Clausewitz
3/2013 Mai | Juni
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Das Magazin für Militärgeschichte
Clausewitz
Militärtechnik im Detail
Flugzeugträger der IndependenceKlasse
8,8-cm-FlaK Das steckt hinter dem Ruf der „Acht-Acht“
Hamburgs Brandnächte im Jahr 1943
Krimkrieg 1853
Operation
Vorstufe zu einem Weltkrieg?
„Gomorrha“ Richard Löwenherz
MILITÄR & TECHNIK:
König, Krieger und Kreuzritter
Mi-8T Westland „Sea King“
Deutsche Marineflieger im Kalten Krieg
n e d n e g e L e t f ü der L Das neue . Heft ist dal i Ab 15. Aprk! am Kios
Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, vor 70 Jahren wurde die Großstadt Hamburg von einer Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes heimgesucht. Das „alte“ Hamburg ging in einem von alliierten Bombenangriffen entfachten Feuersturm unter. Die Folgen der Operation „Gomorrha“ veränderten das Antlitz der Hansestadt an der Elbe für immer. Auch sieben Jahrzehnte nach den verheerenden Luftangriffen sind die Wunden im Stadtbild sichtbar, die Ruine der ehemaligen Hauptkirche St. Nikolai ragt seit ihrer Zerstörung im Juli 1943 mahnend in den Himmel. Heute wird das „Mahnmal St. Nikolai“ als Erinnerungsort für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft der Jahre 1933–1945 genutzt. Seit 1993 ist es Mitglied der „Nagelkreuzgemeinschaft“ – das in der Turmhalle angebrachte „Nagelkreuz von Coventry“ ist ein Symbol für das Anliegen, Gegensätze der Vergangenheit zu überbrücken und gemeinsam eine friedliche Zukunft zu gestalten. Wie die kontrovers geführte Diskussion um das 2012 in London enthüllte „Bomber Command Memorial“ für die mehr als 55.000 Gefallenen der Royal Air Force zeigt, berührt das Thema „Bombenkrieg – Alliierte Luftangriffe auf Deutschland“ die Menschen auch heute noch emotional. Lesen Sie in unserer Titelgeschichte „Bomben auf Hamburg“ ab Seite 10, wie es zum Untergang Hamburgs im Feuersturm des Jahres 1943 kam und welche Ziele die Alliierten mit der Operation „Gomorrha“ verfolgten. Ich möchte Sie auch auf unser großes CLAUSEWITZ-Gewinnspiel auf Seite 31 aufmerksam machen, bei dem es attraktive Preise zu gewinnen gibt. Machen Sie mit, es lohnt sich! Eine abwechslungsreiche Lektüre und viel Spaß beim Gewinnspiel wünscht Ihnen
Dr. Tammo Luther Verantwortlicher Redakteur
Clausewitz 3/2013
Krieger, Söldner & Soldaten
NEUE SERIE
Der gefiederte Tod Die englischen Langbogenschützen revolutionieren mit ihrem Massenbeschuss die Kriegführung des späten Mittelalters ie Ursprünge der englischen Langbogenschützen stehen im Zusammenhang mit D den während der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts stattfindenden Eroberungskriegen des englischen Königs Edward I. in Wales. Dort herrscht vor allem im Süden des Landes eine alte Tradition des Bogenschießens, die sich der Herrscher bald zunutze macht. Er nimmt die dortigen Stämme in seine Dienste und die Mischung aus großen Kontingenten von Bogenschützen und Panzerreitern bildet eine gelungene Kombination aus Feuer- und Schlagkraft. Während die frühen Langbogenschützen noch weitgehend ungerüstet in den Kampf ziehen, ändert sich dies mit ihrem gestiegenen Prestige. Da von nun an auch zahlreiche Engländer als Bogenschützen dienen, nehmen sie bald den Rang einer Eliteeinheit ein. Damit verbessert sich auch ihre Ausrüstung. Neben den Bogen treten Schwert, Axt oder ein Streitkolben als Sekundärwaffen. Dem Körperschutz dienen eine Beckenhaube oder ein anderer einfacher Helm, sowie eine Brigantine, ein Kettenhemd oder ein Gambeson, der als „jack“ bezeichnet wird. Ein kleiner Faustschild vervollkommnet
die Kampfausrüstung. In der Schlacht nehmen die Bogenschützen oft eine Flankenposition ein und werden damit von den gepanzerten Fußkriegern und den meist abgesessen kämpfenden Panzerreitern geschützt. Innerhalb einer Minute muss ein Mann mindestens zehn Pfeile abschießen, sonst gilt er nicht als vollwertiger Schütze. Zu diesem Zweck stecken die Männer einige Pfeile vor sich in den Boden, um diese noch schneller greifen zu können. Die schweren Kriegsbögen sind etwa 1, 8 Meter lang und bestehen aus einem Stück Eibenholz, das so gewählt ist, dass sich das dichte Kernholz in der Mitte des Bogens befindet, während das elastischere Holz die Bogenarme bildet. Dies verleiht dem Bogen seine enorme Spannkraft, die bei den schwersten Exemplaren ein Zuggewicht von über 50 kg erreicht. Die Pfeile durchdringen auf kurze Distanz sogar eine Rüstung. Durch den Massenbeschuss wird das Vorrücken feindlicher Truppen erheblich behindert, wobei auch der psychologische Effekt eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt. Dabei liegt die weiteste Kampfentfernung bei etwa 300 Metern. Mit den seit dem 15. Jahrhundert immer ausgereifteren Handfeuerwaffen bekommt der Langbogen eine ernsthafte Konkurrenz. Dennoch ist er zunächst aufgrund seiner höheren „Feuergeschwindigkeit“ weiterhin im Einsatz, bis er schließlich zu Beginn des 16. Jahrhunderts den Feuerwaffen ganz weichen muss.
FAKTEN Zeit: Spätes 13. bis Anfang 16. Jahrhundert Uniform: Beinlinge, Wams, Brigantine, Kettenhemd, einfacher Helm, Bogen, Bündel mit Pfeilen, kurzes Schwert, Dolch, kleiner Faustschild Hauptwaffe: Langbogen Kampftaktik: Massenbeschuss durch Pfeilhagel Wichtige Schlachten: Falkirk 1298 Crécy 1346 Poitiers 1356 Azincourt 1415 Langbogenschützen im Film: Henry V. (1989) Robin Hood (2010)
Im Hundertjährigen Krieg: Dieser Langbogenschütze in der Schlacht von Crécy ist durch eine gepolsterte Jacke und eine Beckenhaube geschützt. Die Pfeile werden in einem großen Leinwandbeutel transportiert und erst kurz vor der Schlacht im Boden vor dem Schützen platziert oder – wie hier – direkt am Zeichnung: Andrea Modesti Gürtel getragen.
Inhalt Titelthema
Titelgeschichte
HILFLOS: Die Einwohner von Hamburg – sofern sie nicht den Luftangriffen zum Opfer fallen – müssen der Zerstörung ihrer Heimatstadt in mehreren alliierten Tag- und Nachtangriffen tatenlos zusehen. Ganze Stadtteile werden im Sommer 1943 in Schutt und Asche gelegt. Die alliierten Luftangriffe sollen die deutsche Zivilbevölkerung demoralisieren.
Alliierte Luftangriffe 1943 – Operation „Gomorrha“. .............................................................................................................10
Foto: SSPL/National Media Museum/Süddeutsche Zeitung Photo
Hamburg versinkt im Feuersturm
Kriegsschauplatz „Himmel“. ..........................................................................................24 Technologie und Strategie im Bombenkrieg
„Es regnete Feuer...“.
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Alliierte Luftangriffe – „Operation Gomorrha“
Bomben auf Hamburg
Das Leid der Zivilbevölkerung während der Luftangriffe
24. Juli 1943: Fast 800 Bomber der Royal Air Force befinden sich auf dem Weg in Richtung Hamburg. Ihre tödliche Mission ist der Auftakt zu einer Serie schwerer alliierter Luftangriffe, die das „Gesicht“ der Stadt Hamburg für immer veränderten... Von Peter Cronauer 10
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Im Feuersturm: Ein Straßenzug in der Hamburger Innenstadt nach einem der verheerenden Bombenangriffe im Sommer 1943. Foto: ddp images/AP/Süddeutsche Zeitung Photo
Magazin Neues zur Militärgeschichte, Ausstellungen und Bücher .........................6
Schnellboot der Kriegsmarine.....................................................................42
Schlachten der Weltgeschichte
Der Zeitzeuge
Operation „Husky“ – Landung alliierter Truppen auf Sizilien 1943. .................................................................................32
Eisenbahn im Zweiten Weltkrieg..........................................................44 Vom „Blitzkrieg“ bis zum Untergang
Sturm auf die „Festung Europa“
Schlachten der Weltgeschichte
Der gefährliche „Jäger“ auf See
Krimkrieg 1853–1856. ................................................................................................48 Militärtechnik im Detail
Alliierter leichter Flugzeugträger. „Klein“, aber schlagkräftig
Der erste „moderne“ Stellungskrieg .......................................................
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Das historische Dokument
„Streng vertraulich!“ ............................................................................................................54 Geheimes NVA-Kartenmaterial aus den 1980er-Jahren
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Schlachten der Weltgeschichte | Operation „Husky“
Schlachten der Weltgeschichte
Alliierte Landung auf Sizilien 1943
Sturm auf die „Festung Europa“ 10. Juli 1943: In den frühen Morgenstunden landen mehrere Tausend amerikanische und britische Soldaten auf der italienischen Mittelmeerinsel Sizilien. Die Operation „Husky“ soll das Tor zur „Festung Europa“ aufstoßen... Von Lukas Grawe
U
m den Krieg nach Westeuropa zu tragen und mit Hilfe einer zweiten Front Druck vom sowjetischen Verbündeten zu nehmen, entscheiden sich die Alliierten Anfang des Jahres 1943 für eine Invasion auf Sizilien. Für die Eroberung der Mittelmeerinsel spricht vor allem ihre Lage: Mit Sizilien als Ausgangspunkt ist eine Invasion des italienischen Festlandes möglich. Zudem erleichtert der Besitz der Insel die Kontrolle des Schiffsverkehrs im westlichen Mittelmeer. Da die geplante Invasion in Frankreich nicht vor 1944 durchführbar ist, legen sich die amerikanischen und britischen Militärs auf den italienischen Schwerpunkt fest. Italien ist seit der vernichtenden Niederlage in Nordafrika nur noch ein unsicherer Bundesgenosse des Deutschen Reichs. Mit der Eroberung Siziliens soll daher Italien aus dem Krieg an der Seite des Deutschen Reiches gedrängt werden. Hitler wäre auf diese Weise gezwungen, die italienisch besetzten Gebiete in Südfrankreich und auf dem Balkan mit eigenen Truppen zu halten. Die im Januar einsetzende Planung für die Invasion der Insel gestaltet sich aufgrund der komplizierten alliierten Kom-
mandostruktur im Mittelmeerraum als schwierig. Hinzu kommen persönliche Abneigungen zwischen amerikanischen und britischen Offizieren. In operativer Hinsicht kommt es den alliierten Landungstruppen vor allem auf die Inbesitznahme von Häfen und Landungsplätzen an, um die Versorgung der Truppen zu gewährleisten. Nicht alle Teile Siziliens liegen zudem in der Reichweite der alliierten Jagdflieger auf Malta, sodass die Eroberung von Flugplätzen eine hohe Bedeutung erlangt.
Schwache Verteidigungsanlagen Eine Landung auf Sizilien wird durch die schwachen Verteidigungsanlagen begüns-
tigt. Der deutsche Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Süd, Generalfeldmarschall Albert Kesselring, stellt wenige Tage vor Beginn der alliierten Invasion fest: „Die Verstärkung der natürlichen Abwehrkraft der Inseln durch die Anlage von Befestigungen ist nicht in ausreichendem Maße erfolgt.“ Zudem zwingt die lange Küste Siziliens den Verteidiger zu einer Dekonzentration der Kräfte. Trotz aller Argumente, die für eine alliierte Landung auf der Insel sprechen, kennen die „Achsenmächte“ die gegnerischen Landungsabsichten nicht. Mit Hilfe eines groß angelegten Täuschungsmanövers erhöhen die Alliierten die Unsicherheit bei ihrem Gegner. Die Wehrmachtführung
Krimkrieg 1853-1856
Der erste „moderne“ Stellungskrieg 28. März 1854: England und Frankreich greifen militärisch in den blutigen Konflikt zwischen Russland und dem Osmanischen Reich ein. Besonders um die Festung Sewastopol entbrennt ein Stellungskrieg, wie ihn die Welt bisher nicht kannte... Von Carsten Walczok
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icht gedrängt greifen am 5. November des Jahres 1854 rund 35.000 russische Soldaten die schwachen britischen Stellungen vor der Stadt und Festung Sewastopol auf der Halbinsel Krim an. Das Ziel der russischen Angreifer sind die Hügel am nördlichen Ende der britischen Linien. Aber der russische Angriff bleibt im mörderischen Abwehrfeuer der Verteidiger stecken. Die dicht gedrängten russischen Angriffskolonnen erleiden ungeahnte Verluste im deckenden Feuer der britischen Infanterie. Diese ist im Gegensatz zu ihren russischen Gegnern bereits mit den Gewehren mit gezogenen Läufen nach dem System Minié ausgerüstet. Der Krieg auf der Krim erlebt den ersten massenhaften Einsatz dieses neuen Systems
bei den Infanteriegewehren und beweist sofort deren Überlegenheit über die altbewährten glattläufigen Vorderlader. Doch das ist nicht die einzige Besonderheit, durch die sich dieser Konflikt in der Mitte des 19. Jahrhunderts auszeichnet. Neben eisengepanzerten Schiffen mit Dampfantrieb ist dies auch der erste Krieg, über den die Medien dank des Telegrafen direkt berichten. Sogar Zar Nikolaus soll gesagt haben, er würde keine Spione brauchen, da er ja die „Times“ lesen könne. Doch wo liegt der Anlass für diesen Konflikt? Russlands Eintreten für die Interessen der orthodoxen Christen ruft den Widerstand der anderen christlichen Konfessionen hervor. Die eigentliche Ursache für den Krieg
liegt aber im inneren Zerfall des Osmanischen Reiches, das von Spöttern gerne als der „Kranke Mann am Bosporus“ bezeichnet wird. Russland hofft, bedingt durch die Schwäche der Türken, endlich die Kontrolle über die Meerenge des Bosporus zu erreichen. Das wiederum liegt nicht im Interesse Großbritanniens, denn London will nicht zulassen, dass eine solche Schlüsselposition wie die Dardanellen unter russische Kontrolle gerät.
Der lange Weg auf die Krim Nach dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen besetzen am 3. Juli 1853 rund 80.000 russische Soldaten unter dem Befehl von Fürst Michail Gortschakow die Donau-
Alliierte FRANKREICH Befehlshaber: Armand-Jacques Achille Leroy de Saint-Arnaud (1798-1854)/ François Canrobert (1809–1895) /Aimable Pélissier (1794–1864) Truppenstärke: 100.000 Verluste: 70.000
HINTERGRUND
UNBEHELLIGT: Landung von US-Truppen auf Sizilien am 11. Juli 1943.
um Romanum“ auf dem Balkan und in Afrika. Grundlage für die deutsche Unterstützung sind jedoch überwiegend eigene Interessen. Italien beteiligt sich währenddessen an Hitlers Feldzug gegen die Sowjetunion, der jedoch von der italienischen Bevölkerung als „deutscher Krieg“ angesehen wird. Mit dem Sturz Mussolinis und der folgenden Kriegserklärung Italiens an das Deutsche Reich Ende 1943 endet die militärische Zusammenarbeit, die stets von starken Spannungen und Interessengegensätzen geprägt ist.
S.32
Foto: Rue des Archives/Süddeutsche Zeitung Photo
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GROßBRITANNIEN Befehlshaber: Fitzroy James Henry Somerset, Lord Raglan (1788–1855) Truppenstärke: 35.000 Verluste: 22.000
Die „Achse“ Berlin – Rom
Seit dem 1936 geschlossenen geheimen Freundschaftsvertrag bildet sich eine enge Zusammenarbeit zwischen dem faschistischen Italien und dem „Dritten Reich“ aus. Mit dem „Stahlpakt“ von 1939 sichern sich beide Länder im Falle eines Krieges unbedingte militärische Unterstützung zu, die auch für einen Angriffskrieg gilt. Während sich Italien noch nicht am Polenfeldzug beteiligt, tritt es am 10. Juni 1940 in den Krieg gegen Frankreich und Großbritannien ein. In der Folgezeit unterstützt Hitler Mussolinis Pläne zur Errichtung eines zweiten „Imperi-
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Militär und Technik | Marineflieger
SARDINIEN-PIEMONT Befehlshaber: Alfonso La Marmora (1804–1878) Truppenstärke: 14.000 Verluste: k. A.
Russland
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MARTIALISCH: Darstellung der Belagerung von Sewastopol von Franz A. Roubaud (Ausschnitt aus einem Panoramagemälde).
OSMANISCHES REICH (TÜRKEI) Befehlshaber: Omar Pascha (Michael Latas) (1806–1871) Truppenstärke: 55.000 Verluste: k. A.
Befehlshaber: Fürst Michael Dimitrijewitsch Gortschakow (1792–1861) / Fürst Menschikow (1787–1869) Truppenstärke: 107.000 Verluste: 73.000
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Foto: picture-alliance/Prisma Archivo
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Militär und Technik | FlaK 8,8 cm
Deutsche Marineflieger nach dem Zweiten Weltkrieg
RESPEKTEINFLÖßEND: Bewaffneter Mi-8T-Hubschrauber beim Einsatz über der Ostsee.
„Fliegen, wo die
Foto: Bibliothek für Zeitgeschichte
Gefürchtete Allzweckwaffe
EINDRUCKSVOLLES SCHAUSPIEL: Eine 8,8 cm FlaK L/56 auf einem der riesigen Faun-Lastwagen beim Feuern in der Nacht. Die Feuerleitung obliegt einem Kommandogerät (ebenfalls auf Lkw verlastet).
Die „Acht-Acht“
Foto: Sammlung Anderson
1941–1943: „Anti-Aircraft, Anti-Tank and Anti-Social!“ Mit grimmiger Anerkennung zollen die Engländer in Nordafrika ihrem vielleicht gefährlichsten Gegner Respekt. Was hat es mit der erfolgreichen deutschen 8,8 cm FlaK auf sich? Von Thomas Anderson
Flotte fährt“ NEUES MODELL: Ab 1975 werden die Sikorski H-34 (hinten) durch Westland „Sea King“-Hubschrauber abgelöst. Foto: Bibliothek für Zeitgeschichte
Ende der 1950er-Jahre: Die Bundeswehr beginnt mit der Einführung von Marinefliegergruppen. Wenige Jahre später wird in der DDR eine erste Marinehubschrauberstaffel zur Unterstützung der Seestreitkräfte in Dienst gestellt... Von Werner Fischbach
D
ie Anfänge der bundesdeutschen Marineflieger reichen in das Jahr 1949 zurück. Vier Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ruft die US-Marine das „Naval Historical Team“ zusammen, das unter die Zuständigkeit der „Naval Intelligence“ fällt. Dabei geht es den Amerikanern in erster Linie um die Erfahrungen, die die deutsche Kriegsmarine im letzten Weltkrieg insbesondere in Nord- und Ostsee, sowie in Norwegen und dem Atlantik gesammelt hat. Das Team umfasst fünf fest angestellte hohe Marineoffiziere und tritt unter der Leitung von Generaladmiral a. D. Otto Schniewind am 9. April 1949 in Bremerhaven zum ersten Mal zusammen. Es gilt als Keimzelle der späteren Bundesmarine. Mit von der Partie ist auch der ehemalige Oberst i.G. Walter Gaul, der als Marine-
offizier 1934 zur Luftwaffe wechselte und während des Krieges – unterbrochen von Seeaufklärereinsätzen – im Stab der Seekriegsleitung tätig war.
Anfänge der Bw-Marineflieger
VIELSEITIG EINSETZBAR: Ein Hubschrauber vom Typ Mil Mi-4 beim Bergungsdienst. Foto: BArch, Bild 183-C0229-0001-002, Fotograf: Karnitzki
Marineflieger sind also schon beim „Naval Historical Team“ ein Thema. Wesentlich konkreter wird die Angelegenheit in der Himmeroder Denkschrift, die im Oktober 1950 vor dem Hintergrund der konventionellen Überlegenheit sowjetischer Streitkräfte und des am 25. Juni desselben Jahres ausgebrochenen Koreakriegs hinter den Mauern des Klosters Himmerod erstellt wird. Thema ist der militärische Beitrag der Bundesrepublik an der Seite ihrer westlichen Partner, wobei auch auf die Rolle zukünftiger Marinefliegerverbände eingegangen wird.
Angesichts der aus Sicht der Marine negativen Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg werden eigene Marinefliegerkräfte als notwendig angesehen. Die entsprechende Empfehlung geht auf den ehemaligen Oberst und späteren Kapitän zur See und ersten Kommandeur der bundesdeutschen Marineflieger, Walter Gaul, zurück. Vorgeschlagen werden 84 Jagd-, 30 Aufklärungssowie 30, später sogar 60 Kampf- bzw. UJagdflugzeuge. Allerdings ist diese Forderung nicht einfach umzusetzen. Da die Marine Bestandteil der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) werden soll, leisten Frankreich und Großbritannien heftigen Widerstand gegen eigenständige deutsche Marinefliegerverbände. Nur durch die Intervention der USA werden der bundesdeutschen Marine im Mai 1952 30 Hubschrauber und 24 Aufklärer zugestanden. Als der EVG-Vertrag schließlich am Widerstand Frankreichs scheitert, werden der Marine bei den Verhandlungen über einen NATO-Beitritt der Bundesrepublik Deutschland infolge einer massiven Unterstützung durch die USA neben 58 Flugzeugen (24 Aufklärer, 24 Angriffs- und zehn U-Jagdflugzeuge) eine unbestimmte Anzahl von Hubschraubern zugestanden. Dazu kommt noch eine Reserve von 30 Prozent. Mit dem Aufstellungsbefehl Nr. 41 vom 26. Juni 1956 bildet Kpt.z.S. Gaul das Kommando der Marineflieger und bezieht mit
sechs weiteren Soldaten eine Baracke in Kiel-Holtenau. Im April 1957 wird die I. Marinefliegergruppe in Dienst gestellt. Am 1. Januar folgt die Seenotstaffel und am 1. April 1958 die II. Marinefliegergruppe. Als einmaliger Vorgang in der deutschen Militärgeschichte kann die Indienststellung der Mehrzweckstaffel am 19. Mai 1958 im schottischen Lossiemouth bezeichnet werden. Einen Tag darauf wird dort die U-Jagd-Staffel in Dienst gestellt.
Luftfahrzeuge der Geschwader „Fliegen, wo die Flotte fährt“, lautet das Motto der Marineflieger. Und das beschreibt ihre Aufgabe genau. Sie sind, der direkten Kommandogewalt der Marine unterstellt, ein Seekriegsmittel und dienen dazu, Seekrieg aus der Luft und eben nicht, Luftkrieg über der See zu führen.
Die Aufgabe der Angriffs- bzw. Kampfflugzeuge (Marinejagdbomber) liegt im Schutz der Ostsee und ihrer Zugänge, um im Fall eines Angriffs des Warschauer Pakts den sowjetischen Streitkräften und ihren Verbündeten den Zugriff auf diese Seegebiete zu verwehren und eine Landung auf bundesdeutschem Territorium zu verhindern. Die beiden dafür in Jagel bzw. ab März 1965 in Eggebek in Schleswig-Holstein beheimateten, zunächst als Marinefliegergruppen aufgestellten Marinefliegergeschwader 1 und 2 (MFG 1 und 2) werden, da die USA nicht bereit sind, moderne Kampfflugzeuge wie die Grumman F9F-8P „Cougar“ an Deutschland zu liefern, zunächst mit Armstrong Whitworth „Seahawk“ ausgerüstet. Dabei handelt es sich hierbei um ein für die Royal Navy entwickeltes und dort eingesetztes robustes
IN BEGLEITUNG: Nach ihrer letzten Landung wird die „Atlantic“ der SIGINT-Version von zwei Foto: PIZ Marine „Sea Lynx“ eskortiert.
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Spurensuche
INFO
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er Erste Weltkrieg stellt eine Zäsur in der Weltgeschichte dar. Was bereits während des US-Bürgerkrieges und im Krieg von 1870/71 im Ansatz erkennbar war, beeinflusst den neuen Konflikt gewaltig: Die industrielle Leistungsfähigkeit der Kriegsteilnehmer bestimmt Art, Dauer und Ausgang dieses Konfliktes. Die rasante Entwicklung der Rüstungstechnik im Ersten Weltkrieg bringt viele technische Neuerungen auf das Schlachtfeld, darunter moderne Entwicklungen wie gepanzerte Kampffahrzeuge und Flugzeuge. Luftgestützte Angriffe werden früh als potentielle Bedrohung angesehen. Schon 40 Jahre vor dem Weltkrieg werden erste Geschütze zur Abwehr französischer Ballons entwickelt. Daraus entstehen noch vor 1910 brauchbare Fliegerabwehrgeschütze vom Kaliber 7,5 cm. 1916 entwickelt Krupp ein Flugabwehrgeschütz vom Kaliber 8,8 cm, welches als Urahn der späteren 8,8 cm Flak L/56 gelten darf (Das Kürzel L/56
beschreibt die Kaliberlänge des Geschützes und umfasst sowohl die 8,8 cm FlaK 18, 36 und 37).
Verborgene Entwicklung Nach dem Ersten Weltkrieg ergeben sich aus dem Versailler Vertrag für das deutsche Heer starke Einschränkungen bezüglich der Entwicklung und Einführung moderner Waffen. Die harten Bedingungen dieses
Vertragswerkes werden von deutscher Seite jedoch unterlaufen, die Entwicklung moderner Waffen läuft im Geheimen weiter. Zum Ende der 1920er-Jahre ergibt sich in Deutschland wieder die Notwendigkeit einer Fliegerabwehrwaffe, um der steigenden Gefährdung aus der Luft Rechnung zu tragen. Die Hauptforderung an das zu entwickelnde Geschütz ist die Bekämpfung feindlicher Aufklärungs- und Bomberflugzeuge auf mittleren und großen Flughöhen (500 bis 6.000 m). Die Entscheidung für das Kaliber 8,8 cm der Flak ist praktischen Gesichtspunkten geschuldet. Firmen wie Krupp haben daERFOLGREICHE KOMBINATION: Eine 8,8 cm FlaK L/56 auf einem gepanzerten s ZgKw 12 t (SdKfz. 8). Schnell und auch im Gelände beweglich, können die wertvollen Waffen an Brennpunkten eingesetzt werden. Foto: Sammlung Anderson
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mit entsprechende Erfahrungen, sowohl Rasanz als auch Waffenwirkung im Ziel erfüllen die gesetzten Parameter. Am 13. Dezember 1930 verzeichnet die Kommission für das streng geheime Entwicklungsprogramm unter anderem: „Es wird eine Flugabwehrkanone mit größtmöglicher Geschosswirkung benötigt. Die Reichweite muss zwischen 2.500 bis 8.000 m bis zu einer Flughöhe von 6.000 betragen. Die Flugdauer des Geschosses soll-
88 mm FlaK M 1939 Russland 8,5 cm L/55 4,2 t 792 m/s 15.000 m 10.500 m
te für eine Flugbahn von 8.000 m und einer Flughöhe von 6.000 m nicht länger als 25 Sekunden dauern. Das Geschütz muss im Einsatzgebiet der Artillerie auf dem Gefechtsfeld einsetzbar sein. Die 8,8 cm FlaK ist das kleinste Kaliber mit ausreichender Wirkung, das für den Einsatz mit unseren Kommandogeräten geeignet ist.“ Die Firma Krupp hat bereits 1928 begonnen, eine 8,8 cm FlaK auf Kraftzug-Anhänger zu entwickeln. Das Geschütz selbst soll
QF 3,7 inch AA gun England 9,4 cm -9,3 t 722 bis 1.044 m/s 18.800 m 12.000 m
90 mm Gun M1A1 USA 9 cm -8,6 t 823 m/s 17.800 m 10.300 m
auf einer Sockellafette montiert sein, die seitlich im 360° Vollkreis geschwenkt und in der Höhe von minus 3 bis plus 85° gerichtet werden kann. Für den Einsatz als Flugabwehrgeschütz ist eine Richtgeschwindigkeit von 6° pro Sekunde in der Höhe und 16° pro Sekunde nach der Seite gefordert. Eine höchstmögliche Anfangsgeschwindigkeit (Vo) ist entscheidend, um die Waffenwirkung schnell in das Zielgebiet zu
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Richard I. Löwenherz
Der Krieger auf dem Königsthron R
„Spielball“ der Weltgeschichte
Helgoland
MILITÄRISCHE ASPEKTE: Diese 1714 (unter dänischer Regentschaft) entstandene Abbildung zeigt nicht nur die Insel, sondern ist auch eine Studie Abb.: Archiv U. Kaack über mögliches Artilleriefeuer. „BIG BANG“ AUF HELGOLAND: In der bis heute weltweit größten nichtnuklearen Explosion detonieren am 18. April 1947 6.700 Tonnen Sprengstoff.
Helgoland ist einzigartig. Zum einen durch die exponierte Lage im Herzen der Deutschen Bucht, vor allem aber durch die wechselvolle Historie. Ein Mikrokosmos. Mehrfach wurde der kleine rote Felsen zum Spielball der Weltgeschichte. Von Ulf Kaack
S
8,8 cm 8,8 cm 10,5 cm FlaK 18 FlaK 41 FlaK 38 Deutsches Reich Deutsches Reich Deutsches Reich Herkunft 8,8 cm 8,8 cm 10,5 cm Kaliber L/56 L/74 L/63 Kaliberlänge 7,2 t 11,2 t 14 t Gewicht 850 m/s 1.000 m/s 900 m/s Anfangsgeschwindigkeit (Vo) 16.300 m 19.800 m 17.700 m Max. Schussweite Effektive Reichwei11.300 m 14.700 m 12.800 m te/max. Schusshöhe
Feldherren
HELGOLAND HEUTE: Ein friedliches Eiland mitten in der Nordsee. Foto: U. Kaack
eit dem 7. Jahrhundert ist das Eiland von Friesen bewohnt. Im 12. und 13. Jahrhundert untersteht es der Dänischen Krone, anschließend dem Herzogtum Schleswig. 1807 wird der sturmumtobte Felsen von den Briten als Kolonie in das Vereinte Königreich integriert. Während der Kontinentalsperre, die 1814 durch den Kieler Frieden beendet wird, erleben die Helgoländer eine Hochzeit als Blockadebrecher und Schmuggler. Die Zeiten bleiben friedlich – lediglich 1849 und 1864 kommt es zu deutschdänischen Seegefechten in Sichtweite von Helgoland. „Im Tausch gegen Handelsrechte in OstAfrika, im sogenannten Helgoland-SansibarVertrag, kam Helgoland am 10. August 1890 unter die Regentschaft des deutschen Kaiserreiches“, erklärt Jörg Andres, Insel-Histo-
Vergleich schwerer Flakgeschütze
Waffe
riker und Leiter des Museums Helgoland, die wechselvolle Inselgeschichte. „Die Preußen maßen Helgoland eine hohe strategische Bedeutung zu. Als Artillerievorposten zum Schutze der Nordseeküste sowie den Zugängen zum Nord-Ostsee-Kanal, zur Elbe, Weser und Jade. Vor allem aber als dauerhaft eisfreier Kriegshafen in vorgeschobener Lage.“
Aufrüstung im Kaiserreich Zügig geht Wilhelm II. daran, die Insel zu einer Festung auszubauen und einen Marinehafen anzulegen. 1891 entstehen erste Gebäude, ein Jahr später wird an der Nordund Südspitze je ein Kanonenstand mit zwei 21-cm-Geschützen errichtet. Es folgt eine Haubitzenbatterie auf dem Oberland mit acht schweren 28-cm-Geschützen.
1906 nimmt das Projekt gewaltige Formen an: Ein großdimensioniertes Stollensystem wird in den Kreidefelsen der Insel getrieben. Räume, Verzweigungen sowie Schächte für Aufzüge und zur Belüftung werden gebaut. Bis 1914 werden der Nordsee 86 Hektar abgetrotzt. Es entstehen der Torpedo-, Scheiben- und U-Boothafen. Außerdem ein Seefliegerstützpunkt mit Hangar, Flugzeugaufschleppe, Kraftwerk und den erforderlichen Versorgungseinrichtungen. Im Mai 1908 beginnt die Neuarmierung der Festungsartillerie. Die Nord- und Südgruppe erhalten jeweils zwei moderne 30,5cm-Krupp-Doppeldrehtürme und zwei 21cm-Geschützstände. Dazwischen liegen besagte acht Haubitzenbatterien sowie diverse kleinere Anlagen mit leichten und mittleren Geschützen, Kommando- und Peilständen,
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Foto: Archiv Museum Helgoland
Marine eingezogen. Helgoländer in Diensten des Militärs – das hat es bislang noch nicht gegeben. Zurück auf der Insel bleibt eine 4.000 Mann starke militärische Besatzung für die Bedienung der Festungsartillerie und den Betrieb des Hafens.
Seegefecht bei Helgoland Beobachtungs- und Scheinwerfereinrichtungen. Auf dem Unterland befindet sich eine Batterie mit zwei 8,8-cm-Geschützen, vier 3,7-cm-Revolverkanonen und Maschinengewehren. Die Düne (Name der östlich gelegenen Nebeninsel) wird von einer Flak-Batterie mit vier 8,8-cm-Geschützen und einer weiteren Stellung mit drei 3,7-cm-Revolverkanonen sowie Maschinengewehren geschützt.
Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges am 1. August 1914 müssen alle Helgoländer ihre Insel verlassen und werden im Umland Hamburgs untergebracht. Familien, die nach der Übergabe 1890 englisch geblieben waren, kommen in das Internierungslager Ruhleben bei Berlin. Britisch geborene Insulaner werden unter Polizeiaufsicht gestellt und vom Kriegsdienst befreit. Deutschstämmige hingegen werden zur
Der Erste Weltkrieg beginnt für den roten Felsen mit einem dramatischen Paukenschlag. Mit einer List locken überlegene britische Seestreitkräfte am Morgen des 18. August 1914 die Einheiten des V. Torpedobootgeschwaders sowie mehrere kleine Kreuzer in die Deutsche Bucht. Es kommt zu einer ersten Feindberührung, bei der das deutsche Torpedoboot „V 187“ versenkt und der britische Kreuzer „HMS Arethusa“ erheblich beschädigt werden.
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ichard, der gar kein Englisch spricht, hält sich während seiner Regierungszeit nur einige Monate in England auf. Sein Kampf gegen Sultan Saladin im Verlauf des Dritten Kreuzzugs ist ebenso von zahlreichen Legenden umrankt wie die Zeit seiner daran anschließenden Gefangenschaft in Österreich und Deutschland. Selbst die Umstände seines Todes erhöhen ihn über das Maß anderer Sterblicher – vergibt er doch auf dem Totenbett dem französischen Armbrustschützen, der ihn tödlich verletzt hatte. Richard Löwenherz entstammt der Dynastie der Normannen, die seit 1066 die Herrschaft über England innehat. Er wird am 8. September 1157 in Oxford als dritter Sohn König Heinrichs II. geboren. Besonders die französische Abstammung seiner Mutter Eleonore von Aquitanien soll das zukünftige Leben Richards zu einem großen Teil bestimmen. Die aus der nach ihnen benannten Normandie stammenden Könige Englands sind nämlich durch vielfältige dynastische Beziehungen eng an ihre weitreichenden, im Westen Frankreichs gelegenen Besitzungen gebunden. Dieser gesamte Herrschaftskomplex wird zusammen mit England als das Angevinische Reich bezeichnet. Bereits 1172 erhält Richard im Alter von nur fünfzehn Jahren das Amt des Herzogs von Aquitanien, wo er sich während seiner Herr-
FAKTEN
Wichtige Kämpfe
4.10.1190: Eroberung von Messina Frühjahr 1191: Eroberung von Zypern 12.7.1191: Eroberung von Akkon 7.9.1191: Schlacht bei Arsuf Anfang August 1192: Eroberung von Jaffa 4.8.1192: Schlacht bei Jaffa 4.7.1194: Fréteval 28.9.1198: Gisors
IM HEILIGEN LAND: Richard I. und seine Armee beten vor einer Schlacht gemeinsam. Der König begibt sich schon kurz nach seiner Thronbesteigung auf den Kreuzzug und kämpft stets an der Seite seiner Truppe. Illustration von Gustave Doré aus dem 19. Jhd. Abb.: picture-alliance/Prisma Archivo
Bis heute: Richard Löwenherz ist eine der romantisch verklärtesten Figuren der Geschichte, und er gilt nach wie vor als einer der „englischsten“ Könige der britischen Geschichte… Von Otto Schertler schaftszeit in nicht endende Kämpfe mit widerspenstigen Vasallen, feindlichen Nachbarn und dem französischen Königtum verstrickt sieht. Bereits in jungen Jahren lernt er daher den Krieg aus eigener Erfahrung kennen, und seit dieser Zeit vergeht – bis auf die Phase seiner Gefangen-
schaft kein Jahr seines Lebens in dem er nicht im Feld steht. Er beteiligt sich an der von 1173–1174 währenden, vom französischen König unterstützten Rebellion gegen seinen Vater, mit dem er sich bis zu dessen Tod im Jahr 1189 nicht mehr versöhnen wird. Einer der Lehrmeister Richards in diesen frühen Jahren ist Graf Philipp von Flandern, der als einer der verschlagensten Krieger seiner Zeit gilt.
Verbrannte Erde Größere Schlachten hat Richard hier – bis auf eine Ausnahme nicht zu bestehen, eher handelt es sich bei den zahlreichen Kämpfen um kleinere Gefechte oder Belagerungen. Große Feldschlachten versucht man nämlich während des Mittelalters so gut wie möglich zu vermeiden, zu hoch ist das Risiko, die eigene bewaffnete Macht zu verlieren. Schon der während des späten 4. Jahrhunderts n. Chr. lebende römische Militärschriftsteller Vegetius rät in seinem berühmten Handbuch „Epitoma rei militaris“, einer Kompilation älterer Schriften, in Bezug auf Feldschlachten: „Lass es sein!“ Das Werk des Vegetius ist während des Mittelalters an den Herrscherhöfen wohlbekannt, und diesem POPULÄR BIS HEUTE: Die faszinierende Aura des „guten Königs“ Richard Löwenherz ist bis heute ungebrochen. Hier eine Statue vor dem Parlamentsgebäude in London: Selbstbewusst und stolz sitzt Richard I. auf seinem Ross. Foto: picture-alliance
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Clausewitz 3/2013
S.74 75
Militär und Technik
Feldherren
„Fliegen, wo die Flotte fährt“. ........................................................................56
Richard Löwenherz................................................................................................................74
Deutsche Marineflieger nach dem Zweiten Weltkrieg
Englands berühmter König und Feldherr des Mittelalters
Die „Acht-Acht“...............................................................................................................................62 Das gefürchtete Allzweckgeschütz der Wehrmacht
Museum
Spurensuche
Das Garnisonsmuseum Wünsdorf stellt sich vor
An historischer Stätte. ....................................................................................................80
Hochseeinsel Helgoland............................................................................................68 „Spielball“ der Weltgeschichte
Titelbild: Fotomontage – Britischer Bomber über Häuserruinen in Hamburg.
Vorschau/Impressum ..........................................................82
Titelfotos: Dietmar Hermann; picture-alliance/akg-images; WEIDER HISTORY GROUP; Bundesarchiv, Bild 101I-443-1574-26 / Zwilling, Ernst A.; picture-alliance/akg-images (2x); Bibliothek für Zeitgeschichte (2x)
5 Clausewitz 3/2013
Clausewitz
Magazin Deutsche Kriegsgefangene und belgische Truppen passieren eine Brücke über die Yser in Flandern. Foto: picture-alliance/akg-images/JeanPierre Verney
AUSSTELLUNG
In Flanders Fields Museum Neue Dauerausstellung zur Geschichte des Ersten Weltkriegs
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as In Flanders Fields Museum widmet sich der Geschichte des Ersten Weltkriegs in der westflämischen Frontregion Westhoek. Es befindet sich in den wieder aufgebauten Tuchhallen von Ypern, einem wichtigen Symbol für Kriegsleiden und die danach folgende Auferstehung. Die völlig neu konzipierte, stark multimedial ausgerichtete Dauerausstellung erzählt von der Invasion Belgiens und den ersten Monaten des Bewegungskriegs, von den vier Jahren Stellungskrieg im Westhoek, vom Ende des Krieges und vom fortwährenden Gedenken an die schrecklichen Ereignisse. Der Schwerpunkt der Szenografie liegt auf der menschlichen Erfahrung und wid-
met der heutigen Landschaft als einem der letzten greifbaren Zeugen der Kriegsgeschichte große Aufmerksamkeit. In diesem Rahmen ist im Museumsparcours auch ein Besuch des Belfrieds (Turm) möglich, von dem aus Sie einen Ausblick über die Stadt und die umliegenden Schlachtfelder haben. Hunderte Originalobjekte und Bilder werden in einer erneuerten erfahrungsorientierten Gestaltung präsentiert. Das In Flanders Fields Museum, benannt nach dem englischsprachigen Gedicht John McCraes aus dem Jahr 1915, bietet mehr als eine ständige Ausstellung. Es existiert eine pädagogische Abteilung für Schüler aus dem In- und Ausland und
ein kulturelles und künstlerisches Begleitprogramm. Im Wissenszentrum des Museums kann sich jeder Besucher noch intensiver mit einer der dramatischsten Perioden der Weltgeschichte beschäftigen. Individuell kann man sich dort auf die Suche nach der großen, globalen Hintergrundgeschichte oder nach der sehr persönlichen oder regionalen Geschichte begeben. Kontakt: In Flanders Fields Museum Lakenhallen – Grote Markt 34 B - 8900 Ieper Tel: + 32(0)57.239.220 E-Mail:
[email protected] www.inflandersfields.be
Deutschlands einziger „Tiger“ Außergewöhnliches Exponat im Panzermuseum Munster
I Einmalig in Deutschland: Dieser „Tiger I“ (Ausf E) ist ein besonderes Zeugnis der Technikgeschichte. Geringe Bauzahlen, nahezu pausenloser Einsatz und hohe Verluste machen den „Tiger“ heute zu einer wahren Rarität. Foto: Deutsches Panzermuseum Munster
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n Fachkreisen ist dies eine Sensation: Weltweit waren bisher sechs erhalten gebliebene schwere Kampfpanzer vom Typ„Tiger I“ bekannt. Keines der Exemplare befindet sich auf deutschem Boden. Scheinbar aus dem Nichts ist nun ein siebter „Tiger“ aufgetaucht – offensichtlich in einem
hervorragenden Zustand. Seit dem 22. März 2013 ist der Stahlkoloss als Leihgabe für drei Jahre im Deutschen Panzermuseum im niedersächsischen Munster zu sehen. Mehr über diesen „Tiger“ und seine Historie erfahren Sie in der nächsten Ausgabe von CLAUSEWITZ.
Forscher haben die Knochen des englischen Königs Richard III. identifiziert
Foto: picture-alliance/picture-alliance
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rchäologen haben das Rätsel Bereits bevor bekannt wurde, um die sterblichen Überreste dass es sich bei dem Skelett tatgelöst, die im September 2012 im sächlich um die Überreste von Erdreich unter einem Parkplatz in der mittelenglischen Stadt Leicester gefunden worden waren. Laut DNA-Analyse stammen die 500 Jahre alten Gebeine tatsächlich von König Richard III. Mithilfe von DNA-Material erstellten die Forscher ein biologisches Profil der Charakteristika des Königs und untersuchten die freigelegten Knochenreste auf Spuren, die auf einen gewaltsamen Tod hindeuteten. Der Totenschädel weist am Hinterkopf Spuren einer Wunde und die gekrümmte Wirbelsäule eine eingedrungene Pfeilspitze auf. Richard III. war 1485 in der Schlacht von Bosworth, dem Porträt von Richard III., Höhepunkt der sogenannten König von England (1483-1485). Rosenkriege, gefallen.
Scharfe Schwergewichte „Böker“-Manufaktur ist „erste Adresse“ für Liebhaber hochwertiger Schwerter
Fotos: Böker Manufaktur Solingen
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b außergewöhnliche Sammlerschwerter oder imposante Prunkstücke: Von antiken römischen Kurzschwertern bis zu japanischen Ninja-Schwertern, von den Schwertern elbischer Krieger bis zu den sagenhaften Schwertern und Streitäxten des Mittelalters reicht die Auswahl der Manufaktur „Böker“ in Solingen. Gefertigt aus rostfreiem Edelstahl, als handgeschmiedete Klinge aus 200lagigem Damaststahl oder aus Kohlenstoffstahl, sind diese hochdekorativen Schwerter und Äxte Glanzpunkte jeder Sammlung. Seit 1869 werden in der „Klingenstadt“ die berühmten Messer der Marke „Böker“ von Hand gefertigt. Die Historie des Unternehmens ist geprägt von ereignisreichen Zeiten. Eines ist
aber in über 144 Jahren immer gleich geblieben: die Leidenschaft und Begeisterung für außergewöhnliche Produkte. Die „Böker“-Manufaktur hat sich zu einem weltweiten Innovationsführer und zum größten Hersteller von Sport-, Einsatzund Sammlermessern in Europa entwickelt. Eine große Stärke des „Böker“-Sortiments und begehrt bei Messersammlern im Inund Ausland sind die exklusiven und weltweit streng limitierten Sondereditionen. Hier sind vor allem die „Böker“-DamastJahresmesser und „Magnum Collection Modelle“ zu nennen, die als Manufakturprodukte durch Handwerkskunst, innovatives Design und attraktive Materialauswahl überzeugen. www.boker.de
Richard III. handelt, hatte die zuständige Ausgrabungsleiterin erklärt, der gefundene Schädel sei „in gutem Zustand“ und verrate viele Einzelheiten über den Toten. Die DNA-Proben für den Abgleich erhielten die Archäologen von dem 55-jährigen kanadischstämmigen Michael Ibsen, der in 17. Generation mit Richard verwandt ist. Historiker gingen stets davon aus, dass Richard III. in Leicester in einer Franziskanerkirche bestattet wurde. An ihrem ehemaligen Standort befindet sich heute der Parkplatz, unter dem die Forscher das Skelett freilegten. Richard III. hatte von 1483 bis 1485 regiert und wurde durch das gleichnamige Drama von William Shakespeare weltberühmt.
1813 Vor 200 Jahren – am 10. März des Jahres 1813 – stiftete der preußische König Friedrich Wilhelm III. in der niederschlesischen Stadt Breslau für den Verlauf der „Befreiungskriege“ das von Karl Friedrich Schinkel entworfene Eiserne Kreuz.
ENGLISCHSPRACHIGES
Bowmen of England Der Langbogen als Revolution auf dem Schlachtfeld
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er mit hoher Durchschlagskraft und großer Reichweite ausgestattete Langbogen stammt ursprünglich aus Wales. Wie aber gelang diese Waffe in die englischen Armeen, die in Schlachten wie Crécy oder Azincourt französische Ritterheere schlugen? Wer waren die Bogenschützen und welche Stellung in der damaligen Gesellschaft besaßen sie? Und schließlich: Welchen Einfluss hatte der Langbogen auf die Kriegführung und weshalb musste er im frühen 16. Jahrhundert der Schusswaffe weichen – ob- Klassiker: Das wohl seine Buch wird seit Schussfrequenz seiner Erstverund Reichweite öffentlichung kontinuierlich den frühen aufgelegt. Musketen überlegen war? Antworten liefert der Militärhistoriker Donald Featherstone in seinem Buch „Bowmen of England“ (erstmals erschienen 1967). Er schreibt in einem flüssig lesbaren Stil. Sein Prolog ähnelt einem Roman wie Bernard Cornwells „Das Zeichen des Sieges“. Dies hat allerdings den Nachteil, dass der Autor teilweise sehr lax mit seinen Quellen umgeht – es ist nicht immer klar, woher Featherstone seine Informationen bezieht. Trotzdem: Wer eine gut lesbare Einführung in die Geschichte des englischen Langbogens von circa 1200 bis in das 16. Jahrhundert sucht, ist mit diesem „Oldie“ sehr gut beraten. Donald Featherstone: Bowmen of England. Nur in englischer Sprache erhältlich.
Foto: picture-alliance/akg-images
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Foto: Archiv CLAUSEWITZ
Skelett von König Richard III. entdeckt
Magazin
ZEITSCHICHTEN
Clausewitz
Foto: VIANOVA
Berlin ist als eines der bekanntesten Wahrzeichen Deutschlands ein Touristenmagnet. Seit dem Ende der DDR wird es häufig mit der Wiedervereinigung assoziiert.
Damals: Ein russischer Panzer unter der Quadriga 1945 symbolisiert den endgültigen Fall des „Dritten Reichs“. Die Grenze zwischen Ost und West im anschließenden Kalten Krieg verläuft genau hier.
BUCHEMPFEHLUNG
NEUERSCHEINUNG
Briefe von der Front
Deutsche Auszeichnungen
Feldpost eines Badischen Leib-Grenadiers 1914-1917
Wichtige Orientierungshilfe für ein vielschichtiges Thema
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m Alter von 20 Jahren wird Hermann Föller zum 1. Badischen LeibGrenadier-Regiment Nr. 109 eingezogen und kommt im Jahr 1914 an die Westfront. Drei Jahre später erliegt der junge Grenadier einer Verwundung – dazwischen liegen 919 Tage im Schützengraben und über 360 von ihm geschriebene Briefe in die Heimat. Das Buch „Feldpost eines Badischen Leib-Grenadiers“ bietet anhand dieser Briefe und anderer historischer Dokumente eine ganz persönliche und unmittelbare Perspektive der dramatischen Ereignisse. Karten, Zeichnungen und Hintergrundinformationen lie-
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Herausragend: Die aufwendige Aufmachung des Buches unterstreicht die hohe inhaltliche Qualität.
fern den Kontext zu den Briefen und Fotografien und ergeben zusammen ein detailliertes und faszinierendes Werk. Die hervorragende Aufmachung rundet die Lektüre ab – ein Buch, das den Leser vom ersten Moment an nicht mehr los und in das Leben Hermann Föllers eintauchen lässt. Susanne Asoronye (Hg.): Feldpost eines Badischen Leib-Grenadiers 1914-1917. Mehr Informationen und Bestellmöglichkeit unter: www.feldpostbuch.de
ann, Warum, Wofür? Wenn uns die Auszeichnungen der NS-Zeit beschäftigen, stellen sich zwangsläufig diese Fragen. Angesichts der aktuellen Medienvielfalt und der nicht enden wollenden intensiven Auseinandersetzung mit der Zeitgeschichte des „Dritten Reiches“ sind die Orden und Ehrenzeichen aus der Zeit des Nationalsozialismus eher ein Randthema. Doch für Redakteure bei den Medien, für Autoren, Filmemacher und historisch Interessierte ist es Orden und Ehrenzeichen der Wehrmacht 1936-1945 im Überblick.
ein wichtiges Thema. Um den Überblick und einen ersten Einblick geht es in dem Typenkompass „Deutsche Auszeichnungen“. Vertiefende Texte, exzellente farbige Fotodarstellungen der Vorder- und Rückseiten der Auszeichnungen und zugeordnete Beispiele von Besitzzeugnissen machen das Buch zu einer wichtigen Orientierungshilfe. Volker A. Behr Deutsche Auszeichnungen – Orden und Ehrenzeichen der Wehrmacht 19361945 Motorbuch Verlag 128 Seiten, 9,95 EUR
Foto: Motorbuch Verlag
Heute: Das Brandenburger Tor in
www.sergey-larenkov.livejournal.com
Die Fotocollage des russischen Fotografen Sergey Larenkov stellt eindrucksvoll visualisiert einen Brückenschlag zwischen Vergangenheit und Gegenwart her. www.sergey-larenkov.livejournal.com
MUSEUMSTIPP
Celler Garnison-Museum 300 Jahre Militärgeschichte as Celler Garnison-Museum widmet sich der Geschichte des in der niedersächsischen Stadt stationierten Militärs. In konzeptioneller Abstimmung mit dem Bomann-Museum, das die hannoversche Zeit behandelt, beginnt das Garnison-Museum seine Ausstellung mit den auch für Celle weitreichenden Veränderungen des Jahres 1866 (der Annexion des Königreichs Hannover durch Preußen infolge des verlorenen „Deutschen Krieges“). Es führt seine Besucher durch insgesamt drei Jahrhunderte deutscher Geschichte bis in die Gegenwart hinein. Militärgeschichte sollte nicht isoliert und „für sich“, sondern immer auch im Zusammenhang mit der historischen Gesamtentwicklung der jeweiligen Epochen behandelt, vermittelt und verstanden werden. Insofern ist Militärgeschichte ein Aspekt der Landesgeschichte und Garnisongeschichte ein wesentlicher
Bestandteil der Stadtgeschichte. Die Dauerausstellung des Museums präsentiert mehr als 1.000 Objekte. Dabei hat die Mehrzahl der umfangreichen Sammlung unmittelbaren Bezug zur Stadt und zur Region: Uniformröcke, Silberbesteck, Reservistenbilder, Urkunden, Säbel und zahlreiche weitere Exponate zeugen von der wechselvol- Britische Soldaten bei einer Militärparade durch die Innenstadt von Celle im Jahr 1971. len Geschichte der Stadt als Truppenstandort. Truppen in Celle dokumentieren. Hafenstraße 4 Darüber hinaus „erzählen“ Technikgeschichtlich interessier- 29221 Celle sie die Lebensgeschichten von te Besucherinnen und Besucher Tel.: 05141 / 21 46 42 Menschen, die einst im Militär finden zudem eine bedeutende www.garnison-museum.celle.de dienten, vom einfachen Soldaten Spezialsammlung vor: Nach- Öffnungszeiten: bis zum General. Wohl einzigar- richten- und Fernmeldegeräte Immer mittwochs von 13:00 bis tig in Norddeutschland ist der sämtlicher deutscher Streitkräfte 18:00 Uhr und sonnabends von umfangreiche Bestand des Muse- vom Kaiserreich bis in die Ge- 10:00 bis 14:00 Uhr ums an britischen Uniformen genwart. Vom 1. Dezember bis inkl. 28. Febund Erinnerungsstücken, die die Kontakt: ruar sowie an Feiertagen ist das lange Anwesenheit britischer Celler Garnison-Museum Museum geschlossen. 2/2013 März | April
Clausewitz
Foto: picture-alliance/Wolfgang Weihs
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Briefe an die Redaktion Allgemein zu CLAUSEWITZ 2/2013: Erstmal ein Lob voran: mit CLAUSEWITZ ist Ihnen ein sehr gutes Magazin für Militärgeschichte gelungen. Ich bin ein junger und treuer Leser und bin sehr zufrieden damit. Unter den anderen historischen Magazinen sticht Ihres besonders durch die großzügige Illustration heraus. In der Ausgabe 2/2013 gefällt mir als Neuerung das Inhaltsverzeichnis, das durch die Titelbilder der Artikel ergänzt wurde. Außerdem ist die Idee mit dem „Damals und heute“-Bild von Ihnen sehr gut umgesetzt worden. Der Artikel über den Koreakrieg hat mir sehr gefallen, da dieses Thema leider immer mehr in Vergessenheit geraten ist. Dieser Krieg war die erste kriegerische Auseinandersetzung zwischen Ost und West – ein bedeutendes Ereignis im Kalten Krieg. (...) Ebenso gut gelungen finde ich den Hauptartikel über die Schlacht von Kursk und den Artikel „Miltärtechnik im Detail“. Für die Zukunft würde ich mir Artikel zu nicht so alltäglichen Themen wie dem sowjetisch-afghanischen Krieg oder der Schlacht um Chalchin Gol während des japanischsowjetischen Grenzkonfliktes wünschen,
Clausewitz 3/2013
da viele dieser Themen weitreichende Folgen haben aber dennoch vergessen sind. Yannik Alexander, per E-Mail
€ 5,50
Clausewitz
NEUE SERIE
der USA d e n Grund gements zum Little Bighorn funden, mit allen Mitteln die ihm angebotenen Gat(nicht nur) gegen die Laling-Maschinengewehre kota vorzugehen, schon zurückwies (sie würden Schlacht um ein Jahr nach Custers Denur die Schnelligkeit seisaster waren die Lakota nes Vormarschs behinendgültig besiegt und die dern) und die Säbel der Goldfelder der Black Hills Truppe im Fort einlagern US-amerikanischer Besitz. ließ (sie könnten durch Trotzdem: General Cusklappern am Sattelzeug indianische Später, NICHT „General“. her warnen). Die Säbel wären im NahJürgen Kaltschmitt, per E-Mail kampf wohl nützlicher gewesen als im Depot, desgleichen die Gatling-MG. Zumal Zu „Kursk 1943 – Unternehmen Zitahöchstens die Hälfte der indianischen Krieger am Little Bighorn mit Schusswaf- delle“ in CLAUSEWITZ 2/2013: fen ausgestattet war, und das waren nicht Da es sich bei dem Panzer auf Seite 19 alles moderne Repetiergewehre. höchstwahrscheinlich um einen T34/85 Kurz vor der Schlacht war in den heili- handelt kann die Aufnahme nicht vom gen Bergen der Lakota-Sioux Gold gefun- Kursker Bogen zum Zeitpunkt von „Zitaden worden. Die Lakota weigerten sich, delle“ stammen. Dieses Modell kam erst ihre „Black Hills“ zu verkaufen. Anfang 1944 zum Einsatz. Mit Custers Niederlage hatte man seitens Thomas Grosse, per E-Mail Militärtechnik im Detail Teil 1: Sherman M4
Erich von Manstein
Hitlers umstrittener Stratege
US-Fort Abraham Lincoln
Custers letzter Posten
Zu „Der Anfang vom Ende ,General’ Custers“ in CLAUSEWITZ 1/2013: G.A. Custer war aus dem US-Bürgerkrieg mit zwei Generalsrängen zurückgekehrt: zum einen als Generalmajor der Freiwilligen Verbände (U.S. Volunteers), zum anderen als Generalmajor der regulären US-Armee (U.S. Army). Damit war er der jüngste Generalmajor in der Geschichte des USamerikanischen Heeres, er zählte gerademal 26 Jahre. Bei Beginn des Bürgerkrieges war er noch Leutnant gewesen. Als Befehlshaber des 7. US-Kavallerieregiments war seine Dienststellung (und sein Sold) de facto „nur“ die eine Oberstleutnants, der Generalstitel war ein Titular-Rang, er hatte Anspruch auf die Anrede „General“ und auf alle militärischen und protokollarischen Ehren eines Generals. Die Anführungszeichen in der Überschrift des Artikels von Herrn Kreuzer sind überflüssig. Es passt zum Wesen von G.A. Custer, dass er vor dem Aufbruch seines Regi-
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Das Magazin für Militärges chichte
Lechfeld 955
Wie Otto I. über die Ungarn triumphierte
Unternehmen „Zitadelle“
Kursk 1943 MILITÄR & TECHNIK:
„Parchim“Klasse der NVA
U-Jäger der Bundesund Volksmarine
Zeitzeuge der Schlacht: Kriegsteilnehmer Anton Bumüller richtet von den Ereignissen bei beKursk.
„Thetis“-Klasse der Bundeswehr
Schreiben Sie an:
[email protected] oder CLAUSEWITZ, Postfach 40 02 09, 80702 München Leserbriefe spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe aus Gründen der Darstellung eines möglichst umfassenden Meinungsspektrums sinnwahrend zu kürzen.
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Titelgeschichte
Alliierte Luftangriffe – „Operation Gomorrha“
Bomben auf 24. Juli 1943: Fast 800 Bomber der Royal Air Force befinden sich auf dem Weg in Richtung Hamburg. Ihre tödliche Mission ist der Auftakt zu einer Serie schwerer alliierter Luftangriffe, die das „Gesicht“ der Stadt Hamburg für immer veränderten... Von Peter Cronauer 10
HILFLOS: Die Einwohner von Hamburg – sofern sie nicht den Luftangriffen zum Opfer fallen – müssen der Zerstörung ihrer Heimatstadt in mehreren alliierten Tag- und Nachtangriffen tatenlos zusehen. Ganze Stadtteile werden im Sommer 1943 in Schutt und Asche gelegt. Die alliierten Luftangriffe sollen die deutsche Zivilbevölkerung demoralisieren. Foto: SSPL/National Media Museum/Süddeutsche Zeitung Photo
Hamburg Clausewitz 3/2013
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Titelgeschichte | Operation „Gomorrha“
FAKTEN
Alliierte Luftangriffe auf Hamburg, Sommer 1943
Schwere alliierte Luftangriffe im Rahmen der Operation „Gomorrha“: Mehr als 3.000 Flugzeuge kommen zum Einsatz, rund 9.000 Tonnen* Sprengbomben und Luftminen werden über dem Stadtgebiet von Hamburg abgeworfen. 24.–25. Juli: Nachtangriff der Royal Air Force (RAF) 25. Juli: Tagangriff der United States Army Air Forces (USAAF) 27.–28. Juli: Nachtangriff der RAF 28. Juli: Tagangriff der USAAF 29.–30. Juli: Nachtangriff der RAF 2.–3. August: Nachtangriff der RAF Dazwischen wurden noch leichtere Angriffe durchgeführt, beispielsweise durch MosquitoSchnellbomber in der Nacht vom 28. auf den 29. Juli 1943. (*ohne US-Angriffe)
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Große alliierte Bomberverbände
GEWALTIGE BOMBENLAST: Die Royal Air Force leitet die Operation „Gomorrha“ mit ihrem schweren Luftangriff in der Nacht vom 24. auf den 25. Juli 1943 ein und verwüstet dabei große Teile der Elbmetropole Hamburg – vor allem Wohnviertel werden schwer getroffen. Foto: ullstein bild – Bunk
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Titelgeschichte | Operation „Gomorrha“
FAKTEN
Deutsches Reich
Verluste und Schäden in der Großstadt Hamburg Schätzungsweise mehr als 35.000 Tote und 120.000 Verletzte. Bei den Angriffen im Juli/August 1943 werden fast 280.000 Wohnungen, und mehr als 3.000 Betriebe zerstört. Unzählige Baudenkmäler und Kunst- und Kulturschätze gehen unwiederbringlich verloren.
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In Schutt und Asche
UNVORSTELLBAR: Das Ausmaß der Zerstörungen infolge der alliierten Luftangriffe auf Hamburg sprengt jede Vorstellungskraft. Ganze Straßenzüge werden durch Feuerstürme ausradiert, Zehntausende Menschen verlieren ihr Leben. Foto: ullstein bild - LEONE
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Titelgeschichte | Operation „Gomorrha“
AUF KNOPFDRUCK: Blick ins Innere eines RAF-Bombers mit dem Auslöser für die Öffnung des Bombenschachtes. Foto: picture-alliance/Illustrated London News Ltd
A
m 24. Juli 1943 herrscht auf vielen Flugplätzen Großbritanniens seit den frühen Morgenstunden emsige Betriebsamkeit. Bis zum Abend müssen fast 800 Bomber für den von Luftmarschall Arthur Harris befohlenen Einsatz gegen die deutsche Großstadt Hamburg bereit sein. Das Bodenpersonal hat alle Hände voll zu tun. Auch die Besatzungen der Flugzeuge bereiten sich auf den kommenden Einsatz vor. Piloten und Navigatoren nehmen an den Vorbesprechungen teil, studieren ihre Unterlagen, die Bordschützen ruhen sich aus. Viele sind angespannt, denn die deutsche Luftverteidigung ist ein gefährlicher Gegner – seit Monaten steigen die BomberVerluste der Royal Air Force (RAF) kontinuierlich an. Von manchen Einsätzen kehrte in der letzten Zeit fast ein Drittel der eingesetzten Maschinen nicht zurück. Alleine während der kürzlich abgeschlossenen viermonatigen „Schlacht um die Ruhr“ hatte es rund 3.000 Flugzeuge erwischt. Davon kehrten zwar mehr als 2.000 – viele schwer beschädigt – wieder zurück, doch fast 900 Maschinen gingen verloren. Und weil in jeder davon eine mehrköpfige Besatzung saß, handelt es sich um den Verlust von insgesamt mehreren Tausend Kameraden.
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Dass diese Verluste dennoch nicht einmal fünf Prozent betragen – bezogen auf die gesamte Einsatzstärke der britischen Bomberflotte – ist dabei nur ein schwacher Trost. Nach stundenlanger Vorbereitung ist es schließlich soweit: Die ersten Maschinen
rollen an den Start, fliegen zum Sammelpunkt und warten auf die anderen. Rund 800 Maschinen in die Luft zu bringen, dauert seine Zeit. Mitunter kreisen die ersten Bomber bereits seit Stunden in der Warteschleife, während die letzten noch am Boden sind; doch nach einer ausgeklügelten Choreografie sind irgendwann alle in der Luft.
Die „Wellen“ formieren sich
UMSTRITTEN: Arthur Harris, Oberbefehlshaber des RAF Bomber Command, setzte auf Flächenbombardements in deutschen Städten, um die Zivilbevölkerung zu demoralisieren. Foto: ullstein bild
Die jeweiligen Staffeln schließen sich zusammen, laufend stoßen weitere dazu, jede Besatzung sucht die ihr zugewiesene Position. Es ist nicht egal, welche Maschine wo fliegt, denn die Fracht im Bombenschacht ist nicht bei allen Bombern gleich. Einige transportieren bis zu vier Tonnen schwere Luftminen, andere Sprengbomben verschiedener Kaliber und wieder andere Stabbrandbomben oder Phosphorkanister. Um die gewünschte Wirkung über dem Zielort zu erzielen, muss diese Mischung in einer bestimmten Reihenfolge abgeworfen werden – entsprechend ist die Formation durchdacht und ihre Umsetzung erfordert Disziplin. Nach und nach bilden sich die einzelnen „Wellen“, reihen sich in der Höhe gestaffelt hintereinander ein, allmählich erhält die Formation ihre Gestalt. Schließlich
Bombenhagel auf deutsche Städte
IM VERBAND: US-Bomber werfen ihre todbringende Fracht über einer deutschen Stadt ab, Aufnahme aus dem Jahr 1943. Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo
Abb.: picture-alliance/ akg-images
gen, wohin es diesmal gehen und welche Stadt es treffen wird. Vielleicht wieder Berlin? Oder Stettin? Ein weiteres Mal schlüpfen die Besatzungen in ihre Kombinationen, eilen zu ihren Maschinen, klettern hinein, schnallen sich an, legen FT-Hauben, Atemmasken und Fallschirme an, und warten auf den Startbefehl. Unter den Männern ist auch ein Leutnant namens Peter Spoden.
Nach und nach betreten Flugzeugführer und Bordfunker die halbdunklen Bereitschaftsräume, nehmen in Sesseln, oder um Tische herum Platz. Manche besprechen mit gedämpften Stimmen die letzten Einsätze, andere spielen Schach, oder hören mit geschlossenen Augen Musik. Gegen 22:00 Uhr wird Sitzbereitschaft angeordnet. Über der Nordsee werden Feinderfassungen gemeldet, aber zu diesem Zeitpunkt kann noch keiner vorhersa-
Der 1921 geborene Spoden meldete sich 1940 freiwillig zur Luftwaffe und wollte Nachtjäger werden. Seine Ausbildung dauerte insgesamt 27 Monate. Seit dem 1. Juni 1943, also seit beinahe acht Wochen, gehört er nun schon der 6. Staffel des Nachtjagdgeschwaders 5 an, ohne bislang auch nur einen „scharfen“ Einsatz geflogen zu haben. Während seiner Ausbildung durchlief er im Schnelldurchgang die wichtigsten Entwicklungsstufen der bisherigen deutschen Nachtjagd: von der „hellen Nachtjagd“ der Jahre 1940 und 1941, als Scheinwerferbatterien den Nachthimmel ausleuchteten, damit die Jagdflieger auch nachts auf Sicht angreifen konnten, bis zum Sommer 1941, als die „helle Nachtjagd“ allmählich in die „dunkle“ überging. Neue Ortungsverfahren, die mittels Funkmesstechnik feindliche
IM FEUERSTURM: Das Gemälde „Bombennacht“ zeigt die brennende Kirche St. Katharinen in Hamburg. Das Bild hängt im Hamburger Rathaus.
Warten auf den „scharfen“ Einsatz
setzt sich die ganze Formation in Bewegung. Die Pfad- und Zielfindermaschinen fliegen voraus, die anderen folgen ihnen im Abstand von etwa fünf Minuten, ein weiterer „Bomberstrom“ geht auf Kurs in die Nacht hinaus. Unterdessen endet auf dem Fliegerhorst Parchim rund 40 Kilometer südlich von Schwerin die allabendliche Einsatzbesprechung für die Besatzungen der zweiten Gruppe des Nachtjagdgeschwaders 5.
Clausewitz 3/2013
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Titelgeschichte | Operation „Gomorrha“ BEI TAGE: Drei Maschinen vom Typ Short Stirling. Dieser Typ war nach der Avro Lancaster der bei der Operation „Gomorrha“ am häufigsten eingesetzte Foto: RAF RAF-Bomber.
seitig und gemeinsam jene neue Technik kennen: „Unsere Messerschmitt Bf 110 trug vor dem Bug Antennen zum Senden und Empfangen im Dezimeterbereich. Im Inneren des Rumpfes befanden sich vor dem Funkersitz drei Braunsche Röhren zur Wiedergabe von elektrischen Impulsen. Die Radarechos eines voraus fliegenden Flugzeugs stellten sich hier als leuchtende Zacken dar, aus denen der Funker bei richtiger Interpretation die Flughöhe und Flugrichtung des Gegners und die Distanz zu ihm herauslesen kann.“
Ortung des Gegners
Flugzeuge im Nachthimmel ausmachen und eigene an sie heranführen können, wurden damals eingeführt. Beim sogenannten „Himmelbett“-Verfahren werden die Nachtjäger vom Boden aus geleitet und an den Gegner herangeführt. Das ging bis auf drei- bis vierhundert Meter genau, die restliche Distanz musste dann der Flugzeugführer mit seinem Sehvermögen überbrücken, wie es auch Peter Spoden am eigenen Leib erfuhr: „In einer hellen Mondnacht bereitete das Erkennen eines Gegners aus drei- bis vierhundert Metern Entfernung keinerlei Probleme. In einer dunklen Nacht konnte man immerhin noch 200 bis 300 Meter weit sehen, doch bei starkem Dunst oder Wolken gar nichts mehr.“
mann Rudolf Schönert, gebremst: „Langsam, langsam. Machen Sie sich erst einmal mit ihrem Funker und dem LichtensteinGerät vertraut.“ Spodens Funker war ein 19 Jahre alter Unteroffizier aus der Region des Teutoburger Waldes. In den nun folgenden Tagen und Wochen lernten sich die beiden gegen-
Über die bordeigene „EiV“, die „Eigenverständigung“, dirigierte dieser dann seinen Flugzeugführer zum jeweiligen Übungsgegner hin: „Höher, höher! … Links, mehr links! … Rechts oben muss er sein! … Distanz 300 Meter … 100 Meter … langsamer! … Wir überschießen!“ In unzähligen Zieldarstellungs-, Messund Werkstattflügen übten sie diese Vorgehensweise, bei jedem Wetter, am Tag und in der Nacht. Dabei wäre jederzeit ein „scharfer Einsatz“ möglich gewesen. Nachtangriffe der RAF gab es genug, doch bislang war die Besatzung Spoden nicht zum Zug gekommen, weil jede „Himmelbett“-Stellung jeweils nur einen Nachtjäger leiten kann. Also lösten die Besatzungen einander ab: „Den Anfang bildeten immer die erfahrenen Besatzungen, die regelmäßig Abschüsse erzielten. Ging dann der Kraftstoff der ersten Maschine zur Neige, bekam der nächste Nachtjäger Startbefehl. Ich befand mich meist am Ende der Wartereihe...“
Bordeigenes Radar Bei der 6./NJG 5 begegnete er dann erstmals dem „Lichtenstein“-Gerät. Damit ausgerüstete Maschinen erkannte man am „Drahtverhau“ vor dem Bug. Allerdings war das bordeigene Radargerät den Einsatzverbänden vorbehalten, im Schulungsbetrieb gab es das noch nicht. Peter Spoden, der davon ausging, sogleich gegen die Engländer eingesetzt zu werden, wurde von seinem Gruppenkommandeur, Haupt-
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GETROFFEN: Brennende Öltanks verdunkeln den Himmel über dem Hafen von Hamburg. Auch das Hafenviertel mit seinen Industrieanlagen erlitt schwere Schäden. Foto: picture-alliance/dpa
Alliierte Bomberströme nähern sich Deshalb weiß auch die Besatzung Spoden nicht, was auf sie zukommt, als die beiden am Abend jenes 24. Juli 1943 zur „Sitzbereitschaft“ in ihre Maschine klettern. Werden sie wieder einmal dasitzen und warten bis zum Morgengrauen? Zur gleichen Zeit, im rund 430 Kilometer südwestlich von Parchim gelegenen Stade an der Niederelbe: Im Mammut-Gefechtsbunker der 2. Jagddivision wächst die Anspannung, er ist eine von fünf Schaltzentralen der deutschen Reichsverteidigung. Hier laufen die Meldungen von Horchposten, Radarstellungen und sonstigen Beobachtungs- und Frühwarnsystemen zusammen; von hier aus werden die Gegenmaßnahmen der ihr unterstellten Flak und Nachtjagd koordiniert. Den gewaltigen Innenraum des Bunkers, der mit seinen höhengestaffelten Sitzreihen einer Sporthalle oder einem Theater
STANDARDNACHTJÄGER: Maschinen vom Typ Messerschmitt Bf 110 bilden bis Kriegsende neben der Junkers Ju 88 das Rückgrat der deutschen NachtFoto: Dietmar Hermann jagdgeschwader.
„Ich beglückwünsche die britischen Luftstreitkräfte und begrüße ihre Absicht, die Bombenangriffe auf Deutschland zu verstärken.“ Vertrauliche Botschaft Josef Stalins an Winston Churchill vom 30. Juli 1943.
ähnelt, dominiert in der Mitte eine riesige Milchglasscheibe, die beinahe die gesamte Höhe und Breite des Raumes einnimmt. Auf ihr ist die Landkarte des Deutschen Reichs zu sehen, vom darüber gelegten Quadratnetz der Jägerführung in Planquadrate unterteilt. Auf diese Karte werden jeweils die wandernden Positionen von einfliegenden Feindflugzeugen und eigenen Maschinen projiziert. Dafür sitzen auf der
einen Seite der Glaswand Dutzende von Luftwaffen-Nachrichtenhelferinnen. Jede von ihnen hat zwei „Bildpunktwerfer“ vor sich – Urahnen heutiger Laserpointer – sowie ein Telefon, das direkt mit einer Funkmessstellung (Radar) verbunden ist. Sobald diese einfliegende Bomberverbände ortet, werden die entsprechenden Angaben dem Gefechtsstand übermittelt. Die vermutete Anzahl der Flugzeuge, deren Kurs und
STOLZERFÜLLT: Ein Nachtjagdpilot der Luftwaffe vor dem Seitenleitwerk seiner Maschine, auf dem drei Abschüsse britischer Bomber markiert sind. Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo
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FIEBERTE SEINEM EINSATZ ENTGEGEN: Nachtjäger Peter Spoden. Foto: Peter Spoden
Flughöhe sowie das Jägerquadrat werden genannt, in dem sie sich gerade befinden. Lautet eine Meldung beispielsweise „Etwa 120 Flugzeuge in Gustav Cäsar fünf, Kurs Ost, Höhe 5.000“, dann richten die Nachrichtenhelferinnen ihre beiden Bildpunktwerfer auf das entsprechende Jägerquadrat in der Lagekarte auf der großen Milchscheibe. Dort zeigen jetzt rote Lichtpunkte die aktuelle Position des Gegners an, dessen Bewegungen werden von nun an laufend aktualisiert.
Ruhe vor dem Sturm Auf der anderen Seite der Glaswand sind die roten Punkte gut zu sehen. Dort sitzen in langen Reihen die Jägerleitoffiziere und darüber der Kommandeur sowie die Verbindungsoffiziere mit ihren Schaltpunkten, über die sie mit sämtlichen Jagdverbänden, Nachtjagdstellungen und dem Flugmeldedienst verbunden sind. Nochmals eine Etage höher sitzen wiederum Dutzende weiterer „Lichtpunktwerfer“, die mit grünen Punkten die Position der eigenen Maschinen markieren. Auch hier beginnt der Abend des 24. Juli 1943 zunächst ruhig. Seit dem schweren Angriff auf Aachen elf Tage zuvor hatte sich nichts Gravierendes mehr ereignet. Kurz vor Mitternacht laufen dann doch erste Meldungen ein. Wieder einmal wandern rote Lichtpunkte langsam auf der Milchglaskarte über die Ostsee, parallel zur deutschen Küste Richtung Osten. Die ersten Messerschmitt Bf 110 und Junkers Ju 88 vom der 2. Jagddivision unterstellten Nachtjagdgeschwader 3 starten von ihren Fliegerhorsten in Stade, Vechta, Wittmundhafen, Wunstorf, Lüneburg und Kastrup,
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Titelgeschichte | Operation „Gomorrha“ und nehmen ihre Wartepositionen in ihren jeweiligen „Himmelbetten“ über der deutschen Nordseeküste ein. Inzwischen steht fest, dass die voraus fliegenden „Pfadfinder“-Maschinen die Vorboten sind für einen großen, aus mehreren hundert Maschinen bestehenden Bomberstrom des Gegners. Was hat dieser vor? Er steuert direkt auf die Elbmündung zu. Wird er davor abschwenken? Nach Süden? Oder über Norddeutschland hinweg Richtung Ostsee? Vielleicht sogar in Richtung Berlin?
Das Flakkampfabzeichen der Luftwaffe war eine Auszeichnung der Wehrmacht und wurde am 10. Januar 1941 durch den Oberbefehlshaber der Luftwaffe, Hermann Göring, gestiftet. Die Verleihung des Abzeichens sollte die Erfolge der Flakartillerie sowohl bei der Abwehr von Luftangriffen als auch im Erdkampf würdigen. Foto: picture-alliance/Artcolor
Verheerender Radarausfall Doch plötzlich bleiben die roten Lichtpunkte auf der Glaswand stehen, verharren minutenlang auf ein und demselben Fleck. Nervosität macht sich breit. Was ist da los? Der Nachrichtenoffizier schaltet sich in die Direktleitungen zu den Radarstellungen ein
präzisen Angaben der „Würzburg“-Geräte hängt die Führung der Nachtjäger in ihren „Himmelbetten“ ab, und nicht nur die, sondern auch die der Flak. Sowohl die einen, als auch die anderen, tappen nun im Dun-
„Wir haben hier die Zerstörung einer Millionenstadt festzustellen, die bisher in der Geschichte wohl kein Beispiel findet. Es tauchen damit Probleme auf, die fast nicht zu bewältigen sind.“ Propagandaminister Joseph Goebbels, Tagebucheintrag vom 29. Juli 1943
und erhält auf seine Fragen überall dieselbe Antwort: „Die Geräte sind gestört, oder ausgefallen.“ Vor allem die „Würzburg“-Geräte sind betroffen, über ihre Bildschirme flimmern nur noch wirre Echozacken, aus denen ist nichts Brauchbares herauszulesen. Das ist eine fatale Situation, denn von den
keln, und die Jägerleitoffiziere können augenblicklich gar nichts für sie tun. Auch die „Freya“-Geräte funktionieren nicht so wie gewohnt, zeigen schon mal Tausende von Flugzeugen an, die sich dann plötzlich wieder in Nichts auflösen; doch immerhin erkennen sie den Bomberstrom wenigstens
noch in groben Zügen. Den oben lauernden Nachtjägern nutzt das jedoch nicht viel, sie sind völlig auf sich alleine gestellt. Tief unter ihnen, im Gefechtsstand, gilt es, jetzt bloß nicht die Nerven zu verlieren; die 2. Jagddivision bittet den Flugmeldedienst um Hilfe. Als hätte es das „Himmelbett“-Verfahren nie gegeben, als wäre diese gewaltige hoch technisierte Organisation der deutschen Nachtjagd gar nicht existent, wird nun auf Methoden aus der Anfangszeit des Krieges zurückgegriffen: auf die Beobachtungen der über das ganze Land verteilten Flugwachen am Boden. Diesen zufolge rieseln in der Nähe von Meldorf, über Dithmarschen, gelbe Leuchtkaskaden vom Himmel. Immer wieder neue Kaskaden, immer über demselben Gebiet: Da haben wohl „Pfadfinder“-Maschinen eine Wendemarke gesetzt. Tatsächlich bestätigen die nächsten Mitteilungen, dass der Bomberstrom geschlossen nach Südosten schwenkt, sich parallel zur Elbe weiterbewegend, hält er direkt auf Hamburg zu. Seit Kriegsbeginn hatte die alte Hansestadt bereits eine Vielzahl von Bombenangriffen zu überstehen, am Tag und in der Nacht – leichte, von einzeln fliegenden Maschinen durchgeführte, aber auch schwere, die bereits deutlich sichtbare Spuren hinterließen. Ist heute Nacht wieder die Elbmetropole dran?
TRÜMMERWÜSTE: Ein kleiner Junge zwischen den kümmerlichen Überresten Hamburger Wohnblocks. Foto: picture-alliance/dpa
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Zahlreiche Luftangriffe auf Hamburg
ANGETRETEN: Besatzung und Bodenmannschaft eines schweren strategischen RAF-Bombers vom Foto: RAF Typ Short Stirling.
HAUPTSACHE AM LEBEN: Menschen stehen Schlange, um eine Foto: ullstein bild – Erich Andres Lebensmittelration zu erhalten.
VERHEEREND: Ein britischer Bomber beim Abwurf von Phosphorbomben, die in den dicht bebauten Stadtvierteln Hamburgs einen Foto: ullstein bild – Archiv Gerstenberg Feuersturm entfachten.
Am Boden sind in und um Hamburg herum mehr als fünfzig schwere, gut zwei Dutzend leichte Flak- sowie 22 Scheinwerfer- und drei Nebelbatterien positioniert. Doch auch die Flak ermittelt ihre Schusswerte nach den Messdaten der „Würzburg“-Geräte. Dann, wenige Minuten vor 01:00 Uhr nachts, dringen auch zu ihr keine brauchbaren Angaben mehr durch. Auf einen Schlag ist die komplette deutsche Luftraumverteidigung außer Gefecht gesetzt. Doch für Ursachenforschung bleibt
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jetzt keine Zeit, man kann die ersten Motorgeräusche bereits hören, die Kommandeure der Flak müssen improvisieren. Wenn schon kein gezieltes Schießen möglich ist, soll „Sperrfeuer“ die Angreifer wenigstens einschüchtern.
Bomber über dem Zielgebiet Deren „Pfadfinder“-Maschinen befinden sich inzwischen über dem Stadtgebiet. Sie sind mit modernster Technik ausgestattet, unter anderem mit einem von den Briten
als „H2S“ bezeichnetem Bodenradargerät, das die Umrisse der überflogenen Landschaften im Inneren der Maschine auf einem Bildschirm wiedergibt. Seen und Flüsse zeichnen sich hier als dunkle Flächen ab, Städte werden als helle Umrisse dargestellt. Man kann sogar einzelne Flaktürme erkennen. Gegen dieses Gerät sind jegliche Tarnversuche wirkungslos. Selbst bei völliger Dunkelheit, dichtem Nebel, Schneefall oder Regen und auch durch eine geschlossene
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Titelgeschichte | Operation „Gomorrha“
DOKUMENT
BILD DER VERWÜSTUNG: Teile der schwer beschädigten Werftanlagen von Blohm & Foto: ullstein bild – AP Voss.
Wolkendecke hindurch bekommt man damit ein stets ausgezeichnetes Bild vom Zielgebiet. Und das besteht in dieser Nacht aus den Hamburger Stadtteilen Barmbek, Hoheluft, Eimsbüttel, Altona sowie dem Hafen. Die „Pfadfinder“ beginnen zu markieren, werfen sogenannte Christbäume ab: an Fallschirmen herabschwebende Magnesiumkugeln, die den nachfolgenden Bombern das Zielen erleichtern sollen. Hier und da geht dabei auch etwas daneben, einige Markierungen werden an der falschen Stelle abgeworfen, aber darauf kommt es nun nicht mehr an. Der Auftakt zur Operation „Gomorrha“ nimmt seinen Lauf. Im Nachthimmel über Hamburg entsteht eine unfassbare Geräuschkulisse: In das Heulen der Sirenen mischt sich das Stakkato der wütend schießenden Flak, die Luft füllt sich mit einem anwachsenden
Literaturtipps Jörg Friedrich: Der Brand – Deutschland im Bombenkrieg 1940–1945, München 2002. Rolf-Dieter Müller: Der Bombenkrieg 1939–1945, Berlin 2004.
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Auszug aus dem amtlichen Bericht des Polizeipräsidenten von Hamburg „Die Straßen waren mit Hunderten von Leichen bedeckt. Mütter mit ihren Kindern, Männer, Greise, verbrannt, verkohlt, unversehrt und bekleidet, nackend und in wächserner Blässe wie Schaufensterpuppen, lagen sie in jeder Stellung, ruhig und friedlich oder verkrampft, den Todeskampf im letzten Augenblick des Gesichts. Die Schutzräume boten das gleiche Bild, grausiger noch in seiner Wirkung, da es zu dem Teil den letzten verzweifelten Kampf gegen ein erbarmungsloses Schicksal zeigte.“ Zitiert nach: Dokumente deutscher Kriegsschäden, 5 Bde., Bonn 1958-1964
drohenden, tiefen Brummen, erzeugt von Tausenden großvolumiger Flugzeugmotoren; wenige Minuten nach den „Pfadfinder“-Maschinen hat nun auch der Bomberstrom das Zielgebiet erreicht.
Wahres Inferno Eine Welle nach der anderen zieht darüber hinweg, schwere viermotorige Bomber vom Typ Avro Lancaster und Short Stirling öffnen ihre Bombenschächte, Dutzende zweimotoriger Vickers Wellington tun es ihnen gleich. Das Pfeifen der fallenden Bomben geht im allgemeinen Getöse unter. Luftminen und Sprengbomben explodieren, straßenzugweise werden Dächer abgedeckt, Häuserwände krachen zusammen oder werden aufgebrochen, Fenster und Türen aus ihren Verankerungen gerissen. Dazwischen regnen massenhaft lose gebündelte Stanniolstreifen herunter, und dann wieder Stabbrandbomben und Phos-
phorkanister. Erste Großbrände lodern auf, die Lichtkeulen der Flakscheinwerfer durchschneiden immer dickeren Rauch. Die betroffenen Stadtteile werden von einem wahren Inferno heimgesucht. Menschen – vor allem Frauen, Kinder und Alte –, die es nicht in die Luftschutzbunker geschafft haben, sterben im Rauch und in den Flammen. Viele Luftschutzkeller bieten keinen ausreichenden Schutz. Inzwischen hatte die 4. Jagddivision in Döberitz bei Berlin auch der II./NJG 5 in Parchim Startbefehl erteilt. Diesmal musste die Besatzung Spoden nicht bis zum Morgengrauen warten, sie war gleich mit von der Partie: „Ich befand mich im ,Himmelbett’Raum ,Reiher’ nahe Lübeck, war als einer der letzten hoch geschickt worden und sah bereits kurz nach dem Start einen furchtbaren Flächenbrand westlich von mir. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Mein Gott!
Hamburg versinkt in Trümmern Sollte das etwa Hamburg sein? Die Hansestadt war noch mehr als 100 Kilometer entfernt, und trotzdem nicht zu übersehen. Gleichzeitig bereitete unser LichtensteinGerät Probleme, mein Bordfunker berichtete von schweren Störungen, nur ein Flimmern sei zu sehen, es gab keine ablesbaren Zacken. Offenbar ging es den „Würzburg“Geräten ebenso, auch sie waren gestört, mein Jägerleitoffizier konnte mich nicht ansetzen. Da sah ich mit bloßem Auge in großer Entfernung einige viermotorige Flugzeuge über der hellen, von Bodenbränden erleuchteten Wolkenschicht. – Klein wie Motten, aber unverkennbar Viermots! ,Lassen Sie mich dort hin!’, rief ich dem Jägerleitoffizier auf Kurzwelle zu. ,Nein, das kann ich nicht’, antwortete er, ,das ist außerhalb meines Raumes und zudem das Schießgebiet der Flak!’ ,Sprechen sie mit Berlin’, rief ich, ,lassen sie mich da hin, ich kann die ,Tommies’ sehen!’ Die Antwort kam prompt: ,Nein, sie haben im Raum ,Reiher’ zu bleiben. Ich habe schon nachgehört, wir müssen mit Durchflügen rechnen.’“
Systematische Zerstörung Peter Spoden ist verzweifelt! Da war er nun zwei Jahre lang ausgebildet worden, kann die gegnerischen Flugzeuge sehen, darf aber nicht hin. Natürlich kommen keine Durchflüge mehr, und als sein Sprit allmählich zur Neige geht, landet er vollkommen niedergeschlagen in Parchim. Auf dem dortigen Gefechtsstand ist die Hölle los! Alle Besatzungen, auch die erfahrenen, melden extreme Störungen und Fehlerfassungen des Bordradars, kaum einer hat Abschüsse erzielt. Stattdessen berichten alle von furchtbaren Bränden und Detonationen, und dass sie viele „Viermots“ zu Gesicht bekamen, sie aber nicht angreifen durften. Umgehend wird die Jagddivision kontak-
Trauerfeier: Gedenkveranstaltung für die Opfer der alliierten Bombenangriffe während der Operation „Gomorrha“ auf Hamburg vor dem Rathaus der Stadt. Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo
tiert, vielleicht auch der Oberbefehlshaber der Luftwaffe Hermann Göring selbst. Von allen anderen Nachtjagdgeschwadern gehen gleichlautende Meldungen ein, allerorten herrscht helle Aufregung. Mit jenem Angriff britischer Bomber in der Nacht vom 24. auf den 25. Juli 1943 beginnt die systematische Zerstörung weiter Teile Hamburgs aus der Luft. Im Cockpit seiner Messerschmitt wurde Peter Spoden Augenzeuge des schwersten Luftangriffs der bisherigen Kriegsgeschichte. Doch dieser Angriff auf Hamburg war nur der Auftakt zu einer ganzen Serie von Bombardierungen – auch durch Verbände der U.S. Army Air Forces – der Großstadt an der Elbe. Operation „Gomorrha“ – den
BETONKLOTZ: Der Hochbunker auf dem Heiligengeistfeld in Hamburg dient heute zivilen Zwecken. Foto: picture-alliance/Bildagentur-online/Ohde
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grausigen „Höhepunkt“ bildete der orkanartige Feuersturm infolge des Angriffs vom 27. Auf den 28. Juli – dauerte insgesamt bis zum 3. August 1943. Und es war kein Zufall, dass Spoden und seine Kameraden zur Untätigkeit verdammt waren: Der Gegner hatte Mittel und Wege gefunden, um die deutsche Raumnachtjagd mit einem Schlag auszuschalten.
Schreckensbilanz Schätzungsweise mehr als 35.000 Zivilisten kamen infolge der Luftangriffe der Operation „Gomorrha“ ums Leben, weit mehr als 100.000 Menschen wurden verletzt, Hunderttausende obdachlos. Ganze Stadtteile wurden großflächig ausradiert, bedeutende Kunst- und Kulturschätze sowie einzigartige historische Baudenkmäler gingen in den Flammen unwiederbringlich verloren. Menschen, die die Stadt noch rechtzeitig verlassen hatten, wurde im Sommer 1943 unter Hinweis auf fehlende Unterkünfte und mangelnde Verpflegung dringend abgeraten, in die in weiten Teilen verwüstete Stadt zurückzukehren. Noch heute ragt mahnend die Ruine des Turmes der St. Nikolai-Kriche in den Hamburger Himmel. Auf dem Friedhof Ohlsdorf befindet sich das zentrale Massengrab der Bombenopfer mit einem Mahnmal zur Erinnerung an die Opfer von Krieg und Gewalt. Peter Cronauer M. A., Jg. 1964, ist Luftfahrtjournalist mit dem Schwerpunkt Luftkrieg 1939-1945.
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Titelgeschichte | Operation „Gomorrha“
Luftkrieg über Deutschland – Technologie und Strategie
Kriegsschauplatz „Himmel“
Sommer 1943: Der Luftraum über dem Deutschen Reich ist Schauplatz heftiger Auseinandersetzungen zwischen alliierten Bomberverbänden und deutschen Jägern. Für beide Seiten spielt besonders die Radar-Technologie eine wichtige Rolle... Von Peter Cronauer
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itte 1943 ist der Himmel über dem Deutschen Reich längst ein hoch technisierter Kriegsschauplatz mit eigenen Gesetzen. Radar-Technologie spielt hier eine wesentliche Rolle. Auch das „Himmelbett“-Verfahren der deutschen Nachtjagd basiert darauf. Seine Stellungen bestehen jeweils aus einem „Freya“- sowie zwei „Würzburg“Geräten. Ersteres steht bereits seit Kriegsbeginn im Einsatz und dient mit seiner Reichweite von bis zu 150 Kilometern als Frühwarnsystem. Es kann einen anfliegenden Verband erkennen und seine Flugrichtung ermitteln, jedoch nicht die exakte Anzahl der Flugzeuge und ihre genaue Flughöhe. Das übernimmt kurze Zeit später das im Sommer 1941 einsatzreife „Würzburg“-Gerät.
„Himmelbett-Stellungen“ Im Einsatz verfolgt dann eines der beiden „Würzburg“-Geräte einen anfliegenden Bomber, das andere einen eigenen Nachtjäger, die von beiden erfassten Daten laufen in einer Leitstelle zusammen. Dort werden dann die Bewegungen der beiden Flugzeu-
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ge – die des Gegners und die des eigenen Nachtjägers – als roter, bzw. grüner Punkt auf die Glasplatte eines „Seeburg“-Auswertetisches projiziert. Ein Leitoffizier beobachtet die Kursdarstellung der beiden Maschinen und führt den deutschen Nachtjäger per Funk an seinen potentiellen Gegner heran. Seit August 1941 wurde eine „Himmelbett-Stellung“ neben der anderen errichtet. Mitte 1943 reichen sie bereits in einem breiten Gürtel von Frankreich entlang der Nordseeküste bis nach Südnorwegen. Das
„Himmelbett“-Verfahren hat jedoch auch Schwächen: Der Wirkungskreis jeder Stellung hängt von der Reichweite des „Würzburg“-Gerätes ab. Beträgt diese anfangs etwa 35 Kilometer, wächst sie mit dem ab 1942 einsatzreifen „Würzburg-Riese“ auf 70 bis 80 Kilometer an. Doch weiterhin kann jede Stellung nur ein einziges gegnerisches Flugzeug erfassen und verfolgen und jeweils nur einen eigenen Nachtjäger führen, der sein „Himmelbett“ auch nicht verlassen darf. Solange dieses System nur einzeln
FORTSCHRITTLICH: Die Antenne des auf seinem Betonsockel dreh- und schwenkbaren Radars „Würzburg-Riese“ besaß einen Durchmesser von 7,40 Metern. Die hohe Richtgenauigkeit des Funkmessgerätes erlaubte den Einsatz als Feuerleitradar. Es bildete einen wichtigen Baustein des deutschen Abwehrkampfes. Foto: ullstein bild – Photo12/Collection Bernard
HINTERGRUND
„Window“ (Radartäuschung)
Für die „Lähmung“ der nächtlichen deutschen Luftverteidigung sorgen Stanniol-Streifen, zehn Millimeter breit und 30 Millimeter lang. In der Auftaktnacht zur Operation „Gomorrha“ werden sie (Tarnname „Window“) erstmals auf dem europäischen Kriegsschauplatz eingesetzt. Insgesamt haben die britischen Bomber davon rund 92 Millionen Stück an Bord. Regelmäßig werden sie in losen Bündeln ausgesto-
ge der bisherigen Luftangriffe diskutiert, aber auch die weitaus grundlegendere Frage, ob man einen Krieg – insbesondere einen Luftkrieg, der auf der Basis internationaler Abkommen wie den Haager Konventionen geführt wird – überhaupt gewinnen kann. Die bisherige Erfahrung zeige, dass rein militärische Ziele nur schwer zu eliminieren sind. Es drohe vielmehr ein langwieriger Schlagabtausch ohne Perspektive. Politische und militärische Gremien in Großbritannien suchen daher nach Auswegen aus diesem Dilemma. Auf eine „Lösung“ legt man sich schließlich fest: Am 14. Februar 1942 erlässt das
ßen, flattern in der Luft auseinander, bilden zu Tausenden flirrende Wolken und senken sich wie ein Radarstrahlen millionenfach reflektierender Nebel langsam auf die Erde nieder. Ihre Reflexionen blenden die Radar- und somit auch die Flugmelde- und Feuerleitgeräte der deutschen Abwehr, vereiteln ein gezieltes Schießen der Flak und setzen das „Himmelbett“-Verfahren schlagartig außer Gefecht.
Britische Luftfahrtministerium die „Area Bombing Directive“ – die „Anweisung zum flächigen Bombenangriff“. Dabei handelte es sich um eine großzügige Auslegung der von Air Marshall Hugh Trenchard bereits vor dem Krieg formulierten Doktrin. Dieser vertrat unter anderem die These, dass die gründliche und nachhaltige Zerstörung der gegnerischen Rüstungsindustrie strategisch weitaus wichtiger sei als beispielsweise der Sieg in einer Feldschlacht. Der in Baden-Baden geborene Physiker und Churchill-Vertraute Frederick A. Lindemann wird noch konkreter: In einem am 30. März 1942 Churchill überreichten und
IM ANFLUG: Boeing B-17F der 381st Bomb Group, deren Maschinen an den Tagangriffen Ende Juli 1943 auf Hamburg beteiligt sind, im Formationsflug über Foto: USAF dem europäischen Festland.
fliegende Maschinen abzuwehren hat, die zeitlich versetzt und in lockerem Verband in den Luftraum über dem Reich eindringen, ist diese „gebundene“ Art der Nachtjagd durchaus effektiv.
Britischer Strategiewechsel Alleine der Stellung „Tiger“ auf der niederländischen Insel Terschelling wird die Beteiligung an rund 150 Nachtabschüssen zugeschrieben. Doch das britische Bomber Command ändert seine Strategie. Innerhalb von einer Stunde, so hatten britische Verantwortliche errechnet, könne eine „Himmelbett-Stellung“ rund sechs Abschüsse erzielen. Da werden einzeln fliegende Maschinen zur leichten Beute. Doch was geschieht, wenn eine große Anzahl Bomber die „Himmelbett-Stellungen“ möglichst gleichzeitig durchstößt? Das müsste die Verluste doch reduzieren. Nicht nur aus diesem Grund vollzog die britische Luftkriegführung im Frühjahr 1942 einen grundlegenden Strategiewechsel. Im Vorfeld wurden die mäßigen Erfol-
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UM LEBEN UND TOD: Bomber des Typs Boeing B-17F der 8. US-Luftflotte werden während des Tagangriffs auf Hamburg am 25. Juli 1943 von einem deutschen Jäger bedrängt (erkennbar im Kreis rechts unten). Das gestrichelt dargestellte Zielgebiet – die Blohm & Voss Werft – ist durch Rauchwolken des vorhergegangen nächtlichen Bombardements durch die RAF verdeckt. Foto: USAF
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Titelgeschichte | Operation „Gomorrha“
TÖDLICHE FRACHT: Eine Avro Lancaster wird für einen weiteren Einsatz bestückt – in diesem Fall mit der gemischten Abwurflast aus konventionellen Sprengbomben und einer „Cookie“-Luftmine. Foto: RAF
später als „Dehousing Paper“ bezeichneten Memorandum schreibt er unter anderem, es sei erwiesen, dass die Zerstörung seines Heimes den Menschen moralisch tiefer erschüttere als der Tod von Freunden und Verwandten. Daher rate er, Lindemann, dazu, alle Kräfte auf die Produktion von Bomben und geeigneten Bombern zu konzentrieren, um bis Mitte 1943 fünfzig Prozent des Wohnraumes in allen größeren Städten Deutschlands zu zerstören. Auf diese Weise könne man die Moral des deutschen Volkes brechen und die Rüstungsproduktion komme zum Erliegen.
POSITIONSBESTIMMUNG: Am „Seeburg“-Auswertetisch laufen die Daten der beiden „Würzburg“-Geräte einer „Himmelbett“-Stellung zusammen. Foto: Sammlung W. Johnen
Angriffen auf militärische Ziele, sondern eher umgekehrt. Mit seinem neuen Oberbefehlshaber, Arthur Travers Harris, erhält das RAF Bomber Command am 22. Februar 1942 einen Mann „für’s Grobe“. Er findet zu Beginn seiner Amtszeit die nötigen Flugzeuge bzw. technischen Mittel vor, um die wenige Tage
Navigationssystem, das sogenannte GEEVerfahren.
Neue Taktik und Technologie Hinzu kommt eine neue Taktik: Jetzt fliegen die Maschinen ihre Zielorte nicht mehr zeitlich verzögert, weit auseinandergezogen oder sogar einzeln an und werfen ihre Bom-
„Casablanca beseitigte die letzten moralischen Hemmungen; wir erhielten für den Bombenkrieg völlig freie Hand.“ Der Oberbefehlshaber des Bomber Command der RAF, Arthur Harris.
„Moral Bombing“ Vorrangiges Ziel des „Moral Bombing“ seien die Arbeiterwohnviertel, diese seien am dichtesten bebaut. Mit der Annahme dieses Vorschlags durch das britische Kabinett ist der Strategiewechsel vollzogen: Fortan ist die Zerstörung ziviler Bauten nicht mehr eine bedauerliche Begleiterscheinung von
zuvor verabschiedete „Area Bombing Directive“ in die Tat umzusetzen: Darunter befinden sich unter anderem schwere viermotorige strategische Bomber mit hoher Zuladung und großer Reichweite – Short Stirling, Handley Page Halifax und Avro Lancaster – sowie ein Hyperbel-
AVRO LANCASTER B.MK.III Im Gegensatz zu den US-Bombern gibt es in der Lancaster keinen Copiloten. Rechts neben dem Flugzeugführer sitzt stattdessen der Flugingenieur
Astronavigationskuppel für den Navigator
Foto: RAF
Nach & Thomson FN-20 oder FN-120 Drehturm mit vier 7,65-mm-MG
Nach & Thomson FN-50 oder FN-150 Drehturm mit zwei 7,65-mm-MG
Nach & Thomson FN-5A Drehturm mit zwei 7,65-mm-MG Flüssigkeitsgekühlte Packard Merlin 28 12-Zylinder-Reihenmotoren
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Der 10,5 Meter lange durchgehende Bombenschacht ermöglicht die Mitnah- Bugkanzel mit Zielvorme unterschiedlichster oder je nach Be- richtung für den Bomdarf passend kombinierter Waffenlast benschützen
ben dann, wenn sie davon ausgehen, ihr Ziel erreicht zu haben. Nun durchstoßen sie die deutschen Nachtjagdräume in einem großen, möglichst geschlossenen Verband, um beim eigentlichen Angriff möglichst viele Maschinen innerhalb kurzer Zeit über dem Ziel zu konzentrieren. Nach dieser Methode und im Sinne des „Moral Bombing“ wird Lübeck im Frühjahr 1942 als erste von vielen deutschen Städten angegriffen. Doch der Erfolg gibt den Planern nur vorübergehend Recht: Zwar überfordert die Taktik des „Bomberstroms“ das „Himmelbett“-Verfahren zunächst, setzt es aber nicht vollständig außer Gefecht. Denn auch hier dreht sich die Entwicklungsspirale weiter: Im Sommer 1942 kommt auf deutscher Seite das Bordfunkmessgerät „Lichtenstein B/C“ zum Einsatz – der letzte Schritt zu einer „echten“ Dunkelnachtjagd. Das bordeigene Radargerät „sieht“ bis zu vier Kilometer weit und ermöglicht der Besatzung eines Nachtjägers den eigenständigen Endanflug auf seine Gegner, ohne ihn tatsächlich sehen zu müssen und unabhängig von einer Leitstelle am Boden. Deren Jägerleitoffiziere profitierten gleicher-
maßen von der neuen Technik, denn von nun an können sie freier agieren und führen mehrere Nachtjäger zugleich. Dass die Nachtjagd der RAF diesen Stand der Technik bereits zwei Jahre zuvor erreicht hatte, ist für die Angehörigen des Bomber Command nur ein schwacher Trost; ihre Verluste steigen wieder deutlich an. Auch das ständige „dem Gegner in die Karten sehen“ wollen, stellt eine Art eigenen Kriegsschauplatz dar. Es geht um Neuerungen und darum, diejenigen des Gegners wieder unbrauchbar zu machen. So werden wechselweise Kommunikationseinrichtungen, der Navigation dienende Peilfunkanlagen oder auch Radaranlagen lahm gelegt. Hatte beispielsweise die RAF im März 1942 ihr neuestes Funknavigationssystem namens AMES erstmals erfolgreich eingesetzt, schlägt nur fünf Monate später der Angriff von mehr als 160 Bombern auf Osnabrück fehl, weil sämtliche GEE-Geräte schlagartig versagen. Deutsche Störsender mit dem Tarnnamen „Heinrich“ leisteten dabei „ganze Arbeit“. Während nun in England fieberhaft an einem neuen
BOEING B-17F-95 Vier luftgekühlte Wright Cyclone R-1820-97, 9-Zylinder-Sternmotoren mit Turbolader und je 1.200 PS Leistung
Sperry A-1 Drehturm mit zwei 12,7-mm-MG
Heckstand mit zwei 12,7-mm-MG, die der Schütze kniend bedient
Sperry Kugelturm mit zwei 12,7-mm-MG – wird beim Landen eingefahren Im Bombenschacht finden bis zu 3.628 Kilogramm Abwurflasten Platz
Seitliche Waffenstände mit je einem 12,7-mm-MG
Navigationssystem namens „Oboe“ gearbeitet wird, sucht man dort gleichzeitig nach Methoden, um wiederum die deutsche Technik auszutricksen. Mit Erfolg: Beim Angriff auf Mannheim Anfang Dezember 1942 legen in Flugzeugen einbau-
„Kammhuber-Lichtspiele“ im Gefechtsstand einer Jagddivision
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Foto: Sammlung W. Johnen
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Rechts befindet sich die 14 Meter hohe Raum füllende Milchglasscheibe, darauf ist die Karte des Deutschen Reiches zu sehen und das darüber gelegte Quadratnetz der Jägerführung. Jenseits der Glasscheibe und im Bild nicht zu sehen, sitzen die Luftnachrichtenhelferinnen mit ihren Lichtpunktwerfern, die mit roten bzw. grünen Lichtpunkten die Positionen der eigenen und feindlichen Flugzeuge projizieren. Die geschwungene Linie bei (4) zeigt den Flugweg eines Bomberstroms, der sich bei (5) teilt und auf eine Großstadt (6) zu bewegt. Bei (1) sitzen der Divisionskommandeur, sein Ia, der Chef der Operationsabteilung sowie die Verbindungs-
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Astronavigationskuppel für den Navigator
offiziere von Flak, Luftnachrichtentruppe, Heer und Marine. Auf den Sitzreihen darunter sitzen die Jägerleitoffiziere, die je nach Luftlage die Nachtjäger per Funk an den Gegner heranführen. Auf der Galerie (2) befinden sich weitere sogenannte Lichtpunktwerfer, die den Weg des Bomberstroms mit langen Strichen und Pfeilen auf die Glaswand projizieren. In einem separaten Raum (3) unterziehen Offiziere eingehende Meldungen einer ersten Prüfung. Die Großraumkarten (7) zeigen den Raum der Nachbardivisionen, aus dem der Bomberstrom kam und wohin er womöglich wieder verschwinden wird, den Korpsbereich sowie den ganzen Kontinent im Überblick.
Bis zu drei einzelne 12,7-mm-MG in der Bugkanzel
Extreme Aufhängungen für zusätzliche 906 Kilogramm Bombenlast – werden wegen des hohen Luftwiederstandes kaum im Einsatz verwendet
bare „Mandrel“-Störsender die „Freya“Anlagen erfolgreich lahm.
„Combined Bomber Offensive“ Im Vorfeld der Operation „Gomorrha“ sind aus britischer Sicht unter anderem zwei Ereignisse von besonderem Belang: Am 9. Mai 1943 gelingt den Alliierten ein großer Coup als eine Besatzung des NJG 3 mit ihrer Junkers Ju 88 in der neuesten Nachtjäger-Version von Skandinavien aus nach Großbritannien desertiert. Dieser „Vorfall“ wurde vom britischen Geheimdienst eingefädelt und war von langer Hand vorbereitet. Britische Wissenschaftler inspizieren vor allem das bislang so streng geheim gehaltene „Lichtenstein“-Gerät, finden heraus, wie es funktioniert und wie man es überlisten kann. Innerhalb kurzer Zeit entwickeln sie „Serrate“, ein Bordradargerät, das seinerseits „Lichtenstein“ anpeilen kann. Auf all das findet die deutsche Seite früher oder später eine angemessene Antwort. Nicht jedoch auf „S2S“, das bordeigene britische Panorama-Bodenradar-Gerät. Anfang 1943 bei einem Luftangriff auf Hamburg erstmals erfolgreich eingesetzt, ermöglicht es den RAF-Piloten Navigation und Zielfindung, selbst unter ungünstigsten Bedingungen. Die im Hinblick auf Operation „Gomorrha“ wichtigste strategische Entscheidung fällt jedoch im Januar 1943: Als eines von mehreren Ergebnissen der Konferenz von Casablanca beschließen Großbritannien und die USA die „Combined Bomber Offensive“ gegen Deutschland. Die schweren strategischen Bomberverbände der United States Army Air Forces sollen tagsüber Industrieanlagen und diejenigen der RAF nachts Wohnviertel angreifen. Mit der Operation „Gomorrha“ wird die „Combined Bomber Offensive“ erstmalig angewandt.
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Foto: Boeing
Technologische Entwicklungsspirale
Titelgeschichte | Operation „Gomorrha“
Operation „Gomorrha“ – Das Leid der Zivilbevölkerung
„Es regnete Feuer...“ 24. Juli bis 3. August 1943: RAF und USAAF greifen Hamburg mehrfach mit schweren Bomberverbänden an. Die Folgen für die Stadt und ihre Menschen sind verheerend... Von Peter Cronauer
TRAGISCH: Ein bis zur Unkenntlichkeit verbrannter Mensch in einem zerstörten Gebäude in Hamburg nach einem der schweren Luftangriffe im Rahmen der Operation „Gomorrha“. Foto: Barch, Bild 183-R93452
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as Kriegstagebuch des RAF Bomber Command weist militärische Ziele als Angriffsgrund aus. Namentlich sind die Industrieanlagen von Blohm & Voss genannt. Tatsächlich richten sich die Angriffe jedoch im Sinne der „Area Bombing Directive“ sowie des „Moral Bombing“ vor allem gegen die Wohnviertel der Zivilbevölkerung. Dabei wirkt sich die Heftigkeit der Angriffe sogar negativ auf die Zusammenarbeit der Briten mit den US-Verbänden aus. Laut deren Kriegstagebuch greifen im Rahmen der „Combined Bomber Offensive“ am 25. Juli 123 schwere Boeing B-17 an, doch schon nach dem zweiten und noch schwereren Nachtangriff der RAF kommt die Zusammenarbeit wieder zum Erliegen: Die US-Flieger beklagen schlechte Sichtverhältnisse, verursacht durch Qualm und Rauch und zu heftige Luftturbulenzen über der brennenden Stadt. Die United States Army Air Forces (USAAF) ziehen sich aus Operation „Gomorrha“ zurück.
Überall Flächenbrände Mitte August, zwei Wochen nach dem letzten schweren Nachtangriff, zieht der damalige „Höhere SS- und Polizeiführer bei den Reichsstatthaltern und Oberpräsidenten in Hamburg, in Oldenburg und in Bremen, in Hannover und in Schleswig-Holstein im Wehrkreis X“, Generalmajor Reiner Liessem, folgende Schadensbilanz: „Bei allen Angriffen wurde immer wieder beobachtet, dass der Gegner bestimmte Flächen durch Leuchtbomben markierte und in wechselnder Folge Minen-, Spreng- und Brandbomben in diese Gebiete warf. Diese planvolle Angriffstaktik trat besonders in Hammerbrook und in Hamm in Erscheinung. Die Gebäude wurden durch Sprengund Minenbomben aufgerissen, stürzten auf die Straße und die folgenden Brandbomben entfachten nunmehr in den Trümmerstätten
DOKUMENT
SCHLANGE STEHEN: Ausgabe von Milchrationen an ausgebombte Hamburger auf einem Verpflegungsplatz. Foto: ullstein bild – Erich Andres
Brände, sodass diese Schadensgebiete in etwa 20 Minuten einem Flammenmeer glichen. Beim dritten Angriff entwickelte sich ein sehr starker Feuersturm, bei dem teilwei-
„In manchen Straßenzügen lagen Hunderte von Toten völlig unversehrt, zum Teil mit aufgerissener Kleidung. Man vermutet Sauerstoffmangel und durch die große Hitze
„Der HERR ließ Schwefel und Feuer regnen auf Sodom und Gomorrha und vernichtete die Städte und die ganze Gegend und alle Einwohner.“ Altes Testament, 1. Buch Mose, 19, 24.
se größte Bäume umgerissen wurden und ein Passieren der Straße unmöglich war. Bei allen Angriffen konnte die Bevölkerung infolge der zahlreichen Flächenbrände und des Feuersturmes nur unter Einsatz aller verfügbaren Kräfte aus ihren Wohngebieten geborgen werden.“ In amtlich abgehacktem Stil fährt Liessem fort:
Bericht (Auszug) eines RAF-Bombenschützen
„Es war ein Job: Knopf drücken und zurückfliegen. Und man hatte dabei nicht ständig das Gefühl, ein Monster zu sein. Ich bin sogar ein bisschen stolz auf das, was ich da vollbracht habe. Auch wenn viele Menschen darunter leiden mussten. Ich gebe aber zu, dass der Angriff auf Hamburg in mir grauenvolle Erinnerungen wachruft. Ich war mir zunächst gar nicht darüber im Klaren, was da abgelaufen war. Ich sah natürlich das Feuer unter mir. Und wie es wütete. Als ich dann zurückgekehrt war, kamen dazu noch die furchtbaren Zeitungsberichte. Ich weiß gar nicht, wo ich das her
Clausewitz 3/2013
VERZWEIFELT: Ein Mann sucht seine Frau und Tochter mit einer Nachricht auf einem Trümmerteil. Foto: ullstein bild – DRK
hatte, aber da war diese Geschichte von der Mutter und ihrer kleinen Tochter. Das Feuer war so gewaltig, dass der Teer auf der Straße schmolz. Die Mutter versuchte noch, mit der Tochter über die Straße zu kommen. Doch das kleine Mädchen stolperte und fiel mitten aufs Gesicht. Die Mutter starb bei dem Versuch, sie aus dem Teer zu ziehen. Das habe ich nie vergessen. Ich fühle mich einfach schuldig. Ich war doch der, der auf den Knopf gedrückt hatte.“ Zitiert nach: Rolf-Dieter Müller: Der Bombenkrieg 1939-1945, Berlin 2004, S. 168.
völliges Austrocknen der Kleidung und daher leicht Zündmöglichkeit.“
Schreckliche Szenen Die Folgen für die Zivilbevölkerung waren entsprechend grausam. In einem Geheimbericht des Hamburger Polizeipräsidenten Hans Julius Kehrl werden die Ereignisse wir folgt geschildert: „Nur die entkamen dem Tode, die rechtzeitig eine Flucht gewagt hatten oder sich so nahe am Rande des Feuermeeres befanden, dass eine Rettungsmöglichkeit überhaupt bestand. (…) Die Vernichtung im Ganzen ist so radikal, dass von vielen Menschen buchstäblich nichts geblieben ist. (…) Kinder wurden durch die Gewalt des Orkans von der Hand der Eltern gerissen und ins Feuer gewirbelt. Menschen, die sich gerettet glaubten, fielen in der alles vernichtenden Gewalt der Hitze um und starben in Augenblicken. Flüchtende mussten sich ihren Weg über Sterbende und Tote bahnen. (…) Von den Opfern waren insgesamt 70% erstickt, zum großen Teil durch die giftigen Kohlenoxydgase. Es waren so viele
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Titelgeschichte | Operation „Gomorrha“
ÜBERLEBT: Zivilisten inmitten einer verwüsteten Straße im Stadtteil Altona, der gleich zu Beginn der Luftangriffe schwer in Mitleidenschaft gezogen wird. Foto: ullstein bild – Erich Andres
DEUTLICH: Der Hamburger Polizeipräsident warnt die aus der Stadt geflohenen oder evakuierten Zivilisten vor einer Rückkehr in das stark zerstörte Hamburg. Foto: ullstein bild
Menschen an Vergiftung gestorben und ihre Leichen hatten sich derart strahlend blau, orange und grün gefärbt, dass man zunächst annahm, die RAF hätte bei diesem Angriff zum ersten Mal Giftgasbomben eingesetzt. (…).“ Augenzeugen berichten von Fliehenden, die im verflüssigten Asphalt stecken blieben und bei lebendigem Leib verbrannten. Zu besonders schrecklichen Szenen kam es dann, wenn Menschen von Phosphor getroffen wurden. In der Hoffnung, das Feuer zu
FAKTEN
Unvorstellbare Katastrophe Am 29. Juli 1943 notiert Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, Joseph Goebbels, in sein Tagebuch: „In der Nacht hat der bisher schwerste Luftangriff auf Hamburg stattgefunden. Die Engländer sind mit 800 bis 1.000 Bombenflugzeugen über der Stadt erschienen. Unsere Luftverteidigung erzielte nur wenige Abschüsse, so dass man hier von einer nennenswerten Einbuße des Angreifers nicht sprechen kann. Kaufmann [Karl Otto Kaufmann war NS-Gauleiter und Reichsstatthalter in Hamburg] gibt mir einen ersten Bericht über die Wirkungen des britischen Luftangriffs. Er spricht von einer Katastrophe von vorläufig unvorstellba-
Zahlenangaben zur Operation „Gomorrha“
Bei den vier Nachtangriffen auf Hamburg warfen die daran beteiligten Bomberverbände der RAF zwischen dem 24. Juli und dem 3. August 1943 insgesamt mehr als 9.000 Tonnen Bomben ab. Die von der USAAF bei ihren beiden Tagesangriffen zusätzlich abgeworfene Bombenlast ist darin nicht enthalten. Zum Vergleich: Auf dem Höhepunkt der „Luftschlacht um England“, in den Monaten September, Oktober und November 1940, warf die deutsche Luftwaffe insgesamt etwa 5.800 Tonnen Bomben auf Ziele in ganz Großbritannien ab. Zahlenangaben sind grundsätzlich mit Vorsicht zu genießen und selbst hinsichtlich
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löschen, sprangen sie in die zahlreichen Kanäle, nur um beim Auftauchen erneut in Flammen aufzugehen.
der eingesetzten Flugzeuge weichen Primärquellen wie die Kriegstagebücher von RAF und USAAF sowie deutsche Dokumente zum Teil erheblich voneinander ab. Insgesamt kann man jedoch davon ausgehen, dass die RAF im Rahmen der Operation „Gomorrha“ mehr als 3.000 Bomber einsetzte, von denen nur ein geringer Prozentsatz der deutschen Verteidigung zum Opfer fielen. Auch die genaue Anzahl der Todesopfer unter der Zivilbevölkerung ist nicht bekannt. Zeitnahe Schätzungen gingen von 30.000 bis 50.000 Toten aus, heute ist in der Geschichtsforschung zumeist von etwa 35.000 Opfern die Rede.
MAHNUNG: „Friedensgebet“ von Edith Breckwoldt vor der Ruine der Ehemaligen Hauptkirche St. Nikolai in Hamburg. Die Skulptur erinnert an den gewaltigen Feuersturm, der Hamburg im Sommer 1943 in Schutt und Asche legte. Foto: picture-alliance/dpa
ren Ausmaßen. Wir haben hier die Zerstörung einer Millionenstadt festzustellen, die bisher in der Geschichte wohl kein Beispiel findet. Es tauchen damit Probleme auf, die fast nicht zu bewältigen sind.“ Die sonst üblichen Durchhalteparolen des Propagandaministers hörten sich anders an. Tatsächlich wurde mit der Operation „Gomorrha“ innerhalb von elf Tagen das über Jahrhunderte gewachsene Stadtbild der traditionsreichen Hansestadt weitgehend ausgelöscht.
Zielsetzung verfehlt Insgesamt führte die „Combined Bomber Offensive“ gegen Hamburg nicht zum erhofften Erfolg. Weder erhob sich die Bevölkerung gegen die NS-Machthaber noch blieb die vor Ort ansässige Rüstungsindustrie dauerhaft ausgeschaltet. Die deutsche Luftverteidigung erholte sich anschließend sogar überraschend schnell von ihrer anfänglichen Überrumpelung. Zwar war das „Himmelbett“-Verfahren mit einem Schlag erledigt, nicht jedoch die deutsche Nachtjagd. Die „Wilde Sau“-Taktik wurde improvisiert, das im Herbst 1943 eingeführte „Lichtenstein SN2“ war weniger störungsanfällig, weitere technische und taktische Neuerungen wurden von deutscher Seite eingeführt. Die nächtlichen Verluste der RAF stiegen wieder an. Gleiches galt auch für die Abwehr alliierter Tagangriffe. Hamburgs Zerstörung 1943 markierte einen Wendepunkt: Von nun an besaß der Ausbau der „Reichsverteidigung“ höchste Priorität.
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Schlachten der Weltgeschichte | Operation „Husky“
Alliierte Landung auf Sizilien 1943
Sturm auf die „Festung Europa“ 10. Juli 1943: In den frühen Morgenstunden landen mehrere Tausend amerikanische und britische Soldaten auf der italienischen Mittelmeerinsel Sizilien. Die Operation „Husky“ soll das Tor zur „Festung Europa“ aufstoßen... Von Lukas Grawe
UNBEHELLIGT: Landung von US-Truppen auf Sizilien am 11. Juli 1943. Foto: Rue des Archives/Süddeutsche Zeitung Photo
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U
m den Krieg nach Westeuropa zu tragen und mit Hilfe einer zweiten Front Druck vom sowjetischen Verbündeten zu nehmen, entscheiden sich die Alliierten Anfang des Jahres 1943 für eine Invasion auf Sizilien. Für die Eroberung der Mittelmeerinsel spricht vor allem ihre Lage: Mit Sizilien als Ausgangspunkt ist eine Invasion des italienischen Festlandes möglich. Zudem erleichtert der Besitz der Insel die Kontrolle des Schiffsverkehrs im westlichen Mittelmeer. Da die geplante Invasion in Frankreich nicht vor 1944 durchführbar ist, legen sich die amerikanischen und britischen Militärs auf den italienischen Schwerpunkt fest. Italien ist seit der vernichtenden Niederlage in Nordafrika nur noch ein unsicherer Bundesgenosse des Deutschen Reichs. Mit der Eroberung Siziliens soll daher Italien aus dem Krieg an der Seite des Deutschen Reiches gedrängt werden. Hitler wäre auf diese Weise gezwungen, die italienisch besetzten Gebiete in Südfrankreich und auf dem Balkan mit eigenen Truppen zu halten. Die im Januar einsetzende Planung für die Invasion der Insel gestaltet sich aufgrund der komplizierten alliierten Kom-
mandostruktur im Mittelmeerraum als schwierig. Hinzu kommen persönliche Abneigungen zwischen amerikanischen und britischen Offizieren. In operativer Hinsicht kommt es den alliierten Landungstruppen vor allem auf die Inbesitznahme von Häfen und Landungsplätzen an, um die Versorgung der Truppen zu gewährleisten. Nicht alle Teile Siziliens liegen zudem in der Reichweite der alliierten Jagdflieger auf Malta, sodass die Eroberung von Flugplätzen eine hohe Bedeutung erlangt.
Schwache Verteidigungsanlagen Eine Landung auf Sizilien wird durch die schwachen Verteidigungsanlagen begüns-
HINTERGRUND
Die „Achse“ Berlin – Rom
Seit dem 1936 geschlossenen geheimen Freundschaftsvertrag bildet sich eine enge Zusammenarbeit zwischen dem faschistischen Italien und dem „Dritten Reich“ aus. Mit dem „Stahlpakt“ von 1939 sichern sich beide Länder im Falle eines Krieges unbedingte militärische Unterstützung zu, die auch für einen Angriffskrieg gilt. Während sich Italien noch nicht am Polenfeldzug beteiligt, tritt es am 10. Juni 1940 in den Krieg gegen Frankreich und Großbritannien ein. In der Folgezeit unterstützt Hitler Mussolinis Pläne zur Errichtung eines zweiten „Imperi-
Clausewitz 3/2013
tigt. Der deutsche Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Süd, Generalfeldmarschall Albert Kesselring, stellt wenige Tage vor Beginn der alliierten Invasion fest: „Die Verstärkung der natürlichen Abwehrkraft der Inseln durch die Anlage von Befestigungen ist nicht in ausreichendem Maße erfolgt.“ Zudem zwingt die lange Küste Siziliens den Verteidiger zu einer Dekonzentration der Kräfte. Trotz aller Argumente, die für eine alliierte Landung auf der Insel sprechen, kennen die „Achsenmächte“ die gegnerischen Landungsabsichten nicht. Mit Hilfe eines groß angelegten Täuschungsmanövers erhöhen die Alliierten die Unsicherheit bei ihrem Gegner. Die Wehrmachtführung
um Romanum“ auf dem Balkan und in Afrika. Grundlage für die deutsche Unterstützung sind jedoch überwiegend eigene Interessen. Italien beteiligt sich währenddessen an Hitlers Feldzug gegen die Sowjetunion, der jedoch von der italienischen Bevölkerung als „deutscher Krieg“ angesehen wird. Mit dem Sturz Mussolinis und der folgenden Kriegserklärung Italiens an das Deutsche Reich Ende 1943 endet die militärische Zusammenarbeit, die stets von starken Spannungen und Interessengegensätzen geprägt ist.
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Schlachten der Weltgeschichte | Operation „Husky“ rechnet mit einer Invasion auf Sardinien und in Griechenland, veranschlagt diese jedoch auf den Spätsommer. Diese Ungewissheit führt auf Seiten der „Achse“ zur Verteilung sämtlicher verfügbarer Truppen im gesamten italienischen Raum und damit zur Zersplitterung der ohnehin schon geschwächten Kräfte. Die deutschen Truppen, die nicht mehr rechtzeitig vor der Kapitulation des „Afrikakorps“ vom italienischen Festland aus nach Tunesien verlegt werden konnten, bilden ab Mai 1943 den Kern der Verteidigungstruppe in Italien. Auf Sizilien unterstützen die 15. Panzergrenadierdivision
KARTE
und die Panzerdivision „Hermann Göring“ die italienische 6. Armee unter dem Kommando von Generaloberst Alfredo Guzzoni, der direkt dem italienischen „Comando Supremo“ untersteht. Aus taktischen Gründen sind die deutschen Verbände anfangs dem italienischen Oberbefehl unterstellt.
VERNICHTET: Das Schiff eines amerikanischen Nachschubkonvois erhält durch ein deutsches Kampfflugzeug einen Volltreffer und explodiert. Foto: ullstein bild - Roger Viollet
Fehlschlag zum Auftakt Insgesamt stehen Anfang Juli rund 28.000 deutsche und etwa 200.000 italienische Soldaten auf der Insel. Letztere sind zumeist schlecht bewaffnet und nur dürftig ausgebildet. Während die Panzerdivision „Hermann Göring“ und die italienischen Divi-
Kampf um Sizilien Juli/August 1943
ÜBERBLICK: Die Position der deutsch-italienischen Verteidiger (oben) und der Verlauf der Kämpfe im Juli/August 1943 (unten).
sionen „Napoli“ und „Livorno“ im Süden der Insel stehen, sichern die 15. Panzergrenadierdivision und die Divisionen „Aosta“ und „Assieta“ den Westen Siziliens. Die deutsche „Kampfgruppe Schmalz“ deckt die Ostküste im Raum von Catania. Nachdem alliierte Streitkräfte im Juni 1943 bereits einige kleinere Inseln im Vor-
Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich
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Kriegsmüde Italiener
FAKTEN
feld Siziliens genommen haben, beginnt in der Nacht des 9. Juli die alliierte Invasion mit groß angelegten Luftlandeunternehmen bei Syrakus. Ziel ist es, wichtige Brücken und strategisch bedeutsame Berghöhen zu erobern und bis zum Eintreffen der Hauptinvasionsstreitmacht zu halten. Aufgrund eines starken Sturms verfehlen jedoch die meisten Fallschirmspringer ihre Landezonen, nur circa zehn Prozent erreichen ihre Zielbestimmung. Viele „Paras“ ertrinken im Mittelmeer, andere geraten in Gefangenschaft. Trotz des Fehlschlags gelingen einige örtliche Erfolge. Die Luftlandetruppen stiften zudem unter den Verteidigern große Verwirrung. Einige Stunden später beginnt die eigentliche Invasion der Insel. Bis zu 3.000 Schiffe und Boote landen innerhalb von wenigen Tagen eine Streitmacht von 180.000 Soldaten, 1.800 Geschützen und 600 Panzer UNTER BESCHUSS: Britische Soldaten geraten in gegnerisches Feuer. Foto: SZ Photo/Süddeutsche Zeitung Photo
Clausewitz 3/2013
Die Kriegsparteien im Überblick „Achsenmächte“
Alliierte
Ziel
Zerschlagung der alliierten Landungstruppen; Stopp des weiteren Vormarschs der Alliierten
Eröffnung einer zweiten Front in Westeuropa; Sicherung des Mittelmeerschiffsverkehrs; Ausschaltung Italiens als Verbündeter an der Seite Deutschlands
Truppenstärke
ca. 28.000 deutsche und 200.000 italienische Soldaten, Ende Juli ca. 320.000 Mann
Zu Beginn der Operation „Husky“ 180.00 Mann, am Ende 470.000 Soldaten
Verluste
Deutsche: 4.600 Gefallene, 13.500 Verwundete, 5.500 Gefangene, Italiener: 4.300 Gefallene, 32.500 Verwundete, 115.000 Gefangene
Briten: 2.700 britische Gefallene, 8.000 Verwundete, 11.500 Malariakranke, Amerikaner: 2.800 Gefallene, 6.500 Verwundete, 9.800 Malariakranke
auf Sizilien. Unterstützt werden die Truppen von 3.500 Flugzeugen. Dieser materiellen Überlegenheit haben die Verteidiger nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen. Die italienische Marine kann die Anlandung der alliierten Truppen ebenso wenig verhindern wie die Luftwaffe. Auch die geringfügige Unterstützung durch deutsche U-Boote und Flugzeuge kann an diesem Umstand nichts ändern.
Alliierte gehen an Land Um 2:45 Uhr gehen die ersten amerikanischen Soldaten der 7. Armee unter dem Befehl von Generalleutnant George S. Patton im Raum Gela-Licata an Land. Die britische
8. Armee unter General Montgomery folgt ihnen um 4:15 Uhr in einem südwestlich von Syrakus gelegenen Abschnitt. Die ersten Landungswellen treffen auf überraschte Verteidiger. Der schwache Widerstand der italienischen Küstendivisionen kann die Angreifer nicht aufhalten. Vielerorts ergeben sich die notdürftig zusammengestellten italienischen Reservetruppen kampflos den alliierten Invasoren. Britische Soldaten erobern ohne einen Schuss abzufeuern noch am selben Tag die Stadt Syrakus im Südwesten Siziliens. Energische Gegenwehr kommt vielerorts zu spät: Die weit verteilten Verbände der „Achsenmächte“ können erst eingreifen, als die
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Schlachten der Weltgeschichte | Operation „Husky“
WÄHREND DES KAMPFES: Deutsche Artillerie nimmt britische Stellungen unter Feuer. Foto: ullstein bild – TopFoto
Alliierten bereits Fuß gefasst haben. Zwar starten die Panzerdivision „Hermann Göring“ und die Division „Livorno“ starke Angriffe gegen den amerikanischen Landungsabschnitt, doch gelingt den alliierten Soldaten die Bildung von Brückenköpfen, die von See und aus der Luft unterstützt werden. In der Nacht erkennt Guzzoni, dass von den britischen Truppen die größere Bedrohung ausgeht und dass der Rückzugsort und Fährhafen Messina in Gefahr ist. Er erteilt daraufhin der Division „Hermann Göring“ den Auftrag, die amerikanische 45. Infanteriedivision in der Flanke zu packen
„It was a jolly good race. I congratulate you.“ Ein britischer Offizier zu Generalleutnant Patton anlässlich der Eroberung Messinas am 17. August 1943.
und sich anschließend mit der „Kampfgruppe Schmalz“ im Osten zu vereinigen. Auf diese Weise soll der britischen 8. Armee der Weg nach Messina versperrt werden. Die „Livorno“-Division soll sich nach Westen wenden und mit der deutschen 15. Panzergrenadierdivision vereinigen. Beide
Koordinator des Rückzugs: Hans-Valentin Hube Der 1890 in Naumburg/Saale geborene Hube ist nach dem Ersten Weltkrieg vor allem als Infanterieausbilder tätig, 1935 wird er Kommandeur der Infanterieschule Döberitz. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs kommandiert er eine Infanteriedivision, die im Rahmen des Westfeldzugs die Kanalküste erreicht. Anschließend formt er seinen Verband in eine Panzerdivision um, die als Ausbildungstruppe die verbündeten Rumänen unterstützt. Während des Russlandfeldzugs zeichnet sich Hube unter anderem als Kommandeur der 16. Panzerdivision wiederholt durch besondere militärische Leistungen aus. Im Rahmen des Angriffs auf Stalingrad kommandiert Hube das XIV. Panzerkorps. Auf Befehl Hitlers wird er am 18. Januar 1943 aus dem Kessel ausgeflogen. Anschließend nimmt der hochdekorierte General der Panzertruppe an den Kämpfen um Sizilien und auf dem italienischen Festland teil. Nach der Übernahme des Oberbefehls über die 1. Panzerarmee kehrt er an die Ostfront zurück. Im April 1944 kommt Hube bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Foto: picture-alliance/United Archives/TopFoto
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Verbände sollen anschließend den amerikanischen Brückenkopf zerschlagen. Trotz der Anstrengungen können die alliierten Landungszonen nicht durchbrochen werden. Die Schiffsgeschütze stoppen die angreifenden Truppen der „Achse“ und fügen ihnen große Verluste zu.
Verluste durch Schiffsgeschütze Am Abend desselben Tages hat die deutsche Panzerdivision ein Drittel ihrer Kampfwagen im Geschosshagel der alliierten Schiffe und Panzerabwehrgeschütze verloren. Sowohl die Division „Livorno“ als auch die Division „Hermann Göring“ müssen in ihre Ausgangspositionen zurückkehren. Die deutsche Führung sieht die Lage auf Sizilien bereits drei Tage nach Beginn der Invasion als äußerst bedrohlich an. Generalfeldmarschall Kesselring meldet am 13. Juli an das Oberkommando der Wehrmacht, dass die Masse der italienischen Verteidiger bereits jetzt vollkommen versagt habe und die Last des Kampfes fast ausschließlich auf deutschen Schultern liege. Ein Gegenangriff sei unter diesen Umständen, auch wegen fehlender Luftunterstützung, nicht mehr möglich. Kesselring ist sich sogar sicher: „Mit den jetzigen deutschen Kräften allein ist die Insel nicht zu halten.“ Die „Achsenmächte“ verfügen auch über keine strategischen Reserven mehr. Trotzdem zaudert Kesselring, die Anzahl der deutschen Truppen auf Sizilien zu erhöhen, da er es für unmöglich hält, mit dem alliierten Nachschubtempo mithalten zu können. Ein allzu schneller Verlust Siziliens soll dennoch verhindert werden.
Deutsch-italienische Spannungen
„Achsenmächte“ auf dem Rückzug Sein neues Ziel ist daher nur noch ein hinhaltender Rückzug und damit einhergehend ein großer Zeitgewinn. Dabei sollen sich die Truppen der „Achse“ langsam in Richtung Messina zurückziehen und den alliierten Vormarsch so lange wie möglich verzögern. Am 12. Juli trifft mit der 1. Fallschirmjägerdivision die erste deutsche Verstärkung aus Unteritalien ein, drei Tage später folgt die 29. Panzergrenadierdivision. Sämtliche deutschen Verbände werden unter der Bezeichnung XIV. Panzerkorps zusammengefasst und dem Befehl des Generals der Panzertruppe Hans-Valentin Hube unterANWERBUNG: Plakat zur Freiwilligenwerbung der bei den Kämpfen um Sizilien 1943 eingesetzten Division „Hermann Göring“. Foto: ullstein bild - LEONE
stellt. Der Panzerdivision „Hermann Göring“ gelingt es in der Zwischenzeit, die Lücke zur „Kampfgruppe Schmalz“ zu schließen und auf der Linie San Stefano–Catania im Nordostteil der Insel Verteidigungsstellungen zu errichten. Derweil gibt Hitler den Befehl, „unter unauffälliger Ausschaltung“ der verbündeten italienischen „Kommandostellen“ die „Gesamtführung im Brückenkopf Sizilien“ zu übernehmen. Diese Weisung stellt eine Entmachtung der italienischen Führung auf der Insel dar und sorgt für erhebliche Spannungen zwischen den Bundesgenossen. Stellenweise kommt es sogar zu bewaffneten Scharmützeln, die auf beiden Seiten Tote fordern. Der italienische Ärger kann jedoch nicht verhindern, dass der deutsche Bündnispartner die Operationsführung ganz und gar an sich reißt.
AUSGESCHALTET: Ein zerstörter US-Panzer vom Typ „Sherman“ auf Sizilien. Foto: ullstein bild
Der undiplomatische General George S. Patton Der 1885 in Kalifornien geborene Patton sammelt bereits im Kampf gegen Aufständische in Mexiko und im Ersten Weltkrieg erste militärische Erfahrungen. Als Ausbilder für Panzerfahrer avanciert er zu einem ausgewiesenen Kenner dieser neuen Waffengattung. Im Zweiten Weltkrieg erhält er zunächst ein Kommando in Nordafrika, um in Sizilien mit der Einnahme Messinas auf sich aufmerksam zu machen. Trotz militärischer Erfolge gilt Patton als unbequem, zynisch, undiplomatisch und widerspenstig. Als Befehlshaber der 3. U.S. Army erlangt er vor allem bei der Abwehr der deutschen Ardennenoffensive 1944/45 großen Ruhm. Patton stirbt kurz nach Kriegsende an den Folgen eines Autounfalls.
Foto: Rue des Archives/Süddeutsche Zeitung Photo
Kesselring fürchtet die politischen Rückwirkungen, die der Fall der Insel auf den Bündnispartner Italien haben würde.
Die Kompetenzstreitigkeiten enden offiziell am 31. Juli, indem Generaloberst Guzzoni den Befehl über alle Truppen der „Achsenmächte“ an Hube übergibt.
Montgomery verärgert Patton Auch auf Seiten der Alliierten kommt es zu Meinungsverschiedenheiten. Der Befehlshaber der britischen 8. Armee, Bernard Montgomery, will mit seinen Truppen die Insel im Alleingang erobern und sieht die amerikanische 7. Armee lediglich als Flankenschutz an. Die Amerikaner sind notgedrungen in die Rolle des Juniorpartners gedrängt worden, da die erfahrenen britischen Soldaten bereits in der Planungsphase für die Eroberung Messinas vorgesehen sind und daher mehr Nachschub erhalten. Der britische General Harold Alexander, Oberbefehlshaber der alliierten Landstreitkräfte, bringt der amerikanischen Truppe anfangs großes Misstrauen entgegen. Er schätzt ihre Leistungsfähigkeit als gering ein und will ihr keine größeren Aufgaben anvertrauen. Aus diesem Grund teilt er der britischen Armee die meisten Vormarschstraßen zu und überlässt den Amerikanern nur den bedeutungsärmeren Westteil Siziliens. Doch Montgomery mutet seinen Soldaten zu viele
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Schlachten der Weltgeschichte | Operation „Husky“
GEBALLTE KRAFT: Ein schwerer Kampfpanzer vom Typ „Tiger I“ in einer süditalienischen Ortschaft. Foto: SZ Photo/Süddeutsche Zeitung Photo
Aufträge zu und erweitert vielfach eigenwillig seinen vorher abgesteckten Kampfsektor. An eine gemeinsame Planung mit seinem amerikanischen Gegenüber Patton denkt er nicht und verärgert somit seinen Bundesgenossen. Trotz der Bevorzugung an Nachschub und Material kommen die Briten jedoch nur schleppend voran. Die „Achsenmächte“ stellen ihnen ihre besten Divisionen in den Weg, um Messina unter allen Umständen so lange wie möglich zu verteidigen. Zur Division „Hermann Göring“ und der „Kampfgruppe Schmalz“ tritt nun auch noch die 1. Fallschirmjägerdivision. Den erstklassig ausgebildeten deutschen Truppen kommt bei der Defensive zudem das Terrain zur Hilfe. Je weiter die Briten nach Norden vorstoßen, desto bergiger und unwegsamer wird das Gelände und begünstigt den Verteidiger. Patton akzeptiert vorerst die ihm zugedachte Rolle, erkennt bald aber die Möglichkeiten, die sich seiner Truppe im Westteil der Insel bieten. Die wichtige Hafenstadt Palermo im Nordwesten Siziliens bildet daher das neue Ziel der 7. Armee, der nur noch wenige italienische Einheiten gegenüber stehen. Alle anderen Verbände der „Achse“ haben bereits die neue Verteidigungsstellung am Ätna im Nordosten der Insel bezogen. Während die Briten südlich des Vulkans festliegen, beginnt Pattons 7. Armee am 21. Juli ihren Vormarsch nach Nordwesten in Richtung Palermo. Schon nach wenigen Stunden haben die Amerikaner 4.000 Gefangene zu verzeichnen, da sich die meisten Italiener kampflos erge-
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ben. Bereits zwei Tage später ist Palermo in amerikanischer Hand. Um den restlichen Westteil der Insel einzunehmen, befiehlt Patton der 82. Airborne Division den Vormarsch auf Trapani. Hier leisten die Italie-
gibt aufgrund der unerwarteten Lageentwicklung Patton die Erlaubnis zum Sturm auf Messina. Der Fall von Palermo führt derweil zum Sturz des italienischen Diktators Mussolini. Fortan wird die Evakuierung der deutschen Truppen auf Sizilien vorbereitet, um ein „zweites Tunesien“ zu verhindern. Hube will trotz allem einen geordneten Rückzug und wirft daher den amerikanischen Truppen die 29. Panzergrenadierdivision entgegen, die den Vormarsch der 7. Armee verlangsamen soll. Am 25. Juli einigen sich Amerikaner und Briten auf einen gemeinsamen Vorstoß, um die Verbände der „Achse“ in die Zange zu nehmen. In der Nacht vom 29. auf den 30. Juli beginnen die Briten daraufhin mit ihrer Offensive und drängen die Deutschen zurück. Diese lassen sich wie geplant auf eine rückwärtige Linie fallen. Patton versucht unterdessen, den amerikanischen Vormarsch durch Truppenlandungen hinter den deutschen Linien zu beschleunigen. Diese Aktion verläuft jedoch größtenteils erfolglos. Am 11. August beginnen die Deutschen mit der Evakuierung ihrer Truppen. Durch die Verteidigungserfolge gelingt es ihnen sogar, große Teile ihrer Ausrüstung zu ret-
„Mit den jetzigen deutschen Kräften allein ist die Insel nicht zu halten.“ Generalfeldmarschall Kesselring an das OKW am 13. Juli 1943.
ner Widerstand, der jedoch nach wenigen Stunden gebrochen wird. Der ganze Westteil Siziliens ist damit unter amerikanischer Kontrolle und die Eroberung Messinas das neue Ziel Pattons.
Alliierter Erfolg Die Eroberung Messinas wird in der Folgezeit zu einem Wettlauf zwischen Montgomery und Patton, bei dem es mehr um Ruhm und persönliche Eitelkeiten als um militärische Sinnhaftigkeit geht. Während Patton jedoch von Palermo aus an der Nordküste große Fortschritte erzielt, liegt Montgomery noch immer südlich des Ätna vor den starken deutschen Stellungen fest. Der zuerst skeptische General Alexander
Literaturtipp Gerhard Schreiber: Das Ende des nordafrikanischen Feldzugs und der Krieg in Italien 1943–1945, in: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 8, München 2007, S. 1100-1162.
ten. Letzte Versuche der Alliierten, den Rückzug der deutschen Verbände abzuschneiden, scheitern. Das Rennen um Messina entscheidet Patton gegen seinen Konkurrenten Montgomery für sich. Am Abend des 16. August rückt die 3. amerikanische Infanteriedivision kampflos in die geräumte Stadt ein. Nur einige Stunden später betreten auch die Briten den eroberten Fährhafen. Ein britischer Offizier begrüßt Patton mit den Worten: „It was a jolly good race. I congratulate you.“ Das „fröhliche Rennen” kostet jedoch 5.500 alliierte Soldaten das Leben, fast 15.000 werden verwundet. Zusätzlich fordert die Malaria viele Opfer. Die Alliierten erreichen somit ihre gesteckten Ziele: Zwar gelingt es nicht, die gegnerischen Verbände vollständig zu vernichten, doch ist nun das gesamte Mittelmeer unter alliierter Kontrolle und das Tor zur „Festung Europa“ weit aufgestoßen. Lukas Grawe, M.A., Jahrgang 1985, Historiker aus Münster.
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„Mit Volldampf auf den Brocken“
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Von Goethe literarisch verewigt und von den Deutschen geliebt, ist der Brocken ein wahrer Naturschatz. Seit dem 15. September 1991, also seit genau 20 Jahren, klettert nun die berühmte Brockenbahn wieder unter Volldampf auf dieses wundervolle Naturdenkmal. The Bradford Exchange feiert dieses Jubiläum mit einer stilvollen Kaminuhr, die das atemberaubende Panorama des Harzes und die Romantik der Eisenbahn in harmonische Eintracht bringt.
Die von Hand gefertigte Uhr wurde bis ins kleinste Detail gestaltet und handkoloriert
Zeitlich begrenztes Angebot: Antworten Sie bis zum 21. Mai 2013
Ja, bitte reservieren Sie für mich die Skulptur „Mit Volldampf auf den Brocken“. Bitte in Druckbuchstaben ausfüllen:
Der Brocken und die berühmte Schmalspurbahn in einer strikt limitierten Skulptur
Vorname/Name
Die aus hochwertigem Künstler-Skulpturenguss komplett von Hand gefertigte Kaminuhr „Mit Volldampf auf den Brocken“ zeigt vier handkolorierte Schmalspurbahn-Miniaturen, unter anderem auch die „Harzbulle“ genannte BR 99 7222. Die Miniatur im Vordergrund bewegt sich und dreht zu jeder vollen Stunde ihre Runden, zudem ertönen authentische Dampflokgeräusche. Die Kaminuhr erscheint exklusiv bei The Bradford Exchange. In Anlehnung an das Jubiläumsjahr ist die Auflage auf nur 2011 Exemplare limitiert und macht diese Uhr zu einer kostbaren Dekoration für Ihr Zuhause. Ein nummeriertes EchtheitsZertifikat belegt die Authentizität Ihres Exemplars. Sichern Sie sich diese eindrucksvolle Kaminuhr am besten noch heute!
Internet: www.bradford.de Nennen Sie bei Online-Bestellung bitte Ihre Reservierungs-Nr.: 72304 Telefon: 069/1729-7900 ©2013 The Bradford Exchange Ltd. • Johann-Friedrich-Böttger-Str. 1-3 • 63317 Rödermark
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Ganggenaues QuarzUhrwerk und Zifferblatt mit „Brockenbahn“-Dampflok
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Bitte einsenden an: THE BRADFORD EXCHANGE Johann-Friedrich-Böttger-Str. 1-3 • 63317 Rödermark Österreich: Senderstr. 10 • A-6960 Wolfurt • Schweiz: Jöchlerweg 2 • CH-6340 Baar
Militärtechnik im Detail
Schlagkräftiger Hybrid:
NEUE SERIE
Leichter Flugzeugträger der Independence-Klasse
U
m nach Pearl Harbor mehr Flugzeugträger in den Kampf schicken zu können, machte die New York Shipbuilding Corporation aus der Not eine Tugend, indem sie bereits im Bau befindliche leichte Kreuzer zu leichten Trägern bzw. CVLs umkonstruierte. „Hauptsache war, dass sie leicht durch den Panamakanal passten“, sagte James Devine, ein Flugdeckoffizier an Bord der PRINCETON (CVL-23) – das einzige der neun Schiffe, welches bei Kampfhandlungen versenkt wurde. Obwohl zu klein, hatten die CVLs anders als Geleitflugzeugträger die nötige Leistungsfähigkeit, um in Kampfgruppen agieren zu können. Sie dienten von Baker Island bis Japan und kamen bei Tarawa, Saipan, Kwajalein, Iwo Jima und anderen entscheidenden Einsätzen zum Zuge. Während der Schlacht um die Philippinische See stellten CVLs mehr als ein Drittel der U.S.Navy-Torpedobomber und -Jäger. So versenkten Piloten der BELLEAU WOOD (CVL-24 nebenstehend abgebildet) den japanischen Träger HIYO. Es war auch ein Pilot der BELLEAU WOOD, der eines der letzten japanischen Flugzeuge des Krieges abschoss. Im Jahr 1951 wurde das Typschiff INDEPENDENCE (CVL-22) bei einem Atombombentest geopfert. Die U.S. Navy verkaufte die verbliebenen leichten Träger anderen Marinen oder ließ sie einfach abwracken.
Beengte Kommandozentrale Die zwangsläufig verkleinerten Inseln zwängten Kommando- und Kontrollstände in sehr beengte Räume.
100.000 Pferdestärken Ölbefeuerte Kessel, die vier Turbinen von Babcock & Wilcox antrieben, verliehen den leichten Trägern eine Höchstgeschwindigkeit von bis zu 32 Knoten. Nachträglich aufgeweiteter Rumpf Um den leichten Träger im Gleichgewicht zu halten, haben die Schiffsbauer Aufweitungen hinzugefügt, die die Schiffsbreite um fünf Fuß (1, 52 Meter) vergrößerten. Dabei wurde die backbordseitige Erweiterung mit Zement als Ballast befüllt. Ein beladener CVL wog 15.800 Tonnen.
DIE KONKURRENTEN:
HMS HERMES Verdrängung: 13.700 Tonnen ● Länge: 182,88 Meter ● Geschwindigkeit: 25 Knoten ● Flugzeuge: 20 ● 1923 in Dienst gestellt. Großbritanniens erster echter Flugzeugträger ließ seine Flugzeuge auf Ceylon zurück, als er am 9. April 1942 dort auslief, nur um dann von Sturzkampfbombern der AKAGI, SORYU und der HIRYU überwältigt zu werden. Die HMS HERMES war der erste Flugzeugträger, der von anderen Trägern versenkt wurde.
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ZUIHO-Klasse Verdrängung: 11.443 Tonnen ● Länge: 205,49 Meter ● Geschwindigkeit: 28 Knoten ● Flugzeuge: 30 Bei den Einheiten dieser Klasse handelt es sich um ursprünglich als U-Boot-Versorger gedachte Schiffe; Die SHOHO wurde in der Schlacht im Korallenmeer von Flugzeugen der LEXINGTON und YORKTOWN am 7. Mai 1942 versenkt. Dagegen wurde die ZUIHO bei Kap Engano von Flugzeugen der Kampfgruppe 38 am 25. Oktober 1944 versenkt.
HIYO-Klasse Verdrängung: 23.770 Tonnen ● Länge: 219,33 Meter ● Geschwindigkeit: 25,5 Knoten ● Flugzeuge: 48-53 Aufgebaut auf Luxuslinerrümpfen, hatten die beiden Träger dieser Klasse bewegte Laufbahnen. Eine arg ramponierte JUN´YO wurde nach dem Krieg abgewrackt. Die HIYO ging am 20. Juni 1944 nach ihrem Gefecht mit der BELLEAU WOOD unter.
Die INDEPENDENCE von der Bofors-Stellung eines anderen Schiffs aus gesehen. Sie gab einer Flugzeugträgerklasse ihren Namen, die half, den Sieg im Pazifik davonzutragen.
Grumman TBM Avengers verliehen den leichten Trägern Schlagkraft und Durchsetzungsvermögen. Die Crews rollten die Flugzeuge, um Platz zu schaffen, und um sie in Startposition zu bringen.
Foto: NATIONAL ARCHIVES
Foto: NATIONAL ARCHIVES
Kürzeres und schmaleres Flugdeck Zugeschnitten auf einen Kreuzerrumpf maß das Flugdeck eines CVL in der Breite gut 33 und in der Länge knapp 183 Meter. So war es ungefähr ein Drittel kleiner als das eines „normalen“ Flugzeugträgers. Das kurze Deck machte die Herausforderung des Starts von einem sich bewegenden Schiff noch komplizierter.
Dünne Hülle, dicht gepackt Um die Geschwindigkeit zu optimieren, haben die Schiffsbauer den 5-Inch-Panzergürtel, den üblicherweise leichte Kreuzer erhielten, weggelassen. Auf einem CVL waren 1.569 Mann Besatzung „eingepfercht“.
Clausewitz 3/2013
20-Millimeter-Oerlikon-FlaKs Die Batterien der defensiven FlaK-Bewaffnung umfassten 16 20-Millimeter-Kanonen in Einzel-, Doppelund Vierfachaufstellung. Jedes Geschütz konnte einen Angreifer aus der Luft mit einem Geschosshagel von 250-350 Schuss pro Minute überziehen. Vierfach-Bofors-FlaK Die ursprünglich an Bug und Heck aufgestellten 5-Inch-FlaKs (12,7 Zentimeter) wurden durch vier wassergekühlte 40-MillimeterFlugabwehrkanonen ersetzt. Mehrere solcher Vielfachlafetten der Bofors bildeten einen dichten Luftabwehrschirm um die CVLs.
Amerikanische Luftrüstung wirft Maschine auf Maschine in den Kampf Ein leichter Träger konnte nicht weniger als 45 Flugzeuge – aufgeteilt in Jäger des Typs F4F Wildcat (später F6F Hellcat) und TBM Torpedobomber – tragen und versorgen. Die CVLs führten genug Munition und Treibstoff, um Luftoperationen monatelang unterstützen zu können.
Auf Geschwindigkeit ausgerichtet Der kreuzertypische Rumpf sorgte dafür, dass die CVLs einerseits in schwerer See unangenehme Fahrteigenschaften hatten, andererseits aber hohe Geschwindigkeiten fahren konnten.
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Militärtechnik im Detail
„Blitzkrieg“ auf hoher See:
Deutsches Schnellboot Typ S-100
D
er Versailler Vertrag beabsichtigte die militärische Produktion Deutschlands einzugrenzen. Doch genau die Restriktionen für die Deutsche Marine sollten es sein, die die Schaffung der wohl tödlichsten kleinen Überwassereinheit des Zweiten Weltkriegs beförderten.
Wasserbombenablaufschienen
Das Schnellboot oder auch S-Boot (von den Alliierten auch E-Boot genannt. Das E steht dabei für Enemy bzw. Feind), wurde von einem Rennbootentwurf abgeleitet. Es war mit seinen 35 Metern Länge und 1.000 Tonnen Verdrängung klein genug, die Beschränkungen des Versailler Vertrags zu unterlaufen.
Andererseits war es standfest genug, sich auch auf hoher See auszuzeichnen. Schnellbootbesatzungen versenkten 101 Handelsschiffe, 12 Zerstörer und beschädigten zahlreiche andere Schiffe. So erkannte John F. Kennedy nach einer Nachkriegsinspektion an, dass das Schnellboot „unserem PT-Boot weit überlegen“ war.
Zwillings-2-ZentimeterFlugabwehrkanone
4-Zentimeter-BoforsKanone (Beutewaffe)
Ersatz/Nachladetorpedos
Die abgewinkelten Ruder verursachten eine Lufttasche knapp hinter den drei Propellern (Lürsseneffekt). Das steigerte die Effizienz der Maschine und sorgte dafür, dass das Boot sich weniger aufbäumte, was mit der niedrigen Silhouette die Sichtbarkeit reduzierte.
Verdrängerrumpf Nicht so schnell wie ein flacher Rumpf in ruhigem Wasser, aber deutlich effektiver bei hohen Wellen.
DIE KONKURRENTEN:
Britisches Fairmile D 30 Knoten – Effektiv in nächtlichen Hinterhalten, konnte aber allein keinen Kampf mit einem Schnellboot bestehen.
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Italienisches MAS 45 Knoten – Schlug sich bewundernswert, dennoch weniger seetüchtig unter rauen Seebedingungen als seine deutschen Gegenstücke.
Amerikanisches Elco PT-Boot 38 Knoten – Gut geeignet für nächtliche Erkundungsmissionen und Hinterhalte, aber weniger vollkommen als die eigene Legende suggeriert.
Geschwindigkeit und Stärke erlaubten dem Schnellboot sich auch in rauer See zu behaupten und auszuzeichnen. Die 2.500-PSMaschine beschleunigte das 100-Tonnen-Boot auf bis zu 43,8 Knoten wenn seine Konstruktion aus Holz und Aluminium allein mit schierer Gewalt durch hohe Wellen pflügte. Eine 2-Zentimeter-Kanone in den Bug eingelassen verteidigte das Schiff vorne und bot dem Schützen Deckung. Die weitere Bewaffnung variierte und umfasste bisweilen auch Beutewaffen.
Gepanzerte Brücke (Kalottenbrücke) Diese wurde, beginnend mit der S-100-Klasse, eingebaut, um die Kommandozentrale zu schützen.
2-Zentimeter-Kanone.
Torpedorohr Jedes Boot führte vier 53,3-ZentimeterTorpedos mit sich. Das war gerade genug für Blitzüberfälle.
Sowjetisches Tupolev G-5 MTB 48 Knoten – Das schnellste Motortorpedoboot, sehr aktiv in der Ostsee und dem Schwarzen Meer.
Clausewitz 3/2013
Japanisches T-1MTB 38 Koten – Produziert als Antwort auf die amerikanischen PT-Boote, aber weniger seetüchtig.
CLAUSEWITZ dankt dem „World War II magazine“ sowie der Weider History Group für die Zurverfügungstellung der Grafiken. Mehr Informationen unter www.HistoryNet.com.
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Der Zeitzeuge ZERSTÖRTE EISENBAHNANLAGEN: Amerikanische Soldaten betrachten eine durch Bomben aus den Gleisen gerissenen Lok in Münster, April 1945. Foto: U.S. National Archives
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IM FEINDESLAND: Soldaten der Wehrmacht inspizieren einen liegen gebliebenen französischen Militärtransport mit einem veralteten Panzer auf einem der Waggons. Foto: Sammlung Dr. Brian Rampp
MOMENTAUFNAHME: Diesem Fotografen gelingt es, den Schatten seiner B-24 über dem Münchner Hauptbahnhof einzufangen. Foto: U.S. National Archives
SCHIENEN IN STALINGRAD: Deutsche Soldaten hinter einem schrottreifen Eisenbahnfahrzeug. Foto: Sammlung Dr. Brian Rampp
Vom „Blitzkrieg“ bis zum Untergang
Eisenbahn im Zweiten Weltkrieg 1939–1945: Während des gesamten Krieges spielt die Eisenbahn eine zentrale Rolle ̶ sie ist die Hauptschlagader des militärischen Transports und trägt die Hauptlast bei der Bereitstellung des Nachschubs an allen Fronten. Vorgestellt von Maximilian Bunk
A
ufgrund ihrer signifikanten Rolle ist die Eisenbahn stets Ziel von Angriffen und Sabotage. Als komplexes System ist sie höchst verwundbar und kann besonders Attacken aus der Luft nur wenig entgegensetzen. Gerade in diesem Zusammenhang ist es sowohl faszinierend als auch makaber zu sehen, wie die Reichsbahn bis in die letzten Tage des Krieges hinein „funktioniert“. Die Eisenbahn ist aber nicht nur Vollstrecker militärischer Bedürfnisse. Sie ist auch ein Repräsentationsmittel des Staates: Hitler z.B. reist in feudalen Sonderwagen durchs Land oder empfängt hohen Besuch
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direkt am Bahnsteig. Vor diesem Hintergrund wird die Eisenbahn zum probaten „Zeugen“ des Krieges und dokumentiert Logistik, Zerstörung, hohe Politik und menschliches Schicksal auf und neben den Schienen. Mit einer packenden Auswahl seltener Bilder (kombiniert mit kenntnisreichen Texten) zeichnen die Autoren Andreas Knipping und Brian Rampp in ihrem Buch „Eisenbahn im Zweiten Weltkrieg“ ein Panorama des Krieges ̶ exemplifiziert an der Rolle der Eisenbahn. Chronologisch voran schreitend vom Weg in den Krieg bis zum Ende des „Dritten Reiches“ öffnet es einen umfassenden Blick
auf einen besonders spannenden Abschnitt der Technikgeschichte. Es wird offensichtlich, wie sehr die Bahn in den Krieg involviert war. Dies mag zunächst banal klingen, doch das schiere Ausmaß erstaunt selbst Kenner der Materie immer wieder aufs Neue. Fazit: Die nationalsozialistische Kriegspolitik unterschätzt die Bedeutung der Eisenbahn anfangs und überfordert ihre Kapazitäten anschließend massiv. CLAUSEWITZ präsentiert auf den folgenden Seiten eine kleine Auswahl der faszinierenden Bilder aus der modernen Gesamtdarstellung „Eisenbahn im Zweiten Weltkrieg“.
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Der Zeitzeuge
ERBEUTET: Alliierten Soldaten fällt ein Transportzug mit deutschen Panzern vom Typ „Tiger“ in die Hände. Foto: U.S. National Archives
GLEISTRANSPORT: Ein leicht gepanzertes Aufklärungsfahrzeug auf einem Güterwagen irgendwo im eroberten Osten.
BOMBEN AUF DIE BAHN: Das völlig zerstörte und mit Kratern übersäte Gleisfeld des Verteilerbahnhofes Friedberg (Hessen) nach einem Fliegerangriff im Dezember 1944. Foto: U.S. National Archives Der Krieg ist längst in Deutschland angekommen.
Foto: Sammlung Dr. Brian Rampp
DIE EISENBAHN ALS KULISSE: Reichsmarschall Göring hält auf dem Bahnsteig Mönichkirchen (Niederösterreich) eine Ansprache zu Ehren Hitlers. Im Hintergrund der Sonderzug zu „Führers Geburtstag“. Foto: Sammlung Dr. Brian Rampp
OSTFRONT 1942: Deutsche Truppen auf einem Umgehungsgleis, das um eine beschädigte russische Lok angelegt ist. Foto: Sammlung Dr. Brian Rampp
FASZINIEREND UND FESSELND
ABSCHIED AM ZUG: Hitler und Mussolini beim Händeschütteln auf dem Bahnhof von Salzburg 1942 oder Foto: Sammlung Dr. Brian Rampp 1943.
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Andreas Knipping/Brian Rampp: Eisenbahn im Zweiten Weltkrieg. Vom Blitzkrieg bis zum Untergang. München 2013. Hardcover mit Schutzumschlag, 159 Seiten, mit vielen Fotoraritäten aus amerikanischen Archiven und bisher unveröffentlichten Aufnahmen.
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Schlachten der Weltgeschichte
Krimkrieg 1853-1856
Der erste „moderne“ Stellungskrieg 28. März 1854: England und Frankreich greifen militärisch in den blutigen Konflikt zwischen Russland und dem Osmanischen Reich ein. Besonders um die Festung Sewastopol entbrennt ein Stellungskrieg, wie ihn die Welt bisher nicht kannte... Von Carsten Walczok
Russland Befehlshaber: Fürst Michael Dimitrijewitsch Gortschakow (1792–1861) / Fürst Menschikow (1787–1869) Truppenstärke: 107.000 Verluste: 73.000
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icht gedrängt greifen am 5. November des Jahres 1854 rund 35.000 russische Soldaten die schwachen britischen Stellungen vor der Stadt und Festung Sewastopol auf der Halbinsel Krim an. Das Ziel der russischen Angreifer sind die Hügel am nördlichen Ende der britischen Linien. Aber der russische Angriff bleibt im mörderischen Abwehrfeuer der Verteidiger stecken. Die dicht gedrängten russischen Angriffskolonnen erleiden ungeahnte Verluste im deckenden Feuer der britischen Infanterie. Diese ist im Gegensatz zu ihren russischen Gegnern bereits mit den Gewehren mit gezogenen Läufen nach dem System Minié ausgerüstet. Der Krieg auf der Krim erlebt den ersten massenhaften Einsatz dieses neuen Systems
bei den Infanteriegewehren und beweist sofort deren Überlegenheit über die altbewährten glattläufigen Vorderlader. Doch das ist nicht die einzige Besonderheit, durch die sich dieser Konflikt in der Mitte des 19. Jahrhunderts auszeichnet. Neben eisengepanzerten Schiffen mit Dampfantrieb ist dies auch der erste Krieg, über den die Medien dank des Telegrafen direkt berichten. Sogar Zar Nikolaus soll gesagt haben, er würde keine Spione brauchen, da er ja die „Times“ lesen könne. Doch wo liegt der Anlass für diesen Konflikt? Russlands Eintreten für die Interessen der orthodoxen Christen ruft den Widerstand der anderen christlichen Konfessionen hervor. Die eigentliche Ursache für den Krieg
liegt aber im inneren Zerfall des Osmanischen Reiches, das von Spöttern gerne als der „Kranke Mann am Bosporus“ bezeichnet wird. Russland hofft, bedingt durch die Schwäche der Türken, endlich die Kontrolle über die Meerenge des Bosporus zu erreichen. Das wiederum liegt nicht im Interesse Großbritanniens, denn London will nicht zulassen, dass eine solche Schlüsselposition wie die Dardanellen unter russische Kontrolle gerät.
Der lange Weg auf die Krim Nach dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen besetzen am 3. Juli 1853 rund 80.000 russische Soldaten unter dem Befehl von Fürst Michail Gortschakow die Donau-
Alliierte FRANKREICH Befehlshaber: Armand-Jacques Achille Leroy de Saint-Arnaud (1798-1854)/ François Canrobert (1809–1895) /Aimable Pélissier (1794–1864) Truppenstärke: 100.000 Verluste: 70.000 GROßBRITANNIEN Befehlshaber: Fitzroy James Henry Somerset, Lord Raglan (1788–1855) Truppenstärke: 35.000 Verluste: 22.000 SARDINIEN-PIEMONT Befehlshaber: Alfonso La Marmora (1804–1878) Truppenstärke: 14.000 Verluste: k. A. OSMANISCHES REICH (TÜRKEI) Befehlshaber: Omar Pascha (Michael Latas) (1806–1871) Truppenstärke: 55.000 Verluste: k. A.
Clausewitz 3/2013
MARTIALISCH: Darstellung der Belagerung von Sewastopol von Franz A. Roubaud (Ausschnitt aus einem Panoramagemälde). Foto: picture-alliance/Prisma Archivo
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Schlachten der Weltgeschichte | Krimkrieg
BELAGERT: Blick auf die Befestigungsanlagen von Sewastopol. Foto: picture-alliance/akg-images
HINTERGRUND
Deutsche Legionäre für die Krim
Die britische Armee besteht nur aus wenigen und schlecht bezahlten Berufssoldaten, die zudem meist in den Kolonien eingesetzt werden. Die hohen Verluste auf der Krim verlangen aber nach schnellem Ersatz. Deshalb beschließt das Parlament, mit Frem-
fürstentümer Walachei und Moldau. Am 16. Oktober erklärt das Osmanische Reich Russland den Krieg und General Omar Pascha beginnt seine Operationen gegen die russische Armee an der Donau. Die türkischen Truppen schlagen sich – nicht zuletzt dank der deutschen Militärberater – erheblich besser als in früheren Kriegen. Am 30. November 1853 greift die russische Schwarzmeerflotte den osmanischen Hafen von Sinope an und schießt sämtliche Schiffe der Türken in Brand. Etwa 4.000 Soldaten verlieren dabei ihr Leben. Österreich hatte sich zwar für neutral erklärt, fordert aber am 3. Juni 1854 den Zaren zu dessen Überraschung auf, seine Truppen aus den Donaufürstentümern abzuziehen. Zwar bleibt Wien auch weiterhin neutral, besetzt aber die Donaufürstentümer selber. Die Alliierten landen Ende Mai 1854 ihrerseits eine britisch-französische Expeditionsarmee bei Warna im heutigen Bulgarien. Kaiser Napoleon III. entsendet 30.000 Mann und 68 Geschütze und die Briten 26.000 Mann und 60 Geschütze auf den Balkan. Auch als sich die Russen wieder hinter die Donau zurückziehen, wollen die Alliierten den Kampf fortsetzen. Napoleon braucht nämlich zur Untermauerung seiner Großmachtambitionen einen militärischen Erfolg. Den soll stattdessen eine Expedition in die Dobruschda im August 1854 liefern, doch es kommt anders. Im französischen Lager im bulgarischen Warna bricht im Juli die Cholera aus. Kurz darauf treten auch bei den Briten in Gallipo-
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denlegionären Ersatz zu beschaffen. 9.000 deutsche Legionäre werden in der „BritishGerman Legion“ zusammengefasst und ab Mai 1855 in die Türkei verschifft. Durch das baldige Kriegsende kommen die Legionäre aber nicht mehr auf der Krim zum Einsatz.
li (in der heutigen Türkei) die ersten Cholerafälle auf. Um den 20. August beklagen die Franzosen bereits 5.000 Opfer. Damit sind alle militärischen Operationen der Alliierten auf dem Balkan gescheitert. Obwohl es jetzt eigentlich keinen Grund mehr zu weiteren militärischen Operationen gibt, wollen die Alliierten ihren Krieg gegen Russland fortsetzen. Während Lord Aberdeen auf Sympathiegewinne bei der anti-russisch eingestellten Öffentlichkeit hofft, möchte Napoleon III. das 1814 schwer geschlagene Frankreich zurück zu alter Stärke führen. Ein direkter Marsch vom Balkan in das Innere Russlands ist zwar unter diesen Umständen kaum sinnvoll, aber eine begrenzte Militäroperation gegen die russische Marinebasis Sewastopol auf der Krim würde obendrein den Vorteil bringen, die russische Schwarzmeerflotte zu schwächen. Das wiederum würde die britische, die französische und auch osmanische Position im Mittelmeer und im Schwarzen Meer stärken.
Der Kampf um die Krim beginnt Am 12. September 1854 erscheint die alliierte Flotte vor der russischen Halbinsel und landet in der Bucht von Jewpatorija nördlich von Sewastopol die Truppen an.
Die Festung von Sewastopol ist von den Russen nach ihrer Übernahme der Halbinsel Krim von den Türken im Jahre 1783 angelegt worden. Den Namen Sewastopol haben die Russen aus dem Griechischen übernommen und er bedeutet „Stadt des Ruhms“. Zwischen 1833 und 1851 werden die Verteidigungsanlagen der Hafenstadt ausgebaut. Insgesamt werden acht Forts, drei auf der Nordseite der Bucht und fünf auf der Südseite, errichtet. 1854 folgen drei weitere, insgesamt verfügt die Festung über 571 Kanonen. Allerdings hat die zur See hin gut gesicherte Festung ihre Achillesferse an der AN DER SEITE FRANKREICHS UND GROßBRITANNIENS: 1855 befehligte Alfonso La Marmora das piemontesische Expeditionskorps im Krimkrieg. Foto: picture-alliance/akg-images
Landseite, denn diese ist nahezu ungeschützt. Seit dem Frühjahr 1854 wird zwar zügig an der Fertigstellung der Verteidigungswerke zur Landseite hin gearbeitet, aber bis zum September 1854 sind noch immer drei Viertel der Verteidigungslinie offen. Laut dem deutschstämmigen Ingenieur Eduard von Totleben, der eigens zum Festungsbau nach Sewastopol gesandt wurde, erwartet der Oberkommandierende Fürst Menschikow für 1854 keinen Angriff auf die Festung mehr.
Cholera wütet TRIUMPH: Gemälde zur Erstürmung des Forts Malakoff durch französische Truppen unter Patrice de Mac-Mahon am 8. September 1855, von Horace Vernet.
Die Alliierten ihrerseits stehen nach dem Anlanden mit 61.000 Mann zum Sturm auf Sewastopol bereit. Fürst Menschikow hat immerhin 50.000 Soldaten unter seinem Befehl, doch davon sind 12.000 zur Sicherung der Halbinsel Kertsch abgestellt.
Foto: picture-alliance/akg-images
Alma, Balaklawa und Inkerman Am 20. September greifen die Alliierten schließlich an. Die russischen Soldaten wehren sich entschlossen, aber die französischen Zuaven, nordafrikanische Söldner, dringen auf der linken Flanke dennoch erfolgreich vor. De Saint-Arnauds Divisionen treffen dagegen im Zentrum auf heftigen Widerstand. Doch das überlegene Feuer der mit den Minié-Gewehren ausgerüsteten Franzosen zwingt die Russen zum Rückzug. Auf dem linken Flügel greifen die Briten immer wieder an und werden dennoch zurückgeworfen. Erst als später französische Truppen die Briten unterstützen, ziehen die Russen sich geordnet zurück.
„… das ist großartig, aber kein Krieg. Das ist Wahnsinn.“
KARTE
Belagerung von Sewastopol
1854/55
General Bosquet nach der Attacke der leichten Brigade bei Balaklawa
Dieses erste Aufeinandertreffen moderner europäischer Armeen seit dem Ende der Kriege Napoleons kostet die Russen 6.300 Mann (Tote, Verwundete und Vermisste), die Briten insgesamt 2.000 Soldaten und die Franzosen 1.600 Soldaten. Die Alliierten haben aber noch ein weiteres schweres Opfer zu beklagen. Der Kommandeur der französischen Expeditionstruppen, De Saint-Arnaud, wird ein Opfer der Cholera. Darum weichen die Alliierten von dessen Plan, unverzüglich Sewastopol anzugreifen, ab und belagern stattdessen die Hafenstadt.
Das Minié-System
Anders als die Russen haben die Briten und Franzosen ihre Truppen bereits mit Gewehren mit gezogenen Läufen ausgerüstet. Der Hauptmann der Jäger, Claude Etienne Minié, hat 1849 ein System vorgeschlagen, das es ermöglicht, Gewehre mit gezogenem Lauf auszustatten, die aber dennoch genauso leicht zu laden waren wie die Waffen mit glattem Lauf. Während bei die-
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Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich
TECHNIK
sen die Kugel ein deutlich kleineres Kaliber aufweist als der Laufinnendurchmesser, ist das beim System Minié anders. Hier wird das Geschoss durch die Zündung der Pulverladung künstlich vergrößert und in die Züge des Laufes getrieben. Dies gibt dem Geschoss den notwendigen Drall (Drehung), um mit erheblich größerer Präzision auf sein Ziel zuzustreben.
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Schlachten der Weltgeschichte | Krimkrieg Diese Entscheidung rettet die Stadt vor der raschen Erstürmung. Der spätere Kommandeur der Garnison, General Dimitrij von der Osten-Sacken, schreibt später: „Hätte der Feind entschlossen gehandelt, dann hätte die ganze Armee auf der Krim für die Verteidigung von Sewastopol nicht genügt ...“ Briten wie Franzosen beschließen, zuerst ihre Positionen zu festigen und weitere Verstärkungen aus Warna und Konstantinopel abzuwarten. Die Verteidiger von Sewastopol nutzen diese Phase des alliierten Zögerns und bauen unter der Führung von Admiral Kornilow und Oberst Totleben hastig ihre Verteidigungspositionen aus. Neben den Soldaten und Seeleuten hilft praktisch die ganze russische Bevölkerung bei diesen Arbeiten.
„Angriff der leichten Brigade“ Den russischen 118 Geschützen stehen 53 französische und 73 britische gegenüber. Allerdings ist die Situation auf der Seite zur See für die Alliierten weniger günstig. Zwar wird im ersten Bombardement keines ihrer 30 Schiffe versenkt, doch das Feuer der russischen Geschütze hat zahlreiche Opfer unter den Seeleuten gefordert – 74 darunter Tote und über 400 Verwundete. Die Russen dagegen haben kaum Ausfälle zu beklagen. Es bleibt den Alliierten die Erkenntnis, dass sie mit hölzernen Schiffen gegen moderne Geschütze kaum mehr bestehen können. Am 25. Oktober 1854 versuchen die Russen, ihrerseits anzugreifen. Ziel ist der briti-
BERÜHMT: Porträtaufnahme von Leo Tolstoi, der am Krimkrieg teilnimmt. Seine dort gewonnenen Eindrücke verarbeitet der Schriftsteller wenig später in drei Erzählungen. Foto: picture-alliance/akg-images
sche Versorgungshafen Balaklawa. Die dort eingesetzten türkischen Soldaten weichen vor der russischen Übermacht von 25.000 Soldaten zurück. Dabei zögert General Liprandi, der den Angriff führt, nachdem er die Höhen besetzt hat, mit seinem weiteren Vordringen auf Balaklawa. Lord Lucans schwerer Kavalleriebrigade gelingt es, die russische Reiterei zu schlagen. Der anschließende Einsatz der leichten Kavalleriebrigade von Lord Cardigan führt zu einem Desaster. Erst zögert er, den Befehl auszuführen, da er sich weigert, seinen Schwager und Intimfeind Lord Lucan als Oberbefehlshaber der Reiterei anzuerkennen. Er folgt ihm schließlich doch auf Druck seiner Offiziere. Was nun folgt, ist seitdem als der „Angriff der leichten Brigade“ in die britische Militärgeschichte eingegangen. Von 658 Reitern kehren nur 200 zurück. General Bosquet ruft entsetzt aus: „Das ist großartig, aber kein Krieg. Das ist Wahnsinn.“ Nach dieser Attacke
„Hätte der Feind entschlossen gehandelt, dann hätte die ganze Armee auf der Krim für die Verteidigung von Sewastopol nicht genügt …“ General Dimitrij von der Osten-Sacken nach der Schlacht an der Alma
kommt es zu keinen effektiven feindlichen Aktivitäten. Die Schlacht von Balaklawa endet, ohne dass die Russen ihr Ziel erreicht haben oder die Alliierten den Abwehrerfolg nutzen können. Die Alliierten beginnen zu erkennen, dass sie sich trotz ihrer Erfolge an der Alma und bei Balaklawa auf eine lange Belagerung von Sewastopol einstellen müssen. Mittlerweile erreichen zwei weitere Divisionen, aus Bessarabien kommend, die Krim. Da Menschikow nun über insgesamt 107.000 Soldaten in und um Sewastopol verfügt und somit die numerische Überzahl gegenüber den 71.000 alliierten Soldaten besitzt, entschließt er sich zum Handeln. Die Inkerman Höhenzüge, die bis zu einer Höhe von 130 Metern ansteigen, sind das östliche Ende der alliierten Belagerungslinie und stellen einen Schwachpunkt dar. Insgesamt stehen hier 8.600 Mann – rund ein Drittel der gesamten britischen Armee. An dieser schwachen Position der Alliierten will Fürst Menschikow den Belagerungsring durchbrechen und zugleich die britischen Streitkräfte weitgehend zertrümmern. Mit einem Durchbruch auf die Sapun-Höhen und die Ebene von Cherson würde sich die militärische Lage schlagartig zu Russlands Gunsten verändern. Für diesen Plan setzt er 57.000 Soldaten ein. General Gortschakow bindet mit 22.000 Mann die Franzosen, während die Generale Soimonow und Paulow mit insgesamt 35.000 Soldaten direkt die Inkerman-Höhen angreifen. Am frühen Morgen des 5. Novem-
UNTER BESCHUSS: Bombardement der Festung Sewastopol durch die französische und englische Flotte 1854.
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Foto: picture-alliance/akg-images
Sewastopol fällt
HINTERGRUND
Cholera – die geheimnisvolle Seuche
Die Cholera ist in Europa eine „neue“ Krankheit. Ihren Ursprung hat sie in der Gangesregion in Indien. Sie erreicht während der 1820er-Jahre über Zentralasien auch Europa. Zwischen 1830 und 1837 schwappt eine erste Welle über den europäischen Kontinent. Die
Ursachen für diese massenhaft auftretende Krankheit sind auf unhygienische Lebensumstände und ganz besonders auf verseuchtes Trinkwasser zurückzuführen. Die große Choleraepidemie von London im Sommer 1854 fordert fast 12.000 Opfer.
am 7. Juni von den Franzosen gestürmt werden. Von August bis September wiederholen die Alliierten immer wieder ihre Bombardements der russischen Stellungen. Die Russen erleiden heftige Verluste, allein in den letzten drei Tagen verlieren sie 7.500 Männer. Am Mittag des 8. September stürmen drei französische und zwei britische Divisionen die Festung. Da die Gesamtsituation durch die Eroberung des Forts Malakow kaum noch haltbar ist, befiehlt General Gortschakow die Räumung der Stadt. MANN GEGEN MANN: In der Schlacht an der Alma am 20. September 1854 Treffen Alliierte und Russen auf der Foto: picture-alliance/akg-images Krim erstmals aufeinander.
ber ersteigen Soimonows Kolonnen die westliche Seite der Inkerman-Höhen und werden sofort von den Briten unter Feuer genommen. Dort muss Soimonow feststellen, dass General Paulow, anders als befohlen, noch nicht zum Angriff angetreten ist. Erst gegen 08:00 Uhr beginnen seine 16.000 Mann mit dem Aufstieg. Die Briten können sich dank ihrer überlegenen Feuerkraft gegen die russische Übermacht behaupten. Die mangelnde Koordinierung der Angriffskolonnen und der Umstand, dass General Soimonow gleich zu Beginn des Kampfes fällt, lässt den russischen Angriff ins Stocken geraten. Doch erst der Flankenangriff der französischen Fremdenlegionäre und der Zuaven bringt die Wende. Nach drei Stunden heftiger Kämpfe haben die russischen Angreifer rund ein Drittel ihrer Soldaten verloren und müssen sich zurückziehen. Die Verluste der Briten belaufen sich auf etwa 2.500 Tote und Verwundete. Die Franzosen haben knapp über 1.700 Männer verloren.
Sturm auf Sewastopol Ein schwerer Sturm, der Mitte November durch das schwarze Meer fegt, trifft besonders die Alliierten in ihrem Feldlager. Mehrere Schiffe gehen vor der Krim verloren und mit ihnen auch wichtige Güter für die Truppen an Land. Dort werden Zelte und Baracken vom Sturm zerstört und provisorische Lazarette zerschlagen. Was folgt,
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sind kalte und hungrige Wintermonate in den Gräben vor oder in den Trümmern von Sewastopol. Da der Beschuss der Verteidigungsanlagen im Oktober 1854 trotz der nie gekannten Intensität kaum Wirkung gezeigt hat, müssen die Alliierten von einem schnellen Sturm auf Sewastopol Abstand nehmen. Als Zentrum des russischen Widerstandes haben sie mittlerweile das Fort Malakow (auch: Malakoff) ausgemacht und konzentrieren nun ihr Feuer darauf. Im Mai des Jahres 1855 werden die Belagerer durch 14.000 italienische Soldaten des Königreichs Sardinien verstärkt. Zwei Expeditionen der Alliierten gegen Kertsch im Südosten führen zu keinen echten Erfolgen. General Aimable Pélissier hat inzwischen Canrobert als Oberbefehlshaber der Franzosen abgelöst. Was zu tun bleibt, ist ganz klar: Der Sturm auf die Festung und hier auf das Zentrum, Malakow. Am 6. Juni 1855 starten sie ein neues Bombardement. Ziel ist die Zerstörung der drei Festungswerke im Vorfeld Malakows, die
Literaturtipps Orlando Figes: Krimkrieg – Der letzte Kreuzzug, Berlin 2011 Wilhelm Treue: Die Entstehung der modernen Flotten, Göttingen 1954
Ostsee, Kaukasus und Fernost Neben den Kämpfen auf der Krim wird auch an anderer Stelle gekämpft. So läuft bereits im März 1854 ein Verband britischer Schiffe unter Admiral Napier in die Ostsee, um russische Häfen zu blockieren. Da sich die russische Flotte zurückhält, bleibt es bei der Beschießung russischer Häfen und Werften. Im August 1854 kommt es auch zu Kämpfen auf der sibirischen Halbinsel Kamtschatka, hier kann sich aber die schwache russische Garnison erfolgreich gegen die Alliierten behaupten. Auch die Kämpfe im Bereich des Kaukasus verlaufen für die Russen erfolgreich, so können sie Militäroperationen 1853, 1854 und 1855 siegreich abschließen. Letztlich bringt dies den Russen die Möglichkeit, trotz der Niederlage bei Sewastopol einen annehmbaren Friedensvertrag zu unterzeichnen. Am Ende zeichnet sich der alliierte Gesamterfolg dadurch aus, dass Briten und Franzosen sich dank ihrer überlegenen Wirtschaft und der damit verbundenen modernen Rüstung gegenüber Russland durchsetzen können. In St. Petersburg muss der neue Zar Alexander II. Russlands Rückständigkeit in diesem Punkt anerkennen. In der Folge führt er verschiedene Reformen, wie die Abschaffung der Leibeigenschaft, durch. Dr. Carsten Walczok, Jg. 1962, Dienst im Bundesgrenzschutz, Geschichtsstudium, Tätigkeit als Archivar. Verschiedene Publikationen zur Technik-, Kriegs- und Regionalgeschichte.
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Das historische Dokument MARTIALISCH: Brückenlegepanzer während eines Manövers des Warschauer Paktes.
Geheimes NVA-Kartenmaterial
Streng vertraulich Ende der 1980er-Jahre: Das Ministerium für Nationale Verteidigung der DDR lässt Karten von NATO-Staaten für den „Angriffsfall“ erstellen.... Von Eberhard Kliem
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beteiligt und nur wenige ihrer Generale haben offensichtlich Kenntnis vom militärischen Gesamtplan des Warschauer Paktes. Der Einsatz der NVA ist aber – im Zusammenwirken mit der Polnischen Volksarmee – ohne jeden Zweifel in Nord- und Mitteldeutschland vorgesehen. Hier ist ein Durchbruch in die Norddeutsche Tiefebene vorgesehen, der schnell bis zur deutschen und holländischen Nordseeküste vorangetragen werden soll. Begleitet werden die Angriffe durch Landungen an der Ostseeküste zwischen Lübeck und Flensburg. Die notwendigen Unterlagen in Form von Karten, Plänen, Luftaufnahmen werden sorgfältig und in bester Generalstabsarbeit vorbereitet.
Talsperren im Visier Ein eindrucksvolles Beispiel dafür stellt die „Karte der Passierbarkeit und des Pionierausbaus 1:200.000 BRD“ dar. Das 45 x 45 cm große Kartenwerk ist in deutscher und russischer Sprache verfasst. Gemäß Deckblatt ist für die Erarbeitung des Inhaltes des Spezialkartenwerkes das „Ministerium für Nationale Verteidigung, Chef Pionierwesen“ verantwortlich. Eingestuft ist das vorliegende Dokument als „Geheime Verschlusssache“ GVS – Nr. A 545 060, 85. Ausfertigung, 188 Blatt, Ausgabe 1988. Seite 2 des Dokumentes zeigt in einer farbigen Übersicht die Bundesrepublik, wobei die Darstellung nicht exakt deren
STRENG GEHEIM: Deckblatt der Karte mit wichtigen Angaben zur geographischen Beschaffenheit und zur Infrastruktur der Bundesrepublik Deutschland.
territorialen Grenzen folgt, sondern im Norden und Westen auch Teilgebiete der angrenzenden Staaten Dänemark und der Benelux-Länder darstellt. Im Osten sind darüber hinaus Gebiete der DDR bis zu 100 Kilometern Tiefe kartographiert. Dies trifft besonders auf die Norddeutsche Tiefebene und das Gebiet östlich von Kassel und Fulda zu. Das dargestellte Territorium ist in einzelne numerierte Quadrate unterteilt, um das Auffinden der Detaildarstellung auf den folgenden Seiten zu erleichtern. Die Übersichtskarte enthält laut Legende ein nicht nur aus heutiger Sicht erschreckendes Detail: Mit blauen Dreiecken sind „Talsperren mit einem Stauvolumen von 10 Millionen m3“ markiert, gefolgt von einer blauen Linie, die „Durch Flutwellen bedrohte Flussabschnitte (bei Zerstörung von Talsperren mit einem Stauvolumen von über 10 Millionen m3)“ aufzeigt. In der Übersichtskarte sind allein für das Ruhrgebiet 15 solcher Talsperren mit den entspre-
Alle Fotos: Eberhard Kliem
O
bwohl der Bundeswehr mit Übernahme der Befehlsgewalt über die NVATruppenteile nach 1990 nahezu 25.000 militärische Dokumente zugefallen sind, sind die originären Operationspläne der sowjetischen Streitkräfte und ihrer Verbündeten bis heute nicht auffindbar. Aufgrund des fehlenden Zugangs zu den Archiven des ehemaligen Warschauer Paktes müssen Erkenntnisse über die militärischen Pläne des östlichen Militärbündnisses auf indirektem Weg entwickelt werden. Dies ist möglich, da Manöver- und Übungsbefehle – auch von Großmanövern der verbündeten Streitkräfte – ausgewertet werden können. Grundsätzlich ergibt sich aus diesen Dokumenten, dass der Warschauer Pakt während des Kalten Krieges an eine ständige aggressive Bedrohung durch die Streitkräfte der NATO glaubt. Sollte diese in ihren Augen zu groß werden oder sollte sich eine günstige politische Situation ergeben, so will man die westlichen Staaten auf ihrem eigenen Territorium überraschend angreifen, in Kesselschlachten ihr Angriffspotential vernichten und in schnellen Operationen in circa 30 bis 35 Tagen bis an die Biskaya vordringen. Die NVA ist als Koalitionsarmee in jeder Beziehung in die Streitkräfte des Warschauer Paktes eingegliedert. An der Entwicklung eigener operativer Pläne hinsichtlich einer Kriegführung auf dem westlichen Kriegsschauplatz ist sie folgerichtig nicht
WICHTIGE ZIELE: Kartenblatt mit dem bedeutenden Marinestützpunkt Wilhelmshaven und den Nordseehäfen Cuxhaven und Bremerhaven.
ÜBERSICHT: In nummerierte Quadrate aufgeteilte Karte der Bundesrepublik Deutschland mit eingezeichneten Talsperren.
chenden Überflutungsgebieten dargestellt. Nach der Übersichtskarte folgen sieben Seiten mit der Erläuterung der Legende der verwendeten farbigen Symbole – wieder in Deutsch und Russisch. Insbesondere fließende Gewässer werden detailliert dargestellt hinsichtlich Breite, Tiefe, Beschaffenheit des Grundes, geeigneter Stellen zum Übersetzen und zum Anlanden von Truppen. Nahezu jede einzelne Brücke, Schleuse oder Furt ist erfasst. Darüber hinaus ist jeder Hafen kenntlich gemacht.
Detaillierte Angaben Die Beschaffenheit der Küstengebiete an Ost- und Nordsee ist hinsichtlich der Möglichkeit der Anlandung von Truppen von See her beschrieben. Nahezu sämtliche Straßen-, Eisenbahn- und sonstige Brückenanlagen einschließlich der entsprechenden Tunnelanlagen sind erfasst und werden hinsichtlich ihrer Abmessungen, Baumaterialen und Nutzung, aber auch vorbereiteter Sprengmöglichkeiten und Sprengschächte erläutert. Wichtige Industrie- und Rüstungsbetriebe sind farblich gekennzeichnet. Der Hauptteil des Dokuments besteht aus insgesamt 68 quadratischen farbi-
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gen Kartenblättern, die im Maßstab 1:200.000 die gesamte Bundesrepublik kartographisch erfassen. Auf der Rückseite jeder Karte befinden sich unter den Einzelüberschriften • Allgemeine Angaben • Klimatische Bedingungen • Straßenetz • Geländeeinschätzung • Bodenbewachsung • Gewässer • Angaben zu den wichtigsten Flüssen • Passierbarkeit des Geländes • Bedingungen zum Bau von Feldbefestigungen • Bedingungen zur Wassergewinnung und Aufbereitung weitere detailliere Angaben. Besonders die Angaben zum Straßenetz sind militärischer Natur. So wird angegeben, wie breit die sogenannten Hauptmarschstraßen sind und aus welchem Material diese gebaut sind. Davon abhängig wird dann die Vormarschmöglichkeit in Regiments- oder Bataillonskolonne erläutert. Im letzten Teil des Kartenwerkes finden sich auf insgesamt 80 Seiten „Bildwerke ausgewählter Objekte“. Jede Seite enthält
zwischen drei und vier Schwarz-weiß-Aufnahmen, die jeweils in deutscher und russischer Sprache beschrieben und einer geographischen Karte des Hauptteils zugeordnet sind. Es handelt sich bei den meisten Aufnahmen um Luftbilder von Objekten, die aus militärischer Sicht von Bedeutung sind – Autobahnkreuzungen, Brücken, Eisenbahnknotenpunkte, Industrieanlagen, Häfen und Kraftwerke. Dazu kommen Aufnahmen, die in großem Maßstab landschaftliche Gegebenheiten erkennen lassen, die für Truppenbewegungen von Bedeutung sind: Flußquerungen, Waldgebiete, Kanalgebiete etc.
Veraltetes Bildmaterial Es muss jedoch erwähnt werden, dass die große Mehrzahl der Bilder in einem Kartenwerk, das den Stand des Jahres 1988 widerspiegeln soll, in Teilen mehr als veraltet ist. So wird zum Beispiel der Hafen von Bremerhaven – im Jahr 1988 bereits einer der größten Containerhäfen Europas – an Hand eines Fotos erläutert, der noch die alte Auswandereranlage zeigt. Dieses Kartenwerk und andere nach 1990 zugänglich gewordene Manöverunterlagen machen deutlich, wo das geplante Operationsgebiet der NVA lag. Eberhard Kliem, Jg. 1941, Fregattenkapitän a.D., zuletzt tätig im NATO-Hauptquartier Brüssel. Anschließend drei Jahre Geschäftsführer des Deutschen Marinemuseums in Wilhelmshaven. Mitarbeit an verschiedenen Museumsprojekten; zahlreiche maritime Fachbeiträge.
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Militär und Technik | Marineflieger
Deutsche Marineflieger nach dem Zweiten Weltkrieg
„Fliegen, wo die
NEUES MODELL: Ab 1975 werden die Sikorski H-34 (hinten) durch Westland „Sea King“-Hubschrauber abgelöst. Foto: Bibliothek für Zeitgeschichte
Ende der 1950er-Jahre: Die Bundeswehr beginnt mit der Einführung von Marinefliegergruppen. Wenige Jahre später wird in der DDR eine erste Marinehubschrauberstaffel zur Unterstützung der Seestreitkräfte in Dienst gestellt... Von Werner Fischbach
D
ie Anfänge der bundesdeutschen Marineflieger reichen in das Jahr 1949 zurück. Vier Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ruft die US-Marine das „Naval Historical Team“ zusammen, das unter die Zuständigkeit der „Naval Intelligence“ fällt. Dabei geht es den Amerikanern in erster Linie um die Erfahrungen, die die deutsche Kriegsmarine im letzten Weltkrieg insbesondere in Nord- und Ostsee, sowie in Norwegen und dem Atlantik gesammelt hat. Das Team umfasst fünf fest angestellte hohe Marineoffiziere und tritt unter der Leitung von Generaladmiral a. D. Otto Schniewind am 9. April 1949 in Bremerhaven zum ersten Mal zusammen. Es gilt als Keimzelle der späteren Bundesmarine. Mit von der Partie ist auch der ehemalige Oberst i.G. Walter Gaul, der als Marine-
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offizier 1934 zur Luftwaffe wechselte und während des Krieges – unterbrochen von Seeaufklärereinsätzen – im Stab der Seekriegsleitung tätig war.
Anfänge der Bw-Marineflieger
VIELSEITIG EINSETZBAR: Ein Hubschrauber vom Typ Mil Mi-4 beim Bergungsdienst. Foto: BArch, Bild 183-C0229-0001-002, Fotograf: Karnitzki
Marineflieger sind also schon beim „Naval Historical Team“ ein Thema. Wesentlich konkreter wird die Angelegenheit in der Himmeroder Denkschrift, die im Oktober 1950 vor dem Hintergrund der konventionellen Überlegenheit sowjetischer Streitkräfte und des am 25. Juni desselben Jahres ausgebrochenen Koreakriegs hinter den Mauern des Klosters Himmerod erstellt wird. Thema ist der militärische Beitrag der Bundesrepublik an der Seite ihrer westlichen Partner, wobei auch auf die Rolle zukünftiger Marinefliegerverbände eingegangen wird.
RESPEKTEINFLÖßEND: Bewaffneter Mi-8T-Hubschrauber beim Einsatz über der Ostsee. Foto: Bibliothek für Zeitgeschichte
Flotte fährt“ Angesichts der aus Sicht der Marine negativen Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg werden eigene Marinefliegerkräfte als notwendig angesehen. Die entsprechende Empfehlung geht auf den ehemaligen Oberst und späteren Kapitän zur See und ersten Kommandeur der bundesdeutschen Marineflieger, Walter Gaul, zurück. Vorgeschlagen werden 84 Jagd-, 30 Aufklärungssowie 30, später sogar 60 Kampf- bzw. UJagdflugzeuge. Allerdings ist diese Forderung nicht einfach umzusetzen. Da die Marine Bestandteil der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) werden soll, leisten Frankreich und Großbritannien heftigen Widerstand gegen eigenständige deutsche Marinefliegerverbände. Nur durch die Intervention der USA werden der bundesdeutschen Marine im Mai 1952 30 Hubschrauber und 24 Aufklärer zugestanden. Als der EVG-Vertrag schließlich am Widerstand Frankreichs scheitert, werden der Marine bei den Verhandlungen über einen NATO-Beitritt der Bundesrepublik Deutschland infolge einer massiven Unterstützung durch die USA neben 58 Flugzeugen (24 Aufklärer, 24 Angriffs- und zehn U-Jagdflugzeuge) eine unbestimmte Anzahl von Hubschraubern zugestanden. Dazu kommt noch eine Reserve von 30 Prozent. Mit dem Aufstellungsbefehl Nr. 41 vom 26. Juni 1956 bildet Kpt.z.S. Gaul das Kommando der Marineflieger und bezieht mit
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sechs weiteren Soldaten eine Baracke in Kiel-Holtenau. Im April 1957 wird die I. Marinefliegergruppe in Dienst gestellt. Am 1. Januar folgt die Seenotstaffel und am 1. April 1958 die II. Marinefliegergruppe. Als einmaliger Vorgang in der deutschen Militärgeschichte kann die Indienststellung der Mehrzweckstaffel am 19. Mai 1958 im schottischen Lossiemouth bezeichnet werden. Einen Tag darauf wird dort die U-Jagd-Staffel in Dienst gestellt.
Luftfahrzeuge der Geschwader „Fliegen, wo die Flotte fährt“, lautet das Motto der Marineflieger. Und das beschreibt ihre Aufgabe genau. Sie sind, der direkten Kommandogewalt der Marine unterstellt, ein Seekriegsmittel und dienen dazu, Seekrieg aus der Luft und eben nicht, Luftkrieg über der See zu führen.
Die Aufgabe der Angriffs- bzw. Kampfflugzeuge (Marinejagdbomber) liegt im Schutz der Ostsee und ihrer Zugänge, um im Fall eines Angriffs des Warschauer Pakts den sowjetischen Streitkräften und ihren Verbündeten den Zugriff auf diese Seegebiete zu verwehren und eine Landung auf bundesdeutschem Territorium zu verhindern. Die beiden dafür in Jagel bzw. ab März 1965 in Eggebek in Schleswig-Holstein beheimateten, zunächst als Marinefliegergruppen aufgestellten Marinefliegergeschwader 1 und 2 (MFG 1 und 2) werden, da die USA nicht bereit sind, moderne Kampfflugzeuge wie die Grumman F9F-8P „Cougar“ an Deutschland zu liefern, zunächst mit Armstrong Whitworth „Seahawk“ ausgerüstet. Dabei handelt es sich hierbei um ein für die Royal Navy entwickeltes und dort eingesetztes robustes
IN BEGLEITUNG: Nach ihrer letzten Landung wird die „Atlantic“ der SIGINT-Version von zwei Foto: PIZ Marine „Sea Lynx“ eskortiert.
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Militär und Technik | Marineflieger
BILD AUS VERGANGENEN TAGEN: „Tornados“ der Bundesmarine auf ihrer Basis in Eggebek. Foto: picture-alliance/YPS collection
LANGE IM EINSATZ: Das MFG 5 verwendet Do 28-D2 „Skyservant“ für Verbindungs- und Transportflüge. Foto: Bibliothek für Zeitgeschichte
ÜBERFLIEGER: Mit dem „Tornado“ (rechts) erhalten die Marineflieger endlich ihr „Wunschflugzeug“. Foto: PIZ Marine
Flugzeugmuster, das – wie die späteren Nachfolgemodelle – auch als Aufklärer eingesetzt werden kann. Insgesamt werden 68 Maschinen beschafft, 34 Jagdbomber und 34 Aufklärer. Die Grundausbildung der Piloten erfolgt bei der U.S. Navy; die nachfolgende Mustereinweisung wird bei der Royal Navy durchgeführt.
Obwohl es zunächst Probleme mit der Ersatzteilbeschaffung gibt – zu Beginn sind im Jahresdurchschnitt nur 20% der Maschinen einsatzbereit – und eine Absturzserie die „fliegende Rakete“ in die sogenannte Starfighter-Krise führt, können die Marineflieger mit der F-104 ihre Aufgabe wesentlich besser erfüllen als mit der „Seahawk“. Zudem kann Ende der 1970er-Jahre die Kampfkraft mit der Einführung des LuftSchiff-Flugkörpers Kormoran I deutlich erhöht werden. Im Jahr 1982 erhalten die Marineflieger mit dem PA-200 „Tornado“ endlich ihr Wunschflugzeug. Denn der „Tornado“ ist von vorneherein als Jagdbomber konstruiert. Und die Maschine ist zweisitzig und zweistrahlig. Das MFG 1 ist der erste Verband der Bundeswehr, der mit dem neuen Kampfflugzeug ausgerüstet wird. Beide Geschwader setzen den „Tornado“ bis zu ihrer Außerdienststellung ein. Neben dem Schutz der westlichen Ostsee und ihrer Zugänge
gehört auch der Schutz bzw. die Überwachung der Seeverbindungen zu den Aufgaben der Marineflieger. Deshalb wird eine U-Boot-Jagdstaffel eingerichtet, die zunächst mit Fairey AS4/T15 „Gannet“ ausgerüstet wird. Nach der Indienststellung in Schottland verlegt die Staffel zum MFG 2 nach Jagel. Das Geschwader verlegt im April 1963 nach Nordholz und Ende desselben Jahres nach Eggebek, wobei die UJagd-Staffel in Nordholz verbleibt. Sie bildet die Keimzelle für das 1964 aufgestellte MFG 3 und übernimmt zum Jahreswechsel 1964/65 auf dem ehemaligen Luftschiffhafen die Verantwortung vom MFG 2.
Einführung neuer Jets Die Ablösung des britischen Jets wird bereits am 10. September 1963 eingeläutet, als die erste F-104G „Starfighter“ auf dem Fliegerhorst Jagel landet. Dabei wollen die Marineflieger den „Starfighter“ eigentlich gar nicht haben. Sie wünschen sich die NA 39 „Bucaneer“ vom britischen Hersteller Hawker Siddeley. Denn dabei handelt es sich im Gegensatz zur F-104G um ein zweistrahliges und zweisitziges Flugzeug. Diese Tatsache bietet für Einsätze über See deutliche Vorteile. Doch die Bundesmarine muss, wenn auch zähneknirschend, der Beschaffung des „Starfighters“ zustimmen. IM ANFLUG: Die Volksmarine setzte ihre Hubschrauber auch zum Personentransport ein – hier zu einem Küstenschutzschiff. Foto: BArch, Bild 183-H1004-0001035, Fotograf: Jürgen Sindermann
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Vielseitige Aufgaben Bundespräsident Heinrich Lübke verleiht dem Geschwader am 9. Juli 1967 den Traditionsnamen „Graf Zeppelin“. Mit der Landung der ersten von insgesamt 20 Breguet BR1150 „Atlantic“ am 26. Januar 1966 wird die Ablösung der „Gannet“ eingeläutet; das Flugzeugmuster wird am 30. Juni 1966 außer Dienst gestellt. Fünf „Atlantics“ erhal-
Wunschflugzeug „Tornado“ ten in den USA ab 1969 unter der Bezeichnung „Peace Peek“ eine Spezialausrüstung zur elektronischen Aufklärung (SIGINT) und leisten für die NATO damit einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung. Zur U-Bootjagd werden jedoch auch Hubschrauber eingesetzt. Diese Aufgaben sollen zunächst von Sikorsky H-34 des MFG 4 wahrgenommen werden, die zusätzlich auch für Minensuch- und Minenräumaufgaben vorgesehen sind. Knappe Haushaltsmittel und die Erkenntnis, dass die beschränkte Reichweite der H-34 einen effektiven U-Jagdeinsatz nicht zulässt, zwingen zur Einstellung dieser Pläne. Heute werden Hubschrauber des Typs Westland „Sea Lynx“ zur U-Boot-Jagd verwendet, die dem MFG 3 angehören und als Bordhubschrauber auf den Fregatten eingesetzt werden. Seit Beginn der 1980er-Jahre werden die Seefernaufklärer und in geringerem Maße auch die Hubschrauber der Marine in verschiedenen Einsätzen auch außerhalb des NATO-Gebiets eingesetzt. So zum Beispiel im Jugoslawienkonflikt oder am Horn von Afrika. Für Transport- und Verbindungsflüge sowie für Search-and-Rescue (SAR)-Aufgaben wird bereits am 1. Januar 1958 in KielHoltenau die Seenotstaffel in Dienst gestellt, die später zum Marinedienst- und Seenotgeschwader aufgewertet wird und schließlich in MFG 5 umbenannt wird. Die Erstausstattung besteht aus sechs Verbindungsflugzeugen vom Typ Hunting Percival P.66 „Pembroke“ und vier SAR-Hubschraubern vom Typ Bristol B 171 „Syca-
VORFALL
AUS BESONDEREM BLICKWINKEL: Hubschrauber vom Typ Mil Mi-8 und Mil Mi-14 der Volksmarine während eines Manövers in den 1970er-Jahren. Foto: ullstein bild – ddrbildarchivde/Willmann
more“. Allerdings erweist sich dieser Hubschrauber aufgrund seiner geringen Reichweite und Tragfähigkeit für SAR-Aufgaben als wenig geeignet, so dass 1959 zusätzlich fünf Grumman HU-16D „Albatros“-Amphibienflugzeuge beschafft werden. Als weitere Verbindungsflugzeuge werden
Der Flug des Hauptgefreiten Metzger
Bis gegen 9:00 Uhr des 5. Dezember 1963 ist eigentlich nicht besonders viel los auf dem Marinefliegerhorst Jagel. Doch das ändert sich schnell, als eine Seahawk ohne Flugauftrag und ohne Freigabe des Towers auf die Piste rollt und startet. Der erste Verdacht, ein russischer Agent hätte sich des Flugzeugs bemächtigt und wolle es gen Osten entführen, wird schnell entkräftet. Denn im Cockpit sitzt der Hauptgefreite Metzger, der als Flugzeugwart im Geschwader arbeitet. In seiner Freizeit ist er als Segelflieger tätig, befindet sich in der Ausbildung zum Privatpiloten und will sich nun wohl den lang ersehnten Wunsch erfüllen, endlich ein „richtiges“ Flugzeug zu fliegen. Am Vortag hat er sich das Flughandbuch einer Seahawk ausgeliehen und für sein Vorhaben in der Nacht ordentlich gebüffelt. Schnell wird eine Rotte startklar gemacht, die den Ausreißer bald einholt. Das Problem ist jedoch, den Hauptgefreiten mit seinem „geliehenen“ Marinejagdbomber
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wieder sicher auf den Boden zu bringen. Das muss einigermaßen schnell gehen, denn die Maschine hat lediglich für 45 Minuten Treibstoff in den Tanks. Drei Versuche benötigt Metzger, um die Seahawk auf den Boden zu bringen. Beim ersten Anflug ist er für eine Landung viel zu schnell, der zweite endet in einem „Touch-and-Go“ (Aufsetzen und Durchstarten). Beim dritten Versuch gelingt ihm eine einigermaßen saubere Landung. Beim Geschwader ist man erleichtert – die Maschine hat noch Sprit für fünf Minuten an Bord. Die ersten, die Metzger zu seinem ersten Flug mit einem Marinejagdbomber gratulieren, sind die Piloten der verfolgenden Rotte. Die Maschine dient danach für viele Jahre als „Gate Guard“ an der Hauptwache des Fliegerhorstes und wird erst nach der Außerdienststellung des MFG 1 entfernt. Über das weitere Schicksal des Hauptgefreiten Metzger, der disziplinarisch bestraft und aus der Marine entlassen wird, ist nichts bekannt.
Do 27 und Piaggio P.149D verwendet. Als Nachfolger für den nicht gerade leistungsstarken „Sycamore“-Hubschrauber werden ab 1963 Modelle der Typen Sikorski H-34G und ab 1975 Westland „Sea King“ Mk.41 eingesetzt. Nach der Einrüstung mit dem britischen „Sea Skua“-Raketensystem können die „Sea King“ zusätzliche Aufgaben wahrnehmen. Ab 1972 werden die Transport- und Verbindungsflugzeuge durch Do 28-D2 „Skyservant“ ersetzt, die bis 1995 betrieben werden.
Marineflieger der Volksmarine Obwohl die Volksmarine der DDR der ersten strategischen Staffel des Warschauer Paktes angehört, scheinen ihre Wünsche nach eigenen Luftstreitkräften zunächst auf taube Ohren zu stoßen. Grund hierfür mögen unzureichende finanzielle Mittel, die personelle Begrenzung zugunsten des Heeres und der Luftwaffe sowie die Tatsache, dass die Volksmarine von der Sowjetunion lediglich als Hilfsverband der Baltischen Flotte angesehen wird, sein. Dabei hat die Führung der Seestreitkräfte (SSK) zunächst lediglich Hubschrauber für die U-Boot-Abwehr vorgesehen. Für den Zeitraum von 1956 bis 1960 sollen zwei Regimenter der Jagdluftwaffe und ein Regiment von Aufklärungsflugzeugen bei der
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Militär und Technik | Marineflieger Luftwaffe geschaffen werden, die jedoch den Seestreitkräften operationell unterstellt werden sollen. Für die Zeit nach 1960 werden eigene Seeluftstreitkräfte gefordert, die eine Staffel düsengetriebene Aufklärungsflugzeuge, eine Staffel propellergetriebene Aufklärungsflugzeuge und eine Hubschrauberstaffel zur U-Boot-Jagd sowie für den Seenotrettungsdienst umfassen sollen. Doch es dauert bis zum Dezember 1962 bis eine Hubschrauberkette mit einer Personalstärke von 123 Mann genehmigt wird.
Marinehubschraubergeschwader Bereits drei Jahre zuvor, im Juli 1959, nahmen Hubschrauber des Hubschraubergeschwaders 34 an einer Marineübung teil. Sie werden dabei zum Kommando der Seestreitkräfte nach Rostock-Gehlsdorf verlegt. Allerdings vergeht danach noch viel Zeit ehe am 1. Mai 1963 eine mit vier Mi-4-Hubschraubern ausgerüstete Staffel in Dienst gestellt wird. Dies wird als offizieller Gründungstag der Marineflieger der DDR angesehen. Wichtigste Aufgabe dieser als 18. Hubschrauberstaffel bezeichneten Einheit ist die U-Bootjagd und der Lufttransport. Nach dem Vorschlag des Chefs der Seestreitkräfte, die Staffel mit neuen W-14 (Mil Mi-14)-Hubschraubern zu verstärken, beginnt ab August 1974 die Ablösung der Mi-4-Hubschrauber durch Transporthubschrauber vom Typ Mi-8T. Dagegen verzögert sich die Beschaffung von moderneren U-Jagd-Hubschraubern, was vom sowjetischen Marschall Kulikow kritisiert wird. Daraufhin erklärt sich die
INFO
Technische Daten Typ Besatzung
Triebwerk Startleistung je Triebwerk Maximale Geschwindigkeit Marschgeschwindigkeit Dienstgipfelhöhe Reichweite Leergewicht Max. Startmasse Rotorblätter (Haupt/Heck) Rotordurchmesser (Haupt/Heck) Rotorkreisfläche Länge Höhe Bewaffnung
60
Mil Mi-14 2 Piloten, Operator, Mechaniker
Westland Sea King Mk41 2 Piloten, 1 Operationsoffizier, 1 Mechaniker + 19 Passagiere 2 x Klimov TW3-117MT 2 x Rolls-Royce bzw. TV3-117MT Gnome H 1400-1 1.435 kW/1.924 PS 1.238 kW/1.660 PS 124 kn/230 km/h 113 kn/209 km/h 89 – 113 kt/165 – 210 km/h k.A. 13.123 ft/4.000 m 10.000 ft/3.048 m 432 NM/800 km 664 NM/1.230 km 8.900 kg 6.207 kg 14.000 kg 9.525 kg 5/3 5/5 21,29 m/3,91 m 18,90 m/3,23 m 356,0 m2 280,6 m2 25,32 m 22,15 m 6,93 m 4,72 m Wasserbomben, Torpedos, Sea Skua, Flare-Anlage M-130: Sonarbojen Keine Bewaffnung bei SAR-Einsatz
VORFÜHRUNG: Hubschrauber Mil Mi-14 des Marinehubschraubergeschwaders 18 beim Absetzen von Kampfschwimmern im Rahmen einer Flottenparade im Jahr 1979 anlässlich des 30. Jahrestages der Gründung der DDR. Foto: BArch, Bild 183-U1007-050, Fotograf: Jürgen Sindermann
Sowjetunion bereit, der Nationalen Volksarmee im Zeitraum von 1981 bis 1985 modernstes Kriegsgerät in erheblichem Umfang zu übergeben. Als Folge davon landen bereits im Oktober 1979 die ersten drei UJagd-Hubschrauber vom Typ Mi-14PL auf dem Fliegerhorst von Parow bei Stralsund; sechs weitere folgen in den nächsten Jahren. Obwohl von der Volksmarine mit Skepsis betrachtet, werden auch Minenabwehrhubschrauber vom Typ Mi-14BT geliefert, so dass die Einheit, die seit dem Dezember 1981 als Hubschraubergeschwader 18 bezeichnet wird, 1985 aus zwölf Kampf-, neun U-Jagdund sechs Minenräumhubschraubern besteht. Ende 1990 verfügt das Geschwader
Schmerzhafte Auflösungen
VERPFLICHTUNG: Seit Juli 1967 trägt das MFG 3 den Traditionsnamen „Graf Zeppelin“, was diese Maschine auf dem Foto: PIZ Marine Seitenleitwerk zeigt.
über eine Staffel von zwölf Mi-8TB/T, eine U-Jagdstaffel mit acht Mi-14PL und eine Minenräumstaffel mit sechs Mi-14BT. Zusätzlich wird noch im März 1990 eine SAR-Staffel mit sechs Hubschraubern vom Typ Mi-14BT und zwei Mi-8BT gebildet.
Geplante Erweiterung Neben den Hubschraubern stehen auch Marinejagdbomber und die Einrichtung eines entsprechenden Geschwaders auf der Wunschliste der Führung der Volksmarine. Dies wird von der Sowjetunion unterstützt, wobei führende Militärs die Beschaffung von Su-7B-Jagdbombern empfehlen. Allerdings wird dieses Luftfahrzeugmuster abgelehnt, da die NVA einheitliche Jagdbombertypen sowohl für Luftwaffe (LSK/ LV) als auch für die Marine beschaffen möchte. Die Flugzeuge sollen im in RostockLaage stationierten Marinefliegergeschwader 28 zusammengefasst und mit Jagdbombern vom Typ MiG-23BN und Aufklärern vom Typ Su-22M ausgerüstet werden. Die Führung der NVA entscheidet sich jedoch, der Marine lediglich die Su-22 zuzuteilen. Allerdings soll das Marinefliegergeschwader 28 zunächst bei den Luftstreitkräften verbleiben. Dass das Geschwader am 1. März 1988 dennoch der Marine unter-
stellt wird, liegt wohl an den KSZE-Verhandlungen. Dort werden die Waffensysteme der Luftwaffe separat von jenen der Marine gezählt; mit der Unterstellung des MFG 28 an die Marine kann die NVA die beiden Staffeln mit insgesamt 24 Su-22 auf elegante Weise aus den Beständen ihrer Luftstreitkräfte „verschwinden“ lassen. Weitere Planungen der DDR-Marineflieger (Bildung einer Su-22 -Aufklärungsstaffel sowie einer Transporthubschrauberstaffel) können nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten am 3. Oktober 1990 nicht mehr realisiert werden. Ein Teil der Hubschrauber wird von der Bundesmarine bis September 1994 bei der MarineHubschraubergruppe Parow eingesetzt.
Nach der Wiedervereinigung Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion entfällt die Bedrohung durch die Baltische Flotte, so dass die wichtigste Aufgabe der beiden Jagdbombergeschwader gewissermaßen über Nacht entfallen ist. Die Zahl der Jagdbomber muss reduziert werden, so dass das MFG 1 mit seinen Flugzeugen und Liegenschaften sukzessive an die Luftwaffe übergeben und das Geschwader am 31. De-
PRAKTISCH: Für den Einsatz auf Flugzeugträgern können die Tragflächen der „Seahawk“ geklappt werden – Startvorbereitungen auf dem Fliegerhorst in Jagel. Foto: PIZ Marine
Clausewitz 3/2013
AUSGEDIENT: Ein Teil der Volksmarine-Hubschrauber wird noch bis 1994 bei der Hubschraubergruppe Parow eingesetzt. Foto: Bibliothek für Zeitgeschichte
MIT BREMSFALLSCHIRM: Eine Rotte von Suchoi Su-22 bei der Landung auf dem Militärstützpunkt in Rostock-Laage im Jahr 1981. Foto: ullstein bild – EUROLUFTBILD.DE
zember 1993 aufgelöst wird. Zehn Tornadoflugzeuge gehen an das MFG 2. Im Januar 2005 wird auch dieses Geschwader aufgelöst. Ein schmerzhafter Einschnitt, denn damit verliert die Marine zumindest teilweise die Fähigkeit, „Seekrieg aus der Luft“ in eigener Regie durchzuführen und muss sie diese an die Luftwaffe abgeben. Und dies sollte eigentlich durch die Schaffung eigener Seefliegerverbände vermieden werden. 1995 stellt das MFG 5 die mit Do-28D ausgerüstete Staffel 1994 außer Dienst, wodurch die Marine ihre Lufttransportkapazität einbüßt. Die Hubschraubergruppe in Parow wird im selben Jahr aufgelöst. Die verbliebenen 21 „Sea King“-Hubschrauber werden 2012 im Rahmen der Strukturreformen von ihrem Standort Kiel-Holtenau nach Nordholz verlegt. Damit wird der ehemalige Luftschiffhafen bei Cuxhaven nicht nur Heimat für die beiden verbleibenden Marinefliegergeschwader 3 und 5, sondern ist fortan der einzige Standort der Marineflieger und gleichzeitig der größte Fliegerhorst der Bundeswehr insgesamt. Werner Fischbach, Jg. 1945, acht Jahre Dienst in der Bundesmarine; danach Ausbildung und Einsatz als ziviler Fluglotse, seit den 1980er-Jahren freier Luftfahrtjournalist.
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Militär und Technik | FlaK 8,8 cm
Gefürchtete Allzweckwaffe
Die „Acht-Acht“ 1941–1943: „Anti-Aircraft, Anti-Tank and Anti-Social!“ Mit grimmiger Anerkennung zollen die Engländer in Nordafrika ihrem vielleicht gefährlichsten Gegner Respekt. Was hat es mit der erfolgreichen deutschen 8,8 cm FlaK auf sich? Von Thomas Anderson
D
er Erste Weltkrieg stellt eine Zäsur in der Weltgeschichte dar. Was bereits während des US-Bürgerkrieges und im Krieg von 1870/71 im Ansatz erkennbar war, beeinflusst den neuen Konflikt gewaltig: Die industrielle Leistungsfähigkeit der Kriegsteilnehmer bestimmt Art, Dauer und Ausgang dieses Konfliktes. Die rasante Entwicklung der Rüstungstechnik im Ersten Weltkrieg bringt viele technische Neuerungen auf das Schlachtfeld, darunter moderne Entwicklungen wie gepanzerte Kampffahrzeuge und Flugzeuge. Luftgestützte Angriffe werden früh als potentielle Bedrohung angesehen. Schon 40 Jahre vor dem Weltkrieg werden erste Geschütze zur Abwehr französischer Ballons entwickelt. Daraus entstehen noch vor 1910 brauchbare Fliegerabwehrgeschütze vom Kaliber 7,5 cm. 1916 entwickelt Krupp ein Flugabwehrgeschütz vom Kaliber 8,8 cm, welches als Urahn der späteren 8,8 cm Flak L/56 gelten darf (Das Kürzel L/56
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beschreibt die Kaliberlänge des Geschützes und umfasst sowohl die 8,8 cm FlaK 18, 36 und 37).
Verborgene Entwicklung Nach dem Ersten Weltkrieg ergeben sich aus dem Versailler Vertrag für das deutsche Heer starke Einschränkungen bezüglich der Entwicklung und Einführung moderner Waffen. Die harten Bedingungen dieses
Vertragswerkes werden von deutscher Seite jedoch unterlaufen, die Entwicklung moderner Waffen läuft im Geheimen weiter. Zum Ende der 1920er-Jahre ergibt sich in Deutschland wieder die Notwendigkeit einer Fliegerabwehrwaffe, um der steigenden Gefährdung aus der Luft Rechnung zu tragen. Die Hauptforderung an das zu entwickelnde Geschütz ist die Bekämpfung feindlicher Aufklärungs- und Bomberflugzeuge auf mittleren und großen Flughöhen (500 bis 6.000 m). Die Entscheidung für das Kaliber 8,8 cm der Flak ist praktischen Gesichtspunkten geschuldet. Firmen wie Krupp haben daERFOLGREICHE KOMBINATION: Eine 8,8 cm FlaK L/56 auf einem gepanzerten s ZgKw 12 t (SdKfz. 8). Schnell und auch im Gelände beweglich, können die wertvollen Waffen an Brennpunkten eingesetzt werden. Foto: Sammlung Anderson
EINDRUCKSVOLLES SCHAUSPIEL: Eine 8,8 cm FlaK L/56 auf einem der riesigen Faun-Lastwagen beim Feuern in der Nacht. Die Feuerleitung obliegt einem Kommandogerät (ebenfalls auf Lkw verlastet). Foto: Sammlung Anderson
INFO
Vergleich schwerer Flakgeschütze
Waffe Herkunft Kaliber Kaliberlänge Gewicht Anfangsgeschwindigkeit (Vo) Max. Schussweite Effektive Reichweite/max. Schusshöhe
8,8 cm 8,8 cm 10,5 cm FlaK 18 FlaK 41 FlaK 38 Deutsches Reich Deutsches Reich Deutsches Reich 8,8 cm 8,8 cm 10,5 cm L/56 L/74 L/63 7,2 t 11,2 t 14 t 850 m/s 1.000 m/s 900 m/s 16.300 m 11.300 m
mit entsprechende Erfahrungen, sowohl Rasanz als auch Waffenwirkung im Ziel erfüllen die gesetzten Parameter. Am 13. Dezember 1930 verzeichnet die Kommission für das streng geheime Entwicklungsprogramm unter anderem: „Es wird eine Flugabwehrkanone mit größtmöglicher Geschosswirkung benötigt. Die Reichweite muss zwischen 2.500 bis 8.000 m bis zu einer Flughöhe von 6.000 betragen. Die Flugdauer des Geschosses soll-
Clausewitz 3/2013
19.800 m 14.700 m
17.700 m 12.800 m
88 mm FlaK M 1939 Russland 8,5 cm L/55 4,2 t 792 m/s 15.000 m 10.500 m
te für eine Flugbahn von 8.000 m und einer Flughöhe von 6.000 m nicht länger als 25 Sekunden dauern. Das Geschütz muss im Einsatzgebiet der Artillerie auf dem Gefechtsfeld einsetzbar sein. Die 8,8 cm FlaK ist das kleinste Kaliber mit ausreichender Wirkung, das für den Einsatz mit unseren Kommandogeräten geeignet ist.“ Die Firma Krupp hat bereits 1928 begonnen, eine 8,8 cm FlaK auf Kraftzug-Anhänger zu entwickeln. Das Geschütz selbst soll
QF 3,7 inch AA gun England 9,4 cm -9,3 t 722 bis 1.044 m/s 18.800 m 12.000 m
90 mm Gun M1A1 USA 9 cm -8,6 t 823 m/s 17.800 m 10.300 m
auf einer Sockellafette montiert sein, die seitlich im 360° Vollkreis geschwenkt und in der Höhe von minus 3 bis plus 85° gerichtet werden kann. Für den Einsatz als Flugabwehrgeschütz ist eine Richtgeschwindigkeit von 6° pro Sekunde in der Höhe und 16° pro Sekunde nach der Seite gefordert. Eine höchstmögliche Anfangsgeschwindigkeit (Vo) ist entscheidend, um die Waffenwirkung schnell in das Zielgebiet zu
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Militär und Technik | Flak 8,8 cm Bedienungs- und Feuerleitgerät der 8,8 cm FlaK L/56
Empfangsgerät für Höhe, hier Lampenempfänger der Flak 18
FERNGESTEUERT: Bei der Bekämpfung hochfliegender Bomberverbände übernimmt das Kommandogerät die Steuerung der Fla-Geschütze.
Flak-Zielfernrohr 20
Aufsatz für Rundblickfernrohr für artilleristischen Einsatz
Gestänge zum Höhengradbogen Flansch für FlaZielfernrohr 20
Höhenrichtmaschine Empfangsgerät für Höhenrichtung
Empfangsgerät für Seitenrichtung
bringen. Die Sprenggranate erreicht 850 m/s, die Panzergranate 810 m/s. Das ursprünglich geforderte Gewicht in Fahrstellung von 7 t wird nur um 200 kg überstiegen und somit erfüllt die 8,8 cm FlaK 18 auch eine weitere Forderung der Kommission: die nach höchstmöglicher Beweglichkeit. Ab 1933 wird das Geschütz, nun 8,8 cm FlaK 18 genannt, in die Bestände der Reichswehr übernommen. Zweck der Waffe ist zunächst lediglich die Bekämpfung von Flugzeugen. Das Geschütz besteht aus dem Rohr mit Verschluss, der Oberlafette und dem Lafettenkreuz. Die Oberlafette trägt das Rohr in der Wiege, sowie Rohrbremse, Ausgleicher und Luftvorholer. Geschütz und Oberlafette sind auf einem Sockel auf der Kreuzlafette montiert. Die Kreuzlafette dient dem festen Stand des Geschützes, sie erlaubt ein Seitenrichtfeld von
Höhengradbogen
360°. Zur Verlegung kann die Kreuzlafette auf einem zweiachsigen Sonderanhänger verladen werden. Als Zugmittel dienen anfangs Lkw, die im Gelände völlig überfordert sind. Nach Anlauf der Produktion der Halbkettenzugmaschinen ist der m ZgKw 8 t verfügbar.
Bekämpfung von Luftzielen Die 8,8 cm Flak L/56 wird in Batterien zu vier Geschützen eingesetzt. Im indirekten Richten wird die Batterie durch ein Kommandogerät in der Befehlsstelle I geleitet. Dieses errechnet Schusswerte (Entfernungen, Beobachtungswinkel) für die anfliegenden Flugzeuge. Die Werte werden per Kabel an die mehrere 100 Meter entfernten Geschütze in den Feuerstellungen geleitet. Hier bekommen die Richtkanoniere (an der rechten Seite des Geschützes) über ihre Empfänger Daten für
Seitenrichtmaschine
Kreuzlafette der 8,8 cm Flak 18
K2 auf dem Sitz der Seitenrichtmaschine
die Höhenrichtung (K1) und Seitenrichtung (K2), die sie mit ihren Richtmaschinen einstellen. Gleichzeitig stellt der K6 (an der linken Seite) die Werte seines Empfängers an der Zünderstellmaschine ein, die die Zeitzünder von jeweils zwei Sprenggranaten dann automatisch justiert. Bei Ausfall der Befehlsstelle I tritt das Kommandohilfsgerät in der Befehlsstelle II (in der direkten Nähe der Feuerstellungen) in Aktion. Im direkten Richten nimmt der K2 das Ziel mithilfe des Flakzielfernrohrs 20, das vor dem Empfangsgerät für die Seitenrichtung montiert wird, ins Visier. Der K2 stellt die seitliche Richtung selbst ein, die Höhenrichtung wird durch ein Gestänge zum Höhengradbogen übertragen. Hier richtet der K1 das Geschütz nach diesen Angaben. Die Zünderstellmaschine wird nach einer Schusstafel justiert. Nach Eröffnen des Feuers detonieren die Granaten im Idealfall im Bomberpulk nahe einzelner Flugzeuge. Volltreffer sind die Ausnahme und auch nicht angestrebt. Vielmehr sollen die Geschosse aufgrund ihrer Menge und der Splitterwirkung die Maschinen beschädigen und zum Absturz bringen.
Bekämpfung von Erdzielen
EINSATZ ZU WASSER: Siebelfähren wurden ebenfalls mit 8,8 cm FlaK L/56 ausgestattet. Diese Flakfähre ist mit einer 8,8 cm FlaK, einem 2-cm-FlaK-Vierling und zwei 3,7 cm FlaK 36 ausgerüstet. Viele dieser Fähren leisten ihren Dienst im Schwarzen Meer. Foto: Sammlung Anderson
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Das direkte Richten gegen Erdziele erfolgt ebenfalls über das Fla-Zielfernrohr 20. Nachdem der Geschützführer das Ziel zugewiesen hat, richtet der K2 das Geschütz mithilfe seines Zielfernrohrs nach Seite und Höhe ein. Der K1 bringt sodann Erhö-
Fotos: Sammlung Anderson
Federausgleicher
Steigerung der Leistung
Weiterentwicklung Gegen 1939 wird die 8,8 cm FlaK 36 eingeführt. Es werden folgende Änderungen vorgenommen: • Das einteilige Seelenrohr der 8,8 cm FlaK 18 wird durch ein vereinfachtes mehrteiliges ersetzt. Man verspricht sich dadurch Einsparungen, da der größte Verschleiß im unteren Teil des Rohres auftritt. So können die verbrauchten Teile separat ausgetauscht werden. Auch fertigungstechnisch ergeben sich Vorteile. • Der augenfälligste Unterschied besteht in der Einführung einer Kreuzlafette mit größerer seitlicher Ausladung. Diese Lafette bedingt die Entwicklung eines neuen Sonderanhängers (des SdAnh 202). • Die Rohre der verschiedenen Geschütze sind austauschbar, es kann vorkommen, dass FlaK 36 aus Lagerbeständen mit einteiligen Rohren versehen werden. • Die Modellbezeichnung ist nur durch den Typ des Lafettenkreuzes bestimmt. Unabhängig von der Art des Geschützrohres ist eine 8,8 cm FlaK L/56 mit SdAnh 202 immer eine Flak 36. • Sowohl 8,8 cm FlaK 18 als auch 36 haben Lampenempfänger für die Übermittlung der Schusswerte vom Kommandogerät, deren Bedienung recht umständlich ist. Aus diesem Grund werden beim Nachfolgemodell FlaK 37 Folgezeigerempfänger eingeführt. Aufgrund der guten ballistischen Leistungen werden Geschütze vom Kaliber 8,8 cm auch von der Marine genutzt, sowohl auf U-Booten als auch auf anderen Schiffen. Die 8,8 cm FlaK 18 steht den gesamten Krieg über im Einsatz. Insgesamt werden mehr als 15.000 8,8 cm FlaK L/56 gebaut.
Bedienungs- und Feuerleitgerät der 8,8 cm FlaK L/56 Luftvorholer
OPTISCHES HILFSMITTEL: Mit dem Fla-Zielfernrohr 20 können Ziele direkt anvisiert werden.
Flansch für Fla-Zielfernrohr 20
Sitz des K2
Empfangsgerät für Zünderstellung, hier Folgezeiger einer FlaK 37
Sitz des K6
Vor Beginn des Zweiten Weltkrieges beginnen Bestrebungen, die Leistungen der 8,8 cm FlaK L/56 den aktuellen technischen Herausforderungen anzupassen. Durch eine Verlängerung des Rohres auf eine Kaliberlänge von L/74 können alle ballistischen Daten deutlich verbessert werden (siehe Tabelle 1). Feuerhöhe und Gesamtaufzug werden drastisch verringert, damit ist das Geschütz weniger auffällig und leichter zu tarnen. Das Gesamtgewicht in Fahrstellung steigt auf 11,2 t. Die Produktion der 8,8 cm FlaK 41 läuft ab August 1942 langsam an. Im Januar 1943 meldet die Luftwaffe einen Bestand von gerade einmal 26 FlaK 41 gegenüber 6.607 Flak L/56. Das Verhältnis dieser Zahlen wird sich nicht wesentlich verschieben. 1936 ziehen deutsche Freiwillige mit der Legion Condor zur Unterstützung der spa-
Zünderstellmaschine mit zwei Sprenggranaten
Feuerglocke zur Alarmierung
nischen Nationalisten in den Spanischen Bürgerkrieg.
Der erste scharfe Einsatz! Das Oberkommando der Wehrmacht wird durch Hitler angewiesen, diese „Gelegenheit“ zur kriegsmäßigen Erprobung neuer Waffen und Taktiken zu nutzen. Unter anderem werden auch vier 8,8 cm Flak-Batterien nach Spanien verlegt. Hier sollen die Fliegerabwehrkanonen erstmals offensiv im Erdeinsatz eingesetzt werden. Die Geschütze unterstützen die spanischen Truppen wirkungsvoll mit indirektem Feuer. Erkannte Punktziele wie Feldstellungen, Bunker und möglicherweise auch Feindpanzer werden im direkten Beschuss bekämpft. Die Auswertung dieser Erfahrungen macht den Verantwortlichen die tatsächli-
SAUBERES GESPANN: Ein ZgKw 8 t (SdKfz 7, frühes Baulos) vor einer 8,8 cm FlaK 18. Die Fahrzeuge tragen den Reichswehr-Buntfarben-Tarnanstrich, haben aber schon eine Luftwaffenkennung. Foto: Sammlung Anderson
Clausewitz 3/2013
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Fotos: Sammlung Anderson
hungs- und Rohrzeiger zur Deckung. Nach Einstellung des Seitenvorhaltes kann gefeuert werden. Für das indirekte Richten gegen Erdziele steht ein Rundblickfernrohr zur Verfügung, das auf dem Luftvorholer montiert werden kann.
Militär und Technik | Flak 8,8 cm INFO
TREFFER: Diese 8,8 cm FlaK 36 in Afrika feuert vom Sonderanhänger, was eigentlich verboten ist. Die leere Hülse springt heraus, das nächste Ziel kann aufgenommen werden. Foto: Kadari
chen Möglichkeiten des Fliegerabwehr-Geschützes bewusst. Kurz vor Ausbruch des Krieges verfügt das Heereswaffenamt die Verwendung der 8,8 cm Flak 18 auch für den Einsatz gegen Bodenziele. Die militärischen Planer verlangen die sichere Bekämpfung befestigter Feindstellungen und Bunker. Die verfügbaren Panzer sind zur Bekämpfung dieser Ziele nur bedingt geeignet. Die Wirkung der 7,5 cm Sprenggeschosse des PzKpfw IV wird als zu schwach erachtet.
Kampf gegen Panzer Es soll nun eine Waffe geschaffen werden, die Panzer- und Infanterieeinheiten im Angriff schwere Feuerunterstützung geben kann. Die Waffenwirkung der 8,8 cm FlaK L/56 ist derart überzeugend, dass diese Waffe hinzugezogen wird. 1938 beginnt die Entwicklung einer Selbstfahrlafette auf Basis des s ZgKw 12 t (SdKfz 8). Die schwere Zugmaschine wird mit einer umgebauten 8,8 cm Flak 18 versehen, Motor und Fahrerstand werden teilgepanzert. Diese Lösung erweist sich während des Polen-Feldzuges als überraschend leistungsfähig. Parallel dazu werden einige 8,8 cm FlaK 18 derart umgebaut, dass das Feuer direkt vom Sonderanhänger aus eröffnet werden kann. Die Zugmaschinen werden teilgepanzert, um den Einsatz in der Nähe der Hauptkampflinie zu ermöglichen. Der Grund für diese schnelle Lösung liegt ver-
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Durchschlagsdaten der 8,8 cm FlaK
Geschütz
auf 100 m
auf 500 m
8,8 cm FlaK 18/36/37 8,8 cm FlaK 41
128 mm
118 mm
202 mm
185 mm
mutlich darin, dass die Auslandsaufklärung ernsthafte Hinweise auf die Einsatzbereitschaft schwerer französische Panzer bekommen hat. In Nordafrika sind die Flakbatterien ein wichtiger Teil von Rommels Kriegführung. Das Afrikakorps ist immer unterversorgt, Nachschub kommt nur sporadisch. Daher werden alle verfügbaren Waffen auch offensiv eingesetzt. Viele zeitgenössische Fotos zeigen den gemeinsamen Vormarsch von Panzer und 8,8 cm FlaK. Letztere sind das einzige Mittel im Kampf gegen den britischen Infantry Tank Mk. 2 Mathilda.
Verheizt in Russland Im Osten müssen die Flakbatterien bereits früh in den Bodenkampf eingreifen. Das Auftreten der modernen russischen Panzer KW-1 und 2 sowie T 34 stellt die eigenen Panzer und Panzerabwehrkanonen des Jahres 1941 vor kaum lösbare Aufgaben. Die angreifenden deutschen Truppen sind gezwungen, leichte und mittlere Artillerie oder eben 8,8 cm FlaK nach vorne zu ziehen. Gerade die FlaK mit ihrer hohen Rasanz und Feuergeschwindigkeit erweist sich als sehr erfolgreich gegen Panzer (Panzergranaten) sowie halbharte und weiche Ziele (Sprenggranaten). Der Erfolg der FlaGeschütze ermöglicht so auch in kritischen Situationen eine Fortsetzung des Vormarsches. Die euphorischen Meldungen der Propaganda verstellen jedoch den Blick auf die Realitäten. Der Einsatz der ungepanzerten Geschütze ist riskant. Die Fla-Artillerie zahlt für diesen konsequenten Einsatz einen hohen Preis. Eine Akte des Heereswaffenamtes liefert eine Reihe aufschlussreicher Fakten. Die Durchschlagsdaten zeigen, wie leistungsfähig die 8,8 cm Fla-Geschütze sind (siehe Tabelle 2). Verschossen wird jeweils die 8,8 cm PzGrPatr 39. Die absolute Überlegenheit der FlaK 41 ist offensichtlich. Die Mun-Bestände belegen, wie gering die Zahl der vorhandenen FlaK 41 ist.
Die Legende – ein Resümee Waffentechnisch ist die 8,8 cm FlaK L/56 keine herausragende Entwicklung! Fast jede Nation hat Geschütze mit vergleichba-
auf 1.000 m auf 1.500 m Munbestand zum 1.12.42 106 mm 98 mm 619.200 Schuss 165 mm 147 mm 7.800 Schuss
ren Leistungen (siehe Tabelle 1). Als Beispiel mag die russische 85 mm M 1939 gelten, deren ballistische Daten kaum schlechter sind. Die Qualität der deutschen Munition ist gewiss wesentlich besser, das gilt für alle deutschen Geschütze. Dafür wiegt die M 39 in Fahrstellung nur 4,2 t gegenüber 7,2 t – im beweglichen Einsatz ein überzeugendes Argument. Mehr als 7.000 Batterien der FlaK-Artillerie werden im Reichsgebiet stationiert. Die weitaus meisten Geschütze sind aus Materialmangel nicht mehr mobil (wie anfangs gefordert), sondern fest versockelt. Stellungswechsel ist nur unter großem Aufwand möglich. Die Fliegerabwehr holt zwar eine große Zahl von Flugzeugen vom Himmel, doch die Alliierten gleichen diese Verluste schnell aus. Auch steigt die Einsatzhöhe der feindlichen Bomber deutlich, was die Bekämpfung erschwert. Im Einsatz gegen die Tag und Nacht angreifenden Bomberpulks zeigen sich die FlaK-Batterien (8,8 cm, 10,5 cm und 12,8 cm FlaK) bald als hoffnungslos überfordert. Hatte man vor dem Kriege noch naive Vorstellungen bezüglich der Wirksamkeit der FlaK (man ging von einem Abschuss je 47 Schuss aus), so muss man sich im Krieg der Realität stellen. Tatsächlich sind 4.000 Schuss nötig (Stand 1943), um einen vernichtenden Treffer zu landen.
Erfolgsrezept: Flexibilität Woher nun rührt die außergewöhnliche Reputation, die die 8,8 cm FlaK immer noch hat? Die zahlreichen Erfahrungsberichte belegen, dass es oft der unkonventionelle Einsatz des Fliegerabwehrgeschützes ist, der deutschen Spitzeneinheiten auch in ausweglosen Situationen Erfolg bringt. Also doch eine Ehrenrettung für das breite Einsatzprofil der 8,8 cm FlaK? Vielleicht. Die 8,8 cm FlaK ist das Ergebnis einer zweckorientierten Entwicklung, verdient aber aufgrund ihres oft halsbrecherischen Einsatzes fernab der ihr zugedachten Aufgaben den Zusatz „Allzweckwaffe“. Thomas Anderson, Jg. 1958, ist als freier Autor tätig und unterstützt namhafte Modellbau-Hersteller als Fachberater.
Legende und Meilenstein der deutschen Luftwaffe
8,8-CM FLAK Flugabwehrkanone
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Wirkungsvolle Allzweckwaffe
Dokumentation der Extraklasse
Neben der legendären „Stalinorgel“ ist kein anderes Geschütz des 2. Weltkriegs heute noch so bekannt wie die deutsche 8,8-cm Flak. In den Ausführungen 18, 36 und 37 bildete sie das Rückgrat der deutschen Luftverteidigung. Ihren legendären Ruf erwarb sich die „Acht-Acht“ jedoch erst im Laufe des Krieges. Als wirkungsvolle Allzweckwaffe kam sie an allen Brennpunkten zum Fronteinsatz. Neben der panzerbrechenden Wirkung der waffentechnisch idealen 8,8-cm Granaten waren Robustheit, die relativ einfache Bedienung sowie die recht hohe Kadenz die entscheidenden Parameter dieses wegweisenden Waffensystems.
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Straße, Nr.
Clausewitz 3/2013 Brandlstraße 30 á D - 83259 Schleching
CL
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Spurensuche
„Spielball“ der Weltgeschichte
Helgoland Helgoland ist einzigartig. Zum einen durch die exponierte Lage im Herzen der Deutschen Bucht, vor allem aber durch die wechselvolle Historie. Ein Mikrokosmos. Mehrfach wurde der kleine rote Felsen zum Spielball der Weltgeschichte. Von Ulf Kaack
S
eit dem 7. Jahrhundert ist das Eiland von Friesen bewohnt. Im 12. und 13. Jahrhundert untersteht es der Dänischen Krone, anschließend dem Herzogtum Schleswig. 1807 wird der sturmumtobte Felsen von den Briten als Kolonie in das Vereinte Königreich integriert. Während der Kontinentalsperre, die 1814 durch den Kieler Frieden beendet wird, erleben die Helgoländer eine Hochzeit als Blockadebrecher und Schmuggler. Die Zeiten bleiben friedlich – lediglich 1849 und 1864 kommt es zu deutschdänischen Seegefechten in Sichtweite von Helgoland. „Im Tausch gegen Handelsrechte in OstAfrika, im sogenannten Helgoland-SansibarVertrag, kam Helgoland am 10. August 1890 unter die Regentschaft des deutschen Kaiserreiches“, erklärt Jörg Andres, Insel-Histo-
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riker und Leiter des Museums Helgoland, die wechselvolle Inselgeschichte. „Die Preußen maßen Helgoland eine hohe strategische Bedeutung zu. Als Artillerievorposten zum Schutze der Nordseeküste sowie den Zugängen zum Nord-Ostsee-Kanal, zur Elbe, Weser und Jade. Vor allem aber als dauerhaft eisfreier Kriegshafen in vorgeschobener Lage.“
Aufrüstung im Kaiserreich Zügig geht Wilhelm II. daran, die Insel zu einer Festung auszubauen und einen Marinehafen anzulegen. 1891 entstehen erste Gebäude, ein Jahr später wird an der Nordund Südspitze je ein Kanonenstand mit zwei 21-cm-Geschützen errichtet. Es folgt eine Haubitzenbatterie auf dem Oberland mit acht schweren 28-cm-Geschützen.
1906 nimmt das Projekt gewaltige Formen an: Ein großdimensioniertes Stollensystem wird in den Kreidefelsen der Insel getrieben. Räume, Verzweigungen sowie Schächte für Aufzüge und zur Belüftung werden gebaut. Bis 1914 werden der Nordsee 86 Hektar abgetrotzt. Es entstehen der Torpedo-, Scheiben- und U-Boothafen. Außerdem ein Seefliegerstützpunkt mit Hangar, Flugzeugaufschleppe, Kraftwerk und den erforderlichen Versorgungseinrichtungen. Im Mai 1908 beginnt die Neuarmierung der Festungsartillerie. Die Nord- und Südgruppe erhalten jeweils zwei moderne 30,5cm-Krupp-Doppeldrehtürme und zwei 21cm-Geschützstände. Dazwischen liegen besagte acht Haubitzenbatterien sowie diverse kleinere Anlagen mit leichten und mittleren Geschützen, Kommando- und Peilständen,
HELGOLAND HEUTE: Ein friedliches Eiland mitten in der Nordsee. Foto: U. Kaack
MILITÄRISCHE ASPEKTE: Diese 1714 (unter dänischer Regentschaft) entstandene Abbildung zeigt nicht nur die Insel, sondern ist auch eine Studie Abb.: Archiv U. Kaack über mögliches Artilleriefeuer. „BIG BANG“ AUF HELGOLAND: In der bis heute weltweit größten nichtnuklearen Explosion detonieren am 18. April 1947 6.700 Tonnen Sprengstoff. Foto: Archiv Museum Helgoland
Marine eingezogen. Helgoländer in Diensten des Militärs – das hat es bislang noch nicht gegeben. Zurück auf der Insel bleibt eine 4.000 Mann starke militärische Besatzung für die Bedienung der Festungsartillerie und den Betrieb des Hafens.
Seegefecht bei Helgoland Beobachtungs- und Scheinwerfereinrichtungen. Auf dem Unterland befindet sich eine Batterie mit zwei 8,8-cm-Geschützen, vier 3,7-cm-Revolverkanonen und Maschinengewehren. Die Düne (Name der östlich gelegenen Nebeninsel) wird von einer Flak-Batterie mit vier 8,8-cm-Geschützen und einer weiteren Stellung mit drei 3,7-cm-Revolverkanonen sowie Maschinengewehren geschützt.
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Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges am 1. August 1914 müssen alle Helgoländer ihre Insel verlassen und werden im Umland Hamburgs untergebracht. Familien, die nach der Übergabe 1890 englisch geblieben waren, kommen in das Internierungslager Ruhleben bei Berlin. Britisch geborene Insulaner werden unter Polizeiaufsicht gestellt und vom Kriegsdienst befreit. Deutschstämmige hingegen werden zur
Der Erste Weltkrieg beginnt für den roten Felsen mit einem dramatischen Paukenschlag. Mit einer List locken überlegene britische Seestreitkräfte am Morgen des 18. August 1914 die Einheiten des V. Torpedobootgeschwaders sowie mehrere kleine Kreuzer in die Deutsche Bucht. Es kommt zu einer ersten Feindberührung, bei der das deutsche Torpedoboot „V 187“ versenkt und der britische Kreuzer „HMS Arethusa“ erheblich beschädigt werden.
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Spurensuche | Helgoland
IM ERSTEN WELTKRIEG: U-Boote im Kriegshafen von Helgoland. Foto: Archiv Museum Helgoland
Nach einer kurzen Gefechtspause treffen die Gegner erneut aufeinander. Zunächst entbrennt ein harter Kampf um den manövrierunfähigen Kreuzer „Mainz“. Dieser kann im Abwehrkampf noch drei englische Zerstörer schwer beschädigen, bevor er selbst zusammengeschossen auf Tiefe geht. Auch der kleine Kreuzer „Ariadne“ wird binnen einer Viertelstunde in ein brennendes Wrack verwandelt. Eine Stunde später wird die „Cöln“ von dem Schlachtkreuzer „HMS Lion“ gesichtet und trotz erbitterter Gegenwehr versenkt. Nur ein Mitglied der Besatzung überlebt den Untergang. Die Seefestung Helgoland kann aufgrund schlechter Sicht nicht mit Artilleriebeschuss eingreifen. Im weiteren Verlauf des Krieges erlangt die Insel dann lediglich als Stützpunkt für U-Boote und Seeflieger noch strategische Bedeutung.
Turbulenzen Ab dem 6. Dezember 1918 dürfen die Insulaner nach vier Jahren der Heimatlosigkeit wieder zurückkehren. Sie finden ihre Häuser und die Infrastruktur in desolatem Zustand wieder. Es beginnen politisch turbulente Zeiten: Verhandlungen über eine Entschädigung der Helgoländer mit dem preußischen Innenministerium laufen ins Leere. Verschiedene Bemühungen, sich von Deutschland loszusagen und den Anschluss an Großbritannien oder Dänemark zu finden, scheitern. Mir diesen Aktionen verspielen die „Halbengländer“ viele Sympathien in Deutschland. Gemäß dem Vertrag von Versailles beginnen die Schleifungsarbeiten am Kriegshafen
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UNVOLLENDET: Das gigantische Projekt „Hummerschere“ sieht vor, Helgoland bis 1948 zu einem riesigen Kriegshafen auszubauen. Tatsächlich werden nur Teile davon realisiert, die aber heute noch auf der Insel zu sehen sind. Foto: Archiv Museum Helgoland
und an dem Festungsbauwerk. Diese werden von verschiedenen deutschen Baufirmen vorgenommen, die von einer 40-köpfigen britischen Kontrollkommission überwacht werden. Von 1921 bis 1924 wird Schritt für Schritt der Torpedo-Boot- und U-Boot-Hafen gesprengt. Das sehr weitläufige Tunnelsystem wird hingegen lediglich verplombt. Die Haupteingänge zu den Nord- und Südkasematten bleiben komplett erhalten.
Gigantische Pläne So hat es das NS-Regime ab 1933 im Zuge seiner Aufrüstungspolitik leicht, Helgoland erneut in einen waffenstarrenden Felsen zu verwandeln. Museumschef Andres: „Plan war es im Jahr 1935, Helgoland zu einer gigantischen Festung mit einem Hochseehafen für die Marine zu machen. Durch Aufschüttung, Trockenlegung und Errichtung von Betonmolen sollte die Insel bis 1948 in nördlicher Richtung um ein Vielfaches ihrer Größe erweitert werden. Die Bauarbeiten fanden unter dem Tarnnamen ‚Operation Hummerschere’ statt.“
Geplant ist die schrittweise Erweiterung des Südhafens, vor allem aber die Schaffung eines großflächigen Kriegshafens in Richtung Norden für Schlachtschiffe, Kreuzer und Zerstörer. Das Projekt Hummerschere kommt allerdings nicht über die notwendigen Vorarbeiten hinaus und wird 1941 eingestellt.
Festungsbau unter Tage Zügig vorangetrieben wird hingegen die Rearmierung und Erweiterung des kaiserlichen Festungssystems. Ein weitläufiges Stollensystem – insgesamt 13,7 Kilometer lang – mit Schutzräumen, einem Lazarett, verschiedenen Depots und Versorgungseinrichtungen, Werkstätten, ein Kraftwerk und diversen Räumen zur militärischen Nutzung wird wieder verwendbar gemacht oder neu in den Felsen getrieben. Das Stollensystem umfasst vier Bereiche: Die Raumanlage mit Zugang im südlichen Unterland in den Felssockel, das obere Tunnelsystem relativ dicht unter der Oberfläche des Unterlandes und der Kabelbahntunnel zum Transport von schweren Lasten zwi-
Bau des U-Boot-Bunkers GEWALTIG: Geschütze der „Falm“-Batterie vor dem Leuchtturm und der Signalstelle. Foto: Archiv Museum Helgoland
NACH DEM INFERNO: Wehrmachtsangehörige beim Aufräumen in den Trümmern. Die Zerstörung ist das Ergebnis eines Bombenangriffs vom 15. Oktober 1944. Foto: Archiv Museum Helgoland
schen Ober- und Unterland. Der Zugang zu den zivilen Luftschutzanlagen auf der Südund Ostseite der Insel erfolgt über die sogenannte „Spirale“ im Bereich des heutigen Fahrstuhls. Die Hauptbewaffnung Helgolands besteht aus den stark und tief verbunkerten Seezielbatterien „von Schröder“ an der Nordspitze sowie „Jacobsen“ im Süden. Dazu kommen drei schwere FlaK-Batterien. Hauptbefehlsstand und zentraler Leitstand für die Insel-FlaK ist der Rote Turm in der Mitte des Oberlandes, der heutige Leuchtturm. Das 1941 aus massivem Stahlbeton errichtete Bauwerk dient außerdem als Beobachtungsstand und Lagezentrum. Bis heute ist unter dem Turm ein dreistöckiger Bunkerkomplex mit ehemaligen Mannschaftsunterkünften für zwei Unteroffiziere und drei Mannschaftsdienstgrade erhalten geblieben.
Hafen und U-Bootbunker Der Festungsbau setzt entsprechend große Hafenanlagen zur Anlandung des Materials voraus. Außerdem soll Helgoland
schnellstmöglich als Marinestützpunkt wieder hergestellt werden. Darum wird 1936 mit der Trümmerbergung der gemäß Versailler-Vertrag gesprengten Anlagen begonnen. Ab 1937 entstehen die Ost-, West- und Südmole, außerdem der Nordost- und der Dünenhafen. Im Winter 1939 beginnt der Bau eines UBoot-Bunkers im nordwestlichen Bereich des Osthafens – offiziell als „UBB Nordsee III“ bezeichnet. Das Bauwerk ist 156 Meter lang und 16,5 Meter hoch. Die Wandstärke beträgt zwei Meter, die der Decke drei Meter. Im Sommer 1942 ist der Betonklotz fertig gestellt, auf seinem Dach befindet sich eine leichte FlaK-Stellung. Die drei Boxen innerhalb des Bunkers bieten Platz für bis zu neun U-Boote. Angelaufen wird das Bauwerk überwiegend von Schnell- und Minenräumbooten. Ab Mitte 1944 sind hier außerdem Einheiten der Kleinstkampfmittelverbände stationiert: Zunächst Sprengboote vom Typ „Linse“ und kurz vor Kriegsende Kleinst-UBoote der Baureihe „Seehund“. NARBEN DES KRIEGES: Drei Bombenkrater unmittelbar am westlichen Klippenrand zeugen von der konfliktreichen Vergangenheit der Insel. Foto: U. Kaack
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Dreimal versuchen die Alliierten, den Helgoländer U-Boot-Bunker mit ferngesteuerten Bombern zu vernichten. Die Angriffe finden unter dem Decknamen „Aphrodite“ statt. In allen drei Fällen gelingt es der Marine-FlaK die Flugzeuge – eine „Liberator“ und zwei B-17 „Flying Fortress“ abzuschießen. Die mit Sprengstoff beladenen Bomber explodieren jeweils in einer mächtigen Detonation.
Jagdflieger auf der Düne Der Ende Januar 1942 auf der Düne fertig gestellte Flugplatz mit zwei x-förmig angelegten Pisten ist Stützpunkt von Jagd- und Aufklärungsfliegern der Luftwaffe. Er hat allerdings nur geringe militärische Bedeutung. Gesichert werden Flugplatz und die dazugehörigen Anlagen durch die FlaKBatterien „Wittekliff“ und die Sperrbatterie „Düne“. Noch im April 1945 werden die Strandabschnitte der Düne gegen gegnerische Landungsunternehmen vermint. Während des Zweiten Weltkrieges dürfen die 3.000 Insulaner auf ihrer Insel bleiben. Zu ihnen gesellen sich bis zu 4.000 Offiziere, Soldaten, Arbeiter und Kriegsgefangene. Ab 1943 werden die zur Bedienung der Artillerie vorgesehenen Soldaten in großen Teilen zum Einsatz an der Front abgezogen. Ihre Aufgaben übernehmen Marinehelfer – blutjunge Lehrlinge, Ober- und Realschüler. Neben dem militärischen Dienst geht ihre Schulausbildung auf Helgoland weiter. Die ersten beiden Kriegsjahre verlaufen relativ ruhig. Ein Bombenangriff – der erste überhaupt auf deutschen Boden – erfolgt ohne größere Schäden am 3. Dezember 1939. Das ändert sich mit den zunehmenden
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LETZTE AUGENBLICKE: Untergang des kleinen Kreuzers „Mainz“ bei der Seeschlacht vor Helgoland zu Beginn des Ersten WeltFoto: Archiv U. Kaack kriegs.
AUßER GEFECHT GESETZT: Die Batterie „von Schröder“ im Foto: Archiv Museum Helgoland August 1945.
Luftattacken auf das Reichsgebiet, denn die alliierten Piloten nutzen Helgoland als Markierungspunkt für ihre Flugnavigation. Am 13. Mai 1941 erfolgt der erste direkte Fliegerangriff auf die Insel mit mehr als einem Dutzend Toten, ausnahmslos Zivilisten. In immer kürzeren Abständen folgen nun kleinere und größere Luftattacken. „Wir Kinder empfanden das damals als normal, nicht als störend“, erinnert sich James Müller, der 1938 auf Helgoland geboren wird. „Unter dem offenen Fenster meiner Großmutter imitierten wir die Luftschutzsirene, sammelten Patronenhülsen aus Messing als Spielzeug und entwendeten sogar Bänke aus dem Bunker. In den letzten Kriegstagen war dann fast ständig Alarm – wenn die Bomber im Anflug auf ihre Festlandziele waren und einige Stunden später, wenn es zurück nach England ging.“
Das Bomben-Inferno Eine Armada von Bombern formiert sich am Morgen des 18. April 1945 über der südwestlichen Nordsee. Nahezu 1.000 britische Kampfflugzeuge nehmen Kurs auf die Deutsche Bucht. Sonor dröhnen die Motoren, Kondensstreifen sind weithin sichtbar am Himmel. Es ist kurz vor 12 Uhr, als auf Helgoland Vollalarm gegeben wird. „Ich erinnere mich noch genau, es war ein warmer sonniger Frühlingstag, dieser unglückliche 18. April“, so James Müller. „Wie immer gingen meine Schwester und ich mit meinen Großeltern in den zivilen Schutzraum. Jeder hatte einen festen Platz, wodurch leicht kontrolliert werden konnte, ob jemand fehlte. Auf den langen Bänken im Gang mussten wir auf Kommando des Bunkerwartes Platz nehmen. Die schweren Gasschutztüren wurden verschlossen, und das Inferno brach los.“ Nach zwei Stunden ist der Angriff vorbei. James Müller: „Oben in den Stellungen wur-
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den nun die Verletzten geborgen. Wir mussten immer wieder aufstehen, wenn die verwundeten Soldaten durch die Gänge in Richtung Lazarett getragen wurden. Aus manchen Uniformen tropfte Blut. Es war grausam.“ Die Bilanz des Luftangriffes ist verheerend: 969 Maschinen sind daran beteiligt, darunter 617 Lancaster- und 332 Halifax-Bomber sowie 20 „Mosquitos“ als Begleitjäger. Drei Bomber gehen dabei verloren. Zwölf Helgoländer und 128 Soldaten werden getötet, 13 Menschen bleiben vermisst. Es gibt zahlreiche Verletzte. 95 Prozent der Gebäude sind dem Erdboden gleich gemacht, zerstört auch die militärischen Einrichtungen. Bei einem weiteren Luftangriff am folgenden Tag werden auch der bis dahin noch intakte UBootbunker sowie die nach wie vor einsatzbereite schwere Seezielbatterie an der Nordspitze vernichtet.
In der Nacht vom 19. auf den 20. April 1945 erfolgt die Evakuierung von rund 2.500 Zivilisten. Beschwerlich ist der Weg durch die unwirtliche Trümmerwüste. Kaum mehr als einen Koffer und Handgepäck dürfen die nun Heimatlosen mit an Bord der drei Dampfer – die „Kehrwieder“, die „Düsseldorf“ und die „Rugia“ – nehmen, die sie auf das Festland bringen. „Nahezu geschlossen fanden die evakuierten Helgoländer Aufnahme im Landkreis Pinneberg und wurden später sukzessive im norddeutschen Raum untergebracht“, berichtet Inselhistoriker Jörg Andres.
Operation „Big Bang“ Am 11. Mai 1945 besetzen britische Streitkräfte den roten Felsen in der Nordsee. Zügig beginnen sie mit der totalen Demilitari-
DAMALS UND HEUTE DAMALS: Der ehemalige FlaK-Turm wird 1952 (nach der Rückgabe an die Insulaner) als provisorisches Leuchtfeuer in Betrieb genommen. Noch trägt das Gebäude die Zeichen des Krieges. Foto: Archiv Nordseemuseum Helgoland
HEUTE: Der ehemalige FlaK-Turm und Feuerleitstand übersteht als einziges Gebäude auf Helgoland sämtliche Bombardements und den „Big Bang“. Heute zeigt der Leuchtturm den Seeleuten den Weg durch die Nacht. Foto: U. Kaack
Helgoland fliegt in die Luft
APOKALYPTISCH: Das restlos zerstörte Unterland am späten Nachmittag des 18. Foto: Archiv Museum Helgoland April 1945.
VOGELPERSPEKTIVE: Aufnahme der britischen Luftaufklärung vom 18. April 1945. Foto: Archiv Museum Helgoland
sierung, wie sie das „Potsdamer Abkommen“ vorschreibt. 4.300 Tonnen Material werden auf das Festland transportiert. Unter dem Decknamen „Big Bang“ beginnen die Engländer im Sommer 1946 mit den Vorbereitungen zur Sprengung Helgolands. Als Ziel werden die Vernichtung aller militärischen Einrichtungen und der deutschen Munitionsbestände definiert. Der Inselhafen, die Uferschutzbebauung und der Zivilbunker sind von der direkten Sprengung ausgenommen. Die Briten haben nicht vor, Helgoland komplett auf der Landkarte auszuradieren, nehmen dies aber als Restrisiko in Kauf. 18. April 1947: Mit dem dritten Ton des 11-Uhr Zeitsignals der BBC löst der britische Navy-Offizier E.C Jellis die Sprengung von Bord des britischen Kabellegers „Lasso“ mittels Kabelzündung aus. 4.000 Torpedoköpfe, fast 9.000 Wasserbomben und über 91.000 Granaten verschiedener Kaliber – insgesamt 6.700 Tonnen Sprengstoff – sind im U-BootBunker und im Tunnellabyrinth gestapelt
piloten. Am 26. Februar 1952 übergibt der britische Hohe Kommissar Sir Ivone Kirkpatrick die offizielle Nachricht an Bundeskanzler Konrad Adenauer, dass Helgoland am 1. März 1952 an die Bundesrepublik zurückgegeben wird und frei ist zur Wiederbesiedlung durch die Insulaner. Der Aufbau nimmt ein ganzes Jahrzehnt in Anspruch.
Erneute Militärpräsenz DAMALIGER ZUFLUCHTSORT: Der gebürtige Helgoländer James Müller (Jahrgang 1938) im Stollen des zivilen Luftschutzbunkers. Als Fünfjähriger erlebt er an dieser Stelle den schweren Luftangriff vom 18. April 1945 und wird am Tag danach evakuiert. Erst 1954 kann er zurückkehren. Foto: U. Kaack
und detonieren in der bis heute weltweit größten nichtnuklearen Explosion.
Die Wiederfreigabe Nach dem „Big Bang“ kehrt Ruhe ein. Unterbrochen wird die Stille dabei regelmäßig durch Detonationen, denn die Briten nutzen das militärische Sperrgebiet nun als Ziel- und Übungsgelände für ihre Bomber-
BUNDESWEHRPRÄSENZ: Ein SAR-Marinehubschrauber vom Typ „Sea King“ bei der Landung auf dem Militärgelände (Unterland). Foto: Archiv Nordseemuseum Helgoland
In den 1960er-Jahren ist auch die Marine wieder auf Helgoland präsent. Der kleine Kasernenkomplex auf dem Oberland passt sich stilistisch der neuen Inselarchitektur an. Kein hoher Zaun, keine patrouillierenden Wachen – optisch weist kaum etwas auf die Anwesenheit der Soldaten hin. Direkt am südlichen Klippenrand befindet sich mit bester Rundumsicht auf die Nordsee die Marinesignalstelle. Von hier aus werden der militärische Schiffsverkehr beobachtet und entsprechende Meldungen an die Marineführung auf dem Festland weitergegeben. Der am nördlichen Ende des Oberlandes gelegene Radarturm dient der Luftraumüberwachung. Bis 1989 sitzen in dem komplett abgedunkelten Gebäude die Ortungsspezialisten der Bundesmarine, anschließend Soldaten der Luftwaffe. Heute ist das Radargerät vom Dach des Turmes entfernt. Die Marinesignalstelle wird ohne Personal als Relaisstation genutzt und das ehemalige Kasernengelände gehört nun zum Alfred-Wegener-Institut. Einzig der 1979 in Betrieb genommene Hubschrauber-Landeplatz mit Hangar und Betankungsanlage ist noch in Betrieb. Die Basis auf dem Unterland wird heute unregelmäßig von SAR-Fliegern besetzt, könnte aber stets als vorgeschobener Operationsposten wieder aktiviert werden. Ulf Kaack, Jg. 1964, Verantwortlicher Redakteur von TRAKTOR CLASSIC. Autor zahlreicher Bücher, besonders zu technischen und maritimen Themen.
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Feldherren
Richard I. Löwenherz
Der Krieger auf dem Königsthron R
ichard, der gar kein Englisch spricht, hält sich während seiner Regierungszeit nur einige Monate in England auf. Sein Kampf gegen Sultan Saladin im Verlauf des Dritten Kreuzzugs ist ebenso von zahlreichen Legenden umrankt wie die Zeit seiner daran anschließenden Gefangenschaft in Österreich und Deutschland. Selbst die Umstände seines Todes erhöhen ihn über das Maß anderer Sterblicher – vergibt er doch auf dem Totenbett dem französischen Armbrustschützen, der ihn tödlich verletzt hatte. Richard Löwenherz entstammt der Dynastie der Normannen, die seit 1066 die Herrschaft über England innehat. Er wird am 8. September 1157 in Oxford als dritter Sohn König Heinrichs II. geboren. Besonders die französische Abstammung seiner Mutter Eleonore von Aquitanien soll das zukünftige Leben Richards zu einem großen Teil bestimmen. Die aus der nach ihnen benannten Normandie stammenden Könige Englands sind nämlich durch vielfältige dynastische Beziehungen eng an ihre weitreichenden, im Westen Frankreichs gelegenen Besitzungen gebunden. Dieser gesamte Herrschaftskomplex wird zusammen mit England als das Angevinische Reich bezeichnet. Bereits 1172 erhält Richard im Alter von nur fünfzehn Jahren das Amt des Herzogs von Aquitanien, wo er sich während seiner Herr-
FAKTEN
Wichtige Kämpfe
4.10.1190: Eroberung von Messina Frühjahr 1191: Eroberung von Zypern 12.7.1191: Eroberung von Akkon 7.9.1191: Schlacht bei Arsuf Anfang August 1192: Eroberung von Jaffa 4.8.1192: Schlacht bei Jaffa 4.7.1194: Fréteval 28.9.1198: Gisors
Bis heute: Richard Löwenherz ist eine der romantisch verklärtesten Figuren der Geschichte, und er gilt nach wie vor als einer der „englischsten“ Könige der britischen Geschichte… Von Otto Schertler schaftszeit in nicht endende Kämpfe mit widerspenstigen Vasallen, feindlichen Nachbarn und dem französischen Königtum verstrickt sieht. Bereits in jungen Jahren lernt er daher den Krieg aus eigener Erfahrung kennen, und seit dieser Zeit vergeht – bis auf die Phase seiner Gefangen-
schaft kein Jahr seines Lebens in dem er nicht im Feld steht. Er beteiligt sich an der von 1173–1174 währenden, vom französischen König unterstützten Rebellion gegen seinen Vater, mit dem er sich bis zu dessen Tod im Jahr 1189 nicht mehr versöhnen wird. Einer der Lehrmeister Richards in diesen frühen Jahren ist Graf Philipp von Flandern, der als einer der verschlagensten Krieger seiner Zeit gilt.
Verbrannte Erde Größere Schlachten hat Richard hier – bis auf eine Ausnahme nicht zu bestehen, eher handelt es sich bei den zahlreichen Kämpfen um kleinere Gefechte oder Belagerungen. Große Feldschlachten versucht man nämlich während des Mittelalters so gut wie möglich zu vermeiden, zu hoch ist das Risiko, die eigene bewaffnete Macht zu verlieren. Schon der während des späten 4. Jahrhunderts n. Chr. lebende römische Militärschriftsteller Vegetius rät in seinem berühmten Handbuch „Epitoma rei militaris“, einer Kompilation älterer Schriften, in Bezug auf Feldschlachten: „Lass es sein!“ Das Werk des Vegetius ist während des Mittelalters an den Herrscherhöfen wohlbekannt, und diesem POPULÄR BIS HEUTE: Die faszinierende Aura des „guten Königs“ Richard Löwenherz ist bis heute ungebrochen. Hier eine Statue vor dem Parlamentsgebäude in London: Selbstbewusst und stolz sitzt Richard I. auf seinem Ross. Foto: picture-alliance
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IM HEILIGEN LAND: Richard I. und seine Armee beten vor einer Schlacht gemeinsam. Der König begibt sich schon kurz nach seiner Thronbesteigung auf den Kreuzzug und kämpft stets an der Seite seiner Truppe. Illustration von Gustave Doré aus dem 19. Jhd. Abb.: picture-alliance/Prisma Archivo
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Feldherren militärischen Grundprinzip folgen selbst die kühnsten Befehlshaber, wie Richard, der in jedem Gefecht und bei jedem Aufklärungsritt rücksichtslosen Mut beweist. Viel wichtiger erscheint es, das feindliche Gebiet durch Streifzüge zu verwüsten oder Burgen zu erobern und zu halten, also die Anwendung einer Taktik der verbrannten Erde, die Heinrich V. später mit den Worten „Krieg ohne Feuer ist wie Würste ohne Senf“ rühmen sollte. Somit setzt man klugerweise auf einen langfristigen strategischen Vorteil gegenüber dem unberechenbaren Wagnis einer Feldschlacht, die selbst im Fall eines eigenen Sieges möglicherweise keine klaren Vorteile zu bringen vermag. Als Richard im Jahr 1187 von der katastrophalen Niederlage der Kreuzfahrer bei Hattin im Heiligen Land und dem damit verbundenen Verlust von Jerusalem hört, entschließt er sich sofort, das Kreuz zu nehmen. Doch erst nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1189 und der folgenden Krönung in Westminster, kann der nun als König herrschende Richard sein Gelübde in die Tat umsetzen. LEGENDÄRER SIEG: Löwenherz und sein Heer vor Jaffa. Von See kommend, erobern sie die Stadt zurück. Jaffa ist während der Kreuzzüge heftig umkämpft. Die heutige Großstadt ist uns besser bekannt unter dem Namen Tel Aviv. Holzstich nach Gustave Doré, 19. Jhd. Abb.: picture-alliance/akg
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„Saladin sollte sich als der größte Gegenspieler der Kreuzfahrer erweisen. Unter seiner Herrschaft wurden ab 1174 zum ersten Mal im 12. Jahrhundert alle großen muslimischen Nachbarherrschaften der Kreuzfahrer […] in einem einzigen Reich zusammengefasst.“ Dr. Martin Hoch in: Schlachten der Weltgeschichte. Von Salamis bis Sinai.
Er begibt sich 1190 nach Tours, um dort Stab und Sack als Zeichen seiner Pilgerschaft anzunehmen. Dann vereinigt er seine Truppen mit denjenigen des französischen Königs Philipp II. Augustus.
Die bewaffneten Pilger Das erste Ziel der Kreuzfahrer ist Sizilien, wo Richard den Familienzwist mit dem dortigen normannischen Herrscher Tankred von Lecce kurzerhand durch die Eroberung Messinas mit dem Schwert löst. 1191 setzt er seine Fahrt nach Osten fort und landet zunächst in Zypern, wohin das Schiff seiner
Schwester Johanna durch einen Sturm verschlagen worden ist. Die Insel wird zu dieser Zeit von Isaak Dukas Komnenos, einem Mitglied des byzantinischen Kaiserhauses, wie ein unabhängiges Königreich regiert. Dieser hatte einen Teil der zusammen mit Johanna gestrandeten Kreuzfahrer gefangen genommen und überdies ein Bündnis mit Saladin geschlossen. Als sich Isaak weigert, die Gefangenen freizulassen, stürmt Richard kurzentschlossen mit seinen Kriegern den Strand nahe der Stadt Limassol und vertreibt die von Isaak dort in Stellung gebrachten Truppen. Die Kreuzfahrer nehmen an-
Kampf um Akkon
HINTERGRUND
Sultan Saladin – „Ritter des Morgenlandes“
Das Leben Sultan Saladins ist ebenso von Legenden umrankt wie das seines Gegners Richard I. Löwenherz. Dabei genießt er besonders in der abendländischen Welt einen enormen Ruf als „edler Ritter des Morgenlandes“, der sein Wort niemals bricht und sich im Kampf stets ritterlich zeigt. Doch in der Realität ist auch er ganz ein Mensch seiner Zeit, und er hat als solcher keine Skrupel, nach der Schlacht von Hattin alle gefangenen Johanniter und Templer hinrichten zu lassen.
EBENBÜRTIGER GEGENSPIELER: Diese Darstellung aus dem 19. Jhd. zeigt Saladin als siegreichen Feldherren. Trotz erfolgreicher militärischer Operationen überlässt Richard I. in einem Vertrag seinem muslimischen Widersacher die Kontrolle von Jerusalem. Abb.: picture-alliance/Prisma Archivo
schließend Limassol ein und plündern die dortigen Vorräte. Isaak rückt mit weiteren Truppen bis in die Nähe der Stadt vor und plant für den nächsten Tag eine Schlacht gegen die Kreuzfahrer, doch Richard lässt bereits in der Nacht die Pferde von den Schiffen holen und macht sich für einen Angriff im Morgengrauen fertig. Die Truppen Isaaks werden völlig überrascht und vernichtend geschlagen, während er selbst unter Zurücklassung seines gesamten Schatzes gerade noch zu entkommen vermag. Die Eroberung der Insel durch Richard kann er jedoch nicht mehr aufhalten und gerät schließlich in Gefangenschaft. Damit verfügen die Kreuzfahrer über eine strategisch überaus wichtige, gesicherte Nachschubstation für den Kampf im Heiligen Land, die als Basis für die dortigen christlichen Territorien dient.
Das fallende Banner Dann macht sich Richard auf den Weg nach Palästina, wo die Dinge für die Christen seit Saladins Offensive nicht zum Besten ste-
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hen. Innerer Zwist, Machtkämpfe und die Bedrohung durch den großen muslimischen Herrscher haben die christlichen Gebiete an den Rand des Untergangs gedrängt. Am 8. Juni des Jahres 1191 trifft König Richard I. mit seiner Flotte vor Akkon
Der 1138 in Tikrit im heutigen Irak geborene Saladin ist kurdischer Abstammung und dient zunächst dem über Syrien herrschenden Zengidenfürsten Nur ad-Din als Militärführer. In dessen Auftrag nimmt er an einer Militärexpedition nach Ägypten teil, die das Land vor den Kreuzfahrern schützen soll. Dort löst er schließlich die schwache Dynastie der Fatimiden ab und begründet seine eigene Herrschaft. Nach dem Tod Nur ad-Dins bringt er zunächst Damaskus und Syrien unter seine Herrschaft und nimmt 1175 den Sultanstitel an. Als bedeutendster Herrscher der damaligen islamischen Welt stellt sich Saladin erfolgreich den Kreuzfahrern in den Weg und erobert von diesen Jerusalem zurück. Saladin stirbt, bald nachdem sein Widersacher Richard I. Palästina verlassen hatte, am 4. März 1193, doch sein Ruhm überdauert sowohl in der islamischen als auch der christlichen Welt die Jahrhunderte bis heute.
ein und schließt sich dort dem vorausgeeilten französischen König an. Die Belagerung der Stadt ist bereits in vollem Gange, und beide Könige stehen nun miteinander im Wettstreit um die Führungsposition im Belagerungsheer. Am 12. Juli kapituliert Akkon, und als die Banner der beiden christlichen Könige auf den Stadtmauern aufgepflanzt werden, reißen einige Gefolgsleute König Richards das ebenfalls auf den Mauern wehende Banner Herzog Leopolds V. von Österreich herunter. Damit hat sich Richard einen Feind geschaffen, der nun auf die Gelegenheit zur Rache wartet. Während König Philipp von Frankreich, angeblich aus gesundheitlichen Gründen, Palästina vorzeitig verlässt, setzt Richard, der froh ist, seinen Rivalen los zu sein, den Kreuzzug fort. Zunächst lässt er wegen der von Sultan Saladin nicht eingehaltenen Übergabebedingungen von Akkon etwa 3.000 muslimische Gefangene hinrichten. Von Akkon aus marschieren die Kreuzfahrer dann auf der uralten Küstenstraße, auf der schon die Heere der Pharaonen und Assyrer entlang gezogen waren, in Richtung Süden.
Sieg über Saladin Auf diesem Weg wird das taktische und strategische Können des Herrschers besonders deutlich. Das Kreuzfahrerheer formiert sich zu einem gewaltigen Karree, wobei die gepanzerten Fußkrieger die Seiten bilden, AUFRÜHRERISCHE VERWANDTSCHAFT: Während Löwenherz im Heiligen Land kämpft, organisiert sein Bruder Johann Ohneland (links) eine Rebellion. Richard I. schlägt diese nach seiner Heimkehr nieder. Abb.: picture-alliance/akg-images
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Feldherren nes nach Ägypten das Herz von Saladins Reich gerichteten, großen strategischen Feldzugs zu nutzen. Doch im Kriegsrat wird er überstimmt, und nach ergebnislosen Verhandlungen mit Saladin bricht Richard am 31. Oktober in Richtung Jerusalem auf.
Saladins ergreift die Initiative Der Feldzug wird nicht zuletzt aus Witterungsgründen abgebrochen, und Richard zieht sich nach Askalon zurück, das er zur stärksten Festung Palästinas ausbauen lässt. Die folgenden Monate sind angefüllt mit internen Streitigkeiten um die Macht in Palästina, gleichzeitig treffen aus England beunruhigende Nachrichten über eine Verschwörung seines Bruders Johann mit dem französischen König ein. Richard entscheidet sich trotz aller Sorge um sein Reich für das Bleiben, doch sein Plan eines Feldzuges nach Ägypten wird von den anderen Kreuzfahrern erneut abgelehnt. Auch der Marsch nach Jerusalem kommt nicht zustande, stattdessen ergreift Saladin die Initiative und er kann Anfang August des Jahres 1192 Jaffa, aber nicht dessen Zitadelle, erobern. Kurz darauf erscheint Richard von See her, und es gelingt ihm, die Stadt zurückzuerobern. Am 4. August kommt es vor den Mauern zu einer weiteren Schlacht zwischen Richard und Saladin. Der englische König
TOD IN DER SCHLACHT: Bei der Belagerung von Châlus 1199 wird Löwenherz von einem Pfeil getroffen und stirbt kurz darauf. Der Legende nach hat er dem feindlichen Todesschützen noch auf dem Sterbebett vergeben. Abb.: picture-allianc/akg
während die Ritter und der Tross sich innerhalb der Vierecksformation befinden. In der sommerlichen Hitze setzen die ständig unter dem Beschuss von Saladins berittenen Bogenschützen stehenden Kreuzfahrer ihren Weg unbeirrt fort.
Ungestümer Angriff Am 7. September stellt sich Saladin schließlich bei Arsuf zur Schlacht. Richard hatte zwar befohlen, den feindlichen Angriffen so lange standzuhalten, bis er das Zeichen zum Gegenangriff geben würde, doch zwei der mittlerweile bis zur Weißglut gereizten Ritter verlieren schließlich die Nerven und bre-
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chen aus der Formation aus, um sich auf die Feinde zu stürzen. Dabei reißen sie einen Teil der anderen Ritter mit, die ebenfalls nach vorne in den Kampf stürmen. Dies ist der kritische Moment der Schlacht, Richard handelt sofort und geht mit seinen eigenen Rittern nun selbst zum Angriff über, und „da hieb der König, der grimmige, [...] die Türken in jeder Richtung nieder […]“. Das Ergebnis ist ein vollständiger Sieg über den bis dahin für unbesiegbar gehaltenen Saladin. Kurz darauf ziehen die siegreichen Kreuzfahrer in die Stadt Jaffa ein. Richard plant das weiter südlich gelegene Askalon zu besetzen, um es als Basis ei-
FARBENPRÄCHTIG: Diese Lithographie nach Zeichnungen von Albert Kretschmer (1825–1891) zeigt normannische Kostüme aus der Zeit Richards I. Der König selbst ist in der unteren Reihe ganz links als Krieger und daneben als König abgebildet. Abb.: picture-alliance/akg
Lösegeld für den inhaftierten König legene Burg Trifels und entlässt ihn erst nach der Zahlung eines ungeheuren Lösegelds von 150.000 Silbermark sowie der Ableistung des Lehnseides. Kaum der Gefangenschaft entkommen, muss Richard in England die Rebellion seines Bruders Johann Ohneland unterdrücken. Danach kehrt er nach Frankreich zurück, um seine dortigen Besitzungen gegen die Angriffe Philipps II. zu schützen. Nachdem er mit diesem einen Waffenstillstand abgeschlossen hat, macht sich Richard daran, die Revolte eines Vasallen niederzuschlagen. Bei der Belagerung der Burg Châlus-Chabrol wird er jedoch von einem Armbrustbolzen tödlich verwundet. Er stirbt am 6. April 1199.
Abenteurer und König
IN GEFANGENSCHAFT: Auf der Burg Dürnstein (heute eine Ruine) in Österreich wird Löwenherz, mit französischem Einverständnis, festgeFoto: picture-alliance halten.
stellt seine Truppen in einer festen Schlachtordnung auf, wobei die Frontlinie von lanzenbewehrten Schildträgern gebildet wird. Dahinter befinden sich Paare von Armbrustschützen, von denen einer die Waffe lädt, während der zweite schießt. Die Aufstellung derartiger Formationen ist keine Erfindung Richards, sie findet sich in ähnlicher Form bereits in der älteren byzantinischen Militärliteratur. Die Normannen, von denen Richard ja abstammt, bewegten sich bereits vor den Kreuzzügen als Söldner im östlichen Mittelmeerraum, und daher ist anzunehmen, dass auch Richard Kenntnis von derartigen Kampftaktiken hat. Der Hagel der durchschlagskräftigen Armbrustbolzen bleibt nicht ohne Wirkung, und die Formationen halten jedem Angriff stand. Erneut geht Richard mit seinen Rittern zum Gegenangriff über und „[...] war ein Gigant in der Schlacht [...]. An jenem Tag leuchtete sein Schwert wie der Blitz [...]“. Richards erneuter Sieg über Saladin bleibt jedoch ohne Folgen, beide Seiten sind erschöpft, zudem ist der König erkrankt, und am 9. Oktober 1192 verlässt er schließlich Palästina.
Zusammenfassend kann man über Richard Löwenherz sagen, dass er weniger ein zielstrebiger König als vielmehr ein abenteuerlustiger Ritter ist, der sozusagen „neben-
„Wer fähig ist, mich, den König, zu töten, ist es wert, zum Ritter geschlagen zu werden.“ Der Legende nach die letzten Worte von König Löwenherz. In Wirklichkeit dürfte dem Todesschützen ein anderes Los zuteil geworden sein…
und lässt den als Kreuzfahrer unter dem Schutz der Kirche stehenden Richard in der Burg Dürnstein inhaftieren. 1193 übergibt er den Gefangenen schließlich Heinrich VI., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Dieser bringt Richard in die in der Pfalz ge-
Die Rache des Herzogs Wegen der fortgeschrittenen Jahreszeit ist eine Rückfahrt nach England über Gibraltar zur See nicht mehr möglich. Richard wählt daher mit einigen Begleitern den Seeweg nach Istrien, um von dort aus den Weg über Land in Richtung Böhmen einzuschlagen. Doch nahe Wien wird seine Tarnung durchschaut, und Herzog Leopold V. von Österreich sieht nun eine hervorragende Gelegenheit, sich für die Demütigung von Akkon zu rächen. Er zögert keine Sekunde
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KÖNIGLICHE RUHESTÄTTE: Das Grabmal Richards I. liegt in der Abteikirche Notre-Damede-Fontevrauld. Auch sein Vater Heinrich II. ist hier beigesetzt zu Lebzeiten waren beide Gegner. Foto: picture-alliance/akg-images/Erich Lessing
bei“ auch ein Herrscheramt ausübt. Persönlich außerordentlich mutig und immer im dichtesten Kampfgetümmel zu finden, führt er seine Truppen immer „von der Front“ aus: In Messina erstürmt Richard an der Spitze seiner Männer die Tore, in Jaffa springt er vom Schiff und bildet mit seinen Truppen einen wichtigen Brückenkopf, während er sich in den Schlachten von Arsuf und Jaffa ebenfalls inmitten des Kampfes befindet. Interessant ist dabei auch, was die „feindlichen“ islamischen Quellen über die Persönlichkeit Richards berichten. Sie rühmen seine „Weisheit, Erfahrung, Tapferkeit und Energie“, fürchten aber auch „die Schläue dieses verfluchten Mannes. Um seine Ziel zu erreichen, benutzt er manchmal sanfte Worte, manchmal gewaltsame Taten. Gott allein war fähig, uns vor seiner Bosheit zu retten. Niemals mussten wir einem scharfsinnigeren oder kühneren Gegner die Stirn bieten.“ Soweit der Chronist Baha ad-Din, einer der fähigsten Kommandeure Sultan Saladins, der hier ein wohl treffendes Bild König Richards I. zeichnet. Otto Schertler, Jg. 1962, studierte Vorderasiatische Archäologie, Ethnologie sowie Vor- und Frühgeschichte an der Universität München. Er lebt und arbeitet als Autor und Übersetzer in München.
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Museum
ANSCHAULICH: Blick in einen der ehemaligen Ställe, in denen bis zu 72 Pferde unterkamen. Foto: Autor
Das Garnisonsmuseum Wünsdorf
An historischer Stätte Zossen-Wünsdorf zählt zu Deutschlands bedeutendsten ehemaligen Militärstandorten. Von dort aus wurde zeitweilig sogar die Weltgeschichte beeinflusst. Das Garnisonsmuseum Wünsdorf hält die Erinnerung an seine wechselvolle Geschichte wach. Von Thomas Gliesche
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der Nutzung des Militärstandortes in den Jahren 1910 bis 1945 gewidmet. Im ersten Ausstellungsbereich wird die Entstehungsgeschichte des Truppenübungsplatzes und Truppenlagers („Stammlager Zossen“) gezeigt. Die Geschichte des heute nicht mehr existierenden Ortes Zehrensdorf wurde in diesem Zusammenhang aufgearbeitet. So erhält der Besucher vielfältige In-
zum Artillerie-Schießplatz Kummersdorf verlief. Das 2001 eröffnete Garnisonsmuseum Wünsdorf befindet sich in einem sanierten, um 1911 erbauten Pferdestall. Hier werden die in langjähriger Forschungsarbeit gewonnenen Erkenntnisse in Wort und Bild präsentiert. Zahlreiche, zum Teil sehr unterschiedliche Exponate sind auf rund 400 Quadratmetern Ausstellungsfläche zu sehen. Die Dauerausstellung ist vornehmlich der Zeit
KONTAKT Förderverein Garnisonsmuseum Wünsdorf e.V. Gutenbergstraße 9, 15806 Zossen OT Wünsdorf Telefon: 033702 65451 E-Mail:
[email protected] Internet: www.garnisonsmuseum-wuensdorf.de Foto: Autor
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und 40 Kilometer südlich von Berlin befindet sich die Ortschaft Wünsdorf. Ein Jahr vor Abzug des in Wünsdorf stationierten Oberkommandos der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland im Jahr 1994 trafen sich hier militärhistorisch Interessierte und gründeten den „Militärhistorischen Verein Zossen-Wünsdorf“, seit 1997 „Förderverein Garnisonsmuseum Wünsdorf e.V.“. Die Vereinsmitglieder erforschen seitdem die Militärgeschichte von Zossen und Wünsdorf. Wie kam es zur Errichtung der Garnison in Zossen-Wünsdorf? Um 1900 war das Tempelhofer Feld als Übungsgelände für das Berliner Gardekorps zu klein geworden. Aus diesem Grund entschied das preußische Kriegsministerium im Jahre 1906, an der von Zossen in Richtung Baruth führenden Chaussee einen Truppenübungsplatz mit Truppenlager einzurichten. Ein weiterer wesentlicher Grund für die Standortwahl war die seit 1875 bestehende Bahnstrecke der Königlich Preußischen Militär-Eisenbahn, die von Berlin über Zossen
EINLADEND: Blick auf den Eingangsbereich des Garnisonsmuseums Wünsdorf, das in einem sanierten Pferdestall untergebracht ist.
Öffnungszeiten: April bis Oktober: tägl. 10.00 – 17.00 Uhr November bis März: Montag Ruhetag, ansonsten nur nach telefonischer Voranmeldung unter Tel.: 033702 9600 (Bücherstadt Tourismus GmbH)
ÜBERREST: Ruine eines Bunkerhauses der Bunkersiedlung „Maybach I“ im heutigen Zustand. Foto: Vereinsarchiv FV Garnisonsmuseum Wünsdorf
TEILANSICHT: Blick auf das „Stammlager Zossen“.
formationen über das einstige „Soldatendorf“ sowie über die Schicksale von Bewohnern, die ihr Dorf verlassen mussten. Ein weiterer Bereich informiert über die Infanterieschießschule in Wünsdorf, die nach nur zweijähriger Bauzeit am 1. Oktober 1913 zur Nutzung übergeben wurde. Hier wurden Offiziere und Unteroffiziere mit der Schießlehre vertraut gemacht, aber auch sämtliche Hand- und Maschinenfeuerwaffen erprobt. Ein weiteres Thema ist das im August 1914 infolge des Ersten Weltkriegs errichtete Kriegslager in Wünsdorf. In diesem Barackenlager sorgten Ersatztruppenteile für den Personalersatz zum Ausgleich der hohen Menschenverluste der Stammregimenter an den Fronten. Im September 1914 entstand in Zossen ein Kriegsgefangenenlager, das sogenannte „Weinberglager“. Im Dezember 1914 VIELFÄLTIGE EXPONATE: Auch Uniformen der Wehrmacht werden den Besuchern präsentiert. Foto: Autor
Foto: Vereinsarchiv FV Garnisonsmuseum Wünsdorf
folgte in Wünsdorf das „Halbmondlager“. In diesen Lagern waren ausschließlich muslimische Kriegsgefangene untergebracht, die aus den britischen und französischen Kolonien und aus Staaten des britischen Herrschaftsgebietes stammten. Da die Militärturnanstalt in Berlin veraltet war, wurde ein Neubau geplant und als Standort Wünsdorf bestimmt. So entstand die im Oktober 1916 fertig gestellte Militärturnanstalt Wünsdorf, die später in „Heeressportschule“ umbenannt wurde. Über die damalige Sportausbildung, aber auch über die Vorbereitung von Militärsportlern auf die Olympischen Spiele 1936 informiert das Museum und zeigt vielfältige Exponate. 1937 begannen in Zossen umfangreiche Baumaßnahmen zur Errichtung eines geheimen Nachrichtenbunkers mit Tarnnamen „Zeppelin“ sowie von zwölf Bunkerhäusern für das Hauptquartier des Oberkommandos des Heeres (OKH), die sogenannte Bunkersiedlung „Maybach I“. Die Arbeiten an einer zweiten, aus elf Bunkern bestehenden Siedlung „Maybach II“ begannen 1940. Im Ausstellungsbereich zur Geschichte der Garnison von den 1920er-Jahren bis 1945 wird die Entstehung weiterer Kasernenanlagen an diesem
ÜBERBLEIBSEL: Glasvitrine mit Relikten des Zweiten Weltkriegs. Foto: Autor
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BLICK IN DIE VERGANGENHEIT: Aufnahme der Bunkersiedlung „Maybach I“, 1939/40. Foto: Vereinsarchiv FV Garnisonsmuseum Wünsdorf
Standort dokumentiert. Ebenso spielt die Entwicklung der deutschen Panzertechnik eine große Rolle. Schon 1928 wurden erste Prototypen in Kasan (Russland) getestet. Mit der Stationierung der Panzertruppenschule und ihrer Lehrtruppen entstand ab 1935 in Wünsdorf das organisatorisch-geistige Zentrum der Panzerwaffe des deutschen Heeres. Die Aufstellung der Panzer-Regimenter 5, 6 und 8 erfolgte ebenfalls in Zossen und Wünsdorf. Viele Exponate und Erlebnisberichte konnte der Verein für das Museum von Zeitzeugen und ehemaligen Angehörigen des Panzer-Regiments 5 sammeln. Diese Einblicke in einige ausgewählte Ausstellungsbereiche können nur einen Ausschnitt dessen widerspiegeln, was den Besucher im Garnisonsmuseum Wünsdorf erwartet.
ABWECHSLUNGSREICH: Blick in die verschiedenen Ausstellungsbereiche des Garnisonsmuseums. Foto: Autor
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Nr. 13 | 3/2013 | Mai-Juni | 3.Jahrgang
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„Völkerschlacht“ bei Leipzig 1813 Der Triumph der „Koalition“ über Napoleon Oktober 1813: Vor 200 Jahren findet bei Leipzig eine der wichtigsten Entscheidungsschlachten der „Befreiungskriege“ gegen Napoleons Fremdherrschaft statt. Sie geht schließlich als „Jahrhundertschlacht“ in die Geschichte ein.
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Kampf um Charkow 1943 Hitlers letzter Sieg im Osten Frühjahr 1943: Der Südflügel der deutschen Ostfront befindet sich auf dem Rückzug. Um die Front wieder zu stabilisieren, entscheidet sich Hitler für eine Gegenoffensive in Richtung Charkow...
Revolutionäre Entwicklung
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Ende 1944: Die Me 262 gilt als „Wunderwaffe“ der Luftwaffe. Das modernste Kampfflugzeug des Zweiten Weltkrieges beeinflusste die Flugzeugentwicklung nach Kriegsende weit über 1945 hinaus...
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Außerdem im nächsten Heft: Kampf um Wien 1683. Sieg des „Abendlandes“. Joseph Wenzel Graf Radetzky von Radetz (1766–1858). Österreichs berühmter Feldherr. Und viele andere Beiträge aus den Wissengebieten Geschichte, Militär und Technik.
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