 234 320 mit ihrem IC auf die Weiterfahrt. Seit 1991 ist Magdeburg Teil des Intercity-Netzes Michael Scheppan
Aufbruch zum Zweiten? Der Mauerfall und die deutsche Wiedervereinigung sorgen für eine Belebung im Ost-West-Reiseverkehr. Bundesbahn, Reichsbahn und später DB AG modernisieren das Streckennetz. Neue Verbindungen gehen in Betrieb, der Reiseverkehr verlagert sich. Und alles bleibt irgendwie im Wandel
Im September 1991 wurde die Lücke in der Verbindung Erfurt – Schweinfurt geschlossen. So können Reisende im thüringischen Oberhof 1994 wieder in einen Fernreisezug steigen, der seine Fahrt in Franken begann – in diesem Fall in den D-Zug Würzburg – Cottbus Volker Emersleben
In den späten 1980ern nehmen einige D-Züge von Köln nach Bayern den Weg durch das Siegtal. Im Mai 1988 verlässt der mit einer 114 bespannte D 725 nach Passau den Bahnhof Au und überquert die Sieg. Heute fahren zwischen Köln und Siegen nur noch RegionalexpressZüge, meist Talent 2 der DB Dr. Dietmar Beckmann
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Hintergrund
| DEUTSCHE MAGISTRALEN IM FERNREISEVERKEHR
Für D-Züge und mehr Schon die zweite deutsche Eisenbahnlinie, Leipzig – Dresden, diente für Fernreisen. Sie begründete eine Entwicklung, die bis heute anhält und die neben Gewinnern auchVerlierer produzierte. In manchen Fällen folgte sogar das eine auf das andere
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ür Sachsen war es ein großer Tag. Am 7. April 1839 wurde die Strecke von Dresden nach Leipzig feierlich eröffnet. Drei Stunden und 40 Minuten dauerte die Reise auf der rund 115 Kilometer langen Verbindung. Es war die erste EisenbahnFernreise, die man auf deutschem Gebiet unternehmen konnte. Bald schon entstanden weitere Eisenbahnstrecken. Als die mehr oder weniger umfangreichen Inselbetriebe ab 1850 auch zunehmend miteinander verknüpft wurden, konnte man von einem sich entwickelnden Eisenbahnnetz im gesamten sprechen. Mitte des 19. Jahrhunderts waren außer in Württemberg und Bayern bereits große Teile Deutschlands auf der Schiene mit regionalen Zentren verbunden. Wenn auch oft noch über große Umwege, so kam man doch nach Berlin, Hamburg, Leipzig, Dresden, ins Ruhrgebiet oder nach Frankfurt.Vor allem strahlten schon die Hauptverbindungen von Berlin als größter Stadt sternförmig aus; das sollte die Grundstruktur des künftigen deutschen Fernbahnnetzes werden. Mit derVerbindung von Aachen über Herbesthal und Welkenra-
edt weiter nach Belgien gab es seit 1847 zudem den ersten internationalen Streckenabschnitt. In Preußen wurde als erster Schnellzug am 1. Mai 1851 eine Verbindung von Berlin nach Köln eingeführt. Die Reisezeit betrug 16 Stunden, was einer mittleren Reisegeschwindigkeit von etwa 40 km/h entsprach. Zum Vergleich: Normale Fernzüge kamen damals meist nicht über Werte von 30 km/h hinaus. Schon ein Jahr später gab es eineVerbesserung durch einen „Courierzug“ auf der-
Preußen führte 1851 den ersten Schnellzug auf deutschem Gebiet ein selben Route, der nur 14 ½ Stunden benötigte. In Bayern fuhr 1854 der erste Schnellzug zwischen Augsburg und Hof; er besaß nur die 1. und 2. Wagenklasse. In der Folgezeit führten weitere Bahnverwaltungen bzw. -gesellschaften rasch schnelle Reisezüge ein. Wegen der dezentralenVerwaltungsstruktur in den deutschen Staaten waren neben den von Berlin ausgehenden Linien auch
Der majestätische Bahnhof lässt es ahnen: Von Krefeld aus kam man mit der Eisenbahn zu Zielen in nah und fern. Zu Reichsbahn- und Bundesbahn-Zeiten spielte die Stadt eine wenn auch etwas bescheidenere Rolle im Fernreiseverkehr, heute ist sie weitgehend davon abgekoppelt. Aktuell hält hier nur ein IC-Zugpaar montags bis freitags; IC 2222/2223 fährt von Aachen nach Berlin – zumindest das ist ein Anklang an alte Zeiten Slg. Dr. Daniel Hörnemann
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zahlreiche Tangentialverbindungen nötig – zum Beispiel von Hamburg und Bremen über Hannover nach Süden, von Hamburg ins Ruhrgebiet, von dort einerseits in die Niederlande und nach Belgien, andererseits zum zentralen Knotenpunkt Frankfurt. Von Frankfurt aus entstanden wiederum Magistralen nach Kassel, Erfurt – Leipzig /Halle, Nürnberg, Mannheim – Basel / Stuttgart und ins Saarland. In Süddeutschland ist als wichtige Magistrale Straßburg – Karlsruhe – Stuttgart – München – Salzburg mit dem Abzweig Rosenheim – Kufstein und weiter nach Innsbruck zu nennen, außerdem gibt es bedeutende Strecken vom Knoten Nürnberg nach Böhmen, Österreich (über Passau) und nach
Die rechte Rheinstrecke ist lange Jahre eine Strecke mit D-Zug-Verkehr; im Juli 1949 zieht 18 509 mit D 404 bei Rüdesheim rheinaufwärts Carl Bellingrodt/Bildarchiv der Eisenbahnstiftung
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München. Im Raum des heutigen Sachsen waren außerhalb der Verbindungen von/ nach Berlin die Relationen Leipzig – Dresden und Hof – Dresden von erheblicher Bedeutung. Dresden bildete dann einen Ausgangspunkt für Magistralen in Richtung Schlesien und Böhmen.
Die Zäsur um 1880 Um das Jahr 1880 hatte das deutsche Fernverkehrsnetz bereits weitgehend seine spätere Struktur erhalten. Bis zur Jahrhundertwende sollten nur noch relativ wenige Ergänzungen dazu kommen (beispielsweise 1885 die durchgehende Verbindung Saalfeld – Lichtenfels mit dem Lückenschluss Eichicht – Probstzella – Stockheim). Die 1880er-Jahre bildeten aber noch in anderer Hinsicht eine gewisse Zäsur, und zwar durch dieVerstaatlichungswelle in den preußischen Gebieten. Vor allem im Rheinland und in Westfalen gingen bedeutende Privatgesellschaften wie Cöln-Mindener- , Bergisch-Märkische- und Rheinische Eisenbahngesellschaft in preußischen Staatsbesitz über. Da es aus Konkurrenzgründen oft nahezu parallele Streckenverläufe gab, war nun eine
Wegen Querelen zwischen verschiedenen deutschen Staaten wurde die Verbindung Holzminden – Scherfede schwierig trassiert – ein Umstand, der den Betrieb noch lange danach behinderte. Im August 1962 befördert 03 1082 den Stammzug auf dieser Nebenfernstrecke, E 529 Aachen – Braunschweig Ludwig Rotthowe
Bereinigung möglich. So verwendete man im Ruhrgebiet fortan die Rheinische Bahn für den langsamen Güterverkehr, die KölnMindener Bahn für den schnellen Güterverkehr und den langsamen Fernverkehr sowie die Bergisch-Märkische Bahn für den hochwertigen Fernverkehr. Auch im Mittelrheintal schälte sich eine gewisse Verkehrsteilung heraus: Linksrheinisch dominerte der Personen-, rechtsrheinisch der Güterverkehr. Wenn man so möchte, war dies bereits eine erste Aufteilung, mit der man bestimmte Magistralen im Fernreiseverkehr in den Hintergrund rückte. Nach der Reichsgründung 1871 wurden auch zahlreiche Bahnstrecken aus militärstrategischen Gründen in Richtung Frankreich errichtet; da das Deutsche Reich Elsass-Lothringen annektiert hatte und zudem einen Angriff des Nachbarlands einkalkulierte, sollte mithilfe der Eisenbahn ein schneller militärischer Aufmarsch an der Westgrenze möglich sein. Außer der Moselstrecke Koblenz – Ehrang (– Trier) und Teilabschnitten der „Kanonenbahn“ Berlin – Wiesenburg – Güsten – Blankenheim (beide 1879 eröffnet) hatten solche „strategischen
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Hintergrund
| DEUTSCHE MAGISTRALEN IM FERNREISEVERKEHR
Berühmtheiten aus dem DR-Betrieb beieinander: Zwei Einheiten des Schnelltriebwagens VT 18.16 (spätere Baureihe 175) befahren das Göltzschtalviadukt bei Netzschkau. Heute gibt es solchen Glanz auf der Strecke Dresden – Reichenbach – Hof nicht mehr Ralph Lüderitz
Bahnen“ für den normalen Fernreiseverkehr aber kaum Bedeutung.
Der D-Zug entsteht Einen qualitativen Fortschritt außerhalb der Infrastruktur brachte das Jahr 1893. ZurVerbesserung des Komforts wurden erstmals Drehgestellwagen mit Seitengang, Übergangsbrücken und Faltenbälgen zwischen den Wagen eingesetzt. Außerdem wies die Innenausstattung Einzelabteile mit Seitengang auf. Solch neue Zuggarnituren wurden „Durchgangszüge“ genannt, woraus sich die Abkürzung D-Zug ableitete. Grund für die Klassifizierung bildeten damals also nicht die relativ wenigen Zwischenhalte, sondern die Ausstattung mit „Durchgangswagen“. In den damaligen Kursbüchern gab es fortan im nationalen Fernverkehr die Zuggattungen „Durchgangszüge“ (also mit Durchgangswagen und im Fahrplan mit Fettdruck als D-Zug ausgewiesen) und „Schnellzüge“ (herkömmliches Wagenmaterial; im Fahrplan nur Fettdruck). So verkehrten 1897 auf der Magistrale Berlin Lehrter Bahnhof – Wittenberge – Hamburg Berliner Bahnhof täglich drei Schnell- und zwei D-Zug-Paare. Deren schnellste Verbindungen benötigten für die 286 Kilometer lange Strecke bei einem einzigen Zwischenhalt in Wittenberge drei Stunden und 36 Minuten, was einer mittleren Reisegeschwindigkeit von nahezu 80 km/h entsprach. Bis 1914 wurden weitere wichtige Lückenschlüsse im deutschen Streckennetz vollendet. So hatte man die Fernverbindung Augsburg – Nürnberg zuerst auch aus topographischen Gründen (Jura-Querung) von
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Der D 2170 mit dem kuriosen Laufweg Frankfurt – Kassel – Altenbeken – Minden – Nienburg – Hamburg – Kiel ist in den 1980ern einer der zuschlagfreien „Hecken-Schnellzüge“ der DB. Im Bild mit 112 498 bei der Ortschaft Schötmar, Mai 1986 Dr. Dietmar Beckmann
Donauwörth aus mit dem Umweg über Nörd- zweitlängste deutsche Eisenbahntunnel. Am lingen – Gunzenhausen geführt. Nach der 1. Mai 1914 ging die Verbindungsbahn in BeJahrhundertwende kam es endlich mit dem trieb und verringerte den Betriebs- bzw. ZeitBau des Abschnitts Donauwörth – Treucht- aufwand auf der Relation Frankfurt – Fulda lingen zu einer Streckenverkürzung; im – Bebra spürbar. Oktober 1906 ging die Bahnlinie in Betrieb. Auf dem Weg von Frankfurt nach Fulda Die Zeit nach 1918 muss zwischen Vogelsberg und Rhön der In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg Landrücken überquert werden, weshalb entwickelte sich das deutsche Fernbahnnetz man für die Eisenbahnstrecke östlich von nur noch gering weiter. Es galt, lediglich Schlüchtern bei Elm 1868 einen Spitzkehren- noch einige Lücken zu schließen. Die längste bahnhof errichtete. Für den stark ansteigen- der Netzergänzungen lag mit dem Abschnitt den Verkehr stellte der Fahrtrichtungswech- Lünen – Werne – Ascheberg – Münster in sel im Bahnhof Elm ein zunehmendes Nadel- Westfalen und ermöglichte eine direkte Veröhr dar, das man ab 1909 mit dem Bau einer bindung von Dortmund nach Münster (Bedirekten Strecke Schlüchtern (Abzweig Zie- triebsbahnhof Geist). Am 18. Oktober 1928 genberg) – Flieden zu entschärfen versuchte. ging die 42 Kilometer lange Strecke einFür die knapp acht Kilometer lange Verbin- gleisig in Betrieb. dung war auch ein 3.575 Meter langerTunnel Beim Übergang der Länderbahnen auf am Distelrasen notwendig, seinerzeit der das Deutsche Reich bestand nur noch eine
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Überblick
D-Zug-Strecken 1939* Fernverkehr (FV) 1939
Bemerkungen zu 1939
Hamburg-Altona – Kiel Neumünster – Flensburg – Padborg (DK) FV Elmshorn – Westerland** nur saisonale D-Züge Niebüll – Dagebüll private NB; nur sais. D-Züge Hamburg-Altona – Hamburg Hbf – Wittenberge – Berlin Hamburg Hbf – Lübeck Kiel – Lübeck Abs. Eutin – Lübeck: PB (ELE) Lübeck – Bad Kleinen Lübeck – Ratzeburg Ratzeburg – Zarrentin – Hagenow Land Wismar – Bad Kleinen Bad Kleinen – Schwerin – Ludwigslust Bad Kleinen – Güstrow Bützow – Schwaan Schwaan – Rostock Rostock – Stralsund Rostock – Warnemünde Rostock – Bad Doberan NB; nur saisonale D-Züge Bergen – Putbus NB; nur saisonale D-Züge Putbus – Lauterbach NB; nur saisonale D-Züge Stralsund – Sassnitz Sassnitz – Sassnitz Hafen Güstrow – Neubrandenburg Neubrandenburg – Pasewalk – Stettin (heute Polen) Berlin – Pasewalk – Stralsund Ducherow – Swinemünde (heute Polen) – ab Heringsdorf Nebenbahn; Karlshagen Saison-FV Angermünde – Stettin (heute Polen) Lietzow – Binz Nebenbahn; Saison-FV Rostock – Lalendorf – Waren – Neustrelitz Berlin – Neustrelitz Berlin – Stendal Stendal – Salzwedel Salzwedel – Uelzen Uelzen – Soltau – Langwedel Hamburg – Uelzen – Celle – Hannover Celle – Lehrte Hannover – Oebisfelde Oebisfelde – Stendal Hamburg Hbf – Bremen – Osnabrück Wunstorf – Bremen – Bremerhaven-Lehe Bremen – Oldenburg Oldenburg -Leer Oldenburg – Wilhelmshaven Hamm – Münster – Leer – Norddeich Norden – Norddeich NB Hannover – Minden – Bielefeld – Hamm Löhne – Osnabrück – Rheine – Oldenzaal (Niederlde.) Münster – Dortmund Münster – Wanne-Eickel Hamm – Soest Hamm – Welver nur Sais.-FV Soest – Altenbeken – Kassel Altenbeken – Ottbergen – Northeim Altenbeken – Hameln – Elze Schwerte – Brilon Wald – Warburg Scherfede – Holzminden – Kreiensen Hannover – Eichenberg – Kassel Göttingen – Dransfeld – Hannoversch Münden Lehrte – Braunschweig – Magdeburg Nordstemmen – Hildesh. – Goslar – Vienenburg Hildesheim – Groß Gleidingen (– Braunschweig) Kreiensen – Salzgitter-Ringelheim – Oschersleben Vienenburg – Halberstadt Magdeburg – Halberstadt Halberstadt – Halle Magdeburg – Potsdam – Berlin Berlin – Kietz – Küstrin (heute Polen) Berlin – Frankfurt (Oder) – Reppen (heute Polen) Frankfurt (Oder) – Kietz Frankfurt (Oder) – Guben
1949
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1989
2015
FV FV FV kein FV FV
FV FV FV kein FV FV
FV FV FV kein FV FV
FV FV FV kein FV FV
FV kein FV kein FV kein FV kein FV kein FV FV FV abgebaut FV FV n. täglich FV kein FV Saison-FV kein FV Saison-FV Saison-FV FV FV FV kein FV
FV kein FV FV FV kein FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV kein FV FV FV FV kein FV FV kein FV
FV kein FV FV Saison-FV kein FV FV FV FV FV FV FV FV Saison-FV Saison-FV kein FV FV FV kein FV kein FV FV kein FV
FV kein FV FV kein FV kein FV kein FV FV FV bis Bützow FV FV FV Saison- FV kein FV kein FV kein FV FV bis Lietzow abgebaut kein FV kein FV FV kein FV
kein FV außer Betr. kein FV FV FV FV kein FV kein FV FV FV kein FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV kein FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV b. Seesen kein FV FV kein FV FV kein FV FV kein FV kein FV
kein FV FV FV FV kein FV kein FV kein FV kein FV FV FV FV kein FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV kein FV FV FV kein FV FV FV FV kein FV FV kein FV kein FV FV FV FV kein FV FV kein FV FV
kein FV FV FV FV kein FV FV kein FV kein FV FV FV FV kein FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV kein FV kein FV bis Brilon FV kein FV FV stillgelegt FV FV FV kein FV kein FV FV FV FV kein FV FV kein FV FV
kein FV FV Saison-FV Saison- FV FV FV n. täglich FV n. täglich kein FV FV FV FV FV FV FV FV FV kein FV FV FV FV FV FV FV FV kein FV kein FV kein FV kein FV FV bis Göttgn. stillgelegt FV kein FV FV kein FV kein FV kein FV kein FV FV kein FV FV kein FV kein FV
*Alle Strecken in Deutschland, auf denen 1939 D-Züge bzw. gleich- und/oder höherwertige Züge fuhren. Die Spalten rechts erläutern, wie sich das Angebot in der Folge entwickelte. **ab Niebüll Nebenbahn | Anm.: 1939 wird nicht nach den einzelnen Berliner Bahnhöfen unterschieden; n. tägl. = nicht täglich; NBS = Neubaustrecke; GV = Güterverkehr
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Überblick
D-Zug-Strecken 1939 Fernverkehr (FV) 1939
Bemerkungen zu 1939
Guben – Sommerfeld (heute Polen) Frankfurt (Oder) – Cottbus Cottbus – Forst – Teuplitz (heue Polen) Berlin – Cottbus – Görlitz Görlitz – Görlitz-Moys (heute Polen) Berlin – Doberlug-Kirchhain – Dresden Priestewitz – Ruhland – Cottbus Görlitz – Zittau Zittau – Reichenberg (Tschechoslowakei) Görlitz – Dresden-Neustadt Dresden – Schöna – Tetschen-Bodenbach (Tschechosl.) Dresden – Riesa – Leipzig Riesa – Elsterwerda 1939: Nebenbahn Riesa – Chemnitz Riesa – Jüterbog Cottbus – Falkenberg – Leipzig Berlin – Bitterfeld – Leipzig Eilenburg – Halle Berlin – Dessau – Leipzig Bitterfeld – Halle Leipzig – Halle Roßlau – Biederitz (– Magdeburg) Halle – Magdeburg Dessau – Köthen – Güsten Schönebeck – Güsten – Blankenheim Halle – Eichenberg Nordhausen – Northeim Halle – Großkorbetha Leipzig – Erfurt – Bebra Gotha – Leinefelde Bebra – Göttingen Bebra – Guntershausen Kassel – Gießen – Frankfurt Gießen – Hagen Hamm – Hagen – Wuppertal-Elberfeld – Köln Hagen – Witten – Dortmund Welver – Dortmund Süd – Dortmund-Dorstfeld Hamm – Dortmund – Essen – Düsseldorf – Köln Dortmund – Gelsenkirchen – Duisburg Gelsenkirchen – Essen Oberhausen – Emmerich – Zevenaar (Niederlde.) Mülheim-Heißen – Lintorf – Düsseld.-Derendorf Düsseldorf – Gruiten (- Wuppertal) Düsseldorf – Mönchengladbach – Aachen Köln – Krefeld Krefeld – Kleve – Nijmegen (Niederlde.) Duisburg – Krefeld – Viersen Köln – Mönchengladbach – Venlo (Niederlde.) Rheydt – Dalheim – Roermond (Niederlde.) 2 tägl. D-Zug-Paare von/nach Antwerpen Köln – Aachen – Welkenraedt (Belgien) (Köln-) Kalscheuren – Gerolstein – Ehrang Köln – Koblenz – Mainz – Frankfurt (Main) Koblenz – Trier Köln – Neuwied – Niederlahnstein Neuwied – Koblenz Koblenz – Niederlahnstein – Wiesbaden – Frankfurt (Main) Niederlahnstein – Wetzlar Wiesbaden – Mainz Friedberg – Bad Homburg – Frankfurt-Höchst Bäder-D-Zug Berlin – Wiesbd. Frankfurt – Offenbach – Hanau – Bebra Frankfurt Süd – Frankfurt Ost – Hanau Hanau – Aschaffenburg – Würzburg Flieden – Gemünden Gemünden – Bad Kissingen Ebenhausen – Bad Kissingen Würzburg – Nürnberg Rottendorf – Schweinfurt – Bamberg Schweinfurt – Grimmenthal Meiningen – Suhl – Neudietendorf Eisenach – Meiningen
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1969
1989
2015
kein FV kein FV kein FV kein FV kein FV kein FV kein FV FV stillgelegt FV FV FV kein FV FV kein FV kein FV kein FV kein FV FV FV FV FV FV FV kein FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV kein FV kein FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV kein FV kein FV FV ab Güsten kein FV kein FV kein FV kein FV kein FV FV FV FV FV kein FV kein FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV kein FV FV FV FV FV FV FV FV FV kein FV kein FV FV FV FV FV FV FV kein FV FV FV FV FV FV kein FV kein FV
kein FV kein FV FV FV FV FV kein FV kein FV kein FV FV FV FV FV FV kein FV FV FV Saison-FV FV FV FV FV FV kein FV kein FV kein FV kein FV FV FV kein FV FV FV FV FV FV FV kein FV FV FV FV FV nur noch GV FV n. tägl. FV FV bis Neuss kein FV FV FV kein FV
kein FV kein FV kein FV kein FV kein FV FV kein FV kein FV kein FV kein FV FV FV kein FV kein FV PV stillgelegt kein FV FV kein FV FV FV FV FV FV kein FV kein FV kein FV kein FV FV FV kein FV kein FV kein FV FV kein FV FV FV kein FV FV FV ab Wanne-E. FV FV nur noch GV kein FV FV kein FV kein FV FV kein FV kein FV
FV FV FV FV FV gesperrt FV
FV FV FV FV FV b. Neuwd. FV FV
FV FV FV FV FV b. Neuwd. FV FV
FV kein FV FV kein FV FV b. Neuwied FV kein FV
kein FV gesperrt kein FV FV FV FV FV kein FV kein FV FV FV kein FV kein FV kein FV
kein FV FV kein FV FV FV FV FV kein FV kein FV FV kein FV kein FV FV kein FV
kein FV FV kein FV FV FV FV FV kein FV kein FV FV FV kein FV FV FV
kein FV FV kein FV FV FV FV kein FV kein FV kein FV FV kein FV kein FV kein FV kein FV
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Auch das ist Fernreiseverkehr bei der Bundesbahn: Zwischen Marburg und Brilon ist im Juni 1958 Lok 50 2874 mit E 451 Frankfurt – Bremen unterwegs, aufgenommen bei Frankenberg/Eder. Der Zug führt unter anderem Post- und Gepäckwagen mit Dr. Rolf Brüning
Mit der Öffnung der innerdeutschen Grenze wächst der Reiseverkehr DDR – Bundesrepublik rapide an. Im Mai 1990 wechselt eine 218 mit ihrem D-Zug von Ost nach West; sie fährt von Gerstungen nach Bebra
Magistrale im Besitz einer Privatgesellschaft: die für den Regional- und Fernverkehr wichtige Verbindung Hamburg – Lübeck der Lübeck-Büchener Eisenbahn (LBE). Die Gesellschaft führte seit den frühen 1930er-Jahren ein beachtliches Modernisierungsprogramm durch (etwa den „H-L-Schnellverkehr“ zwischen Hamburg und Lübeck mit Doppelstockzügen), doch kosteten diese Maßnahmen viel Geld. Nachdem sich die Reichsbahn schon seit geraumer Zeit die Aktienmehrheit an der LBE gesichert hatte, war dieVerstaatlichung zum 1. Januar 1938 nur eine Frage der Zeit. Betrieblich lief der Fernreiseverkehr in jenen Jahren mit verschiedenen Zügen. Ganz oben standen die Luxuszüge (L) und Fernschnellzüge (FD, FFD bzw. FDt bei Triebwagen). Sie wurden ihrem Ruf voll und ganz gerecht, die teure Fahrt in der Polsterklasse – die Züge führten nur die 1. und 2. Wagenklasse – konnte sich aber nur ein verschwindend kleinerTeil der Bevölkerung leisten. Die D-Züge waren zusätzlich mit der 3. Klasse ausgestattet, nur kostete die Mitfahrt ebenBAHN EXTRA 5/2015
InterRegio-Verkehr im Reichsbahn-Gebiet: Mit einer Ellok 143 an der Spitze passiert die Garnitur den Haltepunkt Oderin an der Strecke Berlin – Lübben (– Cottbus) Michael Scheppan, Josef Mauerer (Bild links)
falls einen Zuschlag auf die normale Fahrkarte. Selbst der Eilzug war als zuschlagpflichtige schnelle Verbindung nicht von jedem zu bezahlen. Immerhin bot die Reichsbahn noch eine erschwinglichere Variante an: Es gab beschleunigte Personenzüge oder auch einfache Personenzüge über größere Distanzen, wie von Leipzig über Saalfeld nach Nürnberg. Die lange Fahrt in diesen Zügen nahmen die Reisenden in Kauf, blieb ihnen doch oft keine Alternative. In jedem Fall war dies auch eine Art von Fernreisen.
Die Situation bei der DB Nach dem Zweiten Weltkrieg und mit der sich abzeichnenden deutschenTeilung setzte ein Wandel im Streckennetz und in den Verkehrsströmen ein. Die Ausrichtung nach Berlin entfiel zu einem großen Teil, mehrere Nord-Süd-Strecken gewannen an Bedeutung, während Fernreisen in Ost-West-Richtung im Rahmen des „Kalten Krieges“ stark zurückgingen. Das umso mehr, je mehr die DDR dazu überging, sich und ihre Bürger gegenüber dem Westen abzuschotten. Man-
che Magistrale, die über die nun gezogene Demarkationslinie führte, hatte damit ausgedient. Die Bundesbahn, 1949 aus der Reichsbahn (West) hervorgegangen, stand zum einen vor dem Problem, die noch vorhandenen Kriegsschäden im Netz zu beheben. Daneben musste sie den Verkehr mit den erwähnten Änderungen der Verkehrsströme umorganisieren. Die Nord-Süd-Strecke Hannover – Fulda – Würzburg zum Beispiel wurde damit massiv aufgewertet. Im wesentlichen beließ es die DB bei dem bestehenden Netz, auch, weil für aufwendige Neubauten nicht genug Geld zur Verfügung stand.Viele Jahre bildete die im Mai 1963 eröffnete, 18 Kilometer lange Linie Großenbrode – Puttgarden im Zuge der „Vogelfluglinie“ die einzige Fernverkehrs-Neubaustrecke. Die neue Verbindung ersetzte das Trajekt Großenbrode Kai – Gedser, über das die DB seit 1951 denVerkehr nach Dänemark geführt hatte. Andererseits zeigte sich bei mancher Strecke, dass sie – etwa wegen der territorialen Verhältnisse bei der Bauzeit –
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Hintergrund
| DEUTSCHE MAGISTRALEN IM FERNREISEVERKEHR
Auf der Nord-Süd-Strecke rollten IC-Züge, D-Züge, Eilzüge, Nahverkehr und Güterverkehr in dichter Folge: Im Juni 1982 befördert 110 348 einen Schnellzug durchs frühsommerliche Niedersachsen, im Bild zwischen Kreiensen und Salzderhelden Georg Wagner
Einer der Lückenschlüsse zwischen DB und DR geschieht 1991 bei Mellrichstadt; für einige Jahre fahren hier dann auch D- bzw. IR-Züge Dr. Lutz Münzer
umständlich verlief und im Reiseverkehr kaumVorteile brachte. Bei solchen Strecken, meist abseits der großen Linien, verwundert es nicht, dass der Fernreiseverkehr ausgedünnt wurde oder verschwand. Im Bestandsnetz erzielte die Bundesbahn mit der Zeit Verbesserungen, indem sie das Zugangebot modifizierte. Ein erster Schritt in diese Richtung war das F-Zug-Netz von 1951, das mit vier Linien die wesentlichen Relationen der Bundesrepublik abdeckte. Der Trans-Europ-Express (TEE) war 1957
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Bei Schönhausen entsteht 1997 die Neubaustrecke Berlin – Hannover; sie wird der alten Magistrale Berlin – Magdeburg – Braunschweig bald den Rang ablaufen Volker Emersleben
eine viel beachtete Innovation, bei der hochwertige Züge international zum Einsatz kamen. Dass sie bisweilen auf Strecken fuhren, die nur bedingt fernreisetauglich waren – wie der kurvenreichen Nord-Süd-Strecke –, trübte den Glanz nicht. 1971 schließlich führte die DB mit dem Intercity-System einen angenäherten Taktverkehr ein, der zunächst (wie bei F und TEE) den Reisenden der 1. Klasse vorbehalten blieb. 1979 folgte dann die flächendeckende Ausdehnung auf 1./2. Klasse und Stundentakt – schnelle Fern-
reisen standen damit allen offen. Das Gesamtbild hatte sich inzwischen gewandelt: Lang laufende Personenzüge gab es nicht mehr, der Eilzug war mit Aufheben der Zuschlagpflicht 1954 tendenziell zu einem Zug des Nahverkehrs geworden. Eilzug-Langläufe wie Bremen – Frankfurt oder Westerland – Luxemburg fielen noch unter Fernreisen, ansonsten war das der Bereich für Angebote ab D-Zug aufwärts. Das setzte die DB 1983 um : Sie machte mehrere Langlauf-Eilzüge zu zuschlagfreien Schnellzügen.
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Überblick
D-Zug-Strecken 1939 Fernverkehr (FV) 1939
Bemerkungen zu 1939
Grimmenthal – Coburg – Lichtenfels Fürth – Bamberg – Saalfeld – Großheringen Saalfeld – Gera – Leipzig Weimar – Gera Gera – Weischlitz Plauen ob Bf – Weischlitz – Bad Brambach – Eger (Tschechosl.) Dresden – Chemnitz – Plauen ob Bf – Hof Leipzig – Altenburg – Werdau Hof – Neuenmarkt-Wirsberg – Hochstadt-Marktzeuln (Hof -) Oberkotzau – Schwandorf Oberkotzau – Selb-Plößberg – Asch (Tschechosl.) Nürnberg – Marktredwitz – Eger (Tschechosl.) Schnabelwaid – Bayreuth Bayreuth – Neuenmarkt-Wirsberg Bayreuth – Kirchenlaibach Wiesau – Eger (Tschechoslowakei) Würzburg – Osterburken Osterburken – Neckarelz – Heidelberg Frankfurt – Weinheim – Heidelberg / Mannheim Frankfurt – Biblis – Mannheim Mainz – Ludwigshafen – Mannheim Mainz-Bischofsheim – Darmstadt Gau Algesheim – Bad Kreuzn. – Kirn – Saarbrück. Bingerbrück – Bad Kreuznach Saarbücken – Trier Karthaus – Igel – Wasserbillig (Luxemburg) Saarbrücken – Forbach (Frankreich) Saarbrücken – Kaiserslautern – Ludwigshafen Hochspeyer – Langmeil – Bad Münster am Stein Rohrbach – Pirmasens Nord – Landau (Pfalz) Landau (Pfalz) – Winden – Karlsruhe Mannheim – Graben-Neudorf – Karlsruhe Mannheim – Heidelberg – Bruchsal – Karlsruhe Karlsruhe – Offenburg – Freiburg – Basel Bad Bf Karslruhe – Ettlingen West – Rastatt Baden Oos – Baden-Baden nur saisonale D-Züge Appenweier – Kehl – Straßburg (Frankreich) Offenburg – Villingen – Singen – Konstanz Stuttgart – Singen – Schaffhausen (Schweiz) Karlsr.-Durlach – Pforzh. – Vaihingen – Stuttgart Bruchsal – Mühlacker Bietigheim – Heilbronn – Osterburken Bad F.-hall-Jagstfeld – Sinsh. – Neckargemünd nur saisonale D-Züge Stuttgart – Aalen – Crailsheim – Nürnberg Waiblingen – Schwäbisch Hall-Hessental Heilbr. – Schwäbisch H.-Hessental – Crailsheim nur sais. D-Züge bis SHA-Ht. Stuttgart – Ulm Ulm – Friedrichshafen Stadt Friedrichshafen Stadt – Friedrichshafen Hafen Kurzstrecke, nur 0,8 km lang Friedrichshafen Stadt – Radolfzell nur saisonale D-Züge Friedrichshafen Stadt – Lindau Lindau – Bregenz (Österreich) Ulm – Aalen Ulm – Augsburg – München Neu Ulm – Memmingen – Kempten Lindau – Kempten – Buchloe – München Buchloe – Augsburg Augsburg – Treuchtlingen – Nürnberg Treuchtlingen – Ansbach – Würzburg Treuchtlingen – Ingolstadt – München München – Garmisch-Partenkirchen Garmisch-P. – Mittenwald – Scharnitz (Österr.) Nebenbahn Mering – Weilheim München – Landshut – Regensburg Regensburg – Nürnberg Regensburg – Schwandorf Schwandorf – Furth im Wald – Taus (Tschechosl.) (Regensb. –) Obertraubl. – Passau – Schärding (Österr.) Landshut – Mühldorf – Freilassing München – Rosenheim – Kufstein Rosenheim – Freilassing – Salzburg (Österr.) Freilassing – Berchtesgaden ab Bad Reichenhall Nebenb. BAHN EXTRA 5/2015
1949
1969
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kein FV kein FV kein FV FV FV FV FV ab Gera FV FV FV FV FV FV bis Plauen FV kein FV FV bis Bramb.FV FV FV bis Plauen FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV kein FV kein FV kein FV FV FV FV FV FV FV kein FV kein FV FV FV FV n. täglich FV kein FV kein FV kein FV FV FV kein FV FV FV FV ab N.elz FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV bis Bad Kr. kein FV kein FV kein FV kein FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV kein FV kein FV kein FV kein FV FV FV kein FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV kein FV abgebaut FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV kein FV kein FV kein FV kein FV FV FV FV kein FV FV FV FV FV ab Hesst. FV ab Hesst. FV FV FV kein FV FV FV kein FV kein FV kein FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV kein FV kein FV kein FV FV FV FV kein FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV kein FV kein FV FV bis Mittw. FV Saison-FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV FV kein FV kein FV kein FV FV FV FV kein FV Saison-FV kein FV FV FV FV FV FV FV FV kein FV FV
2015 kein FV FV kein FV kein FV kein FV kein FV kein FV kein FV kein FV kein FV kein FV kein FV kein FV kein FV kein FV kein FV kein FV kein FV FV FV FV kein FV kein FV kein FV kein FV kein FV FV FV kein FV kein FV kein FV FV FV FV FV abgebaut FV FV n. tägl. FV FV (ab Vh. NBS) FV kein FV kein FV FV kein FV kein FV FV FV kein FV kein FV FV FV kein FV FV kein FV FV FV FV FV FV FV kein FV kein FV kein FV FV kein FV kein FV FV kein FV FV FV FV
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Hintergrund
| DEUTSCHE MAGISTRALEN IM FERNREISEVERKEHR
Eine wirksame Beschleunigung des Reiseverkehrs gelang der Bundesbahn ab 1988, als der erste Neubaustrecken-Abschnitt Fulda – Würzburg in Betrieb ging. Damit verlor die alte Nord-Süd-Strecke auch im Südabschnitt einen Teil ihres Fernreiseverkehrs. Die Eröffnung der gesamten Neubaustrecke Hannover – Würzburg sowie der Neubaustrecke Stuttgart – Mannheim (beide 1991) setzte den Trend fort. BeideVerbindungen verkürzten nicht nur die Reisezeiten, sie zogen auch weiteren Fernreiseverkehr ab: von der restlichen Nord-Süd-Strecke sowie von dem Abschnitt Heidelberg – Stuttgart.
Die Situation bei der DR Die Reichsbahn in der DDR hatte nicht nur mit den Kriegsschäden zu kämpfen, sondern auch mit umfangreichen Demontagen als Reparationsleistung für die Sowjetunion. In diesem Rahmen wurde 1946 ein erheblicher Teil der „Lloydbahn“, der Magistrale von Berlin nach Rostock abgebaut. Dabei ließen die Besatzer den Abschnitt Neustrelitz – Waren – Lalendorf fast komplett demontieren. Im Zuge des Ausbaus des Rostocker Überseehafens war aber eine leistungsfähigeVerbindung von dort in Richtung Berlin unbedingt
notwendig, so dass 1959 der Beschluss zum Wiederaufbau fiel. Zunächst eingleisig errichtet, brachte sie an etlichen Stellen Linienverbesserungen. Mit der Eröffnung 1961 hatte die Reichsbahn eine moderne Magistrale zur Ostseeküste realisiert, gleichermaßen wichtig für den Güter- und Reiseverkehr. In vielen anderen Fällen dagegen lief derVerkehr auf dem Bestandsnetz bzw. dem, was
Die Öffnung der Grenzen 1989 schuf für Zugreisen eine ganz neue Grundlage davon vorhanden war. Der Wiederaufbau des zweiten Gleises zog sich bei vielen Strecken über Jahre und Jahrzehnte hin. Je mehr der Gegensatz zwischen Ost und West an Schärfe gewann, desto mehr wurde die Eisenbahn in diese Entwicklung einbezogen. Da die junge DDR den Binnenverkehr (und fluchtwillige Staatsbürger) möglichst von West-Berlin fernhalten wollte, griff sie das alte Projekt einer außen liegenden Tangentialverbindung in eigenem Sinne auf. Zwischen Juli 1951 und April 1957 wurde der Berliner Außenring in Etappen in Betrieb genommen; letzte Arbeiten dauerten bis
Ende 1962. Damit konnte man Züge auf DDR-Gebiet um West-Berlin herum leiten. Besonders der südliche Teil zwischen Saarmund und Grünau entwickelte sich zu einem der höchstbelasteten Streckenabschnitte des Reichsbahn-Netzes; der Fernreiseverkehr konzentrierte sich auf den Süd- und Ostteil des Außenrings. Ähnlich wie bei der Bundesbahn verlagerte sich übrigens auch bei der Reichsbahn der Fernreiseverkehr zunehmend auf Zuggattungen ab D-Zug aufwärts, wenngleich es manche Personenzug-Langläufe lange gab. Im Sommer 1968 zum Beispiel verkehrte für Erholungssuchende noch ein Personenzug von Leipzig nach Katzhütte inThüringen. Die Öffnung der Grenzen im Herbst 1989 schuf dann von einem Tag auf den andern eine neue Situation: Neue Züge, gerade auch Fernreisezüge, wurden eingelegt, um den Ost-West-Reisestrom zu bewältigen. Bundesbahn und Reichsbahn kooperierten umgehend und belebten so manche alte Magistrale wieder. Einige Strecken, gerade im Zulauf auf Berlin, wurden modernisiert, andere – wie zwischen Erfurt und Schweinfurt – durch Lückenschlüsse zusammengefügt. Mehrere der Vorhaben wurden im Rahmen
Überblick
„Neue“ D-Zug-Strecken ab 1969* Strecke
Bemerkungen
Nord-Süd-Fernverbindung über Berlin Hbf NBS Bad Schwartau – Großenbrode – Puttgarden ab Großenbrode NBS Ratzeburg – Büchen – Lüneburg Kiel – Eckernförde Nebenbahn Hagenow Land – Holthusen Stralsund – Neustrelitz Velgast – Barth Nebenbahn Züssow – Wolgast Hafen Nebenbahn Lehrte – Hildesheim Hannover – Hameln Umgehung Stendal NBS Weddel – Fallersleben (– Wolfsburg) großteils NBS Berliner Außenring (BAR) großteils NBS Guben – Cottbus Lübbenau – Senftenberg – Hosena Hoyerswerda – Knappenrode – Bautzen Knappenrode – Königswartha NBS Hoyerswerda – Elsterwerda Glauchau-Schönbörnchen – Gößnitz – Gera Erfurt – Sangerhausen Förtha – Gerstungen NBS Hannover – Kassel-Wilhelmshöhe – Fulda NBS Fulda – Würzburg NBS Rohrbach – Abzw Nantenbach NBS Troisdorf – Siegen Flughafenbahn Köln/Bonn NBS Troisdorf – Montabaur – Frankfurt Flughafen NBS Frankfurt Flughafen – Frankfurt-Niederrad NBS Abzw Breckenheim – Wiesbaden NBS Mannheim-Waldhof – Mannheim Hbf NBS; Westeinfahrung in Mannheim Hbf Mannheim Hbf – Vaihingen – Stuttgart-Zuffenh. NBS Karthaus – Perl – Apach (Frankreich) Nürnberg Abzw Reichswald – Ingolstadt Nord NBS
1969
1989
2015
nicht vorh. FV FV kein FV FV FV Saison-FV FV FV FV nicht vorh. nicht vorh. FV FV FV FV FV FV FV FV nicht vorh. nicht vorh. nicht vorh. FV nicht vorh. nicht vorh. nicht vorh. nicht vorh. nicht vorh. nicht vorh. FV nicht vorh.
nicht vorh. FV FV FV n. tägl. FV FV FV Saison-FV FV kein FV nicht vorh. nicht vorh. FV FV FV FV FV FV FV FV im Bau FV nicht vorh. FV nicht vorh. nicht vorh. nicht vorh. nicht vorh. FV nicht vorh. FV nicht tägl. nicht vorh.
FV FV kein FV kein FV FV kein FV kein FV kein FV kein FV kein FV FV FV teilweise FV kein FV kein FV kein FV ** kein FV kein FV kein FV abgebaut FV FV FV kein FV FV FV FV FV FV FV kein FV FV
*Alle 1969 und in der Folge gegenüber 1939 neuen Strecken, auf denen D-Züge etc. fuhren; zwischen den angegebenen Spalten-Jahren verkehrende D-Züge wurden nicht berücksichtigt ** Knappenrode – Bautzen abgebaut Anmerkungen: Abzw = Abzweig; nicht vorh. = nicht vorhanden
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Die Magistrale Koblenz – Trier zählte nie zur ersten Garde der Fernreisestrecken im DB-Netz; dennoch hatte sie kontinuierlich ein Angebot an Fernreisezügen (Bild mit 181 220 und D 2055 in Hatzenport, Oktober 1988). Erst Ende 2014 wurde dieses eingestellt Georg Wagner
des Programms „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“ realisiert. Selbst wenn nicht alle Maßnahmen dauerhaft wirkten, das Streckennetz und der Fernreiseverkehr erlebten einen Aufwärtstrend.
Die Situation bei der DB AG Daran änderte die Bahnreform 1994 im Prinzip nichts, wenngleich nun im Eisenbahnwesen einiges Umdenken gefordert war. Mit der
Deutschen Bahn AG trat ein privatrechtlich organisiertes Verkehrsunternehmen an, das unter anderem bestehende Planungen fortführte. Weitere Neubaustrecken entstanden, zum Beispiel Berlin – Hannover, Köln – Frankfurt (Main) und Ingolstadt – Nürnberg; sie zogen jeweils Fernreiseverkehr von Altbau-Verbindungen ab. Gleichzeitig wurden mit der Regionalisierung ab 1996 die Karten im Personenverkehr
neu gemischt: Seither schreiben die Länder Leistungen im Nahverkehr aus, bestellen und finanzieren ihn. Den Fernverkehr betreibt die DB AG dagegen auf eigene Rechnung. Im Nahverkehr entstand vielfach ein Angebot, dessen Taktsystem den Fernzügen ebenbürtig ist und das der Reisende mit günstigen Zeitkarten (Schönes-Wochenende-Ticket, Ländertickets etc.) nutzen kann. Das lief mancher Fernverkehrsverbindung den Rang ab – vor allem, wenn diese schon vorher nicht oder nur ansatzweise mit guten Fahrzeiten punkten konnte. Auch das Ziel, Kosten zu sparen, sorgte dafür, dass die DB verschiedene Fernreiseangebote aus ihrem Portfolio strich. Doch gerade hier könnte es in nächster Zeit eine Rolle rückwärts geben. Im Frühjahr 2015 stellte die Bahn AG ihre Fernverkehrsoffensive vor, mit der sie den Fernbussen Paroli bieten möchte. Ein Ziel dabei lautet, wieder mehr IC-Verbindungen zu führen und einige Linien zu stärken. Vielleicht bietet das mancher heute (un)vergessenen Magistrale die Chance für eine Renaissance. Das letzte Wort ist jedenfalls noch nicht gesprochen. U. Rockelmann/Dr. L. Münzer/K. Graf
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Strecken und Züge
| (BERLIN –) STENDAL – BREMEN
Bilder von Vorkriegs-Schnellzügen auf der Amerikalinie sind so gut wie nicht zu finden. Daher hier ersatzweise die Aufnahme von 17 1161 im August 1932 im Bw Bremen Hbf. Die Lok des Bw Berlin Lehrter Bf hat vermutlich einen Schnellzug über Stendal, Uelzen und Langwedel nach Bremen gebracht Hermann Maey/Bildarchiv der Eisenbahnstiftung
Die „Amerikalinie“ Auswanderer machten die Fernbahn (Berlin –) Stendal – Uelzen – Bremen bekannt, denn über diesen Zubringer kamen sie zu den Schiffen nach Amerika. Nach dem Zweiten Weltkrieg sank die Bedeutung der Strecke, nach 1990 stieg sie wieder an. Aber bis heute ist die „Amerikalinie“ Stendal – Bremen ein Schatten früherer Zeiten
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s waren viele tausend junge Familien, zu Hause in Deutschland, Galizien, Russland oder anderen Staaten. Meist getrieben von wirtschaftlicher Not, kehrten sie im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert ihrer Heimat den Rücken, um in den Vereinigten Staaten von Nordamerika eine neue, bessere Zukunft zu finden. Für viele von ihnen führte der Weg dorthin mit der Lehrter Bahn von Berlin nach Stendal und dann weiter über Uelzen nach Bremen und Bremerhaven, wo die Überseeschiffe am Kolumbus-Kai warteten. So hatte die Fernbahn Stendal – Bremen bald ihren Namen weg: „Amerikalinie“.
Die Fernbahn entsteht Diesen Zweck hatte das Eisenbahnkomitee nicht unbedingt vor Augen, als es sich 1863 für den Bau einer zweiten Fernverbindung zwischen der preußischen Hauptstadt Berlin und Hannover stark machte. Das Gremium
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unter dem Vorsitz des Berliner Bankiers Adolf Hansemann plante eine Strecke über Rathenow, Stendal und Gardelegen, die der bestehendenTrasse über Magdeburg mit den beiden hinderlichen Kopfbahnhöfen in Braunschweig und Magdeburg Konkurrenz machen sollte. Am 12. Juli 1867 erhielt die Magdeburg-Halberstädter Eisenbahn (MHE) die Bau- und Betriebskonzession für die so genannte Berlin-Lehrter Bahn nebst einer Zweiglinie von Stendal durch die Altmark über Salzwedel nach Uelzen. Die Zweiglinie sollte die Nordseehäfen besser an das Netz der mächtigen Magdeburg-Halberstädter Eisenbahn anbinden. Am 10. April 1868 genehmigte der preußische Handelsminister die Aufnahme der Bauarbeiten zwischen Stendal und Salzwedel, die wenig später anliefen. Am 15. März 1870 nahm die MHE den planmäßigen Zugverkehr zwischen Stendal und Salzwedel auf. Wesentlich länger zogen sich die Bauar-
beiten zwischen Uelzen und Salzwedel hin, unter anderem wegen der aufwendigen Einführung der Strecke in den Bahnhof Uelzen und der hügeligen Landschaft rund um Schnega. Erst am 7. März 1873 begann der Güterverkehr „mit provisorischer Personenbeförderung“. Offiziell ging die Strecke am 15. Mai 1873 in Betrieb. Schon vorher hatte sich die Freie Hansestadt Bremen um den Bau einer Fernbahn nach Berlin bemüht. Der gut situierte Staat Bremen erklärte sich sogar bereit, die Hauptlast der Finanzierung zu tragen. Doch das Projekt kam nicht recht voran. Erst Jahre später klappte es, nachdem das Preußische Militär für seinen am 17. Juni 1869 in Wilhemshaven eingeweihten Kriegshafen einen direkten Eisenbahnanschluss mit Berlin forderte. Bezahlen wollte der Staat Preußen die Bahn wiederum nicht. So finanzierte Bremen rund 100 Kilometer Hauptbahn aus eigener Kasse.
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Als die 216 089 am 11. September 1993 mit einem Nahverkehrszug aus Bremen den Bahnhof Ebstorf erreicht, ist die „Amerikalinie“ lediglich eine unbedeutende Nebenbahn Josef Högemann
Mit Schienenbussen hält die Bundesbahn lange Zeit den Nahverkehr Der Bahnhof Meßdorf in Sachsen-Anhalt mit einer Regionalbahn aus auf „ihrem“ Streckenteil der „Amerikalinie“ aufrecht; 1976 wartet eine Stendal, 1994. Der breite Grünstreifen ist das Planum des früheren zweiten Gleises. Der Streckenausbau machte den Bahnhof zum Haltepunkt Garnitur in Soltau Wolf-Dietmar Loos, Josef Högemann (Bild rechts)
Die Strecke sollte in Langwedel von der Strecke Bremen – Wunstorf abzweigen und auf kürzestem Wege über Soltau und Uelzen das Streckennetz der MHE erreichen. Wünsche der Anliegerorte bei der Lage der Bahnhöfe und Haltestellen standen hinten an. Am
Der Betrieb begann mit drei Personenzugpaaren und einem D-Zugpaar 15. April 1873 nahm die MHE die 97,4 Kilometer lange Strecke in Betrieb. Der Zugbetrieb begann mit drei Personenzügen in jede Richtung. Hinzu kam ein Schnellzugpaar von Bremen nach Berlin, das Wagen der 1. bis 3. Klasse führte. Ergänzt wurde das Angebot im Fernverkehr wenig später durch ein Expresszugpaar, in dem es lediglich Wagen der 1. und 2. Klasse gab. Es bestand aus Zugteilen aus Bremen und Hamburg, die ab Uelzen vereint bis Berlin durchBAHN EXTRA 5/2015
liefen. Für den Güterverkehr meldeten die örtlichen Zeitungen wenige Jahre nach der Inbetriebnahme eine gute Auslastung; vor allem wurden Frachten über Stendal und Uelzen von und nach Hamburg befördert, während der Güterverkehr nach Bremen etwas verhaltener anlief. Am 20. Dezember 1879 wurde die MHE verstaatlicht, nach der Jahrhundertwende folgte der Ausbau der Strecke. Unter anderem erhielt sie 1906/07 ein zweites Gleis, die Höchstgeschwindigkeit erhöhte man auf 80, teilweise auch 100 km/h.
Die „Auswandererzüge“ Kaum war der Eisenbahnverkehr durch die Lüneburger Heide angelaufen, sah man dort mitunter lange, oft bis auf den letzten Platz besetzte Personenzüge, die in keinem Fahrplan standen. Die zumeist aus älteren Personenwagen der 4. Klasse gebildeten Züge beförderten Auswanderer vornehmlich aus
dem Osten Deutschlands nach Bremerhaven, die in Nordamerika eine neue Zukunft suchten. Um 1880 strebte die letzte große Welle der deutschen Auswanderung ihrem Ende zu. Dennoch sollten zwischen 1880 und 1893 nochmals mehr als 1,8 Millionen Deutsche, hauptsächlich aus dem Nordosten des Deutschen Reiches, das Land verlassen. Es folgten Auswanderer aus Ost- und Südosteuropa, deren Zahl nach 1880 sprunghaft zunahm. Allein von 1880 bis 1914 verließen mehr als fünf Millionen Menschen über Bremen und Bremerhaven den europäischen Kontinent, die meisten von ihnen mit dem Ziel Nordamerika. In Berlin-Ruhleben hatte man 1891 eine Sammelstelle für Aussiedler eingerichtet. Dort angekommen, mussten sich die Ankömmlinge zunächst einer Desinfektion unterziehen. Auch die mitgebrachten Kleidungsstücke wurden desinfiziert. Erst danach konnten die Reisenden die Fahrt nach
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Der im Reichsbahngebiet liegende östliche Teil der „Amerikalinie“ hatte nach 1945 noch Bedeutung für den Fernreiseverkehr. Im August 1976 ist 03 2180 mit E 544 aus Berlin im Bahnhof Stendal angekommen Wolfgang Bügel/Bildarchiv der Eisenbahnstiftung
Zur Lage
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sie auf Nebenbahnbetrieb um. Bei „Grenzsicherungsmaßnahmen“ der DDR beendete die Reichsbahn am 7. Oktober 1951 den Eisenbahnverkehr zwischen Salzwedel und dem Bahnhof Bergen (Dumme) ein; kurz darauf begann der Rückbau der Bahnanlagen. Auch auf westlicher Seite wurde die Strecke an die neuen Gegebenheiten „angepasst“. In den Jahren 1951/52 baute man beide Gleise zwischen der Ladestelle Nienbergen und der Grenze zurück, ferner das zweite Gleis zwischen Wieren und Nienbergen. Östlich von Wieren wurde die Strecke in eine Nebenbahn umgewandelt. Zwischen Uelzen und Salzwedel verläuft die Strecke in weiten Teilen durch die hügelige Landschaft des Drawehn. Ein umgeleiteter ICE legt sich im November 2003 nahe der Ortschaft Schäpingen in die Kurve Josef Högemann
Bremen, Bremerhaven oder Hamburg fortsetzen. Von Berlin-Ruhleben zum Überseehafen am Kolumbus-Kai in Bremerhaven war man über Stendal, Uelzen und Bremen oft bis zu 20 Stunden unterwegs. Dennoch: Um die Jahrhundertwende verkehrten diese Züge fast täglich.
Folgen der deutschen Teilung Bis zum Zweiten Weltkrieg war Bremen – Berlin eine bedeutende Fernverbindung, dann machte die Teilung dem ein Ende. Die innerdeutsche Grenze unterbrach die Strecke zwischen den Bahnhöfen Schnega im Westen und Bergen (Dumme) im Osten.
Zwar gab es in der Nachkriegszeit wiederholt Bemühungen, den Übergang frei zu bekommen, doch konnte darüber keine Einigung erzielt werden. Im Gegenteil: Wenig später wurden die Bahnanlagen zwischen der Zonengrenze und dem Bahnhof Bergen (Dumme) abgerissen. Damit fiel der Eisenbahnverkehr zwischen Langwedel und Stendal mehr oder weniger in die Bedeutungslosigkeit; der Einsatz eines Fernreisezuges wie vor 1945 war unmöglich geworden. Der Niedergang zeichnete sich mehr und mehr ab. 1946/47 verlor die Strecke von Stendal über Salzwedel bis Bergen bei Demontagen das zweite Gleis, in der Folge stellte man
Auf einen Blick
(Berlin –) Stendal – Bremen
Niedergang im Westen Auf niedersächsischem Gebiet begann schon in den 1950er-Jahren eine Abwanderung auf die Straße. Der fahrbare Untersatz sorgte für eine nie zuvor da gewesene Mobilität, auch wenn man zunächst nur die wichtigsten Dinge damit erledigte und sich nur selten mal eine sonntägliche Ausflugsfahrt gönnte. Den Weg zur Arbeit legten die meisten wegen der verbilligten Tarife ohnehin weiterhin mit der Bahn zurück. Die Deutsche Bundesbahn reagierte auf diese Entwicklung unter anderem, indem sie mit dem Winterfahrplan 1959/60 fast alle dampflokbespannten Personenzüge durch Schienenbusse ersetzte. Gleichzeitig erhöhte sie das Fahrplanangebot, etwa durch den Einsatz von Eilzügen zwischen Bremen und Uelzen. Neben dem rückläufigen Personenverkehr musste die Bundesbahn auch beim Wagenladungsverkehr Abwanderungen hinnehmen. Einzig der umfangreiche Militärverkehr zu den großen Übungsplätzen um Soltau und Munster blieb mehr oder weniger
Kursbuchstr. (1992): 116 (Bremen – Uelzen), 304 (Salzw. – Stendal) Erbauer: Magdebg.-Halberstädter Eb., Bremer Staatsb. Eröffnung: 15. März 1870 bis 15. April 1873 (Abschnitt Langwedel – Uelzen – Stendal) Spurweite: 1.435 mm Anlage: Hauptbahn, zweigleisig (bis 1945), Nebenbahn, teilweise eingleisig (nach 1945), Nebenbahn, eingleisig, elektrifiziert (ab 1998) Länge: 97 Kilometer (Langwedel – Uelzen) Wichtigste Halte: Langwedel, Salzwedel, Uelzen, Stendal Stilllegung: teilweise Rückbau: teilweise nach 1945, Wiederaufbau nach 1990 Fernverkehr: D-Zug Berlin – Bremen (bis 1945)
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Strecken und Züge
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trierte. Zur Anbindung des Güterbahnhofs Salzwedel verkehrten zusätzliche Durchgangsgüterzüge. So blieb es bis zur Wende.
Die „Amerikalinie“ nach 1989
Verschlafen liegt der Bahnhof Bergen an der 1992 noch gleislosen Trasse. 1997 begann der Wiederaufbau der alten „Amerikalinie“
konstant. Angesichts des sinkenden Verkehrsaufkommens schlug die Bundesbahndirektion Hannover Anfang der 1960er-Jahre die durchgehende Umstellung der Strecke Langwedel – Uelzen – Wieren auf eingleisigen Betrieb vor. Unbedeutende Bahnhöfe sollten in Haltepunkte umgewandelt, handbediente Schranken an weniger stark befahrenen Bahnübergängen durch Blinklichtanlagen ersetzt werden. Doch diese Pläne durchkreuzte vor allem die Bundeswehr. Erst 1964 gelang es der Bundesbahn, eine Genehmigung für den Rückbau des zweiten Gleises zwischen Visselhövede und Munster zu er-
Nach 1945: Niedergang im Westen, teilweiser Aufschwung im Osten halten. Wenig später folgte der Abschnitt Munster – Brockhöfe. In den Jahren 1985 bis 1987 wurde auch auf dem restlichen Abschnitt das zweite Gleis entfernt und der Nebenbahnbetrieb eingeführt. Die Höchstgeschwindigkeit sank von 120 km/h auf 80 km/h. Zum Sommerfahrplan 1974 zog die Bundesbahn die Schienenbusse vom Abschnitt Wieren – Nienbergen ab und stellte dort auf Omnibusbetrieb um. Pläne, auch den Schienenpersonenverkehr zwischen Langwedel und Uelzen aufzugeben, ließen sich dagegen nicht verwirklichen, unter anderem wegen des Widerstands der Bundeswehr. So wurden die meisten Bahnhöfe auf das betrieblich unbedingt notwendige Maß zurückgebaut, andere wie Riepholm, Frielingen und Emmingen sogar ganz aufgegeben. Damit entfiel auch ein Teil der Ladestellen. Anfang der 1990er-Jahre wurde die Strecke nach Nienbergen nur noch bei Bedarf befahren. Abgesehen von der herbstlichen
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Im noch nicht ausgebauten Abschnitt Langwedel – Uelzen arbeitet man auch heute mit mechanischer Sicherungstechnik; hier Stellwerk „Vo“ in Visselhövede Josef Högemann (2)
Zuckerrübenkampagne bestand lediglich ein sehr geringer Restgüterverkehr, den die Osthannoverschen Eisenbahnen (OHE) im Auftrag der Bundesbahn durchführten. Nach dem letzten Zuckerrübentransport 1992 kam der Güterverkehr östlich von Wieren Mitte 1993 vollständig zum Erliegen.
Belebung für Stendal – Salzwedel Anders als in den Westzonen und der Bundesrepublik blieb der auf dem Gebiet der sowjetischen Besatzungszone bzw. der späteren DDR liegende Streckenteil Stendal – Salzwedel langfristig unverzichtbar. Er leistete einen wesentlichen Betrag zur Erschließung der Altmark, zumal sich der Individualverkehr nur sehr langsam entwickelte. Anfang der 1970er-Jahre erhob die Deutsche Reichsbahn die Nebenbahn Stendal – Salzwedel sogar in den Stand einer Schnellzugstrecke. Reichsbahn-Obersekretär Jürgen Kreitz gab am 31. Mai 1972 dem neuen Zugpaar D 931/936 Salzwedel – Dresden freie Fahrt. Erstaunlich hoch war auch die Zahl der Güterzüge auf der Salzwedeler Strecke, selbst wenn einige davon nur bei Bedarf verkehrten. Bemerkenswert ist weiterhin, dass die Bahnhöfe an der Strecke damals rund um die Uhr besetzt waren. Die Versorgung der Unterwegsbahnhöfe geschah mit Nahgüterzügen, wobei sich der Ladungsverkehr zuletzt auf die Bahnhöfe Brunau-Packebusch, Fleetmark und Hohenwulsch konzen-
Nach der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 war relativ schnell klar, dass neben anderen Strecken auch die „Amerikalinie“ durchgehend reaktiviert werden sollte. 1991 wurde sie ins Lückenschlussprogramm aufgenommen und zu einem der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit erklärt. Doch es dauerte mehr als acht Jahre, bevor im Dezember 1999 nach über 50-jähriger Unterbrechung der Zugverkehr zwischen Uelzen und Stendal endlich wieder auf größtenteils eingleisiger, aber elektrifizierter Strecke anlief. Leider steigerte die durchgängige Befahrbarkeit den Eisenbahnverkehr zwischen Langwedel und Uelzen nicht; er beschränkte sich nach wie vor auf einen bescheidenen Reisezug- und Güterverkehr. Auch in den folgenden Jahren führte der Abschnitt Langwedel – Uelzen ein Schattendasein. Fast wäre hier sogar noch der Reisezugverkehr eingestellt worden, nachdem der Bund 2006 die Regionalisierungsmittel gekürzt hatte. Doch zu einer Stilllegung kam es nicht. Dafür wurden mit Beginn des Jahresfahrplans 2009 sämtliche Zugfahrten bis Bremen gestrichen, so dass Reisende nun in Langwedel jeweils umsteigen müssen. Offiziell begründet die Deutsche Bahn AG diese Maßnahme mit der zu dichten Belegung des Streckenabschnitts Bremen – Langwedel, der an den Rand seiner Leistungsfähigkeit gekommen sei. Wie soll es nun weitergehen? Nach dem derzeitigen Planungstand ist vorgesehen, die Gesamtstrecke in den kommenden Jahren zu ertüchtigen, um die Bremer Häfen und den neuen Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven besser an das Hinterland anzubinden. Das jedenfalls haben Bahn und Politik versprochen. Langfristig erhalten bleiben soll auch der Reisezugverkehr auf der Gesamtstrecke. Der Schwerpunkt der Ausbaumaßnahmen wird zunächst im Bereich Salzwedel – Stendal liegen. Hier sollen weitere Teilabschnitte ein zweites Gleis erhalten, um die Durchlässigkeit im Güterverkehr nach Hamburg zu erhöhen. Schrittweise werden die Ausbaumaßnahmen zu einem späteren Zeitpunkt auch den Abschnitt Salzwedel – Uelzen erfassen. Für den Streckenbereich Langwedel – Uelzen werden derzeit Untersuchungen in verschiedenen Ausbaustufen durchgeführt. Das Spektrum reicht vom eingleisigen Ausbau mit mehreren Kreuzungsabschnitten einschließlich Elektrifizierung bis zum durchgängigen zweigleisigen Vollausbau mit 160 km/h Höchstgeschwindigkeit. Josef Högemann
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Strecken und Züge
| BERLIN – NEUSTRELITZ – STRALSUND
Die Dampfrösser der Baureihe 03.0 sind in den späten 1970er-Jahren auch vor D-Zügen auf der Nordbahn anzutreffen. Im September 1978 hat 03 0010 mit D 555 Burg Stargard hinter sich gelassen und strebt weiter, dem Ziel Berlin entgegen Joachim Bügel/Bildarchiv der Eisenbahnstiftung
Die Nummer zwei
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igentlich führt die Nordbahn von Berlin über Neustrelitz und Neubrandenburg ja direkt nach Stralsund. Dennoch stand sie fast immer an zweiter Stelle. Bedeutender für die Fahrt nach Nord/ Nordost waren die Stettiner Linie bis Angermünde und die Fortsetzung über Pasewalk – Greifswald in die Hansestadt am Strelasund. Der Gedanke einer Bahnverbindung von Berlin über Neu-Strelitz nach Stralsund geht bis in das Jahr 1844 zurück. Kaufleute und Unternehmer sammelten damals Kapital für den Bahnbau, doch das preußische Ministerium lehnte wiederholt ab. Und so fuhren die Züge nach Norden zunächst auf der 1863 fertig gestellten Trasse der Angermünder-Stralsunder Eisenbahn, einer „Nebenstrecke“ der Berlin-Stettiner Eisenbahn. Inzwischen mühten sich auch die Stralsunder Kaufleute um eine „Direkt-Verbindung“ nach Berlin. Sie gründeten die Berliner Nord-Eisenbahn-Gesellschaft. Nach den Entwürfen von 1869 erteilten 1870 die Staaten Preußen und Mecklenburg-Strelitz die Konzession für den Bau. Aber es ging nicht reibungslos weiter. 1875 musste sich die Gesellschaft wegen Geldmangels auflösen. Der preußische Staat erwarb die unvollendete Strecke, die Niederschlesisch-Märkische Eisenbahn übernahm die weiteren Bauarbeiten. Nach Teileröffnungen 1877 wurde am 1. Januar 1878 die Gesamtroute für den Verkehr freigegeben. In Berlin begannen die
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nach Norden
Fast über die gesamte Zeit ihres Bestehens hatte die Strecke Berlin – Neustrelitz – Stralsund weniger Bedeutung als dieVerbindung über Angermünde – Greifswald. Dennoch fuhren dort ab den 1960erJahren namhafte Züge. Der Fernreiseverkehr fehlt heute zwar, ein kleines Plus gibt es aber doch ... Züge zunächst am Bahnhof Gesundbrunnen und fuhren dann über die Ringbahn zum Güterbahnhof der Niederschlesisch-Märkischen Eisenbahn. Ab dem 1. Dezember 1877 begannen alle Züge am Stettiner Bahnhof, dem späteren Nordbahnhof.
Vorteile für die Region Vor allem für Mecklenburg-Strelitz war die Eisenbahn ein Gewinn. Die Orte entlang der Strecke entwickelten sich. Zahlreiche Laderampen, Güterböden und Anschlussgleise gehörten mit zum Bild der vielen kleinen und größeren Bahnhöfe. An der Strecke entstanden Bahnbetriebswerke, wie in Neustrelitz und Neubrandenburg; hinzu kamen mehrere kleine Lokbahnhöfe. Und drei Lokschuppen in Stralsund zeugen von der Bedeutung der beiden Routen nach Berlin. Die Linie 54, wie die Route vom Berlin Stettiner Bahnhof nach Stralsund einst hieß,
stand allerdings stets im Schatten der Strecke 53 via Pasewalk – Greifswald. Fuhren dort D-Züge in vier Stunden von Berlin nach Stralsund und weiter nach Saßnitz auf der Insel Rügen, war die Strecke 54 unterteilt in Verbindungen mit D-Zügen nach Warnemünde, von denen aus man unterwegs in Personenzüge nach Stralsund umstieg. Mit längeren Aufenthalten in Neustrelitz und Neubrandenburg dauerte die Reise schon mal sechs Stunden. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde zunächst das zweite Streckengleis als Reparationsleistung für die UdSSR abgebaut. Im Zuge des „Kalten Krieges“ folgten 1950 der Bau des Berliner Außenrings, 1952 die Schließung des Berliner Nordbahnhofs, schließlich die gesamte Umfahrung („Ausschaltung“) der West-Berliner Fernbahnhöfe, in dem man zunächst über Karow – Fichtengrund nach Norden fuhr, dann über den fertig gestellten
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Strecken und Züge
| BERLIN – NEUSTRELITZ – STRALSUND
Zur Lage
Nur eingleisig verläuft die Strecke zwischen Neustrelitz und Stralsund; im August 1979 ist 03 0058 mit D 813 beim Bahnhof Elmenhorst unterwegs Martin Weltner
Auf einen Blick
Berlin – Neustrelitz – Stralsund Kursbuchstrecke: 910 (1991) Erbauer: Berliner Nord-Eisenbahn-Gesellschaft, Niederschlesisch-Märkische Eisenbahn Eröffnung: 10. Juli 1877–1. Januar 1878 Spurweite: 1.435 mm Anlage: Hauptbahn, zweigleisig (ab 1945 eingleisig, heute wieder bis Neustrelitz zweigleisig), seit 1993/94 elektrisch Länge: 223 km Wichtigste Halte: Oranienburg, Löwenberg, Fürstenberg (Havel), Neustrelitz, Neubrandenburg, Demmin, Grimmen Stilllegung: – Rückbau: siehe oben, unter „Anlage“ Fernverkehr: D-Züge, u.a. Berlin – Stralsund, „Meridian“ Malmö – Berlin – Belgrad (– Bar), „Berlinaren“ Berlin – Malmö
Berliner Außenring. Zumeist begannen die Züge nun im Ostbahnhof.
Der Betrieb ab den 1960ern Mit der Zunahme des Ostseeverkehrs in den 1960er- und 1970er-Jahren bekam auch die „Nordbahn“ mehr Zugverkehr. Namhafte DZüge, wie der „Berlinaren“ oder der „Meridian“, kamen auf diese Linie. Die Züge wurden immer schwerer und verlangten den Dampflokomotiven der Baureihe 03.10 ab Stralsund einiges ab, besonders der kleine Berg bei Burg Stargard.Vor den Personenzügen fuhren 38er. In Neubrandenburg wurde das Bild mit den Baureihen 52, 56, 41, 78 komplettiert. Auch die 03.0-2 war dort zu sehen. Im Durchlauf von Berlin war der Wasserhalt für die 03er zumeist in Neubrandenburg. Dort konnten noch lange Züge kreuzen. Güterzüge und Personenzüge standen oft lange,
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bis der Gegenzug kam. Hinzu kam, dass diese internationalen Züge, wie der D 270/271 „Meridian“, oft mehrere StundenVerspätungen hatten. Für den Dispachter, den Zugdisponenten, war es eine Herausforderung, auf der eingleisigen Strecke die Zugkreuzungen zu planen. Mit dem zentralen Projekt der Streckenelektrifizierung zogen die Kolonnen 1985 erst den Fahrdraht vom Rostocker Seehafen nach Berlin. Damit wurde auch Neustrelitz zum Umspannbahnhof für einige Züge nach Stralsund. Neustrelitz selbst war bereits seit dem 2. Juni 1984 elektrisch befahrbar. Doch bei der weiteren Elektrifizierung erhielt die Nachbarstrecke von Berlin über Angermünde – Greifswald nach Stralsund den Vorzug; bis 1988 schloss man dort die Arbeiten ab. Auf dem Streckenstück Neu-
strelitz – Neubrandenburg fuhr man erst am 18. Mai 1993 elektrisch; der restliche Abschnitt kam gar bei der DB AG zum 29. Mai 1994 ans Fahrdraht-Netz. Bei den Fahrzeiten stand die Neustrelitzer Strecke ebenfalls zurück. Drei Stunden und 37 Minuten dauerte 1990 die Reise mit dem Klassiker-D-Zug D 610 von Berlin-Lichtenberg nach Stralsund. 14 Minuten waren als Umspannhalt in Neustrelitz eingeplant, weitere elf Minuten stand der Zug dann noch in
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Auch einige InterRegio-Leistungen wurden von Berlin über Neustrelitz nach Stralsund angeboten. Bild im – elektrifizierten – Bahnhof Burg Stargard, 1998 Ralph Lüderitz
Die Baureihe 143 war in den ersten Jahren des elektrischen Betriebs auf der Strecke häufig anzutreffen. Die schnellen (RE-)Züge sind heute Sache der 112 Ralph Lüderitz
Planmäßige Kreuzungen sind in Sternfeld und Grimmen vorgesehen. Viele Bahnhöfe und Haltepunkte sind seit der Bahnreform zurückgebaut, zu gering war das Fahrgastaufkommen. Abschnittweise sind nach dem Streckenausbau zwischen Rostock und Berlin zwischen Oranienburg und Neustrelitz Geschwindigkeiten bis 160 km/h zugelassen, mehr als früher bei den Schnellzügen. Der RE 5 mit neuen Doppelstock-Wagen und der Ellok der Baureihe 112 fährt das auch aus. Die Züge bedienen im Stundentakt Stral-
Neubrandenburg. Auf der Hauptroute über Greifswald fuhr der D 510 nur drei Stunden und neun Minuten. Beide Züge verließen den Bahnhof Berlin-Lichtenberg kurz nacheinander: D 510 um 6:50 Uhr; D 610 um 7:00 Uhr.
Der aktuelle Betrieb Heute hat die Strecke über Neustrelitz und Neubrandenburg die Kursbuchstreckennummer 205. Fernreiseverkehr gibt es dort nicht mehr. Der Regionalverkehr kann ihn auch ziemlich gut ersetzen – manchmal sogar mehr als das. Ein Regionalexpress braucht fast genau drei Stunden von Gesundbrunnen bis zur Hansestadt. Das ist schwer mit DR-Zeiten zu vergleichen, da es durchgehende Personenzüge kaum gab. Die VielBAHN EXTRA 5/2015
zahl fuhr nur zwischen Stralsund und Neustrelitz. Die Züge, welche die gesamte Strecke zurücklegten (wenn auch nur bis Oranienburg), waren aber dank einer D-ZugÜberholung und maximalen 100 km/h fast fünf Stunden unterwegs. Möglich wird die kurze Reisezeit der Gegenwart durch Rationalisierung und Modernisierung. Zwischen Oranienburg und Neustrelitz hält der Regionalexpress nur in Löwenberg und Fürstenberg. Es folgt dann auf der stark zurückgebauten Infrastruktur der Betriebsmittelpunkt Burg Stargard mit einem elektronischen Stellwerk für viele Abschnitte. Ab Neubrandenburg bedienen wieder in fast jedem Bahnhof die Fahrdienstleiter vor Ort die Signale und Weichen.
Der RE fährt heute mit 160 km/h – schneller als früher die Schnellzüge sund bzw. alle zwei Stunden Rostock. Auf der benachbarten RE-Linie 3 fahren die Züge auch nur alle zwei Stunden. Hinzu kommen einige wenige IC/EC und sogar ein ICE. Rund drei Stunden beträgt die Fahrzeit. Damit steht die Nordbahn, auf der es keine Fernreisezüge mehr gibt, zwar wieder hinter der anderen Stralsunder Strecke zurück. Doch eines hat sie diesmal voraus: DieVerbindung von Berlin über Neustrelitz – Neubrandenburg wird heute durch die DB-Regio-Linie RE 5 häufiger und schneller bedient, als es bei der benachbarten RE 3 über Greifswald geschieht. Michael Reimer/GM
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Knotenpunkte
| KREIENSEN
Im Schatten der Vergangenheit Das mächtige Bahnhofsgebäude und die (verbliebenen) Bahnanlagen erinnern noch daran, dass Kreiensen einmal ein wichtiger Zwischenhalt für Fernreisezüge war. Seit Eröffnung der Neubaustrecke geht es hier ziemlich ruhig zu
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önig Ernst August I. von Hannover stand dem Eisenbahnbau lange Zeit sehr zurückhaltend gegenüber, während das benachbarte Herzogtum Braunschweig bereits 1838 seine erste Staatsbahn (Braunschweig – Wolfenbüttel) in Betrieb genommen hatte. Als Preußen um 1840 mit Plänen einer südlich des Harzes verlaufenden Ost-West-Fernbahn über Kassel an die Öffentlichkeit trat, setzte sich auch in Hannover die Erkenntnis durch, etwas tun zu müssen, um verkehrlich nicht ins Abseits zu geraten.
Der Aufstieg zum Bahnknoten Zu den Eisenbahnlinien, die das Königreich Hannover in der Folge errichtete, gehörte die „Südbahn“ von Hannover über Kreiensen, Northeim und Göttingen nach HannoverschMünden. Als am 1. August 1854 das zweite Teilstück Alfeld – Göttingen eröffnet wurde, erhielt Kreiensen einen Eisenbahn-Anschluss. Im benachbarten Braunschweig hatte man unterdessen die Eisenbahn bis Harzburg am nördlichen Harzrand fortgeführt. Es folgte bis 1856 die Braunschweigische Südbahn Börßum – Kreiensen; nun war Kreiensen nicht mehr nur Zwischenhalt, sondern auch Kreuzungspunkt. Die Karriere alsVerkehrsknoten begann, zumal die Braunschweigische Staatsbahn ihre Südbahn bald über Kreiensen hinaus bis zur Weser verlängerte. Am 10. Oktober 1865 wurde diese Strecke durchgehend für den Personen- und Güterverkehr eröffnet. Der Verkehr auf den beiden Strecken entwickelte sich so gut, dass sie noch vor dem Beginn des 20. Jahrhunderts zweigleisig ausgebaut wurden. Zahlreiche Güterzüge nutzten die Ost-West-Verbindung vom Harz zur Weser, während auf der Südbahn der Fernreisezugverkehr dominierte. Im Sommerfahrplan 1934 hatten sieben D-Zugpaare und fünf Eilzüge in Kreiensen einenVerkehrshalt. Unter den D-Zügen fanden sich Verbindungen in Ost-West-Richtung, im Einzelnen D 29/30 Aachen – Berlin Potsdamer Bf, D 177/178 Bad Wildungen – Berlin Potsdamer Bf und der Nachtzug D 179/180 Frankfurt (M) – Berlin Potsdamer Bf. Daneben gab es NordSüd-Züge, und zwar D 73/74 Frankfurt (M) – Hamburg-Altona, D 75/76 (Nachtzug) und D 85/86 Basel – Hamburg-Altona sowie D 87/88 München – Hamburg-Altona (eben-
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falls ein Nachtzug). Die Eilzüge bedienten die Relationen Frankfurt – Kassel, Kassel – Hannover, Kassel – Frankfurt bzw. HamburgAltona – Kassel.
Die Zeit von 1945 bis 1991 Dieses änderte sich mit der deutschen Teilung nach dem Zweiten Weltkrieg deutlich. Der Blick ins Kursbuch vom Sommer 1949 lässt bereits erkennen, welche Anforderungen im Fernreisezugverkehr auf die NordSüd-Strecke zukommen sollten. Neben dem noch nachkriegsbedingt eingeschränkten Eil- und Schnellzugverkehr mitVerkehrshalt in Kreiensen gab es besonders in den Nachtstunden hochwertige Schnell- und Fernschnellzüge, die durch das Leinetal rollten und von denen einige auch planmäßig in Kreiensen hielten. Zehn Jahre später hatte der hochwertige Fernreisezugverkehr in
Nach 1945 stieg der Fernreiseverkehr über Kreiensen stark an Nord-Süd-Richtung nochmals zugenommen, wobei die meisten dieser Reisezüge in Kreiensen hielten. In der Ost-West-Richtung verlief die Entwicklung etwas anders. Neben dem vorübergehend eingelegten Nachtschnellzugpaar
D 35/36 Köln – Altenbeken – Kreiensen – Börßum – Braunschweig verkehrte im Sommer 1949 das Paar D 29/30, nun jedoch auf den Laufweg Aachen – Braunschweig verkürzt. Hinzu kamen einige Eilzüge östlich von Kreiensen. Zehn Jahre später findet man die D-Züge in Ost-West-Richtung nicht mehr; sie sind entfallen oder durch Eilzüge ersetzt. Hinzu kamen weitere Eilzüge aufTeilstrecken. Auch wenn die Bundesbahn einenTeil der Güterzüge auf die Strecke Hannover – Altenbeken – Kassel verlegte und 1963 im Leinetal den elektrischen Betrieb aufnahm, blieb die Trasse ein Nadelöhr. Erst die Inbetriebnahme der Neubaustrecke Hannover – Fulda – Würzburg zwischen 1988 und 1991 sorgte für eine Entlastung; der weitgehende Rückzug des Fernreisezugverkehrs aus dem Leinetal und damit auch über Kreiensen führte zu einer deutlichen Entspannung der Streckenbelastung zugunsten des Güterverkehrs. Neben dem Regionalverkehr verblieb lediglich eine zweistündliche InterRegio-Verbindung Göttingen – Hannover – Flensburg mit guten Anschlüssen an den ICE-Fernverkehr in Göttingen und Hannover. Gleichzeitig konnte die DB mit der Neubaustrecke die Reisegeschwindigkeit erheblich erhöhen und somit die Reisezeiten merklich verkürzen. Waren auf der altenTrasse durch das Leinetal kaum
Im Personenverkehr fahren heute fast ausschließlich Nahverkehrs- und Regionalzüge. Als Regionalbahn kommen unter anderem LINT-Triebwagen zum Einsatz (Bild von 2010) Josef Högemann
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Im Juli 1973 ist 103 220 nagelneu, als sie D 583 Hamburg- Altona – München übernommen hat und in Kreiensen am Empfangsgebäude hält. Viele Fernzüge in Nord-SüdRichtung bedienen seinerzeit auch den kleinen Ort in Niedersachsen Prof. Dr. Willi Hager/Bildarchiv der Eisenbahnstiftung
Das Bahnhofsgebäude ist seit jeher das Wahrzeichen des Kreienser Bahnhofs. Die Ansichtskarte entstand um 1930 – damals fungierte der Bahnhof als eine Schnittstelle zwischen Nord-Süd- und Ost-West-Richtung Slg. Josef Högemann
mehr als 120 km/h zu erreichen – teilweise nicht einmal das –, konnte zwischen Hannover und Würzburg nunmehr mit 250 km/h gefahren werden. EinVorteil, mit dem die DB bei den Reisenden punkten konnte.
bereits vom Netz getrennt. Die Ladestraße ist noch in Betrieb und wird nach wie vor für den Holzversand genutzt. Vieles von den Bahnhofsanlagen lässt die Bedeutung des einstigen Fernreise-Halts auch heute erahnen, allen voran das denkDie Entwicklung der letzten Jahre malgeschützte Bahnhofsgebäude in InselAllerdings sollte sich der verbliebene Fern- lage, erbaut in den Jahren 1887 bis 1889. Sereiseverkehr nicht in diesem Umfang halten. henswert sind die aus Sandstein gehauenen Die Deutsche Bahn wertete die Nutzung der „Braunschweiger Löwen“, welche die DachZüge über die alte Strecke durch das Leinetal genau aus und stellte fest, dass deren Auslastung zu gering war. Sie rechneten sich wirtZur Lage schaftlich nicht. Aus diesem Grund wurde das Angebot auf einen Restbestand zurückgefahren. Somit befindet sich der Bahnhof Kreiensen heute zwar im Schnittpunkt der beiden Hauptbahnen Hannover – Bebra und Altenbeken – Braunschweig, er hat aber (wie diese Strecken auch) vorwiegend Bedeutung für den Regional- und Güterverkehr. EinTeil der Bahnhofsgleise ist seit Jahren stillgelegt bzw. BAHN EXTRA 5/2015
ecken krönen, ebenso die Majolikafriese an den Wänden. Leider stehen die meisten Räume des mächtigen Gebäudes leer, nachdem die Deutsche Bahn sich hier zurückgezogen hat. Geblieben ist ein privat betriebenes Reisezentrum, in dem man auch Backwaren, Getränke und Zeitschriften erhält. Das Bahnhofsgebäude und die breite Zufahrt mit 200 Park & Ride-Plätzen machen einen recht gepflegten Eindruck, nachdem das Bahnhofsumfeld in den vergangenen Jahren modernisiert wurde. 2014 investierte die Deutsche Bahn noch einmal rund 6,7 Millionen Euro für den Bau von zwei Aufzügen und die Modernisierung der Bahnsteige samt Unterführungen und Bahnsteigdächer. Seit dem 13. November 2011 läuft der Betrieb mithilfe eines elektronischen Stellwerks (ESTW); in Kreiensen wurde eine Unterzentrale installiert, die von der Betriebsleitzentrale Hannover aus gesteuert wird. Das neue System erhöht die Leistungsfähigkeit der Strecke durch das Leinetal, die täglich von rund 250 Zügen befahren wird. Der Service im Bahnhofsgebäude und das ESTW dienen auch noch einem allerletzten Fernreisezug, der heute in Kreiensen hält. Bei dem montags bis freitags verkehrenden IC Göttingen – Hamburg handelt es sich um einen Zug für Berufstätige; die Sieben-Wagen-Garnitur ist aber nur der traurige Überrest; angesichts dessen kann man sich kaum vorstellen, dass Kreiensen einmal ein wichtiger Halt für D-Züge war. Josef Högemann
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Strecken und Züge
| DIE „KANONENBAHN“
Die strategische Linie Auf Betreiben des preußischen Militärs entstand nach 1871 die „Kanonenbahn“ Berlin – Eschwege (– Koblenz – Metz).Teils nutzte sie bestehende Strecken, teils wurden neue Strecken gebaut. Lange Zeit gab es auf einzelnen Abschnitten Fernreiseverkehr
B
lockstelle Freckleben. Der Signalflügel wird auf Fahrt gezogen. Nach ein paar Minuten sind in der Ferne die hastigen Schläge einer 03 zu hören. Sie kommen näher, die Dampflok braust mit D 178 am Haken vorbei. Das Signal fällt auf Halt und in der Abgeschiedenheit der Strecke kehrt wieder Ruhe ein. Kein Laut außer dem Summen der Fernmeldedrähte.Würden nicht noch ein Personenzug und ein paar Güterzüge verkehren, könnte die Ruhe bis zum E 251 andauern, der drei Stunden später aus der Gegenrichtung kommt. Es ist Alltag an einer Blockstelle der „Kanonenbahn“.
Eine Folge des Krieges Doch was ist – oder war – die „Kanonenbahn“? Eine Strecke mit diesem Namen gibt und gab es nicht. Es ist die umgangssprachliche Bezeichnung einerVerbindung, die von Berlin nach Metz führte und vorwiegend aus militärischen Überlegungen gebaut worden war.Wie wichtig ein gut funktionierendes Eisenbahnwesen für das Militär war, hatte der Krieg 1870/71 gegen Frankreich bewiesen. Umgehend nach der Reichsgründung 1871 begannen die Planungen für eine direkte und leistungsfähigeVerbindung von Berlin in den
Südwesten Deutschlands. Sie war das Gegenstück zur bereits bestehenden Ostbahn, die von Berlin bis an das russische Zarenreich führte. Und wie diese sollte sie dazu dienen, im Konfliktfall Militär möglichst schnell an die Grenze zu bringen. Selbstverständlich waren für diese militärisch wichtigen Verbindungen auch zivile Nutzungen vorgesehen. Der Hauptteil des Verkehrs trug zivilen Charakter. Ebenso gab es bereits vor dem staatlichenVorhaben, eine Bahn für vorwiegend militärische Belange in Richtung Südwest zu errichten, Absichten, die Strecke aus wirtschaftlichen Gründen zu bauen. Private Investoren hatten Pläne vorgelegt. Aufgrund der Gelder aus den französischen Reparationszahlungen war der preußische Staat nach 1871 aber in der Lage, den Eisenbahnbau in großem Maße selbst zu finanzieren. Am 11. Juni 1873 wurde der Bau der Berlin-Wetzlarer Eisenbahn per Gesetz beschlossen. Zunächst firmierte diese Bahn als Berlin-Coblenzer Eisenbahn (BCE).
Der Streckenverlauf Bei der Planung der Verbindung Berlin – Metz wurden bestehende Bahnen einbezogen. Der eigentliche Bau der „Kanonenbahn“
Nahe bei der Blockstelle Freckleben ist eine 03 mit ihrem D-Zug unterwegs – so sah er aus, der abschnittsweise Fernreiseverkehr auf der „Kanonenbahn“ nach 1945 Ralph Lüderitz (2)
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Daneben gab es auch Militärverkehr. Von den 1960er- bis zu den 1980er-Jahren fuhren auf Streckenteilen Militärschnellzüge für die sowjetischen Truppen (Bild in Blankenheim Trennungsbahnhof)
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Am 22. September 1968 darf sich ein „Edelrenner“ der VES-M Halle auf der „Kanonenbahn“ beweisen. Die (beim Lokpersonal nicht so beliebte) Schnellzug-Dampflok 18 314 fährt soeben mit D 48 durch den Bahnhof Belzig Mueller
beschränkte sich auf das Schaffen von geeignetenVerbindungen, die möglichst die direkte Linie Berlin – Metz schufen. Die Bauarbeiten begannen zunächst an dem Abschnitt Grunewald (b. Berlin) – Güsten – Sandersleben (Anh.). Am 15. April 1879 wurde dieser Streckenteil in Betrieb genommen. Die Trassierung ist fast geradlinig. Außer der Elbequerung bei Barby, dem Bau des Turmbahnhofes Güterglück zur Kreuzung mit der Strecke Biederitz – Roßlau und der Überquerung der Magdeburg-HalleLeipziger Eisenbahn bei Calbe (Saale) waren keine größeren Ingenieurbauten notwendig. Von Sandersleben (Anh.) nach Hettstedt bestand seit 1877 eine Verbindung, die das bergbaulich wichtige Hettstedt an das Schienennetz anschloss. Auch die Weiterführung nach Blankenheim Trennung an die HalleBAHN EXTRA 5/2015
Casseler Bahn war aus wirtschaftlichen Gründen in Agriff genommen worden. Der Bau dieser trassierungsmäßig schwierigeren Strecke wurde durch das „Kanonenbahn“Projekt beschleunigt. Die Teilstrecke ging ebenfalls am 15. April 1879 in Betrieb. Bis
Am 15. Mai 1880 begann auf der strategischen Strecke der Zugbetrieb Leinefelde wurde dann die 1866 eröffnete Halle-Casseler Bahn mitbenutzt. Gleichfalls fand die 1870 fertig gestellte Verbindung Gotha – Leinefelde bis Silberhausen Eingang in die strategische Bahn. In Silberhausen wurde ein Trennungsbahnhof gebaut. Von Silberhausen Trennungsbahnhof bis Eschwege entstand der schwierigste Ab-
schnitt der Berlin-Wetzlarer Eisenbahn. Mehrere Tunnel und ein Viadukt in Lengenfeld unterm Stein waren erforderlich, um die Neigung der Strecke für die geplanten Militärtransporte in Grenzen (maximal 1:50) zu halten. Am 15. Mai 1880 wurde der Betrieb eröffnet. Bis Niederhone (später Eschwege West) wurden drei Kilometer der 1875 eröffneten Bahn genutzt, um am 1. August 1879 bis Treysa zu gelangen. Die seit 1850 bestehende Verbindung Treysa – Lollar wurde Bestandteil der Strecke bis Wetzlar, die schon am 15. Oktober 1878 in Betrieb gegangen war. Der Abschnitt Lollar – Wetzlar diente dem Umfahren des Knotens Gießen. Als einziges Streckenteil hatte das 18 Kilometer langeTeilstück zunächst keine zivile Nutzung. Über die 1863 eröffnete Lahntalbahn war von Wetzlar aus in Niederlahnstein der
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Strecken und Züge
| DIE „KANONENBAHN“
Mit einem bescheidenen Nahverkehrszug ist im Sommer 1995 eine V 100 auf der „Kanonenbahn“ auf dem Weg von Güsten nach Güterglück. Unweit von Güsten überquert die Strecke die Hauptbahn nach Bernburg
Rhein direkt erreichbar geworden. Eine Rheinbrücke mit einem Streckengleis von sieben Kilometern Länge führte nach Koblenz, um als Moselbahn (links der Mosel) am 15. Mai 1879 Diedenhofen zu erreichen. Der Abschnitt Niederlahnstein – Diedenhofen hatte zwar eine zivile Planungsvorgeschichte, die militärstrategischen Planungen beschleunigten den Bau aber erheblich. Von Diedenhofen bis Metz schließlich konnte man die ehemalige französische Ostbahn nutzen. Im Zusammenhang mit dem Ausbau des Eisenbahnnetzes im Raum Berlin kam als letztes Stück eine Verbindung von Grunewald (b. Berlin) nach Charlottenburg am 1. Juni 1882 hinzu. Die Gesamtlänge der als „Kanonenbahn“ bezeichneten Strecken und Teilabschnitten betrug 805 Kilometer. Die aus militärischen Gründen gebauten Verbindungsstrecken wurden im wesentlichen ohne Rücksicht auf die bestehende Struktur errichtet. So sind die Stationen mitunter mehrere Kilometer von den nächsten Ortschaften entfernt. Dies schränkte natürlich die Wirtschaftlichkeit ein und war die Ursache für ein gewisses Schattendasein einiger Streckenteile. Zu- und abfließender Verkehr entstammte größtenteils Zubringerstrecken und den in den Knotenbahnhöfen berührten Verbindungen.
Fernreisezüge auf der Strecke Einen planmäßigen durchgehenden Schnellzugverkehr hat es auf dieser Gesamtverbindung Berlin – Metz nicht gegeben. Ausgenommen hiervon sind Militärschnellzüge, deren Verkehr auf dieser Verbindung, mit
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Ausnahme des Abschnittes Leinefelde – Eschwege, überliefert ist. Der zivile Schnellzugverkehr begann noch im Eröffnungsjahr 1880. Es fuhr ein Schnellzugpaar Berlin – Frankfurt am Main und zurück, das nach Süden rund elfeinhalb Stunden unterwegs war – von 9:00 Uhr bis 20:27 Uhr. Der Zug verließ Belzig um 10:11 Uhr, erreichte Sangerhausen um 12:36 Uhr, wo 18 Minuten Aufenthalt für das Mittagessen eingeplant waren, und nahm dann den Weg über Leinefelde nach Niederhone bei Eschwege. Dort wechselte der Zug um 15:41 Uhr auf eine andere Strecke.
Der erste Schnellzug hielt 18 Minuten für das Mittagessen in Sangerhausen Diese Verbindung blieb im Wesentlichen bis 1914 als D 46 Berlin Schlesischer Bf – Frankfurt a. M. bzw. D 45 Frankfurt a. M. – Berlin Schlesischer Bf konstant. Die Fahrzeit verkürzte sich etwas. Die Pause zur Mahlzeiteinnahme in Sangerhausen entfiel, denn es wurde ein Speisewagen mitgeführt. Der D 45 fuhr in Frankfurt a. M. 11:45 Uhr ab und erreichte um 23:00 Uhr das Ziel Berlin. Nach dem Ersten Weltkrieg blieb die Verbindung mit einigen Veränderungen bestehen. Fast zehn Jahre nach der Fertigstellung der Strecke Wiesenburg (Mark) – Roßlau verkehrten seit 1927 D 45 und D 46 in nächtlicher Fahrplanlage mit Schlafwagen über Roßlau, Dessau, Köthen und Bernburg; ab bzw. bis Güsten nutzten sie wieder die bisherigeTrasse. Der dadurch längere Zuglaufweg brachte für die Schlafwagenverbindung
keine Nachteile, denn eine frühe Ankunft in Frankfurt a. M. oder Berlin hätte die Reisenden kaum erfreut. Der Abschnitt Wiesenburg (Mark) – Güsten der Kanonenbahn war mit der Trassenverlegung des D 45/46 ohne Schnellzugverkehr. Neben diesem D-Zug, der zu großenTeilen auf der „Kanonenbahn“ unterwegs war, fuhren drei weitere D-Zugpaare bis 1914 zwischen Güsten und Blankenheim Trennung. Sie verkehrten ebenfalls zwischen Berlin und Frankfurt a. M., aber über Magdeburg und Staßfurt. Im Jahr 1927 war es nur noch ein Schnellzugpaar auf diesem Laufweg, nun mit dem Ziel Mainz. In den 1930er-Jahren und nach 1945 blieb es bei wenigen Schnelloder Eilzugverbindungen zwischen Berlin und Wiesenburg (Mark), die über Dessau und Köthen liefen und erst in Güsten wieder die „Kanonenbahn“ erreichten.
Fernreiseverkehr nach 1945 Mit dem Zweiten Weltkrieg kam der Schnellzugbetrieb über die „Kanonenbahn“ zum Erliegen. Als 1949 das erste Interzonenzugpaar Berlin – Frankfurt a. M. eingerichtet wurde, fand die Strecke wieder Verwendung. Bis 1952 verkehrte der Zug über Wiesenburg (Mark), Güsten, Sangerhausen, Erfurt und Bebra. Danach führte der Laufweg über Dessau. Der Westteil Berlins wurde im DDR-Binnenverkehr bereits vor August 1961 umfahren; der neu gebaute Berliner Außenring machte es möglich. Ab 1967 verdichtete die Reichsbahn den Schnell- bzw. Eilzugverkehr auf dem nördlichen Teil der Berlin-Wetzlarer Eisenbahn. Nun waren es auch (wieder) Interzonenzüge,
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Letzter Fernzug auf der „Kanonenbahn“ war der IR „Brocken“. Hier 1998 bei einem Zwischenhalt in Aschersleben, das heute auch vom Fernverkehr abgehängt ist Martin Weltner (2, auch S. 40 o.)
Auf einen Blick
Berlin – Eschwege (– Koblenz – Metz) Kursbuchstrecke: Erbauer: Eröffnung: Spurweite: Anlage:
255, 258, 335, 590, 600, 603 (1992, z. T. abschnittsweise) Berlin-Coblenzer Eisenbahn (nur Neubauten zw. Berlin u. Koblenz) 15. Oktober 1878 bis 15. Mai 1880 (nur Neubau-Abschnitte) 1.435 mm Hauptbahn, zweigleisig; Abschnitt Berlin – Wiesenburg nach 1945 teilweise elektrifiziert Länge: 805 Kilometer (Berlin – Metz) Wichtigste Halte: Güsten, Sandersleben, Barby, Güterglück, Blankenheim, Eschwege (nur Abschnitt Berlin – Eschwege betrachtet) Stilllegung: teilweise Rückbau: teilweise nach 1945 Fernverkehr: D-Zug Berlin – Frankfurt a. M. (bis 1945), Interzonen-Zug Berlin – Frankfurt (nach 1945), D-Züge Rostock – München und Leipzig – Frankfurt (nach 1945), ICE Berlin – Frankfurt, IC Hamburg – München, IC Berlin – Frankfurt, IR Berlin – Hannover (nach 1993); alle Züge nutzten die Verbindung nur abschnittsweise
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die hier fuhren. Je zwei Schnellzug- bzw. Eilzugpaare kamen von einem Innenstadtbahnhof Ost-Berlins, zwei liefen über den neuen Hauptbahnhof Potsdam. Die Eilzüge hatten Aschersleben als Ziel, die Fernzüge kamen von Rostock bzw. Stralsund und fuhren weiter in die Bundesrepublik. Der D 144 nahm den Weg über Dessau, Leipzig, Hof nach München, der D 1100 fuhr über Dessau, Leipzig, Erfurt nach Frankfurt (Main). Zusätzlich verkehrte einTransitzugpaar ohneVerkehrshalt in der DDR von Berlin Zoologischer Garten über Wiesenburg (Mark), Güterglück, Güsten, Sangerhausen, Erfurt und Bebra nach Frankfurt. Das war der einzige Schnellzug im Bereich Wiesenburg – Güsten. Ersatzweise leitete man die Züge über Dessau. Bis 1972 wurde der Schnell- und Eilzugverkehr auf dem Abschnitt Berlin/Potsdam – Wiesenburg (Mark) auf fünf bzw. sechs Zugpaare verdichtet. Dies waren der D 140 Rostock – Potsdam – Leipzig, der D 1100 Stralsund – Potsdam – Leipzig – Frankfurt (Main), der E 340 und E 342 Berlin – Belzig – Dessau – Aschersleben sowie der E 344 Berlin – Belzig – Dessau – Aschersleben – Halberstadt. In der Gegenrichtung verkehrten die Züge analog,noch ergänzt durch den D 1017 Halle – Potsdam – Binz, der nur in dieser Richtung die „Kanonenbahn“ befuhr. DieTransitzüge – drei Zugpaare – verkehrten lediglich auf dem Abschnitt Berlin-Wann-
Zur Lage
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Strecken und Züge
| DIE „KANONENBAHN“
In den frühen 1990er-Jahren sind ICE-Züge auf dem nördlichen Teil der „Kanonenbahn“ ein gewohntes Bild; eine der Garnituren passiert den Bahnhof Güterglück Ralph Lüderitz
see – Wiesenburg (Mark) – Dessau, selbstver- arbeiten. Doch sehr akut wurden diese Vorständlich ohneVerkehrshalt in der DDR. Da- haben nach der Öffnung der innerdeutschen runter war auch das Zugpaar 1350/1351, das Grenze. Berlin sollte schnell mit günstigen Zugverbindungen an das Alt-Bundesgebiet Autotransportwagen führte. Bis 1989 stieg die Anzahl der Zugpaare angeschlossen werden. Den Bau einer des DR-Binnenverkehrs auf sieben bzw. acht Schnellverbindung Berlin – Hannover als an. Nach der Öffnung der innerdeutschen Transitstrecke hatten die beiden deutschen Grenze waren 1990 sogar acht bzw. neun Eil- Regierungen bereits vereinbart. Der Bau einer Neubaustrecke nahm Jahre und Schnellzüge verzeichnet. Die Transitzüge existierten nicht mehr und verkehrten in Anspruch. Deshalb war die Strecke Berlin als normale Schnellzüge über Wittenberg. – Magdeburg als kürzeste Verbindung zum Der Abschnitt Güsten – Blankenheim entstehenden ICE-Netz der Deutschen BunTrennung wurde nach 1945 bis 1991 sehr kon- desbahn für eine direkte Anbindung ausstant von drei Eilzugpaaren Magdeburg – Er- gewählt worden. Mit Hilfe von Sanierungsfurt und zeitweise von einem zusätzlichen arbeiten, der Ertüchtigung auf 160 km/h Schnellzugpaar Wismar – Gotha frequen- Höchstgeschwindigkeit und der Elektrifizietiert. Der Abschnitt Wiesenburg (Mark) – rung wurde eine schnelle Lösung möglich. Güsten blieb dagegen, mit Ausnahme des Allerdings musste man dafür den Abschnitt zeitweisen Transitverkehrs, über vier Jahr- Werder – Biederitz komplett sperren – und als Ersatzstrecke diente der Abschnitt Berzehnte ohne Fernreiseverkehr. Teilweise diente die „Kanonenbahn“ auch lin-Wannsee – Wieseburg (Mark) – Gütermilitärischen Zwecken. Auf dem Abschnitt Berliner Außenring – Güterglück nördlicher Verbindungsbogen verkehrten Militärschnellzüge der sowjetischen Besatzungstruppen in der Verbindung Frankfurt (Oder) – Magdeburg Hbf. Die Militärschnellzüge glück nördlicherVerbindungsbogen der „KaFrankfurt (Oder) – Erfurt Hbf nutzten die Ber- nonenbahn“. Der Streckenteil Güterglück lin-Wetzlarer Eisenbahn fast auf der gesam- nördlicherVerbindungsbogen – Biederitz der ten nordöstlichen Strecke. Im Zweitagesrhyt- Strecke Biederitz – Zerbst – Roßlau war bemus fuhren die Züge auf dem Streckenstück reits elektrifiziert. Die Elektrifizierung GüBerliner Außenring – Güsten – Blankenheim terglück nördlicherVerbindungsbogen – WieTrennung. Diese planmäßigen Militärzüge senburg (Mark) – Berlin-Wannsee – Berlinverkehrten in den 1960er- bis 1980er-Jahren. Zoologischer Garten konnte recht schnell Sie benutzten dieseVerbindungen jedoch nur erledigt werden, denn die Vorarbeiten hatte zeitweise als Alternativtrassen. man längst begonnen, wenn auch für einen anderen Zweck. Der Zugbetrieb nach 1989 Im Sommer 1993 konnte Berlin an das Ausbau- und Elektrifizierungspläne für die ICE-Netz der Deutschen Bundesbahn ange„Kanonenbahn“ existierten schon vor 1989, schlossen werden. Es verkehrten außer den denn der wachsende Güterverkehr in der ICE auch IC-Züge, die meist mit der DBDDR zwang dazu, weitere leistungsfähige Ellok 103 bespannt waren.Vereinzelt kam es Trassen zu schaffen. Es gab auch erste Vor- zu Umleitungen über Schönebeck (Elbe) und
Nach 1990 diente der nördliche Abschnitt zeitweise als ICE-Strecke
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Barby. Da der Abschnitt Barby – Güterglück nicht elektrifiziert war, wurden dann Dieselloks der DR-Baureihe 132 vorgespannt. Im Dezember 1995 ging dann die Strecke Berlin – Biederitz – Magdeburg elektrisch in Betrieb. Der ICE- und IC-Verkehr über Güterglück wurde eingestellt. Diese Strecke sollte als Umleitungsstrecke erhalten bleiben. Auch in der Folge gab es noch Fernzüge auf diesem Abschnitt der Kanonenbahn, jedenfalls zunächst. Von Dezember 1995 bis Mai 2000 führte die IC-Verbindung Hamburg – Berlin – Leipzig – München über den Streckenteil Berlin – Wiesenburg (Mark). Die InterRegio-Verbindung Berlin – Halle (Saale) – Frankfurt a. M. verkehrte von Mai 2000 bis 2002 auf diesem Abschnitt. Die letzten Fernreisezüge auf der „Kanonenbahn“ waren der Autoreisezug AE 1354 Berlin-Wannsee – Kassel – Lörrach und das Zugpaar IR 2646/2647 „Brocken“ Berlin – Aschersleben – Halberstadt – Hannover (verkehrte nur an Wochenenden) bis Dezember 2003. Sie befuhren die Gesamtstrecke bis Güsten bzw. bis Blankenheim Trennung. Auf dem Abschnitt Barby – Calbe (Saale) West waren sie die einzigen planmäßigen Züge überhaupt. Dann aber folgte der rasche Niedergang; auch die Planung der Umleitungsstrecke über Güterglück zerschlug sich. Als die DB AG an die Börse gebracht werden sollte, war jede Ausgabe zuviel. So wurde die mit Millionenaufwand modernisierte und elektrifizierte Strecke zwischen Wiesenburg und Güterglück aufgelassen und dem Verfall preisgegeben. Ebenso erging es dem Streckenteil Güterglück – Calbe (Saale) West – Güsten, den man zuvor auch modernisiert hatte. Zwischen Wiesenburg (Mark) und Güsten wachsen inzwischen Bäume im Gleis. Stellenweise ist erst auf den zweiten Blick das Areal als ehemalige Eisenbahn zu erkennen. Die Fahrleitungsmaste zwischen Wiesenburg und Güterglück stehen noch. Manchmal baumelt ein Ausleger im Wind. Die Elbebrücke bei Barby wird als Fußgängerbrücke genutzt und ist an eine Schrottverwertungsfirma verkauft worden. Fernreisezüge findet man heute auf der „Kanonenbahn“ nicht mehr. Zwischen Berlin-Wannsee und Wiesenburg (Mark) sowie zwischen Güsten und Blankenheim Trennung existiert noch lokaler Personenverkehr. Der Bahnhof Calbe (Saale) West ist als Haltepunkt für dieVerbindung Calbe (Saale) Ost – Bernburg noch immer in Betrieb. Die Ostseite des Personenbahnhofs Güsten, „Berliner Seite“ genannt, ist zur Bushaltestelle umfunktioniert worden. Wo einst der große Güterbahnhof Güsten war, findet man heute ein Trümmerfeld mit hohem Krautbewuchs. In einen Schnellzug einzusteigen, wird in Güsten niemandem mehr einfallen. Ralph Lüderitz
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Strecken und Züge
| SCHERFEDE – HOLZMINDEN
Am 31. Mai 1984 verlässt 216 146 mit E 2493 Köln – Braunschweig den Bahnhof Wehrden; rechts die Gleise aus Ottbergen. Die Einstellung des Personenverkehrs auf der Strecke Scherfede – Holzminden geschah an diesem Tag Ludwig Rotthowe
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er wachsende Güterverkehr zwischen den Gebieten an Rhein und Ruhr einerseits und dem mittel- und ostdeutschen Raum andererseits forderte im 19. Jahrhundert die großen westdeutschen Eisenbahn-Gesellschaften heraus. Um sich möglichst hohe Frachtanteile vor allem beim Transport von Steinkohle zu sichern, war jedes Unternehmen bestrebt, die Güterzüge möglichst lange auf dem eigenen Netz zu halten. Es entstanden neue Bahnlinien, oft parallel zu bestehenden, die nach Verstaatlichung der großen Privatbahnen um 1880 schnell unrentabel wurden. Ein Beispiel dafür ist die Hauptbahn Scherfede – Holzminden mit ihrer recht eigenwilligen Streckenführung. Gebaut wurde sie von der Bergisch-Märkischen Eisenbahn (BME) allein mit dem Ziel, sich im Ost-West-Ferngüterverkehr eine bessere Position gegenüber ihren Mitbewerbern der Cöln-Mindener Eisenbahn und der Westfälischen Eisenbahn zu sichern. Dass die Strecke zudem zur „Stammverbindung“ eines Fernreisezugs wurde, gehört mit zu ihren Besonderheiten.
Eine wichtige Umgehung Am 15. Oktober 1876 hatte die BME die eingleisige Strecke eröffnet. Allerdings kam der Verkehr nie so recht ins Rollen, denn nach der Verstaatlichung der großen Westdeutschen Eisenbahn-Gesellschaften gab es für sie eigentlich keinen Bedarf mehr. Wäre BAHN EXTRA 5/2015
Das Kuriosum
an der Weser
Diese Strecke begann im unbedeutenden Scherfede, kreuzte in Wehrden die Westfälische Eisenbahn aus der falschen Richtung und traf in Holzminden auf die nicht sehr leistungsfähige Strecke nach Kreiensen. Und doch fuhr hier 90 Jahre lang ein Fernreisezugpaar nicht 1905 ein Teil des Rehbergtunnels bei Altenbeken eingestürzt, wer weiß, was aus Scherfede – Holzminden geworden wäre. Doch der Tunneleinsturz machte klar, dass eine leistungsfähige Umgehung des Knotens Altenbeken fehlte. In aller Eile wurde damals die „Nörder Kurve“, ein ehemaliges Baugleis zwischen den Strecken Altenbeken – Kassel und Holzminden – Scherfede, reaktiviert, um den nicht mehr passierbaren Tunnel umfahren zu können. Für die preußischen Militärs war der Gewölbebruch im Rehbergtunnel ein gefundenes Fressen, um den schon seit Jahren aus strategischen Gründen geforderten zweigleisigen Ausbau der Strecke Scherfede – Holzminden zu rechtfertigen. Umgehend wurden mehrere Berliner Eisenbahnpioniereinheiten an die Weser verlegt, die unter Aufsicht der Staatsbahn mit der Verlegung des zweiten Streckengleises begannen. Schon 1907 konnten die Ausbaumaßnahmen abgeschlossen werden, denn während des
Bahnbaus hatte die Bergisch-Märkische Eisenbahn Bahndämme und Brücken vorausschauend für zwei Gleise ausgelegt. Kaum war der Rehbergtunnel wieder befahrbar, ging der Verkehr zwischen Holzminden und Scherfede auf das „Normalmaß“ früherer Jahre zurück. Der Fahrplan sah damals in beiden Richtungen fünf Personenzüge vor. Hinzu kam eine Besonderheit: das seit dem 1. Mai 1892 verkehrende Schnellzugpaar D 29/30 Köln Hbf – Berlin Potsdamer Bahnhof, für das sich die Industrie- und Handelskammer in Arnsberg stark gemacht hatte. Dieses rege genutzte Zugpaar stand viele Jahre lang in den Fahrplänen und überstand sogar den Zweiten Weltkrieg. Infolge der deutschen Teilung auf den Laufweg Braunschweig – Köln bzw. – Aachen verkürzt und als E 529/530 geführt, fuhr der „Berliner Zug“ bis zur Stilllegung der Strecke Holzminden – Scherfede Ende Mai 1984. 90 Jahre lang hatte das Fernreisezugpaar Bestand!
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Strecken und Züge
| SCHERFEDE – HOLZMINDEN
Im Zweiten Weltkrieg wurde die Brücke bei Boffzen zerstört; 1946 laufen die Wiederaufbauarbeiten. Nach der Fertigstellung gewinnt die Bahnlinie zeitweise an Bedeutung Slg. Becker
Im Güterverkehr gab es neben einigen Nahgüterzügen zur Bedienung der Unterwegsbahnhöfe auch durchgehende überregionale Züge, unter anderem für die Beförderung von Steinkohle nach Osten und Eisenerz aus dem Salzgittergebiet in Richtung Ruhr. Für schwere Güterzüge war die Hauptbahn wegen der steigungsreichen Verhältnisse – vor allem auch auf den sich anschließenden Strecken – problematisch. Besonders der schwierige Anstieg aus dem Leinetal von Kreiensen bis Naensen führte dazu, dass Güterzüge – wenn möglich – über andere, günstiger trassierte Routen geführt wurden. Lediglich während der beiden Weltkriege dienten die Strecke Scherfede – Holzminden und auch die „Nörder Kurve“ in größeren Umfang dem Ferngüterverkehr.
Zäsur durch die deutsche Teilung Die deutsche Teilung führte 1945 zum weitgehenden Zusammenbruch des Ost-WestVerkehrs. Viele zuvor wichtige Strecken in der Weser/Harzregion fielen in die Bedeutungslosigkeit. Auch der Strecke Holzminden – Scherfede verblieb nur noch ein geringer Zugverkehr, abgesehen vom Abschnitt Holzminden – Wehrden. Dieses Teilstück wurde zur Umgehung der kriegszerstörten Weserbrücke bei Corvey im Zuge der Hauptbahn Altenbeken – Kreiensen benötigt, nachdem es englischen Pionieren in Zusammenarbeit mit einer deutschen Baufirma gelungen war, die ebenfalls kriegszerstörte
Nach 1945 verblieb der Strecke meist nur ein geringer Zugverkehr Weserbrücke bei Boffzen an der Scherfeder Strecke wieder befahrbar zu machen. Mit Hilfe eines eilends errichteten Verbindungsgleises westlich des Bahnhofs Wehrden bestand nun die Möglichkeit, den Durchgangsverkehr, darunter die Erzzüge aus dem Salzgitterrevier ins Ruhrgebiet, über Wehrden – Holzminden umzuleiten. Nachdem die Corveyer Brücke 1954 wieder eingleisig befahrbar war und Anfang der 1960er-Jahre der Erzverkehr auslief, bestand für die „Engländerkurve“ kein Bedarf mehr. Anfang 1965 baute die DB das Verbindungsgleis zurück, nachdem zuvor schon das zweite Streckengleis zwischen Holzminden und Wehrden (und davor auch zwischen Wehrden und Scherfede) entfernt worden war. Zuletzt wurde noch der Abschnitt Dahlhausen – Borgholz zweigleisig betrieben. Im Durchgangsgüterverkehr spielte die Strecke
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Blick in den Bahnhof Beverungen, 1964. Dies war einer von drei Halten des Eilzugs zwischen Scherfede und Holzminden Slg. Menke (2)
Reisende im Bahnhof Borgholz; eigentlich eignete sich die Strecke für den regionalen Verkehr wenig, da die Bahnhöfe weit abseits der Ortschaften lagen
kaum eine Rolle; lediglich zwei Autozüge des Wolfsburger VW-Werks rollten noch an bestimmten Tagen über die Hauptbahn. Hinzu kamen gelegentlich Militärzüge, so dass die Strecke trotz ihrer geringen Bedeutung weiter als strategisch wichtig eingestuft war.
schon in den 1950er-Jahren versucht, durch den Einsatz von Schienenbussen, neuen Haltepunkten und einem verbesserten Fahrplan dieser Entwicklung entgegen zu wirken, doch ohne längerfristigen Erfolg. Die Zukunft in dem dünn besiedelten Raum gehörte dem privaten Pkw, nicht mehr der Eisenbahn. Auch im Güterverkehr sah es kaum besser aus, nachdem vor allem bei den landwirtschaftlichen Transporten der Lkw stark an Bedeutung gewonnen hatte. Der unvorteilhafte Streckenverlauf weitgehend abseits der Ortschaften ließ eine Besserung nicht erwarten, und sicher wäre die Strecke schon früher stillgelegt worden, hätte nicht dasVerteidigungsministerium auf deren Erhalt bestanden. Folglich beschränkte sich die Bundesbahn einstweilen auf eine Ausdünnung des Angebots. Mit Beginn des Sommerfahrplans 1975 entfielen zunächst fast alle sonntäglichen Zugfahrten. Nach und nach strich die Bundesbahn weitere Züge, wobei das Eilzugpaar Braunschweig – Köln/– Aachen aber blieb. Mit Beginn des Winterfahrplans 1983/84 war daneben nur noch ein morgendliches Nahverkehrszugpaar für den Schülerverkehr übrig. Dies sollte auch das letzte Kapitel im Per-
Betrieb ohne Perspektive Nach 1970 ging derVerkehr immer weiter zurück. Zwar hatte die Deutsche Bundesbahn
Zur Lage
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Im Schnitt zwei Mal die Woche fuhren Güterzüge vom VW-Werk in Wolfsburg über die Strecke. Hier aufgenommen am Bahnübergang in Borgholz, der mit einer bemerkenswert aufwendigen Beschrankung versehen ist Slg. Menke
Auf einen Blick
Scherfede – Holzminden Kursbuchstrecke: Erbauer: Eröffnung: Spurweite: Anlage:
249 (Warburg – Holzminden; 1982) Bergisch-Märkische Eisenbahn 15. Oktober 1876 1.435 mm Hauptbahn, zeitweise zweigleisig, nicht elektrifiziert Länge: 49 Kilometer Wichtigste Halte: Boffzen, Wehrden, Beverungen Stilllegung: 2. Juni 1984 Rückbau: teilweise ab 1996 Fernverkehr: D 29/30 Berlin – Köln (bis 1939), später weitgehend Eilzug Braunschweig – Köln/– Aachen (bis 1984, zuletzt E 2942/2943 nach/von Köln)
Neben dem Eilzugpaar bestritten Akkutriebwagen 515 zum Schluss den (nur noch spärlichen) Personenzugverkehr auf der Strecke. Im Jahr 1983 kommt eines der Fahrzeuge durch Roggenthal, einen Stadtteil von Beverungen Josef Högemann
sonenverkehr sein; das förmliche Verfahren zur Einstellung der Reisezüge lief bereits.
Der endgültige Niedergang Mit Beginn des Sommerfahrplans 1984 wurde nach mehr als 90 Jahren einer der langlebigsten Fernreisezugläufe in Deutschland aufgegeben. Am 2. Juni 1984 rollte als letzter planmäßiger Reisezug der E 2942 über die nur noch wenig befahrenen Gleise. Schon BAHN EXTRA 5/2015
zweiTage später wandelte die DB die Strecke in eine Nebenbahn mit vereinfachtem Zugbetrieb um, woraufhin die Signale abgebaut und das Bahnhofspersonal abgezogen wurden. Nachdem Anfang der 1990er-Jahre auch das Militär seine schützenden Hände von den Gleisen im Bevertal nahm, war der Weg frei, die Strecke endgültig aufzugeben. Am 6. Juni 1996 folgte die weitgehende Stilllegung, nur der Abschnitt Nörde – Scher-
fede wurde zunächst weiter betrieben, um eine Papierfabrik in Nörde zu bedienen. 2001 kam aber auch hier das Ende.Versuche,Teile der Trasse für Draisinenfahrten zu nutzen, scheiterten an der Unentschlossenheit der Anliegerkommunen. Am 16. Juli 2002 wurde die Trasse durch den Abriss einer Brücke zwischen Dahlhausen und Borgholz unterbrochen, bald darauf auch in Holzminden. Anfang 2004 erwarb die Gemeinde Boffzen einen rund drei Kilometer langen Streckenabschnitt, der jedoch ebenfalls sein Gleis verlor. Rasch folgten weitere Rückbauten. Heute sind nur noch wenige Teile der ehemaligen Hauptbahn vorhanden. Doch selbst da hat die Strecke an der Weser noch Besonderes zu bieten: Eine Entwidmung der Bahntrasse ist nicht vorgesehen, um die Option einer späteren Reaktivierung offenzuhalten. Selbst wenn die eher unwahrscheinlich ist. Josef Högemann
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Strecken und Züge
| BERLIN – MAGDEBURG – BRAUNSCHWEIG
Magistrale
mit Abstrichen
Diese Strecke schrieb Geschichte: mit Interzonenzügen während der Teilung sowie mit IC- und ICE-Verkehr nach der deutschen Wiedervereinigung. Heute steht dieVerbindung Berlin – Magdeburg – Braunschweig hinter anderen Strecken zurück; doch es gibt auch Anlass zur Hoffnung ...
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Planbetrieb früher: Im August 1970 befährt 03 2203 mit D 173 Halberstadt – BerlinSchöneweide die Elbe-Flutbrücken bei Biederitz, kurz vor Magdeburg Hans-Joachim Lange Einer der Plandampfzüge bei „Viva Magistrale“: 41 1185 rollt mit ihrem kurzen Personenzug in den Bahnhof Güsen ein Martin Weltner
Von 1991 bis 1998 rollen etliche IC und ICE über die Magistrale Berlin – Magdeburg – Braunschweig; so auch IC 185 „Leo von Klenze“ mit dem Ziel München (aufgenommen in Genthin, Oktober 1991) Georg Wagner
A
ls in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre planmäßige Züge zwischen Berlin und Magdeburg mit Dampfloks bespannt wurden, machten dieVeranstalter das Ereignis unter einem Namen bekannt: „Viva Magistrale“. Diesen Ehrennamen bekam die Strecke zu Recht, ist es doch eine der bekanntesten Hauptverkehrsstrecken im deutschen Netz – erst recht in der Fortsetzung nach Braunschweig. Andererseits erwies sich der Aufschwung in der Zeit nach der Wiedervereinigung nur als kurze Blüte.
Die Zeit bis 1945 Die Geschichte der Eisenbahn zwischen Berlin und Magdeburg begann mit dem Bau der Berlin-Potsdamer Eisenbahn, die im Herbst 1838 in zwei Abschnitten zwischen Potsdam und Zehlendorf bzw. Zehlendorf und Berlin
Hintergrund
Das Unglück von Genthin Mit der Magistrale Berlin – Magdeburg ist auch das schwerste Unglück in der Geschichte der deutschen Eisenbahnen verbunden. Am 22. Dezember 1939 fuhr nachts um kurz vor 1 Uhr der Schnellzug D 180 Berlin-Potsdamer Bahnhof – Neunkirchen (Saar) im Bahnhof Genthin auf den dort außerplanmäßig zum Halten gekommenen D 10 Berlin-Potsdamer Bahnhof – Köln auf. Bei dem Unfall kamen 186 Menschen ums Leben, weitere 106 wurden zum Teil schwer verletzt. Der D 10 war ab Berlin zunehmend verspätet, so dass sich der Abstand zum nachfolgenden D 180 immer weiter verringerte. An der vor Genthin befindlichen Blockstelle Belicke überfuhr der D 180 ein Halt zeigendes Signal. Die Zugbeeinflussungsanlage war an der Lok ausgebaut, so dass diese mit D 180 die Fahrt fortsetzte. In Genthin wollte der Stellwerksmitarbeiter den D 180 mit einer roten Lampe zum Stehen bringen, zeigte diese aber zu früh, so dass der Lokführer des D 10 das Signal aufnahm und anhielt. Damit war das Unglück unausweichlich. Ein Denkmal vor dem Bahnhof Genthin erinnert heute an das Ereignis. BAHN EXTRA 5/2015
Potsdamer Bahnhof eröffnet wurde. Ab 1845 baute die Potsdam-Magdeburger Eisenbahngesellschaft die weitere Verbindung nach Magdeburg; ab 12. September 1846 war der durchgehende Zugverkehr zwischen Berlin und Magdeburg möglich. In Magdeburg endete die Strecke im Magdeburger Elbebahnhof am Fürstenufer im heutigen Stadtteil Buckau. Von Berlin nach Braunschweig konnte man bereits ab 1843 fahren, jedoch auf einer anderen Route über Wolfenbüttel, Jerxheim und Oschersleben. Erst am 15. September 1872 wurde zwischen Magdeburg und Braunschweig die direkte und heute genutzte Strecke über Eilsleben und Helmstedt durchgehend in Betrieb genommen. 1873 ging dann der neue „Zentralbahnhof“ Magdeburg in Betrieb, der sich westlich des Stadtzentrums befindet. Er ersetzte die alten Streckenendbahnhöfe, die in ihrer Kapazität zu klein geworden waren. In Braunschweig gab es ebenfalls einen Kopfbahnhof, der allerdings noch bis 1960 bestehen blieb. Erst dann eröffnete man dort einen Durchgangsbahnhof. Schnell entwickelte sich die Relation Berlin – Magdeburg – Braunschweig zu einer der wichtigen im Netz. Zwar brauchten Züge mit Zwischenziel Hannover länger als über Stendal, auch, weil der Aufenthalt im Kopfbahnhof Braunschweig Zeit kostete. Dennoch rollten über die Strecke Fernreisezüge Richtung Ruhrgebiet und Köln, Richtung Frankreich, Belgien und Niederlande.
Die deutsche Teilung Das Kriegsende und die deutsche Teilung brachten einschneidendeVeränderungen für den Eisenbahnverkehr in Berlin und im speziellen auch in Richtung Potsdam und für diese Ost-West-Magistrale mit sich. Die
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Strecken und Züge
| BERLIN – MAGDEBURG – BRAUNSCHWEIG
Die deutsche Teilung machte Helmstedt zum Bundesbahn-Grenzbahnhof. Eine DR-132 hat einen Zug aus West-Berlin gebracht und wird gleich von einer DB-Ellok abgelöst W.-D. Loos
Preußische Backsteingebäude und der ICE – von 1993 bis 1998 gehörte diese Mischung zum Bild auf der Magistrale Martin Weltner
Stadtbahn mit ihrer Verlängerung nach Berlin-Wannsee und Griebnitzsee war fortan die einzige Strecke, über die Züge in Richtung Potsdam/Magdeburg fuhren. Zunächst nahmen die Züge Berlin – Magdeburg den Weg über den Bahnhof Potsdam Stadt. 1958 wurde der peripher gelegene neue Potsdamer Hauptbahnhof eröffnet. Hier hielten sowohl der Nah- als auch der Fernverkehr sowie die Interzonenzüge, die Städte der DDR mit Städten der Bundesrepublik verbanden. Im Unterschied dazu wurden die Transitzüge von und nach West-
Schäden, Demontage und Abschottung: Der Betrieb nach 1945 war schwierig Berlin bald schon ohne Halt von der Spreestadt zum Grenzbahnhof gefahren. Auch aus einem anderen Grund gestaltete sich der Betrieb lange Zeit schwierig. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die sowjetischen Besatzungstruppen das zweite Streckengleis weitgehend als Reparationsleitung
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Der eindrucksvolle Wasserturm in Genthin zeugt auch noch 1996 von der großen Rolle, die der Bahnhof lange Jahre im Betriebsdienst spielte Volker Emersleben
demontiert. Bis 1976 wurde dieses zwischen Werder/Havel und Magdeburg wieder aufgebaut, in den 1980er-Jahren setzte man den Wiederaufbau bis Berlin fort. Noch mehr wurde der Eisenbahnbetrieb in Potsdam durch den Mauerbau im August 1961 geprägt. Für die Strecke Berlin – Potsdam – Magdeburg wurde der Bahnhof Griebnitzsee durch die Mauer zur Grenzübergangsstelle; er blieb damit für den allgemeinen Personenverkehr unzugänglich. Daher musste der Fernverkehr innerhalb der DDR von „Ost“-Berlin nach Magdeburg den neu
entstandenen Berliner Außenring nutzen und um „West“-Berlin herumfahren. Lediglich der Transitverkehr zwischen der Bundesrepublik und West-Berlin fuhr über Griebnitzsee und nutzte dabei die Strecke über Magdeburg Richtung Braunschweig. Der Bahnhof Helmstedt auf Bundesbahn-Gebiet wurde zum innerdeutschen Grenzbahnhof, in dem nun ein Lokwechsel stattfand – von Maschinen der Reichsbahn auf jene der Bundesbahn und umgekehrt. Marienborn, die letzte Station auf Reichsbahn-Gebiet, wurde ähnlich wie Griebnitzsee zur Grenz-
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Zur Lage
Auf einen Blick
Berlin – Magdeburg – Braunschweig übergangsstelle. Zwischen Magdeburg und Marienborn fand nur noch Nahverkehr statt, parallel dazu fuhren die Schnellzüge in die Bundesrepublik.
Der Betrieb in den 1980ern Im Fernverkehr hatte die Strecke zwischen Berlin und Braunschweig dennoch große Bedeutung und eine große Vielfalt. Auf der gesamten Strecke fuhren Interzonenzüge für den Reiseverkehr zwischen DDR und Bundesrepublik; zumTeil kamen sie aus Moskau oder Warschau und waren abschnittsweise für den DDR-Binnenverkehr freigegeben. Ähnlich verhielt es sich bei den erwähnten Transitzügen mit dem Unterschied, dass diese ausschließlich für den Verkehr zwischen West-Berlin und Bundesrepublik ohne Halt in der DDR bestimmt waren. Zum Teil kamen sie aber auch als Interzonenzüge aus Moskau oder Warschau und fuhren dann ab Berlin als reine Transitzüge. Daneben waren abschnittsweise Schnellzüge des DDR-Binnenverkehrs auf der Strecke unterwegs. Sie fuhren zwischen Berlin Ostbahnhof (zumTeil von Wolgast oder Stralsund kommend) und Magdeburg und zum großen Teil weiter nach Halberstadt. Außerdem gab es den Städteexpress „Börde“ Magdeburg – Berlin-Lichtenberg und zurück als „Premium-Produkt“ der Deutschen Reichsbahn. Die Interzonenzüge fuhren, wie erwähnt, auf teils recht langen Laufwegen. Wenn sie Berlin tangierten, dann nutzten sie den Berliner Außenring und hielten in Potsdam Hbf (heute Pirschheide) und hatten dort in der Regel auch den Lokwechsel. DieTransitzüge begannen in Berlin-Friedrichstraße, nachdem sie als Leerzug von Berlin-Rummelsburg gekommen waren, hielten in Berlin Zoo BAHN EXTRA 5/2015
Kursbuchstrecke: 700 (Berlin – Magdeburg (– Halberstadt)), 230 (Magdeburg – Braunschweig (– Hannover)) 1991) Erbauer: Berlin-Potsdamer Eisenbahn, Potsdam-Magdeburger Eisenbahn, Herzogl. Braunschweigische Staatseisenbahn, MagdeburgHalberstädter Eisenbahngesellschaft Eröffnung: 1838–1846 (Berlin – Magdeburg), 1872 (Magdeburg – Braunschweig) Spurweite: 1.435 mm Anlage: Hauptbahn, zweigleisig (ab 1945 bis 1980er-Jahre teilweise eingleisig), ab 1995 durchweg elektrifiziert Länge: 232 Kilometer Wichtigste Halte: Potsdam, Brandenburg, Magdeburg, Genthin, Helmstedt Stilllegung: – Rückbau: siehe oben bei „Anlage“ Fernverkehr: D-Züge Berlin – Köln/Ruhrgebiet, auch mit Ziel Frankreich/Belgien/ Niederlande (bis 1939); Transitzüge Berlin – Bundesrepublik, Interzonenzüge DDR – Bundesrepublik, Fernzüge des DDR-Binnenver kehrs (1949–1989), IC Berlin – Basel (ab 1991), ICE Berlin – Hannover – München (ab 1993), IC Dresden – Köln, Leipzig – Norddeich (aktuell)
und Berlin-Wannsee.Von dort fuhren sie auf der Relation Berlin – Magdeburg – Braunschweig weiter über die Grenzübergangsstellen Griebnitzsee und Marienborn nach Hannover und Köln.
Nach dem Mauerfall Mit dem Fall der Berliner Mauer im Herbst 1989 veränderten sich die Verhältnisse gravierend. Die Strecke über Griebnitzsee wurde für den allgemeinen Personen(nah)verkehr wieder eröffnet, der Zugbetrieb verlagerte sich schnell wieder auf den Bahnhof Potsdam Stadt, der 1999 in Potsdam Hbf umbenannt wurde. Heute heißt der frühere Hauptbahnhof in Potsdam Pirschheide und liegt in einem Dornröschenschlaf, da sich die Verkehrsströme wieder auf die Achse durch die Stadt verlagert haben. Nur noch wenige Regionalzüge halten auf dem unteren Bahnsteig. Für die Strecke Berlin – Magdeburg – Braunschweig ging es nach 1989 steil aufwärts. 1990 wurde das nach dem Mauerfall
deutlich aufgestockte Zugprogramm noch weitgehend unverändert gefahren.Von 1991 an verkehrten über diese Strecke die ersten IC-Züge nach Berlin; sie gehörten zur IC-Linie 5 Berlin – Hannover – Köln – Karlsruhe; bis bzw. von Helmstedt übernahmen Reichsbahn-Dieselloks der Baureihen 232 und (später) 234 bzw. 229 die Bespannung.
Von 1991 an fuhren hier die ersten Intercity-Züge nach Berlin. Mit 232/234 ... Mit der Einführung des IC-Verkehrs wurde der Städteexpress zwischen Berlin und Magdeburg eingestellt. Es verblieben aber weiterhin D-Züge, die von Frankfurt/Oder kommend über Berlin und Magdeburg nach Halberstadt fuhren. Der Abschnitt Berlin – Helmstedt wurde als Projekt Nummer 5 in die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit (VDE) aufgenommen; mit den Baumaßnahmen wollte man eine leistungsfähige Verbindung von den
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Strecken und Züge
| BERLIN – MAGDEBURG – BRAUNSCHWEIG
Brandenburger Verkehrsgeschehen: In den 1990er-Jahren machen hier diverse D-Züge Station Michael Scheppan
Bahnhöfe
Der Knoten Brandenburg Landeshauptstädten Hannover, Magdeburg und Potsdam zur neuen Bundeshauptstadt Berlin schaffen. Insgesamt 163 Kilometer Strecke wurden elektrifiziert, modernisiert und für 160 km/h Höchstgeschwindigkeit ausgebaut. Bahnsteige wurden modernisiert, Brücken saniert oder neu gebaut. Nicht mehr benötigte Infrastruktur verschwand, während man den Betrieb auf Elektronische Stellwerke umstellte. 1993 wurde als erster Abschnitt der Ausbau Magdeburg – Helmstedt abgeschlossen. Damit konnte zum Fahrplanwechsel am 23. Mai der ICE-Verkehr von Braunschweig nach Berlin aufgenommen werden. Hier verkehrte nun die ICE-Linie 6 von München/ Stuttgart über Frankfurt (Main). Allerdings war die Strecke Berlin – Magdeburg noch nicht elektrifiziert, weswegen die ICE bis
Zum 23. Mai 1993 begann der Berliner ICE-Verkehr – wieder über Magdeburg Magdeburg über andere Strecken geleitet wurden: über die Kanonenbahn via Belzig und Wiesenburg nach Güterglück und von dort auf der von Dessau kommenden Strecke nach Magdeburg. Das bedeutete zwar einen kleinen Umweg, jedoch stellte dies vorläufig die einzig nutzbareVerbindung für elektrisch betriebene Züge nach Berlin dar. Mit dem Winterfahrplan 1994/95 wurde der D-Zug-Verkehr zwischen Berlin und Hal-
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Ein wichtiger Unterwegshalt der Strecke Berlin – Magdeburg wurde Brandenburg, wo ein ausgedehnter Hauptbahnhof entstand. In diesem trifft die Brandenburgische Städtebahn mit den Abschnitten Belzig – Brandenburg (letzter Reisezug am 13. Dezember 2003) und Brandenburg – Rathenow auf die Hauptstrecke. Die Bedeutung des Bahnhofs liegt im starken Quell- und Zielverkehr, sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr. Besonders zu nennen ist das Stahlwerk, das seine Gleisanschlüsse am Bahnhof Brandenburg-Altstadt an der Strecke nach Rathenow hat. Entsprechend groß waren dort auch früher die Gleisanlagen. Der Bahnhof Brandenburg verfügte über ein eigenes Bahnbetriebswerk, dessen
berstadt eingestellt. Dafür gab es an anderer Stelle einen Aufschwung. Im Dezember 1995 waren die Modernisierungsarbeiten an der Strecke Berlin – Magdeburg abgeschlossen; nun konnte der ICE-Verkehr den direkten Weg zwischen beiden Städten nehmen. 1997 tauschte die DB AG zwischen Berlin und Magdeburg die Fernverkehrslinien: Die ICLinie 5 verkehrte ab Magdeburg weiter nach Leipzig und Dresden, dafür wurde die ICELinie 10 Berlin – Köln eingerichtet, auf der man die ersten ICE der zweiten Generation einsetzte. Allerdings zeichnete sich auch ab, dass die Magistrale bald weniger Bedeutung haben würde. Bereits seit vielen Jahren gab es Pläne, eine neue leistungsfähige Hochgeschwindigkeitsstrecke von Berlin nach Hannover zu bauen. Die Entscheidung fiel
Anlagen sich südlich der Hauptstrecke gegenüber vom Empfangsgebäude befanden. Bekannt wurde das Bw dadurch, dass dort Dampfloks der Baureihe 52 bis in die 1980er-Jahre hinein im Einsatz waren. Nach dem Ende des Dampfbetriebes fuhren Dieselloks der heutigen Baureihen 202 und 228 bis zur Aufnahme des elektrischen Zugverkehrs. Sie übernahmen Züge auf der Hauptstrecke Berlin – Magdeburg und auf den Nebenbahnen nach Rathenow und Belzig. Mit der Streckenertüchtigung der Hauptstrecke auf 160 km/h sowie der Elektrifizierung wurde der Personenbahnhof vollständig umgebaut. Das Bahnbetriebswerk ist dagegen nicht mehr in Betrieb, die letzten Anlagen verfallen.
zugunsten einer parallelen Führung zur Lehrter Bahn über Rathenow und Stendal, ergänzt durch den Ausbau der Strecke Oebisfelde/Wolfsburg – Lehrte – Hannover. Die Bauarbeiten begannen 1991, zum Winterfahrplan 1998/99 ging die neue Schnellfahrstrecke in Betrieb. Die Schnellfahrstrecke führte zu einer deutlichen Verbesserung im Fernverkehr: Die Reisezeit Berlin – Köln wurde um rund eine Stunde reduziert. Der 27. September 1998 brachte daher große Einschnitte für die bisherige Ost-WestMagistrale Berlin – Magdeburg – Hannover. Die Strecke sowie die Landeshauptstadt Potsdam wurden vom ICE-Verkehr und auch von großen Teilen des Fernverkehrs abgekoppelt. Magdeburg blieb zumindest im Stundentakt mit der IC-Verbindung von Leipzig nach Hannover an das Fernverkehrs-
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Modernisiert und elektrifiziert: So sieht die Magistrale nach der Sanierung im Rahmen der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit aus; Aufnahme in Güsen Michael Scheppan
Im April 1991 läuft der Zugverkehr wieder über Potsdam Stadt; „Ludmilla“ 132 063 trifft mit ihrem D-Zug ein Volker Emersleben
teilweise wiederbeleben will. Der Fernverkehr soll damit in der Fläche ausgebaut werden. Für die Strecke Berlin – Magdeburg ist die Einführung einer neuen Linie Cottbus – Berlin – Magdeburg – Hannover – Norddeich Mole ab 2022 vorgesehen. Das wertet das heute verkehrende Zugpaar zu einem Taktverkehr auf. Dabei sollen Doppelstockzüge zum Einsatz kommen. Damit hätte die Strecke Berlin – Magdeburg – Braunschweig zumindest in beiden Teilabschnitten wieder dichteren Fernverkehr. Auch wenn es bis 2022 noch ein paar Jahre dauert … Michael Scheppan/GM netz angebunden. Die über Braunschweig verkehrende ICE-Linie 6 Berlin – Frankfurt (Main) – Basel/– München benutzt ab Fallerleben die Weddeler Schleife nach Weddel auf der Strecke Berlin – Braunschweig und erreicht so den Bahnhof Braunschweig.
Die „Magistrale“ heute Im Fernverkehr benutzen aktuell nur noch einzelne Züge die Strecke Berlin – Magdeburg. So verkehrt derzeit ein IC-Zugpaar Cottbus – Norddeich Mole über diese Strecke. Ansonsten hat sie die Funktion einer Umleitungsstrecke. Bei Störungen auf der Schnellfahrstrecke Berlin – Hannover werden Züge kurzfristig über Magdeburg umgeleitet; die Fahrzeitverlängerung beträgt im günstigsten Fall 40 Minuten. In großem Umfang geschah dies nach dem Elbhochwasser BAHN EXTRA 5/2015
im Juni 2013, bei dem die Schnellfahrstrecke bei Schönhausen überflutet worden war. Bis zum November 2013 dauerten die Reparaturen an, in dieser Zeit nahm der Fernverkehr wieder den Weg über die Magdeburger Strecke und ließ dort für rund ein halbes Jahr alte Magistralen-Zeiten aufleben. Zwischen Magdeburg und Braunschweig verkehren weiterhin die beiden IntercityLinien 55 und 56 von Dresden über Magdeburg und Hannover nach Köln bzw. von Leipzig über Magdeburg, Hannover nach Norddeich Mole. In diesen Takt integriert ist auch das erwähnte Zugpaar nach Cottbus. Demnächst dürften jedoch Verbesserungen ins Haus stehen. DB Fernverkehr hat im März 2015 das neue Fernverkehrskonzept vorgestellt, bei dem man auch den IC-Verkehr stärken und frühere InterRegio-Linien
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| STILLLEBEN UND SZENERIEN
Blickfänge Es ist nicht nur der nostalgische Charme des Vergangenen, der Aufnahmen von den „ehemaligen“ Magistralen ausmacht. Oft gab es in der Betriebszeit Sehenswertes über den reinen Fernreiseverkehr hinaus – oder später etwas, das die Erinnerung daran weckt
Die Einfahrt zum Prinzenkopf-Tunnel bildet den Rahmen für die 181 und den D 2155, als die Garnitur im Mai 1985 auf dem berühmten Hangviadukt von Pünderich heraneilt. Gleich wird’s in der Röhre mächtig laut ... Joachim Seyferth
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Bei Asmushausen, an der Nord-Süd-Strecke nordöstlich von Bebra, liegt der Braunhäuser Tunnel. Als die DB 1961 mit der Elektrifizierung beginnt, muss das Bauwerk weichen; seine Höhe reicht nicht für den Aufbau der Oberleitung aus Helmut Först/Bildarchiv der Eisenbahnstiftung; Sven Klein (Bild links)
... und noch ein Tunnel: Nahe bei Dresden liegt Edle Krone, wo die Strecke Richtung Freiberg (– Reichenbach – Hof) mit Kunstbauten die mittelgebirgige Landschaft durchquert. Im Mai 1992 ist dort Reichsbahn-Ellok 112 036 im Reiseverkehr unterwegs
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Bilderbogen
| STILLLEBEN UND SZENERIEN
Das Hetzdorfer Viadukt an der Strecke Dresden – Werdau hat in den frühen 1990er-Jahren das Ende seiner Nutzungszeit erreicht. Die DR entscheidet sich für einen Neubau und verlegt dabei einen Teil der Strecke. Im Herbst 1991 nutzen Eisenbahnfreunde die Gunst der Stunde und halten noch den Betrieb auf dem alten, 1868 erbauten Viadukt im Bild fest Sven Klein
Im Rahmen der „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“ wird auch die Strecke Stendal – Uelzen wieder aufgebaut. Am 24. April 1993 laden die beiden deutschen Bahnen zum Baubeginn in Hestedt Volker Emersleben
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Baustadien Die frühen 1990er-Jahre sind prall gefüllt mit Bauvorhaben: mit Instandsetzungen, Lückenschlüssen und weiterem, denn es herrscht enormer Nachholbedarf. Für einige andere Bauwerke hat die Bahn hingegen keine Verwendung mehr
An der Strecke Würzburg – Heilbronn – Stuttgart liegt der Bahnhof Siglingen. Im April 1999 heißt es wohl besser: ... liegen der Bahnhof und sein ehemaliges Empfangsgebäude Georg Wagner
Die Folgen der Demontage sind auch 1992 im DR-Netz zu erkennen: In Hämmerten an der Strecke Berlin – Magdeburg hat die Elbebrücke nach wie vor nur ein Gleis Volker Emersleben
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Bilderbogen
| STILLLEBEN UND SZENERIEN
Am Bahnhof Von beschaulich bis international, vom Dornröschenschlaf bis zur Sonderfahrt – die Palette des Bahnbetriebs ist breit gefächert. Je nach Station ...
In Dillenburg (Strecke Hagen – Gießen) informiert die Bahnhofsaufsicht die Reisenden auch im Jahr 1984 mit einem Schilderständer. Das Schild „Schnellzug“ hat dabei durchaus seine Berechtigung ... Joachim Seyferth
Seitdem die Reichsbahn den Zugverkehr Gerstungen – Bebra fast ausschließlich über die Neubaustrecke bei Förtha leitet, ist der Bahnhof Herleshausen ziemlich verwaist. Nur noch etwas Güterverkehr besteht hier, ansonsten dämmert die DR-Station auf Bundesgebiet vor sich hin (April 1971) Wolf-Dietmar Loos
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Im Fernreiseverkehr steht die rechte Rheinstrecke Köln – Niederlahnstein – Wiesbaden (– Frankfurt (M)) zwar hinter der Strecke auf der linken Uferseite zurück, aber auch hier konnte man lange Zeit Fernzüge bestaunen. Zu den prominentesten Vertretern zählt in den 1970erund 1980er-Jahren der „Hellas-Express“ Dortmund – Athen. Auf seinem Weg nach Südeuropa macht er rechtsrheinisch nur in Bonn-Beuel Station; ansonsten fährt er, wie auf dem Foto vom Mai 1979 in Kaub, ohne Halt durch Wolfgang Bügel/Bildarchiv der Eisenbahnstiftung
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Nein, das ist nicht der neue Zug für die Strecke Erfurt – Schweinfurt; der Diesel-ICE ist am 9. Juli 2015 als Sonderzug für Dreharbeiten zu einem Spielfilm nach Oberhof gekommen. Das normale Reiseangebot hier verkörpert der RegioShuttle der SüdThüringen-Bahn links im Bild Volker Emersleben
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Strecken und Züge
| GÖTTINGEN – DRANSFELD – HANNOVERSCH MÜNDEN
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ls die Hannoversche Südbahn – endlich – 1851 bis Kassel weitergeführt werden sollte, entschied die Regierung von Hannover, dass zwischen Göttingen und Hannoversch Münden auf keinen Fall das Gebiet des Kurfürstentums Hessen-Kassel zu berühren sei. Das erforderte eine in Bau und Betrieb aufwendigeTrasse mit Schleifen bei Göttingen, Steigungen bis 1:64 aus Richtung Göttingen und 1:78 aus Richtung Hannoversch Münden sowie einen Tunnel. Der Streckenabschnitt erhielt von Anfang an zwei Gleise, 1856 wurde die Südbahn vollendet. Zusammen mit der Main-Weser-Bahn Kassel – Frankfurt und der Main-Neckar-
Auf einen Blick
Göttingen – Dransfeld – Hannoversch Münden Kursbuchstrecke: Erbauer: Eröffnung: Spurweite: Anlage:
257 (1975) Hannoversche Staatsbahn 1856 1.435 mm Hauptbahn, zweigleisig (ab 1943 teilweise eingleisig) Länge: 34 Kilometer Wichtigste Halte: Dransfeld Stilllegung: 1980 (Reisezugverkehr) Rückbau: 1982 (bis Dransfeld), Rest ca. – 2007 Fernverkehr: D-Züge, u.a. Bremen –/Hamburg – Stuttgart (bis 1939); F- und D-Züge, u.a. Hamburg –/Bremen – Basel (nach 1949, bis ca. 1960er-Jahre)
Bahn Frankfurt – Heidelberg/– Mannheim bildete der Abschnitt Göttingen – Hannoversch Münden schon in den 1850er-Jahren eine Hauptachse im Eisenbahnnetz. Nordwärts konnte damals bis Bremen gefahren werden.
Bedeutung in der Frühzeit
Am 17. März 1973 kommt mit der Rheiner 012 063 noch einmal eine 01.10 auf die Dransfelder Strecke, auf dem Foto mit ihrem langen Sonderzug beim Verlassen des Volkmarshausener Tunnels. In den 1950er- und frühen 1960er-Jahren war die mächtige Pazifik-Dampflok regelmäßig mit D-Zügen auf der Strecke anzutreffen Martin Weltner
Die Ausweichstrecke
Vorübergehend stieg die Bedeutung sogar noch an. 1867 waren eine Verbindung von Göttingen nach Arenshausen sowie die Strecke Halle – Nordhausen – Arenshausen in Betrieb. Damit konnten über Göttingen – Dransfeld – Hannoversch Münden Züge durchgehend zwischen Halle und Kassel fahren. Zwar war von vornherein klar, dass dies keine Dauerlösung sein würde, aber zumindest im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 war das wichtig. Die Militärtransporte erreichten einen so großen Umfang, nahmen. Im Jahr 1878 wurden zudem die dass die Teilstrecke Arenshausen – Hanno- Strecken Bebra – Eschwege und Niederhone versch Münden länger als andere Eisenbah- – Eichenberg – Friedland eröffnet; im Bahnnen für zivilen Verkehr gesperrt war. hof Eichenberg kreuzte sie die Halle-KasBereits 1872 ging jedoch eine neueVerbin- seler Eisenbahn. Damit gab es zwischen dung Halle – Kassel in Betrieb, so dass diese Hannoversch Münden und Göttingen eine Züge nicht mehr den Weg über Dransfeld zweite Trasse, die mit 42,3 Kilometern zwar
Seit Ende des 19. Jahrhunderts spielte dieVerbindung Göttingen – Dransfeld – Hannoversch Münden vor allem als Umgehung eine Rolle. In frühen DB-Jahren gab es hier noch einige Schnellzug-Anschlüsse, doch sollte sich das Angebot bald ändern
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8,5 Kilometer länger war als die Route über Dransfeld, aber mit maximalen Neigungen von 1:80 gerade für den schweren Güterverkehr auch deutlich günstiger trassiert. Noch sprach die eingleisige Anlage der „neuen“ Strecke für die „alte“Verbindung über Dransfeld. Aber schon 1882 bewilligte der preußi-
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Nur drei Nahverkehrszugpaare fahren in den 1970ern von Göttingen über Dransfeld nach Hannoversch Münden. Auch N 2503, der letzte Reisezug mit Dampflok auf der Nord-Süd-Strecke, kommt hierher; im Bild mit 044 456 auf der Werrabrücke in Hann. Münden 1974 (s. S. 6-9)
Im Jahr 1958 leitet die Bundesbahn verschiedene Fernzüge über die Dransfelder Strecke: Unter anderem nehmen F 44 Bremen – Basel, D 184 Hamburg – Zürich und D 74 Hamburg – Basel diesen Weg Slg. Dr. Lutz Münzer, Martin Weltner (Bild oben)
sche Landtag das Geld zur Vervollständigung des zweigleisigen Ausbaus der Strecke Göttingen – Friedland – Eichenberg – Bebra und Anfang des 20. Jahrhunderts erhielt auch der Abschnitt Eichenberg – Hannoversch Münden ein zweites Gleis. Wann die Umlegung des Güterverkehrs auf die Route über Eichenberg einsetzte, lässt sich nicht feststellen – aber schon im Fahrplan 1897 steht bei einem schnell fahrenden Reisezugpaar der Vermerk, es würde über Eichenberg statt über Dransfeld geführt. Acht Jahre später gab es bei zwei der sieben schnell fahrenden Reisezugpaare zwischen Göttingen und Hannoversch Münden diesen Hinweis. Die Entwicklung setzte sich fort. Der älteren Verbindung verblieben vor allem die Züge, bei denen ein Risiko bestand, dass sie bei Unregelmäßigkeiten den übrigen Zugverkehr der Abschnitte Hannoversch Münden – Eichenberg bzw. Eichenberg – Göttingen behinderten. So befuhr im Winterfahrplan 1937/38 außer einigen Personenzügen im Reisezugverkehr nur ein Schnellzugpaar die alte Strecke Hannoversch Münden – Göttingen. Es handelte sich um das Zugpaar D 185/186. D 185 Stuttgart – Hamburg Altona/Bremen verließ Kassel Hbf sechs Minuten vor E 65 Bad Wildungen – Eichenberg – Chemnitz, so dass es nahe lag, in Hannoversch Münden die beiden Zugläufe auf getrennte Strecken zu legen. In der Gegenrichtung bestand eine nahezu gleiche Situation: D 186 Bremen/Hamburg Altona – Stuttgart folgte E 66 Chemnitz – Bad Wildungen ab Hannoversch Münden im Abstand von sieben Minuten. Mit der Ausweitung des Fernverkehrs kurz vor dem Zweiten Weltkrieg wurde 1938/39 das FDt-Paar 77/78 BAHN EXTRA 5/2015
Frankfurt (Main) – Hamburg-Altona über die Dransfelder Hochfläche geführt. Im Jahr 1943 entfernte man das zweite Gleis zwischen Dransfeld und Hannoversch Münden, um es für Kriegszwecke zu verwenden. 1945 sprengte deutsches Militär die Werrabrücke in Hannoversch Münden. Damit ruhte der Betrieb.
Letzte Blüte nach 1949 Erst 1949 folgte der Wiederaufbau – deutliches Zeichen dafür, wie gering derVerkehrswert der Bahn mittlerweile eingeschätzt wurde.Trotzdem gab es eine bald anderthalb Jahrzehnte währende letzte Blüte: Zur Entlastung des Abschnitts Göttingen – Eichenberg mit seiner langen Steigung zum Eichenberger Sattel führte die Bundesbahn nach 1949 diverse Schnellzüge über die Dransfelder Hochfläche. Vor allem in Nord-SüdRichtung benutzten Fernreisezüge die Strecke, hier gab es keine Probleme mit dem Ein- und Ausfädeln in Göttingen bzw. Hannoversch Münden. Sieben Schnellzüge, darunter ein Fernschnellzug (FD), waren es im
Zur Lage
Sommer 1950, sogar zehn im Sommer 1959, darunter vier FD, und 1962 noch fünf (einschließlich eines FD). Von diesen sind vor allem zu nennen der Ft 44/43 „Roland“ und der zunächst als Gliedertriebzug gefahrene „Komet“. Die D-Züge, bespannt mit Dampflokomotiven der Reihe 01, bedurften grundsätzlich von Göttingen aus der Schubhilfe durch 44er. Maximal 350 Tonnen Anhängelast waren für die Schnellzugdampflok solo zugelassen, die Zuggewichte betrugen aber zwischen 400 und 550Tonnen. Auch einzelne Ferngüterzüge rollten über die Strecke. Es war eine mühsame Fahrerei und so überrascht nicht, dass die DB bereits vor der Umstellung der konkurrierenden Fernstrecken auf elektrischen Betrieb den Fernverkehr über Dransfeld reduzierte. Erleichtert wurde dies zunächst durch den Umbau des Bahnhofs Eichenberg 1962. Nun konnte man Züge nach Kassel von der Nord-Süd-Strecke niveaufrei ausfädeln. Die Umstellung der
1963 wurde die Strecke über Dransfeld für den Fernverkehr entbehrlich Nord-Süd-Strecke auf elektrischen Betrieb zum Sommerfahrplan 1963 ließ die alte Strecke über Dransfeld für den Fernverkehr entbehrlich werden. Spätestens mit der Elektrifizierung des Abschnittes Kassel – Eichenberg kam die Führung von Fernzügen über Dransfeld dann ohnehin nicht mehr in Betracht.
Die weitere Entwicklung Der schon immer bescheidene Nahverkehr der Strecke wurde in der Folge allmählich reduziert, mit Ablauf des Winterfahrplans 1979/80 endete der Reisezugverkehr dann ganz. Der Teilabschnitt Göttingen – Dransfeld wurde 1980 stillgelegt, da die DB im Bereich des Bahnhofs Göttingen die Trasse für die Neubaustrecke Hannover – Würzburg benötigte. Die planmäßige Bedienung des Restabschnittes der alten Hauptbahn endete 1984, letzte Fahrten fanden 1995 statt. Auch der große Trennungsbahnhof Hannoversch Münden mit zwei Inselbahnsteigen, einem kleinen Lokbahnhof neben dem Empfangsgebäude sowie einem umfangreichen Ortsgüterbahnhof wurde seither drastisch zurückgebaut. Heute gibt es außer den durchgehenden Hauptgleisen lediglich ein für beide Richtungen nutzbares Überholungsgleis. Das aus den Anfängen der Strecke stammende Empfangsgebäude wurde hingegen sorgfältig restauriert und beherbergt eine Fahrkartenausgabe. Dr. Lutz Münzer
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Erinnerungen
| D/E „FRANKENLAND“
Quer
durch DB-Land Viele ältere Eisenbahnfreunde erinnern sich noch an den „Frankenland“. Er war nicht nur der letzte dampfbespannte Namenszug der Bundesbahn, auch sein Laufweg hatte eine Menge zu bieten
E
s waren zwei nicht gerade mit vielen Fernverkehrszügen gesegnete Regionen, die das Zugpaar D/E 658/659 in den frühen 1970er-Jahren verband. Der „Frankenland“, so der Name des Zuges, fuhr zwischen Saarbrücken und Hof – einmal quer durchs südliche Bundesbahnland von West nach Ost. Die Route legte er relativ schnell zurück; so wurde das Zugpaar von der DB in den Fahrplantabellen auch anfangs als „neu“, später als „schnell“ beworben.
Seit Sommer 1970 im Kursbuch Erstmals fand man den „Frankenland“ im Sommer 1970 im Kursbuch. Sein Vorgänger war der namenlose, im Sommer 1969 eingeführte D/E 458/459 auf dem gleichen Laufweg. Nur wenige Reisende dürften den Zug auf seiner gesamten Strecke benutzt haben, doch da er verschiedene Mittelzentren miteinander verband, war er stets gut ausgelastet. Und er nutzte mehrere Strecken, auf denen es heute keinen Fernreiseverkehr mehr gibt.
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Von hier an mit Dampf: In Bamberg setzt sich eine 01 an den Eilzug. Sie wird ihn die 127 Kilometer bis Hof führen (Dezember 1972)
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Gleich zwei 01 stampfen mit dem „Frankenland“ dem Mittelgebirge entgegen (Dezember 1972). Auf dem Abschnitt Würzburg – Hof ist dies zwar „nur“ noch ein Eilzug, aber einer, der von Lok und Wagen her mühelos als Fernreisezug durchgeht Martin Weltner (3)
Anlauf nehmen für die Steigung: Mit viel Schwung sticht die 01 samt Eilzug aus dem Bahnhof Neuenmarkt-Wirsberg Richtung „Schiefe Ebene“. An diesem Dezembertag 1972 haben Eisenbahner den Zugnamen auf die Rauchkammertür der Lok geschrieben
Der „Eilzug-Abschnitt“ des „Frankenland“ alias E 658 im Sommerfahrplan 1970; von Würzburg aus geht es als D-Zug weiter, Ankunft in Saarbrücken Hbf ist um 20:35 Uhr Archiv GM
Wie verlief eine solche Reise? Das soll bei- 32 Kilometer entferne Lichtenfels reichte, erreichte. 539 Kilometer quer durch Südspielhaft D 659 „Frankenland“ zeigen, unter- rollte in Bamberg eine Hofer 001an den Zug; deutschland vom Saarland nach Oberfranwegs im Winterfahrplan 1972 von Saarbrü- mitunter konnten es auch zwei Exemplare der ken in gut sieben Stunden ohne Umsteigen – cken nach Hof. Um 7:51 Uhr verließ der mit stolzen Reichsbahn-Schnellzuglok sein. In so war das vor 45 Jahren, und vor dem Zug einer Minibar bewirtschaftete Namenszug flotter Fahrt ging es mit Zwischenhalten in erlebte man mit der E 10/E 18, der V 200 und Saarbrücken Hauptbahnhof, um hinter einer Lichtenfels, Burgkunstadt und Kulmbach der 01 Lok-Ikonen jeder Traktionsart. Heute ist man eine knappe Stunde weniger unterEllok über Homburg, Kaiserslautern und wegs – meist ohne Fernreisezug, denn die Ludwigshafen Mannheim zu erreichen. In gibt es zwischen Heidelberg, Würzburg, Mannheim wurde „Kopf gemacht“ und mit Bamberg und Hof nicht mehr. Schnelle ReDieseltraktion ging es weiter über Heidelgionalzüge fahren nun, man muss aber drei berg und Neckarelz nach Lauda. Nach kurzem Aufenthalt rollte die 220 weiter bis Würz- nach Neuenmarkt-Wirsberg, wo eine betrieb- oder vier Mal den Zug wechseln. burg, das um 11:44 Uhr erreicht wurde. In liche Besonderheit geboten wurde. Da der Würzburg gab es nicht nur eine runde Vier- „Frankenland“ planmäßig mehr als fünf Abschied vom „Frankenland“ telstunde Aufenthalt, offiziell wurde der Wagen hatte, setzte sich eine 211 ans Zugende, Der Beginn des Sommerfahrplans im Juni Schnellzug nun auch ein Eilzug. An seinem um die 01 an der Zugspitze bei der anschlie- 1973 bedeutete übrigens nicht allein das Namen änderte sich natürlich nichts. ßenden Bergfahrt über die berühmte „Schiefe „Aus“ für die 01 im hochwertigen ReisezugHier übernahm wieder eine Ellok – 1972 Ebene“ tatkräftig zu unterstützen. Mit Getöse dienst. Auch aus dem „Frankenland“ wurde konnte das anstelle einer Einheits-Ellok 110 arbeitete sich die Garnitur die Rampe hinauf. etwas ganz anderes: Den Namen bekam nun ebenso gut eine Altbau-Ellok 118 sein – den In Marktschorgast endete der Schubdienst, ein DC-Zugpaar zwischen Nürnberg und Zug und führte ihn über die gerade erst elek- die V 100 kehrte zur Talstation zurück, wäh- Saarbrücken. Es gehörte zu den wenigen trifizierte Strecke via Schweinfurt nach Bam- rend die 01 nach einem weiteren Zwischen- wirklichen Neuheiten des DC-Systems und Martin Weltner berg. Und obwohl der Fahrdraht weiter bis ins halt in Münchberg um 15:16 Uhr Hof verkehrte noch bis 1977.
An der „Schiefen Ebene“ bekam die 01 Hilfe in Form einer Schublok 211
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Strecken und Züge
| HAGEN – GIESSEN
Chancenlos
gegen die Neubaustrecken
Die Trassierung der Strecke ist nicht unbedingt fernverkehrsfreundlich, als Alternative zum Rheintal hatte Hagen – Gießen aber lange Zeit Bedeutung. Bis zwei Schnellfahrstrecken dieVerkehrsströme umlenkten
D
ie Main-Weser-Bahn Kassel – Gießen – Frankfurt befand sich noch im Bau, als man bereits über Ergänzungen nachdachte. 1845 erhielt der belgische Ingenieur Francois Splingard, der unter anderem den Bau der Main-Weser-Bahn leitete, von der privaten Köln-Mindener Eisenbahn den Auftrag, eine Strecke von Köln durch das Bergische Land und das obere Lahntal nach Marburg zu planen. Zugleich sollte eine Zweigbahn nach Hagen entstehen, die bei Klafeld nahe Siegen in die Hauptstrecke einmündete. Doch kam keine der beiden Bahnen zu Stande.Vielmehr setzte ein mehrjähriger Planungsmarathon ein, erschwert durch Sonderwünsche der betroffenen deutschen Staaten. Schließlich einigte man sich darauf, dass die Köln-Mindener Eisenbahn eine Strecke von Köln über Betzdorf nach Gießen und eine Zweigbahn von Betzdorf nach Siegen anlegte und dass weiterhin die Bergisch-Märkische Eisenbahn eine Linie von Hagen nach Siegen baute. Anfang 1862 waren die Bahnen vollendet. Wie erhofft, erfreuten sie sich rasch guter
Nutzung; für die Erzförderung im Siegerland und um Dillenburg sowie die Montanindustrie entlang der Bahn von Siegen nach Hagen gab es nun eine Transportmöglichkeit. Schon in den 1860er-Jahren gab es Ganzgüterzüge mit Kohle vom östlichen Ruhrgebiet über Gießen hinaus nach Frankfurt.
Eine Relation mit Hindernissen Allerdings besaß die Verbindung Hagen – Gießen drei Mängel: Der Verlauf in den engen, windungsreichen Tälern von Lenne und Sieg zwang zu oftmals bescheidenen Höchstgeschwindigkeiten. Nördlich von Siegen hatten sich maximale Neigungen von 1:72 nicht vermeiden lassen, was den Betrieb erschwerte. In Altenhundem entstand ein Bahnbetriebswerk, das vor allem Lokomotiven für Vorspann- und Schiebedienste stellte. Und schließlich gestaltete sich der Fahrtrichtungswechsel im Keilbahnhof Betzdorf aufwendig. Daher verwundert es nicht, dass zunächst kein hochwertiges Fernreisezugangebot zwi-
Im Güterverkehr spielt die Strecke seit jeher eine große Rolle, trotz der teilweise schwierigen Trassierung. Auf dem Abschnitt Siegen – Gießen schleppt 150 140 im April 1986 eine 140er sowie einen Güterzug über den Viadukt von Niederdielfen Georg Wagner
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schen Hagen und Gießen existierte. Das änderte sich aber mit dem allgemeinen Wirtschaftsaufschwung um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Im Kursbuch von 1905 findet sich ein schnell fahrendes Reisezugpaar Duisburg – Frankfurt über Betzdorf, ein weiteres schnell fahrendes Reisezugpaar Hagen – Betzdorf hatte Anschlüsse von und nach Frankfurt mit einem schnellen Zug der Relation Köln – Frankfurt. Offenbar bewährte sich das; unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg gab es zwei Schnellzugpaare über Siegen mit
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Zur Lage den Laufwegen Krefeld – Konstanz und Norddeich – Frankfurt, Letzteres unter anderem mit Kurswagen von und nach Krefeld. Beide Zugpaare wurden südwärts in Betzdorf mit einem Schnellzug von Köln vereinigt bzw. nordwärts von diesem getrennt. Dabei begegneten sich jeweils zwei Zugpaare in Betzdorf, so dass hier zwei Mal am Tag binnen weniger
Die Strecke empfahl sich als kürzere Alternative zum Weg durchs Rheintal Minuten in alle drei Richtungen ein Schnellzug den Bahnhof verließ. Die Züge von/nach Köln bzw. Hagen trugen übrigens die gleiche Nummer (siehe Kasten S. 62). Trotz des „Hakens“ in Betzdorf bei der Fahrt zwischen Hagen und Frankfurt machte die Führung von Schnellzügen über diese Relation Sinn. Gegenüber dem Weg über Wuppertal – Köln sparte man 28 Kilometer, die Fahrzeit war mit ca. fünf Stunden für 271 Kilometer um über eine Stunde kürzer als auf der Alternativroute.
Wagen der Vorkriegs-Reichsbahn wie auch der Bundesbahn kommen in den 1960er-Jahren in den D-Zügen zwischen Hagen und Gießen zum Einsatz. Im Mai 1965 hat 01 020 mit D 384 eine reine Vorkriegs-Garnitur am Haken; Aufnahme bei Sechshelden Dr. Rolf Brüning
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Strecken und Züge
| HAGEN – GIESSEN
Auf einen Blick Zuletzt bietet die Deutsche Bahn AG im Fernreiseverkehr InterRegios Hagen – Frankfurt an. Im Mai 2000 kommen zwei 112 mit IR 2413 durch Finnentrop; 2002 wird die Linie eingestellt Wolf-Dietmar Loos
Noch im 19. Jahrhundert erhielten die Linien zwischen Hagen und Gießen über Betzdorf das zweite Streckengleis. Zunehmend erwies sich aber die Situation mit dem Umweg über Betzdorf als Hindernis; 1908 bewilligte der preußische Landtag die Baumittel für eine zweigleisige Verbindung von Weidenau bei Siegen nach Haiger nördlich von Dillenburg. Um von Siegen aus direkt Gießen erreichen zu können, wurde zusätzlich eine eingleisige Verbindungsbahn zwischen Siegen und dem an der neuen Bahn gelegenen Bahnhof Siegen Ost angelegt, so dass in der Stadt ein Gleisdreieck entstand. Die beiden neuen Strecken gingen 1915 in Betrieb, wobei man auch hier schwierige geologische Verhältnisse überwinden musste. Unter anderem entstand der 2.652 Meter lange Rudersdorfer Tunnel unter der Wasserscheide zwischen Sieg- und Dilltal, maximale Neigungen von 1:80 nahm man in Kauf. Zusammen mit anderen Ausbauten, darunter einer Umfahrung bei Gießen, wurde eine leistungsfähige Hauptabfuhrstrecke vom Ruhrgebiet ins südöstliche Deutschland geschaffen.
Fernverkehr nach 1918 Für die Aufnahme schnellen Fernreiseverkehrs eignete sie sich eigentlich weniger, zum einen wegen der Fahrtrichtungswechsel
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Hagen – Gießen Kursbuchstrecke: 440 (Hagen – Siegen), 445 (Siegen – Gießen) (1992) Erbauer: Berg.-Märk. Eisenb. (Hagen – Siegen), Köln-Mindener Eisenb. (Gießen – Betzdorf, Betzdorf – Siegen), preuß. Staatsbahn (Umfahrung Siegen) Eröffnung: 1859–1862, 1915 (Umfahrung Siegen) Spurweite: 1.435 mm Anlage: Hauptbahn, eingleisig (ab spätem 19. Jahrhundert zweigleisig), ab 1965 elektrisch Länge: 206 km (über Betzdorf), 175 km (über das heutige Siegen-Weidenau) Wichtigste Halte: Letmathe, Finnentrop, Altenhundem, Kreuztal, Siegen, Dillenburg, Herborn, Wetzlar Stilllegung: – Rückbau: – Fernverkehr: D-Züge, u.a. Norddeich – bzw. Essen – Frankfurt (Mitte der 1970er zum Teil als DC), IR Hagen – Frankfurt (ab 1994)
Überblick – Begegnung in Betzdorf
Schnellzüge im Bahnhof Betzdorf (Sommer 1914 gegen 10 Uhr) Von/nach An Betzdorf Ab Betzdorf
Hagen 9:46 (D 176) 9:58 (D 81)
Frankfurt 9:50 (D 81) 9:54 (D 176)
Köln 9:40 (D 176) 10:00 (D 81)
in den Zwischenstationen Siegen und paar Köln – Frankfurt und schließlich ein PerGießen, zum anderen wegen der steigungs- sonenzugpaar mit eilzugmäßigem Haltestelreichen Strecke. Gleichwohl wurde die Ver- lenmuster zwischen Oberhausen und Frankbindung Hagen – Siegen – Gießen auch im furt. Fernreiseverkehr bedient, der zum enormen Güterverkehr dazu kam. 1925 gab es zwei Die Zeit nach 1945 Schnellzugpaare, Dortmund – Freiburg und Der Krieg unterbrach den Fernreiseverkehr Mönchengladbach – Frankfurt. Die Änderun- auf der Strecke. Ende der 1940er-Jahre entgen bis zum Zweiten Weltkrieg hielten sich stand dann ein Fahrplanschema, dass sich in Grenzen; 1937/38 verkehrten je ein von dem derVorkriegszeit kaum unterschied. Schnellzugpaar Dortmund – Frankfurt und Im Sommer 1949 verkehrten zweiTagschnellEssen – Frankfurt, dazu ein Eilzugpaar Wup- zugpaare (Essen – Frankfurt und Düsseldorf pertal – Siegen mit Anschluss an ein Eilzug- – Frankfurt), dazu ein Nachtschnellzugpaar
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Nur ein kurzes Gastspiel geben Mitte der 1970er-Jahre die DCZüge auf der Strecke. Im August 1976 ist eine Garnitur bei Hagen unterwegs – immerhin mit einer 103! Wolf-Dietmar Loos
blieb es auch nach dem Ende des DC, so dass in den frühen 1980er-Jahren sieben D-ZugPaare auf der Strecke unterwegs waren. 1983 wurden einige Eilzüge in Schnellzüge umtituliert; von nun an galt zwischen Hagen und Gießen ein Fahrplan mit schnellen Zügen im Zwei-Stunden-Takt. Damit war die Strecke geradezu prädestiniert für die Aufnahme in das InterRegio-Zugsystem, während andererseits die Kurswagenverbindungen aufgegeben wurden. Als Grundrelation nahm die DB in der Einführungsphase die Relation Hagen – Frankfurt mit Fortführungen nordwärts bis Norddeich und südwärts weit nach Süddeutschland mit wechselnden Zielen – 1990 etwa nach Regensburg. Hier gab es offenbar Unsicherheiten, wohin man die Züge sinnvollerweise fortführte. 1994 erhielten die bisherigen D-Züge die Gattungsbezeichnung IR.Während sie an Siegen unverändert und zwar durchweg vorbei fuhren, hielten sie andererseits durchgängig in Gießen.
Der langsame Abstieg
Mitte der 1980er-Jahre stellten D 810/811 eine besonders schnelle Verbindung zwischen Dortmund und Frankfurt her. Im Bild D 810 mit 110 127 in Finnentrop, Juli 1985 Dr. D. Beckmann
Frankfurt – Essen, das sechseinhalb Stunden unterwegs war und lediglich Sitzwagen 3. Klasse führte. Hinzu kam ein Eilzugpaar Essen – Siegen mit Anschluss in Siegen auf ein Eilzugpaar Frankfurt – Köln. Daran änderte sich in den nächsten Jahren wenig, lediglich wurde das Nachtzug-
Im Jahr 1968 gab es vier D-Zugpaare, die zum Teil Kurswagen mitführten paar – bei kaum verändertem Haltestellenmuster – in einen Personenzug umgewandelt. Ab Mitte der 1950er-Jahre nahm das Angebot im Fernverkehr allmählich zu; 1968 existierten vier Schnellzugpaare, darunter zwei im Süden über Frankfurt hinaus bis Stuttgart bzw. Oberstdorf. Kurswagen liefen von München nach Münster und von Frankfurt nach Norddeich; touristische Belange besaßen also durchaus Bedeutung. Das schnelle nächtliche Zugpaar hatte die Bundesbahn dagegen aufgegeben. BAHN EXTRA 5/2015
Zwecks Beschleunigung hielten seit den späten 1960er-Jahren einige D-Züge im Bahnhof Weidenau statt in Siegen und schließlich wurde auch häufig am Bahnhof Gießen vorbeigefahren. Das ersparte zwei Fahrtrichtungswechsel. In beiden Fällen gab es zwar in aller Regel Zu- und Abbringerzüge, aber die Begeisterung der Kunden dürfte sich in Grenzen gehalten haben. Parallel dazu legte die Bundesbahn weitere hochwertige Reisezüge ein, mit Bielefeld kam ein neuer Ausgangs- und Endbahnhof dazu. Die DB verbesserte die Verbindung vom östlichen Ruhrgebiet und von Westfalen mit Frankfurt, ohne das Rheintal zusätzlich zu belasten. Im Jahr 1971 rollten fünf D-Zugpaare auf der Strecke; zwei davon dienten als umsteigefreie Verbindungen in wichtige Ferienregionen, und zwar nach Oberstdorf bzw. Norddeich. Ergänzend fuhren einige Eilzüge. Im Laufe des Jahrzehnts wurden manche Verbindungen zu DC-Zügen, womit die DB gleichzeitig das Angebot aufstockte. Dabei
Zu dieser Zeit hatte der Niedergang der Fernverbindung allerdings schon begonnen. Mit der Vollendung der Neubaustrecke Würzburg – Hannover 1991 und der Einrichtung der IR-Linie vom Ruhrgebiet nach Kassel und weiter büßte die Linie Hagen – Frankfurt einenTeil ihres Einzugsbereichs im östlichen Westfalen ein. Und das war erst der Anfang: Zwei Stunden und 50 Minuten dauerte die Fahrt zwischen Hagen und Frankfurt mit dem IR im Jahr 2000, nur zwei Stunden und 15 Minuten beanspruchte die Reise über die neue Schnellfahrstrecke Köln – Frankfurt ab dem Jahr 2002. Unter diesen Umständen überrascht es nicht, dass die IR-Verbindung keine Zukunft mehr hatte, zumal sie vorher schon mit dürftiger Nutzung kämpfte. Im Fahrplanjahr 2001/2002 gab es nur noch ein IR-Zugpaar Frankfurt – Norddeich, im Süden zeitweise Anzeige
www.modellbahnzentrum-uerdingen.de bis Weinheim an der Bergstraße verlängert und an Gießen vorbei geführt. Im folgenden Fahrplan war diese gleichfalls schwach ausgelastete Verbindung verschwunden. Auch der Güterverkehr ist heute nicht mehr so rege wie einst. Im Personenverkehr fahren Regionalzüge, die gegenüber dem InterRegio zwischen Hagen und Gießen (mit Umsteigen in Siegen) rund eine halbe Stunde mehr brauchen. Das Angebot gibt es stündlich, doch lässt der Reisekomfort der Züge bei längeren Fahrten arg zu wünschen übrig. Da bedauert es schon mancher Kunde, dass aufgrund zweier konkurrierender Hochgeschwindigkeitsstrecken der Fernreiseverkehr von dieser Strecke verschwunden ist. Dr. Lutz Münzer
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Strecken und Züge
| KOBLENZ – TRIER
Im März 1953 rollt eine 38er mit D 24 auf der Moselstrecke unterhalb der Burg Bischofstein entlang. Das Bild entstand vom anderen Moselufer aus über den Moselort Burgen hinweg Carl Bellingrodt/Bildarchiv d. Eisenb.stiftg.
D
ie Erwartungen der preußischen Regierung klangen eher verhalten, als sie am 18. Dezember 1872 dem Landtag Pläne für eine Strecke Koblenz –Trier vorlegte. Der Abschnitt war Teil der im Volksmund später als „Kanonenbahn“ bezeichneten Verbindung Berlin – Metz und sollte dazu dienen, im Konfliktfall mit Frankreich schnell militärisches Gerät an die Grenze zu bringen. Bei der Rendite dagegen schwankten die Aussichten von Streckenteil zu Streckenteil. Für den Abschnitt Trier – Koblenz wurde sie eher bezweifelt, da, so steht es im Antrag, „die Gegenden, welche auf dieser Strecke durchschnitten werden, zumTheil arm sind. Der Lokalverkehr wird in Folge dessen nur mit der Zeit größere Bedeutung gewinnen können, dagegen ist die Annahme gerechtfertigt, dass der durchgehendeVerkehr, wenn er vielleicht auch nicht ausreichen wird, die Bahn sofort rentabel zu machen, doch von Anfang an erhebliche Dimensionen annehmen wird.“
Bau und Eröffnung Alles in allem veranschlagte die Regierung 71,5 Millionen Taler, entsprechend rund 214,5 Millionen Mark, um die Teilstücke der
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Minus
an der Mosel
Zu den „Großen“ im Fernreiseverkehr gehörte die Moselstrecke Koblenz –Trier nie. Aber Jahrzehnte lang gab es dort ein relativ stabiles Angebot an Fernreisezügen. Jüngst veränderte der Regionalverkehr die Lage
Kanonenbahn zu bauen und mit bestehenden Strecken zur geplanten Verbindung zusammenzufügen. Als 1872 die Mittel für den Bau beantragt wurden, stand die Trasse der Strecke Koblenz –Trier noch nicht vollständig fest. Sicher war jedoch bereits, dass man, um die Windungen des Moseltals weitgehend zu vermeiden, die Strecke dort auf der Eifelhochfläche bis kurz vor Trier führen wollte. Die Bahn sollte zweigleisigen Unterbau, zunächst aber nur ein Streckengleis erhalten. Die Baumittel wurden am 11. Juni 1873 bewilligt. Am 15. Mai 1879 wurde die Strecke von Koblenz bis Trier eröffnet. Kurz vor Trier, bei Ehrang, berührte sie die von Köln kommende Bahn der Rheinischen Eisenbahn. Im Unterschied zu dieser wurde die Linie von Koblenz nun auf das rechte Moselufer geführt und erhielt hier Anschluss an den Endbahnhof der kurz zuvor vollendeten staatseigenen Bahn von Saarbrücken; diese Station wurde später Trier Hauptbahnhof. Es handelte sich um eine aufwendige Strecke: Der Aufstieg vom Moseltal auf die Eifel bedingte umfangreiche Hangsicherungsbauwerke wie die Galerie bei Pünderich. Vor allem aber musste man einen 4.205 Meter lan-
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Das Portal mit dem Adler ist das Wahrzeichen des Kaiser-Wilhelm-Tunnels, des über viele Jahre längsten deutschen Eisenbahn-Tunnels. Im Juli 1990 fährt 181 206 mit D 2656 aus der vier Kilometer langen Röhre heraus G. Wagner
Im Juli 1987 passiert eine 181 mit D 2151 den Ortsteil Koblenz-Güls. Dies ist einer der Eilzüge, welche die Bundesbahn inzwischen als zuschlagfreie Schnellzüge führt Michael Hubrich
gen Tunnel errichten – der Kaiser-WilhelmTunnel bei Ediger-Eller war über viele Jahre hinweg der längste deutsche Eisenbahntunnel. Seine Belüftung sollte bis zur Umstellung auf elektrischen Betrieb ein nie restlos gelöstes Problem darstellen. Die im Moseltal
Mit 3.500 Einwohnern war Cochem unterwegs der größte Stationsort gelegenen KleinstädteTraben-Trarbach und Bernkastel-Kues erhielten Anbindungen durch kurze Stichbahnen, später wurde eine Nebenbahn von Wengerohr nordwärts über die Kreisstadt Wittlich in die Eifel gebaut. Davon abgesehen blieb die neue Linie zwischen Koblenz undTrier ohne abzweigende Staatsbahnen, Cochem war mit damals 3.500 Einwohnern größter Stationsort zwischen den Endbahnhöfen. BAHN EXTRA 5/2015
Die Linie war gerade erst vollständig in Betrieb, als bereits der Landtag um die Bewilligung der Mittel für den zweigleisigen Ausbau angegangen wurde – im Oktober 1879. Erneut war die Begründung primär militärischer Art, „als die Leistungsfähigkeit der Bahnen am linken Rheinufer mit denen rechts des Rheins nicht im richtigen Verhältnis steht.“ Im Klartext: Mangels Leistungsfähigkeit waren im Falle des Aufmarsches wegen der Eingleisigkeit der neuen Strecke Verstopfungen zu befürchten. Der Antrag fand Zustimmung, durchgängig zweigleisig war die Strecke aber erst ab 1898.
Fernverkehr 1880 bis 1945 Bis dahin hatte sich die so sehr militärisch begründete Linie längst zu einer wichtigen Fernverkehrsachse entwickelt. Schon das Kursbuch von 1880 weist pro Richtung einen Schnellzug mit durchgehenden Wagen zwi-
schen Berlin und Metz aus. Der Konjunkturaufschwung seit dem späten 19. Jahrhundert brachte erheblichesVerkehrswachstum: 1905 waren es drei schnell fahrende Reisezugpaare, unter anderem mit Wagendurchläufen Berlin – Metz, Gießen – Metz und Gießen – Saarbrücken. Unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg gab es vier schnell fahrende Reisezugpaare, darunter zwei D-Zugpaare Gießen – Metz. Kurswagen stellten Verbindungen nach Berlin, Dortmund oder Frankfurt her. Zur ersten Garnitur unter den Eisenbahnen des Deutschen Reiches zählte die Strecke damit nicht unbedingt. Aber es bedurfte doch Verbesserungen der Anlagen: Im frühen 20. Jahrhundert wurden diverse Zwischenbahnhöfe ausgebaut und bekamen mittig gelegene Überholgleise. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg forderte das Militär, zwei weitere Streckengleise zu verlegen. An Teilstrecken begannen Trassierungsarbeiten, die zum Projekt gehörende Strecke Neuwied – Koblenz mit einer Rheinbrücke ging am 15. August 1918 in Betrieb. Bis Anfang 1924 dauerten die Bauarbeiten noch an, dann musste man sie auf Anordnung der Siegermächte einstellen – ohne dass zusätzliche Gleise lagen. Unabhängig davon war die Strecke im Ersten Weltkrieg eine der wichtigsten Aufmarsch- und Nachschublinien für die Westfront. Die Ergebnisse des Ersten Weltkrieges minderten die Bedeutung der Moselbahn im Personenfernverkehr: Frankreich annektierte Elsass-Lothringen und damit die große Stadt Metz. Der internationale Reisezugverkehr litt unter wirtschaftlichen Krisen und Devisenbeschränkungen. Immerhin vier schnellfahrende Reisezugpaare, darunter drei D-Zugpaare, verkehrten Mitte der 1920er-Jahre. Bedient wurden die Relationen Diedenhofen –Trier – Koblenz – Gießen – Berlin undTrier – Koblenz – Gießen. Das Schnellzugpaar Diedenhofen – Berlin fuhr als Nachtreisezug und hatte zwischen Koblenz und Berlin Schlafwagen. 1939 überwogen die Eilzüge; fünf Paare gab es nun auf der Strecke, darunter eines zwischen Berlin und Trier, und zwar über Gießen – Kassel. Hinzu kam ein D-Zugpaar Luxemburg – Trier – Koblenz – Gießen – Kassel – Berlin. Saarbrücken und Niederlahnstein bildeten Anfangs- bzw. Endstation je eines Eilzugpaares.
Die Zeit nach 1945 Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der deutschen Teilung erübrigte sich Berlin als Ziel oder Ausgangsort von Fernzügen. Gewissermaßen als Rest der Verbindungen ost-
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Strecken und Züge
| KOBLENZ – TRIER
Militärische Verwendung des „Kanonenbahn“-Abschnitts Koblenz – Trier: Als Vorbereitung für den Angriff auf Frankreich wird im März 1940 eine motorisierte Wehrmachts-Einheit von Düsseldorf an die Grenze verlegt; Bild beim Zwischenhalt in Cochem RVM (Schaarschuch)/Eb.stiftg.
wärts verkehrte 1949 ein Eilzugpaar Trier – Gießen. Der Fernverkehr orientierte sich zunächst wesentlich an den Belangen der französischen Besatzungsmacht. So wurde ein DZugpaar Paris – Koblenz eingelegt. Enge politische Beziehungen zu Frankreich und die westeuropäische Einigung mit dem Bedeutungsgewinn von Luxemburg verhalfen der Strecke in den 1950er-Jahren zu erheblichem Aufschwung im Fernreiseverkehr. Im Sommer 1953 gab es zehn schnell fahrende Reisezugpaare, und zwar der Gattungen S (Städteschnellzug), E, D und sogar Ft. Während der Lauf der S- und EZüge grundsätzlich auf die Strecke selbst beschränkt blieb, gab es nun unter anderem ein Nachtschnellzugpaar Metz – Frankfurt mit Kurswagen Paris – Köln, ein Schnellzugpaar Paris – Koblenz, und das Ft-Zugpaar mit dem programmatischen Namen „Montan-Expreß“ bediente die Relation Frankfurt – Luxemburg. Ein weiterer Schnellzug rollte zwischen Saarbrücken und Koblenz, das wenige Jahre zuvor bis Gießen geführte Eilzugpaar endete und begann nun in Kassel.
Die 1950er- bis 1990er-Jahre In den folgenden Jahrzehnten blieb das Muster mit etwa zehn schnellen Reisezugpaaren, darunter drei bis vier Schnellzugpaaren, grundsätzlich erhalten. Auch die Ziele der Züge änderten sich nur wenig. Das 1953 noch bis Kassel fahrende Eilzugpaar wurde 1955 nordwärts bis Westerland und später westwärts bis Luxemburg verlängert. Den „Montan-Express“, der die Strecke ohne Halt durchfuhr, stufte die Bundesbahn 1955 zum D-Zug herab, den Laufweg verkürzte sie auf Luxemburg – Koblenz. Nordwärts wurden Züge über Köln hinaus ins Ruhrgebiet geführt. Saarbrücken bekam als Ziel bzw. Start
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schnell fahrender Züge mehr Bedeutung. In den frühen 1970er-Jahren wurde für eine Fahrplanperiode das Schnellzugpaar Koblenz – Paris ostwärts bis Gießen verlängert. Im Dezember 1973 begann der elektrische Betrieb. Das eher begrenzte Aufkommen im Reisezugverkehr hätte diese Maßnahme nicht unbedingt erfordert. Andererseits legte der umfangreiche Güterverkehr, unter anderem mit 2.000-Tonnen-Erzzügen von Emden ins Saarland, die Umstellung nahe. Im Reiseverkehr gab es in jenen Jahren ebenfalls Änderungen. In Zusammenhang mit den neuen DC-Zügen verschwand zum Sommer 1975 das Schnellzugpaar Koblenz – Paris, gleichzeitig stockte die DB die Zahl der schnell fahrenden Reisezüge dauerhaft auf. 1979 stellte sie die durchgehende Eilzugverbindung nach Westerland ein; im Langstreckenverkehr sollten die Reisenden nun
Nach 2000 wurden die ICZüge mehr und mehr Fremdkörper im Angebot die doppelklassigen IC-Züge nutzen.Wenige Jahre später wurde auch die zuletzt durch Kurswagen gehaltene Direktverbindung mit Paris eingestellt. Andererseits machte die Bundesbahn 1983 zahlreiche Eilzüge zu (zuschlagfreien) D-Zügen und ging mit Blick auf die imTakt in Koblenz haltenden IC-Züge zu einem Taktfahrplan mit schnellen Zügen im Stundenrhythmus über. Dabei begannen bzw. endeten die Züge im Westen abwechselnd in Luxemburg oder Saarbrücken. Im Osten rollten einzelne Züge über Koblenz hinaus ins Ruhrgebiet oder nach Frankfurt. Ende der 1980er-Jahre plante man eine InterRegio-Linie von Münster über Köln – Koblenz bis Trier. Von dort sollten die Züge al-
Die IR- bzw. IC-Relation Trier – Münster war (mit Linienverlängerungen) das letzte Fernverkehrsangebot auf der Moselstrecke. Im Mai 2002 überquert 181 217 mit IR 2533 in Bullay den namensgebenden Fluss Georg Wagner
ternierend nach Luxemburg oder Saarbrücken fahren, im Norden wurden einzelne Züge in Fremdenverkehrsregionen an Nordund Ostsee geleitet. 1991 wurde dasVorhaben weitgehend umgesetzt; zunächst fuhren Schnellzüge im Zwei-Stunden-Takt, ergänzt durch Eilzüge Koblenz –Trier – Saarbrücken. 1994 machte man die D-Züge zu IR-Zügen.
Die Zeit nach dem Jahr 2000 Die Deutsche Bahn behielt das System zuerst bei, nahm aber dann Änderungen vor. So entfiel 2001 der Ast Saarbrücken – Trier. 2003 wurden die InterRegios (auch auf der Strecke Koblenz – Trier) zu IC „umgewidmet“, was einen Preisaufschlag bedeutete. Inzwischen umfasste das Angebot nur noch sechs Zugpaare, welche die Relation Trier – Norddeich bedienten. 2005 entfiel in Tagesmitte ein Zugpaar, andererseits wurde inTagesrandlage ein ICE-Paar von und nach Berlin eingelegt. Mehr und mehr entwickelten sich die ICZüge zu Fremdkörpern im Angebot; die Regionalexpresszüge waren inzwischen gleich schnell, öfter verfügbar und günstiger, so dass etliche Fahrgäste dorthin abwanderten. Das Aufkommen an überregional Reisenden
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Zur Lage war wiederum zu gering, um die Fernzüge genügend auszulasten – ein Minus, das sich nicht ausgleichen ließ. Ergo reduzierte die DB AG das IC-Angebot und beendete im Dezember 2014 den Fernverkehr Koblenz –Trier. Als Ersatz hat das Land zusätzliche RE-Leistungen bestellt. Dr. Lutz Münzer/GM
Auf einen Blick
Koblenz – Trier Kursbuchstrecke: Erbauer: Eröffnung: Spurweite: Anlage:
620 (Koblenz – Trier – Wasserbillig) (1991) Preußische Staatsbahn 15. Mai 1879 1.435 mm Hauptbahn, eingleisig (ab 1898 zweigleisig), ab 1973 elektrisch Länge: 112 km Wichtigste Halte: Cochem, Bullay, Wittlich Stilllegung: – Rückbau: – Fernverkehr: D-Züge, u.a. Berlin – Metz (bis 1914), Berlin – Trier (bis 1945), Koblenz – Paris (ca. 1953– 1975), D/IR Münster – Trier (1991–2002), IC Norddeich/Emden – Luxembg. (2003–2014) BAHN EXTRA 5/2015
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Strecken und Züge
| FÖRTHA – GERSTUNGEN
Kind
des Kalten Krieges Nur gut 30 Jahre lang gab es westlich von Eisenach eineVerbindungsstrecke für den Fernreiseverkehr. Die Relation Förtha – Gerstungen war für Interzonenzüge unentbehrlich. Bis die Wende kam
A
ls 1849 die hessisch-thüringische Hauptstrecke Eisenach – Bebra in Betrieb ging, hatte man auf politische Grenzen wenig Rücksicht genommen. Der Schienenstrang verlief auf möglichst günstigem Terrain über Herleshausen – Gerstungen. Da spielte es keine Rolle, dass die Landesgrenze insgesamt fünf Mal passiert wurde. Auf den Bahnbetrieb hatte dies keine Auswirkungen.
Kritische Lage nach 1945 Die Lage änderte sich erst mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, als die bisherigen Ländergrenzen zu Grenzen zwischen den Besatzungszonen wurden – und zwar in brisanter Lage. Seit Juli 1945 lag hier die Demarkationslinie zwischen sowjetischer und amerikanischer Zone. Während ein „bahnhofsloser“ Abschnitt bei Bosserode wegen seiner Kürze von 1,7 Kilometern kaum ins Gewicht fiel, sah es weiter östlich komplizierter aus.
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Zwischen den thüringischen Bahnhöfen Wartha (Kilometer 175,6) und Gerstungen (Kilometer 189,3) führte die Bahn auf sieben Kilometer Länge mit den Bahnhöfen Herleshausen (Kilometer 178,4) und Wommen (Kilometer 182,7) durch Hessen. Als DR-Grenzbahnhof legte man 1945 zunächst Wartha fest; die Personenzüge Eisenach – Gerstungen passierten die in der amerikanischen Zone gelegenen Stationen Wommen und Herleshausen ohne Verkehrshalt. Der Kalte Krieg verschärfte sich, und nach dem Mauerbau ab August 1961 wurde auch die Grenze zwischen DDR und Bundesrepublik bzw. West-Berlin noch stärker abgeriegelt. Zu den Maßnahmen gehörte der Plan einer neuen Verbindungsstrecke, um den Grenzbahnhof Gerstungen ausschließlich über DDR-Gebiet anfahren zu können. Dies betraf nicht nur den Reiseverkehr, sondern ebenso die Kaliabfuhr aus dem Raum
Vacha. Bislang lief diese teilweise über Heimboldshausen – Gerstungen und berührte ebenfalls Bundesgebiet. So kam es zu folgendem Neubauprojekt: einer knapp 16 Kilometer langen Strecke Gerstungen – Förtha (an der „Werrabahn“ Eisenach – Meiningen) zuzüglich einer am Ostende liegenden Verbindungskurve nach Süden in Richtung Marksuhl für den Güterverkehr (vor allem Kalitransporte).
Streckenbau 1961/62 Das Gelände war für einen Bahnbau denkbar schwierig.Vom nahezu in Streckenmitte gelegenen Betriebsbahnhof Dietrichsberg bis Gerstungen fiel die Trasse über 7,5 Kilometer Länge um 83 Höhenmeter, was Neigungen von stellenweise 20 Promille bedingte. Während der am 1. Oktober 1961 begonnenen Bauarbeiten mussten 3,7 MillionenTonnen Erdmasse und 3,2 MillionenTonnen Fels bewegt sowie acht Brücken gebaut werden. Im nahenden Winter behinderten starker Frost und immer wieder zu entfernende Schlammmassen die Arbeiten – der ursprüngliche Plan einer Inbetriebnahme bis Ende 1961 war nicht zu halten. So folgte die Betriebseröffnung am 22. März 1962 zunächst für den Güterverkehr, der lokale Personenzugbetrieb begann am 30. April 1962. Bis zur Aufnahme des Schnellzugverkehrs
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Im Mai 1991 erreicht 132 062 mit D 456 Frankfurt (Oder) – Frankfurt (Main) aus Eisenach kommend den Bahnhof Förtha. Anschließend wird er die eingleisige Umgehungsstrecke benutzen, welche die DR 1962/63 errichtete Dr. Rolf Brüning
Auf einen Blick
Förtha – Gerstungen Kursbuchstrecke: Erbauer: Eröffnung: Spurweite: Anlage: Länge: Wichtigste Halte: Stilllegung: Rückbau: Fernverkehr:
503 (Sommer 1991) Deutsche Reichsbahn 22. März 1962 (Güterverkehr) 1.435 mm Hauptbahn, eingleisig 16 Kilometer Förtha 26. September 1992 sukzessive ab 1993 D-Züge Berlin – Bundesrepublik, ab 1990 auch IC/EC
über die Neubaustrecke zog allerdings noch über ein Jahr ins Land – die „Interzonenzüge“ verkehrten dann ab 30. September 1963 über Förtha anstatt wie bisher über Wartha. Nun konnte man die Neubaustrecke zweifellos als Teil einer Schienenmagistrale bezeichnen, und Gerstungen war endgültig zum neuen Grenzkontrollpunkt avanciert. Auf der alten Verbindung im Werratal beließ die Deutsche Reichsbahn (DR) bis 1978
Slg. Preuß
Zur Lage
nur ein Güterzugpaar, doch blieb die Linie als Umleitung bei etwaigen Störungsfällen erhalten. Die auf hessischem Gebiet in Wommen und Herleshausen tätigen Eisenbahner waren bei der DR angestellte Bundesbürger! Wie der Reiseverkehr auf derVerbindung Gerstungen – Förtha aussah, belegen stellvertretend zwei Fahrplanabschnitte der Jahre 1971 und 1979. 1971 gab es sieben tägliche D-Zug-Paare, dazu kamen zwei weitere, die nur saisonal oder an einzelnenTagen verkehrten. Interessant war der nächtliche Zubringer P 717/702 (Gerstungen ab 2:17 Uhr; Eisenach an 2:42 Uhr, ab 3:00 Uhr; Gerstungen an 3:28 Uhr) für D 201 bzw. D 202. Im Lokalverkehr fuhren montags bis freitags zehn Züge nach Gerstungen und acht nach Eise-
Anfangs gab es einen nächtlichen Zubringer Eisenach – Gerstungen nach, an Wochenenden sieben Paare. Im Winterfahrplan 1979/80 hatte sich das Angebot quantitativ bei den Regelzügen nicht und bei den Saisonzügen nur geringfügig geändert. Ein- und Aussteigen war in Gerstungen grundsätzlich nicht mehr gestattet, was den nächtlichen Personenzug-Zubringer überflüssig gemacht hatte. Im Binnenverkehr setzte die DR weiter Personenzüge zwischen Eisenach und Gerstungen mit UnterwegsVerkehrshalt in Förtha ein. Der Fahrplan konnte sich sehen lassen: Werktags außer samstags gab es elf (Gegenrichtung: zehn) Verbindungen amTag. An Wochenenden sah es mit acht Zügen nach und sieben Zügen von Gerstungen nur wenig schlechter aus. Für eine Fahrt nach Gerstungen (Grenzgebiet!) war allerdings ein Passierschein nötig. In Gerstungen bestand – anders als in der Anfangszeit – generell keine Übergangsmöglichkeit von bzw. zu den grenzüberschreitenden D-Zügen mehr; ein entsprechender Hinweis fand sich nun unter der Fahrplantabelle.
Die Situation nach 1989
Im April 1962 fährt der erste Zug auf der neu erbauten Strecke Förtha – Gerstungen. In einem halben Jahr hat die DR eine Verbindung erstellt, die nur auf DDR-Gebiet verläuft Histor. Slg. DB BAHN EXTRA 5/2015
Die Grenzöffnung im Herbst 1989 beendete die Konfrontation zwischen Ost und West auf einen Schlag. Nun gab es auch keinen Grund mehr, die ursprüngliche Strecke über Herleshausen zu meiden. Ihre Reaktivierung und Wiederherstellung nahm aber etwas Zeit in Anspruch. So fuhren die Fernreisezüge im Jahresfahrplan 1991/92 noch über die Umgehungsstrecke Gerstungen – Förtha: Vier EC-/IC-Zugpaare und 14 D-Zugpaare bedeuteten eine letzte Blüte. Am 26. September 1992, nach 30 Jahren, wurde dann der Reiseverkehr eingestellt und im Folgejahr die Verbindung komplett stillgelegt. Das Kind des Kalten Krieges brauchte niemand mehr. Ulrich Rockelmann
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Erinnerungen
| RECHERCHE BEI FÖRTHA – GERSTUNGEN
Die Brücken(überbleibsel) sind mit das Auffälligste bei den Streckenrelikten. Gleich zwei gibt es kurz vor Gerstungen, als ehemalige Übergänge über die Werrawiesen und über die Werra selbst Michael Scheppan
Kilometersteine stehen – oder liegen – noch häufig an der Strecke. Die Verwitterung geht aber Stück für Stück weiter Michael Scheppan
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Die Strecke zu Betriebszeiten: Im August 1991 rollt IC 155 „Johann Sebastian Bach“ von Frankfurt (Main) nach Dresden über die Verbindung; als Zuglok fungiert 132 062. Heute ist die Bahn abgebaut, aber der Verlauf noch nachvollziehbar Georg Wagner
Auf Spurensuche Die Neubaustrecke Förtha – Gerstungen ist mittlerweile stillgelegt und abgebaut. Grund genug, ihr einen Besuch abzustatten und zu schauen: Was gibt es von derVerbindung heute noch? Trassenrest und Brückenpfeiler bei Gerstungen; hier ist der ehemalige Streckenverlauf besonders gut erkennbar Michael Scheppan
M
ehr als 20 Jahre ist es her, dass der Zugverkehr zwischen Förtha und Gerstungen eingestellt wurde. Die Strecke hat man inzwischen komplett abgebaut. Aber ganz verschwunden aus der Landschaft ist sie nicht. Es finden sich immer noch Relikte, sogar ziemlich leicht. Auch das Planum besteht nach wie vor, aber die Natur erobert die Trasse zurück. Teils steht hohes Gras, teils wachsen erste Bäume. Abhängig von der Vegetation lässt sich die Trasse noch abschnittsweise begehen. Um von einem Punkt zum nächsten zu kommen, ist jedoch ein Auto vielleicht empfehlenswert.
Start bei Förtha Wer sich auf die Spur der Bahn begeben möchte, hat mit dem ehemaligen Gleisdreieck südlich des Ortes Förtha einen guten „Einstieg“. Dort konnte sowohl von Eisenach aus als auch von Bad Salzungen kommend
Das Gleisdreieck südlich von Förtha eignet sich gut als Start für die Suche direkt auf die Strecke nach Gerstungen gefahren werden. Im Bereich des Gleisdreiecks verläuft auf einem kurzen Stück der Trasse ein Weg. Die Bundesstraße 84 durchbricht den Bahndamm an der Zusammenführung der beiden Verbindungskurven, dem früheren Abzweig Elte. An dieser Stelle stehen noch die Widerlager der früheren Eisenbahnbrücke. Weiter geht es durch den Wald und südlich an der Ortschaft Oberellen vorbei. Der Trassenverlauf lässt sich im hügeligen Gelände gut an der Baumreihe verfolgen. Dahinter nähert sich dieTrasse der Straße von Oberellen nach Gerstungen an und folgt ihr auf der BAHN EXTRA 5/2015
südlichen Seite. Etwa einen Kilometer außerhalb von Oberellen lag der Kreuzungsbahnhof Dietrichsberg. Hier wird das Planum breiter, zwei Gleise waren hier nebeneinander verlegt. Dietrichsberg diente nicht als Verkehrshalt, daher gab es keine Bahnsteige und kein Empfangsgebäude. Ein Stellwerk ist aber noch vorhanden; ein „Zeitzeuge“ der Betriebsstelle. Die Trasse windet sich weiter bogenreich neben der Straße entlang, zunächst unterhalb und durch eine Stützmauer gesichert, dann als Damm oberhalb. Es lohnt sich, genauer hinzuschauen: An der Strecke stehen noch einige Kilometersteine, nicht nur an dieser Stelle. Auch einzelne Fernsprechkästen sind noch zu finden – der Inhalt fehlt, die Türen stehen offen, zum Teil bildet sich Moos. Die Jahre gingen hier nicht spurlos vorüber.
Brückenteile vor Gerstungen Kurz vor Gerstungen folgen zwei Brücken – beide direkt neben der Straße. Die erste führte über die Werrawiesen; von ihr stehen noch die Pfeiler. Die zweite überquerte die Werra selbst. Sie war zunächst noch vollständig erhalten, vor einigen Jahren wurden jedoch ein Überbau und das Gleis selbst entfernt. Danach überquert die Trasse eine Straße (wieder sind die Fundamente der Eisenbahnbrücke vorhanden) und erreicht in einem langen Bogen die „Talstrecke“ am Nordkopf des Bahnhofs Gerstungen. Rund 14 Kilometer liegen jetzt hinter dem „Eisenbahn-Wanderer“. Wer möchte, kann noch eine Bahnfahrt Gerstungen – Eisenach anschließen. Nicht nur, um zum Vergleich die heutige Strecke zu sehen; mit etwas Ortskenntnis lässt sich vom Zug aus auch nochmals der Bogen der Werrabrücke der Förthaer Strecke erkennen. Michael Scheppan
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Strecken und Züge
| DRESDEN – HOF
Die „Sachsenmagistrale“ Nur wenige deutsche Strecken machten in den letzten 25 Jahren so viele Schlagzeilen wie die Linie Dresden – Hof. Hier fuhren die Flüchtlingszüge 1989, nach dem Mauerfall ging es mit InterRegios und später dem Diesel-ICE aufwärts. Und heute? amen tragende Eisenbahnstecken sind in der deutschen Eisenbahngeschichte eher wenig gebräuchlich. Der Schienenweg von Sachsen nach Bayern erhielt seinen „Beinamen“ auch erst nach 121 Jahren Eisenbahnbetrieb. Der Begriff „Sachsenmagistrale“ steht für die 225 Kilometer lange Verbindung von Dresden über Chemnitz, Zwickau, Plauen nach Hof, heute mit der Kursbuchstreckennummer 510. Der Begriff entstand nach der Wende und verdeutlicht, welche Bedeutung der Freistaat Sachsen dieser Schienenverbindung beimisst. „Sachsenmagistrale“, das klingt sehr volkstümlich und hat sich so durchgesetzt, dass es auch in vielen Grundsatzdokumenten der DB AG Verwendung findet. Ob man allerdings noch von einer Magistrale sprechen kann, ist fraglich. Denn Fernreisezüge
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sucht man zwischen Dresden und Hof inzwischen vergebens. Die Sachsenmagistrale hatte bei ihrer Taufe 1990 drei Streckenteile: zum ersten Dresden – Werdau (DW-Linie), zum zweiten Leipzig - Hof (LH-Linie); beide Strecken treffen am Bogendreieck bei Steinpleis aufeinander. Der ehemals dritte Streckenteil von Dresden nach Görlitz wird seit 1992 nicht mehr dazu gerechnet. Dafür gab es eine Ergänzung nach Westen: Die an der Strecke liegenden Städte in Sachsen und Bayern traten für einen Fernreiseverkehr Dresden – Hof – Nürnberg ein, wobei der Name „Franken-Sachsen-Magistrale“ aufkam.
Eine Strecke mit Besonderheiten Zurück zur Strecke Dresden – Hof. Die Verbindung über Chemnitz, Zwickau und
Plauen war einst die wichtigste Eisenbahnstrecke Sachsens. Gleichzeitig handelte es sich um eine der aufwendigsten Strecken, welche die Sächsische Staatsbahn baute: 63 Prozent der 225 Streckenkilometer verlaufen in Gleisbögen, die Züge passieren 395 Überführungen. ZwischenTharandt und Klingenberg-Colmnitz gibt es Steigungen bis zu 27 Promille, zur Querung von Flusstälern entstanden am Nordrand des Erzgebirges acht imposante Brückenbauwerke. auf. , dazu ein 122 m langen Tunnel bei Edle Krone. Charakteristisch für ihren Streckenverlauf am Nordrand des Erzgebirges zur Querung von Flusstälern sind eine große Anzahl von imposanten Brückenbauwerken, die heute größtenteils unter Denkmalschutz stehen und erst in den letzten Jahren aufwendig saniert wurden (siehe Kasten links).
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sie sich zu einer wichtigen Relation, vor allem auf dem Teilstück Reichenbach – Hof, auf dem sich mehrere Verkehrsströme bündelten. Gerade dieser Abschnitt gehörte vor dem Zweiten Weltkrieg zu den wichtigsten des Deutschen Reiches. 1939 fuhren hier nicht weniger als 18 Schnellzugpaare, unter anderem auf den Relationen München –/ Nürnberg – Dresden – Breslau und München – /Berchtesgaden – Leipzig – Berlin. Mit dem Kriegsende 1945 kam der Betrieb zunächst zum Erliegen. Mit der Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen führte die Strecke mitten durch den Eisernen Vorhang und büßte massiv an Bedeutung ein. AußerIm Jahr 1990 sind Wachtürme und Grenzanlagen in Gutenfürst nur noch Staffage. Der Zugverkehr zwischen Ost und West rollt wieder ungehindert, wie dieser Dampfsonderzug dem hatten die sowjetischen Befehlshaber nach 1945 in ihrem Bereich das zweite Gleis Neben den Kunstbauten wies die Strecke laufanlage Europas in Betrieb. Nach ihrer zu Reparationszwecken abbauen lassen. einige technische Besonderheiten auf, die Stilllegung 1991 blieb die Anlage heute als Das sorgte für erhebliche Engpässe, denn Geschichte schrieben. Am 1856 fertig gestell- technisches Denkmal erhalten. Zum Som- innerhalb der DDR spielte die Verbindung ten Bogendreieck bei Werdau, dem Zusam- merfahrplan 1967 schließlich war das bald wieder eine große Rolle. Dazu kam, dass mentreffen der Eisenbahnlinien aus Leipzig Bw Reichenbach das erste Bahnbetriebs- die Reichsbahn in den Kriegsjahren wie und Dresden, ging ein „Eisenbahn-Tele- werk der Deutschen Reichsbahn, das den auch in der ersten Zeit nach 1945 praktisch graph“ mit Drahtzug in Betrieb. Dabei han- Traktionswechsel vollzogen hatte und nur „aufVerschleiß“ gefahren war. Der Schienenstrang zwischen Dresden und Gutenfürst / delte es sich um nichts geringeres als das noch Diesellokomotiven einsetzte. Hof hatte stark gelitten, und wegen zunächst erste ferngesteuerte Flügelsignal in Deutscheingleisiger Betriebsführung konnte oft nur land. Auf dem Rangierbahnhof Chemnitz- Kurze Betriebsgeschichte Hilbersdorf nahm die Reichsbahn im März Durchgehend befahrbar war die Strecke das Allernotwendigste an Unterhaltungsar1930 die seinerzeit modernste Seilzugab- Dresden – Hof ab 1869. Schnell entwickelte beiten im Streckenbereich geleistet werden.
Mit den InterRegio-Zügen erlebte die Strecke Dresden – Hof in den 1990er-Jahren eine Fernverkehrsblüte; in Spitzenzeiten fuhren diese im Zwei-Stunden-Takt auf der Verbindung und über das berühmte Göltzschtalviadukt Aufnahmen: Rainer Heinrich
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Strecken und Züge
| DRESDEN – HOF
Auf einen Blick
Dresden – Hof Kursbuchstrecke: Erbauer: Eröffnung: Spurweite: Anlage:
410 (1991) Sächsische Staatsbahn abschnittsweise 1842 bis 1869 1.435 mm Hauptbahn, zweigleisig (bis 1945), Hauptbahn, teilweise eingleisig (nach 1945), Hauptbahn, zweigleisig, elektrifiziert (Ausbau ab 1991) Länge: 225 Kilometer Wichtigste Halte: Chemnitz, Zwickau, Reichenbach, Plauen (Vogtland) Fernverkehr: D-Züge Schlesien – Süddeutschland (bis 1945), Interzonen- und Berlin-Züge (1954–1989), D-Züge Dresden – Nürnberg u.a. (ab 1990), IR Dresden – Nürnberg – Karlsruhe (1993–2001), ICE/IC Dresden – Nürnberg (2001–2002 bzw. 2002–2006)
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Wegen der Hochwasserschäden bei Dresden müssen die 605er im Sommer 2002 schon in Chemnitz Hbf wenden; zwei Garnituren stehen für die Rückfahrt nach Nürnberg bereit
Zur Lage
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Mehrere Triebwagen, die in den frühen 2000erJahren auf der Strecke Richtung Dresden zum Einsatz kommen, haben sich in Hof Hbf versammelt. Von rechts: ein (schon abgestellter) Diesel-ICE 605, eine ICE-Ersatz-Garnitur 612 im IC-Look, ein – gegenüber dem Fernverkehrsfahrzeug kaum veränderter – Nahverkehrs-Triebzug 612 und ein im Nahverkehr verwendeter RegioSprinter der Vogtlandbahn
Die Ende 2004 eingeführten Lok-Wagen-IC boten gegenüber den vorher eingesetzten „IC-612ern“ nur noch das halbe Zugangebot. Eine 145 kommt mit ihrem IC durch den Bahnhof St. Egidien
Als bis Mitte der 1960er-Jahre das zweite Gleis wieder aufgebaut und die Strecke bis 1966 zwischen Dresden und Reichenbach elektrifiziert wurde, bedeutete dies nur eine begrenzte Entlastung. Schon ab Beginn der 1970er-Jahre waren wegen der extrem dichten Zugfolge nur punktuelle Baumaßnahmen möglich. Bis 1989 war der Reiseverkehr auf den Strecken Dresden – Werdau (DW-Linie) und Leipzig – Hof (LH-Linie) ausschließlich auf D-Züge und Personenzüge von Dresden und Leipzig nach Plauen (Vogtl) ausgerichtet, die ab 1966 in Reichenbach von Ellok auf Diesellok umgespannt werden mussten. Der grenzüberschreitende Fernverkehr über Gutenfürst – Hof, welcher seit 1954 bestand, lag weitgehend im Dornröschenschlaf. Er beschränkte sich auf wenige Interzonenzüge zwischen Dresden und Stuttgart (D 468/469) und Dresden - München (D 466/467) und den D 408/409 München - Rostock. Zusätzlich BAHN EXTRA 5/2015
verkehrten noch zweiTransit-Zugpaare zwischen München (D 308/309) bzw. Stuttgart (D 1300/1301) und West-Berlin. Seit den 1970er-Jahren waren im Bw Reichenbach Großdieselloks der Baureihe 132 beheimatet. Ihr Betätigungsfeld war die Strecke zum Eisenbahngrenzübergang Gutenfürst nach Hof; neben den D-Zügen fuhren sie vor allemTransit-Güterzüge aus den skandinavischen Ländern nach Süddeutschland.
Der Mauerfall und die Zeit danach Im Jahr 1989 rückte die Strecke Dresden – Hof dann schlagartig ins Rampenlicht. Am 5. Oktober übernahm die Reichenbacher Diesellok 132 478 in ihrem „Heimatstandort“ den ersten Zug mit DDR-Flüchtlingen aus der Prager Botschaft, um ihn über die innerdeutsche Grenze nach Hof zu bringen. Die spektakuläre „Ausreise“ der DDR-Bürger war
Die Grenzöffnung 1989 ließ den Zugverkehr über Nacht massiv ansteigen eine Art Auftakt. Wenige Wochen später fiel die Mauer, was den Betrieb auf der innerdeutschen Strecke auf eine völlig neue Grundlage stellte. Mit zahllosen Zusatzzügen (meist Fernreisezügen) bewältigten Reichsbahn und Bundesbahn über Monate hinweg den gigantischen Strom an DDRBürgern, welche die neu gewonnene Reisefreiheit mit einem Ausflug in den Westen ge-
nießen wollten. Bis in das Jahr 1990 hinein blieb diese Ausnahmesituation bestehen. Das reguläre Zugangebot wuchs stark an und erreichte auch nach der Wiedervereinigung beachtliche Ausmaße. Der Winterfahrplan 1990/91 nennt zehn D-Zugpaare über Gutenfürst - Hof. Ab Mai 1992 trat bei der DR ein auf einem Zwei-Stunden-Takt beruhender Fahrplan in Kraft. Er galt für alle Reisezüge im Nahverkehr und Fernverkehr. Die Fernzüge Leipzig - Hof - München und Dresden - Hof - Nürnberg, zunächst noch mit alten D-Zug-Wagen, wurden ab Jahresfahrplan 1992/93 schrittweise zu InterRegios umgewandelt. Ab dem 31. Mai 1993 folgte die Verknüpfung der über die Sachsenmagistrale führenden zwei InterRegio-Linien 25 Oberstdorf – München – Hof – Leipzig – Berlin und 27 Karlsruhe – Nürnberg – Hof – Dresden. Der obere Bahnhof in Reichenbach wurde zum Umsteigepunkt und zum Lokwechselbahnhof. Dieses Fahrplanangebot mit den IR-Zügen blieb mehrere Jahre stabil. Es bot den Bahnkunden ein qualitativ gutes Angebot mit einem bis dahin noch nie dagewesenen modernen Zwei-Stunden-Takt.
Ausbau der Strecke Bis Mitte der 1990er-Jahre bestanden aber zahllose Langsamfahrabschnitte, welche die Reisezeiten verlängerten und für diese wichtigeVerbindung nicht mehr zeitgemäß waren. So begann nach der Wiedervereinigung auch der Ausbau der Infrastruktur im ehemaligen Streckennetz der DR, speziell auf der Strecke Dresden – Plauen – Hof. Eine erste Maßnahme war im Rahmen des Lückenschlussprogramms der zweigleisige Wiederaufbau des 50 Kilometer langen Abschnitts Plauen (Vogtl.) – Hof, der im Mai 1993 abgeschlossen wurde. Die Ausbaustrecke Dresden – Hof fand alsTeil des 646 Kilometer langen Ausbauvorhabens Karlsruhe – Stuttgart – Nürnberg – Dresden Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan 1992; man führte sie dort unter „Vordringlicher Bedarf“. Doch der Ausbau der Sachsen-FrankenMagistrale, in der Öffentlichkeit vor allem mit der Verbesserung des Fernverkehrs begründet, zog sich hin. Erst zum 1. Februar 1997 gab die Deutsche Bahn der Planungsgesellschaft Bahnbau Deutsche Einheit den Auftrag für den Ausbau der Strecken Dresden – Werdau – Hof sowie Werdau – Leipzig. Der Bund stellte 2,7 Milliarden Mark bereit. Die erste Ausbaustufe für Neigetechnikzüge mit bis zu 160 km/h war im Wesentlichen bis zum Sommerfahrplan 2000 fertig gestellt. Bedingt durch das Augusthochwasser 2002, musste der frisch sanierte und nun zerstörte Streckenabschnitt zwischen Dresden und Edle Krone 2002/2003 ein zweites Mal neu aufgebaut werden. 2007 begann der Umbau des Chemnitzer Hauptbahnhofs, der
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Strecken und Züge
| DRESDEN – HOF
Am 9. Dezember 2006 ist das Ende für die IC Dresden – Nürnberg gekommen. 232 531 rollt mit ihren Wagen und einem Abschiedsschild auf der Front in Reichenbach ein
bis 2014 währte.Von 2010 bis 2013 schließlich wurde der Abschnitt Reichenbach – Plauen – Hof elektrifiziert; der elektrische Betrieb begann am 5. Dezember 2013. In diesem Rahmen erhielt die weltgrößte Ziegelbrücke, die Göltzschtalbrücke, auch eine Teilsanierung. Für einen anderen Standort brachte die Modernisierung unterdessen den Niedergang: Seit 1998 ist das ehemalige Bahnbetriebswerk der „Deutsch-SowjetischenFreundschaft“ geschlossen.
IR, ICE und der Niedergang Das Angebot an Fernverkehrszügen blieb bis 1999 weitgehend unverändert. Dann allerdings setzte ein erster Niedergang ein: Der IR-Verkehr wurde schrittweise ausgedünnt und zum 28. Mai 2000 wegen der Verwendung der IR-Wagen für den ExpoVerkehr in Hannover ganz eingestellt. Der Leipziger Ast verlor am 9. Juni 2001 das noch verbliebene IR-Paar von Berlin über Leipzig und Hof nach Oberstdorf und ist seitdem ohne klassischen Fernverkehr. Auf der Strecke Dresden – Hof richtete die DB AG eine D-Zug-Linie Nürnberg – Dresden mit alten Schnellzugwagen ein, welche die Vorstufe zu einer Angebotsverbesserung sein sollte: dem Einsatz des Diesel-ICE der Baureihe 605. Da die Fahrzeuge noch nicht zur Verfügung standen, behalf man sich mit diesem „Zwischenschritt“. Am 10. Juni 2001, zum Beginn des Sommerfahrplans, traten dann die ICE-TD auf der Franken-Sachsen-Magistrale an.Täglich verkehrten acht Zugpaare auf der ICE-Linie 17 zwischen Dresden und Nürnberg, sechs davon über Bayreuth. Die Fahrzeit betrug vier Stunden und 33 Minuten, knapp eine Stunde weniger als bei den lokbespannten Vorgängerzügen. Die anfänglichen Schwierigkeiten mit der Neigetechniksteuerung und Nachbesserung an der Antriebsanlage waren im März 2002 weitgehend gelöst und die Fahrzeuge funktionierten gut. Die ICELinie 17 entwickelte sich mit 95 Prozent Ankunftspünktlichkeit zu einer der zuverlässigsten Fernverkehrslinien der DB AG. Doch
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Zur Eröffnung des elektrischen Betriebs Reichenbach – Hof fährt am 5. Dezember 2013 Museumslok E 44 044. Fortan wird der Zugverkehr Dresden – Nürnberg in Hof gebrochen, weil dort der Fahrdraht endet
die Freude währte nicht lang. Zunächst verkürzten die erwähnten Hochwasserschäden bei Dresden den Einsatz der 605er ab 12. August 2002 auf die Relation Chemnitz – Nürnberg. Noch schlimmer kam es am 2. Dezember 2002, als infolge eines Achsbruchs ICE 1739 bei Gutenfürst entgleiste. Das bedeutete schon wieder das Ende des ICE-Zeitalters auf der Sachsen-Franken-Magistrale. Es folgten Notfahrpläne mit lokbespannten Ersatzzügen und dem – eigentlich für den Nahverkehr gedachten – Dieseltriebwagen der Baureihe 612. Außerdem durften die Fahrgäste des Fernverkehrs zwischen Chemnitz und Nürnberg die Nürnberger Nahverkehrstriebwagenzüge der Baureihe 610 testen. Ab dem Fahrplanwechsel am 14. Dezember 2003 waren die Unwetterschäden an den Gleisanlagen im Raum Dresden behoben und die Züge fuhren wieder bis Dresden. Siebzehn im IC-Farbschema lackierte Triebzüge der Baureihe 612 sollten den Verkehr
Nahverkehrszüge fuhren als ICE-Ersatz. Dann gab die DB das Projekt ICE auf
tionswechsel: anfangs von der 232 (vormals 132) auf Ellok der Baureihe 145, ab Fahrplanwechsel 2005/2006 von 218-Doppeltraktion 218 auf Ellok-Baureihen 101 und 120. Die Fahrzeit war wieder auf fünf Stunden und 15 Minuten angewachsen. Am 9. Dezember 2006 beendete die Fernverkehrssparte der DB das IC-Kapitel auf der Strecke Dresden – Nürnberg und stellte die noch vorhandenen Zugverbindungen dieser Kategorie ein. Fortan gab es nurmehr den „FrankenSachsen-Express“. Als solcher verkehrte seit Dezember 2006 wieder der Dieseltriebwagen 612, jetzt im Auftrag der Fernverkehrssparte als eigenwirtschaftliche Linie und zum Nahverkehrstarif.Von einem Fernreisezug konnte aber nicht mehr die Rede sein, selbst wenn der Langlauf dies vermuten ließ und die Fahrzeit mit vier Stunden und 19 Minuten jeden Fernzug unterbot. Acht Jahre lang hielt sich das Angebot, bis zum 13. Dezember 2014 das „Aus“ für den „FrankenSachsen-Express“ folgte. Die 225 Kilometer lange Strecke Dresden – Hof wird heute im Stundentakt mit Doppelstock-Wendezügen und der Ellok 143 bedient. 20 Minuten längere Fahrzeiten und Umsteigen in Hof sind für den Bahnreisenden wieder Alltag.
auf der nunmehr als IC-Linie 65 bezeichneten Strecke Dresden – Nürnberg dauerhaft übernehmen. Die Fahrzeit betrug vier Groteske Situation heute Stunden und 20 Minuten. Dieser neuerliche Die Bilanz ist folglich ernüchternd. Für mehr Triebwagen-Versuch war schon nicht mehr als eine Milliarde Euro wurde eine überals fernverkehrswürdig zu bezeichnen: Die regionaleVerbindung zwischen Sachsen und Inneneinrichtung der Triebwagen hatte sich Bayern ausgebaut und für Neigetechnik gegenüber der „Nahverkehrsversion“ kaum hergerichtet – und heute gibt es dort keinen verändert. Zudem ging dasVorhaben schief: Fernverkehr mehr. Die Verbindung mit dem Am 10. August 2004 wurde im Werk Hof an Wort „Magistrale“ ist nicht mehr als eine einem Triebwagen der Baureihe 612 eine Nahverkehrsstrecke. Schuld daran trägt schadhafte Radsatzwelle entdeckt, was zur letztlich die Bahnreform. Die Trennung in Abstellung aller Fahrzeuge führte. Es fuhren steuerfinanzierten Nahverkehr und eigenwieder lokbespannte Ersatzzüge. wirtschaftlichen Fernverkehr ließ die Vom 12. Dezember 2004 an wurden auf einstige Vision einer leistungsfähigen überder IC-Linie 65 Dresden – Nürnberg das regionalen Schienenverbindung zerbröseln. Zugangebot halbiert und der Vier-Stunden Die Begriffe „Sachsenmagistrale“ oder Takt eingeführt. Zwei Jahre sollten die IC- „Sachsen-Franken-Magistrale“ mögen schön Züge letztmalig noch als Lok-Wagen-Gar- klingen; sie stammen aber aus der Zeit einer nitur über die Sachsen-Franken-Magistrale Eisenbahn, die es nach dem Willen der verkehren. In Reichenbach war jeweilsTrak- Politik nicht mehr gibt. Rainer Heinrich/GM
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Knotenpunkte
| GÖRLITZ
Vergangener Glanz Die große Zeit des Bahnhofs Görlitz währte bis 1945. Auch zu DDR-Zeiten und in den ersten Jahren nach der Wende gab es in dem Bahnknoten noch nennenswerten Fernreiseverkehr. Heute sieht man ausschließlich Regionalzüge
S
chon zu böhmischen und kursächsischen Zeiten war Görlitz die bedeutendste Stadt zwischen Dresden und Breslau. Seit 1841 suchten Kaufleute und Fabrikanten, unterstützt durch die Stadtväter, den Anschluss an das entstehende Fernbahnnetz. Am 1. September 1847 erhielt Görlitz mit Strecken nach Kohlfurt und Dresden die ersten Verbindungen. Weitere Strecken folgten; 1875 fuhren Züge in sechs Richtungen: außer nach Kohlfurt und Dresden unter anderem nach Berlin, nach Lauban in Schlesien (und zur dortigen Verbindung Kohlfurt – Hirschberg – Waldenburg) sowie nach Seidenberg und Zittau. Görlitz war ein Verkehrsknoten geworden.
Zugverkehr bis 1945 Die anfangs vier täglichen Zugpaare nach Kohlfurt hatten bereits sämtlich Anschluss in Richtung Breslau und Berlin. 1880 findet sich unter den nunmehr acht Reisezugpaaren auch ein Eilzug. Passende Anschluss-
Wegen des Zugbetriebs bekam Görlitz 1917 ein neues Empfangsgebäude verbindungen gibt es nach Dresden. Nach Berlin dampfte neben drei Personenzügen ein Schnellzug, während man auf der Strecke in Richtung Lauban – Hirschberg zwischen vier Reisezügen wählen konnte. Anfang des 20. Jahrhunderts hatte sich der Reiseverkehr auf der Magistrale (Breslau –) Kohlfurt – Reichenbach auf zehn Verbindungen verdichtet. Der D 122 brachte Kurswagen aus Myslowitz mit, und am D 126 mit Zuglauf über Dresden – München – Lindau – Zürich – Genf hingen Kurswagen nach Eger und Leipzig. Außerdem gab es durchlaufende Züge Berlin – Görlitz – Hischberg – Breslau, zum Teil mit Speisewagen. Ein Morgen- und ein Nachtzug ermöglichten die Abwicklung von Tagesgeschäften in der Reichshauptstadt. Mit täglich 112 abzufertigenden Reisezügen und 72 regulären Güterzügen drohte Görlitz aber auch derVerkehrskollaps. 1909 wurde der Güterverkehr auf den Verschiebebahnhof Schlauroth verlegt; der Bahnhof erhielt neue Bahnsteige mit einer dreischiffigen Halle und ein neues Empfangsgebäude, das man 1917 eröffnete. Mit elektrischen Weichen und Signalantrieben
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auf den neuen Stellwerken gehörte Görlitz Sackisch. Bedingt durch den „Anschluss“ zu den modernsten Bahnhöfen Deutsch- des Sudetenlandes, hatte der Verkehr Richlands. Die Gleisanlagen bestanden für Jahr- tung Böhmen gewaltig zugenommen. Auf zehnte aus 87 Gleisen mit 231 Weichen. der Strecke Görlitz – Zittau / – Reichenberg Die Folgen des Ersten Weltkriegs ließen gab es D- und Eilzüge, selbst einen D-Zug den Verkehr gewaltig schrumpfen, doch Berlin – Görlitz – Reichenberg – Wien. schon Mitte der 1920er-Jahre hatte sich die Der Zweite Weltkrieg beendete diese BlüWirtschaft erholt. 1927 umfasste die Strecke tezeit. Zunächst wurde der Ausflugsverkehr Kohlfurt – Reichenbach bereits drei Kurs- eingeschränkt, weitere Verkehrseinschränbuchseiten pro Richtung. Auf der Strecke kungen folgten. Mit der Sprengung des Breslau – Hirschberg – Görlitz – Berlin ver- Neißeviaduktes und zahlreicher anderer kehrten jeweils zwölf Reisezüge. Am 1. Sep- Brücken am 7. Mai 1945 kam der Schienentember 1923 erreichte die Oberleitung des verkehr in Görlitz zum Erliegen. elektrifizierten Netzes in Schlesien Görlitz. Im Zugangebot ging es weiter aufwärts. Die Zeit nach 1945 Der Sommerfahrplan 1939 verzeichnet auf Nach Kriegsende wurden auf Befehl der sowder Strecke Dresden – Görlitz – Liegnitz – jetischen Besatzungsmacht die OberBreslau sieben D- und zwei Eilzüge. Neben leitungsanlagen und sämtliche zweiten Streden Relationen Breslau – Dresden endete ein cken- sowie einige Görlitzer Bahnhofsgleise Zug (D 124) in Hof, zwei weitere (D 126 und demontiert. Der Fernreiseverkehr ent128) steuerten München an, und der wickelte sich nun auch je nach Strecke sehr D 118 verkehrte über Hof – Bayreuth – Nürn- unterschiedlich. Bei der Verbindung Görlitz berg – Stuttgart – Karlsruhe nach Kehl. D 126 – Dresden etwa ging es bald aufwärts. 1950 und E 168 begannen in Beuthen (Oberschl). standen drei D- und zwei durchlaufende PerZum selben Zeitpunkt machten sich täglich sonenzüge im Fahrplan; 1960 kamen ein Eilfünf schnell fahrende Reisezüge in Berlin zug und zwei Personenzüge dazu. 1975 umGörlitzer Bf auf den Weg; ab Görlitz fuhren fasste die Palette der D-Züge neun Zugpaare. sie elektrisch nach Hirschberg (Rsgb) oder Dagegen bedeuteten die Brückensprenweiter nach Breslau, Glatz und Bad Kudowa- gung in Hagenwerder und die neue Grenze
Um 1936 überquert eine E 50.4 mit dem Personenzug Görlitz – Hirschberg (Riesengebirge) den Neißeviadukt. Bis 1945 ist dies eine der wichtigsten Görlitzer Verkehrsadern Slg. Wilfried Rettig
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Dampflok Ty 2-1064 der Polnischen Staatsbahnen fährt im Oktober 1986 mit D 485 aus dem Bahnhof Görlitz aus. Bis zur Jahrtausendwende bestand noch ein D-Zug-Anschluss ins östliche Nachbarland, aktuell ruht der Verkehr dorthin W. Rettig
Übersicht
Erste Streckeneröffnungen 1.September 1847: 1.September 1847: 15. August 1867: 31. Dezember 1867: 1.Juli 1875: 15. Oktober 1875:
Görlitz – Kohlfurt Görlitz – Dresden Görlitz – Lauban (Anschluss an Kohlfurt – Hirschberg – Waldenburg) Görlitz – Cottbus – Berlin Görlitz – Seidenberg Nikrisch – Zittau (Zuglauf ab Görlitz)
zu Polen das Ende für den Schienenverkehr nach Seidenberg. Die Strecke nach Zittau führte nun zwischen Hagenwerder und Hirschfelde über polnischesTerritorium. Erst Ende der 1940er-Jahre kam es hier zu regulärem Reiseverkehr. Die Wiederherstellung des Neißeviaduktes 1957 ermöglichte wieder den grenzüberschreitenden Schnellzugverkehr nach Osten, zunächst mit einem D-Zug, 1966 mit zwei Pärchen. Ende der 1960er-Jahre richtete man an den Wochenenden sogar einen Ausflugsverkehr Dresden – Karpacz (Krummhübel) ein. Mit Einführung des visafreien Verkehrs 1972 rollten drei Schnellzüge über den Viadukt: D 389 nach Katowice, D 485 nach Przemysl und D 451 nach Warschau. Im Jahresfahrplan 1989 verließen 14 Personen- und sieben D-Züge (darunter die drei aus Polen) Görlitz in Richtung Dresden. Dazu kamen Eilzüge Berlin – Zittau, die aus Devisengründen den Weg über Löbau nahmen. Nach Norden (Berlin) waren es acht Personen- und je drei Eil- und Schnellzüge. Den D 389, einen Nachtschnellzug von Berlin über Görlitz nach Polen, gab es rund drei Jahrzehnte lang. Mit dem „Adenauer“, dem Interzonenzug D 444, fuhren die Rentner über Berlin-Schönefeld nach Köln, BAHN EXTRA 5/2015
und die „Bonzenschleuder“ D 682 brachte die Fahrgäste mit 78 km/h Reisegeschwindigkeit nach Berlin-Lichtenberg.
Die Zeit nach 1989 Während der Güterverkehr nach der Wende fast auf Null absank, blieb der Reiseverkehr umfangreich. Verzeichnet das Kursbuch 1993/94 noch D-Züge Görlitz – Leipzig, so tauchen bereits InterRegios nach Karlsruhe und Oberstdorf auf. Bei den D-Zügen blieben bis zur Jahrtausendwende die internationalen D 450/451 (Warschau – Frankfurt (Main)) und D 452/453 (Warschau – Leipzig) übrig. Zum Fahrplanwechsel am 15. Dezember 2002 ersetzten Regionalexpresszüge (RE)
Zur Lage
die IR; damit hatte die DB den Fernreiseverkehr über Görlitz eingestellt. Im nurmehr vorhandenen Regionalverkehr ging unterdessen im Dezember 2002 die erste Privatbahn in Görlitz an den Start: Die Lausitzbahn bediente mit Desiro-Triebwagen den Regionalverkehr Cottbus – Weißwasser – Görlitz – Zittau. Weitere Betreiberwechsel folgten, wobei die DB AG seit dem Fahrplanwechsel am 14. Dezember 2014 gar nicht mehr in Görlitz präsent ist. Im Sommer 2015 setzt die Ostdeutsche Eisenbahn-Gesellschaft (ODEG) im StundentaktTriebwagen zwischen Zittau und Forst (Lausitz) über Görlitz – Cottbus ein. Dresden Hbf wird von den Trilex-Zügen (TL und TLX) der Vogtlandbahn (VBG) angesteuert. Die ODEG vermittelt sogar eine dritte Reisemöglichkeit pro Stunde nach Bischofswerda zum Anschluss an die TLX von Zittau nach Dresden. Seit am 28. Februar 2015 der grenzüberschreitende RE Dresden – Breslau der VBG (mit Triebwagen 642 von DB Regio) eingestellt wurde, gibt es keinen Schienenpersonenverkehr mehr nach Osten.Voraussichtlich ab Fahrplanwechsel im Dezember 2015 soll dem polnischen Betreiber KD (Koleje Dolnoslaskie) mit seiner Zugausrüstung die Einfahrt in den Bahnhof Görlitz gestattet werden; damit käme man dann umsteigefrei nach Wroclaw (Breslau). Das ist zumindest ein wenig wie der frühere Fernreiseverkehr. Wilfried Rettig/GM
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Strecken und Züge
| ERFURT – SCHWEINFURT
Mal auf, mal ab
Nicht nur topographisch geht es bei der Relation Erfurt – Schweinfurt hoch und runter. Auch die Geschichte derVerbindung kannte Höhen und Tiefen
E
inen direkten Ansatz für eine Fernbahn Erfurt – Schweinfurt hat es anfangs gar nicht gegeben. Vielmehr kamen diverse Ideen zusammen, bis schließlich „auch“ die Fernstrecke entstand. Aber der Reihe nach: Im Oktober 1871 ging die Strecke Schweinfurt – Kissingen in Betrieb, mit der das namhafte Kurbad einen Eisenbahnanschluss erhielt. Vom 15. Dezember 1874 an fuhren auch Züge zwischen dem an dieser Verbindung gelegenen Ebenhausen und Meiningen – womit das Herzogtum Sachsen-Meiningen einen „Eisenbahn-Zugang“ nach Unterfranken erhielt. Noch handelte es sich aber um Strecken mit regionaler Bedeutung. Das galt nicht minder für die 1867 von derThüringer Eisenbahn in Betrieb genommene Stichstrecke von Neudietendorf bei Erfurt nach Arnstadt am Fuße des Thüringer Waldes. Die Idee dieser privaten Gesellschaft, die Verbindung über den Thüringer Wald nach Meiningen fortzuführen, kam zunächst nicht zu Stande.
Die Fernverbindung entsteht Das entscheidende „letzte Glied“ der Kette sollte schließlich der Preußische Staat beisteuern. 1879 legte er dem preußischen Landtag ein Gesetz vor, um Mittel zum Bau einer Strecke von Erfurt über den Thüringer Wald nach Grimmenthal und weiter nach Rit-
schenhausen zum Anschluss an die Strecke Schweinfurt – Meiningen zu erhalten. Neben der Förderung der regionalen Wirtschaft sollte dies auch dazu dienen, eine weitere Fernverbindung zwischen der Reichshauptstadt Berlin und Würzburg (und von dort weiter nach Südwestdeutschland) zu schaffen. Im März 1880 wurden die angefragten Mittel bewilligt. Während die Strecke derThüringer Eisenbahn bald übernommen wurde (und Preußen somit den ursprünglich geplanten Bau einer eigenen Strecke verwerfen konnte), erwies sich der Bau der neuen Linie als kostspieliges Projekt. Den Kamm des Thüringer Waldes querte man bei Oberhof im 3.039 Meter langen
Der Streckenbau Erfurt – Ritschenhausen wurde ein kostspieliges Projekt Brandleite-Tunnel. Seine Baukosten waren mit 4,55 Millionen Mark veranschlagt, fast ein Fünftel der voraussichtlichen Baukosten. Dennoch ließen sich im Gebirgsabschnitt maximale Neigungen von 1:50 nicht vermeiden. Mit Blick darauf war auf rund 20 Kilometer Länge der zweigleisige Bau vorgesehen, während der Rest der Strecke zunächst nur ein Gleis bekam. Meiningen wurde nicht
Zwei 218-Dieselloks bespannen einen Sonderzug, der am 28. September 1991 zum Lückenschluss Schweinfurt – Meiningen verkehrt. Nach viereinhalb Jahrzehnten ist die Trennung der Strecke endlich überwunden Volker Emersleben
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direkt angebunden, sondern erhielt Anschlüsse über Grimmenthal (Strecke Meiningen – Coburg) und Ritschenhausen (Strecke Meiningen – Schweinfurt). Der Bahnhof Ritschenhausen wurde als Grenzbahnhof zwischen dem preußischen und bayrischen Bahnnetz großzügig ausgebaut. Am 10. Dezember 1882 begann der Betrieb zwischen Grimmenthal und Suhl, dem gewerblichen Zentrum des Thüringer Waldes. Auf den übrigen Abschnitten der neuen Strecke fuhren ab 1. August 1884 die Züge.
Der Zugbetrieb bis 1945 Die neue Linie erfüllte offensichtlich die in sie gesetzten Erwartungen: Überliefert ist aus dem Jahr 1885 eine Schnellzugverbindung zwischen Meiningen und Würzburg. Das Kursbuch 1897 enthält eine Schnellverbindung Berlin – Stuttgart, es gab durchgehende Wagen unter anderem in der Relation Neudietendorf – Schweinfurt. Der Fernreiseverkehr expandierte bis zum Ersten Weltkrieg erheblich: Laut dem am ab 1. Juli 1914 gültigen Fahrplan gab es drei schnellfahrende Reisezugpaare auf der ganzen Strecke, zusätzlich je ein Schnellzugpaar Erfurt – Meiningen und Berlin – Kissingen sowie einen schnellfahrenden Zug Schweinfurt – Meiningen. Kernrelation bildete die Beziehung Berlin – Stuttgart, teilweise wurde darüber hinaus gefahren bis Zürich bzw. Saarbrücken. Nur eines dieser Zugpaare (D232/233 Berlin – Stuttgart) berührte nicht Meiningen und fuhr stattdessen direkt von Grimmenthal nach Ritschenhausen. Der anfangs übliche Lokwechsel an diesem Grenzbahnhof war offenbar aufgegeben – jedenfalls hatten die schnellen Züge hier keinenVerkehrshalt.Wegen der wachsenden Aufgaben nicht nur im Fernreiseverkehr wurde die Strecke auch bis 1914 durchweg zweigleisig ausgebaut.
Der Bahnhof Oberhof am südlichen Ende des Brandleitetunnels zählt zu den baulichen Glanzlichtern der Strecke. Im April 1991 hat Diesellok 132 345 den D 551 hierher gebracht; noch gibt es keine durchgehende Verbindung „nach Westen“ Volker Emersleben
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Zur Lage Zwischen den Weltkriegen wahrte die Linie ihre hochrangige Position – im Sommer 1939 gab es neben diversen Eilzügen, welche meist nur Teilabschnitte befuhren, vier ganzjährig verkehrende Schnellzugpaare sowie einen FD-Zug (7/8 Berlin – Stuttgart). Dieses Zugpaar legte die Relation Erfurt – Schweinfurt ohne Verkehrshalt in zwei Stunden und 17 Minuten zurück, das entsprach einer Reisegeschwindigkeit von 69 km/h. Grundrelation war weiterhin Berlin – Stuttgart, südwärts wurde bis an den Bodensee gefahren, ein Zugpaar (D 13/14) führte Kurswagen von und nach Neapel. Die Schnellzüge fuhren nicht mehr über Meinigen, sondern nutzten die Direktverbindung Grimmenthal – Ritschenhausen mit Halt in Grimmenthal.Trotz der ungünstigen Neigungsverhältnisse besaß die Strecke übrigens auch im Güterfernverkehr hohe Bedeutung. 1945 war mit all dem Schluss – nicht nur, weil die Wehrmacht bei Neustadt im April 1945 Brücken gesprengt hatte, sondern vor allem, weil nach der Übergabe Thüringens an die sowjetischen Machthaber Anfang Juli 1945 bald jederVerkehr über die Zonengrenze hinweg eingestellt wurde. Am 16. Juli 1945
Auf einen Blick
Erfurt – Schweinfurt Kursbuchstrecke: 570 bzw. 815 (2015) Erbauer: Thüringer Eisenbahn, Preuß. u. Bayer. Staatsb. Eröffnung: 1884 (letzter Abschnitt) Spurweite: 1.435 mm Anlage: Hauptbahn, teils ein-, teils zweigleisig; ab 1945 teils Neben-, teils Hauptbahn, getrennt bei Rentwertshsn.; Lücke 1991 geschlossen Länge: 158 Kilometer Wichtigste Halte: Arnstadt, Grimmenthal, Ritschenhausen, Bad Neustadt, Ebenhausen, Schweinfurt Stilllegung: – Rückbau: siehe oben Fernverkehr: D-Züge Berlin – Stuttgart (bis 1945), D-Züge/IR Berlin – Würzburg, Cottbus – Würzburg u.a. (1991–2001)
Auf gut ausgebauter Strecke eilt Diesellok 229 100 im Mai 2001 mit InterRegio 2403 zwischen Münnerstadt und Ebenhausen dahin. Der farbenfrohe Zug und die großzügige BahnAnlage täuschen allerdings etwas über die tatsächlichen Gegebenheiten hinweg: Noch im selben Jahr stellt die DB AG den Fernreiseverkehr über diese Strecke ein Georg Wagner
BAHN EXTRA 5/2015
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Strecken und Züge
| ERFURT – SCHWEINFURT
passierte der letzte Zug die Grenze zwischen Bayern und Thüringen.
Betrieb bis 1989 und nach der Wende Mangels Bedarfs unterblieb während derTeilung Deutschlands die Beseitigung der Lücke in der Strecke. Auf westdeutscher Seite wurde sie – immer noch als Hauptbahn – bis Mellrichstadt betrieben; bis 1966 fuhren Reisezüge auch noch zu dem fünf Kilometer weiter liegenden Haltepunkt Mühlfeld. Auf der östlichen Seite liefen die Züge bis Rentwertshausen, hier mündete bis 1970 eine Nebenstrecke von Römhild ein. Die Strecke Meiningen – Rentwertshausen wurde zur Nebenbahn heruntergestuft, dieVerbindung Ritschenhausen – Grimmenthal war 1945 bis 1961 sogar stillgelegt und abgebaut. Das zweite Gleis verschwand mit Ausnahme des Bereiches im Brandleitetunnel, bis 1977 ist es von Erfurt her wieder bis Plaue verlegt worden. Im Unterschied zum westdeutschen Restabschnitt fand auf ostdeutscher Seite beachtlicher Fernreiseverkehr zwischen Erfurt und Meiningen statt. Die Verhältnisse wandelten sich deutlich, als im Herbst 1989 die DDR ihre Grenzen öffnete. Nun gewann die gesamte Strecke an Attraktivität, konnte sie doch dazu beitragen, Thüringen und Bayern miteinander zu verknüpfen. Im Juli 1990 fiel die Entscheidung, die Lücke zu schließen; am 28. September 1991 wurde die Strecke Schweinfurt – Meiningen feierlich wieder eröffnet. Die Verbin-
dung Ritschenhausen – Grimmenthal war vollständig zu sanieren und stand erst seit 1993 wieder zur Verfügung. Bei aller Euphorie war aber von vornherein klar, dass die Strecke ihre frühere Bedeutung nicht erlangen würde. Züge zwischen Berlin und Stuttgart sollten vor allem über Neu- und Ausbaustrecken fahren. Der notwendige zweimalige Richtungswechsel in Schweinfurt und Würzburg sowie die abseitige Lage Meiningens waren für eine schnelle Verbindung hinderlich. Daher ertüchtigte man die Strecke nur für 120 km/h,
Eines stand 1991 fest: So wichtig wie früher wurde die Strecke nicht wieder die Elektrifizierung wie auch das Verlegen des zweiten Gleises auf den mittlerweile eingleisigen Abschnitten unterblieb. In der Folge lebte der Ost-West-Fernreiseverkehr in bescheidenem Maße auf. Bundesbahn und Reichsbahn führten 1991 im Abschnitt Schweinfurt – Ritschenhausen – Meiningen ein für eine eingleisige Strecke beachtliches Angebot an Eilzügen ein. Ein Eilzugpaar Meiningen – Würzburg führte Kurswagen, die ab Meiningen im Zugpaar D 2500/2501 über Grimmenthal – Erfurt von und nach Berlin liefen. Während der Ertüchtigung der Frankenwaldbahn Nürnberg – Saalfeld wurden zudem etliche Güterzüge über die Strecke geleitet.
Mit der Wiederinbetriebnahme derVerbindung Grimmenthal – Ritschenhausen 1993 legten DB und DR dann diverse durchgehende Eilzüge Erfurt – Schweinfurt ohne Berührung Meiningens ein. Zusätzlich fuhren nun auch zwei Schnellzugpaare in den Relationen Berlin – Leipzig – Würzburg bzw. Cottbus – Leipzig – Würzburg. Im folgenden Fahrplanjahr, 1994/95 bei der Deutschen Bahn AG, wurden daraus zwei InterRegio-Paare Würzburg – Berlin. Eines davon entfiel zum Fahrplanjahr 1995/96 wieder, das andere verkehrte zwischen Stralsund und Würzburg über Berlin-Lichtenberg, wurde 1996 auf den Lauf Berlin – Halle – Würzburg reduziert und mit dem Namen „Rennsteig“ versehen. Das fiel bereits in die „Spätzeit“, in der es eine Änderung nach der anderen gab. 1997 erfuhr das Zugpaar eine Verlängerung bis Stuttgart, 1998 fiel der Lauf zwischen Erfurt und Berlin weg, 1999 der zwischen Würzburg und Stuttgart. Übrig blieb ein „Rest-InterRegio“ Erfurt – Würzburg, der sich aber auch nicht lange hielt. Zum Fahrplanjahr 2001/ 2002 machte die DB AG die Strecke „schnellzugfrei“. Mangelnde Nachfrage erleichterte diese Entscheidung, zumal der Zug im Zeichen der Regionalisierung nur noch schlecht in das Fahrplan- und Tarifgefüge passte. In den Jahren 2003 bis 2008 wurde die Strecke übrigens für Neigetechnik ausgebaut und ist nun mit 160 km/h befahrbar. Doch das nutzt allenfalls noch dem schnellen Regionalverkehr. Dr. Lutz Münzer/GM
Nach der Wiederinbetriebnahme der Strecke nach Ritschenhausen wurde der Bahnhof Grimmenthal 1993 auch aufs Neue zu einem wichtigen Unterwegshalt der Strecke. Im Jahr 1995 macht InterRegio 2204 hier Station Dr. Lutz Münzer
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Strecken und Züge
| WÜRZBURG – OSTERBURKEN – STUTTGART
Jahrelang fuhr die V 200 die D-Züge auf der Strecke Stuttgart – Würzburg. Im Dezember 1964 tritt V 200 013 mit ihrer Garnitur die Reise nach Süden gerade an (Bild in Würzburg) Harper/Bildarchiv der Eisenbahnstiftung
Zwei Karrieren Zuerst wurde die Strecke Stuttgart –Würzburg Teil des Fernverkehrs Stuttgart – Berlin. Nach dem Zweiten Weltkrieg änderten sich dieVerkehrsströme, nun fuhren dort D-Züge zwischen Stuttgart und Hamburg. Das sollte nicht die letzte Änderung bleiben
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ass die Strecke für den Zugverkehr Würzburg – Stuttgart Bedeutung erlangen würde, ließ sich zunächst noch nicht absehen. Anfangs hatte der OstWest-Verkehr Vorrang: die Relation Heidelberg – Osterburken – Würzburg, die vom 1. November 1866 an durchgehend befahrbar war. Bis 1869 kam noch eine Ergänzung von Heilbronn nach Bad FriedrichshallJagstfeld hinzu, die ebenfalls zuerst anderen Verkehrsströmen diente. Denn noch im 19. Jahrhundert wurde zwischen Stuttgart und Bad Friedrichshall-Jagstfeld sowie zwischen Osterburken und Würzburg das zweite Streckengleis verlegt. Zwischen Jagstfeld und Osterburken dauerte es dagegen deutlich länger; dort schloss man den zweigleisigen Ausbau erst 1937 ab. Der Grund: Der Abschnitt Würzburg – Osterburken diente lange demVerkehr Oberfranken – Mannheim/Heidelberg, während der Südabschnitt Bad Friedrichshall-Jagstfeld – Stutt-
BAHN EXTRA 5/2015
gart zusätzlich Verkehr der Relation Heidelberg – Stuttgart aufnahm. Es dauerte einige Jahre, bis schnell fahrende Reisezüge zwischen Würzburg und Stuttgart fuhren.
Der D-Zug-Verkehr setzt ein Mit der Vollendung der Verbindung Erfurt – Grimmenthal – Schweinfurt 1884 eröffneten sich Perspektiven für einen großräumigen Fernreisezugverkehr. 1886 wurde zunächst ein Tagschnellzugpaar zwischen Berlin und Heidelberg über Osterburken eingelegt, das 1889 auch Kurswagen von und nach Stuttgart erhielt. Seit 1898 gab es durchgehende Wagen zwischen Mailand und Berlin. 1905 verkehrte dann zwischen Würzburg und Stuttgart der D 37/38. Er war zwar das einzige hochwertige Reisezugpaar im Abschnitt Osterburken – Bad Friedrichshall-Jagstfeld, aber auch eines, das sich sehen lassen konnte. D 37/38 verkehrte von Berlin über Zürich nach Mailand, führte Schlafwagen zwischen
Berlin und Stuttgart sowie Speisewagen zwischen Osterburken und Zürich. Zwischen Würzburg und Osterburken war das Zugpaar vereinigt mit einem D-Zug von und nach dem westlichen Deutschland mit Kurswagen Würzburg – Metz. In der Folge wuchs das Angebot. 1914 existierten schon drei Schnellzugpaare zwischen Stuttgart und Würzburg. Sie bedienten die Grundrelation Berlin – Erfurt – Stuttgart und wiesen ein breites Spektrum an Kurswagen auf, wie Paris – Bad Kissingen, Straßburg – Bad Kissingen, Mailand – Berlin, Luzern – Osterburken,Wildbad – Berlin.Wesentlich umfangreicher war der Fernverkehr im Abschnitt Osterburken – Würzburg, kamen doch hier drei schnell fahrende Zugpaare hinzu, welche die Ost-West-Richtung bedienten, mit Zugbzw. Wagenläufen wie Metz – Saarbrücken – Würzburg – Dresden/– Berlin oder Osterburken – Dresden. Osterburken bildete mit Zugtrennungen und Zugzusammenführungen sowie Ein- und Aussetzen damals einen hochbelasteten Knoten. An dieser Konstellation änderte sich auch zwischen den Weltkriegen nur wenig. Die Wagen nach Italien liefen indessen noch weiter südwärts – 1925 finden sich Kurswagen 1./ 2. Klasse Berlin – Rom, später gab es sogar Wagenläufe zwischen Berlin und Neapel. Im System der FD-Züge wurde Mitte der 1930erJahre auch die Route Berlin – Stuttgart durch das Paar FD 7/8 bedacht. Die niedrigen Zugnummern bei den Fernreisezügen standen für ihre besondere Rolle. Unverändert war
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Strecken und Züge
| WÜRZBURG – OSTERBURKEN – STUTTGART
Auch das DB-Paradepferd gibt sich auf der Strecke die Ehre: Im Juni 1980 hat 103 196 den D 792 Stuttgart – Hamburg am Haken, aufgenommen bei Sachsenflur Dr. Rolf Brüning
Zur Lage der Fernreisezugverkehr zwischen Osterburken und Würzburg wesentlich umfangreicher als auf dem Rest der Strecke; Wagenumstellungen, Zugtrennungen und weiteres fanden nun aber überwiegend in Würzburg statt.
Die Zeit nach 1945 DieTeilung Deutschlands brachte mit der dauerhaften Unterbrechung der Strecke Schweinfurt – Erfurt das Aus für das gewohnte Fahrplanmuster. Beim Wiederaufbau des Fernverkehrs in Westdeutschland versuchte die Deutsche Bundesbahn zunächst noch, an Vorkriegsstrukturen anzuknüpfen: Der Fahrplan vom Sommer 1949 enthielt zwischen Würzburg und Stuttgart je ein Schnellzugpaar Zürich – Würzburg und Stuttgart – Hof. Die Ausrichtung nach Hof blieb nicht lange; stattdessen Auf einen Blick wurde der Fernverkehr von und nach Stuttgart neu auf die NordSüd-Strecke mit Ziel Hamburg Kursbuchstrecke: 780 (1991) ausgerichtet. Im SommerfahrErbauer: Badische Staatsb., Württemberg. Staatsb. plan 1950 fand sich eine KursEröffnung: 1866–1869 wagengruppe Stuttgart – HamSpurweite: 1.435 mm burg. Bald darauf wurden durchAnlage: Hauptbahn, ab 1937 durchgehend zweigehende D-Züge in dieser gleisig; ab 1975 elektrifiziert Relation eingelegt, außerdem Länge: 180 km verlängerte man das SchnellzugWichtigste Halte: Lauda, Osterburken, Bad Friedrichshallpaar Würzburg – Zürich nordJagstfeld, Heilbronn wärts bis Hamburg. Dieses Stilllegung: – Grundschema mit zwei, schließRückbau: – lich drei durchgehenden SchnellFernverkehr: D-Züge Berlin – Stuttgart (bis 1945), u.a. D- Züge Stuttgart – Hamburg (ab 1950erzugpaaren zwischen Würzburg Jahre), DC Stuttgart – Würzburg (1973– und Stuttgart, ergänzt durch 1975), IR Erfurt – Stuttgart (1997/98) meist vier Eilzugpaare, hielt sich über geraume Zeit mit nur geringen Veränderungen. So ver-
Würzburg – Stuttgart
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Mit dem IC-System 1979 bekamen die Stuttgarter D-Züge große Konkurrenz wurden in Lauda ein- bzw. ausgestellt und hatten Ulm bzw. den Bodensee zum Ziel. Einzelne Eilzüge fuhren über die Relation hinaus, zum Beispiel von Würzburg nach Tübingen.
Wandel ab den 1970ern Größere Änderungen traten 1973 ein. Das Zeitalter der Taktfahrpläne kündigte sich in Form der DC-Züge an. Nun ergänzte eine DC-Linie Stuttgart – Würzburg – Hof mit anfangs drei Zugpaaren das bisherige D-Zug-Angebot; zum Teil hatte die DB Eilzüge zu den DCZügen umgewandelt. Bereits 1975 war damit aber wieder Schluss; die bisherigen DC-Züge fuhren nun als Eilzüge mit teilweise geänderter Zeitlage. Eine Folge hatte dieses Fahrplanintermezzo aber doch: Es gab mehr Eilzüge, die Strecke war enger mit der Verbindung Würzburg – Hof verknüpft. Die Einführung des zweiklassigen Intercity-Systems 1979 untergrub die Grundlagen des D-Zugverkehrs zwischen Würzburg und Stuttgart. Mit Umsteigen in Mannheim bei kurzer Übergangszeit kam man in kaum mehr als sieben Stunden von Stuttgart nach Hamburg – im D-Zug über Würzburg dauerte es anderthalb Stunden länger, obBAHN EXTRA 5/2015
wohl die Strecke seit 1975 elektrifiziert war und damit etwas kürzere Fahrzeiten als vorher möglich wurden. Auch die Konkurrenz von Straße und Luftfahrt machte den D-Zügen zu schaffen. So strich die DB 1979 eines der beidenTagschnellzugpaare, drei Jahre später war mit dem Nachtschnellzugpaar Schluss. 1988 endete der Schnellzugverkehr zwischen Würzburg und Stuttgart; von nun an fuhren sieben bzw. mit einer Umsteigeverbindung acht Eilzugpaare im Zwei-Stunden-Takt. Die Verdichtung durch den gleichfalls zweistündlich eingesetzten „Interregio-Bus“ Würzburg – Heilbronn hatte dagegen keinen Erfolg. Ganz am Ende war der Fernverkehr übrigens noch nicht: Seit 1986 gab es eine Kurswagenverbindung zwischen Dresden und Stuttgart. Sie überstand gerade die Wende und verschwand 1991 aus dem Fahrplan.
Der letzte Fernreisezug Noch einmal sollte es einen Fernzug auf der Strecke geben. In den Jahren 1997 und 1998 kam das InterRegio-Paar „Rennsteig“ über die wiederaufgebaute Verbindung bei Mellrichstadt nach Würzburg, fuhr weiter nach Stuttgart und knüpfte damit an dieVorkriegsverhältnisse an. Das einzelne Schnellzugpaar, das zudem auf weniger als 50 Kilometer Entfernung in Würzburg und Schweinfurt die Fahrtrichtung wechselte, hatte im Zeitalter von Stundentakten und konkurrierenden Hochgeschwindigkeitsstrecken keine Chance. So ließ sich schon absehen, dass dies nur eine kurze Episode war – und zwar die letzte in Sachen Fernreiseverkehr. Dr. Lutz Münzer/GM
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schwanden ab Ende der 1960er-Jahre die Durchläufe in die Schweiz und die Kurswagen nach Italien. Trotzdem kam man noch lange mit den Schnellzügen Hamburg – Würzburg – Stuttgart weit in den Süden Deutschlands; die Kurswagen liefen nun über Ulm – Crailsheim,
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Nachschlag Bisher wurden rund ein Dutzend Strecken mit wenig oder gar keinem Fernreiseverkehr porträtiert. Das stellt freilich nur einen Ausschnitt aus der „Riege der Ehemaligen“ dar. Einige weitere folgen auf diesen Seiten; mal mehr, mal weniger berühmt, mal mehr, mal weniger beansprucht
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Zu Bundesbahnzeiten wurden die Fernzüge von Frankfurt nach Metz und Paris über verschiedene Nebenfernstrecken geleitet. In den 1950erJahren befuhren französische Dieseltriebwagen als F-Züge die Nebenbahn Worms – Langmeil; in den späten 1980er-Jahren zogen 218 französische
Corail-Wagen durchs Nahetal, bis die Züge grundsätzlich elektrisch über Mannheim geleitet wurden. In der Zeit dazwischen führte ihr Laufweg zwei Jahrzehnte über die Alsenzbahn Hochspeyer – Bad Münster am Stein. Im Juli 1981 ist dort 218 378 mit D 259 unterwegs Dr. Dietmar Beckmann
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| WEITERE UNVERGESSENE MAGISTRALEN
Ähnlich wie Ingolstadt – Treuchtlingen und Würzburg – Gemünden ist auch die Verbindung Stuttgart – Vaihingen (Enz) – Heidelberg ein Zubringer des IC-Verkehrs. Und wie die anderen Beispiele verliert sie ihre Funktion mit Eröffnung einer Neubaustrecke. Als die 103 im April 1976 mit ihrem IC bei Ludwigsburg Fahrt aufnimmt, ist die Neubaustrecke Stuttgart – Mannheim aber noch Zukunftsmusik Jürgen Krantz/Slg. Krantz
Gelassen warten polnische Zöllner im August 2006 im Grenzbahnhof KüstrinKietz auf den nächsten Zug zum Kontrollieren. Heute handelt es sich dabei ausschließlich um Regionalbahnen von Berlin-Lichtenberg nach Kostrzyn, gefahren mit Triebwagen der Niederbarnimer Eisenbahn Bodo Schulz
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Abgelöst Bis vor wenigen Jahren war Küstrin-Kietz noch ein Grenzbahnhof für Fernreisezüge nach Polen; heute beschränkt sich das Angebot auf Regionalzüge. Die alte Strecke Stuttgart – Heidelberg verlor mit Eröffnung der Neubaustrecke Mannheim – Stuttgart den Großteil ihrer Fernreisezüge. Und für die Nebenfernstrecke Kleve – Kranenburg – Nijmegen kam es ganz anders: Erst stillgelegt, dient sie heute für Draisinenfahrten
Vier Wagen, aber internationales Flair: Am Vormittag des 31. Dezember 1985 ist 215 031 mit D 417 Amsterdam – Köln im Grenzbahnhof Kranenburg eingetroffen; in Kürze geht es weiter Richtung Kleve. Rechts steht 215 024 mit E 3774 Georg Wagner
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| WEITERE UNVERGESSENE MAGISTRALEN
Genau das Richtige für eine Hochrädrige: Im Mai 1967 ist 03 111 mit einem Schnellzug auf der Eifelbahn unterwegs, im Bild bei Densborn. Das Bw Mönchengladbach hat die Maschine an das Bw Trier ausgeliehen – unter anderem für solche Einsätze Rolf Wiemann/Bildarchiv der Eisenbahnstiftung
Fan-Freude Bei Eisenbahnfreunden war die Eifelbahn ein beliebtes Ausflugsziel – vor allem, so lange dort noch D-Züge fuhren, also bis in die 1980er-Jahre. In jüngster Zeit zog es viele in die Lausitz, genauer, zum Bahnhof Forst. Die Attraktion dort: das seltene Miteinander von alter Bahnhofsanlage und modernem IC-Verkehr
Im August 2011 setzt sich eine PKP-Diesellok mit einem Intercity aus Berlin Richtung Polen in Bewegung. Noch ist der Bahnhof Forst (Lausitz) eine Grenzstation auch für Fernreisezüge – und ein kleines Eisenbahn-Paradies dazu Sven Klein
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Gößnitz mit seinem prächtigen Empfangsgebäude hat schon seit langem den Fernverkehr verloren. Im Jahr 1996 „schleicht“ sich noch ein IR München – Leipzig ins Bild, der von Werdau gekommen ist und nach Leipzig weiter fährt. Seit 2001 gibt es auf der Strecke keine Fernreisezüge mehr, von 2007 bis 2010 wurde auch das Gößnitzer Empfangsgebäude abgerissen M. Weltner
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Erinnerungen
| DRAISINENFAHRT
Der Geschichte Es ist lange her, dass auf dem Abschnitt Leinefelde – Geismar der „Kanonenbahn“ D-Züge fuhren. Der Betrieb mit Nahverkehrszügen endete vor über zwei Jahrzehnten. Heute kann man dort Fahrraddraisinen mieten. Michael Scheppan hat es ausprobiert
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ie „Kanonenbahn“ spricht für sich. Die Streckenführung mit zweigleisigen Abschnitten an Stellen, wo man sie nie vermutet hätte, berühmte Bauwerke, die Unterbrechung durch den Mauerbau – all das hat seinen Reiz. Im Regelbetrieb habe ich die Strecke Leinefelde – Küllstedt – Geismar leider nicht mehr ganz erlebt. Die Einstellung des Zugverkehrs nach Geismar kam zum 31. Dezember 1992 und war eine der ersten Stilllegungen bei der Reichsbahn nach der Wiedervereinigung. Davon erfuhr ich erst hinterher. Küllstedt als neuen Endbahnhof habe ich noch 1993 erreicht, aber weiter ging es damals halt nicht mehr.
Start in Lengenfeld Umso mehr freute ich mich, als auf der Kanonenbahn von Lengenfeld unterm Stein ausgehend der Draisinenverkehr eingerichtet wurde. Wir fuhren Ende März 2012 mit; das war zwar noch eher vorfrühlingshaft, aber so waren außer uns nicht viele unterwegs. Die Fahrt geht von Lengenfeld nach Küllstedt und zurück. Die Kanonenbahn ist keine der typischen Draisinenstrecken, die flach übers Land oder entlang eines Flusses führen. Mit der hügeligen Landschaft stellt sie einige Anforderungen. AlsVerleihstation dient der frühere Bahnhof Lengenfeld unterm Stein; hier geht es nach einer Einweisung los. Einer der Höhepunkte folgt gleich wenige Meter weiter: das große Viadukt von Lengenfeld unterm Stein. Neben dem Frieda-Tunnel ist es sicher eines der berühmtesten Bauwerke der Strecke. Das Viadukt liegt in einem langen Bogen. An den Brückengeländern sind Zaunelemente befestigt, als Schutz gegen den Absturz aus bis zu 24 Metern Höhe. Das Bauwerk konnte von den Regelzügen in den letzten Betriebsjahren nur noch mit 10 km/h befahren werden und wurde als Grund für die Stilllegung genannt. Zumindest auf der Rückfahrt ist man mit der Draisine schneller, dafür sind die Lasten aber auch wesentlich geringer …
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Hinter dem Viadukt beginnt die Steigung, die bis in den KüllstedterTunnel hinein reicht. Auf dieser längeren Steigung sollten schon zwei Erwachsene in die Pedale treten. Bevor wir den Wald erreichen, entschädigt uns die Umgebung mit schönen Ausblicken für die Mühe. Und bald folgt auch der Erste von fünf Tunneln. Er hat, wie die folgenden drei, eine recht überschaubare Länge; bei bis zu 345 Metern scheint immer Licht von einer Seite hinein. Vom Profil her sind die Tunnel für zwei Gleise gebaut, entsprechend großräumig wirken sie auch. Innen sieht man noch die Schwarzfärbung an der gewölbten Decke – Zeugen des früheren Dampflokverkehrs. Und an jedem Tunnel stehen noch Name und Länge. Bei der Betrachtung des Streckengleises kann man gut sehen, wie sich das Gleis in den letzten Jahrzehnten setzte. Es gibt Unebenheiten in der Schiene, zum Teil fehlt Schotter rechts und links des Gleises. Für die Draisine ist das alles kein Problem; aber ein Zug könnte heute hier nicht mehr entlang fahren.
Die einstigen Haltepunkte Ich bin gespannt, was man noch von den Haltepunkten sieht. Zunächst erreichen wir
Man kann gut sehen, wie sich das Gleis über die Zeit hinweg setzte Großbartloff. Und es ist tatsächlich so, als wäre dort der letzte Zug erst gestern gefahren. Der Bahnsteig ist gepflegt und das Gras gemäht, das Stationsgebäude steht noch und befindet sich in einem guten Zustand. Ebenso gibt es noch die Pilzlampen und verrostete H-Tafeln. Als wäre die Zeit stehen geblieben. Wenn man anhält, ist es still – und man erwartet eigentlich, den Zug in der Ferne zu hören.
In Küllstedt nimmt ausgewähltes heimisches Personal Draisinen und Reisende in Empfang, um sie zu betreuen ... (März 2015) Marco Frühwein
Es folgt der zweite Tunnel, die Strecke steigt mit abwechselnden Bögen und kurzen Zwischengeraden an. Am Haltepunkt Effelder, zwischen dem dritten und dem vierten Tunnel, war ich früher schon mal. Damals war der Bewuchs der Strecke bereits vorangeschritten, man konnte beide Tunnel vom Haltepunkt aus kaum noch sehen. Heute ist zwar der Bahnsteig noch vorhanden, aber mehr nicht. Kein Vergleich zu Großbartloff! Wir machen immer mal eine kleine Pause. Draisine fahren kann man schließlich mit einem normalen Fahrrad nicht vergleichen. Das Gerät hat mehr Eigengewicht, außerdem fährt man einige Personen „spazieren“
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Familienvergnügen auf der „Kanonenbahn“: Zwischen Lengenfeld und Küllstedt kann man heute mit einer Fahrraddraisine die Strecke bereisen. Das Bild entstand in Küllstedt; im Bahnhof hat sich gegenüber dem Zugbetrieb bei der Reichsbahn 1993 nicht viel verändert (kleines Foto) Michael Scheppan (2)
als bei der Hinfahrt. Die Räder fangen an zu singen, die Schienenstöße klacken in deutlich verkürztem Takt und wir genießen den Fahrtwind. In schönstem Sonnenschein kehren wir nach Lengenfeld zurück. Eine halbe Stunde nach uns trifft ein für die Schienenfahrt umgebautes Auto ein, das einige Draisinen am Haken hat. Dann hat der Betrieb für den Tag Feierabend. Den Ausflug kann man jedem nur empfehlen. Die Strecke führt zwar meistens am Hang entlang durch den Wald, aber es gibt immer mal wieder einen Ausblick. Und das LengenfelderViadukt und der lange Küllstedter Tunnel sind Erlebnisse, die man nur hier auf der Kanonenbahn bekommt. Michael Scheppan begeistert sich seit Kindestagen für die Eisenbahn. Unter anderem interessieren ihn ehemalige Strecken; er hat bereits mehrere solcher Strecken in Eisenbahn-Zeitschriften vorgestellt.
– ohne Gangschaltung. Da ist einem der Muskelkater gewiss … Der fünfte und letzte Tunnel ist auch der längste. 1.530 Meter misst der Küllstedter Tunnel. Drinnen wird es sehr schnell dunkel. Die Draisine hat zwar eine kleine Frontleuchte, aber viel Licht erzeugt diese nicht – ich habe vorsichtshalber Taschenlampen eingepackt. Hier muss man sich durcharbeiten, aber wenigstens ist im Tunnel der Brechpunkt der Strecke erreicht. Die letzten Meter nach Küllstedt lässt es sich viel leichter treten.
Nach Küllstedt und zurück Auf einer Brücke überqueren wir eine Straße, dann sind wir da. Im Bahnhof von Küllstedt sieht es noch so aus wie 1993, als ich mit dem Zug hierher fuhr. Die Brücke über die Bahnhofseinfahrt, das Empfangsgebäude und selbst beide Bahnsteige sind vorhanden. Auch hier stehen die typischen Pilzlampen und die H-Tafeln. Und wie damals gibt es eine Begrüßung durch laut bellende Hunde, die in einem Zwinger am Bahnsteig untergebracht sind. Am Bahnhofskopf Richtung DinBAHN EXTRA 5/2015
gelstädt endet die Draisinenstrecke. Hier befindet sich eine Art Drehscheibe, um das Fahrzeug zu drehen. Das weiter führende Gleis ist zugewachsen. Die nächste Draisine wartet bereits; Hin- und Rückfahrt hat man nach der Uhrzeit geregelt, damit immer nur in eine Richtung gefahren wird. Wir kehren in der benachbarten Gaststätte ein, bevor die Rückfahrt ansteht. Aus dem Bahnhof hinaus geht es zwar erst gut einen Kilometer „bergan“, aber dann beginnt das Gefälle. Man kann sich rollen lassen, muss höchstens mal leicht treten, die Geschwindigkeit ist deutlich höher
Auch auf den Strecken Kleve – Kranenburg (Foto) und Kranenburg – Groesbeek (Niederlande) kann man heute mit der Fahrraddraisine unterwegs sein. Noch 1991 verkehrten hier zwei internationale D-Züge Marco Frühwein
Draisinenfahrten
Info-Adressen Lengenfeld – Küllstedt: http://www.erlebnis-draisine.de/ Kleve – Kranenburg bzw. Kranenburg – Groesbeek: http://grenzland-draisine.eu/index.php/de/
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Vorschau
Impressum
| IM NÄCHSTEN HEFT
5/2015 | September/Oktober 26. Jahrgang | Nummer 138
Internet: www.eisenbahnwelt.de Redaktionsanschrift: BAHN-EXTRA Postfach 40 02 09 l 80702 München Tel. +49 (0) 89.13.06.99.720, Fax -700 E-Mail:
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Willkommen zu einer Zeitreise ... ... und zwar im doppelten Sinne. BAHN EXTRA „entführt“ Sie zu Strecken, die einst für Fahrten in die Ferne Bedeutung hatten: als große Verbindung von und nach Berlin, als Magistrale im Nord-Süd-Verkehr oder als Nebenfernstrecke, die das Netz wertvoll ergänzte. Davon ist in den meisten Fällen nichts geblieben. Dieses Heft zeigt Ihnen noch einmal die glanzvollen Jahre dieser Strecken; jene Jahre, als dort Schnellzüge und andere hochwertigen Züge Alltag waren!
www.eisenbahnwelt.de
ISBN 978-3-86245-210-1