6/2014 November | Dezember
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A: € 6,30 CH: sFr 11,00 BeNeLux: € 6,50 SK, I: € 7,45 S: SKR 75 N: NOK 79 FIN: € 8,10
Das Magazin für Militärgeschichte
Westwall ’44
So eroberten die Alliierten Aachen
Panzerhaubitzen Bundeswehr und NVA: Artillerie im Vergleich
U 995 in Laboe Einzigartige Gedenkstätte für die Marine
Attilas Fiasko Katalaunische Felder: So triumphierte Westrom über die Hunnen
1956–1990
Wie schlagkräftig waren die DDR-Streitkräfte wirklich? MILITÄRTECHNIK IM DETAIL
Avro Lancaster
Das Rückgrat der britischen Bomberwaffe
n e d n e g e L e t f ü L r e d
GeraMond Verlag GmbH, Infanteriestraße 11a, 80797 München
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Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, vor 25 Jahren – am 7. Oktober 1989 – veranstaltete die DDR-Staatsführung anlässlich des 40. Jahrestages der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik eine große Militärparade in Ost-Berlin. Soldaten der Nationalen Volksarmee präsentierten sich mit ihren Fahrzeugen und Waffen vor Staatsgästen aus dem In- und Ausland und demonstrierten der Weltöffentlichkeit die militärische Stärke des sozialistischen Staates. Doch nur vier Wochen später, am 9. November 1989, läutete der Fall der Mauer endgültig den Anfang vom Ende der DDR und ihrer hochgerüsteten Streitkräfte ein. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich Einheiten der Nationalen Volksarmee und der Bundeswehr mehr als drei Jahrzehnte entlang der deutsch-deutschen Grenze alles andere als freundschaftlich gegenüber gestanden. Eingebunden in die Militärblöcke in Ost beziehungsweise West waren die Soldaten beiderseits der Grenze militärische Rivalen und dienten zwei gegensätzlichen politischen Systemen. Doch dann geschah etwas Einmaliges: Im Zuge der Wiedervereinigung Deutschlands übergab der Minister für Abrüstung und Verteidigung der DDR, Rainer Eppelmann, seinem westdeutschen Amtskollegen Gerhard Stoltenberg in einem offiziellen Akt die Nationale Volksarmee. Die ehemaligen NVA-Soldaten gelobten als Bundeswehrangehörige, von nun an der Bundesrepublik Deutschland – dem einstigen „Klassenfeind“ – treu zu dienen. „Streitmacht des Kalten Krieges“ haben wir unsere aktuelle Titelgeschichte zur Nationalen Volksarmee überschrieben. Darin erfahren Sie alles Wissenswerte über die Entstehung der NVA, über ihre Entwicklung zum „Musterschüler“ des Warschauer Paktes bis hin zu ihrem Ende im Oktober 1990. Eine sehr erkenntnisreiche Lektüre wünscht Ihnen
Dr. Tammo Luther Verantwortlicher Redakteur
Clausewitz 6/2014
11. Folge Krieger, Söldner & Soldaten
Das Ende der weißen Herrschaft in Afrika Zu Beginn der 1950er-Jahre erschüttert die als „Mau-Mau“ bekannte Aufstandsbewegung Kenia. Ihr Ziel ist das Ende der britischen Kolonialherrschaft. Es folgt ein brutaler Guerillakrieg, den die Briten militärisch gewinnen.
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er Begriff „Mau-Mau“ bezeichnet Geheimbünde innerhalb des ostafrikanischen Volkes der Kikuyu, in dem diese Bewegung ihre Wurzeln hat. Seine Herkunft ist nicht eindeutig zu klären, möglicherweise leitet er sich von einer geografischen Bezeichnung des Ursprungsgebietes der Rebellenbewegung ab. Der Grund für den Aufstand liegt in einer stetigen Verdrängung der Kikuyu aus ihrem traditionellen Lebensraum durch weiße Siedler. Doch die militärischen Aktionen der Mau-Mau richten sich nicht nur gegen jene, sondern in großem Maße auch gegen alle anderen Afrikaner, die mit den Briten zusammenarbeiten. Die Krieger der Mau-Mau bringen aus Mangel an Gewehren zunächst ihre klassischen Waffen zum Einsatz. Dazu gehören in erster Linie Speere und
bunt bemalte Schilde, wobei die Motive auf den Schilden Auskunft über soziale Stellung und Herkunft des Kriegers geben. Die Bewaffnung wird durch kurze, mit sich nach vorne verbreiternder Klinge versehene Schwerter (seme), Hiebmesser (panga) und kleine Kampfmesser vervollständigt. Im Lauf der Zeit gelangen auch immer mehr moderne Gewehre in die Hände der Mau-Mau. Die Mau-Mau nutzen die Natur ihres Landes zum Führen eines Guerillakrieges, der zahlreiche Einflüsse der traditionellen afrikanischen Kriegführung aufweist, wobei Überfälle oder Hinterhalte eine große Rolle spielen. Da die Mau-Mau in der Handhabung ihrer traditionellen Waffen von Jugend an trainiert sind, benötigen sie nur eine Ausbildung für den modernen Kleinkrieg. Diese bekommen sie von kenianischen Veteranen der britischen Armee, welche die Mau-Mau in die Verwendung moderner Waffen und die entsprechenden Kampftaktiken einweisen. Dadurch entsteht zum Teil
FAKTEN Zeit: 1952–1956 Uniform: Traditionelle Kleidung Hauptwaffe: Speer, Schild, Schwert (seme), Hiebmesser (panga) Kampftaktik: Guerillataktik Mau-Mau im Film: Flammen über Afrika (1957)
eine an die britische Armee angelehnte Struktur. Ein wichtiger Bestandteil der Bewegung sind sowohl der Glaube an Magie als auch die Ablegung des Mau-Mau-Eides, der auf einem überlieferten Ritual der Kikuyu beruht. Dabei verpflichtet sich das Neumitglied zur absoluten Geheimhaltung. Der Bruch des Eides wird mit der Todesstrafe geahndet. Militärisch gesehen sind die Briten nach einigen Jahren harten Kampfes zwar die Sieger dieses Krieges, jedoch bleibt der politische Erfolg aus. Bereits 1963 müssen sie Kenia in die Unabhängigkeit entlassen. GEHEIMBUND GEGEN GROßBRITANNIEN: Die Mau-Mau sind eine Guerilla-Bewegung, die das „British Empire“ aus Kenia vertreiben will. Die Abbildung zeigt einen dieser Krieger mit seiner traditionellen Ausrüstung. Er trägt einen Speer und einen mit Tierhaut überzogenen Schild. Abb.: Johnny Shumate
Inhalt Titelgeschichte | NVA
Die Nationale Volksarmee der DDR
Streitmacht des Kalten Krieges
Titelthema Streitmacht des Kalten Krieges.
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Januar 1956: Die DDR-Volkskammer beschließt den Aufbau einer „Nationalen Volksarmee“. Im geteilten Deutschland entsteht damit eine weitere militärische Streitmacht. Der Konflikt zwischen den Machtblöcken in Ost und West spitzt sich dramatisch zu. Von Dieter Flohr
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Die Nationale Volksarmee.
Von der Freiwilligen- zur Pflichtarmee.
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Rekrutierung und Dienst in der NVA.
„Waffenbruder“ und „Waffenschmiede“. ...........................................28 Bewaffnung und Ausrüstung der NVA.
DEMONSTRATION DER STÄRKE Militärparade der NVA mit Panzerhaubitzen am 7. Oktober 1986 in Ost-Berlin anlässlich des 37. Jahrestages der DDR-Gründung. Die DDR-Führung signalisiert dem Westen die militärische Macht und Entschlossenheit des „ArbeiterFoto: picture-alliance/ZB©dpa-Report und Bauernstaates“.
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Clausewitz 6/2014
Mechanisierte Kriegführung: Die NVA vereinte Feuerkraft und Mobilität. Foto: Militärhistorisches Museum der Bundeswehr
Magazin Neues zur Militärgeschichte, Ausstellungen und Bücher.
Schlachten der Weltgeschichte
Schlachten der Weltgeschichte .....................
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Militär und Technik
Aachen 1944: Die Alliierten durchbrechen den „Westwall“.
Schussgewaltige Stahlkolosse
Der Zeitzeuge
Kampfeinsatz über der „grünen Hölle“
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Als Hubschrauberpilot in Vietnam. Militärtechnik im Detail
Großbritanniens schwerer Bomber „Avro Lancaster“ ......................................................................................40 Der gefürchtete Standardbomber der Royal Air Force. 4
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„Hunnensturm“ über Europa. Die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern 451 n. Chr.
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Die Panzerhaubitzen von Bundeswehr und NVA während des Kalten Krieges.
Das Wikingerschiff
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Maritime „Hochtechnologie“ des Frühmittelalters. Titelbild: Im Falle eines NATO-Angriffs hatte die NVA den Auftrag, den Krieg rasch auf das feindliche Territorium zu tragen. Das Bild zeigt das offensive Vordringen im Gelände mit Unterstützung von Kampfpanzern und Schützenpanzerwagen.
Schlachten der Weltgeschichte | Aachen 1944
Schlachten der Weltgeschichte | Katalaunische Felder 451 den er den vermeintlichen Siegern hinterlassen hat, ist ihm nun freilich unangenehm. Er versucht daher, ihn wieder an sich zu bringen. Ein beflissener Bürger war jedoch schneller und schwärzt den General an. Es riecht verdächtig nach „Defätismus“. Das „Führerhautquartier“ kommt zu demselben Ergebnis und schiebt Schwerin in die „Führerreserve“ ab. Neuer Divisionskommandeur wird General Siegfried von Waldenburg.
Schlacht um Aachen 1944
Kampf um die Kaiserstadt September 1944: Die Alliierten stoßen bis zur deutschen Westgrenze vor. Nun wollen sie mit Aachen die erste Großstadt des Reiches erobern. Doch ihre Annahme, der Gegner sei bereits geschlagen, erweist sich als verhängnisvoller Irrtum. Von Stefan Krüger
Die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern
Unverhoffter Nachschub
NEUGIERIG BEGUTACHTET: Teile einer SS-Panzerdivision sammeln sich in einem Dorf westlich von Aachen. Ein Halbkettenfahrzeug (Sd.Kfz. 251/7) wird von Kindern und Jugendlichen bestaunt. Die mittleren Pionierpanzerwagen führten oft Sturmbrücken als Grabenüberschreithilfe sowie weiteres Pioniergerät mit sich. Foto: Sammlung Anderson
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ühsam quälen sich die Fahrzeuge der 116. Panzerdivision Richtung Osten. Ihr Ziel heißt Aachen. Denn hier beginnt die vorderste Linie des „Westwalls“ und hier, so hoffen die Männer, muss es doch wieder eine deutsche Verteidigungslinie geben. Doch der Divisionskommandeur Generalleutnant Gerhard Graf von Schwerin und seine Soldaten sehen sich darin bitter getäuscht. Als sie am 12. September 1944 in der altehrwürdigen Kaiserstadt ankommen, herrscht in Aachen das blanke Chaos. Eigentlich hat die örtliche NSDAP den Auftrag, die Zivilisten zu evakuieren. Die „Parteibonzen“ aber waren auch hier die ersten, die sich aus dem Staub gemacht und die Aachener ihrem Schicksal überlassen haben. Zwar hat der Garnisonskommandant Ersatzeinheiten aufgestellt, um den „Westwall“ an dieser Stelle zu besetzen. Doch handelt es sich um Soldaten, deren schlechte Ausbildung nur noch von der mangelhaften Qualität ihrer Ausrüstung übertroffen wird. Dafür tragen diese Einheiten teils martialische Bezeichnungen wie „Festungs-MG-Bataillon 34“. Zeit bleibt auch keine mehr, da das VII. US-Korps nur noch wenige Kilometer von Deutschlands westlichster Großstadt entfernt ist.
für die US-Amerikaner, in der er sie bittet, die Zivilbevölkerung schonend zu behandeln. Er vermutet nämlich, dass die 1. US-Division in den nächsten Stunden ins Stadtinnere einrücken wird. Doch dann geschieht etwas Erstaunliches – nämlich nichts. Die Amerikaner verharren, als würden sie eine neue Teufelei der Deutschen fürchten. Damit vergeben sie die einmalige Chance, Aachen im Handstreich zu besetzen. General Schwerin nutzt die Gelegenheit und wirft seine Division wieder nach vorne. Außerdem stoppt er die Evakuierung. Denn diese verläuft ohnehin viel zu chaotisch. Der Zettel,
Die deutsche Verteidigung nimmt nun sichtlich Formen an. So graben sich nordwestlich der Stadt die Soldaten der 49. und 275. Infanteriedivision ein, während Waldenburgs Panzer zu den südwestlichen Stellungen des „Westwalls“ rasseln. Die Deutschen vermuten, dass es hier in den nächsten Tagen besonders kritisch aussehen wird – zu Recht. In Aachen selbst verschanzen sich derweil die Ersatzeinheiten der Garnison. Zusammen gefasst sind sämtliche Verbände und Einheiten unter dem Kommando des LXXXI. Armeekorps. Und während sich die Stäbe ordnen, reiben sich die alten, desillusionierten „Landser“ der Wehrmacht verblüfft die Augen, denn sie sehen etwas, was sie schon lange nicht mehr erblickt haben: Nachschub. Panzer, Sturmgeschütze, Haubitzen und Handfeuerwaffen kommen an die Front. Man merkt, dass das Ruhrgebiet nicht mehr weit entfernt ist. Auf der anderen Seite der Front ahnt Feldmarschall Bernard Montgomery, der die britische 21. Heeresgruppe der alliierten Expeditionsstreitkräfte führt, dass die Wehrmacht noch lange nicht geschlagen ist. Zu-
451 n. Chr.: Attilas Hunnen dringen in das Weströmische Reich ein. Im Nordosten Galliens gelingt es dem Heermeister Flavius Aëtius, die Invasoren zu stellen. Es kommt zu einer der berühmtesten Schlachten der Spätantike. Von Daniel Carlo Pangerl
Vergebene Chance Graf von Schwerin gibt sich keinen Illusionen hin. Zwar hat er tags zuvor den Befehl erhalten, Aachen zu verteidigen, doch seine geschundene Division ist noch nicht gefechtsbereit. Sie muss sich zunächst östlich der Stadt sammeln. Er eilt daher ins Telegrafenamt und hinterlässt dort eine Nachricht
GROßES KALIBER: Deutsche Artillerie nimmt im Raum Aachen die nach Osten vorstürmenden Truppen des Gegners unter Beschuss. Foto: picture-alliance/Süddeutsche Zeitung Photo
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IM SCHUTZ DER HAUSWAND: Deutsche Soldaten durchqueren das Aachener Stadtgebiet 1944, hier Angehörige der 246. Volksgrenadierdivision. Foto: picture-alliance/ZB©dpa
Gemälde „Hunnenschlacht“, mit dem er inhaltlich an die Volkssage anknüpft. Die sehr langwierige Vorgeschichte der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern setzt bereits 375 ein: In jenem Jahr überschreitet das Steppenvolk der Hunnen den Fluss Don. Begleitet werden die Hunnen von den Alanen, einem indoiranischen Stamm, den sie kurz zuvor unterworfen haben.
Hunnische Truppen Befehlshaber: Attila Truppenstärke: unbekannt, Schätzungen reichen von 30.000 bis 50.000 Mann Verluste: unbekannt
Sicherheitsrisiko und Schock Die hunnische Expansion löst eine fluchtartige Wanderbewegung von mehrheitlich germanischen Stämmen aus, die um Aufnahme in das sichere Römische Reich ersuchen. Diese Ereignisse markieren den Beginn der sogenannten „Völkerwanderung“, eine der dramatischsten und folgenreichsten Phasen in der Geschichte Europas. Die Hunnen dringen unaufhaltsam nach Westen in den Raum der heutigen Ukraine vor. Dort erobern sie das Siedlungsgebiet der germanischen Ostgoten östlich des Flusses Dnjestr. Ein Großteil der Ostgoten gerät unter die GÖTTERGLEICHE GERMANEN: Diese Illustration vom Anfang des 20. Jahrhunderts zeigt einen Farbdruck nach Max Koch, und stammt aus dem Buch „Die Heldensagen der Germanen“. Der „germanische“ Sieg (auf römischer Seite kämpfen viele Germanen) über die „Aggressoren aus der Steppe“ wurde früher als Verteidigung Europas interpretiert. Sicher ist: Die Schlacht ist gewaltig gewesen – doch Germanen standen auf beiden Seiten.
Militär und Technik | Panzerhaubitzen
Militär und Technik | Wikingerschiff
Die Schiffe der Wikinger
Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann
FAKTEN
Das Wikingerschiff
Bauzeit: Etwa ein halbes Jahr Länge: 20–30 m Breite: 3–5 m Tiefgang: etwa 1 m Besatzung: 40–80 Mann Geschwindigkeit: 3–4 Knoten (5–7 km/h) beim Rudern und 10–11 Knoten (18–20 km/h) unter Segeln (alle Angaben im Durchschnitt)
STARKES KALIBER: In ihrer Frühphase beschafft die Bundeswehr 16 Panzerhaubitzen vom Typ M55. Ihre Hauptbewaffnung besitzt das stattFoto: Bundeswehr/Streitkräfteamt liche Kaliber von 202,3 Millimetern.
Panzerhaubitzen von NVA und Bundeswehr
Schussgewaltige Stahlkolosse Mitte 1950er-Jahre: Mit der Gründung von Bundeswehr und Nationaler Volksarmee hält ein mobiles schussgewaltiges Waffensystem Einzug in beide deutsche Armeen – die Panzerhaubitze. Von Jörg-M. Hormann und Ulf Kaack ie Panzerhaubitze stellt die Weiterentwicklung der von Pferden oder Fahrzeugen gezogenen Feldhaubitzen dar. Erstmals kam sie während des Zweiten Weltkrieges zum Einsatz: Vorreiter waren die M7 Priest der US-Amerikaner sowie die deutsche Panzerhaubitze vom Typ „Wespe“. Die Einführung dieser Waffen sollte die klassische Artillerie flexibler und unabhängiger machen. Bei der Panzerhaubitze ist das Geschütz in den Turm integriert, der Besatzung und Material vor Witterung und feindlicher Waffenwirkung schützt. Panzerhaubitzen werden primär artilleristisch eingesetzt, können aber auch gegen direkte Ziele eingesetzt werden. Die M7 B2 Priest bildet im Westen die Erstausrüstung der Panzerartillerie. 1941 in den USA entwickelt, kommt sie während des Zweiten Weltkrieges und im Koreakrieg (1950–1953) zum Einsatz. Das Waffensystem basiert auf dem Fahrgestell des Kampfpanzers M4 Sherman. Als Hauptbewaffnung
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IN FEUERSTELLUNG: Panzerhaubitzen 2S3M der NVA mit höchster Rohrerhöhung beim Aufmunitionieren. Der Ladeschütze im Vordergrund hebt gerade die Kartusche einer Sprenggranate aus der Transportkiste.
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Römische Truppen Befehlshaber: Flavius Aëtius Truppenstärke: unbekannt, Schätzungen reichen von 30.000 bis 45.000 Mann Verluste: unbekannt
Abb.: picture-alliances/akg-images
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yrische Worte, prosaischer Hintergrund: „Sie schleichen wie der Nebel schleicht, der nachts vom Moor zum Berge steigt, der Busch und Baum und Menschenkind im Schlaf mit eklem Gift umspinnt. Sie brechen gleich dem Sturm hervor, der Tannen knickt wie dürres Rohr; dem Strome gleich, der überschwillt und Stadt und Dorf mit Jammer füllt: Die Hunnen, die Hunnen!“ So beschreibt der deutsche Dichter Friedrich Wilhelm Weber (1813–1894) in seinem Gedicht „Die Hunnen“ das berüchtigte Steppenvolk. Der Einfall der Hunnen in Europa ab 375 n. Chr. ist ein regelrechtes Schockerlebnis für die spätantike römische Bevölkerung. Erst im Jahr 451 kann der Heermeister Flavius Aëtius ihren Vormarsch stoppen: Ab der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern beginnt der Stern der Hunnen zu sinken. Bald darauf verlassen sie das Römische Reich. Seither hat diese Schlacht Generation über Generation fasziniert, bis heute. Die spätantike und mittelalterliche christliche Geschichtsschreibung stilisiert dieses Ereignis zum Glaubenskrieg zwischen christlichen Römern und heidnischen Hunnen. Überdies entsteht eine Volkssage: Dieser zufolge sollen die auf dem Schlachtfeld gefallenen Krieger als Geister fortleben und den Kampf in den Wolken weiterführen. Auch für Künstler ist diese Schlacht eine Inspirationsquelle. Der deutsche Maler Wilhelm von Kaulbach (1805–1874) etwa kreiert 1837 das
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verfügt sie über ein 105-mm-Geschütz. Dieses Standardgeschütz der U.S. Army verfügt über hervorragende ballistische Eigenschaften. In Fahrtrichtung rechts neben dem Geschütz ist in einer drehbaren Kanzel ein Kaliber .50-Browning-MG (12,7 mm) zur Fliegerabwehr und Nahbereichsverteidigung eingebaut. Dieser Kanzel verdankt die M7 B2 ihren Spitznamen „Priest“, zu Deutsch Priester, da sie an die Predigerkanzel in einer Kirche erinnert. Die Bundeswehr setzt die „Priest“ seit 1956 ein und löst sie wenige Jahre später durch die leistungsfähigere M52 ab. Wie ihre Vorgängerin M7 B2 Priest bildet die mittlere Panzerhaubitze M52 eine Übergangslösung. Als Hauptbewaffnung trägt sie eine 105-mm-Kanone vom Typ M49, die seitlich um 60 Grad schwenkbar ist. Die Kadenz beträgt 15 Schuss pro Minute, die maximale Schussweite 11.105 Meter. Die M52 basiert auf dem Fahrgestell des M41 Walker Bulldog. Der Sechszylinder-Continental-Motor
war vorn in Fahrtrichtung angeordnet, so dass der Rumpf des Panzers praktisch rückwärts fuhr. Um das Kippen der Fahrzeuge nach hinten zu verhindern, musste eine achterliche Stützrolle abgesenkt werden. Später wurde eine Erdspornplatte zur Erhöhung der Sicherheit nachgerüstet. Insgesamt ist die M52 und ihr Bedienkonzept bei ihrer Einfü hrung bei der Bundeswehr bereits veraltet. Ab Mitte der 1960er-Jahre lö st die Panzerhaubitze M109 die M52 ab.
tischen Besatzungszone (SBZ) übertragen. Lediglich die Grenzkontrollen werden weiterhin gemeinsam mit sowjetischen Soldaten durchgeführt. Kurz nach der Berliner Blockade verfügt die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) die Kasernierung der ersten Einheiten der Volks-
polizei. Seit Juli 1948 bilden diese kasernierten Einheiten gemeinsam mit der DGP die Hauptabteilung Grenzpolizei und Bereitschaften (HA GP/B) in der DDR-Verwaltung des Innern. Hier liegt der Ursprung der späteren Nationalen Volksarmee (NVA), denn von Anfang an geht es bei der Konstruktion
Lange bevor in der Bundesrepublik über die Wiederbewaffnung und die Bundeswehr nachgedacht wird, werden in der werdenden DDR „Nägel mit Köpfen“ gemacht. Schon seit dem 1. Dezember 1946 hat die russische Besatzungsmacht die Deutsche Grenzpolizei (DGP) aufstellen lassen. Der Spezialpolizei wird die Überwachung und Sicherung der Demarkationslinie der Sowje-
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URVATER: Der Aufbau der amerikanischen „Priest“ erinnert an die Kanzel eines Predigers. Foto: Bundeswehr/Streitkräfteamt
Eines der Panzerfahrzeuge der ersten Stunde ist die Selbstfahrlafette (SFL) SU-76M. Sie wird bereits ab 1949 von der DDR-Führung beim „Großen Waffenbruder“ in größerer Menge gekauft. Bis 1953 sichern 209 dieser Selbstfahrlafetten die Demarkationslinie quer durch das geteilte Deutschland. Übergeben wurden die Selbstfahrlafetten SU-76M 1949 an die Bereitschaften der Volkspolizei in Burg, Großenhain und Pinnow und an die Schule der VP Priemerwalde. Als Fahrzeugbasis der SU-76M wird das um eine Laufrolle verlängerte Fahrgestell des leichten sowjetischen Panzers T-70M verwendet. Ursprünglich besitzt die Selbst-
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Spurensuche ie Entstehungsgeschichte der Burg und Festung Ehrenbreitstein reicht ins hohe Mittelalter zurück. Auf schroffer Höhenlage, der Moselmündung direkt gegenüber, wird das Gelände befestigt (um 1000), dann zur Burganlage erweitert und ausgebaut (1152–1169). Die Anlagen tragen den Namen „Helfenstein“, benannt nach dem reichsten und einflussreichsten Adelsgeschlecht im Dienste der Erzbischöfe von Trier, denen die Stadt Koblenz und die Burg gehört. Diese Burg wird unter der Herrschaft des Erzbischofs Richard von Greiffenklau (1511/31) zur Festung ausgebaut. Seither dehnt sie sich über die gesamte nördliche Hochfläche in der Länge von circa 750 Metern und in einer Breite von etwa 300 Metern aus.
Wichtiger Stützpunkt Seit dieser Zeit ist sie zur Residenz der Erzbischöfe von Trier geworden, die im mittleren 14. Jahrhundert auch Kurfürsten sind und das Wahlrecht zum deutschen König ausüben. Und sie ist gleichzeitig ein sicheres Gewahrsam für die kostbaren Reliquien und das Archiv der Erzbischöfe. Erst im Verlaufe des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648) wird die Festung militärisch genutzt, nachdem Kurtrier sich einvernehmlich mit Frankreich für neutral erklärt hatte. Französische Truppen besetzen die Festung (1632) und werden vier Jahre später durch kaiserliche Truppen belagert; sie ergeben sich nach einjähriger Belagerung (1636). Die Festung wird nun von kaiserlichen Truppen besetzt und nach Beendigung des Krieges an Kurtrier zurückgegeben (1650). So bleibt die Festung das, wofür sie ausgebaut worden ist: ein militärischer Stützpunkt, den der jeweilige Gegner immer „im Auge behalten“ muss. Dies gilt in besonderem Maße für das operative Kalkül der französischen Generalität im 17. Jahrhundert.
WEITHIN SICHTBAR: Luftbild der Festung Ehrenbreitstein gegenüber der Moselmündung bei Koblenz. Die eindrucksvolle Anlage ist heute Eigentum des Landes Foto: picture-alliance/ZB/euroluftbild.de Rheinland-Pfalz.
Die Festung Ehrenbreitstein in Koblenz
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ie Natur Skandinaviens mit ihren langen Küsten lässt es sinnvoll erscheinen, dass sich die dortigen Bewohner seit frühesten Zeiten mit dem Bau von Wasserfahrzeugen und der Seefahrt beschäftigen. Dies belegen bereits zahlreiche bronzezeitliche Schiffsdarstellungen. Bis in die ersten nachchristlichen Jahrhunderte finden ausschließlich Ruderschiffe Verwendung, und möglicherweise seit dem 5. Jahrhundert kommt es allmählich zur Einführung des Segels. Bei den aus dem frühen 4. Jahrhundert stammenden Originalfunden von Nydam (Schleswig) handelt es sich zwar noch um Ruderschiffe, diese weisen aber bereits einige Konstruktionsmerkmale der späteren Wikingerschiffe auf.
800–1100: Die Schiffe der genaues Bild der wikingischen SchiffsbauWikinger gehören zu den und Seefahrtskunst. Zusätzlich ermöglichen am besten konstruierten auch moderne Rekonstruktionen und Erprobungen ein tiefer gehendes Verständnis der Seefahrzeuge ihrer Zeit praktischen Handhabung und Leistungsfäund bilden die Basis für higkeit von Wikingerschiffen. eine neue Form der amDer Bau eines Langschiffes phibischen Kriegführung. Der Bau eines Schiffes ist ein komplizierter Vorgang, der umfangreiche Vorbereitungen, Damit werden die WikinErfahrungen und Kenntnisse verschiedensger zum Schrecken ter Art voraussetzt, die von einer Generation Schiffsbaumeistern an die nächste weiEuropas. Von Otto Schertler von tergeben werden. Die Wikingerschiffe scheinen nicht alle in besonderen Werften gebaut zu werden, doch gibt es mit Sicherheit Zentren des Schiffsbaus, in denen diese hohe Kunst verstärkt gepflegt wird. Die Bauzeit eines Schiffes beträgt ungefähr ein halbes
stellungen auf skandinavischen Bildsteinen, Münzen oder dem Teppich von Bayeux sowie durch Beschreibungen in den nordischen Sagas ergänzt. Dadurch entsteht ein ziemlich
MÖRDERISCHES ZEITALTER: König Alfreds Flotte im Kampf mit wikingischen Langschiffen im Jahr 897. Die Nordmänner terrorisieren mehrere Jahrhunderte lang große Teile Europas mit Abb.: picture-alliance/HIP ihren Drachenschiffen.
Zu Beginn des 8. Jahrhunderts ist die skandinavische Schiffsbautechnik voll entwickelt, und dies ermöglicht den Wikingern ihre weiten Kriegs-, Handels- und Entdeckungsreisen, die sie bis in das Mittelmeer, das Schwarze Meer und über den Nordatlantik nach Island, Grönland und schließlich sogar nach Amerika führen. Die Wikingerschiffe vereinen in sich mehrere Eigenschaften, so dass sie sich als perfekte Kriegsfahrzeuge eignen. Durch ihre schlanke und elastische Bauweise verringert sich der zu überwindende Widerstand des Wassers, doch sind sie gleichzeitig breit genug und stabil, auch gegen den Wind, segeln zu können. Ihr geringes Gewicht ermöglicht das Fortbewegen auf Rollen, um an Land Hindernisse zu umgehen, während der geringe Tiefgang die problemlose Anlandung an flachen Stränden sowie das Befahren seichter Gewässer erlaubt. Die heutigen Kenntnisse über die Beschaffenheit der Schiffe der Wikinger beruhen in erster Linie auf Originalfunden aus berühmten Schiffsgräbern, darunter die von Oseberg, Gokstad (beide Norwegen) oder Ladby (Dänemark). Diese werden durch Dar-
DIE ERSTEN EUROPÄER IN DER „NEUEN WELT“: Gut 500 Jahre vor Kolumbus entdecken die Wikinger – dank ihrer leistungsfähigen Schiffe – Amerika. Dieser Nordmann (ohne Rüstung, bewaffnet mit Schild, Speer und Schwert) trifft auf einen Ureinwohner (mit Bogen und Kriegskeule bewaffnet). Abb.: Johnny Shumate
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Feldherren
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Preußens „Wacht am Rhein“
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Maritime Hochtechnologie
nicht allein um polizeiliche Aufgabenwahrnehmung, sondern um rein militärische Komponenten des Angriffs und der Verteidigung. Entsprechend ist die Ausstattung der neuen Einheiten mit schweren Waffen. Bis zum Februar 1950 entstehen 24 Infanterie-, acht Artillerie- und drei Panzer-VolkspolizeiBereitschaften und eine Anzahl VP-Schulen. Der personellen Stärke nach entsprachen sie Regimentern, die teilweise zu Korps und Divisionen zusammengefasst wurden.
Material vom „Waffenbruder”
Erste Modelle in der SBZ
Herrscher der Meere
1817–1828: Auf den Ruinen des kurtrierischen Vorläufers wird die preußische Festung Ehrenbreitstein errichtet. Gegenüber der Moselmündung bei Koblenz thront die imposante Festung auf dem Felssporn oberhalb des Rheins. Von Peter Többicke
Rund 100 Jahre später wird das Ancien Régime der europäischen Fürstenstaaten, besonders im Rheingebiet, durch den Vormarsch der französischen Revolutionstruppen erschüttert. Unter dem Kommando des Generals Marceau stößt die Sambre-MaasArmee auf Koblenz vor (1794) und besetzt die Stadt nach hinhaltendem Kampf am 23. Oktober. Unverzüglich beginnt Marceau mit der Einschließung von Ehrenbreitstein (zirka 8.000 Mann).
Admiral Reinhard Scheer AUSGEZEICHNET: Zeitgenössische Aufnahme von Reinhard Scheer im Uniformrock der Kaiserlichen Marine. Er trägt den Orden „Pour le Mérite“, der ihm nach der Skagerrakschlacht von Kaiser Wilhelm II. verliehen wurde.
31. Mai 1916: In der Skagerrakschlacht gelingt Flottenchef Reinhard Scheer ein beachtlicher Erfolg gegen die „Grand Fleet“. Doch dem „gefühlten Triumph“ folgt seit Ende 1917 der tragische Niedergang der deutschen Hochseeflotte. Von Eberhard Kliem
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eitab von Deutschlands Küsten beginnt das erste Lebenskapitel Reinhard Scheers, der zweifellos zu den bekanntesten Admiralen der Kaiserlichen Marine zählt und als Chef der Hochseeflotte in die Geschichte eingegangen ist. Scheer kommt am 30. September 1863 in Obernkirchen (heute Landkreis Schaumburg, Niedersachsen) zur Welt. Eltern und Großeltern stammen aus dem liberalen Bürgertum. Als Kind seiner Zeit erlebt Scheer in jungen Jahren den scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg des 1871 gegründeten Deutschen Reiches. Seine späteren beruflichen Aufgaben sollten ihn oft und zeitlich ausgedehnt in das europäische und außereuropäische Ausland führen. Die Stellung Deutschlands mit seinen Stärken und Schwächen in der Welt musste ihm damals deutlich vor Augen stehen. Nur vor diesem Hintergrund kann der Mensch und der Seeoffizier Reinhard Scheer angemessen beurteilt werden.
Steiler Aufstieg Scheer tritt am 22. April 1879 als Seekadett in die Kaiserliche Marine ein. Schon während seiner Ausbildung zum Offizier liegt er immer in der Spitzengruppe seines Jahrgangs und bleibt dies auch während der anschließenden Offizierverwendungen. Schon früh wird daher die Personalführung auf ihn aufmerksam. Sie bereitet ihn in abgewogenen Wechseln zwischen Bordkommandos und Landverwendungen in Stäben auf die Übernahme von verantwortungsvollen und fordernden Positionen innerhalb des Führungskorps der Marine vor. Das gelingt im Fall von Scheer nahezu ideal, denn bei seiner Ernennung zum Chef des Stabes der Hochseeflotte am 1. Oktober 1909 und der
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KUPFERSTICH: Darstellung der Festung Ehrenbreitstein aus der Werkstatt von Matthäus Merian d. Ä. (1593–1650), spätere Kolorierung. Im Vordergrund am Rheinufer ist Schloss Philippsburg zu erkennen, das im Abb.: picture-alliance/akg-images frühen 19. Jahrhundert abgebrochen wurde.
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AUF DER BRÜCKE: Admiral Scheer (Mitte) als Flottenchef zusammen mit Großadmiral Heinrich Prinz von Preußen auf einem Kriegsschiff.
Foto: picture-alliance/Mary Evans Picture Library
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Feldherren
Fotostrecke
Das schaurige Museums-Juwel
Zwischen Triumph und Tragödie
Foto: picture-alliance/Mary Evans Picture Library
Tödlicher „Ausfall” Dem österreichischen Befehlshaber, Oberst von Sechtern, sind 3.537 Mann an Reichstruppen und Kontingenten Kurtriers, Kurkölns und des Hochstifts Münster zur Verteidigung unterstellt. Der Festungskommandant ist Oberst von Faber, der trotz personeller und finanzieller Hindernisse auf eine länger dauernde Belagerung gut vorbereitet ist. Diese wird unter einer rücksichtsvollen Vereinbarung beider Seiten stattfinden: Auf die Festung wird von Koblenz her nicht gefeuert, umgekehrt wird von der Festung her die Stadt nicht beschossen. Am 17. Oktober 1795 wird ein Ausfall unternommen, um französische Truppen von den Höhen bei Arzheim – südöstlich des Ehrenbreitsteins – zurückzudrängen. In Laufgräben hatten sie sich dem südöstlich gelegenen Vorderhang der Festung angenähert. Einer kurtrierischen Jägerkompanie unter Führung des Leutnants Freiherr von Solemacher gelingt es aber, den Gegner zu umgehen. Die französische Einheit zieht sich daraufhin wieder zurück. Doch dieser Ausfall kostet die Kompanie 15 Mann, unter ihnen der Kompaniechef. Mit einer Gedenktafel wird seit 1901 an die Gefallenen erinnert.
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Das Overlord Museum in der Normandie. Meinung
Knifflige Militärspiele ........................................................................................................64 Die Welt der Konfliktsimulationen. Spurensuche
Preußens „Wacht am Rhein“ ........................................................................66 Die imposante Festung Ehrenbreitstein am Rhein bei Koblenz.
Zwischen Triumph und Tragödie. .........................................................70 Admiral Reinhard Scheer führte die deutsche Hochseeflotte 1916 in die Schlacht am Skagerrak. Museen & Militärakademien
Markante Wahrzeichen
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Die Ehrenmale Laboe und Möltenort an der Kieler Förde. Ein Bild erzählt Geschichte
„All that was left of them“
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Ein Britisches Heldenepos. Titelfotos: Erhard Berkholz; picture alliance/Arco Images GmbH; Sascha Lunyakov; picture-alliance/WZ-Bilddienst; Weider History Group/Jim Laurier
Vorschau/Impressum
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Magazin ARCHÄOLOGIE
Sensationsfund bei Ausgrabung Wissenschaftler entdecken mehr als 1.000 Jahre alte Burg
Denkmal zu Ehren von Bischof Bernward in Hildesheim.
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ie Burg, deren Überreste man im August 2014 im niedersächsischen Landkreis Gifhorn freigelegt hat, soll einst der Hildesheimer Bischof Bernward (um 950/960–1022) erbaut haben. Die Forscher der Universität Göttingen und der TU Braunschweig fanden Teile von hölzernen Befestigungen der Wehranlage, so Grabungsleiter Felix Biermann an der Grabungsstätte in Wahrenholz. Die Burg sei kreisförmig angelegt gewesen und habe einen Radius von etwa 40 Metern gehabt. Sie habe vorwiegend aus
Holz und Erde bestanden. Neben Holzbalken fanden die Archäologen unter anderem Pflastersteine und Hufeisen im Erdreich. Bischof Bernward von Hildesheim soll alten Schriften zufolge die Burg zwischen 994 und 997 zum Schutz seines Bistums erbaut haben. Anhand der Holzreste und entsprechender Analyseverfahren kann das Alter der Burg nun genau datiert werden, sagte Biermann. Allein im heutigen Niedersachsen soll es laut Biermann Hunderte solcher Anlagen geben: „Das sind die Relikte sehr kriegerischer Zeiten.“
MUSEUMSTIPP
Armeemuseum Friedrich der Große Ein Kuriosum in der bayerischen Museumslandschaft
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Fotos: picture-alliance/dpa©dpa (2)
ie Geschichte des „Armeemuseums Friedrich der Große“ reicht ins Jahr 1993 zurück. Damals fand die bis dahin private Sammlung (etwa 300 Exponate) im Rittersaal des Ortenburger Schlosses in Niederbayern als „Wehrgeschichtliches Museum des 18. Jahrhunderts“ ihre erste öffentliche Bleibe. Nachdem die Rahmenbedingungen im Ortenburger Schloss nicht mehr dem Umfang der größer werdenden Sammlung ent-
Auf der Plassenburg in Kulmbach lässt sich die größte Ausstellung altpreußischer Militärgegenstände bestaunen.
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sprachen, wurde ein neuer Standort gesucht und schließlich in Zusammenarbeit mit der „Bayerischen Verwaltung der Staatlichen Schlösser, Gärten und Seen“ gefunden: die ehemalige Hohenzollernresidenz Plassenburg oberhalb von Kulmbach. Nach intensiver Planung konnte 1999 in den Renaissancegewölben des ehemaligen Waffensaals die neue Dauerausstellung eröffnet werden. Zahlreiche Ausstellungsobjekte dokumentieren dort seither das äußere Erscheinungsbild einer Armee des 18. Jahrhunderts, die durch Friedrich den Großen (1712–1786) geprägt war und den Lauf der Geschichte nachhaltig beeinflusste. Nach einiger Zeit wurde die Militaria-Abteilung der Markgrafschaft Ansbach-
Sponton (Offiziersstangenwaffe) mit den Initialen „FR“ für „Fridericus Rex“ im Armeemuseum.
Bayreuth in das neu geschaffene „Fränkische Hohenzollernmuseum“ im oberen Stock integriert. Dadurch kann im Armeemuseum auch die Leistung des „Soldatenkönigs“ Friedrich Wilhelm I. beim Aufbau der preußischen Armee durch zum Teil einmalige Exponate gewürdigt werden. Kontakt: Armeemuseum Friedrich der Große 95326 Kulmbach Öffnungszeiten: April–September: 9–18 Uhr Oktober–März: 10–16 Uhr Täglich geöffnet. Geschlossen am: 1.1., Faschingsdienstag, 24.12., 25.12., 31.12. www.armeemuseum-plassenburg.de
Foto: picture-alliance/dpa©dpa
Foto: picture-alliance/akg-images/Jost Schilgen
Vermessung eines freigelegten Holzbalkens der mittelalterlichen Burganlage.
KURIOSES
NEUERSCHEINUNG
Naturbeobachtung im „Gallischen Krieg“
„Den Westwall halten oder mit dem Westwall untergehen“
Caesar war ein fähiger Staatsmann. Von Elchen hatte er aber wenig Ahnung.
Spannende Dokumentation zur 2. Aachen-Schlacht im Oktober 1944
Kurios: Die „Elchbeschreibung“ aus „De Bello Gallico“ – der als Meisterwerk prosaischer Sachlichkeit gilt – wirkt auf uns seltsam.
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m Oktober 1944 eroberten die Alliierten im Westen mit der alten Kaiserstadt Aachen die erste Großstadt des Deutschen Reiches. Nach dreiwöchigem Kampf gelang es den nach Osten vorstoßenden US-Verbänden, die im Raum Aachen stehenden deutschen Kräfte in einer zangenförmigen Operation einzukesseln und am 21. Oktober 1944 zur Kapitulation zu bewegen. Timm Haasler, ehemaliger Bundeswehroffizier und Autor mehrerer Publikationen zum Krieg an der Westfront 1944/45, dokumentiert in seiner neuen Untersuchung beinahe minutiös die dramatischen Ereignisse jener Herbsttage des Jahres 1944 in und um Aachen. Dabei geht er wichtigen Fragen nach: Wer waren die Verteidiger Aachens? Wie waren sie gegliedert und ausgerüstet? Wie war es um ihre Kampfmoral und ihren Kampfwert bestellt? Basierend auf zahlreichen bisher unveröffentlichten Quellen deutscher und amerikanischer Archive beschreibt Haas-
lers Dokumentation zur 2. AachenSchlacht die Kampfhandlungen aus deutscher Sicht. Neben vielen Fotos ergänzen Tabellen und historische Karten und Skizzen die lesenswerte Studie zum Krieg im Westen gegen Ende des Zweiten Weltkriegs. „Den Westwall halten oder mit dem Westwall untergehen" Teil 2: Die 2. Aachen-Schlacht 349 Seiten, fest gebunden, 148 Abbildungen, Format: 21 x 28,7 cm ISBN 978-3-86933-088-4 Preis: 38,50 €
Erbsensuppe à la Bundeswehr
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ie Kantinen und Feldküchen der Bundeswehr dürften nicht gerade als „Gourmettempel“ bekannt sein. Militärische Notwendigkeiten sprechen eindeutig gegen ein Bœuf bourguignon samt einem Glas Château Lafite Rothschild für jeden Soldaten. Das Essen muss nahrhaft, günstig und in großer Menge zu kochen sein. Ein Gericht erfüllt alle diese Anforderungen: Die gute alte Erbsensuppe! Und die ist nicht nur auf dem Manöverplatz nicht zu verachten. Wer
Zutatenliste
(für etwa g) - Schweineschmalz (20 g) 0 (10 ck - Spe - Zwiebeln (2 Stück) - Karotten (100 g) - Sellerie (100 g) - Lauch (1 Stange) - Wasser (2 l)
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sich davon selber überzeugen möchte, kann diesen „MilitärKlassiker“ nachkochen: Das Schweineschmalz im Topf schmelzen und anschließend den (klein geschnittenen) Speck hinzugeben. Dann die gehackten Zwiebeln zugeben, sowie – mit etwas Abstand – Karotten, Sellerie und Lauch (alles möglichst klein gewürfelt bzw. geschnitten). Das Ganze andünsten. Doch Vor-
4 Portionen): - Erbsen (500 g) - Majoran (1 TL) - Gemüsebrühe (8 TL) - Kartoffeln (300 g) - Weißer Pfeffer - Petersilie (2 Stängel)
Einfach und nahrhaft: die Erbsensuppe der Bundeswehr Foto: picture alliance/ Foodcollection
sicht: Nicht anbrennen lassen! Nun den ersten Liter Wasser hinzufügen und gut durchmischen. Erbsen einrühren und den zweiten Liter aufschütten. Jetzt fehlen nur noch ein wenig Majoran und die Gemüsebrühe – dann die Suppe 15 bis 20 Minuten köcheln lassen. Zum Schluss noch die gewürfelten Kartoffeln hinzu geben und weitere 40 Minuten vor sich hin köcheln lassen. Immer wieder umrühren, damit nichts anbrennt. Als finaler „Touch“ können noch Pfeffer, Salz und Petersilie untergerührt werden. Wer will, kann Wiener Würstchen als Variation in die Erbsensuppe schneiden.
Detaillierte Studie aus deutscher Sicht über die Kämpfe in und um Aachen im Oktober 1944. Foto: Helios Verlag
100 Jahre ist es her, dass Kapitän zur See Alfred Meyer-Waldeck, Gouverneur des „Deutschen Schutzgebietes Kiautschou“ (Hauptstadt Tsingtau), mit den Soldaten seiner Garnison vor den japanischen Truppen kapitulieren musste. Am 7. November 1914 kam die Kolonie an der chinesischen Ostküste damit unter die Verwaltung des Japanischen Kaiserreiches.
Foto: picture alliance/Mary Evans Picture Library
Abb.: picture alliance/Keystone
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s gibt ebenso Tiere, die Elche genannt werden. […] Weder legen sie sich zum Schlafen hin noch können sie, wenn sie durch irgendeinen Zufall umgeworfen, sich aufrichten oder aufstehen. Ihnen dienen Bäume als Schlafstätten. Sie nähern sich ihnen an und genießen so, ein wenig an sie angelehnt, Ruhe. Wenn Jäger durch Spuren bemerkt haben, wohin sie sich gewöhnlich zurückziehen, untergraben sie dort alle Bäume oder kerben sie so sehr an, dass im Ganzen noch der Anschein stehender Bäume bleibt. Wenn sie sich ihrer Gewohnheit nach hier angelehnt haben, bringen sie die schwachen Bäume durch ihr Gewicht zu Fall und werden selbst getötet.“
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Abb.: picture-alliance/Bildagentur-online; Foto: picture alliance/ROPI
Clausewitz
Magazin
VORBILD NATUR
Flugsaurier für „Uncle Sam“ Das US-Militär ist an der Biomechanik der Dinos interessiert
„Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.“ Walter Ulbricht (Generalsekretär des Zentralkomitees der SED) am 15. Juni 1961. Am 13. August 1961 beginnt die DDR mit dem Mauerbau.
BUCHTIPP
Schaustücke von Elastolin 2. Band zu den beliebten Dioramen
ZEITSCHICHTEN
terosaurier – Flugsaurier – weisen eine höchst interessante Biomechanik auf. Einige dieser Flugreptilien besaßen die Ausmaße eines modernen Kampfjets. Damit sind es die größten Flugtiere aller Zeiten – und sie weisen anatomische Eigenheiten auf, die sie von jedem Vogel oder jeder Fledermaus unterscheiden. Die Flugeigenschaften dieser Saurier sind deshalb von Interesse für das US-Verteidigungsministerium und könnten das Design neuer Flugzeuge beeinflussen. So besaß das Pteranodon – eine Flugechse – zum Beispiel „Finger“, die bis zu zweieinhalb Meter lang waren. Beim Flug krümmten sich diese Gliedmaßen mit der Abwärtsbewegung der Flügel und „schnappten“ zurück bei der Aufwärtsbewegung. Dies verringert den
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Energieaufwand während des Flügelschlags. Die U.S. Air Force ist an diesem System im Zusammenhang mit Flugzeugen und Fallschirmen interessiert. Eine weitere Besonderheit der Flugsaurier sind die leichten und hohlen Knochen, wodurch sie sowohl Füße als auch Flügel nutzen konnten, um sich vom Boden abzustoßen. Dadurch gewannen sie mehr Geschwindigkeit über eine kürzere Distanz. Für Flugzeuge würde dies eine kürzere Startbahn sowie weniger Treibstoffverbrauch bedeuten. Die Saurier halten noch weitaus mehr Biomechanik bereit, als diese beiden Beispiele suggerieren. Wir werden sehen, ob und wie diese mehrere Millionen Jahre alte „Technik“ die Militärflugzeuge der Zukunft beeinflusst.
er Verlag Figuren Magazin in Berlin hat den 2. Band zu den Hausser/Elastolin-Schaustücken vorgelegt. Gezeigt werden in dieser reich bebilderten Publikation viele bisher veröffentlichte Original-Schaustücke der Firma Hausser aus ihrer Anfangsphase bis zum Jahr 1960. Diese für Sammler und Interessierte unverzichtbare und aufwendig gestaltete Dokumentation bietet hochinteressante und aufschlussreiche Einblicke in die DioramenGestaltungen bei Hausser bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges sowie interessante Beispiele aus der Nachkriegszeit. Verlag Figuren Magazin H. Lang, A. Pietruschka 112 Seiten, mit vielen zeitgenössischen originalen schwarz/weiß-Fotos, aufwendiger Bilderdruck im 120er Raster, d.h. geeignet für Detailbetrachtungen mit einer Lupe. Format DIN A4 quer. ISBN 978-3-930029-03-7, Preis: 39,- EUR
Damals: Das Gemälde des sowjetischen Malers Krivonogov zeigt die Verteidiger der Brester Festung 1941, die in der russischen Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg einen festen Platz hat.
Die Fotocollage des russischen Fotografen Sergey Larenkov stellt eindrucksvoll visualisiert einen Brückenschlag zwischen Vergangenheit und Gegenwart her. www.sergey-larenkov.livejournal.com
Heute: Die Brester Festung (auch bekannt als Festung von BrestLitowsk) ist eine der meistbesuchten Touristenattraktionen Weißrusslands. 1965 bekam sie den Ehrentitel „Heldenfestung“ verliehen.
www.sergey-larenkov.livejournal.com
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Foto: Verlag Figuren Magazin
„Jurassic Park“ für das US-Militär: Flugsaurier beherrschen die Lüfte vor 228 bis 66 Millionen Jahren. Die abgebildete F-35 ist ein Flugzeug der 5. Generation – aber noch ohne Saurier-Technologie gebaut.
Aus Liebe zum Detail
AUSSTELLUNGSTIPP
Wahrheit und Legende
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aran erkenn ich meine Pappenheimer“. Dieses zum Sprichwort gewordene Zitat aus Schillers „Wallensteins Lager“ kennt heute fast jeder. Doch worauf bezieht er sich, was meint er? Gottfried Heinrich zu Pappenheim, des Kaisers und Wallensteins bester Reitergeneral, kämpfte in der Schlacht bei Lützen am 6./16. November 1632. Das Lützener Museum zeigte 2007 und 2012 zu Gustav II. Adolf und Wallenstein zwei große internationale Ausstellungen, die nun mit einer kleineren Exposition die Darstellung der Schlacht bei Lützen und ihrer Folgen beleuchten soll. Pappenheim und Pappenheimer – kaum ein Heerführer wird so eng mit seinen Soldaten in Zusammenhang gebracht, wie der Feldmarschall. Warum das so ist und wie der Ruf seiner Kürassiere entstanden ist, stellt nur eine der Fra-
Sehenswert: Die kleine Ausstellung zu Pappenheim gewährt tiefe Einblicke in die Biographie des Feldmarschalls.
gen dar, der die Ausstellung nachgeht. Der Schwerpunkt bei Pappenheim liegt auf wichtigen Lebensstationen seiner Biografie, wie seiner Beteiligung an der Zerstörung Magdeburgs und der Schlacht bei Breitenfeld 1631. Seine Bedeutung für die erste Hälfte des Dreißigjährigen Krieges wird kritisch hinterfragt. Die kulturhistorische Geltung Pappenheims findet ebenfalls breite Aufmerksamkeit. Die Ausstellung läuft noch voraussichtlich bis zum 30. November diesen Jahres im Schlossmuseum Lützen. Kontakt: Museum Lützen Schlossstr. 4, 06686 Lützen Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag von 10.00–17.00 Uhr /
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Das Magazin für Militärgeschichte
Briefe an die Redaktion Zu „Priens ,Paukenschlag’“ in CLAUSEWITZ 5/2014:
In der Titelgeschichte Heft 5/2014 „Priens Paukenschlag” wird auf S. 30 als Beispiel für die mangelnde Achtsamkeit der Engländer eine Kriegstagebuch-Eintragung Priens vom 17. Oktober über das Verhalten des Bewachungsfischdampfers Nr. 808 angeführt. Prien kritisiert hier aber die mangelhafte Wachsamkeit eines deutschen Vorpostendampfers, mit dem er das Erkennungssignal austauschen wollte, vermutlich, um nicht irrtümlich angegriffen zu werden. Deshalb auch sein letzter Satz: „Bei solchen Bewachern kann sich ein solcher Vorgang wie meine Unternehmung auch bei uns ereignen”. Auch ein Vergleich der Uhrzeiten zeigt, dass nicht ein englischer Bewacher gemeint war: 17. Oktober 4.00–4.47 Uhr Zusammentreffen mit Vorpostendampfer Nr. 808, am gleichen Tage 11.00 Uhr Einlaufen von U 47 in Wilhelmshaven (siehe S. 25). Ein englischer Bewacher hätte vor der britischen Küste gehandelt und die Strecke von dort bis Wilhelmshaven hätte U 47 unmöglich in ca. 6 Stunden zurücklegen können. R. Posselt, per E-Mail
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Clausewitz Peenemünde: Was von der „V2-Schmiede“ übrig blieb
1939: U 47 versenkt HMS ROYAL OAK
Wie Günther Prien
In Ihrer TitelgeschichScapa Flow bezwang dung in CW 5/2014 auf Seite te „Scapa Flow“ ist 22 oben um ein Ihnen offensichtlich gespiegeltes Bild. mit dem Bild auf SeiWir bitten, diesen te 22 oben ein techFehler zu entnischer Fehler unterschuldigen. laufen. Beim genauen Betrachten fällt auf, Allgemein zu Prien legt auf dem CLAUSEWITZ: Bild die linke an den CLAUSEWITZ ist seit der ersten Mützenschirm und die jubelnden Massen recken ebenfalls die Linke Ausgabe meine unentbehrliche Lektüre und hilft mir, mein Wissen in die Höhe. in Militärgeschichte zu erweitern. Diese Kleinigkeit beeinflusst aber nicht den positiven Eindruck, Bitte weiter auf diesem Weg. Ihr Namenspatron Gen. Clauseden Ihre gut aufgemachte Zeitwitz war kein glorreicher Feldherr, schrift auf mich macht. dafür ein bedeutender Analytiker H.-P. Hohenstein, per E-Mail der Kriegsgeschichte. Sein Werk „Vom Kriege“ war Pflichtlektüre Könnte es sein, dass das Bild auf von Millionen Offiziersschülern, Seite 22 falsch abgedruckt ist? Kapitän grüsst mit links. Zuschau- nicht nur in Deutschland. Ich würde mich freuen, irgender heben den linken Arm... wann einen Beitrag über diesen Christian Klein, per E-Mail bedeutenden Militär in CLAUSEWITZ zu lesen. (...) Anm. d. Red.: Die Leser haben Zweiter Golfkrieg
1990: Kampf um die Freiheit oder ums Öl?
Schrecken der Briten: Günther Prien, erfolgreicher Kommandant von U 47
Weißenburg 1870 Der blutige Auftakt zu Preußens Triumph
MILITÄR & TECHNIK
Winston Churchill
Hitlers härtester Feind
Recht. Es handelt sich bei der Abbil-
Militärlager im Feindesland: So schützten sich Roms Legionen
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Abb.: Museum im Schloss Lützen
Sonderausstellung zu Feldmarschall Pappenheim (1594-1632)
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Alexander Butzynowski, Berlin
Schreiben Sie an:
[email protected] oder CLAUSEWITZ, Postfach 40 02 09, 80702 München Leserbriefe spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe aus Gründen der Darstellung eines möglichst umfassenden Meinungsspektrums sinnwahrend zu kürzen.
Titelgeschichte | NVA
Die Nationale Volksarmee der DDR
Streitmacht des
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Kalten Krieges Januar 1956: Die DDR-Volkskammer beschließt den Aufbau einer „Nationalen Volksarmee“. Im geteilten Deutschland entsteht damit eine weitere militärische Streitmacht. Der Konflikt zwischen den Machtblöcken in Ost und West spitzt sich dramatisch zu. Von Dieter Flohr
DEMONSTRATION DER STÄRKE Militärparade der NVA mit Panzerhaubitzen am 7. Oktober 1986 in Ost-Berlin anlässlich des 37. Jahrestages der DDR-Gründung. Die DDR-Führung signalisiert dem Westen die militärische Macht und Entschlossenheit des „ArbeiterFoto: picture-alliance/ZB©dpa-Report und Bauernstaates“.
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Titelgeschichte | NVA
FAKTEN
Beschluss zur Gründung der NVA (1956)
Die militärische Bewaffnung der DDR nimmt in den 1950er-Jahren konkrete Züge an. Die DDR-Führung sieht in der Schaffung einer eigenen Armee die Antwort auf die Gründung der Bundeswehr Ende 1955: „Gesetz über die Schaffung der Nationalen Volksarmee und des Ministeriums für Nationale Verteidigung“ vom 18. Januar 1956 (Auszug) „Der Schutz der Arbeiter-und-Bauern-Macht, der Errungenschaften der Werktätigen und die Sicherung ihrer friedlichen Arbeit sind elementare Pflicht unseres demokratischen, souveränen und friedliebenden Staates. Die Wiedererrichtung des aggressiven Militarismus in Westdeutschland und die Schaffung der westdeutschen Söldnerarmee, ist eine ständige Bedrohung des deutschen Volkes und aller Völker Europas. Zur Erhöhung der Verteidigungsfähigkeit und der Sicherheit unserer Deutschen Demokratischen Republik beschließt die Volkskammer (...) das folgende Gesetz: §1 (1.) Es wird eine ,Nationale Volksarmee’ geschaffen. (2.) Die ,Nationale Volksarmee’ besteht aus Land-, Luft- und Seestreitkräften, die für die Verteidigung der Deutschen Demokratischen Republik notwendig sind. (...)“
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Aufbau einer schlagkräftigen Armee
WEHRHAFT In Manövern müssen die Soldaten der NVA ihre Leistungsfähigkeit immer wieder unter Beweis stellen, hier im Rahmen einer Übung auf dem Truppenübungsplatz Foto: Erhard Berkholz an einem 122-mm-Geschütz.
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Titelgeschichte | NVA
FAKTEN
Sozialistischer „Waffenbruder”
Die NVA steht von Beginn an unter dem beherrschenden Einfluss des „Großen Bruders“ Sowjetunion. Ihre Ausrüstung und Waffen beziehen die Streitkräfte der DDR in den Anfangsjahren aber auch später vor allem aus der UdSSR, insbesondere schwere Artilleriewaffen und Panzerfahrzeuge sowie moderne Kampfflugzeuge stammen aus sowjetischer Produktion.
fenbrüderschaft“ innerhalb des Warschauer Paktes stärken. Die Spannungen während des Kalten Krieges mit dem Westen und speziell den Mitgliedsstaaten des NATO-Bündnisses führen zu einer erheblichen Aufrüstung der NVA und ihrer Teilstreitkräfte zu Lande, zu Wasser und in der Luft.
Der in den Nachkriegsjahren entstandene Gemeinsame Militärmanöver der NVA mit den Konflikt zwischen den Militärblöcken in Ost und West sollte die Welt lange Zeit in Atem sowjetischen Streitkräften und Soldaten anhalten. derer verbündeter Staaten sollen die „Waf-
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Armee des Warschauer Paktes
BEREIT FÜR DEN ERNSTFALL Die NVA entwickelt sich innerhalb des Verbunds der WarschauerPakt-Staaten zu einer schlagkräftigen, mit zahlreichen verschiedenen Waffensystemen ausgerüsteten Armee. Diese werden während des Kalten Krieges regelmäßig im Rahmen von Großübungen mit den „Bruderstaaten“ eingesetzt und getestet, zum Beispiel im Rahmen des Manövers „Waffenbrüderschaft 80“ in Foto: picture-alliance/dpa-Zentrabild der DDR.
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Titelgeschichte | NVA
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er Ost-West-Konflikt hat sich seit dem Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zur NATO am 9. Mai 1955 und der Unterzeichnung des „Vertrages über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand“ (Warschauer Pakt) am 14. Mai 1955 weiter verschärft. Der Aufbau einsatzfähiger DDR-Streitkräfte nimmt daher nach dem VolkskammerBeschluss vom 18. Januar 1956 zur Schaffung einer „Nationalen Volksarmee“ zügig Formen an. Bereits im Sommer und Herbst finden erste Regimentsübungen gemeinsam mit der Westgruppe der sowjetischen Streitkräfte statt. Im Oktober wird die 1. Mot.-Schützendivision (MSD) Potsdam als „gefechtsbereit“ eingeschätzt. Allerdings können die ersten Heereseinheiten erst 1958 dem Vereinten Oberkommando unterstellt werden.
Große „Säuberungswelle” Aufgrund des Befehls Nr. 2 des Ministers des Inneren aus dem Jahr 1949 läuft noch immer eine groß angelegte „Säuberungswelle“ innerhalb der NVA. Offiziere, die im Westen Verwandte „in gerader Linie“ hatten oder sich in westalliierter oder auch jugoslawischer Gefangenschaft befanden, werden entlassen, darunter auch 3.300 Grenzpolizisten. Bis Oktober 1950 sind bereits 10.000 Mann von den Maßnahmen der Säuberungsaktion betroffen, davon zirka 200 Offiziere.
IM VERBUND: Schützenpanzer und Kampfhubschrauber der NVA während einer Großübung auf dem Truppenübungsplatz Wolmirstedt im Jahr 1981. Foto: ullstein bild – ddrbildarchivde/Willmann
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TONANGEBEND: Willi Stoph wird 1956 der erste Minister für Nationale Verteidigung in der DDR. Er übt dieses Amt bis zum Juli 1960 aus. Foto: picture-alliance/akg-images
LANGE IM AMT: Armeegeneral Heinz Hoffmann, Minister für Nationale Verteidigung der DDR von 1960 bis 1985.
Ehemalige Wehrmachtsoffiziere werden noch bis 1958 entlassen. In Ungarn wechselten beim Volksaufstand des Jahres 1956 auch Teile der Volksarmee die Seiten. Dennoch verbleiben viele ehemalige Wehrmachtsoldaten und Angehörige der Kriegsmarine in der NVA.
Die zugeführte moderne Technik offenbart, dass viele schnell zu Offizieren und Unteroffizieren beförderte Soldaten keine ausreichende Vorbildung besitzen. Während ab 1954 massenweise Abiturienten für die Offiziersschulen „gewonnen“ werden, müssen die Leutnante und Oberleutnante wieder auf
Foto: picture-alliance/dpa-Zentralbild
Aufbau mit Hindernissen Lehrgänge geholt werden, um dort in ein bis drei Jahren auf das gestiegene Abschlussniveau der Offiziersausbildung gehoben zu werden. In den 1960er-Jahren setzt eine regelrechte Weiterbildungs-Euphorie ein. Um weiterhin in der Armee dienen zu können, holen viele ihren Abschluss der 10. Klasse in Abendstudien nach oder lernen für das Abitur. Zahlreiche bereits ältere Offiziere beginnen ein Fernstudium an zivilen Unis und Hochschulen. Dabei bleibt so mancher von ihnen allerdings auf der Strecke, weil die körperlichen-geistigen Anforderungen nach Dienst die Gesundheit in Mitleidenschaft ziehen. Mit der zehnklassigen Polytechnischen Oberschule und der zunehmenden Zahl an Abiturienten, die die Erweiterten Oberschulen verlässt, werden diese Schwierigkeiten schließlich überwunden.
ERSTAUSSTATTUNG: Die ab 1956 durch die Seestreitkräfte der NVA in Dienst gestellten Minenleg- und Räumschiffe des Projekts „Krake“ sind mit sowjetischen Geschützen Kaliber 85 mm ausgerüstet und können gegen See- und Landziele eingesetzt werden. Foto: Sammlung Dieter Flohr
Ungelöste Probleme Dafür rufen die Militärakademie Dresden und auch Höhere Schulen in der Sowjetunion oder anderen „Bruderstaaten“ alljährlich nach immer mehr Offiziershörern. Nicht alle Absolventen erhalten danach entsprechende Dienststellungen. Es wird so mancher Kommandant oder Stabschef eines Bataillons nach dem Studium wieder in seiner alten Funktion eingesetzt. Der Bildungsstand des Offizierskorps aber auch der Feldwebel und Fähnriche ist in der NVA unverhältnismäßig hoch. Dennoch werden die aus Offiziersfamilien stammenden Kinder von ihrer sozialen Herkunft her als Arbeiter eingestuft. Noch in den 1960er-Jahren stehen die Berufssoldaten vor massiven Wohnungsproblemen. Oft verbleiben Familien bei den Eltern daheim, bis endlich Partei und Regierung bereit sind, auch für Angehörige der NVA Neubauwohnungen in den oft abgelegenen Standorten zu errichten und einer NVA-eigenen Wohnungsverwaltung zu übergeben. Dennoch kann das Wohnungsproblem nie gänzlich gelöst werden. Der Grund dafür sind häufige Versetzungen der Offiziere. Die Offiziere, die nun von den Höheren Schulen der Sowjetarmee zurückkehren, erhalten Führungspositionen. Sie führen die sowjetische Militärwissenschaft, ihre Doktrin und Vorschriften in die NVA ein. Von eigenen Offiziersschulen der Land-, Luft- und Seestreitkräfte kommen derweil Hunderte von jungen Offizieren. Bei der Mehrzahl der freiwilligen Soldaten handelt es sich um junge Männer aus den Produktionsbetrieben und den Reihen der werktätigen Bauernschaft. Diese Generation hat den Zweiten Weltkrieg und die in der DDR weitgehend tabuisierte Flucht und Vertreibung der Deutschen aus dem Osten als
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ANGETRETEN ZUM EID: Wehrpflichtige der NVA bei der Vereidigung auf dem Gelände der Mahnund Gedenkstätte Ravensbrück im Jahr 1979. Foto: picture-alliance/ ZB©dpa-Report
BESTAUNT: Nach Beendigung des Manövers „Waffenbrüderschaft 70“ wird ein langes Marschband von teilnehmenden Landungssoldaten zusammengestellt, das Dörfer und Städte zwischen Wolgast und Stralsund durchfährt. Im Bild der Autor als Journalist in Marineuniform. Foto: Sammlung Dieter Flohr
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Titelgeschichte | NVA
FORMATIONSFLUG: Einstrahlige Jagdflugzeuge vom Typ MiG-23 der Luftstreitkräfte/Luftverteidigung der DDR im Luftraum nahe Peenemünde an der Ostsee, Aufnahme Foto: picture-alliance/ZB/euroluftbild.de aus dem Jahr 1983.
Operationsplanungen für den „Westlichen Kriegsschauplatz”
Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich
Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich
KARTE
Nach der in den 1970er-Jahren von der Sowjetunion verkündeten neuen Militärdoktrin sollte ein möglicher Aggressor nach kurzem Grenzkampf auf sein eigenes Territorium zurückgeworfen und dort „vernichtet“ werden. Dieser Strategie war die NVA bedingungslos ausgeliefert, ohne genauere Kenntnisse über die Operationsplanungen zu haben. Klar war nur, dass in einer Anfangsperiode eines Krieges die Kampfhandlungen unverzüglich und schnell – auch durch einen Erstschlag mit Kernwaffen – auf den „Westlichen Kriegsschauplatz“ getragen werden sollten. Man plante einen Angriff in zwei strategischen Hauptrichtungen und wollte innerhalb von 30 Tagen sowohl am Atlantik als auch nach 45 Tagen an den Pyrenäen stehen.
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Die „Jütländische Operation“ sah vor, dass die drei verbündeten Sozialistischen Ostseeflotten nach Erringung der Seeherrschaft in der südwestlichen Ostsee durch kombinierte Luft- und See-Landungsunternehmen die dänischen Inseln besetzen. Zugleich sollte die sogenannte 5. Armee, die aus NVA-Truppen und dem Gros der polnischen Armee bestand, durch die norddeutsche Tiefebene an Hamburg vorbei auf das dänische Festland vorstoßen und nach wenigen Tagen Kap Skagen erreichen. Mit dieser Besetzung der „Sund-und-Beltzone“ wollte man günstige Bedingungen für sofortige Handlungen der Baltischen Flotte in Nordsee, Kanal und – im Verbund mit der starken Nordflotte – Operationsfreiheit im Atlantik gewinnen.
In erhöhter Gefechtsbereitschaft Kind oder Jugendlicher miterlebt und sieht nun in der Armee eine berufliche Chance. Es gibt auch Seiteneinsteiger, die mit Auftrag der Freien Deutschen Jugend (FDJ) oder der SED-Partei in die Armee delegiert werden, zumeist sofort einen höheren Dienstgrad erhalten und fortan als Politoffiziere dienen. Zwischen 1954 und 1956 werden Tausende von Abiturienten an die Offiziersschulen geworben. Als diese gegenüber weniger schulisch gebildeten Vorgesetzten unangenehm auffallen und kaum handwerkliche Kenntnisse mitbringen, kehrt man zur „strengsten Wahrung des Klassenprinzips“ zurück und stellt nur Facharbeiter ein.
SCHIESSÜBUNG: Offiziersschüler der Offizierhochschule der Landstreitkräfte „Ernst Thälmann“ der NVA bei der Ausbildung im Felde.Foto: picture-
Gefährliche „Berlinkrise” Sie sollen innerhalb von nur einem Jahr zum „Not-Abitur“ geführt werden. Dann schickt man 1958/59 die Ex-Oberschüler in Betriebe, wo sie die Verbindung zur „Arbeiterklasse“, die es längst im Marx’schen Sinne nicht mehr gibt, gewinnen sollen. Als sich die Aktion als Misserfolg herausstellt, wird dieses Vorgehen wieder abgeschafft. Mit der polytechni-
alliance/ZB©dpa-Report
sung der „Erhöhten Gefechtsbereitschaft“ für die 1. Mot.-Schützendivision (MSD) Potsdam und die 8. MSD Schwerin sowie der absichernde Einsatz dieser Truppen in Berlin erweist sich als erste große „Schüttelfrostein-
„Jetzt militärische Ausbildung für Infanterie, Aviation, Marine, Unterseeboote“. Josef Stalin zu Wilhelm Pieck nach Ablehnung der Offerte zur Neutralisierung Deutschlands 1952 („Stalin-Note“) am 7. April 1952
schen Bildung an den allgemeinbildenden Schulen wird dieses Problem dann scheinbar überwunden. Kinder von Offizieren haben fortan als soziale Herkunft Arbeiter anzugeben. Der Beginn der Errichtung der Berliner Mauer am 13. August 1961 und die Auslö-
lage“ für die NVA. Doch da die westlichen Mächte den im Auftrag Moskaus handelnden Walter Ulbricht, Erster Sekretär des Zentralkomitees der SED, ohne größere Zwischenfälle gewähren lassen, kommt es im Rahmen der „Berlinkrise“ nicht zum Ernst-
GRUPPENFOTO: In Vorbereitung des Großmanövers „Waffenbrüderschaft 80“ finden mehrere Landungsübungen der Verbündeten Ostseeflotten im Raum Peenemünde (Usedom) statt. Polnische, deutsche und sowjetische Landungssoldaten stellten sich nach Abschluss der Übung den Fragen der Militärjournalisten. Foto: Peter Seemann
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fall. Ab 22. November 1961 kehren die genannten Divisionen schließlich in ihre Standorte zurück.
Kaum erfüllbare Aufgaben Da im Jahr 1961 die westdeutsche Bundeswehr bereits acht Divisionen aufgestellt hat, wird 1962 die Allgemeine Wehrpflicht nun auch in der DDR eingeführt. Eine Kriegsdienstverweigerung gibt es nicht. Die Kirche setzt 1964 ersatzweise einen 18-monatigen „Dienst ohne Waffen“ durch, der in zunächst 13 Baupionier-Bataillonen abzuleisten ist. Später gibt es weit mehr solcher Bataillone. Bereits 1960 stellt Marschall Iwan Konew, Oberkommandierender der Streitkräfte des Warschauer Vertrages, den Seestreitkräften der DDR die kaum erfüllbare Aufgabe, den
GESCHEITERTE ZUSAMMENARBEIT: Im Frühjahr 1981 führt der Warschauer Pakt das Manöver „Sojus 81“ durch. U. a. wurde eine Mot.Schützenkompanie des MSR-29 Hagenow durch Landungsschiffe der Volksmarine in Swinemünde an Land gesetzt. Das Foto zeigt die Beladung der Landungsschiffe „Projekt 108“ im Beisein polnischer Offiziere nach Abbruch des erfolglosen Manövers. Foto: Sammlung Dieter Flohr
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Titelgeschichte | NVA
ZUR ORIENTIERUNG: Besatzungsmitglieder von Schützenpanzern der NVA bei Kartenstudium während einer Übung. Foto: picture-alliance/dpa-Zentralbild
im Falle eines Krieges in Küstenrichtung handelnden – das heißt angreifenden – Landtruppen Flankenschutz zu geben. Doch zu diesem Zeitpunkt lautet der Auftrag der DDR-Führung noch immer: „Verteidigung der Küste und des Küstenvorfeldes der DDR“. Den sowjetischen Schwenk hin zu einer offensiven Kriegführung gen Westen hat man offiziell noch gar nicht mitbekommen beziehungsweise wahrgenommen.
Gemeinsame Großmanöver Die erste Manöver-Bewährung bestehen diese offensiv ausgerichteten Einheiten gemeinsam mit polnischen Landungstruppen im Rahmen der Übung „Baltyk-Odra“ im Jahr 1962 am Strand der Ostseeinsel Wollin (poln. Wolin). Die Verbände simulieren die Landung auf den dänischen Inseln. Auch unter schlechten Witterungsverhältnissen stellen sie in der Großübung „Flut 63“ ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis.
HINTERGRUND
„Friedenssicherung – unser Klassenauftrag!” Propagandalosung der Nationalen Volksarmee
schlag und Gegenschlag“ und die „Gefahr der beiderseitigen Vernichtung“. Großmanöver der Vereinten Streitkräfte wie zum Beispiel „Baikal“, „Quartett“, „Oder-Neiße“ und „Moldau“ zeigen, dass sich die NVA weiterentwickelt hat und nun ihren „Waffenbrüdern“ durchaus ebenbürtig geworden ist.
NVA-Präsenz im Ausland
Die NVA war keine Armee im Kampfeinsatz. Dennoch war sie mit Beratern und Experten weltweit präsent: So in Angola, Mosambik, Algerien, Libyen, Irak, Syrien, Südjemen, Äthiopien, Guinea-Bissau, Benin, Nigeria, VR Kongo, Sansibar und Pemba, dann Tansania, Sambia, Eritrea.
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Die „Kubakrise“ im Herbst 1962, die wegen der geplanten Stationierung von nuklearen Mittelstreckenraketen der Sowjetarmee auf der Karibikinsel die Welt in die Nähe eines Atomkrieges stürzt, bringt für die NVA einen weiteren Modernisierungsschub. Diskutiert werden nun im Offizierskorps der NVA „Erst-
Sie gewährte Ausbildung für Offiziere und Unteroffiziere an Offiziersschulen in der DDR für Schüler aus Ländern wie unter anderem: Afghanistan, Äthiopien, Jemenitische VR, Kambodscha, VR Kongo, Kuba, Laos, Libyen, Mosambik, Nicaragua, Nordkorea, Tansania, Syrien und Vietnam.
Im Jahr 1968 kommt die NVA dagegen in eine besonders kritische Situation, als der Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, Leonid Breschnew, den Befehl erteilt, mit den Vereinten Streitkräften gegen die Reformbewegung des „Prager Frühlings“ vorzugehen. Die 11. Mot.-Schützendivision Halle und die 7. Panzerdivision Dresden erhalten Order, Bereitschaftsräume in Sachsen zu beziehen. Nach mehrwöchigem Biwak sollen am 21. August 1968 ostdeutsche Regimenter marschieren und den Raum Karlsbad (tschech. Karlovy Vary) besetzen. Als sich die Marschbänder formieren, kommt unerwartet der Befehl, diesseits der Grenze zu verbleiben.
Krise im Jahr 1968 Wer von den Oberen zur Einsicht kommt, es sei ein Unding, dass deutsche Soldaten 30 Jahre nach der Besetzung der Tschechoslowakei durch die Wehrmacht erneut in das ehemalige Sudetengebiet einmarschieren, konnte nie ganz geklärt werden. Obwohl die NVA-Soldaten befehlsgemäß marschiert wären, mussten Kommandeure, Politorgane und das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) in den Konzentrierungsräumen sehr viel Überzeugungsarbeit selbst unter hochrangigen Offizieren leisten. Zwar gibt es zahlreiche organisierte Parteieintritte von Soldaten, aber auch Bestrafungen und Parteiaus-
Offensiv-Strategie HOHER BESUCH: Der Minister für Nationale Verteidigung der DDR, Armeegeneral Heinz Keßler, beim Mot.-Schützenregiment in Stahnsdorf im Jahr 1987. Links im Bild Wolfgang Herger, der damalige Leiter der Abteilung „Sicherheitsfragen“ beim Zentralkomitee der SED. Foto: picturealliance/ddrbildarchiv.de/ Robert Grahn/picture-alliance/dpa-Zentralbild
schlüsse für Kameraden, die unangenehme Fragen stellen und Zweifel an der „Strafaktion“ gegen das „Brudervolk“ äußern. Die 1970er-Jahre sind geprägt durch die Zuführung immer modernerer Waffen für alle drei Teilstreitkräfte der Nationalen Volksarmee. Die Anzahl der Artillerie der Mot.Schützendivisionen erhöht sich bis 1976 von 78 auf 144 Rohre.
Massive Aufrüstung Die Panzerdivisonen werden immer stärker mit Selbstfahrlafetten (SFL) ausgerüstet. Dies bedeutet eine immense Erhöhung der Beweglichkeit und Kampfkraft. Weiter kommen bei der NVA hinzu: Geschosswerfer BM 21, dann RM 70 auf Tatrafahrzeug mit 40 Rohren, Panzerabwehr-Lenkraketen, Schützenpanzer BMP-1 und -2, Kampfhubschrauber Mi-8 TB und dann Mi-24, Jagdbomber SU-22, Küstenschutzschiffe, neue Minensucher „Kondor“ und U-Bootjäger „Parchim“, Kleine Torpedoschnellboote „Libelle“, Mittlere Landungsschiffe und vor allem neue Fla-Waffen (zum Beispiel „Strela“) sowie taktische und operative Raketen. Die Pioniertechnik (Brückenleger und so weiter) wird ebenfalls verbessert. Ab 1972 erhalten die Landstreitkräfte ein eigenes Kommando in Potsdam-Geltow. Chef wird Generalleutnant Horst Stechbart. Ihm sind die Militärbezirke III und V unterstellt, ebenso Raketentruppen, Artillerie und Truppenluftabwehr. Die aufgerüstete NVA fühlt sich nun stärker denn je und wird in die Offensiv-Strategie auf dem „Westlichen Kriegsschauplatz“ eingeordnet. Ab 1980 entsteht in Polen mit der Solidarnosc-Bewegung und dem Streik der Danzi-
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ger Werftarbeiter erneut eine politisch heikle Situation für die NVA. Wieder wird die „Erhöhte Gefechtsbereitschaft“ der Volksarmee ausgerufen und als Manöver „Sojus 81“ gewissermaßen verschleiert. Diese Großübung dauert ungewöhnlich lange, doch ein Einmarschbefehl in das östliche Nachbarland wird nicht mehr erteilt. Allerdings kommt es zu Manöverhandlungen vor der DDR-Küste und an der Grenze zu Polen sowie zu einer Stationierung von Landungsschiffen der Volksmarine in Swinemünde (polnisch Swinoujscie). Eine Kompanie Mot.-Schützen des Regiments 29 geht an Land, um gemeinsam mit sowjetischen Marineinfanteristen im langen Marschband FÜR BESONDERE LEISTUNGEN: Bestenabzeichen der Nationalen Volksarmee, in dieser Ausführung verliehen von 1964 bis Foto: Archiv CLAUSEWITZ 1985.
durch das pommersche Land zu marschieren beziehungsweise „demonstrieren“. Diese Soldaten erleben dabei schwierige Situationen, weil die Bevölkerung dieser Aktion größtenteils ablehnend gegenüber steht. Schließlich wird die Truppe in Swinemünde wieder an Bord genommen. Hier wird deutlich: Die Zeiten der militärischen Gewalt gegen die Einführung von Reformen sind nach dem Helsinki-Prozess der 1970erJahre weitestgehend vorbei. In den Jahren des Kalten Krieges gelingt es nicht, die operative Planung der Armeen des Warschauer Vertrages paritätisch von einem gemeinsamen Stab vorzunehmen und umzusetzen. Der Oberbefehl bleibt stets in der Hand eines sowjetischen Marschalls und
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Titelgeschichte | NVA
KURZ VOR DER WENDE: Soldaten der NVA marschieren während der Parade anlässlich des 40. Jahrestages der Gründung der DDR an der Tribüne mit den Ehrengästen vorbei, 7. Oktober 1989. Foto: picture-alliance/dpa©dpa-Bildarchiv
würden. Damit wird den NVA-Militärs durchaus bewusst, dass der NVA folgende Rolle beziehungsweise Aufgabe zugedacht ist: Nach einer Spannungsperiode und dem möglichen Vorstoß von NATO-Truppen in der ersten einsetzenden Gegenoffensive des Ostens in Richtung Rhein beziehungsweise Atlantik, bei der es sogar zum Einsatz taktischer Kernwaffen kommen könnte, vorzustoßen. Die Volksmarine sollte im Kriegsfall gemeinsam mit polnischen und sowjeSowjetisch geprägt tischen Landungskräften die dänischen Inseln besetDie Nationale Volksarme zen beziehungsweise mit ist fest in die sowjetische der 5. Armee der NVA und Militärdoktrin und ihr mipolnischen Divisionen die litärtheoretisches Denken Durchführung der „Jütläneingebunden. Verteidigung MIT HAMMER UND ZIRKEL: Wappen aus der Truppenfahdischen Operation“ hinauf wird als sofortige Gegenofne der Nationalen Volksarbis Skagen sicherstellen. fensive verstanden. In die Foto: Archiv CLAUSEWITZ mee. Danach erst sollten die detaillierten OperationspläHauptkampftruppen der ne erhält jedoch kein General der NVA, auch kein Politiker der DDR, Sowjetarmee nach Westen durchstoßen betiefere Einblicke. Klar ist nur, dass Land- und ziehungsweise die „Baltische Flotte“ in die Luftstreitkräfte der DDR an der Seite der Nordsee und den Atlantik vordringen. Die Sowjetunion, von Polen, der Tschechoslowa- Konsequenzen für die Zivilbevölkerung im kei und Ungarn auf dem westlichen Kriegs- geteilten Deutschland, dem Hauptkriegsschauplatz in der „Ersten Staffel“ handeln schauplatz, werden zu dieser Zeit nicht zu seines Stabes. Symbolisch im Moskauer Stab mitarbeitende Kontingente der anderen Mitgliedsstaaten bleiben, trotz mehrmaliger Anmahnungen zu mehr Gemeinsamkeit wie etwa in der NATO zu kommen, ohne Einfluss. So bleiben die „Bruderarmeen“ lediglich „Erfüllungshelfer“ der Sowjetarmee und sind während des Kalten Krieges Teil der als abenteuerlich zu bezeichnenden Vorbereitungen auf einen möglichen Kriegsfall zwischen West und Ost.
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Ende gedacht. Die verantwortlichen Offiziere der NVA gehen davon aus und hegen die Hoffnung, dass es so schlimm wohl niemals kommen würde.
Hohe Anforderungen In dem Maße, wie die wachsende Kriegsgefahr propagandistisch immer bedrohlicher beschrieben wird, steigen die Anforderungen an die Soldaten der NVA nahezu ins Unermessliche. Da die Westgruppe der Sowjetarmee in den Kasernen „eingeschlossen“ ist und schnell aus dem Stand heraus handeln kann, der Offiziersbestand der NVA jedoch in Wohngebieten inmitten der Bevölkerung lebt, wird befohlen, dass sich stets 85 Prozent des Personalbestandes (aller Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere der NVA) in den Dienstbereichen befinden müssen. Bereitschaftsdienste werden eingeführt, die nächtliche Alarmierung und Heranholung der Offiziere und Unteroffiziere mit Bussen wird optimiert. Nach einer Stunde müssen bereits die Vorkommandos die Dienststellen verlassen können. Danach verlegen die Truppen in Bereitschaftsräume. Luft- und Seestreitkräfte müssen ein „diensthabendes System“ einrichten, das heißt Kampfflugzeuge startbereit halten, Schiffe voll aufmunitioniert für den Ernstfall vorhalten. Für die Truppenteile
Armee in der „Sinnkrise” GESICHERT: Wenige Tage nach dem Mauerfall stürmen Bürger ein geheimes Waffenlager von Alexander Schalck-Golodkowski, Mitglied des Zentralkomitees der SED, nahe Rostock. Zur Sicherung Tausender Handfeuerwaffen, die für den Verkauf ins Ausland vorgesehen waren, setzt der Chef der Volksmarine das Kampfschwimmerkommando ein. Die Waffen werden nach ordnungsgemäßer Zählung 1990 der Bundeswehr übergeben. Foto: Sammlung D. Flohr PRÄSENTIERT DAS GEWEHR: Staatsratsvorsitzender Erich Honecker schreitet eine Ehrenformation der NVA ab, Ost-Berlin im Jahr 1981. Foto: picture-alliance/ZB©dpa
ationale Volksarmee
und Kommandos werden mit großem Aufwand atomsichere Führungsstellen tief unter der Erde gebaut. Auf See ist jedes Schiff der NATO, das sich mit Ostkurs vor der DDRKüste zeigt, nun nicht nur zu beobachten, sondern parallel zu begleiten. Trotz dieser erhöhten Anforderungen bleibt die Moral der Truppe nahezu ungebrochen. Die Soldaten ertragen Härtetests, gehen unter Schutzausrüstung über die Sturmbahnen, graben sich im Gelände ein und stimmen neue Soldatenlieder an. Sie erdulden unzählige Übungen und lernen, lernen und lernen. Erreicht wird dies nicht allein durch den eingeforderten unbedingten Gehorsam, sondern durch ein „Paket“ von politischen und kulturellen Maßnahmen. Dazu zählen die politische Schulung, der jährlich unter bestimmten Losungen ausgerufene Sozialistische Wettbewerb, die Führung durch die Parteiorganisationen und FDJ-Leitungen, ein System von Ehrenbannern, Orden, Geldprämien und Soldatenauszeichnungen. Weiterhin umfassen die Maßnahmen strenge Disziplinarbefugnisse der Kommandeure („leichter“ und „schwerer Arrest“ sowie Mili-
MEHR ZUM THEMA „GESCHICHTE DER NVA“
Neuerscheinung! Nationale Volksarmee 224 S., 320 Abbildungen. ISBN: 978-3-7658-2048-9 Preis: 29,99 € Bezugsquelle: www.verlagshaus24.de
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tärjustiz und Militärgefängnis in Schwedt/ Oder), die Förderung des Dienst- und Freizeitsports, die Patenschaftsarbeit mit Städten, Betrieben und Schulen sowie das Verbot des Empfangs westlicher Rundfunk- und Fernsehsender.
Krise und Reformen In den Jahren seit 1985 bis zum Fall der Mauer im November 1989 gerät die NVA jedoch
„Armee des Volkes – Armee des Friedens!“ Wahlspruch auf einem Plakat zum Tag der NVA am 1. März 1988
in eine tiefe „Sinnkrise“. Diese führt dazu, dass ein Großteil ihrer Soldaten nicht bereit ist, sich mit Waffen gegen das eigene Volk einsetzen zu lassen. 183 als Einsatzgruppen (ohne Waffen) gegen mögliche Demonstrationen gebildete Hundertschaften werden schnell wieder aufgelöst. 12.000 Soldaten, die in der „Volkswirtschaft“ im Einsatz sind, fordern einen vernünftigen Dienst oder die Entlassung aus der Armee. Die Geschichte Am 1. Dezember 1989 umfasst die NVA insgesamt noch 184.000 Mann. Noch im Jahr 1990 versucht sich die NVA zu reformieren. Und die Militärreform zeigt Wirkung. Die Partei und die Staatssicherheit werden aus den Rüdige r Wenzke
Nationale Volksarmee
Dienststellen verbannt und die Politabteilungen in Staatsbürgerliche Erziehung gewandelt. Es heißt in der Anrede nun „Herr“ bzw. „Frau“ statt „Genosse“ bzw. „Genossin“. Die alte „Elite“ muss gehen. Der neue Minister für Nationale Verteidigung Theodor Hoffmann beendet den Dienst von Tausenden Soldaten in der maroden Wirtschaft und schickt auch die Soldaten des dritten Dienstjahres vorzeitig nach Hause. Mit Mühe wird die NVA durch Berufssoldaten und zivile Mitarbeiter am Leben erhalten. Existenzangst grassiert fortan in allen Militärstandorten unter den Soldaten und ihren Familien. Auch sehen sich viele Soldaten nun Verdächtigungen und Beschimpfungen von Bürgern und sogar Medien ausgesetzt, die die NVA wegen ihrer „Staatsnähe“ verurteilen.
Auflösung Am 2. Oktober 1990 endet schließlich die Geschichte der NVA. Circa 90.000 Mann werden zunächst von der Bundeswehr übernommen. Die Panzer, Schiffe, Flugzeuge und Munition, wie auch die Immobilien, das gesamte Inventar und die umfangreichen Bekleidungs-, Verbrauchsstoff- und Lebensmittelbestände werden der Bundeswehr übergeben. Dies geht allerdings vielfach ohne die beim Militär übliche ordnungsgemäße und protokollierte Übergabe/Übernahme vor sich. Erhebliche Werte werden vernichtet. Am Ende wird den ehemaligen NVA-Soldaten – auf Drängen der Politik – die letzte Ehre verweigert, beim Niederholen der Flagge die „alte“ Hymne zu intonieren und dann die „neue“ Hymne der Bundesrepublik Deutschland zu hören. Dieter Flohr, Jg. 1937, Fregattenkapitän (Ing.) a. D., Militärjournalist, Herausgeber und Autor von mehr als 20 Sachbüchern und Almanachen mit Schwerpunkt Deutsche Militärgeschichte, Marine, Luftfahrt.
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Titelgeschichte | NVA
Rekrutierung und Dienst in der NVA
Von der Freiwilligenzur Pflichtarmee Frühe 1950er-Jahre: Wie in Westdeutschland ist auch in der DDR die Mehrheit der Bevölkerung nicht zum erneuten Waffendienst bereit. Es kostet die SED-Führung viele Mühen, junge Männer für den „Ehrendienst“ in den Kasernen zu gewinnen. Von Dieter Flohr
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ie DDR muss sich sehr ins Zeug legen, um die jungen Bürger zum Dienst an der Waffe zu motivieren. So wird den Eintrittswilligen eine großzügige Förderung in den Betrieben nach dem Dienst beziehungsweise bei Aufnahme eines Studiums versprochen. Die Freie Deutsche Jugend (FDJ) übernimmt auf dem IV. Parlament 1952 in Leipzig die Patenschaft über die Bewaffneten Kräfte und stellt sogenannte FDJ-Aufgebote. Sie unterstützt die militärische Nach-
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wuchswerbung. Die Gesellschaft für Sport und Technik (GST) organisiert Schieß- und Geländeausbildung, Motor-, Flug- und Seesport. Das Sportabzeichen „Bereit zur Arbeit und zur Verteidigung des Friedens“ wird eingeführt, es gibt Geländeübungen und Kleinkaliberschießen der FDJ. Mit großem Aufwand werden sogenannte Wehrspartakiaden durchgeführt. Für den Aufbau einer schlagkräftigen Armee sind auch und besonders militärisch
vorgebildete Kader vonnöten. Bereits gegen Ende der 1940er-Jahre entlässt die Sowjetunion Soldaten der ehemaligen Wehrmacht aus der Kriegsgefangenschaft. Die Voraussetzung dafür: Diese Männer müssen bereit sein, in den Bewaffneten Kräften zu dienen. Im Jahr 1949 zählen zirka 9.500 ehemalige Wehrmachtsoldaten zur Volkspolizei. Für die Kasernierte Volkspolizei, dann NVA, werden auch eine Handvoll ehemaliger Generale der Wehrmacht – unter ande-
FEIERLICH: Eröffnung der IV. Wehrspartakiade der Gesellschaft für Sport und Technik im Juli 1981 in Erfurt. Foto: picture-alliance/ZB©dpa
KRÄFTEZEHREND: Die Soldaten der NVA hatten sich alljährlich Härtetests zu unterziehen. Dabei waren verschiedene Leistungen nach Normzeiten zu erfüllen, wie die Überwindung der Sturmbahn und ein 15-kmMarsch, der auf einigen Teilstrecken auch unter Schutzmaske absolviert Foto: Erhard Berkholz werden musste.
len, arbeiten im Ministerium, in Stäben und als Ausbilder oder sind als Lehroffiziere tätig. Auch erhalten ehemalige Angehörige der Internationalen Brigaden – eingesetzt während des Bürgerkrieges in Spanien – nun Kommandeursposten. Die ersten jungen Offiziere werden ab 1949 auf sowjetische Militärschulen entsandt. Seeoffiziere und Piloten folgen 1952.
Aktive Anwerbung
PROPAGANDA: Plakat anlässlich der Feiern zum „Tag der Nationalen Volksarmee“, der seit 1957 jährlich am 1. März in der DDR mit großem Aufwand begangen wurde. Foto: picture-alliance/akg-images
rem Vincenz Müller und Arno von Lenski – gewonnen. Diese „Ehemaligen“ werden aufgrund des Beschlusses des SED-Politbüros vom 15. Februar 1957 schließlich entlassen beziehungsweise pensioniert. 450 Offiziere, 1.600 ehemalige Unteroffiziere und 2.600 Mannschaften besetzen Kommandeursstel-
HINTERGRUND
Allgegenwärtige Propaganda Zudem ist die sozialistische Propaganda allgegenwärtig, der Einfluss des „Großen Bruders“ Sowjetunion enorm. Bis zum Ende der NVA im Herbst 1990 lernen 4.776 Offiziere an sowjetischen Militärschulen und 6.290 Offiziere in Dresden an der Militärakademie „Friedrich Engels“. Insgesamt 625 Offiziere promovieren zum Dr. rer.mil. beziehungsweise in einem technischen Fach. Nach dem Zerfall der DDR stellen etwa 11.000 Offiziere den Antrag auf Übernahme in die Bundeswehr. Ein Teil wird „Weiterver-
Eidesformel der NVA (1959–1961)
„Ich schwöre, meinem Vaterland, der Deutschen Demokratischen Republik, allzeit treu zu dienen, sie auf Befehl der Arbeiter- und Bauernregierung unter Einsatz meines Lebens gegen jeden Feind zu schützen, den militärischen Vorgesetzten unbedingten Gehorsam zu leisten, immer und überall die Ehre unserer Repu-
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Am 1. März 1956 wird der 1. Mot.-Schützendivision Potsdam die erste Truppenfahne der NVA übergeben. Dieser Tag gilt fortan als „Tag der Nationalen Volksarmee“, an dem in allen drei Teilstreitkräften die Kasernentore für die Bevölkerung geöffnet werden. Als dann nach der „Berlinkrise“ und dem Bau der Mauer 1962 auch in der DDR die Wehrpflicht eingeführt wird, legt die SED-Führung größten Wert auf zahlreiche Image-Kampagnen. So schließen Truppenteile und Schiffe Patenschaften mit Städten und Betrieben ab. Regelmäßig finden gegenseitige Besuche statt. Die NVA wird in den Schulen aktiv mit Informationsveranstaltungen und Geländespielen (Manöver „Schneeflocke“). Sie tritt auch bei den periodisch
stattfindenden Arbeiterfestspielen mit Musikparaden, Chören, Literaturlesungen und Amateurfilmen auf. Schließlich wird auch der Wehrunterricht an den Polytechnischen Oberschulen eingeführt; die Schüler absolvieren sogenannte Wehrlager unter Anleitung aktiver Soldaten. Die NVA ist eine Armee, in der ideologische Politikschulung und die bedingungslose Pflichterfüllung von Beginn an einen besonderen Stellenwert besitzen. In der Eidesformel der NVA (später „Fahneneid“) wird der „unbedingte Gehorsam gegenüber den militärischen Vorgesetzten“ festgeschrieben.
blik und ihrer Nationalen Volksarmee zu wahren“. 1962 wird diese Eidesformel („Schwur“) zum „Fahneneid“ und textlich erheblich erweitert – unter anderem um den Zusatz: „an der Seite der Sowjetarmee und der Armeen der mit uns verbündeten sozialistischen Länder“.
AMTLICH: DDRWehrdienstausweis und Erkennungsmarke der NVA. Foto: picture-alliance/ZB©dpa
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Titelgeschichte | NVA AUGUST 1968: Das Torpedoschnellboot WILLI BÄNSCH stößt im dichten Nebel mit der Schwedenfähre DROTTNINGEN zusammen und sinkt. Sieben Matrosen kommen dabei ums Leben. Das Wrack wird später gehoben, zerbricht aber bei der Bergung in mehrere Teile. Foto: Sammlung Dieter Flohr
wender“. Nur ein kleiner Teil wird Berufssoldat. Heute stammen etwa 20 Prozent der Angehörigen der Bundeswehr aus dem Osten der Bundesrepublik Deutschland. Der Dienst in der NVA kennt – wie bei anderen Armeen mit oder ohne Kriegseinsatz auch – sowohl zahlreiche menschliche Opfer, als auch erstaunliche Leistungen einzelner Soldaten. Zu den traurigen Geschehnissen zählen unter anderem Kfz-Unfälle, Flugzeugabstürze, Selbstmorde, Schießunfälle aber auch Tote auf See.
her weißer Vorsteven. Krachend bohrt sich der Bug in die Steuerbordseite des Bootes. Holz splittert. Menschen fliegen durch die Luft. Das 60 Tonnen-Boot bäumt auf, kentert
ter Deck eingeschlossen. Nur einige Männer kommen noch raus. Ein Rettungsfloß, ein Zug an der Reißleine, Pressluft zischt. Neun Überlebende sammeln sich darin. Darunter der Kommandant. Wo sind die anderen? Allen ist speiübel. Sie haben Seewasser, gemischt mit Treibstoff und Öl geschluckt, stehen unter Schock. Trinkwasser gibt es aus dem Notpaket. Notsignale verpuffen im Nebel. Es wird Hilfe kommen, verspricht der „Alte“. Sie rufen. Vergeblich. Plötzlich – ein Schatten. Ein Schiff. Die Uhr zeigt 4:30. Sie gestikulieren, schreien, werden oben auf der Brücke auch bemerkt: „Wollt ihr mit?“ Dann ist das Handelsschiff wieder vom Nebel verschluckt. ALBERTA, Heimathafen Stockholm,
„Sollte ich jemals diesen meinen feierlichen Fahneneid verletzen, so möge mich die harte Strafe des Gesetzes unserer Republik und die Verachtung des werktätigen Volkes treffen.“ Schlusssatz des Fahneneides der NVA, zitiert nach: Handreichung für jeden neuen Soldaten: „Vom Sinn des Soldatseins“, Militärverlag der DDR, 34. Auflage, 1984.
Tragischer Unglücksfall Ein besonders tragisches Unglück erschüttert Ende August 1968 die Volksmarine: „Alarm!“ – Truppeneinmarsch in die Tschechoslowakei, wenn auch ohne Beteiligung von Verbänden der NVA. Auch auf See herrscht Ungewissheit darüber, wie die NATO in dieser Krisensituation reagieren wird. Verstärkte Beobachtung. Am Abend des 30. August ortet ein Vorpostenschiff der Volksmarine am Fehmarnbelt die Fregatte 223 KARLSRUHE der Bundesmarine mit Ostkurs. An Oberdeck befinden sich „verdächtige" Gegenstände. Das Kommando der Volksmarine in Rostock will wissen, worum es sich bei den verdächtigen Gegenständen handelt. Der Einsatzbefehl für die Torpedoschnellboote 843 und 844 wird erteilt. Draußen herrscht dicker Nebel vor, die Sicht beträgt nur 30 Meter. Das Radargerät zeigt Grieß. Etwa 15 Zielpunkte sind zu erkennen. Welcher ist die Fregatte? Das Torpedoschnellboot 844 WILLI BÄNSCH hält auf das größte Zielobjekt zu. Der Kommandant übersieht, dass die Peilung „steht". Das bedeutet Kollisionskurs. Das andere Schiff läuft auf ihn zu. Er stoppt auf. Die Maschinen verstummen. Er will hineinhorchen in den Dunst. Da reißt der Vorhang auf. Ein ho-
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und treibt kieloben ab. Sie sind mit der schwedischen Fähre DROTTNINGEN kollidiert. Elf Seeleute kämpfen im öligen Seewasser um ihr Leben. Die anderen sind un-
lesen sie noch. Verzweiflung kommt auf. Endlich, im Morgengrauen des 31. August, findet das Torpedoschnellboot 843 das Rettungsfloß mit den Überlebenden. Gerettet! Der Preis ist hoch: Sieben Seeleute sind tot.
Ehrendes Gedenken
ÖFFENTLICH: Vereidigung von Soldaten der NVA auf dem Marktplatz von Mühlhausen in Thüringen. Foto: picture-alliance/ddrbildarchiv.de/ Robert Grahn/picture-alliance/dpa-Zentralbild
Ein Anruf im Bundeswehrarchiv in Freiburg im Jahr 1990 und die Recherche im Schiffstagebuch der Fregatte KARLSRUHE der Bundesmarine ergeben: Tatsächlich hat die Fregatte am 30. August 1968 Fehmarnbelt passiert. Danach schlug sie aber Südkurs ein und führte ein Ankermanöver in der Lübecker Bucht durch. Die DDR-Matrosen hatten also ein Phantom gesucht. Ein Gedenkstein der 6. Flottille steht auf dem Friedhof in Dranske. Mehrfach schon fuhren Mariner, Eltern und Verwandte mit aktiven Marinekameraden der Schnellbootsflottille gemeinsam hinaus und übergaben der See Blumen und Kränze in Erinnerung an diese Opfer des Kalten Krieges. Auch das Marine-Ehrenmal Laboe bei Kiel ehrt heute diese Toten der Volksmarine mit einer Gedenktafel. Deren Dienstflagge hängt dort neben denen der anderen deutschen Seestreitkräfte.
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Bewaffnung und Ausrüstung der NVA
Schwert der Arbeiterund Bauernmacht
IN SZENE GESETZT: Werbefoto für die 1952 aus den Volkspolizeibereitschaften gebildete Kasernierte Volkspolizei, die nunmehr mit militärischen Diensträngen und khakifarbenen Uniformen für die Landund Lufttruppen ausgestattet wird. Die VP-See trägt traditionelle blaue Marinekleidung. Foto: Sammlung D. Flohr
MARTIALISCH: Mitte der 1970er-Jahre führt die NVA Kampfhubschrauber des Typs Mi-24 ein und bildet ein Kampfhubschrauber-Geschwader. Diese schwerbewaffneten Helikopter verstärken gemeinsam mit den Hubschraubern Mi-8TB die Schlagkraft der Landstreitkräfte erheblich. Foto: ullstein bild – ADN-Bildarchiv
ÜBUNGSFAHRT: Ein Kampfpanzer der NVA beim Passieren eines Wasserhindernisses nördlich von Heinrichsberg an der Elbe. Foto: picture-alliance/ddrbildarchiv.de/Robert Grahn/picture alliance/dpa-Zentralbild
GEBALLTE FEUERKRAFT: Abschuss einer Rakete vom Typ P-15 vom Raketenschnellboot AUGUST LÜTGENS der Volksmarine. Foto: Sammlung Dieter Flohr
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1956: Die NVA rekrutiert sich anfangs vor allem aus Einheiten der Kasernierten Volkspolizei. Die Bewaffnung stammt vorwiegend vom sowjetischen „Waffenbruder“. Doch auch in der DDR werden bald in großem Umfang Waffen hergestellt. Von Dieter Flohr
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ie Bewaffnung der NVA-Vorläufer, Volkspolizei-Bereitschaften und Kasernierte Volkspolizei (KVP), stammt aus den Sammellagern der Sowjetarmee, die diese zum Ende des Zweiten Weltkrieges angelegt hat. Darunter befinden sich die den Deutschen vertrauten Gewehre K 98, das Sturmgewehr 44 und das Maschinengewehr 42. Auch leichte Geschütze wie die Flak 38 und die 2-cm-Oerlikon und das 2-cm-VierlingsFlugabwehrgeschütz gehören zur Bewaffnung. Dann aber wird die KVP ab 1952 mit gebrauchten Weltkriegswaffen der Sowjetarmee, also mit dem Gewehr K 44 (mit eigentlich geächtetem klappbaren mehrkantigen Bajonett), der Maschinenpistole 41 (mit dem kreisrunden Magazin) dem zweirädrigen MG „Maxim“, Geschützen 37 und 85 mm sowie dann den Doppellafetten 2,5 cm (Drehkranz) ausgerüstet. Auch kommen die ersten Panzer: T-34/85, Selbstfahrlafetten, außerdem 85-mm-Pak und Artillerie 152 mm sowie auch die ersten Schützenpanzerwagen SPW 152. Die Kraftfahrzeuge muss die DDR stellen. Dabei handelt es sich vor allem um die Lkw H3 und H 6, den G5, den Kübel P2M, den leichten Lkw Robur und den in Eisenach produzierten Pkw EMW. Ebenso soll die DDR eigene Kriegsschiffe bauen.
DDR-Rüstungsproduktion Von Anfang an entsteht auf dem Boden der DDR aus der laufenden Produktion, eine eigene Rüstungsindustrie. Sind es zunächst vor allem Kfz-und Kleiderwerke, die die un-
HINTERGRUND
Foto: picture-alliance/ dpa©dpa-Bildarchiv
zähligen Autos und Uniformen herstellen, kommen bald Munitions-, Sprengstoff- und Waffenfabriken hinzu. Es werden zum Beispiel Handfeuerwaffen, Panzerabwehr-Lenkraketen und Handgranaten in Lizenz hergestellt. Mehrere Betriebe liefern Funk- und Nachrichtentechnik, Optik, Waffenleittechnik, Elektronik. Im Erzgebirge und im Vogtland kann die Posamenten-Industrie wiederbelebt werden. Zum Beispiel wird die Stickmaschine mit dem Programm für die Herstel-
Hauptbewaffnung der NVA
Landstreitkräfte ■ Kampfpanzer: T-34, T-54,T-55, T-72 ■ Schützenpanzer: SPW 152, BMP 60, BMP 60 PB, BMP-1, BMP-2 ■ Artillerie: 100-mm-,122-mm-,130-mm-, 152-mm-Geschütze ■ Selbstfahrlafetten (Artillerie und taktische bzw. operative Raketen) ■ Flugabwehrraketen ■ Kanonenflugabwehr ■ Handfeuerwaffen von Pistole Makarow bis MPi-K, MG-Degtjarow bis Panzerbüchse und „Strela“ (tragbare Flugabwehrrakete) Luftstreitkräfte/Luftverteidigung ■ MiG-15, MiG-17,MiG-19, MiG-21, MiG-23,
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HOHE REICHWEITE: Der sowjetische Flugabwehrraketenkomplex „Krug“ (dt. „Kreis“) wird seit Mitte der 1970er-Jahre von der NVA eingeführt, Foto aus dem März 1980.
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(Auswahl)
MiG-29, SU-22 und Il-28 Hubschrauber: Mi-2, Mi-4, Mi-8, Mi-14, Mi-24
Seestreitkräfte ■ Minenleg- und Räumschiffe verschiedener Typen ■ Schnellboote (Projekt 183, 206, Kleine Torpedoschnellboote, Leichte Torpedoschnellboote) ■ Raketenschnellboote (Projekt 205) ■ Küstenschutzschiffe (Projekt 50 und Projekt 1159) ■ U-Jagdschiffe (201M, Hai, Parchim) ■ Landungsschiffe (Landungsschiffe klein, Robbe, Projekt 108) ■ diverse Hilfsschiffe
lung der Mützenbänder der ehemaligen Kriegsmarine genutzt, auf der in „gotischer Schrift“ nun Aufdrucke wie Seepolizei, Volkspolizei-See, Seestreitkräfte und Volksmarine entstehen. Für die Volksmarine soll in erster Linie die aufblühende Werftindustrie der DDR sorgen. Der 1954 verfasste Plan „Zeuthen“ benennt die Zahl von nicht weniger als 314 Kampf- und Hilfsschiffen, darunter sogar Zerstörer und U-Boote. Es sollen alle Seeund auch die Binnenwerften eingebunden werden. Bei den Reparationslieferungen für die UdSSR werden jedoch keine Abstriche gemacht. So wird schnell klar, dass man sich nur auf eine Marinewerft, die Peene-Werft in Wolgast, konzentrieren kann, um nicht das gesamte Wirtschaftsgefüge durcheinander zu bringen.
Erhöhung der Kampfkraft Geliefert werden dann tatsächlich 27 Küstenschutz-Boote (Jachtwerft Berlin), 42 Räumpinassen „Schwalbe“, je zwölf Hafenschutzboote „Tümmler“ und „Delphin“, zwölf Minenleg- und Räumschiffe „Habicht“ und zehn MLR „Krake“ sowie eine Reihe von Hilfsfahrzeugen wie Schlepper und Tanker. 1956 übergibt dann die Baltische Flotte den Seestreitkräften der NVA zwei gebrauchte sowjetische Fregatten (Küstenschutzschiffe
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Titelgeschichte | NVA EFFEKTIV: Ab 1964 führt die Volksmarine auch Raketenschnellboote (hier OTTO TOST) des Projekts 205 ein. Sie können je vier selbstzielsuchende Raketen der Klasse „Schiff-Schiff“ (P-15) abfeuern, die eine hohe Trefferquote besitzen. Foto: ullstein bild – ADN-Bildarchiv
giment 28 Rostock, später das MSR-29 Prora, üben nun Jahr für Jahr die Verladung ihrer Fahrzeuge auf die Schiffe und die Anlandung an flachen Sandstränden. Ab 1962 werden Raketen verschiedener Typen in die drei Teilstreitkräfte der NVA eingeführt. Die Marine stellt nach und nach 15 Raketenschnellboote des „Projekts 205“ mit je vier Startrampen in Dienst. Sie können selbstzielsuchende Raketen der Klasse „Schiff-Schiff“ (P-15) starten. Die Treffgenauigkeit ist atemberaubend. Eine zeitlang erreicht die Volksmarine damit eine waffentechnische Überlegenheit in der südwestlichen Ostsee über die hier operierenden NATO-Seestreitkräfte. Küstenraketen des Typs „Sopka“ kommen hinzu. Der Westen besitzt zu diesem Zeitpunkt noch keine vergleichbaren Waffen. Die Luftstreitkräfte/Luftverteidigung führen Fla-Raketen der Klasse „Land-Luft“ und ungelenkte Raketen „Luft-Luft“ ein. Die Landstreitkräfte erhalten taktische Raketen mit konventioneller Ladung.
Massive Aufrüstung 50 Projekt „Riga“), die eine erhebliche Erhöhung der Kampfkraft darstellen. Sie verfügen bereits über je drei rechnergestützte 100-mm-Geschütze und erreichen Geschwindigkeiten von 24 bis 30 Knoten. Es folgen 27 Torpedoschnellboote des „Projekts 183“ mit je zwei Torpedoausstoßrohren, dann zwölf U-Boot-Jäger des bereits veralteten Typs 201 M. Damit sind Versuche des DDR-Schiffbaus, einen eigenen Zerstörer (Projekt „Falke“) und Schnellboote (Projekt „Forelle“) zu entwickeln, beendet. Zwei weitere Küstenschutzschiffe folgen 1959. Die Luftstreitkräfte der NVA verfügen zunächst über 130 Jagdflugzeuge Jak 11/18, erhalten
ÜBERNAHME AN BORD: Mithilfe eines Drehkrans wird eine Rakete P-15 („SchiffSchiff“) auf ein Raketenschnellboot der Volksmarine gehievt, Foto aus dem Jahr 1982. Foto: picture-alliance/ZB©dpa-Report
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aber 1956 die ersten Düsenjäger vom Typ MiG-15, wenig später auch MiG-17PF und MiG-19PM sowie 48 Hubschrauber Mi-4.
Panzer-Importe Während weitere gebrauchte Kampfpanzer T-34 aus Beständen der Westgruppe der Sowjetarmee übernommen werden, kommen Anfang der 1960er-Jahre auch fabrikneue Modelle vom Typ T-54 hinzu. Diese müssen allerdings importiert werden. Interessanterweise sind es Hersteller aus der Tschechoslowakei und Polen, die die Panzer in Lizenz produzieren dürfen. Massenweise werden nun Funkmessgeräte, zum Teil auch Entwicklungen eigener Betriebe, in die ostdeutsche Armee eingeführt. An der Küste entsteht ein Netz landgestützter Radarbeobachtungsstationen. Neue Standorte für immer neue Einheiten werden gebaut. Zu Beginn der 1960erJahre erhält die Volksmarine (Namensgebung am 4. November 1960) den Auftrag, auch eine Landungskomponente und UBoot-Jäger zu entwickeln. Die Peene-Werft Wolgast und die Jachtwerft Berlin-Köpenick liefern 56 Leichte Torpedoschnellboote mit dreiköpfigen Besatzungen. Wolgast entwickelt Kleine Landungsschiffe und Mittlere Landungsschiffe „Robbe“. Zwölf U-Jäger „Hai“ mit Dieselantrieb und einer Gasturbine Pirna-14 entstehen. Das Mot.-Schützenre-
Später, in den 1980er-Jahren, kommen sogar operative Raketen SS-23 hinzu. Diese wären Trägermittel für Kernsprengköpfe, die jedoch in sowjetischer Obhut bleiben. Des Weiteren stärken Geschosswerfer, vergleichbar mit den im Zweiten Weltkrieg gefürchteten „Katjuscha,“ und
STAATLICHE AUSZEICHNUNG: „Medaille für treue Dienste in der Nationalen Volksarmee“, hier für eine 20-jährige Dienstzeit in Stufe Gold II. Foto: picture-alliance/ZB©dpa
Panzerabwehrlenkraketen die Kampfkraft der DDR-Streitkräfte. Die offenen Schützenpanzerwagen SPW 152 werden durch geschlossene, schwimmfähige SPW 60, dann SPW 60 PB mit Geschützturm abgelöst. Die Feuerkraft der konventionellen Artillerie wird erhöht. Panzer T-55, Schwimmpanzer PT-76 und Kampfflugzeuge vom Typ MiG-21 – erstmals außerhalb der Sowjetunion stationiert – kommen zum Einsatz. Die Volksmarine verfügt jetzt über ein Kampfschwimmer-Kommando, ein Fallschirmjäger-Bataillon wird in den Landstreitkräften gebildet. Mitte der 1970er-Jahre steigern folgende Waffen beziehungsweise Waffensysteme (Auswahl) die Kampfkraft: neue Hubschrauber Mi-8, Mi-14, Mi-24, neue Flugzeugtypen wie die MiG-23, SU-22, MiG-29, Kampfpanzer T-64 und T-72, neue vierrohri-
Hochgerüstete Streitmacht
HINTERGRUND
KOPRODUKTION: Die DDR produziert gemeinsam mit der Tschechoslowakei das Brückenlegegerät BLG-60 auf Basis von Lizenzen aus der Sowjetunion. Dabei ist die DDR für den pioniertechnischen Aufbau und die Endmontage zuständig. Foto: picture-alliance/dpa-Zentralbild
ge Torpedoschnellboote „Projekt 206“, Mittlere Landungsschiffe, drei Küstenschutzschiffe 1159 Typ „Rostock“, 30 Kleine Torpedoschnellboote der „Libelle“-Klasse (KTS), neue Minensucher „Kondor“ (Projektnummer 89.1 und 89.2), 16 U-Jagdschiffe Projekt 131 „Parchim“ und schließlich fünf Raketenkorvetten „Tarantul“ mit je vier P-21-Raketen sowie ein neues mobiles Küstenraketensystem „Rubesch“.
„Musterschüler” NVA „Höhepunkt“ der erzielten Fähigkeiten und der Kampfbereitschaft der NVA ist das letzte Großmanöver „Waffenbrüderschaft 80“. Auf Truppenübungsplätzen der DDR zeigen Land-, Luft- und Seestreitkräfte unter Einsatz scharfer Waffen, zu welchen militärischen Leistungen sie imstande sind. Ohne Zweifel wäre die NVA als Koalitionsarmee damals mit den anderen Armeen des Ostblocks auf Befehl „marschiert“. Ihre schwimmfähige Technik hätte die mitteleuropäischen Wasserhindernisse größtenteils aus der Bewegung heraus überwinden können. Dazu entwickelt die DDR-Industrie ein
Das gesamte Gerät und die Waffen der NVA werden nach der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 in zahlreichen Verwahrlagern konzentriert. Als Ende November 1990 in Paris zahlreiche Staaten die Schlussakte des KSZEAbkommens unterzeichnen, muss Deutschland 2.927 Panzer, 6.152 Schützenpanzerwagen, 1.955 Artilleriesysteme und 164 Kampfflugzeuge abrüsten. Diese Forderung wird nun durch Vernichtung und Ab-
eigenes Brückenlegegerät BLG-60 für kleinere Wasserhindernisse, das sich sowjetischen und NATO-Mustern als überlegen erweist. Die NVA gilt inzwischen als „Musterschüler“ des weiterhin vom „Großen Bruder“ dominierten Warschauer Paktes. In der DDR existieren ab den 1970er-Jahren etwa 70 bis
steuerung von NVA-Waffen weitestgehend erfüllt. Inzwischen haben 44 Länder um Lieferungen aus Beständen der Nationalen Volksarmee ersucht. Am Ende gehen Lieferungen an 70 Länder, darunter die USA, Frankreich, Ägypten, Israel, Griechenland, Türkei, Indonesien, Schweden, Finnland, Belgien, Jugoslawien, Lettland, Tunesien, Malta, Uruguay, Norwegen, die Niederlande, Estland, Spanien und die Ukraine.
laufs auf. Mit „Pershing II“ und „Cruise missile“ sowie mit den Luft-Schiff-Raketen „Kormoran“ der NATO wird offenbar, dass die vorwiegend konventionellen Kräfte des Warschauer Vertrages immer mehr ins Hintertreffen geraten sind. Als dann unter dem Generalsekretär des Zentralkomitees der
„Schlagkräftig – zuverlässig. Für den Schutz der Arbeiter- und Bauern-Macht!” Losung eines Propagandaplakates anlässlich des 25. Jahrestages der Gründung der NVA, 1981
80 Betriebe der „Speziellen Produktion“; diese stellen ausschließlich Rüstungsgüter her. Zirka 2.300 Betriebe treten als Zulieferer in Erscheinung. Mit dem Nachrüstungsbeschluss der NATO und der „Vornestationierung“ der russischen SS-20-Raketen in den Jahren 1979/80 allerdings kommen unter den Leistungsträgern der NVA immer größere Zweifel an der Richtigkeit des Rüstungswett-
STANDARD: Jagdflugzeuge vom Typ MiG-21 auf einem Militärflugplatz, vermutlich bei Kamenz. Die sowjetische MiG-21 kommt bei allen Staaten des Warschauer Vertrags zum Einsatz. Foto: picture-alliance/dpa-Zentralbild
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Abrüstung einer Armee
KPdSU Michail Gorbatschow 1985/86 die offensive Militärdoktrin in eine Verteidigungsdoktrin gewandelt wird und die NVA nun „Verteidigung“ üben soll, ist schnell klar, auf wessen Territorium und mit welchen Kräften die Anfangsperiode eines möglichen Krieges zwischen West und Ost stattfinden wird. Jedem militärwissenschaftlich ausgebildeten Offizier wird bewusst, dass ein auf breiter Front vorgetragener Angriff des Gegners – wenn überhaupt – erst an der Oder oder an der Weichsel gestoppt werden könnte. Eine neue Stufe der Kampfkraft durch intelligente Munition, Computertechnik und Abstandswaffen zwingt Politiker und Militärs schließlich zum Einlenken und Umdenken. Entsprechend den Abrüstungsverhandlungen verschrottet die DDR in ihrer Endphase die ersten Kampfflugzeuge und Panzer. Zudem reduziert sie die Zahl der Landstreitkräfte einseitig um 10.000 Mann. Mit den Wahlen vom 18. März 1990 und den Verhandlungen zwischen Bundeskanzler Kohl und Gorbatschow im Kaukasus sowie den 2+4-Verhandlungen des Jahres 1990 ist das Ende der NVA – einer deutschen Armee im Kalten Krieg – schließlich gekommen.
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Schlachten der Weltgeschichte | Aachen 1944
Schlacht um Aachen 1944
Kampf um die Kaiserstadt September 1944: Die Alliierten stoßen bis zur deutschen Westgrenze vor. Nun wollen sie mit Aachen die erste Großstadt des Reiches erobern. Doch ihre Annahme, der Gegner sei bereits geschlagen, erweist sich als verhängnisvoller Irrtum. Von Stefan Krüger
GROßES KALIBER: Deutsche Artillerie nimmt im Raum Aachen die nach Osten vorstürmenden Truppen des Gegners unter Beschuss. Foto: picture-alliance/Süddeutsche Zeitung Photo
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den er den vermeintlichen Siegern hinterlassen hat, ist ihm nun freilich unangenehm. Er versucht daher, ihn wieder an sich zu bringen. Ein beflissener Bürger war jedoch schneller und schwärzt den General an. Es riecht verdächtig nach „Defätismus“. Das „Führerhautquartier“ kommt zu demselben Ergebnis und schiebt Schwerin in die „Führerreserve“ ab. Neuer Divisionskommandeur wird General Siegfried von Waldenburg.
Unverhoffter Nachschub
NEUGIERIG BEGUTACHTET: Teile einer SS-Panzerdivision sammeln sich in einem Dorf westlich von Aachen. Ein Halbkettenfahrzeug (Sd.Kfz. 251/7) wird von Kindern und Jugendlichen bestaunt. Die mittleren Pionierpanzerwagen führten oft Sturmbrücken als Grabenüberschreithilfe sowie weiteres Pioniergerät mit sich. Foto: Sammlung Anderson
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ühsam quälen sich die Fahrzeuge der 116. Panzerdivision Richtung Osten. Ihr Ziel heißt Aachen. Denn hier beginnt die vorderste Linie des „Westwalls“ und hier, so hoffen die Männer, muss es doch wieder eine deutsche Verteidigungslinie geben. Doch der Divisionskommandeur Generalleutnant Gerhard Graf von Schwerin und seine Soldaten sehen sich darin bitter getäuscht. Als sie am 12. September 1944 in der altehrwürdigen Kaiserstadt ankommen, herrscht in Aachen das blanke Chaos. Eigentlich hat die örtliche NSDAP den Auftrag, die Zivilisten zu evakuieren. Die „Parteibonzen“ aber waren auch hier die ersten, die sich aus dem Staub gemacht und die Aachener ihrem Schicksal überlassen haben. Zwar hat der Garnisonskommandant Ersatzeinheiten aufgestellt, um den „Westwall“ an dieser Stelle zu besetzen. Doch handelt es sich um Soldaten, deren schlechte Ausbildung nur noch von der mangelhaften Qualität ihrer Ausrüstung übertroffen wird. Dafür tragen diese Einheiten teils martialische Bezeichnungen wie „Festungs-MG-Bataillon 34“. Zeit bleibt auch keine mehr, da das VII. US-Korps nur noch wenige Kilometer von Deutschlands westlichster Großstadt entfernt ist.
für die US-Amerikaner, in der er sie bittet, die Zivilbevölkerung schonend zu behandeln. Er vermutet nämlich, dass die 1. US-Division in den nächsten Stunden ins Stadtinnere einrücken wird. Doch dann geschieht etwas Erstaunliches – nämlich nichts. Die Amerikaner verharren, als würden sie eine neue Teufelei der Deutschen fürchten. Damit vergeben sie die einmalige Chance, Aachen im Handstreich zu besetzen. General Schwerin nutzt die Gelegenheit und wirft seine Division wieder nach vorne. Außerdem stoppt er die Evakuierung. Denn diese verläuft ohnehin viel zu chaotisch. Der Zettel,
Die deutsche Verteidigung nimmt nun sichtlich Formen an. So graben sich nordwestlich der Stadt die Soldaten der 49. und 275. Infanteriedivision ein, während Waldenburgs Panzer zu den südwestlichen Stellungen des „Westwalls“ rasseln. Die Deutschen vermuten, dass es hier in den nächsten Tagen besonders kritisch aussehen wird – zu Recht. In Aachen selbst verschanzen sich derweil die Ersatzeinheiten der Garnison. Zusammen gefasst sind sämtliche Verbände und Einheiten unter dem Kommando des LXXXI. Armeekorps. Und während sich die Stäbe ordnen, reiben sich die alten, desillusionierten „Landser“ der Wehrmacht verblüfft die Augen, denn sie sehen etwas, was sie schon lange nicht mehr erblickt haben: Nachschub. Panzer, Sturmgeschütze, Haubitzen und Handfeuerwaffen kommen an die Front. Man merkt, dass das Ruhrgebiet nicht mehr weit entfernt ist. Auf der anderen Seite der Front ahnt Feldmarschall Bernard Montgomery, der die britische 21. Heeresgruppe der alliierten Expeditionsstreitkräfte führt, dass die Wehrmacht noch lange nicht geschlagen ist. Zu-
Vergebene Chance Graf von Schwerin gibt sich keinen Illusionen hin. Zwar hat er tags zuvor den Befehl erhalten, Aachen zu verteidigen, doch seine geschundene Division ist noch nicht gefechtsbereit. Sie muss sich zunächst östlich der Stadt sammeln. Er eilt daher ins Telegrafenamt und hinterlässt dort eine Nachricht
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IM SCHUTZ DER HAUSWAND: Deutsche Soldaten durchqueren das Aachener Stadtgebiet 1944, hier Angehörige der 246. Volksgrenadierdivision. Foto: picture-alliance/ZB©dpa
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Schlachten der Weltgeschichte | Aachen 1944 dem plagen die Verbündeten Versorgungsschwierigkeiten, da sich viele französische Häfen noch in deutscher Hand befinden. Auch das logistisch sehr wichtige Antwerpen ist noch lange nicht befreit. Er hält daher nichts von der Idee, sich am „Westwall“ den Kopf blutig zu schlagen. Vielmehr möchte er diesen am Niederrhein umgehen, dann nach Süden einschwenken und das Ruhrgebiet erobern – ein spiegelverkehrter „Schlieffenplan“ sozusagen.
Angriff der Amerikaner Der Krieg, so hofft er, kann dann vielleicht noch vor dem 1. Januar 1945 beendet sein. Das Unternehmen „Market Garden“ sollte diesem kühnen Stoß den Weg ebnen. Doch die Luftlandeoperation gerät zum alliierten Debakel. Montgomery aber gibt nicht auf; er plädiert weiterhin dafür, den Schwerpunkt auf dem linken Flügel, also bei seiner eigenen Heeresgruppe, zu bilden. Der Oberbefehlshaber der alliierten Expeditionsstreitkräfte, General Dwight Eisenhower, möchte jedoch die Wehrmacht weiterhin auf breitester Front unter Druck setzen. Auch im Raum Aachen. Hier sollen die Amerikaner den „Westwall“ durchstoßen und anschließend auf Köln vorrücken. Von hier aus ließe sich das Ruhrgebiet rasch neutralisieren. In den Morgenstunden des 14. September 1944 tritt das VII. US-Korps wie erwartet südlich der Stadt an. Und auf Anhieb reißen
BEFEHLSHABER: Gerhard Graf von Schwerin, Kommandeur der 1944 im Raum Aachen eingesetzten 116. Panzerdivision. Er wird seines Kommandos enthoben und in die „Führerreserve“ versetzt. Foto: picture-alliance/dpa©dpa-Bildarchiv
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die Amerikaner die Front auf und preschen an Aachen vorbei weit nach Osten vor. Die 116. Panzerdivision wirft sich ihnen entgegen, kann sie jedoch nicht aufhalten, sodass das VII. Korps bei Stolberg sogar in die zweite „Westwall“-Linie eindringt. Doch die Verteidiger haben Glück: Die frisch aufgefüllte und neu ausgerüstete 12. Infanteriedivision marschiert rechtzeitig heran und schließt die bedrohliche Lücke südöstlich von Aachen. Der amerikanische Angriff frisst sich fest. Auch nördlich der Stadt gehen die US-Truppen in die Offensive. Sie schaffen es aber nicht, die Verteidiger zu werfen. Die Amerikaner antworten mit wütendem Artilleriefeuer, das auf das gesamte LXXXI. Korps niedergeht. Dann stürmt am 17. September erneut die Infanterie an. Unter
KARTE
GETARNT: Eine 155-mm-Haubitze der US-Armee wird in Stellung gebracht. Die materielle Überlegenheit der Alliierten – gerade bei der Artillerie und in der Luft – war auch in der Schlacht um Aachen erdrüFoto: picture-alliance/akg-images ckend.
Einschließung Aachens im Oktober 1944
Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich
den wuchtigen Schlägen taumeln die 49. und 275. Infanteriedivision nach Heerlen zurück. Die 183. Volksgrenadierdivision springt jedoch in die Bresche und hilft, die Front zu stabilisieren. Auch diesmal gelingt den Angreifern somit der Durchbruch nicht. Zugleich aber schwenken die Amerikaner bei Stolberg nach Norden ein. Es ist kein Geheimnis, dass sie versuchen, Aachen einzuschließen. Wichtigstes taktisches Ziel sind hierbei die Höhenzüge nordöstlich der Stadt. Wer sie kontrolliert, kontrolliert Aachen. Diesmal aber versandet der Angriff im Abwehrfeuer der 12. Infanteriedivision rasch und die Schlacht um Aachen pausiert anschließend vorerst.
ker auf die Westfront konzentrieren und neu aufgefüllte Verbände wie eben die 12. Infanteriedivision dorthin entsenden. Die Deutschen nutzen die operative Pause, um Aachen endlich zu evakuieren. Außerdem ziehen sie die angeschlagene 116. Panzerdivision aus der Front, um den Verband aufzufrischen. An dessen Stelle tritt die
erst am 15. September (!) neu aufgestellte 246. Volksgrenadierdivision. Zugleich spuckt das Ruhrgebiet, die größte Rüstungsschmiede des Reiches, unablässig neues Material aus, das vor allem den Verteidigern von Aachen zugute kommt. Die Amerikaner haben bereits zu spüren bekommen, auf was sie sich hier eingelassen haben. Sie schaffen da-
Verunsicherte Amerikaner Die Amerikaner sind indes sehr verunsichert. Wie ist es möglich, dass die vermeintlich geschlagene Wehrmacht mit der 12. Infanteriedivision einen frischen Verband aus dem Ärmel geschüttelt hat? Wo kam dieser so plötzlich her? Die Division stand zuvor an der Ostfront und ist während der russischen Sommeroffensive (Unternehmen „Bagration“) beinahe aufgerieben worden. Da die Rote Armee in diesem Bereich aber bereits seit August 1944 eine Feldzugpause einlegte, konnten sich die Deutschen nun etwas stär-
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NACHSCHUB: Ein anscheinend werksneuer PzKpfw IV Ausf H oder J in gedeckter Stellung in einem Wäldchen. Schutz vor der alliierten Luftaufklärung ist 1944 überlebenswichtig, Verlegungsmärsche werden vorzugsweise in der Nacht vorgenommen. Foto: Sammlung Anderson
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Schlachten der Weltgeschichte | Aachen 1944
her schwere Artillerie herbei, mit der sie den „Westwall“ unter Beschuss nehmen und „knacken“ wollen. Doch das erste Wort hat die alliierte Luftwaffe. 1.250 schwere Bomber legen in der Nacht zum 2. Oktober 1944 Bombenteppiche auf Köln, Hamm und Kassel. Das LXXXI. Korps soll dadurch wenigstens zeitweise vom Ruhrgebiet und damit vom Nachschub abgeschnitten werden. Die Amerikaner legen den Schwerpunkt nun auf den Nordabschnitt, direkt südlich von Geilenkirchen. Zwar haben sie im Süden den tiefsten Einbruch erzielt und stehen bereits weit östlich von Aachen. Doch scheuen sie davor zurück, sich in dem unübersichtlichen Gelände in einen Kleinkrieg wie zuvor im Heckenland der Normandie einzulassen.
Amerikaner schon in der Normandie den Durchbruch erzwungen, warum soll es nicht auch hier funktionieren? Doch der „Westwall“ schützt die deutschen Soldaten, Verluste und Schäden bleiben erstaunlich gering. Die Soldaten des XIX. US-Korps laufen in ein mörderisches Abwehrfeuer. Einzelne Einheiten verlieren mehr als zwei Drittel ihres Personals. Etwa 30 Minuten benötigen die GIs im Durchschnitt, um nur einen einzigen Bunker zu „knacken“. Bis zum Ende des
„Westwall“ integriert sind. Erst am nächsten Tag überwinden die Angreifer diese erste Linie vollständig und stoßen weiter nach Westen vor. Für die deutsche Seite wird es nun brenzlig. Wenn das XIX. Korps, das nun immer weiter an Raum gewinnt, nach Süden eindreht, können sie bald den Soldaten des VII. US-Korps die Hand reichen und Aachen wäre eingeschlossen. Noch am 4. Oktober 1944 unternimmt das LXXXI. Korps daher
„Reste der Verteidiger der deutschen Kaiserstadt stehen im Nahkampf am Gefechtsstand...“ Garnisonskommandant Gerhard Wilck am 21. Oktober 1944 in seinem letzten Funkspruch an die 246. Volksgrenadierdivision.
Mörderisches Abwehrfeuer Während die genannten Großstädte brennen, heben 400 alliierte Bomber ab, die es vor allem auf die deutschen Bunker abgesehen haben. Anschließend pflügen knapp 380 Geschütze mit über 18.000 Granaten die Erde um. Mit massierter Feuerkraft haben die
HINTERGRUND
Der „Westwall“
Nach dem Zusammenbruch der Normandiefront bietet sich der vernachlässigte „Westwall“ als Auffang- und Verteidigungslinie an. Hitler befiehlt daher am 24. August 1944, jene Verteidigungsanlage wieder zu reaktivieren und zu modernisieren. Das rund 630 Kilometer lange Stellungssystem erstreckt sich damals von der Schweiz grob entlang der deutschen West-
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Tages werden es aber immerhin 50 sein. Zugleich liefern sie sich mit den Deutschen erbitterte Häuserkämpfe in Ortschaften wie Übach und Rimburg, die rund 20 Kilometer nördlich von Aachen liegen und in den
grenze bis zum niederrheinischen Kleve. Es besteht damals neben verschiedenen Bunkertypen aus zahlreichen Panzersperren und -gräben. Insgesamt werden etwa 17 Millionen Tonnen Beton und 1,2 Millionen Tonnen Stahl verbaut. Erstmals finden 1944 heftige Kämpfe um den „deutschen Limes“ bei Aachen und später im Hürtgenwald statt.
Gegenangriffe, die aber allesamt zu kraftlos sind und meist im Artilleriefeuer liegen bleiben. Nun ergreifen die US-Truppen wieder die Initiative. Sie stürmen nach Süden und nehmen Alsdorf, womit sie nur noch 14 Kilometer von Aachen entfernt sind. In einem entschlossenen Gegenstoß erobern deutsche Sturmgeschütze und Infanterie die Ortschaft zwar wieder zurück, doch müssen sie dem großen Druck bald weichen. Die Reserven sind schlicht zu schwach. Zu diesem Schluss kommt auch das Oberkommando der Wehrmacht (OKW) und setzt die 3. Panzergrenadierdivision und das I. SS-Panzerkorps mit der 116. Panzerdivision und der 101. schweren SS-Panzerabteilung in Marsch. Noch aber sind die Amerikaner am Zug. Am 8. Oktober stößt das VII. Korps mit der bewährten
Verbissene Verteidiger NIEDERGESCHLAGEN: Deutsche Offiziere nach der Gefangennahme durch die US-Amerikaner in Aachen im Herbst 1944.
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Foto: picture-alliance/ Süddeutsche Zeitung Photo
Großformat, Großformat, 349 349 Seiten. Seiten. 148 148 Abb./ISBN Abb./ISBN 978-3-86933-088-4 978-3-86933-088-4
¼ ¼ DURCHBRUCH: US-Truppen durchstoßen im Herbst 1944 den „Westwall“, hier südlich von Aachen
Wijers, Wijers, Hans Hans J. J.
Die Die ArdennenArdennenoffensive offensive - Band - Band II II
Foto: picture-alliance/akg
1. US-Division nach Norden vor. Ihr Ziel ist die Ortschaft Verlautenheide und „Hügel 231“, nahe Ravelsberg. Wieder wummern die mächtigen Geschütze und ebnen den Angreifern den Weg. Sie schaffen es auf Anhieb, diese wichtigen Punkte zu besetzen. Damit kontrollieren die Alliierten nun die entscheidenden nordöstlichen Höhenzüge, Aachen ist nun beinahe vollständig eingeschlossen.
Mit geballter Feuerkraft Doch noch immer klafft eine Lücke zwischen der 30. US-Division bei Alsdorf und der 1. Division weiter südlich. Und die Deutschen sind entschlossen, mit den Verstärkungen des OKW hier einen mächtigen Keil hineinzutreiben. Rasch drängen sie beide US-Divisionen in die Defensive und zwei deutsche Infanterieregimenter entreißen den Alliierten am 12. Oktober sogar den „Hügel 231“, während Tiger-Panzer im Rücken der 1. US-Division durchbrechen und diese zeitweise vom Nachschub abschneiden. Kippt die Schlacht? Droht am Ende gar ein Debakel wie bei Arnheim? Die Amerikaner geben jedoch nicht auf und spielen ihre stärksten Trümpfe aus: Artillerie und Luftwaffe. Mit dieser geballten Feuerkraft zertrümmern sie einzelne deutsche Angriffsgruppen und reiben auch die gegnerische Infanterie auf „Hügel 231“ auf. Der wichtige Höhenzug ist damit wieder in alliierter Hand. Die Deutschen, die längst nicht mehr die Reserven haben, um solche Materialschlachten durchzustehen, lassen nun spürbar nach. Darauf hin beißt sich die 30. US-Division weiter nach Süden durch. Am 16. Oktober 1944 reichen sie schließlich ihren Kameraden von der 1. Division die Hand: Aachen ist nun vollständig eingeschlossen. Der Kampf um die Stadt selbst beginnt bereits ein paar Tage zuvor, als das 26.
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US-Regiment mit Flammenwerfern, Panzern und schweren Haubitzen in Aachen eindringt. Ihnen gegenüber stehen vor allem 5.000 Garnisonssoldaten: Schlecht ausgebildete, meist viel zu alte Männer, die obendrein nur mangelhaft ausgerüstet sind. Dennoch wehren sie sich verbissen und zwingen die Angreifer, die offenen Straßen zu meiden. Die amerikanischen Panzer und Geschütze schleifen daraufhin systematisch ein Haus nach dem anderen, sodass sich die USInfanterie über die Trümmer hinweg fortbewegen kann. Auf diese Weise ziehen sie den Ring um die Innenstadt immer enger, treffen dann aber am Hotel Quellenhof, dem Hauptquartier der Verteidiger, noch einmal auf den erbitterten Widerstand der Waffen-SS, die mehrere Angriffe abwehrt und sogar heftige Gegenstöße unternimmt. Erst am 21. Oktober 1944 kapituliert Garnisonskommandant Oberst Gerhard Wilck mit dem Rest seiner Soldaten. Die Schlacht um Aachen hat vom 2. bis zum 21. Oktober 1944 auf beiden Seiten jeweils zirka 5.000 Mann an Toten und Verwundeten gekostet. Zudem gerieten mehrere Tausend deutsche Soldaten in alliierte Gefangenschaft. Aber auch bei den Alliierten sollte sich bald Ernüchterung breitmachen. Denn obwohl sie den „Westwall“ an dieser Stelle nun klar durchbrochen hatten, waren sie von einem temporeichen Bewegungskrieg wie zuletzt in Frankreich weit entfernt. Zudem wartete nun der Hürtgenwald als nächstes, weitaus größeres Hindernis. Aachen wurde somit nicht zum erhofften „Sprungbrett“ in das Herz des „Dritten Reiches“. Stefan Krüger, M.A., Jg. 1982, Historiker aus München.
Sturm Sturm aufauf diedie Nordfront Nordfront (QWVFKHLGXQJHQLQ (QWVFKHLGXQJHQLQ 5RFKHUDWK.ULQNHOW 5RFKHUDWK.ULQNHOW $QJULIIGHU3]$UPHH $QJULIIGHU3]$UPHH XQGDPHULN$EZHKU XQGDPHULN$EZHKU 'H]HPEHU 'H]HPEHU Großformat, Großformat, 168 168 Seiten, Seiten, 125 125 Abb., Abb., 2121 Karten; Karten; ISBN ISBN 978-3-86933-118-5 978-3-86933-118-5
¼ ¼ Gückelhorn, Gückelhorn, Wolfgang Wolfgang Paul, Paul, Detlev Detlev
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218 218 Seiten, Seiten, fest fest gebungebunden, den, 206 206 Abbildungen; Abbildungen; ISBN ISBN 978-3-86933-026-6 978-3-86933-026-6
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Der Zeitzeuge
Als Hubschrauberpilot in Vietnam
Kampfeinsatz ,,
über der
VON DER HÖLLE INS PARADIES: Blick aus dem Hubschrauber des Vietnamveteranen Curt Lofstedt auf die beeindruckenden Berghänge und das türkisfarbene Wasser Hawaiis.
1965–1973: Trotz technischer Überlegenheit können die USA den „unsichtbaren“ Gegner in Vietnam nicht bezwingen. Der Hubschrauber Bell UH-1 steht sinnbildlich für den Dschungelkrieg in Südostasien. Ein ehemaliger Pilot berichtet exklusiv. Von Walter Kreuzer
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urt Lofstedt wirkt plötzlich sehr nachdenklich: „Ich ging nicht hin, um die Welt zu retten. Ich hatte aber die richtige Einstellung, um das zu tun, was von mir erwartet wurde – und ich bin zurückgekommen. Es war nicht das Beste, dort involviert zu sein.“ Dennoch ist er bereit, über den Krieg in Südostasien zu reden. Jahrelang hat er das nicht getan: „Ich spreche nicht viel über Vietnam. Das ist nichts, über das ich bei Tisch reden würde. Ich habe dort viele schlimme Dinge gesehen.“ Neben den Erlebnissen, mit denen er am liebsten nie konfrontiert worden wäre, hat ihm seine Zeit bei der U.S. Army auch etwas gegeben, das er nicht hätte missen wollen: etliche Flugzeiten und dadurch die Möglichkeit, sich seinen Lebenstraum zu erfüllen. Ob er ohne diese Zeiten hinter dem Steuerknüppel eines Bell UH-1 Iroquois – der Typ ist allgemein unter Bezeichnung „Huey“ bekannt – heute im Tropenparadies Hawaii seinem zum Beruf erkorenen Hobby nachgehen und auf die Erfahrung von 29.000 Flugstunden
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zurückblicken könnte? Wohl kaum. So aber sitzt der 64-Jährige im bunten Hawaiihemd in seinem Büro in Lihue, dem Hauptort der Insel Kauai. Hier betreibt er seit Anfang der 1980er-Jahre mit seiner Frau Bonnie ein Helikopter-Unternehmen, dass auf Rundflüge für Touristen und Filmaufnahmen – zum Beispiel „Jurassic Park“ oder „Sechs Tage, sieben Nächte“ (mit Harrison Ford, dem er nebenbei das Hubschrauberfliegen beibrachte) – spezialisiert ist. In Corvallis bei Portland absolviert Lofstedt das College auf der Oregon State University. Sein Traum, Hubschrauber zu fliegen, ist aber so stark, dass er sich als Warrant Officer (WRR) Aviation Specialist freiwillig meldet: „Das war der beste Weg, dies zu machen. Es war sicher, dass ich ins Flugprogramm kommen würde.“ 50 Männer gehören seiner Klasse an. Nur drei schließen den Lehrgang in Fort Rucker (Alabama) und die Flugausbildung in der Nähe der texanischen Metropole Dallas erfolgreich ab. Die Übrigen werden bei den häufigen und strengen
Tests ausgesiebt, anderen Einheiten zugeteilt und durch Neuankömmlinge ersetzt. 1972, der Krieg in Vietnam beginnt sich etwas abzuschwächen, sehnt sich der frischgebackene Hubschrauberpilot – „ich war jung und unerschrocken“ – nach so viel Flugzeit wie nur möglich und will deshalb in den USA bleiben.
„Freiwillig“ nach Vietnam Als Drittbester des Jahrgangs stehen ihm alle Türen offen. Er darf sich seine weitere Verwendung aussuchen – zumindest in der Theorie. „Sie wählten einige Leute aus, die nach Vietnam sollten. Ich rief zu Hause an und erzählte, dass ich nicht hin müsse. Meine Eltern waren glücklich. Am nächsten Tag hieß es dann aber: ,Wir brauchen noch einen, der nach Vietnam geht. Wenn Du Dich nicht freiwillig meldest, dann melden wir Dich freiwillig.’ Dass ich in der Klasse so hoch stand, half mir in dieser Situation nicht. Deshalb habe ich zugesagt. Heute bin ich froh, dass es so gekommen ist“, erinnert er sich an ein Wechselbad der Gefühle. In Vietnam gehört er dem C-Troop der 16th Cavalry Unit mit dem Namen „Dark Horse“ an. Die Kampfeinheit umfasst 80 Soldaten, darunter 30 Piloten. Jeweils ein Commander, ein Co-Pilot und zwei Crew-Mit-
Alle Fotos: Autor
,,grünen Hölle
DAMALS: Lofstedt auf dem Pilotensitz seines Hubschraubers. Die Aufnahme stammt aus dem Vietnam-Jahrbuch seiner Einheit.
HEUTE: Lofstedt vor einem Hubschrauber seiner erfolgreichen Firma „Island Helicopters“. Er fliegt Touristen und Hollywoodstars über Hawaii.
glieder, die die beiden seitlich angebrachten Maschinengewehre bedienen, bilden die Besatzung eines Huey-Hubschraubers. „Ich war bis zum Waffenstillstand etwa ein Jahr in Vietnam. Drei Monate, nachdem ich in das Land gekommen war, wurde ich zum Aircraft Commander befördert. Viele Piloten gingen zurück nach Amerika, und es wurde viel geflogen. Wir waren die einzige Kampfeinheit.“ 1.100 Flugstunden kommen so zusammen, während denen er zweimal unfreiwillig auf den Boden muss. „Einmal landete ich in einem Reisfeld, das etwa einen Meter tief unter Wasser stand. Ich sah, wie Vietnamesen mit einem Boot auf mich zukamen, als uns ein Hubschrauber rausholte. In dem anderen Fall hatte ich nachts einen Maschinenschaden und konnte den Heli gerade noch landen, ehe der Motor ausfiel.“
Der „Flugstunden-Junkie“ Als Offizier hat er sein eigenes Zimmer, und – was ihm besonders gelegen kommt – er schreibt den Einsatzplan für die Piloten. „Ich habe mich jeden Tag eingesetzt, um möglichst viele Flugstunden zu bekommen und nach der Rückkehr die fehlenden Lizenzen zu machen.“ Das Resultat dieser Praxis ist, dass Lof-
FAKTEN
stedt häufiger zum Arzt muss, um sich einsatzfähig schreiben zu lassen: „Das war nach einer gewissen Zahl Einsatzstunden – ich glaube, es waren etwa 200 – vorgeschrieben.“
Tödliche SA7-Raketen Die Huey-Piloten sind anfangs ziemlich hoch geflogen, später aber wegen der russischen Strela2-Raketen – von den Amerikanern als SA7 bezeichnet – nur noch im Tiefflug unterwegs gewesen: „Die SA7 reagierten auf Hitze und hängten sich dann an die Maschine dran. Einmal wurde eine auf mich abgeschossen. Ich sah sie auf mich zukommen, tauchte ab und machte wilde Manöver. Die Rakete flog einen Kreis und kam zurück – schoss aber an mir vorbei.“ Die Treffergenauigkeit dieser Geschosse soll bei 90 Prozent liegen. Deshalb ist sie fast jeden Abend Thema bei den Besprechungen über Gegenmaßnahmen: „Unter anderem haben wir die Hubschrauber schwarz gestrichen, damit es keine Reflexionen von der Sonne geben konnte.“ Seinen gefährlichsten Einsatz schildert Curt Lofstedt so: Ein Huey wird abgeschossen, fällt in die Bäume und bleibt rauchend auf der Seite liegen. „Ich landete etwa 90 Meter entfernt, übergab das Kommando mei-
Bell UH-1 Iroquois
Erstflug/Indienststellung: Oktober 1956/1959 Verwendungszweck: Mehrzweckhubschrauber (Luftlandeoperationen, Transport, Evakuierung, Elektronische Kampfführung, Angriff von Bodenzielen) Spitzname: Huey Länge: 17,5 m Höhe: 4,5 m Gewicht: 4,8 t Fluggeschwindigkeit: 281 km/h Reichweite: 318 km Steighöhe: 4,3 km Besatzung: 4
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IKONE: Fast jeder Krieg hat seine „typischen“ Waffen. Für den Vietnamkrieg ist es der „Huey“. Die meisten Menschen denken bei dem Wort „Vietnamkrieg“ sofort an die Hubschrauber mit dem unverwechselbaren „TeppichklopferSound“. Die Aufnahme stammt aus dem Pacific Aviation Museum in Pearl Harbor, Oahu.
nem Co-Piloten und nahm zur Deckung die beiden Gewehrschützen mit. Währenddessen flogen die Cobra-Kampfhubschrauber über uns und schossen Raketen ab, die überall um mich herum einschlugen. Offenbar hatten es meine Männer mit der Angst zu tun bekommen. Als ich mich umdrehte, waren sie nicht mehr da, sie blieben im Hubschrauber.“ Bei dem abgeschossenen Heli angekommen, sieht Lofstedt, wie sich der Pilot bewegt. Einer der Schützen hatte gerade eine Handgranate entsichert, als die Maschine getroffen worden war und abstürzte. „Ich versuchte, ihn herauszubekommen, sah aber, dass er nicht überleben würde. Es war kein schöner Anblick. So versuchte ich, den Pilot rauszuziehen. Er war noch immer bei Bewusstsein. Ich nahm ihn auf den Arm. Es ist ziemlich schwer, so durch Gras und 90 Zentimeter tiefes Wasser zu laufen. Ich war ziemlich erschöpft“, erzählt der 64-Jährige. Bei seinem eigenen Hubschrauber angekommen, erfährt er, dass von den HughesHubschraubern einige Vietkong erschossen worden seien, die „zwischen mir und dem abgeschossenen Heli waren. Wir hatten nach ihnen gesucht, als der andere Huey abgeschossen wurde. Mein Co-Pilot flog uns zurück. Er fing zwar einen Treffer ein, wir schafften es aber bis zur Basis.“ Der von Lofstedt gerettete Soldat hat überlebt: „Wir hatten aber nie wieder Kontakt miteinander. In Vietnam waren auch vorher schon Hubschrauber abgeschossen worden, und wir gingen rein, um die Kameraden so schnell wie möglich rauszuholen. Hier war es etwas Besonderes: Es spielte sich mitten unter Feinden ab – und wir hatten Glück, dass wir rauskamen.“ Walter Kreuzer, Jg. 1963, Redakteur und Autor von Reportagen mit dem Schwerpunkt Nordamerika. Für CLAUSEWITZ besuchte er bereits Fort Lincoln, die Minuteman Missile Base und Pearl Harbor.
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Militärtechnik im Detail
Gebaut, um niederzureißen
Großbritanniens schwerer Bomber Avro Lancaster Illustration: Jim Laurier
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as „glänzende Schwert“, wie es Arthur Harris, auch bekannt als „Bomber-Harris“, der Oberkommandierende des „Bomber Command“, nannte, verursachte einen großen Teil der Verwüstungen und Schäden, die dem Deutschen Reich 1942–45 aus der Luft zugefügt wurden. In 156.000 Einsätzen haben mehr als 60 Staffeln 634.200 Tonnen Bombenlast abgeworfen. Dabei variierte die Ladung von Vierpfünder-Brandbomben bis hin zur elf-Tonnen-Luftmine. Im Mai 1943 attackierten speziell umgebaute Lancaster-Maschinen die Ruhr-Staudämme in Westdeutschland, und trafen damit die Wasser- und Elektrizitätsversorgung hart. Bei diesen Angriffen ertranken neben 750 kriegsgefangenen Landwirtschaftshelfern zahlreiche weitere Menschen, die in der Nähe der getroffenen Dämme lebten. Bereits zwei Monate nachdem die Lancaster-Bomber sich am verheerenden Angriff auf Dresden beteiligt hatten, waren Crews und Maschinen beim Lebensmittelabwurf über den Niederlanden im Einsatz, um dort den Hunger zu bekämpfen. Ihr letzter Bombereinsatz über Europa galt am 25. April 1945 Hitlers Bergresidenz „Obersalzberg“ in Berchtesgaden. Bis zum Ende des Krieges hatten Fertigungsstraßen in Großbritannien und Kanada 7.377 Lancaster „ausgespuckt“. Davon wurden 3.431 durch Feindjäger und Beschuss feindlicher Flak zerstört. Zählt man dazu noch die 246 Totalschäden durch Unfälle hinzu, so verzeichnet dieser Bombertyp eine Verlustquote von beinahe 50 Prozent.
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„Giftiger Stachel“ Bug- und Rückenturm waren jeweils mit zwei 0.303-InchBrowning-Maschinengewehren (Kaliber 7,7 mm) bestückt. Der Heckturm aber war am Anfang sogar mit vier weiteren MG gleichen Kalibers bewaffnet. Gegen Ende des Krieges rüstete man den Heckturm häufig um, und stattete ihn mit zwei 0.5-Inch-MG (Kaliber 12,7 mm) aus.
Große Variabilität Der fast zehn Meter große Bombenschacht bedeutete große Flexibilität bei der Bestückung der Maschinen hinsichtlich Bombengröße und Einsatzzweck.
Zahlen, die für sich sprechen Die Flügelspannweite maß 31 Meter, um die 18,5 Tonnen Gewicht der Maschine mit ihrer siebenköpfigen Besatzung und die Bombenzuladung von bis zu 15 Tonnen sicher zu tragen.
DIE KONKURRENTEN: Die deutsche Heinkel He 177 „Greif“ Höchstgeschwindigkeit: 563 km/h Reichweite: ca. 5.600 Kilometer Dienstgipfelhöhe: 8.000 Meter Defensivbewaffnung: 5 MGs, 2 x 20-mm-Kanone Bombenzuladung: 7.246 Kilogramm Besatzung: 6 Mann Der einzige strategische Langstreckenbomber der Luftwaffe. Da die Motorenanordnung anfangs mit großen thermischen Problemen und Kinderkrankheiten zu kämpfen hatte, fingen viele Maschinen in der Luft Feuer, weshalb die He 177 verschiedene sarkastische Beinamen wie „Reichsfeuerzeug“, „Reichsfackel“ und „Brennender Sarg“ erhielt. Produzierte Stückzahl: 1.169
Unauffälliger Bauchanstrich Diese Lackierung gibt den Tarnanstrich wieder, den die Royal Air Force für ihre Nachtbomber während des Zweiten Weltkriegs verwendete.
In dieser Serie bereits erschienen: Kampfpanzer Sherman M4 (2/2013) Flugzeugträger Independent-Klasse (3/2013) Deutsches Schnellboot Typ S-100 (3/2013) Maschinengewehr (MG) 42 (4/2013) Amerikanische Haubitze M2A1 (5/2013) Fairey Swordfish (6/2013) Russischer Kampfpanzer T-34/76 (1/2014) Japanischer Jäger A6M Zero (1/2014)
Heinkel He 111 (2/2014) Amerikanischer Lastwagen GMC 6x6 (3/2014) Kleinst-U-Boot Typ 127 „Seehund“ (4/2014) Deutsches Kettenkraftrad HK 101 (5/2014) Demnächst: Panzerkampfwagen VI „Tiger“ (1/2015)
„Die letzte von vielen“ Maschine PA474 ist eine von gegenwärtig noch zwei flugfähigen Lancaster-Bombern. Gebaut wurde sie 1945 und kam nicht mehr zum Einsatz. Die „Battle of Britain Memorial Flight“ (Flugzeugkette bestehend aus einer Avro Lancaster, einer Supermarine Spitfire und einer Hawker Hurricane) der Royal Air Force unterhält die Lancaster zum Gedenken an das „Bomber Command“.
Große Motoren mit Potenzial Vier ZwölfzylinderMotoren, normalerweise Rolls-Royce Merlins, brachten die Lancaster auf bis knapp 6.500 Meter Höhe und hielten sie dort für bis zu 4.000 Kilometer. Die italienische Piaggio P-108B „Bombardiere“ Höchstgeschwindigkeit: 430 km/h Reichweite: ca. 3.500 Kilometer Dienstgipfelhöhe: 8.500 Meter Defensivbewaffnung: 7 MGs Bombenzuladung: 3.500 Kilogramm Besatzung: 6–7 Mann Am 7. August 1941 verunglückte Mussolinis Sohn Bruno mit diesem Flugzeugtyp bei einer Bruchlandung tödlich. Die Kosten für die P-108B sorgten für ein frühes Produktionsende. Produzierte Stückzahl: 24 der Bomberversion
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Doppelte Aufgabe Der Bombenschütze in einer Lancaster hatte gleich zwei Aufgaben. Erstens: Auf dem Weg zum Ziel hin und vom Ziel weg den Bord-MG-Turm bedienen. Zweitens: Wenn es an der Zeit war, die Bomben ins Ziel zu bringen, seinen Arbeitsplatz zu wechseln, um dann bäuchlings in der Bombenschützenkuppel zu liegen, den Endanflug zu dirigieren und schließlich den Bombenwurf zu tätigen.
Die amerikanische B-24 „Liberator“ Höchstgeschwindigkeit: 480 km/h Reichweite: ca. 3.360 Kilometer Dienstgipfelhöhe: 9.150 Meter Defensivbewaffnung: 10 MGs Bombenzuladung: 3.600 Kilogramm Besatzung: 10–12 Mann Zunächst für Transportzwecke verwendet, eigneten sich die B-24 hinsichtlich Geschwindigkeit, Reichweite und Zuladung für die Bomberrolle. Doch ihre Achillesverse waren ihre verwundbaren Treibstofftanks. Produzierte Stückzahl: 18.482
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Schlachten der Weltgeschichte | Katalaunische Felder 451
Die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern
451 n. Chr.: Attilas Hunnen dringen in das Weströmische Reich ein. Im Nordosten Galliens gelingt es dem Heermeister Flavius Aëtius, die Invasoren zu stellen. Es kommt zu einer der berühmtesten Schlachten der Spätantike. Von Daniel Carlo Pangerl
yrische Worte, prosaischer Hintergrund: „Sie schleichen wie der Nebel schleicht, der nachts vom Moor zum Berge steigt, der Busch und Baum und Menschenkind im Schlaf mit eklem Gift umspinnt. Sie brechen gleich dem Sturm hervor, der Tannen knickt wie dürres Rohr; dem Strome gleich, der überschwillt und Stadt und Dorf mit Jammer füllt: Die Hunnen, die Hunnen!“ So beschreibt der deutsche Dichter Friedrich Wilhelm Weber (1813–1894) in seinem Gedicht „Die Hunnen“ das berüchtigte Steppenvolk. Der Einfall der Hunnen in Europa ab 375 n. Chr. ist ein regelrechtes Schockerlebnis für die spätantike römische Bevölkerung. Erst im Jahr 451 kann der Heermeister Flavius Aëtius ihren Vormarsch stoppen: Ab der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern beginnt der Stern der Hunnen zu sinken. Bald darauf verlassen sie das Römische Reich. Seither hat diese Schlacht Generation über Generation fasziniert, bis heute. Die spätantike und mittelalterliche christliche Geschichtsschreibung stilisiert dieses Ereignis zum Glaubenskrieg zwischen christlichen Römern und heidnischen Hunnen. Überdies entsteht eine Volkssage: Dieser zufolge sollen die auf dem Schlachtfeld gefallenen Krieger als Geister fortleben und den Kampf in den Wolken weiterführen. Auch für Künstler ist diese Schlacht eine Inspirationsquelle. Der deutsche Maler Wilhelm von Kaulbach (1805–1874) etwa kreiert 1837 das
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Gemälde „Hunnenschlacht“, mit dem er inhaltlich an die Volkssage anknüpft. Die sehr langwierige Vorgeschichte der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern setzt bereits 375 ein: In jenem Jahr überschreitet das Steppenvolk der Hunnen den Fluss Don. Begleitet werden die Hunnen von den Alanen, einem indoiranischen Stamm, den sie kurz zuvor unterworfen haben.
Sicherheitsrisiko und Schock Die hunnische Expansion löst eine fluchtartige Wanderbewegung von mehrheitlich germanischen Stämmen aus, die um Aufnahme in das sichere Römische Reich ersuchen. Diese Ereignisse markieren den Beginn der sogenannten „Völkerwanderung“, eine der dramatischsten und folgenreichsten Phasen in der Geschichte Europas. Die Hunnen dringen unaufhaltsam nach Westen in den Raum der heutigen Ukraine vor. Dort erobern sie das Siedlungsgebiet der germanischen Ostgoten östlich des Flusses Dnjestr. Ein Großteil der Ostgoten gerät unter die GÖTTERGLEICHE GERMANEN: Diese Illustration vom Anfang des 20. Jahrhunderts zeigt einen Farbdruck nach Max Koch, und stammt aus dem Buch „Die Heldensagen der Germanen“. Der „germanische“ Sieg (auf römischer Seite kämpfen viele Germanen) über die „Aggressoren aus der Steppe“ wurde früher als Verteidigung Europas interpretiert. Sicher ist: Die Schlacht ist gewaltig gewesen – doch Germanen standen auf beiden Seiten. Abb.: picture-alliances/akg-images
Hunnische Truppen Befehlshaber: Attila Truppenstärke: unbekannt, Schätzungen reichen von 30.000 bis 50.000 Mann Verluste: unbekannt
Römische Truppen Befehlshaber: Flavius Aëtius Truppenstärke: unbekannt, Schätzungen reichen von 30.000 bis 45.000 Mann Verluste: unbekannt
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Schlachten der Weltgeschichte | Katalaunische Felder 451 SCHOCK FÜR EUROPA: Die Hunnen ziehen plündernd durch mehrere Länder des Kontinents. Holzstich (um 1890) nach einem Gemälde von Friedrich Emil Klein. Erst Aëtius kann Abb.: picture-alliance/akg ihnen 451 Einhalt gebieten.
DÄMON ZU PFERD: Wer „Attila“ hört, denkt sofort an Plünderung und brennende Dörfer. Als „Etzel“ findet Attila Einzug in das deutsche Nationalepos „Nibelungenlied“ – ebenfalls als gefährlicher Gegner. Abb.: picture alliance/Leemage
Herrschaft der Hunnen und zieht mit diesen nach Westen. Nun werden die westlich des Dnjestr ansässigen Westgoten von den Hunnen angegriffen. Ihnen bleibt aber das Schicksal ihrer ostgotischen Verwandten erspart: Sie überqueren 376 die Donau und erhalten von Kaiser Valens die Erlaubnis, sich im Oströmischen Reich niederzulassen – das Römische Reich ist zu dieser Zeit in ein West- und ein Ostreich mit jeweils eigenem Kaiser geteilt. Weil die Westgoten jedoch fahrlässigerweise nicht entwaffnet werden, entwickeln sie sich
Attila: Die „Geißel Gottes“ Attila, über dessen frühes Leben wir nur wenig wissen, stammt aus einer hunnischen Herrscherdynastie. Sein Name ist vermutlich gotischer Herkunft und bedeutet „Väterchen“. Seit 434 regiert Attila zusammen mit seinem Bruder Bleda. Zeitweise leistet er militärische Unterstützung für den weströmischen Heermeister Flavius Aëtius. 444 oder 445 tötet Attila Bleda und steigt zum Alleinherrscher der Hunnen auf. Nach Kämpfen im Oströmischen Reich marschiert Attila Richtung Westen. 451 wird er in GallienFoto:Xxxxxxxxxx von Aëtius auf den Katalaunischen Feldern gestoppt. 453 stirbt er in seiner Hochzeitsnacht, vermutlich an einem Blutsturz. Als König Etzel wird Attila im mittelalterlichen Nibelungenlied besungen, unter seinem markanten Beinamen „Geißel Gottes“ besitzt er noch heute große Bekanntheit.
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zum Sicherheitsrisiko: Am 9. August 378 kämpfen sie in der Schlacht bei Adrianopel gegen die Römer. Die Westgoten siegen, Valens stirbt auf dem Schlachtfeld. Ein weiterer Schock für das römische Imperium.
Germanische Gefahr! Theodosius I., der Nachfolger des Valens als oströmischer Kaiser, findet eine erfolgversprechende Lösung, um die Westgoten im Zaum zu halten: Er schließt 382 mit ihnen einen Vertrag („Foedus“). Dieser sieht insbesondere vor, dass die Westgoten im Raum des heutigen Bulgarien angesiedelt werden und dort fruchtbares Ackerland zugewiesen bekommen. Im Gegenzug müssen sie sich zum Kriegsdienst für die Römer verpflichten. Das Prinzip, Barbaren lieber zu integrieren anstatt zu bekämpfen, wird zu einem zentralen Bestandteil der römischen Außenpolitik: Mehrere germanische Stämme, die während der Völkerwanderung in das Imperium drängen, werden auf Reichsboden angesiedelt und für militärische Zwecke in Anspruch genommen. Diese germanischen Truppenkontingente spielen nun eine zahlenmäßig immer größere Rolle im römischen Militär. Sie sind aber nicht offizieller Bestandteil des römischen Heeres, sondern kämpfen als mehr oder minder eigenständige Söldnertruppen unter dem Oberbefehl der Römer. Diese Außenpolitik kann jedoch nicht verhindern, dass sich im Jahr 410 eine Tragödie ereignet, welche die antike Welt erschüt-
Germanen kämpfen auf beiden Seiten tert: Die von Alarich angeführten Westgoten verlassen – aus Unzufriedenheit mit den Bedingungen in ihrem Siedelland – das Oströmische Reich und fallen in das Weströmische Reich ein. Am 24. August bemächtigen sie sich der Stadt Rom. Erstmals seit 387 v. Chr. gelingt es einer feindlichen Macht, in das Innere von Rom einzudringen. Nach drei Tagen Plünderung lassen Alarichs Mannen ab und ziehen Richtung Süden. Alarich versucht, nach Nordafrika überzusetzen, stirbt aber zuvor in Kalabrien. Unter ihrem neuen Anführer Athaulf, Alarichs Schwager, kehren die Westgoten um und lassen sich in Gallien nieder. 41 Jahre später werden sie bei der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern von entscheidender Bedeutung für die Römer sein.
RETTER ROMS: An Aëtius scheitert Attila – der römische Heermeister versperrt den Hunnen Abb.: picture-alliance/Mary Evans Picture Library Gallien.
Städte noch über geeignete Belagerungswerkzeuge verfügen, beißt sich Attila an den massiven Mauern Konstantinopels regelrecht die Zähne aus. Der neue oströmische Kaiser Markian wagt es sogar, die Tributzahlungen einzustellen. Weil im Osten des Reiches für seine Krieger nichts mehr zu holen ist, zieht Attila nach Westen: Im Jahr 451 dringen die Hunnen in Gallien ein, wo sie Angst und Schrecken verbreiten. Am 7. April gelingt Attila die Eroberung von Metz im heutigen Frankreich.
Aëtius rüstet zum Kampf
Die Hunnen kommen Seit 375 rücken die Hunnen immer weiter nach Westen vor. Als Erfolgsgarant erweist sich ihre bemerkenswerte Kampftechnik, die von ihrer Herkunft aus der zentralasiatischen Steppe geprägt ist: Die Hunnen sind ein Reitervolk, das seine Gegner mit großer Schnelligkeit ohne eine klar erkennbare Schlachtordnung überfallartig angreift. Zudem besitzt es eine furchteinflößende „Wunderwaffe“: Den Reflexbogen. Diesen setzen die hunnischen Reiterkrieger vom Pferd aus ein. Somit können sie sowohl beim Angriff nach vorne als auch beim Rückzug nach hinten schießen. Die Reiter müssen sich mit großem Geschick im Sattel halten, denn es gibt damals noch keinen Steigbügel. Um 400 gelangen die Hunnen zusammen mit den von ihnen unterworfenen Stämmen, darunter den Ostgoten, bis zur Donau. Als sie sich schließlich dem Römischen Reich nähern, wenden die Römer eine Strategie der Integration an, die sich bereits bei den Westgoten bewährt hat: Die Hunnen werden Bundesgenossen Roms. Sie erhalten Siedelland, Soldzahlungen und verpflichten sich, im Bedarfsfall Soldaten zu stellen. Dieses militärische Potenzial macht sich der weströmische Heermeister Flavius Aëtius schon bald zunutze: Auf seinen Befehl hin begeben sich hunnische Truppen 436 an den mittleren Rhein und erobern dort das Reich der germanischen Burgunder. Seit 434 werden die Hunnen von den Brüdern Attila und Bleda regiert. Seit 444/45 ist Attila Alleinherrscher.
Attilas Raubzüge Um seine Stellung als Herrscher der Hunnen aufrecht zu erhalten, muss Attila Erfolge vorweisen und die Versorgung seiner Untertanen sicherstellen. Von seinem befestigten Hauptquartier aus, das in der Theißebene im Bereich des heutigen Ungarn und Rumänien
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Flavius Aëtius: Hoffnungsträger des Imperiums Flavius Aëtius wird um 390 in der römischen Provinz Niedermösien im heutigen Bulgarien geboren. Der Sohn eines römischen Heermeisters verbringt seine Jugend zeitweise in Gesellschaft der Westgoten und der Hunnen. Er erwirbt ein profundes Wissen über diese Stämme und knüpft mit ihnen gute Kontakte, die ihm auf seinem weiteren Karriereweg von großem Nutzen sind. 429 wird Aëtius Heermeister für Gallien. Schon bald steigt er zum mächtigsten Mann und faktischen Regenten des Westreiches auf. Besondere Verdienste erwirbt sich Aëtius durch sein erfolgreiches Vorgehen gegen germanische und hunnische Krieger, die im Zuge der Völkerwanderung in das Römische Reich drängen. Der Versuch, seinen Sohn mit der Tochter des Kaisers Valentinian III. zu vermählen und eine eigene Herrscherdynastie zu errichten, scheitert jedoch: Am 21. September 454 wird Aëtius in Rom von Valentinian eigenhändig mit dem Schwert erschlagen.
liegt, unternimmt er waghalsige Raubzüge. Zunächst wird das Oströmische Reich Attilas Objekt der Begierde: Zwischen 441 und 447 verwüsten die Hunnen große Teile des Balkans und machen mehrere Städte dem Erdboden gleich. Der oströmische Kaiser Theodosius II. gewährt großzügige Tribute, kann jedoch Attila damit nicht zufrieden stellen. Der Hunnenführer attackiert nun Konstantinopel, die Hauptstadt Ostroms. Da die Hunnen als Reitervolk aber weder über Erfahrung in der Eroberung stark befestigter
Jetzt muss das Weströmische Reich handeln! Die maßgebliche Person im Kampf gegen die Hunnen wird Flavius Aëtius, seit 429 „magister militum“ (Heermeister) in Gallien. Er gehört zu den mächtigsten römischen Politikern. Als „Hunnen- und Germanenspezialist“ ist Aëtius für diese Aufgabe bestens geeignet: Er kennt seine Gegner durch frühere gemeinsame Kriegszüge, als die Hunnen noch als Bündnispartner für ihn kämpften. Überdies pflegt er gute Kontakte zu mehreren germanischen Stämmen. Zu einem entscheidenden Rückhalt für Aëtius werden die Westgoten und ihr König Theoderich I. Diese haben sich nach dem Tod Alarichs im Süden Galliens niedergelassen und sind seit 418 durch ein Bündnis mit den Römern zum Militärdienst verpflichtet. Um der augenscheinlichen Übermacht der Hunnen zu trotzen, reichen die römischen Truppenkontingente, die Aëtius zur Verfügung hat, nicht aus. Daher stellt er ein regelrechtes Vielvölkerheer auf die Beine: Etwa die Hälfte der Truppen werden von den Westgoten aufgeboten. Die andere Hälfte setzt sich aus Römern sowie aus weiteren germanischen Bündnispartnern (überwiegend aus Burgundern und linksrheinischen Franken) zusammen. Auch Attilas Heer besteht nur etwa zur Hälfte aus Hunnen. Seine übrigen Krieger stammen aus Gebieten, die seit 375 von den Hunnen erobert wurden: Es sind vor allem Alanen, Ostgoten, Langobarden, Gepiden und rechtsrheinische Franken. Aëtius setzt alles daran, den Vormarsch der Hunnen zu stoppen. Als Attila von Metz aus Richtung Orléans aufbricht, um auch diese Stadt einzunehmen, greift Aëtius mit Erfolg ein: Seine Truppen können die Hunnen vor Orléans aufhalten. Es kommt zu einem ersten Kampf, der aber ohne Sieger endet. Attila zieht nach Nordosten. Aëtius folgt ihm und drängt die Hunnen in eine Ebene, die zwischen den Städten Châlons-en-
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Schlachten der Weltgeschichte | Katalaunische Felder 451 VERTEIDIGER: Dieser römische Soldat ist mit Helm, Kettenhemd und Schild gut geschützt. Als Waffen trägt er ein Schwert (Spatha) sowie eine Lanze. Abb.: Historische Recherche: Alexander Querengässer/ Zeichnung: Sascha Lunyakov
Champagne und Troyes liegt: die Katalaunischen Felder. Dort ereignet sich nun eine gewaltige Schlacht. Nähere Informationen über die Vorgänge auf den Katalaunischen Feldern besitzen wir insbesondere durch die „Gotengeschichte“, welche der Schriftsteller Jordanes in lateinischer Sprache verfasst hat. Dieses Werk entsteht jedoch erst etwa hundert Jahre nach der Schlacht im fer-
tingente gar nicht ausreichend hätte versorgen können. Moderne Schätzungen belaufen sich auf 30.000 bis 50.000 Mann (Attila) und 30.000 bis 45.000 Mann (Aëtius). Vermutlich war Attilas Heer geringfügig größer als das seines Gegenspielers.
Grausames Gemetzel in Gallien Der Schlachtverlauf lässt sich anhand von Jordanes zumindest in groben Zügen rekonstruieren. Bei dem Kampfschauplatz handelt es sich um eine weitläufige flache Ebene. Sie
„Das Bächlein […] schwoll von dem reichlichen Blut der Wunden der Getöteten an und […] wurde infolge der ungewohnten Flüssigkeit […] ein reißender Strom.“ Der Schriftsteller Jordanes, 6. Jh., über die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern
nen Konstantinopel. Vermutlich stützt sich Jordanes bei seiner Beschreibung der Ereignisse auf ältere, heute verschollene Dokumente. Seine Angaben sind bedauerlicherweise ziemlich unpräzise und konzentrieren sich auf die Rolle der Goten während des Gefechts. Aussagen zur Stärke der Truppen, die auf den Katalaunischen Feldern kämpfen, sind daher nur eingeschränkt möglich. Laut Jordanes habe Attilas Heer etwa 500.000 Krieger umfasst. Diese Zahl ist gewiss maßlos übertrieben, zumal man mit der damaligen Logistik solch immense Kon-
HINTERGRUND
Das spätantike Römische Reich
Das Römische Reich besteht seit dem späten 4. Jahrhundert aus einem westlichen und einem östlichen Reichsteil mit jeweils eigenem Kaiser. Die Residenz des Ostens ist Konstantinopel. Die Residenz des Westens wird 402 von Mailand nach Ravenna verlegt. Auf beiden Reichsteilen lasten immense innen- und außenpolitische Probleme. Immer wieder versuchen Usurpatoren mit Unterstützung römischer Soldaten die rechtmäßigen Thronfolger zu verdrängen. Im Westen herrscht mit Valentinian III. sogar ein Kaiser, der bei seinem Regierungsantritt 425 erst sechs Jahre alt ist. Aufstrebende Heerführer und Politiker wie Flavius Aëtius machen sich ein solches Machtvakuum zunutze. Von auKAMPF UM ROM: Die Spätantike ist eine Zeit des Umbruchs. Nicht nur die Hunnen sind eine Gefahr. Im August 410 plündern die Westgoten die „Ewige Stadt“. Die Abbildung zeigt einen Holzstich von 1890: Alarich zieht in das brennende Rom ein. Abb.: picture-alliances/akg-images
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erhebt sich allmählich ansteigend zu einem Hügel, welcher einen strategisch wichtigen Punkt darstellt. Diesen versuchen beide Gegner zu erobern: Aëtius’ Truppen besetzen den linken, Attilas Truppen den rechten Teil dieser Anhöhe. Aëtius vertraut auf folgende Schlachtordnung: Den rechten Flügel bekleiden Theoderich und seine Westgoten, den linken Aëtius, die Römer und ihre übrigen germanischen Verbündeten. Demgegenüber ist die Schlachtordnung Attilas so gewählt, dass er selbst und seine Hunnen im Zentrum stehen. Auf den beiden Flügeln
ßen bedrängen einfallende Germanen und Hunnen das Reich. Rom wird zweimal geplündert: 410 vom Westgotenkönig Alarich und 455 vom Vandalenkönig Geiserich. Insbesondere wegen seiner im Vergleich zum Westen wesentlich besseren wirtschaftlichen Lage kann das Ostreich den Bedrohungen trotzen: Als Byzantinisches Reich existiert es bis 1453, ehe es von den Osmanen erobert wird. Anders gestaltet sich die Lage im Wes-
ten: Dort spielt sich 476 eines der folgenreichsten Ereignisse in der Geschichte Europas ab. Romulus Augustus, der letzte weströmische Kaiser, wird vom Germanenfürsten Odoaker abgesetzt. Das Westreich geht unter und zerfällt in mehrere Einzelreiche, die von germanischen Stämmen wie den Franken, Goten und Langobarden beherrscht werden. Diese Phase gilt als Übergang von der Antike zum Mittelalter.
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wird Attila von den Kriegern aus jenen Stämmen, die er unterworfen hat, flankiert. Die geographischen Gegebenheiten vor Ort sind ein großer Nachteil für die Hunnen: Sie können hier ihre taktische Trumpfkarte des überfallartigen berittenen Angriffs nicht ausspielen und sind somit ihrer eigentlichen militärischen Stärke beraubt. Auf dem Hügel beginnt jetzt die Schlacht, die sich schon bald zu einer wüsten und überaus blutigen Keilerei entwickelt. Taktische Ordnung und Disziplin kommen auf beiden Seiten zunehmend abhanden; Aëtius verliert den Überblick über das Geschehen. Bereits nach kurzer Zeit stirbt König Theoderich. Seine Westgoten lassen sich davon aber nicht entmutigen, dringen durch die gegnerischen Schlachtreihen und marschieren auf Attila zu. Dieser muss sich zurückziehen und verschanzt sich mit seinen Hunnen hinter einer Wagenburg. Die einbrechende Dunkelheit verhindert jedoch eine Fortführung des Gefechts. Am nächsten Morgen offenbart sich ein grausiger Anblick: Beide Seiten haben große Verluste erlitten. Gemäß Jordanes ist das ganze Schlachtfeld von Leichen übersäht und der Boden von Blut getränkt.
Ende der „Hunnengefahr“ In dieser Konstellation entscheidet sich Aëtius gegen eine Fortführung der Schlacht. Attilas Truppen sind zwar eingekesselt, aber immer noch kampfbereit und zahlenmäßig stark. Ein möglicher Sieg gegen Attila würde unverhältnismäßig große Opfer fordern und
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die römischen Kontingente weiter dezimieren. Zudem hat Aëtius sein vorrangiges Ziel, den Vormarsch der Hunnen zu stoppen, erreicht. Gallien ist gerettet. Folglich lässt er Attila ziehen. Attila hat erstmals in seiner Laufbahn eine Schlacht nicht gewinnen können. Der Weg in das Innere Galliens wird ihm durch Aëtius versperrt. Dennoch lässt er nicht vom Weströmischen Reich ab: Er dringt in Norditalien ein, plündert und brandschatzt und rückt bis nach Rom vor. Attilas Krieger sind aber durch die zahlreichen Kämpfe ausgezehrt und werden zudem von Seuchen heimgesucht, so dass sie die Stadt nicht erobern können. Deshalb kehrt Attila an seinen Herrschaftssitz in der Theißebene zurück. Von hier aus rüstet er sich zu einem erneuten Angriff auf Italien. Jedoch stirbt er 453. Damit wird der Niedergang des Hunnenreiches eingeleitet. Attilas Söhne reiben sich in einem Nachfolgekrieg auf. Die Gepiden, Ostgoten und weitere unterworfene Stämme lösen sich von ihrem Joch: 454 siegen sie in der Schlacht am Fluss Nedao in Pannonien über die Hunnen. Viele hunnische Krieger schließen sich verwandten Steppenvölkern an, andere finden Aufnahme im römischen Militär. Für das Römische Reich ist die Hunnengefahr nun endgültig gebannt.
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ANGREIFER: Dieser Hunne führt stolz sein kleines, robustes und wendiges Steppenpferd neben sich. Er trägt einen wattierten pelzgefütterten Mantel und Lederstiefel. Bewaffnet ist er mit dem gefürchteten Kompositbogen, sowie Schwert und Dolch. Abb.: Johnny Shumate
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Dr. Daniel Carlo Pangerl, Jg. 1983, ist Historiker und Kulturwissenschaftler. Er promovierte 2011 an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören Mittelalter und Antike.
Militär und Technik | Panzerhaubitzen IN FEUERSTELLUNG: Panzerhaubitzen 2S3M der NVA mit höchster Rohrerhöhung beim Aufmunitionieren. Der Ladeschütze im Vordergrund hebt gerade die Kartusche einer Sprenggranate aus der Transportkiste. Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann
Panzerhaubitzen von NVA und Bundeswehr
Schussgewaltige Mitte 1950er-Jahre: Mit der Gründung von Bundeswehr und Nationaler Volksarmee hält ein mobiles schussgewaltiges Waffensystem Einzug in beide deutsche Armeen – die Panzerhaubitze. Von Jörg-M. Hormann und Ulf Kaack
D
ie Panzerhaubitze stellt die Weiterentwicklung der von Pferden oder Fahrzeugen gezogenen Feldhaubitzen dar. Erstmals kam sie während des Zweiten Weltkrieges zum Einsatz: Vorreiter waren die M7 Priest der US-Amerikaner sowie die deutsche Panzerhaubitze vom Typ „Wespe“. Die Einführung dieser Waffen sollte die klassische Artillerie flexibler und unabhängiger machen. Bei der Panzerhaubitze ist das Geschütz in den Turm eingebaut, der Material und Mannschaft - bis zu einem gewissen Grad - vor dem Wetter und den Waffen des Feindes schützt. Panzerhaubitzen werden primär artilleristisch eingesetzt, können aber auch gegen direkte Ziele verwendet werden. Die M7 B2 Priest bildet im Westen die Erstausrüstung der Panzerartillerie. 1941 in den USA entwickelt, kommt sie während des Zweiten Weltkrieges und im Koreakrieg (1950–1953) zum Einsatz. Das Waffensystem basiert auf dem Fahrgestell des Kampfpan-
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zers M4 Sherman. Als Hauptbewaffnung verfügt sie über ein 105-mm-Geschütz. Dieses Standardgeschütz der US-Army hat hervorragende ballistische Eigenschaften. Zusätzlich ist rechts neben dem Geschützt ein Kaliber .50-Browning-MG verbaut. Dieses, zur Flugabwehr und Nahbereichsverteidigung verwendete, 12,7-mm-MG befindet sich in einer drehbaren Kanzel. Und genau diese Kanzel ist für den Spitznamen „Priest“ verantwortlich, da sie an kirchliche Kanzeln erinnert, von denen der Priester seine Predigt hält. Die Bundeswehr setzt die „Priest“ seit 1956 ein und löst sie wenige Jahre später durch die leistungsfähigere M52 ab. Wie ihre Vorgängerin M7 B2 Priest bildet die mittlere Panzerhaubitze M52 eine Übergangslösung. Als Hauptbewaffnung trägt sie eine 105-mm-Kanone vom Typ M49, die seitlich um 60 Grad schwenkbar ist. Die Kadenz beträgt 15 Schuss pro Minute, die maximale
Schussweite 11.105 Meter. Die M52 basiert auf dem Fahrgestell des M41 Walker Bulldog. Der eingebaute Sechszylinder-Continental-Motor hat eine ungewöhnliche Position: Er befindet sich in Fahrtrichtung vorne. Um ein Umkippen nach hinten zu unterbinden, wird eine Stützrolle abgesenkt. Eine später nachgerüstete Erdspornplatte sorgt zudem für mehr Sicherheit. Als die M52 bei der Bundeswehr in Dienst gestellt wird, hinkt die Technik bereits dem Fortschritt nach – das Waffensystem wird deshalb bereits schon Mitte der 1960er-Jahre von der Panzerhaubitze M109 ersetzt.
Erste Modelle in der SBZ Lange bevor in der Bundesrepublik über die Wiederbewaffnung und die Bundeswehr nachgedacht wird, wird in der DDR „Nägel mit Köpfen“ gemacht. Schon seit dem 1. Dezember 1946 hat die russische Besatzungsmacht die Deutsche Grenzpolizei (DGP) auf-
STARKES KALIBER: In ihrer Frühphase beschafft die Bundeswehr 16 Panzerhaubitzen vom Typ M55. Ihre Hauptbewaffnung besitzt das stattFoto: Bundeswehr/Streitkräfteamt liche Kaliber von 202,3 Millimetern.
Stahlkolosse stellen lassen. Der Spezialpolizei wird die Überwachung und Sicherung der Demarkationslinie der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) übertragen. Lediglich die Grenzkontrollen werden weiterhin gemeinsam mit sowjetischen Soldaten durchgeführt. Kurz nach der Berliner Blockade verfügt die Sow-
jetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) die Kasernierung der ersten Einheiten der Volkspolizei. Seit Juli 1948 bilden diese kasernierten Einheiten gemeinsam mit der DGP die Hauptabteilung Grenzpolizei und Bereitschaften (HA GP/B) in der DDR-Verwaltung des Innern. Hier liegt der Ursprung
der späteren Nationalen Volksarmee (NVA), denn von Anfang an geht es bei der Konstruktion nicht allein um polizeiliche Aufgabenwahrnehmung, sondern um rein militärische Komponenten des Angriffs und der Verteidigung. Entsprechend ist die Ausstattung der neuen Einheiten mit schweren Waffen. Bis zum Februar 1950 entstehen 24 Infanterie-, acht Artillerie- und drei Panzer-VolkspolizeiBereitschaften und eine Anzahl VP-Schulen. Der personellen Stärke nach entsprachen sie Regimentern, die teilweise zu Korps und Divisionen zusammengefasst wurden.
Material vom „Waffenbruder”
URVATER: Der Aufbau der amerikanischen „Priest“ erinnert an die Kanzel eines Predigers. Foto: Bundeswehr/Streitkräfteamt
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Eines der Panzerfahrzeuge der ersten Stunde ist die Selbstfahrlafette (SFL) SU-76M. Sie wird bereits ab 1949 von der DDR-Führung beim „Großen Waffenbruder“ in größerer Menge gekauft. Bis 1953 sichern 209 dieser Selbstfahrlafetten die Demarkationslinie quer durch das geteilte Deutschland. Übergeben wurden die Selbstfahrlafetten SU-76M 1949 an die Bereitschaften der Volkspolizei in Burg, Großenhain und Pinnow und an die Schule der VP Priemerwalde. Als Fahrzeugbasis der SU-76M wird das um eine Laufrolle verlängerte Fahrgestell
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Militär und Technik | Panzerhaubitzen TECHNISCHE DATEN Gewicht Länge Breite Höhe Besatzung Motor
STAHLGIGANT: Die Schwere Panzerhaubitze M55 verfügt über eine hohe Schussweite. Foto: Bundeswehr/Streitkräfteamt
des leichten sowjetischen Panzers T-70M verwendet. Ursprünglich besitzt die Selbstfahrlafette einen geschlossenen Kampfraum und zwei parallel angeordnete Motoren mit separaten Kupplungen und Getrieben. Mit dem Zusatz „M“ versieht man die verbesserte SFL mit einem offenen Kampfraum sowie zwei in Reihe geschalteten Motoren mit nur einer gemeinsamen Kupplung und einem Getriebe. Als Bewaffnung findet die kriegsbewährte 76,2-mm-Kanone ZIS-3 L/41,5 Verwendung. Die maximale Schussweite dieser Waffe liegt bei 8.600 m bei einer praktischen Feuergeschwindigkeit von 8 bis 15 Granaten in der Minute.
Experimentierphase Mit Gründung der NVA im Jahr 1956 übernimmt die Volksarmee die SU-76M, die unter anderem dann zur 6. und zur 11. Mot.Schützendivision gehören. Einerseits verwendet die NVA diese Fahrzeuge als Ersatz für fehlende Panzer und für die Ausbildung. Andererseits erfüllen diese SFL ihre eigentliche Aufgabe in der Panzerabwehr. Ab 1957
Hubraum Leistung Höchstgeschwindigkeit Reichweite Hauptbewaffnung Munitionsvorrat Baujahr Stückzahl Bundeswehr Stückzahl gesamt
M109
23,5 t 11,4 m 3,18 m 3,25 m 6 Soldaten 8-Zylinder-Diesel mit Roots-Gebläse und Turboaufladung, Detroit Diesel 8V71T 9,3 l 262 kW/356 PS 56 km/h Straße 350 km Straße 1 x 155-mm-Kanone M26 55 Spreng- und 16 Nebelgranaten/Haubitze 1962–1994 587 circa 5.000
LEHROBJEKT: Die Fahrschulvariante der M109. Foto: Bundeswehr/ Streitkräfteamt
beginnt die NVA mit der Aussonderung. Lediglich 16 Fahrzeuge nutzt die NVA weiter. Sie werden umgebaut und sind bis 1968 als „Gepanzerte Werkstatt 76“ bei der Truppe im Einsatz. Allein für die Panzerabwehr kommen die nächsten beiden Selbstfahrlafetten der DDR zum Einsatz. Es sind stählerne „Kriegsveteranen“, die schon die Panzer der Wehrmacht in den letzten beiden Kriegsjahren 1944/45 das Fürchten lernen. Ihre flache Silhouette und ihre 85 bzw. 100 mm Kaliber der Kanonen machen sie auf dem damaligen Gefechtsfeld zu gefährlichen Gegnern der Kampfpanzer. Die Rede ist von der SFL SU85 und der SU-100. Beide Modelle kommen in relativ geringer Stückzahl in der DDR und bei der NVA zum Einsatz. Erheblicher
Nachteil der Konstruktion ist der geringe Seitenschwenkbereich der Kanone.
US-Konstruktionen Zurück zur Bundeswehr: Eine weitere Panzerhaubitze aus der Frühphase der westdeutschen Armee ist die M44, die von 1958 bis 1965 zum Einsatz kommt. Auch hierbei handelt es sich eine US-Konstruktion, die auf der Wanne des Spähpanzers M41 basiert. Die M44 kann eine Höhe von 0,76 Meter, Gräben von 1,83 Meter und Steigungen von bis zu 60 Prozent meistern. Bis zu 1,07 Metern Wassertiefe ist das Fahrwerk watfähig. Als Kampfraum dient ein starr befestigter, nach oben offen gehaltener Stahlkasten, der mit Planen und Spriegeln (Bügel für das Verdeck) wetterfest verschlossen wird. Der Fah-
PRÄSENTIERT: Artillerie-SFL 2S3M „Akazija“ einer Artillerieeinheit der Sowjetarmee während der Abschlussparade nach dem Manöver Foto: Sammlung Dirk Krüger „Waffenbrüderschaft 80“, das auf dem Territorium der DDR im September 1980 durchgeführt wurde.
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Importe statt Eigenentwicklungen
FRÜHPHASE: M44 beim Übungsschießen auf dem Truppenübungsplatz. Foto: Bundeswehr/Streitkräfteamt
rer sitzt, gegen Feindeinwirkung ungeschützt, vorne im Kampfraum. Die 155-mmHaubitze kann von 5 Grad bis +65 Grad in der Höhe gerichtet werden, der seitliche Schwenkbereich liegt bei 30 Grad zu beiden Seiten. Im Heckbereich des Kampfraumes ist eine Ringlafette mit einem 12,7-mm-
eingesetzt, bevor sie 1967 an die NATO-Partner Türkei und Griechenland abgegeben werden. Das Fahrgestell dieser in den 1950er-Jahren in den USA entwickelten Feldhaubitze auf Selbstfahrlafette besteht aus verschweißten Stahlplatten mit einer Stärke von bis zu
„Binnen eines Jahrzehnts reifte die Panzerhaubitze zu einem effektiven und voll ausgereiften Waffensystem heran.“ Oberstleutnant a. D. Alfred Rubbel, (1921–2013), Panzerkommandant und Lehrgruppenkommandeur an der Panzertruppenschule in Munster
Browning-MG zur Abwehr im Nahbereich und von Luftangriffen montiert. Zur Verteidigung gegen durchgebrochene Panzer wird eine „Bazooka“ mitgeführt.
Beeindruckendes Kaliber Die Panzerhaubitze M55 ist von der M52 abgeleitet, die unter Verwendung von Baugruppen des Kampfpanzers M47 von 1952 bis 1953 produziert wird. Sie unterscheidet sich vom Basistyp in ihrer Bewaffnung: Statt des ursprünglichen 155-mm-Geschützes trägt die M55 eine Haubitze vom Kaliber 202,3 mm. Im Geschützturm können zehn Schuss Munition mitgeführt werden, jedes Geschoss wiegt knapp 100 Kilogramm. Die Kadenz liegt bei einem Schuss pro Minute, die maximale Feuerreichweite bei 16,9 Kilometern. Der geschlossene und drehbare Geschützturm ist nur schwach gegen Splitterwirkung und Handwaffenfeuer gepanzert. Die Bundeswehr beschafft 1957 insgesamt 16 Panzerhaubitzen M55. Zehn Jahre lang werden sie in den Divisionsartillerieverbänden
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1,3 Zentimetern. Bis auf den gepanzerten Fahrersitz verfügt die M107 über keinen Schutz für die Besatzung. Für den Antrieb sorgt ein V8-Dieselmotor mit 405 PS vom Typ General Motors 8V71T. Das Kettenlaufwerk mit 46 cm breiten Gleisketten ist drehstabgefedert und hat einen Federsperrzylin-
der. Der verhindert ein Einfedern und Springen des Geschützes bei der Schussabgabe. Die Bedienung des schweren Geschützes erfordert 13 Soldaten, die pro Stunde bis zu 60 Schuss mit einer maximalen Reichweite von 32,7 Kilometern abfeuern können. Das Rohr der 175-mm-Kanone M113 hat eine Länge von 10,6 Metern. Den Rückstoß dämpft ein hydraulischer Rohrrücklauf, die verbleibende Rückstoßenergie wird durch einen hydraulisch absenkbaren Schild in den Boden abgeleitet. Der Schwenkbereich des Rohres umfasst 30 Grad zu jeder Seite, der Höhenrichtbereich reicht von –2 bis +60 Grad. Bei mobilen Einsätzen wird die Feldhaubitze von einem geländegängigen Lkw mit Munition und Personal begleitet, denn die M107 verfügt lediglich über fünf Sitzplätze und Platz für zwei Granaten mit Treibladungen. Die Feldhaubitzen sind von 1964 bis 1980 im Dienst der Bundeswehr. 1985 werden sie umgerüstet zum Typ M110 A2 mit einem längeren Rohr im Kaliber 203 mm, außerdem mit einer Drehplattform mit Wetterschutz.
ARTILLERIEFEUER: Batterie aus Selbstfahrlafetten der 122-mm-Haubitze 2S1 in einer Feuerstellung bereit zum Feuerschlag. Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann
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Militär und Technik | Panzerhaubitzen STANDARD: 587 Panzerhaubitzen M109 beschafft die Bundeswehr zwischen 1964 und 1972. Sie bleibt bis 2007 bei der Truppe. Foto: Bundeswehr/Streitkräfteamt
Damit sind sie auch für das Verschießen von taktischen Nukleargeschossen geeignet. Bei den ebenfalls seit 1964 beschafften 80 Haubitzen vom Typ M110 sind Fahrgestell und Motor baugleich mit dem der M107. Davon abweichend ist sie von Beginn an mit einer Kanone im Kaliber von 8 Zoll bestückt. Da es für die Waffe der M110 zwei taktische Nukleargeschosse (W79 und W33) gibt, haben sie im Rahmen der NATO-Strategie eine besondere Bedeutung. Bis 1993 sind die ebenso wie die M107 zwischenzeitlich zum Typ M110 A2 kampfwertgesteigerten Feldhaubitzen in der Nutzung der Bundeswehr.
TECHNISCHE DATEN
In der NVA wird seit 1976 die Panzerhaubitze 2S1 „Gwosdika“ (Nelke) mit 122-mmHauptbewaffnung eingeführt. Ein großer Vorteil gegenüber ihren Vorgängern und Nachfolgern ist die Schwimmfähigkeit der Selbstfahrlafette, die sich mit immerhin 4,5 km/h in Flüssen bewegen kann. Nachteilig ist, dass der Munitionsvorrat von 40 Granaten an Bord vor Schwimmeinsätzen um ein Viertel reduziert werden muss. Als sie in den 1970er-Jahren zum ersten Mal von westlichen Beobachtern gesichtet wird, ist aufgrund ihrer frappierenden Ähnlichkeit mit der amerikanischen Panzerhau-
152-mm-SFL-H 2S3M KRAFTAKT: Rohrreinigen bei einer Panzerhaubitze vom Typ SFL 2S3M. Es muss die gesamte Besatzung ran. Der vierte Mann hat dabei seinen Job im Turm.
Gefechtsmasse Länge Breite Höhe Fahrzeugbasis Besatzung Motor Hubraum Leistung Höchstgeschwindigkeit Reichweite Hauptbewaffnung Feuergeschwindigkeit Kampfsatz im Fahrzeug Einsatzzeitraum DDR Stückzahl NVA Produktionszeitraum Stückzahl gesamt
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27,5 t 7,76 m 3,25 m 3,05 m SFL SU-100P 4 Soldaten W-59 U, 12-Zylinder V, 4-Takt-Vielstoff 38,88 l 382 kW / 520 56,4 km/h 500 km Straße 152-mm-2A33 3 Schuss/min 46 Granaten 1979–1989 111 1971–1991 2.012
Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann
bitze M109 schnell die Bezeichnung „Rote M109“ gefunden. Offiziell wird die 152-mmSFL-Haubitze 2S3M im Westen zukünftig kurz als „Panzerhaubitze 152 mm“ bezeichnet, während die in den Warschauer-PaktStaaten den Beinnamen „Akazija“ (dt. Akazie) trägt. Eigentlicher Ursprung der „Akazie“ ist die Selbstfahrlafette SU-100P von 1949. Noch 1971 bildete dieses erfolgreiche Chassis die Grundlage für die SFL-Haubitze 2S3M. Im neuen Drehturm sind die 152-mmHaubitze 2A33 und ihre Munitions-Transporteinrichtung eingebaut. Auch in der letzten bei der NVA eingesetzten Panzerhaubitze besteht der Munitionskampfsatz aus Hohlladungsgranaten und Splitter-Sprenggranaten, die mit Kartuschen verschossen werden.
Mehr Feuerkraft Die ersten 36 SFL Haubitzen 2S3 werden 1979 von der Sowjetunion an die DDR geliefert und bei der 3. Artillerie-Abteilung des Artillerieregiments 7 in Frankenberg und beim Artillerieregiment 9 in Karpin in die Truppe eingegliedert.
BINNEN WENIGER SEKUNDEN: Nach dem Empfang der Schießbefehle erfolgt das Aufsitzen der Besatzungen einer „Akazie“ in Normzeit, die im Sommer neun Sekunden und im Winter elf Sekunden beFoto: Sammlung Jörg-M. Hormann trägt.
Foto: Bundeswehr/Streitkräfteamt
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IN AFGHANISTAN: Die Panzerhaubitze 2000 der Bundeswehr erlebt ihre Feuertaufe.
Nach der „NVA-Lehrstruktur“ von 1983 sind für die Mot.-Schützendivisionen zunächst keine Artillerie-Selbstfahrlafetten vorgesehen. Doch seit Mitte der 1980er-Jahre werden einige Abteilungen oder einzelne Batterien der Artillerieregimenter in den Schützendivisionen mit der 152-mm-Haubitze 2S3M ausgerüstet. 1986 sind in der NVA insgesamt 78 SFL-Haubitzen 152 mm vorhanden. Weitere 33 kommen bis 1988 hinzu. Bei der Bundeswehr wird bis in die späten 1980er-Jahre hinein die Panzerhaubitze vom Typ M109 in großer Zahl eingesetzt. Bis 1972 beschafft die Bundeswehr insgesamt fast 600 amerikanische Panzerhaubitzen M109 und lässt sie bei der Firma Rheinmetall entsprechend den deutschen Vorstellungen anpassen. Unter anderem werden das deutsche Rundblickfernrohr, ein Panzerzielfern-
auf 34 Schuss gesteigert. Zudem kann die neue M109 durch eine autonome Richt- und Orientierungsausstattung für die Rohrartillerie (kurz AURORA) ihre Position selbst bestimmen – die Hilfe externer Vermessungshilfen ist nicht mehr nötig. Die technisch aktualisierte Variante kommt als M109 A3 GA1 zur Truppe. Ihre maximale Schussweite beträgt nun 24.700 Meter. Nach der Wiedervereinigung im Jahr 1990 werden die Panzerhaubitzen der ehemaligen NVA außer Dienst gestellt. Standardwaffensystem des deutschen Heeres ist nun die M109, von der 262 Einheiten ab 2000 einer Nutzungsdauerverlängerung unterzogen werden. Sie tragen fortan die Bezeichnung M109 A3 GE A2. Diese Fahrzeuge bleiben bis Mai 2007 im Dienst. Der 1998 begonnene Prozess des Austausches der M109
„Durch die halbautomatische Munitionstransporteinrichtung kann der mitgeführte Kampfsatz von 46 Granaten in 20 Minuten verschossen werden.“ Aus: Nationale Volksarmee der Deutschen Demokratischen Republik, Vorschrift ST 326/4/025 152-mm-SFL-Haubitze 2S3
rohr und ein Selbstschutzsystem nachgerüstet. Wesentlichen Änderungen wird die Waffenanlage unterzogen: Sie erhält ein neues Rohr mit neuem Rauchabsauger, neuer Mündungsbremse und neuem Flachkeilverschluss. Dadurch erhöht sich die Schussweite auf 18.500 Meter. Für den Geschützführer wird die Periskop-Kuppel vom Mannschaftstransportwagen M113 übernommen. Als Nahbereichswaffe dient ein 7,62-mmMG3. In dieser modifizierten Variante tragen die deutschen Panzerhaubitzen die Bezeichnung M109 G. Die deutschen M109 G werden Anfang der 1980er-Jahre in ihrer Leistung gesteigert und auf den Stand der amerikanischen M109 A3 hochgerüstet. Dazu wird als Hauptbewaffnung die Feldhaubitze FH 155-1 verwendet, ein besseres Feuerleitsystem eingebaut und die mitgeführte Munition von 28
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gegen die Panzerhaubitze 2000 ist zu diesem Zeitpunkt vollzogen. 185 Einheiten liefern die beiden Hersteller Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall an die Bundeswehr. Einsatzzweck der PzH 2000 ist die Feuerunterstützung der eigenen Kampftruppen und der Kampf mit Feuer in der Tiefe gegen Hochwertziele. Im Auslandseinsatz in Afghanistan stellt sie seit Beginn des 21. Jahrhunderts ihre militärische Leistungsfähigkeit unter Beweis. Jörg-M. Hormann, Jg. 1949, Verantwortlicher Redakteur von SCHIFF CLASSIC und Sachbuchautor mit Schwerpunkten bei der deutschen Luftfahrt-, Marine- und Militärgeschichte mit über 40 Buchveröffentlichungen.
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Ulf Kaack, Jg. 1964, ist Verantwortlicher Redakteur von TRAKTOR CLASSIC sowie Verfasser zahlreicher Bücher zu militärgeschichtlichen Themen.
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Militär und Technik | Wikingerschiff
FAKTEN
Das Wikingerschiff
Bauzeit: Etwa ein halbes Jahr Länge: 20–30 m Breite: 3–5 m Tiefgang: etwa 1 m Besatzung: 40–80 Mann Geschwindigkeit: 3–4 Knoten (5–7 km/h) beim Rudern und 10–11 Knoten (18–20 km/h) unter Segeln (alle Angaben im Durchschnitt)
MÖRDERISCHES ZEITALTER: König Alfreds Flotte im Kampf mit wikingischen Langschiffen im Jahr 897. Die Nordmänner terrorisieren mehrere Jahrhunderte lang große Teile Europas mit Abb.: picture-alliance/HIP ihren Drachenschiffen.
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Die Schiffe der Wikinger
Herrscher der Meere D
ie Natur Skandinaviens mit ihren langen Küsten lässt es sinnvoll erscheinen, dass sich die dortigen Bewohner seit frühesten Zeiten mit dem Bau von Wasserfahrzeugen und der Seefahrt beschäftigen. Dies belegen bereits zahlreiche bronzezeitliche Schiffsdarstellungen. Bis in die ersten nachchristlichen Jahrhunderte finden ausschließlich Ruderschiffe Verwendung, und möglicherweise seit dem 5. Jahrhundert kommt es allmählich zur Einführung des Segels. Bei den aus dem frühen 4. Jahrhundert stammenden Originalfunden von Nydam (Schleswig) handelt es sich zwar noch um Ruderschiffe, diese weisen aber bereits einige Konstruktionsmerkmale der späteren Wikingerschiffe auf.
800–1100: Die Schiffe der genaues Bild der wikingischen SchiffsbauWikinger gehören zu den und Seefahrtskunst. Zusätzlich ermöglichen am besten konstruierten auch moderne Rekonstruktionen und Erprobungen ein tiefer gehendes Verständnis der Seefahrzeugen ihrer Zeit praktischen Handhabung und Leistungsfäund bilden die Basis für higkeit von Wikingerschiffen. eine neue Form der amDer Bau eines Langschiffes phibischen Kriegführung. Der Bau eines Schiffes ist ein komplizierter Vorgang, der umfangreiche Vorbereitungen, Damit werden die WikinErfahrungen und Kenntnisse verschiedensger zum Schrecken ter Art voraussetzt, die von einer Generation Schiffsbaumeistern an die nächste weiEuropas. Von Otto Schertler von tergeben werden. Die Wikingerschiffe scheinen nicht alle in besonderen Werften gebaut zu werden, doch gibt es mit Sicherheit Zentren des Schiffsbaus, in denen diese hohe Kunst verstärkt gepflegt wird. Die Bauzeit eines Schiffes beträgt ungefähr ein halbes
Maritime Hochtechnologie
stellungen auf skandinavischen Bildsteinen, Münzen oder dem Teppich von Bayeux sowie durch Beschreibungen in den nordischen Sagas ergänzt. Dadurch entsteht ein ziemlich
Zu Beginn des 8. Jahrhunderts ist die skandinavische Schiffsbautechnik voll entwickelt, und dies ermöglicht den Wikingern ihre weiten Kriegs-, Handels- und Entdeckungsreisen, die sie bis in das Mittelmeer, das Schwarze Meer und über den Nordatlantik nach Island, Grönland und schließlich sogar nach Amerika führen. Die Wikingerschiffe vereinen in sich mehrere Eigenschaften, so dass sie sich als perfekte Kriegsfahrzeuge eignen. Durch ihre schlanke und elastische Bauweise verringert sich der zu überwindende Widerstand des Wassers, doch sind sie gleichzeitig breit genug und stabil, auch gegen den Wind, segeln zu können. Ihr geringes Gewicht ermöglicht das Fortbewegen auf Rollen, um an Land Hindernisse zu umgehen, während der geringe Tiefgang die problemlose Anlandung an flachen Stränden sowie das Befahren seichter Gewässer erlaubt. Die heutigen Kenntnisse über die Beschaffenheit der Schiffe der Wikinger beruhen in erster Linie auf Originalfunden aus berühmten Schiffsgräbern, darunter die von Oseberg, Gokstad (beide Norwegen) oder Ladby (Dänemark). Diese werden durch Dar-
DIE ERSTEN EUROPÄER IN DER „NEUEN WELT“: Gut 500 Jahre vor Kolumbus entdecken die Wikinger – dank ihrer leistungsfähigen Schiffe – Amerika. Dieser Nordmann (ohne Rüstung, bewaffnet mit Schild, Speer und Schwert) trifft auf einen Ureinwohner (mit Bogen und Kriegskeule bewaffnet). Abb.: Johnny Shumate
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Militär und Technik | Wikingerschiff Jahr und fällt üblicherweise in die Winterzeit. Zunächst benötigt man große Mengen Holz, meist Eiche, aber auch Kiefer, Esche, Birke, Erle oder Linde finden Verwendung, wobei der Kiel immer aus Eiche besteht. Das Holz muss genau festgelegten Anforderungen genügen, allein für die Planken benötigt man Stämme von über einem Meter Dicke, die möglichst wenige Verwachsungen aufweisen sollen. Für die gekrümmten Teile wie Spanten oder Bug hingegen verwendet man bereits natürlich vorgebogene Hölzer.
Tödliche Kunstwerke Aus den Stämmen werden die Planken strahlenförmig heraus gespalten, wodurch sich eine große Stärke der Planken ergibt, da sie der Maserung des Holzes folgen. Gleichzeitig findet durch den Trocknungsvorgang keinerlei Schrumpfen oder Verziehen statt. Die zum Bau benötigten Werkzeuge umfassen eine Vielzahl von Geräten, wie Äxte, Beile, Dechsel, Hobel, Hämmer und Keile – die Säge findet keine Verwendung beim Schiffsbau. Die Konstruktionsmethode besteht in der sogenannten „Außenhaut-Bauweise“, bei der zuerst Kiel und Steven gelegt wer-
HINTERGRUND
„Denn welcher Feind getraute sich in die Augen dieser in den Bug gekerbten Darstellungen zu blicken – jene erschreckenden goldenen Löwen, jene Figuren aus Metall mit drohenden vergoldeten Mäulern, jene Drachen aus purem glänzenden Gold, jene drohenden Stiere, die mit ihren goldenen Hörnern Tod und Zerstörung ankündigten […].“ Fränkische Chronik
den, und dann einzeln die seitliche Beplankung aufgebaut wird. Die Spanten setzt man erst später ein. Beplankt wird in der Klinkerbauweise, bei der sich die einzelnen Planken jeweils von oben nach unten überlappen und die dann durch zahlreiche Eisennieten miteinander verbunden werden. Gegen das Eindringen von Wasser dienen das Einfügen teergetränkter Seile sowie ein zusätzliches Teeren des Rumpfes. Der etwa zehn Meter hohe Mast wird in einem mittschiffs liegenden Block, dem Mastfisch, befestigt. Dieser verfügt über eine Nut, in die der Mast geschoben, anschließend aufgerichtet und mit einem schweren Holzblock, dem Mastschloss, verriegelt wird. Der Mast trägt ein rechteckiges aus Wollstoff oder Segeltuch be-
stehendes Rahsegel. Die Wikinger lieben es auch, ihre Schiffe zu verzieren. Neben den geschnitzten Steven, die in Gestalt von Schlangen-, Drachen-, Wisent- oder Köpfen anderer Tiere gearbeitet sind, wird oft auch der Schiffsrumpf oberhalb der Wasserlinie durch mehrfarbige Streifen bemalt. Die Segel sind ebenfalls häufig zweifarbig gestreift oder mit Rautenmuster verziert und bei den prächtigsten Schiffen mit aufgenähten Bildern von mythischen Wesen versehen.
Unterschiedliche Schiffsklassen Grundsätzlich unterscheiden die Wikinger zwischen Kriegs- und Handelsschiffen. Letztere werden als „knorre“ bezeichnet, sie sind von eher bauchiger Form, haben höhere
Mit Schild und Axt – Bewaffnung der Wikinger
In der militärischen Ausrüstung der Wikinger spiegeln sich unterschiedliche Einflüsse aus der germanisch-keltischen, der spätantik-byzantinischen, der orientalischen und der Welt der zentralasiatischen Steppenvölker wider. Die wichtigste Schutzwaffe bildet der große, mit einem eisernen Schildbuckel versehene Rundschild aus Holz, der zusätzlich mit Leder überzogen und auch bemalt ist. Wertvollere Schutzwaffen wie Panzer und Helme bleiben
zunächst nur den Wohlhabenden vorbehalten, doch aufgrund der Unmengen an wertvoller Beute können sich im Lauf der Zeit immer mehr Krieger eine gute Schutzausrüstung leisten. Weit verbreitet ist daher das Kettenhemd, doch auch östliche Lamellenpanzer oder solche aus gestepptem, nicht-metallischen Material finden bei den wikingischen Kriegern Verwendung. Der eiserne Helm basiert auf der Form spätantiker oder östlicher Spangenhelme und ist meist schon aus einem Stück Eisen geschlagen, wobei er mit einem Nasal oder gelegentlich auch einer Art „Schutzbrille“ für den Bereich um die Augen versehen ist. Die in Filmen oder anderen bildlichen Darstellungen oft gezeigten Helme mit Hörneroder Flügel-
schmuck, die geradezu als typisch für Wikingerhelme gelten, sind allerdings reine Phantasie, die auf romantische Vorstellungen des 19. Jahrhunderts (aufgrund falsch interpretierter archäologischer Funde) zurückzuführen ist. Die Angriffswaffen umfassen Äxte unterschiedlichen Typs, Lanzen, Wurfspeere, Bögen und natürlich das Schwert. Neben dem einfachen, einschneidigen Kurzschwert (sax) ist dies vor allem das etwa 90 Zentimeter lange Schwert mit gekehlter zweischneidiger Klinge, dessen Form den spätantik-frühmittelalterlichen Vorbildern der Zeit der Völkerwanderung folgt. Die wertvollen Klingen bestehen aus damasziertem Stahl und stellen Importe aus dem fränkischen Rheinland dar, während die Griffe meist von nordischen Handwerkern gefertigt sind. Dem Schwert erweisen die Wikinger eine magisch-religiöse Verehrung, was nicht zuletzt auch in den klingenden Namen der Waffen wie beispielsweise „Brynjubitr“ (in etwa „Panzerbrecher“) deutlich wird.
GEFÄHRLICHE KRIEGER: Die meisten Wikinger waren nur leicht bewaffnet. Rüstungen und Kettenhemden sind kostspielig und zu Zeiten der großen Raubzüge wenig verbreitet. Die Masse der Männer vertraut auf den runden Schild. Die Axt ist vermutlich verbreiteter als das teure Schwert. Der junge Krieger links trägt eine Nasalhelm, der alte Krieger rechts eine lange, beidhändig zu führende Waffe. Das Schwert zeichnet ihn als wohlhabenden WiZeichnung: A. Lunyakov, historische Recherche: A. Querengässer kinger aus.
Die Gefahr aus dem Norden
FAKTEN
SKANDINAVISCHES SPITZENPRODUKT: Wikingerschiffe sind eine technische Meisterleistung. Leif Eriksson gelingt es sogar, bis nach Amerika zu kommen. Unsere Rekonstruktionsgrafik zeigt ein ankerndes Schiff in einem Fjord. Abb.: picture alliance/dieKleinert.de
Bordwände und verfügen zur Ausnutzung der Ladekapazität meist nur über Segel. Die Kriegsschiffe hingegen sind länger, schlanker und haben eine geringere Wasserverdrängung, wodurch sie erheblich schneller sind. Neuere Versuche und Berechnungen haben erstaunliche Reisegeschwindigkeiten für ein unter Segeln stehendes Wikingerschiff ergeben: So benötigt man für die Reise vom norwegischen Bergen nach Neufundland 28 Tage, von Nordirland nach Island sechs Tage oder von Dänemark nach England sogar nur drei Tage. Die Kriegsschiffe werden durch die Bezeichnung Langschiffe von den Handelsschiffen unterschieden, und sie gliedern sich den Sagas zufolge in drei Klassen: snekkja (etwa „schlank“), skeid (etwa „schnittig durch das Wasser“) und drakar (Drache). Demnach bildet die snekkja die leichteste, die skeid die mittelschwere und der drakar die schwerste Klasse, wobei die Übergänge fließend sind. Die Größeneinteilung der Schiffe wird nach der Anzahl der Ruderplätze (sessa), beziehungsweise der Anzahl
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793 807 834–837 843 845 859–862 865 881 885/886 1014 1066 1135
Kriegszüge der Wikingerzeit
Überfall auf das englische Kloster Lindisfarne. Beginn der Wikingerzeit Wikingische Angriffe auf Irland Jährliche Überfälle auf Dorestad am Niederrhein Plünderung von Nantes Plünderung Hamburgs Wikinger im Mittelmeer Das „große Heer“ fällt in England ein Wikinger im Rheinland und in Lothringen. Zerstörung der Pfalz von Aachen. Angriffe auf zahlreiche Städte wie Köln, Worms und Metz Belagerung von Paris Schlacht bei Clontarf. Beginn des Niedergangs der Wikingerherrschaft in Irland Schlachten bei Stamford Bridge und Hastings: Die Normannen erobern England Slawische Piraten überfallen Kungahälla in Schweden. Ende der Wikingerzeit
der Freiräume zwischen den einzelnen Spanten vorgenommen. So ist ein 13-Bänker das kleinste Schiff, das nach Anzahl der Bänke eingeteilt werden kann und demnach insgesamt über 26 Ruder verfügt. Die Standardschiffe für den Kriegseinsatz sind 20- oder 25-Bänker, es gibt aber auch einige 30-Bänker und sogar vereinzelt noch größere Fahrzeuge. Eines der größten Wikingerschiffe ist die „Große Schlange“ des norwegischen Königs Olav Tryggvasson, ein 34-Bänker. Die Schiffe verfügen allerdings über keine speziellen Ruderbänke, deshalb sitzen die Männer entweder auf den Querbalken der Spanten oder auf ihren ledernen Seesäcken. Da die Krie-
BESEELT: Die Schiffe stellen in der Gedankenwelt der Wikinger lebendige Wesen dar, in denen sich mythologisch-religiöse Vorstellungen widerspiegeln. Dieser Steven stammt vom sogenannten Osebergschiff in Norwegen (9. Jhd.). Abb.: picture alliance/akg
ger ihre Schiffe selbst rudern, entspricht die Anzahl der Ruder auf überseeischen Kriegszügen ungefähr der Stärke der kampffähigen Mannschaft, wobei noch mindestens der Steuermann und der Schiffsführer hinzuzurechnen sind. Im Falle größerer Schlachten werden weitere Krieger an Bord genommen, die die Ruderer mit ihren Schilden vor den feindlichen Geschossen schützen, so dass sich gut 100 Krieger an Bord eines Schiffes befinden können.
Magische Kräfte Neben ihrer rein praktischen Funktion haben die Schiffe für die Wikinger auch eine religiös-mythischen Dimension. Diese wird in der bildlichen Gestaltung der Vorder- und Achtersteven deutlich. So zeigt der Vordersteven des Osebergschiffes einen eingerollten Schlangenkopf, während der Achtersteven in einen stilisierten eingerollten Schlangenschwanz ausläuft. Das gesamte Schiff ist somit als hölzerne Verkörperung einer Schlange gedacht, und dies stellt einen offensichtlichen Bezug zu der im Weltmeer liegenden Midgardschlange her, die in der
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Militär und Technik | Wikingerschiff
nordischen Mythologie eine wichtige Rolle spielt. Den Köpfen der Vordersteven wohnt wikingischer Vorstellung zufolge magische Kraft inne, die Unheil abwehrt und die Feinde in Schrecken versetzt. Einem isländischen Gesetz zufolge müssen die die Insel anlaufenden Schiffe ihre Figuren abnehmen, da diese die guten Geister vertreiben könnten. Derartige Vorstellungen finden auch in der Namensgebung der Schiffe ihren Niederschlag, wie es sich bei der „Großen Schlange“ des Schiffes des norwegischen Königs Olav Tryggvassons zeigt. Auch im Totenkult spielt das Schiff eine große Rolle, wie es an den Schiffsbestattungen zu erkennen ist. Solche aufwendigen Grabanlagen bleiben aber nur den reichsten Herrschern vorbehalten, die einfacheren Mitglieder der Gesellschaft müssen sich bei ihren Gräbern mit Steinset-
HINTERGRUND
zungen in Schiffsform begnügen. Der geringe Tiefgang, die Wendigkeit und Schnelligkeit ihrer Schiffe ermöglichen den Wikingern eine bis dahin unbekannte Art der amphibischen Kriegführung. Überraschende Anlandungen an fremden Küsten, blitzartig durchgeführte Überfälle und ebenso schnelles Verschwinden über das Meer bilden ein Kennzeichen der wikingischen Kampftaktik.
Ein neuartiges Konzept Daneben stoßen die Wikinger mit ihren Schiffen auf Flüssen tief in das Landesinnere vor und erscheinen auch unvermutet an Orten, die weitab von der Küste liegen. Die an-
gegriffenen Siedlungen und Klöster sind völlig überrumpelt, und da zu dieser Zeit keine stehenden Heere existieren, dauert es einige Zeit bis ein Kriegsaufgebot zu Hilfe kommt. Bis dahin sind die Nordmänner jedoch längst auf ihren Schiffen über das Meer oder den Fluss verschwunden. Da ihre Gegner, wie die Franken, meist nicht über entsprechende Wasserfahrzeuge verfügen, können sie auch über eine längere Zeitspanne hinweg ungestört auf Flussinseln lagern. Oft befestigen die Wikinger die landwärts gerichteten Seiten ihrer Lager mit einem Erdwall und einer Palisade, so dass nur der Zugang über Wasser freibleibt. Werden Flüsse durch eine
Die Seeschlacht von Svolder
Die wohl berühmteste Seeschlacht der Wikingerzeit ist die im Jahr 1000 zwischen den Flotten des norwegischen Königs Olav Tryggvasson und einer Koalition aus Dänen, Schweden sowie dem abtrünnigen norwegischen Jarl (Fürst) Erik bei Svolder in der Ostsee. Das in der „Heimskringla“ des isländischen Historikers Snorri Sturluson beschriebene Ereignis zeigt sehr deutlich den Ablauf einer großen wikingischen Seeschlacht. Der sich in der Mitte der Schlachtreihe auf seiner „Großen Schlange“ befindliche König Olav Tryggvasson lässt zunächst alle seine nebeneinander liegenden Schiffe miteinander vertäuen, so dass sie einen einzigen Block bilden, und geht so zum Angriff über. Zunächst behalten die Norweger wegen der größeren Bordhöhe ihres mächtigen Flaggschiffes noch die Oberhand. Doch Jarl Erik gelingt es, mit seinen Männern an einer der Flanken Fuß zu fassen, indem sie eines der Schiffe Tryggvassons einnehmen können. Von dort
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BEDROHLICH: Drachenschiffe tauchen am Horizont auf. Die schnellen und leichten Schiffe sind perfekt für eine neue Art der maritimen Kriegführung: blitzartige Überfälle an den Küsten und schnelle Vorstöße in das Hinterland über die Flüsse. Allerdings dürfen die Wikinger nicht auf mittelalterliche Piraten reduziert werden: Sie waren auch Eroberer, Entdecker, Händler und geschickte Seefahrer. Abb.: picture alliance/dieKleinert.de
aus kämpfen sie sich Schiff für Schiff auf das Königsschiff vor, bis sie dieses nach hartem Kampf schließlich erreichen: „Da kam „Ormen lange“ (Die Große Schlange) zum Nahkampf, die Pfeile schwirrten und schon barst das Schanzwerk, die großen Schilde hielten stand.“ Auch hier tobt der Nahkampf einige
Zeit mit größter Härte, doch nach und nach müssen sich die verbliebenen Männer Olavs Schritt für Schritt nach Achtern zurückziehen, wo sie sich um ihren Herrn scharen. Nachdem seine Gefolgschaft gefallen ist, springt König Olav in voller Rüstung über Bord und versinkt im Meer. DRACHE GEGEN DRACHE: Bei Svolder (Svold) wird die „große Schlange“ König Tryggvassons von einer dänisch-schwedischen Koalition (sowie abtrünnigen Norwegern) besiegt. Die Wikinger kennen allerdings keine wirklichen Seekriegstaktiken und kämpfen Landschlachten zur See. Abb.: picture alliance/Mary Evans Picture Library
Kein Konzept der Kriegführung zur See nicht einnehmbare Festungsanlage gesperrt, wie dies beispielsweise 886 bei der Belagerung von Paris der Fall ist, ziehen die Nordmänner ihre Schiffe einfach an diesem Hindernis vorbei, um sie weiter flussaufwärts erneut zu Wasser zu lassen. Neben dieser amphibischen Kleinkriegstaktik ziehen die mächtigen Seekönige auch große Flotten zusammen die mehrere hundert Schiffe und tausende von Kriegern umfassen.
Landschlachten zur See Doch bei allem seefahrerischen Können ist den Wikingern das Konzept einer „echten“ Seeschlacht, bei der sich Schiffe bekämpfen, fremd. Die wikingischen Langschiffe sind nicht mit Katapulten bewaffnet, und sie verfügen auch über keinen Rammsporn, der das Versenken eines feindlichen Fahrzeugs erKLASSIKER: Der Film „Die Wikinger“ besticht nicht nur durch sein Staraufgebot (u.a. Kirk Douglas und Tony Curtis), sondern auch durch gut rekonstruierte Langschiffe. Außerdem ist er einer der wenigen Filme, in denen die Wikinger keine Hörner an ihren Helmen tragen… Abb.: picture alliance
möglichen würde. Das gezielte „Abscheren“ der feindlichen Ruder durch den eigenen Bug wird zwar durchgeführt, allerdings nicht als spezielle Seekriegstaktik. Vielmehr handelt es sich bei den wikingischen Seeschlachten streng genommen um eine auf See verlegte Landschlacht, bei der die Schiffe nur die tragende Basis für die Kämpfer bilden. Die Auseinandersetzungen finden auch nicht auf Hochsee statt, sondern in Buchten und in Küstennähe. Vor Beginn der Schlacht legt man den Mast nieder und bewegt das Schiff nur durch Rudern auf das gegnerische Fahrzeug zu. Hat man das feindliche Schiff erreicht, besteht die grundlegende Taktik darin, mit einem Hagel von
Literatur und TV Keith Durham:The Viking Longship, Osprey 2002. Peter Pentz (Hrsg.): Die Wikinger, München 2014. (Katalog der aktuellen Wikingerausstellung in Berlin) Die Wikinger, Spielfilm von 1958. (Gute Darstellung von Wikingerschiffen.) Das Rätsel der Wikingerschiffe, ZDF – Dokumentation, 2008.
Wurfgeschossen und Pfeilen den Kampf einzuläuten und darauf das Entern und den Nahkampf folgen zu lassen.
Starre Seeschlachten Bei größeren Schlachten stellen sich die Schiffe beider Flotten in Linie nebeneinander auf, wobei sich die größten Schiffe, einschließlich dem des Königs, in der Mitte der Formation befinden. Oft werden diese zusätzlich miteinander vertäut. Dies macht eine solche Formation zwar ziemlich unbeweglich, doch auch schwer angreifbar. Gleichzeitig ermöglicht es das leichte Verschieben von Kriegern an besonders gefährdete Stellen. Hochbordige Handelsschiffe sichern die Flanken, da sie nicht so leicht zu entern sind. Daneben operieren hinter der festen Gefechtsformation und ebenso an den Flanken einzelne Schiffe, deren Aufgabe darin besteht, die ähnlich agierenden feindlichen Fahrzeuge anzugreifen, im Falle eines Angriffs auf die eigene festgezurrte Gefechtsformation Verstärkungen zu bringen oder bei einem Sieg die Verfolgung aufzunehmen. Otto Schertler, Jg. 1962, studierte an der Universität München und arbeitet als Autor und Übersetzer. Experte für die Kriegführung in der Antike und im Mittelalter.
Fotostrecke | Overlord Museum
Das Overlord Museum in der Normandie
Das schaurige Museums-Juwel 6. Juni 1944: Die Operation „Overlord“ beginnt. Der Strandabschnitt, an dem hauptsächlich amerikanische Truppen landen, hat den Decknamen „Omaha“. Ein kleines Museum setzt Ausrüstung und Waffen der damaligen Gegner gekonnt in Szene. Von Michael Dodsworth
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len. Die im Wasser treibenden Leichen und der blutige Sand werden sich in das Gedächtnis der Überlebenden eingebrannt haben – eine alptraumhafte Erinnerung. Das rotverfärbte Wasser führt dazu, dass dieser Ort für immer als „Bloody Omaha“ bezeichnet werden wird. Am 5. Juni 2013 wird das Overlord Museum, im Beisein einiger Veteranen, eröffnet. Anliegen des Museums ist es, alle damaligen Kombattanten in die Erinnerung zu integrieren – es ist also kein rein amerikanischer Gedächtnisort, sondern präsentiert auch die deutsche Seite. Die Architektur des Ausstel-
lungsgebäudes erinnert dabei an die enormen Betonbunker des Atlantikwalls – welche ironischerweise gebaut wurden, um genau so ein Museum zu verhindern. CLAUSEWITZ zeigt auf den folgenden Seiten Impressionen von den Exponaten, um einen Eindruck von der detailliert gestalteten Ausstellung zu geben. Vielleicht dienen die Fotos auch als Anregung für das eigene Erkunden beim nächsten Normandie-Besuch… Nähere Informationen zu Öffnungszeiten, Anfahrtswegen etc. unter: www.overlordmuseum.com (in englischer und französischer Sprache). Alle Fotos: Michael Dodsworth
in eigentlich recht unbekanntes Stück Strand in der Normandie wird mit einem Schlag weltberühmt: „Omaha Beach“. Hier entbrennt ein harter Kampf, als US-Verbände – die Teil der riesigen alliierten Invasionsarmee sind – auf Hitlers Atlantikwall treffen (siehe CLAUSEWITZ Spezial „DDAY“). Auch an anderen Küstenabschnitten ist der Angriff auf die deutschen Stellungen für beide Seiten eine Angelegenheit von Leben und Tod. Doch speziell am „Omaha Beach“ führt das außerordentlich hartnäckige Verhalten sowohl von Angreifern als auch Verteidigern zu besonders hohen Opferzah-
EISERNE WÄCHTER: Zwei amerikanische Sherman-Panzer „bewachen“ das Museumsgelände (im Bild ist nur einer davon zu sehen). Der mittlere Kampfpanzer wurde von den Alliierten in großer Stückzahl eingesetzt. Der Sherman M4 genoss aber einen durchaus zweifelhaften Ruf: Aufgrund seiner leichten Entflammbarkeit nannten ihn die Deutschen „Feuerzeug“ oder „Tommy-Kocher“.
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REKONSTRUIERT: Das Museum wird vor allem für die authentischen Dioramen in Lebensgröße gelobt. Hier ist ein deutscher Trupp der Feldinstandsetzung nachgestellt. Die schwarze Mütze des Mechanikers lässt darauf schließen, dass er zu einem Panzerregiment gehört.
NACHGESTELLT: Ein Sd.Kfz. 3b „Maultier“ – die Originalszene ist im Hintergrund auf Leinwand zu sehen und wurde als Diorama im Overlord Museum rekonstruiert.
ARBEITSTIER: Die Studebaker US6 Trucks brachten unermüdlich Nachschub zu den etablierten Brückenköpfen. Als Vorratsbasis zu Wasser dienten die „Mullberry“-Häfen. Noch heute sind Reste einer solchen Anlage am Strand von Arromanches zu sehen – nicht weit vom Overlord Museum entfernt.
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GROßE AUFLAGE: Fast 43.000 dieser M3 Halbkettenfahrzeuge wurden produziert. Es war schnell und vielseitig einsetzbar.
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Fotostrecke | Overlord Museum
VOM KAMPF GEZEICHNET: Dieser deutsche „Panther“ hat einen schweren Treffer abbekommen. Die Ketten fehlen, und die 120 mm dicke Panzerung ist sichtlich mitgenommen. Zusammen mit der 7,5-cmKanone vermittelt dieses Exponat eindrücklich das Zerstörungspotenzial der damaligen Waffentechnik.
KRÄFTIG: Das Sd.Kfz. 9 war die Zugmaschine für die schwere deutsche Artillerie. Das Halbkettenfahrzeug kam an allen Fronten zum Einsatz – so auch am Atlantikwall. Etwa 2.500 Stück wurden während des Krieges produziert. Im Overlord Museum kann man diesen Koloss aus der Nähe betrachten.
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NAHAUFNAHME: Dieses Bild verdeutlicht den Detailreichtum der Sammlung. Die beiden Feldgendarmen sind gut an den Metallplaketten um den Hals zu erkennen (was zu dem Spitznamen „Kettenhunde“ führte).
Eindrucksvolle Kriegstechnik-Kollektion
MODIFIZIERT: An diesem Sherman ist deutlich die Gleiskette mit Gummieinsätzen zu erkennen, um den Panzer für den Straßeneinsatz zu optimieren.
IMPOSANTES EXPONAT: Hier ist ein amerikanischer DUKW zu sehen, der von 1942 bis 1945 von GMC produziert wurde. Das Amphibienfahrzeug war durch seine Land- und Seetauglichkeit vielseitig einsetzbar. Der Fahrer konnte den Luftdruck in den Reifen aus der Führerkabine regulieren, was beim Übergang von weichen auf harten Grund vorteilhaft ist. Nach dem Krieg überquerte ein DUKW den Kanal und bewies damit seine maritimen Fähigkeiten. Die Nähe und die Details dieser Museumsszene lassen die Besucher besonders lange verweilen. Natürlich kann kein noch so gutes Diorama die damaligen Grausamkeiten und die Angst der Soldaten vermitteln…
KAMPFSZENE: Ein Sherman mit Soldaten am „Omaha Beach“. Das große Panoramabild im Hintergrund verortet die Szene und steigert deren Intensität.
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Meinung
Knifflige Militärspiele
Die Welt der Konfliktsimulationen Von Thomas Moder
Literaturtipps Robert Wolf: Konfliktsimulations- und Rollenspiele: Die neuen Spiele. (1988) Das wohl einzige deutschsprachige Buch zum Thema, aber leider schon lange nicht mehr im Handel erhältlich und nur noch antiquarisch zu bekommen. Christopher George Lewin: War Games and their History. (2012) Sehr gute Übersicht über die Geschichte von Wargames, besonders des 19. und 20. Jahrhunderts, allerdings nur wenige aktuelle Beispiele. Sehr viele Farbabbildungen. Philip Sabin: Simulating War: Studying conflict through Simulation Games. (2012) Fachliteratur, die sich im Detail mit der Wargame-Entwicklung und der Umsetzung von Konflikten im Spiel auseinandersetzt. Geht in den Bereich des militärischen Fachbuchs. Für weitergehende Studien zum Thema ein Muss! Der Autor ist Professor für strategische Studien am King‘s College London.
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Offizierskreisen gespielt wird. Beginnend in Preußen (durch Baron von Reisswitz) werden zu Anfang des 19. Jahrhundert daraus immer größere und komplexere Planspiele, bei denen der ursprüngliche SpielGedanke zu Gunsten einer reinen militärischen Nutzbarkeit fast vollkommen verschwindet. Diese „Sandkastenspiele“ werden durch umfangreiche Regeln, riesige Spielfelder sowie den Einsatz von Schiedsrichtern bestimmt.
Kosims für das Pentagon Die eigentliche Idee des Spielens wird indes vom bekannten Autor H.G. Wells („Die Zeitmaschine“, 1895) weiter entwickelt, als er 1913 mit seinem Werk „Little Wars“ ein Regelwerk für Kriegsspiele mit Miniaturen veröffentlicht (heute als „Tabletop“ bezeichnet). Der Zeitraum der Weltkriege ist von einer Vielzahl patriotischer Militärspiele geprägt, in denen meist der jeweilige historische Gegner besiegt werden muss. Obwohl einige durchaus raffinierte und spannende Spiele dabei sind, dominiert die Propaganda das Feld, und nicht nur im Deutschen Reich sind so manche moralisch fragwürdigen Machwerke zu finden. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges werden Kriegsspiele vom Militär eher stiefmütterlich behandelt. Im zivilen Bereich ereignet sich 1953 jedoch etwas Bemerkenswertes: Der Amerikaner Charles S. Roberts bringt mit „Tactics“ das erste echte Kosim hervor. Obwohl sich im Spiel noch zwei fiktive Mächte bekämpfen und das Spielbrett in klassische Quadrate unterteilt ist (heute nutzt man meist hexagonale Felder), gilt dies als Geburtsstunde des modernen Kosims. 1958 gründet Roberts mit „Avalon Hill“ eine Firma, die 40 Jahre lang Spiele produziert, welche inzwischen Klassiker des Genres sind. Zu Ehren des Erfinders wird seit 1974 mit dem „Charles S. Roberts Award“ noch immer das beste Kosim des Jahres ausgezeichnet. Der Höhepunkt des Kosim-Booms liegt in den 1980er-Jahren, als zeitweise über zwei Millionen Exemplare jährlich in den Handel gelangen. Mit dem Aufkommen von Computer- und Fantasy-Rollenspielen lässt das Interesse an Kosims in den 1990erJahren kontinuierlich nach, da den Spielern umfangreiche Alternativen zur Verfügung stehen.
Fotos: Thomas Moder
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er Begriff „Kosim“ leitet sich von „Konfliktsimulation“ her, wobei sich als Fachbegriff „das Kosim“ (Neutrum) in der Szene durchgesetzt hat. Kosims sind, vereinfacht ausgedrückt, komplexe Strategiespiele mit militärhistorischem Hintergrund. Dies ist jedoch keineswegs eine Erfindung der Neuzeit. Schon im alten China gibt es ein Spiel namens „Wei Chi“, bei dem zwei Spieler versuchen, möglichst große Bereiche des Spielbretts zu kontrollieren und gegnerische Spielsteine „gefangen“ zu nehmen. Allerdings ähnelte dieses Spiel mehr dem klassischen „Go“ als einem modernen Kosim. Auch in anderen Teilen der Welt wie Griechenland oder Rom sind Spiele dieser Art nicht unbekannt. Zudem haben Ausgrabungen ägyptische und sumerische Miniatursoldaten in Schlachtordnung zu Tage gefördert, die auf eine frühe Form der „Sandkastenspiele“ hindeuten. Selbst das allseits beliebte Schachspiel entwickelt sich im 6. Jahrhundert in Indien aus einem Militärspiel, in dem man bereits die Waffengattungen Infanterie, Kavallerie und Marine findet. Erst im Laufe der Zeit verschwinden die Glücksfaktoren sowie zwei der vier Spieler, und es wird zu dem Schach in der heute bekannten Form. Mit der allgemeinen Verbreitung von Feuerwaffen Mitte des 17. Jahrhunderts werden durch Abwandlungen wieder die ursprünglichen militärischen Aspekte hervorgehoben, und es entwickelt sich eine Art „Kriegsschach“, das gerne in
HINTERGRUND
Interessanterweise entdeckt das Militär Kosims zu dieser Zeit wieder neu. Zwar nutzt man noch vereinzelt Planspiele, aber diese sind nicht auf jeden Konflikt anwendbar. So kommt es, dass das Pentagon mit Ausbruch des Zweiten Golfkrieges nach Möglichkeiten sucht, den weiteren Gang der Geschehnisse zu simulieren. Da vorhandene Programme keine Aufschlüsse bringen, wird Mark Herman mit seinem 1983 erschienenen Spiel „Gulf Strike“ (einem frei verkäuflichen Kosim über potentielle Konflikte in eben dieser Region) nach Washington gebeten und spielt dort mit Experten für den mittleren Osten sein Spiel. Die Resultate dieser Partie bestimmen zu einem guten Teil die Entscheidungen des Pentagon im August 1990.
Fulminante Vielfalt Inzwischen sind die Grenzen von zivilen und militärischen Produkten fließend. Es gibt Werke von klassischen Kosim-Verlagen, an denen Militärs im taktischen Bereich ausgebildet werden, und umgekehrt können veraltete (und daher freigegebene) Militärsimulationen von interessierten Zivilisten gespielt werden. Heutzutage findet man Kosims zu allen Bereichen und Epochen der Militärgeschichte. Im Allgemeinen bedient man sich mehr oder weniger komplexer Regeln und Zufallselemente, zum Beispiel in Form von Würfeln. Spielsteine („Counter" genannt), die zumeist militärische Verbände repräsentieren, werden so auf einer Art Landkarte bewegt. Der Maßstab von Karte und Countern reicht dabei von „taktisch“ bis „strategisch“ und ermöglicht es, jeden gewünschten geschichtlichen Konflikt darzustellen, wobei die Spielzeit je nach Komplexität variieren kann. So gibt es Kosims, bei denen man mit wenig Material und Aufwand einen großen militärischen Konflikt in 30 Minuten nachspielen kann, während andere mit einem dicken Regelbuch und tausenden Countern für eine einzige Schlacht des Krieges mehrere Tage Spielzeit mit sich bringen! Da fast alle Kosims aus dem englischen Sprachraum kommen, finden sich nur bei den wenigsten deutsche Spielanleitungen, sodass ohne (Schul-)Englisch dem interessierten Spieler viele Werke vorenthalten bleiben. Obwohl meistens reine Zwei-Perso-
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Die GHS
Die GHS ist der einzige Verein in Deutschland, der sich mit dem Hobby des Kosim-Spielens auseinandersetzt. Die Gesellschaft für historische Simulationen e.V. (GHS) wurde vor über 25 Jahren von begeisterten Spielern gegründet und bringt vierteljährlich ein deutschsprachiges Fachmagazin heraus. Neben dem jährlichen Vereinstreffen mit Besuchern aus aller Welt
hilft die GHS, Spieler in der Nähe zu finden, unterstützt beim Informationsaustausch untereinander (z.B. durch das Online-Forum) und fördert gezielt die Verbreitung von historischem Wissen. Wer Fragen zum Thema hat oder eine Kosim-Empfehlung möchte, dem wird dort gerne geholfen. Intnernet: www.ghs-kosim.de Kontakt:
[email protected]
nen-Spiele, gibt es ebenso Solitärspiele oder solche, die erst mit fünf oder sechs Spielern ihren wahren Reiz entfalten.
Keine Kriegsverherrlichung! Bei Kosims nimmt man aktiv am Geschehen teil – man kann deshalb besser begreifen, wieso gewisse Ereignisse seinerzeit genau so passiert sind. Gute Kosims setzen sich gezielt mit den besonderen Problematiken des jeweiligen Konflikts auseinander. Dabei kann der Schwerpunkt auf den unterschiedlichsten Aspekten wie Moral, Ausbildung, Wetter, Nachschub oder Aufklärung liegen. Wer sich mit Kosims beschäftigt, erfährt viel Neues und sieht die historischen Zusammenhänge aus einer anderen Perspektive. Kosims sind von der deutschen Presse in der Vergangenheit recht negativ behandelt worden. Krieg als Spiel hat hierzulande nun einmal, historisch bedingt, einen eher negativen Beiklang. Experten sprechen daher lieber von „Konfliktsimulationen“, während englischsprachige Verlage sich nicht scheuen, „Wargame“ auf die Verpackung zu schreiben. Dabei verherrlichen Kosims Kriege nicht oder wecken gar gewalttätige Tendenzen. Sie setzen sich wertfrei mit einem Konflikt auseinander. Robert Wolf beschreibt es in seinem 1988 erschienenen Buch „Konfliktsimulations- und Rollenspiele“ sinngemäß: „Genau so wenig wie das Spiel Hase und Igel bei den Spielenden einen ungezügelten Appetit auf Möhren entstehen lässt, entwickelt die Beschäftigung mit Kosims eine Killermentalität oder Kriegslüsternheit“. Kosims sind und bleiben eine interessante und lehrreiche Freizeitbeschäftigung. Es spricht auch für sich, dass bei BoardGameGeek, der weltweit wohl wichtigsten Seite für Brettspiele (www.boardgame geek.com), mit „Twilight Struggle“ (Der kalte Krieg 1945–1989) seit Jahren ein Kosim auf Platz 1 der ewigen Bestenliste aller Spiele steht! Wer eine neue Sichtweise auf einen Konflikt möchte und vor einer gewissen Einstiegshürde nicht zurückschreckt, dem seien Kosims empfohlen. Doch Vorsicht, einmal damit angefangen, kann man so schnell nicht mehr davon lassen…
Thomas Moder, Jg. 1970, ist seit über 15 Jahren in der GHS aktiv, davon seit über fünf Jahren als Vorsitzender des Vereins. Er konnte zudem sein Hobby zum Beruf machen und arbeitet bei der Stadt Herne als stellvertretender Leiter des Spielezentrums, einer weltweit einzigartigen Institution zum Thema Brettspiel mit über 10.000 ausleihbaren Spielen in der hauseigenen Spieliothek (siehe www.spielezentrum.de).
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Spurensuche
WEITHIN SICHTBAR: Luftbild der Festung Ehrenbreitstein gegenüber der Moselmündung bei Koblenz. Die eindrucksvolle Anlage ist heute Eigentum des Landes Foto: picture-alliance/ZB/euroluftbild.de Rheinland-Pfalz.
Die Festung Ehrenbreitstein in Koblenz
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ie Entstehungsgeschichte der Burg und Festung Ehrenbreitstein reicht ins hohe Mittelalter zurück. Auf schroffer Höhenlage, der Moselmündung direkt gegenüber, wird das Gelände befestigt (um 1000), dann zur Burganlage erweitert und ausgebaut (1152–1169). Die Anlagen tragen den Namen „Helfenstein“, benannt nach dem reichsten und einflussreichsten Adelsgeschlecht im Dienste der Erzbischöfe von Trier, denen die Stadt Koblenz und die Burg gehört. Diese Burg wird unter der Herrschaft des Erzbischofs Richard von Greiffenklau (1511/31) zur Festung ausgebaut. Seither dehnt sie sich über die gesamte nördliche Hochfläche in der Länge von circa 750 Metern und in einer Breite von etwa 300 Metern aus.
Wichtiger Stützpunkt Seit dieser Zeit ist sie zur Residenz der Erzbischöfe von Trier geworden, die im mittleren 14. Jahrhundert auch Kurfürsten sind und das Wahlrecht zum deutschen König ausüben. Und sie ist gleichzeitig ein sicheres Gewahrsam für die kostbaren Reliquien und das Archiv der Erzbischöfe. Erst im Verlaufe des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648) wird die Festung militärisch genutzt, nachdem Kurtrier sich einvernehmlich mit Frankreich für neutral erklärt hatte. Französische Truppen besetzen die Festung (1632) und werden vier Jahre später durch kaiserliche Truppen belagert; sie ergeben sich nach einjähriger Belagerung (1636). Die Festung wird nun von kaiserlichen Truppen besetzt und nach Beendigung des Krieges an Kurtrier zurückgegeben (1650). So bleibt die Festung das, wofür sie ausgebaut worden ist: ein militärischer Stützpunkt, den der jeweilige Gegner immer „im Auge behalten“ muss. Dies gilt in besonderem Maße für das operative Kalkül der französischen Generalität im 17. Jahrhundert.
1817–1828: Auf den Ruinen des kurtrierischen Vorläufers wird die preußische Festung Ehrenbreitstein errichtet. Gegenüber der Moselmündung bei Koblenz thront die imposante Festung auf dem Felssporn oberhalb des Rheins. Von Peter Többicke
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Rund 100 Jahre später wird das Ancien Régime der europäischen Fürstenstaaten, besonders im Rheingebiet, durch den Vormarsch der französischen Revolutionstruppen erschüttert. Unter dem Kommando des Generals Marceau stößt die Sambre-MaasArmee auf Koblenz vor (1794) und besetzt die Stadt nach hinhaltendem Kampf am 23. Oktober. Unverzüglich beginnt Marceau mit der Einschließung von Ehrenbreitstein (zirka 8.000 Mann).
Tödlicher „Ausfall” Dem österreichischen Befehlshaber, Oberst von Sechtern, sind 3.537 Mann an Reichstruppen und Kontingenten Kurtriers, Kurkölns und des Hochstifts Münster zur Verteidigung unterstellt. Der Festungskommandant ist Oberst von Faber, der trotz personeller und finanzieller Hindernisse auf eine länger dauernde Belagerung gut vorbereitet ist. Diese wird unter einer rücksichtsvollen Vereinbarung beider Seiten stattfinden: Auf die Festung wird von Koblenz her nicht gefeuert, umgekehrt wird von der Festung her die Stadt nicht beschossen. Am 17. Oktober 1795 wird ein Ausfall unternommen, um französische Truppen von den Höhen bei Arzheim – südöstlich des Ehrenbreitsteins – zurückzudrängen. In Laufgräben hatten sie sich dem südöstlich gelegenen Vorderhang der Festung angenähert. Einer kurtrierischen Jägerkompanie unter Führung des Leutnants Freiherr von Solemacher gelingt es aber, den Gegner zu umgehen. Die französische Einheit zieht sich daraufhin wieder zurück. Doch dieser Ausfall kostet die Kompanie 15 Mann, unter ihnen der Kompaniechef. Mit einer Gedenktafel wird seit 1901 an die Gefallenen erinnert.
KUPFERSTICH: Darstellung der Festung Ehrenbreitstein aus der Werkstatt von Matthäus Merian d. Ä. (1593–1650), spätere Kolorierung. Im Vordergrund am Rheinufer ist Schloss Philippsburg zu erkennen, das im Abb.: picture-alliance/akg-images frühen 19. Jahrhundert abgebrochen wurde.
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Spurensuche
ZUR ERINNERUNG: Gedenktafel für Leutnant von Solemacher und seine bei ihrem Ausfallversuch im Oktober 1795 ebenfalls gefallenen Foto: Peter Többicke Soldaten. IN GEDENKEN: Blick auf das Ehrenmal des Deutschen Heeres zur Erinnerung an die Toten deutschen Heeressoldaten beider Weltkriege und der Bundeswehr. NAHAUFNAHME: Blick auf die Kurtine im inneren Bereich der Festung Ehrenbreitstein. Foto: ullstein bild – imageBROKER/Creativ Studio Heinemann
Foto: picture-alliance/Arco Images GmbH
gung der Bauarbeiten erscheint nämlich in London ein Buch, dessen Autor dem britischen Generalstab angehört: Oberstleutnant J. G. Humfrey, und der Titel seines Buches lautet (1838) „An essay on the modern system of fortification adopted for the defence of the Rhine frontier …“ Es wird, wiederum vier Jahre dauern, bis es von F. Reinhard, einem Pionierhauptmann im Dienste der Königlich-Bayerischen Armee, ins Deutsche übertragen worden ist. Der Titel lautet: „Versuch eines neu angenommenen Fortifikations-Systems zur Vertheidigung der RheinGrenze (…) Exemplifiziert durch ein vollständiges Memoire über die Festung Coblenz, beleuchtet durch Pläne und Durchschnitte der Werke dieses Platzes“. Damit ist der Ehrenbreitstein militärisch nebensächlich geworden.
Ehrenbreitstein in der NS-Zeit REMILITARISIERUNG DES RHEINLANDES: Im Jahr 1936 ziehen wieder deutsche Soldaten auf den Ehrenbreitstein ein, dessen Befestigungswerke auch den Zweiten Weltkrieg weitgehend unbeschadet überstehen. Foto: picture-alliance/United Archives/TopFoto
Während der Belagerungsphase vom September bis Oktober 1795 werden mehr als 16.000 Granaten aller Kaliber von der Festungsartillerie verschossen; darauf hin werden die französischen Angriffe abgebrochen und erst im Juni 1796 wieder aufgenommen. Im Frühjahr 1797 endet die französische Blockade mit einem Waffenstillstand, Hunger und Verrat führen 1799 zur Übergabe an die Franzosen. Zwei Jahre später, inzwischen hat Napoleon Bonaparte den Rhein zur natürlichen Grenze Frankreichs im Osten gemacht, wird der Ehrenbreitstein gesprengt. Doch 1817 haben sich die Machtverhältnisse in Europa geändert: Napoleon ist besiegt, die Rheinprovinzen fallen Preußen zu,
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das nun die „Wacht am Rhein“ gegen Frankreich übernimmt. Folglich wird diese militärisch gesichert: Dazu gehört der systematische Ausbau von Koblenz zur Festung mit dem Ehrenbreitstein als zentrales Außenwerk im Osten. Als sie fertig gestellt sind, haben die Anlagen jedoch ihre militärische Bedeutung verloren. Vier Jahre nach Beendi-
Literaturtipp Böckling, Manfred: Festung Ehrenbreitstein, hrsg. vom Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Verwaltung der staatlichen Schlösser, Führungsheft 17 (1996).
Nun noch ein Blick in die Zeitgeschichte: Auch die Nationalsozialisten wissen die Attraktivität der Festung für ihre Zwecke zu nutzen. Joseph Goebbels organisiert als Reichspropagandaminister die „Saartreuekundgebung“ auf dem Ehrenbreitstein (1934). Bereits seit dem 30. Januar 1933 weht eine riesige Hakenkreuzflagge über dem Ehrenbreitstein. In Koblenz hegt man die Hoffnung, dass der Ehrenbreitstein zum „Reichsehrenmal“ erhoben wird. Aber es kommt anders, denn Hitler erklärt das „Tannenbergdenkmal“ in Ostpreußen zum Nationaldenkmal (1935). Im Herbst 1936 wird die motorisierte Hundertschaft der Landespolizei-Abteilung Koblenz als 14. Kompanie in das InfanterieRegiment 80 eingegliedert und als Panzerabwehreinheit auf der Festung stationiert. Weitere Truppen werden auf der Festung
Faszinierende Wehranlage
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BELIEBTES ZIEL: Blick auf den Oberen Schlosshof der Festung. Die ausgedehnte Anlage hat sich zu einer vielbesuchten Touristenattraktion entwickelt. Weite Teile der Foto: picture-alliance/DUMONT Bildarchiv Wehranlage sind heute zugänglich.
Nachkriegszeit und Gegenwart Im Juli 1945 wechselt die Besatzungsmacht, französische Truppen lösen die amerikanischen ab. Erneut wird die Trikolore aufgezogen, die von 1923–1929 über Koblenz wehte. Dank der amerikanischen Intervention des Generalmajors Allen bei der Interalliierten Militär-Kontrollkommission entgeht der Ehrenbreitstein der Schleifung – wegen seiner Einzigartigkeit als Kunstdenkmal. In der Nachkriegszeit werden Teile der Kasematten ausgebaut und dienen als Wohnungen für ausgebombte Koblenzer. Jahre später entwickelt sich der Ehrenbreitstein zum beliebten Ausflugziel für Einheimische und Touristen. Dann kommen alljährliche Touristenattraktionen wie zum Beispiel „Rhein in Flammen“ oder – im Jahre 2011 mit großem Erfolg – die Bundesgartenschau hinzu, für die eigens eine Seilbahn von Ko-
HINTERGRUND ■ Artilleriebastion
Dr. Peter Többicke, Historiker, Veröffentlichungen zur deutschen Militär- und Zeitgeschichte.
Sehenswürdigkeiten (Auswahl)
„Turm Ungenannt“ (Informationsdienst zur Festungsgeschichte) ■ Ehrenmal des Deutschen Heeres (im Eingang zum Hauptgraben) ■ Fahnenturm ■ Brunnen (Oberer Schlosshof) mit Rundblick auf Koblenz und Moselmündung („Deutsches Eck“) ■ Festungsrundweg
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blenz bis zur Festung hinauf errichtet wurde. Heute sind weite Teile der ausgedehnten Festungsanlage zugänglich, darunter neuerdings auch der Komplex „Turm Ungenannt“ und der Kasemattenbau „Lange Linie“. Unmittelbar neben dem oberen Haupteingang der Festung beginnt der neue Weg zur Festungsgeschichte. Die Besucher erwartet eine museal aufbereitete Zeitreise durch die Geschichte des Ehrenbreitstein, von dem aus man einen herrlichen Blick auf die Moselmündung und das „Deutsche Eck“ werfen kann. Das Ehrenmal des Deutschen Heeres im Innern (Hauptgraben) der Festungsanlage erinnert seit seiner Einweihung im Jahr 1972 an die „Toten des Deutschen Heeres“ in den beiden Weltkriegen. 2006 wurden die „Heeressoldaten der Bundeswehr, die für Frieden, Recht und Freiheit ihr Leben ließen“, in das Gedenken des Ehrenmals eingeschlossen. Seit wenigen Jahren sind im Rahmen des Rundwegs erstmals auch Dachbereiche zugänglich. Von dort aus bietet sich den Besuchern aus ungewöhnlicher Perspektive die Gelegenheit zu Einblicken in die imposante Festung hinein.
■ Innenanlagen
soweit freigegeben Koblenz (Bastion: Hohe Ostfront) ■ Ausstellung „Festungsschicksale“ (im Festungswerk „Ravelin“) ■ Ausstellung „Geborgene Schätze“ (im Festungswerk „Contregarde“ rechts) Weitere Informationen unter: www.diefestungehrenbreitstein.de ■ Landesmuseum
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stationiert. Für diese Truppen, aber auch für die Bevölkerung, können die Stollen und Kasematten des Ehrenbreitstein als LuftschutzBunker genutzt werden. Im März 1945 wird Koblenz von der 87. US-Infanteriedivision eingenommen. Am 6. April weht das Sternenbanner über der Festung – in Anwesenheit des Befehlshabers der 12. US-Heeresgruppe (General Bradley).
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Admiral Reinhard Scheer AUSGEZEICHNET: Zeitgenössische Aufnahme von Reinhard Scheer im Uniformrock der Kaiserlichen Marine. Er trägt den Orden „Pour le Mérite“, der ihm nach der Skagerrakschlacht von Kaiser Wilhelm II. verliehen wurde.
Zwischen
Foto: picture-alliance/Mary Evans Picture Library
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eitab von Deutschlands Küsten beginnt das erste Lebenskapitel Reinhard Scheers, der zweifellos zu den bekanntesten Admiralen der Kaiserlichen Marine zählt und als Chef der Hochseeflotte in die Geschichte eingegangen ist. Scheer kommt am 30. September 1863 in Obernkirchen (heute Landkreis Schaumburg, Niedersachsen) zur Welt. Eltern und Großeltern stammen aus dem liberalen Bürgertum. Als Kind seiner Zeit erlebt Scheer in jungen Jahren den scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg des 1871 gegründeten Deutschen Reiches. Seine späteren beruflichen Aufgaben sollten ihn oft und zeitlich ausgedehnt in das europäische und außereuropäische Ausland führen. Die Stellung Deutschlands mit seinen Stärken und Schwächen in der Welt musste ihm damals deutlich vor Augen stehen. Nur vor diesem Hintergrund kann der Mensch und der Seeoffizier Reinhard Scheer angemessen beurteilt werden.
Steiler Aufstieg Scheer tritt am 22. April 1879 als Seekadett in die Kaiserliche Marine ein. Schon während seiner Ausbildung zum Offizier liegt er immer in der Spitzengruppe seines Jahrgangs und bleibt dies auch während der anschließenden Offizierverwendungen. Schon früh wird daher die Personalführung auf ihn aufmerksam. Sie bereitet ihn in abgewogenen Wechseln zwischen Bordkommandos und Landverwendungen in Stäben auf die Übernahme von verantwortungsvollen und fordernden Positionen innerhalb des Führungskorps der Marine vor. Das gelingt im Fall von Scheer nahezu ideal, denn bei seiner Ernennung zum Chef des Stabes der Hochseeflotte am 1. Oktober 1909 und der
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Triumph und Tragödie 31. Mai 1916: In der Skagerrakschlacht gelingt Flottenchef Reinhard Scheer ein beachtlicher Erfolg gegen die „Grand Fleet“. Doch dem „gefühlten Triumph“ folgt seit Ende 1917 der tragische Niedergang der deutschen Hochseeflotte. Von Eberhard Kliem
AUF DER BRÜCKE: Admiral Scheer (Mitte) als Flottenchef zusammen mit Großadmiral Heinrich Prinz von Preußen auf einem Kriegsschiff. Foto: picture-alliance/Mary Evans Picture Library
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AN BORD DES FLAGGSCHIFFES: Der Flottenchef zusammen mit dem Flottenstab unter den Geschützrohren seines Flaggschiffes, links Kapitän zur See von Levetzow, rechts sein Stabschef Kapitän zur See von Trotha als seine engsten Mitarbeiter. Foto: picture-alliance/WZ-Bilddienst
anschließenden Beförderung zum Konter-admiral am 27. Januar 1910 hat der 46-jährige Seeoffizier 16,5 Jahre an Bord und 13,5 Jahre an Land in Stabsstellungen verbracht. Nach eigenen Angaben hat Scheer den Einsatz in der Torpedowaffe einschließlich seiner Referententätigkeit in diesem Bereich im Reichsmarineamt unter Alfred von Tirpitz (1849– 1930) als besonders prägend empfunden.
Scheer als Hoffnungsträger Noch in den Monaten vor dem Ausbruch der Ersten Weltkrieges übernimmt er am 9. Dezember 1913 als Vizeadmiral das II. Geschwader und im Dezember 1914 das III. Geschwader der Hochseeflotte mit insgesamt acht der modernsten deutschen Linienschiffe (Schlachtschiffe). Dieses Geschwader stellte den kampfkräftigsten Kern der Deutschen Hochseeflotte in der Nordsee dar. Der damalige Flottenchef, Admiral Hugo von Pohl, beurteilt Scheer zum 1. Dezember 1915 wie folgt: „Energischer, dienstfreudiger, leistungsfähiger und im Flottendienst erfahrener Flaggoffizier. Besitzt das Vertrauen seiner Kommandanten und Offiziere. Wird Geschwader in der Schlacht gut führen. Zum Flottenchef geeignet und zur Verwendung als Staatssekretär im RMA [Reichsmarineamt] befähigt. v. Pohl.“ In der Flotte hat sich Scheer zu diesem Zeitpunkt einen vorzüglichen Namen gemacht. Er gilt als strenger, aber gerechter Vorgesetzter mit hohen Anforderungen an
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seine Untergebenen, von denen er vorbildliches Auftreten in jeder Beziehung fordert. Gleiches gilt selbstverständlich auch für ihn selbst. Seine fachliche Kompetenz ist unbestritten. Er liebt dienstliche Selbstständigkeit, gewährt sie aber auch Untergebenen. Grundzüge seines Charakters sind hohes Selbstbewusstsein und unerschütterliches Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit. Sein selbst gewählter Leitsatz lautet: „Was andere leisten können, kannst Du mindestens auch.“ Mit diesem Lebensgefühl entsprach er ziemlich genau dem nationalen Überschwang eines Großteils der Bevölkerung des Wilhelminischen Kaiserreiches.
ge aus der Deutschen Bucht in den Atlantik bei den Shetlands – unerreichbar für die deutschen Schiffe und Boote. Zur Schlacht stellt sie sich nicht.
Scheer verspricht höheres Risiko Die Deutsche Hochseeflotte geht ihrerseits aufgrund des kaiserlichen Operationsbefehls kein Risiko ein und liegt deswegen zumeist im Hafen oder auf Reede. Bisher eher zufällig eingetretene Gefechte waren für die Deutschen wenig günstig ausgegangen. Die auf Angriff und Offensive ausgebildeten Offiziere und Mannschaften waren unzufrieden und zweifelten schließlich am Sinn ihres
„Die deutsche Flotte hat ihren Kerkermeister angegriffen, aber sie ist immer noch im Gefängnis.“ Meldung einer New Yorker Zeitung nach der Skagerrakschlacht 1916.
Nach der Ablösung des ersten Flottenchefs Friedrich von Ingenohl (1857–1933) und dem Tod seines Nachfolgers Hugo von Pohl übernimmt Reinhard Scheer am 9. Januar 1916 die Stellung des Flottenchefs der Hochseeflotte. Diese befindet sich zu diesem Zeitpunkt in einer schweren Krise. Der Grund: Der ursprüngliche Operationsplan mit einer arrangierten Seeschlacht in der südlichen Nordsee ist nicht aufgegangen, denn die Grand Fleet der Briten blockiert die Ausgän-
Von kämpferischem Naturell Dienstes. Der neue Flottenchef verspricht ihnen nun mehr Einsätze und höheres Risiko. Er kann zudem aufgrund seine Wesens und seines Charakters Optimismus und Zuversicht ausstrahlen. Dabei plädierte Scheer unter den vorherigen Flottenchefs nicht gerade für Angriffsoperationen, sondern hat eher zurückhaltend agiert. Sein Sinneswandel mag auch auf den Einfluss zweier bewährter Linienschiffskommandanten zurückzuführen sein, die Scheer bewusst in seinen Stab holte: Chef des Stabes wurde Kapitän zur See Adolf von Trotha, Chef der Operationsabteilung der Kapitän zur See Magnus von Levetzow. Mit Übernahme seines neuen Amtes stellt Scheer die Seekriegführung in der Nordsee auch operativ um. Nun werden neben den Schlachtschiffen und Schlachtkreuzern auch alle weiteren verfügbaren Seekriegsmittel wie Luftschiffe, Minenstreitkräfte und Unterseeboote in einer „verbundenen Operationsführung“ zusammengeführt und eingesetzt. Ziel aller Bemühungen ist immer noch die Seeschlacht unter günstigen Bedingungen, insbesondere gegen Teile der Grand Fleet – wobei man zuversichtlich auf einen Erfolg hofft. Das eher zufällige Aufeinandertreffen der Hochseeflotte und der Grand Fleet unter Admiral John Jellicoe (1859–1935) am 31. Mai 1916 vor dem Skagerrak bietet schließlich eine solche Gelegenheit. Scheers Führung in der Schlacht wird allgemein als kraftvoll,
entschlussfreudig und sicher beurteilt. Die dritte Gefechtskehrtwendung in den späten Abendstunden in die im „Crossing the T“ voll entfaltete englische Flotte hinein wird jedoch als zu risikoreich, zumal ohne vorherige Aufklärung, eingestuft. Hier habe nur das Glück des Tüch-
Ausgestellt Diese Büste von Scheer stammt von dem Hamburger Künstler Dr. Fritz Bürger und wird in der Lehrsammlung der Marineschule Foto: Marineschule Mürwik gezeigt.
tigen geholfen, war eine spätere Betrachtung. Letztlich wollte Scheer genauso wenig wie sein Gegner Jellicoe die Schlacht durchschlagen. Ein späterer hoher Flaggoffizier der Kriegsmarine, der als Torpedobootskommandant die Schlacht an allen Brennpunkten miterlebt hat, schrieb später in privaten Aufzeichnungen: „So kühn Scheers Führung in der Schlacht war, die ihm mit den dabei errungenen Erfolgen stets einen Ehrenplatz in der Geschichte sichern wird, so hätte meines Erachtens erst der weitere Entschluss, am nächsten Morgen erneut zu kämpfen, ihn in die Reihen der ganz großen Führer erhoben…“. Insbesondere in den Torpedobootsflottillen wird diese Ansicht von vielen geteilt. Nach der Skagerrakschlacht erkennt Scheer, dass die Hochseeflotte nicht mehr kriegsentscheidend einzusetzen ist. Der uneingeschränkte U-Boot-Krieg war nun die letzte Trumpfkarte der Kaiserlichen Marine. Damit ist jedoch zwangsläufig der Eintritt der USA in die Reihe der deutschen Kriegsgegner verbunden. Ohne Zweifel ist Scheer sich dieser Konsequenz bewusst, meint aber,
sie tragen zu können und zu müssen, da nur so ein erfolgreicher Kriegsausgang für das Deutsche Reich noch zu erreichen war. Sein „kämpferisches Naturell“ (Friedrich Forstmeier) ließ ihn nur diesen Weg wählen.
Starke Stellung Trotzdem bleibt die Hochseeflotte weiterhin der zentrale Ankerpunkt in seinem strategischen und auch operativen Denken. Hierbei aber neue Wege zu gehen, etwa mit einer durchaus möglichen offensiven Seekriegführung im englischen Kanal oder mit der kraftvollen Unterstützung des deutschen Heeres auf dessen Vormarsch im Baltikum, gelingt nicht. Dies wäre durchaus möglich und auch gegen andere Führungsstellen des Reiches durchsetzbar gewesen, denn Scheers Stellung war nach dem zumindest taktischen Erfolg gegen die englische Flotte in der Skagerrakschlacht sehr stark. Die Unruhen auf einigen Linienschiffen der eigenen Flotte im Jahr 1917 treffen Scheer völlig überraschend. Insbesondere angesichts
BESUCH AN BORD: Dieses Foto zeigt den Großherzog von Baden, Friedrich II., bei einem Besuch bei Scheer auf dessen damaligem Flottenflaggschiff SMS BADEN am Foto: Marineschule Mürwik 25. Mai 1918.
FLOTTENFLAGGSCHIFF: An Bord des Großlinienschiffs SMS FRIEDRICH DER GROSSE führt Vizeadmiral Reinhard Scheer die Skagerrakschlacht der deutschen Hochseeflotte gegen die englische Grand Fleet am 31. Mai 1916. Foto: picture-alliance/WZ-Bilddienst
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SCHEER ALS NAMENGEBER: Stapellauf des Panzerschiffs ADMIRAL SCHEER am 1. April 1933 in Wilhelmshaven. Foto: picture-alliance/Süddeutsche Zeitung Photo
des untadeligen Verhaltens der Besatzungen in der Schlacht am Skagerrak kann der Flottenchef nicht verstehen, dass es Besatzungsmitglieder gibt, die nicht mit allem Diensteifer und höchster Hingabe ihre militärischen Aufgaben weiterhin zu erfüllen suchen. Dass der fehlende militärische Einsatz der Schiffe zur Unzufriedenheit beitragen würde, ist ihm durchaus bewusst. Dass aber
gen mehr an der Dienstgestaltung teilhaben zu lassen, sind halbherzig und können die Kluft zwischen Offizieren und Mannschaftsdienstgraden nicht mehr schließen.
Chef der Seekriegsleitung Durchaus erfolgreich agiert Scheer bei der Schaffung einer effektiven Führungsstruktur für die Kaiserliche Marine. Er selbst hat oft
„Wir dürfen aber auch ….nicht aus dem Auge und den Gefühl verlieren, dass die Seegeltung eines Staates nur getragen wird von einer kampffähigen Hochseeflotte.“ Auszug aus dem Tagesbefehl von Admiral Scheer am 31. Januar 1917.
auch mangelhafte und dilettantische Führung der Besatzungen durch Offiziere „seiner“ Flotte dazu erheblich beitrugen, kann er nicht nachvollziehen. Auch ohne die Vollstreckung der Todesurteile gegen die Matrosen Max Reichpietsch und Albin Köbis wäre die Disziplin auf den betroffenen Schiffen wieder herzustellen gewesen. Die Maßnahmen, die Scheer einleitet, um die Besatzun-
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erlebt, wie die verschiedenen Immediatstellen mit direktem Vorspracherecht beim Kaiser eine straffe und den sich entwickelnden Ereignissen angepasste Führung verhinderten. Die kritische Lage des Reiches und die Führungsschwäche von Kaiser Wilhelm II. erfordern kategorisch eine nun „Seekriegsleitung“ genannte zentrale Führungsstelle, die im Hauptquartier angesiedelt ist und mit
ZEITGENÖSSISCH: Nachricht eines Herrn Peter vom 30. November 1928, in der dieser Wilhelm Rollmann – vermutlich der spätere U-Boot-Kommandant der Kriegsmarine – auf der Rückseite eines Fotos mitteilt, den „Sieger von Skagerrak“ zu Grabe getragen zu haben. Foto: Marineschule Mürwik
der Obersten Heeresleitung (OHL) auf gleicher Ebene agieren konnte. Im August 1918 wird Scheer Chef der Seekriegsleitung, die Führung der Hochseeflotte geht auf Admiral Ritter von Hipper über. Strategische oder operative Auswirkungen hat diese Veränderung der Führungsstruktur nicht mehr, denn die Einleitung von Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen am 28. September 1918 sollten die politische und militärische Lage von Grund auf ändern. Der U-Boot-Krieg wird gegen Scheers eigentliche Überzeugung eingestellt, umso mehr drängt er nun auf den Einsatz der noch intakten und einsatzfähigen Hochseeflotte. Ein bereits für 1917 ausgearbeiteter Operati-
Tragische Momente onsplan wird aktualisiert. Dieser sieht einen massiven Angriff der Hochseeflotte gegen den englischen Kanal, die flandrische Küste und in die Themsemündung vor, verbunden mit Luftangriffen durch Zeppeline, Minenkrieg und U-Boot-Angriffen.
im Gegensatz zur Grand Fleet. Diese hatte ebenfalls ähnliche und vergleichbare Situationen erlebt, sie aber mit Jahrhunderte alter Erfahrung besser gemeistert.
Abschied und Tod
Schmerzliche Erfahrung Die militärischen Erfolgssausichten werden unterschiedlich beurteilt. Unbestritten ist aber, dass ein solches eigenständiges Vorgehen der Flotte den politischen Verhandlungen und Vorstellungen der Reichsregierung diametral entgegenstand. Scheer konnte nicht verstehen, dass – so schmerzlich dies für ihn persönlich, aber auch für das ältere Offizierkorps der Marine war – alle Ehr- und Pflichtgefühle hinter dem politischen Willen zurückstehen mussten. Als im Oktober 1918 der von Scheer gebilligte und von Flottenchef Admiral Ritter von Hipper erteilte Aus-
Literaturtipps Epkenhans, M.; Hillmann, J.; Nägler, F. (Hrsg. ): Skagerrakschlacht. Vorgeschichte – Ereignis – Verarbeitung, München 2009. Hubatsch, Walter: Kaiserliche Marine. Aufgaben und Leistungen, München 1975.
LETZTE RUHESTÄTTE: Scheer ist in Weimar in einem Ehrengrab zusammen mit seiner Ehefrau beigesetzt. Der Grabstein zeigt „seine“ Admiralsflagge und das Wort „Skagerrak“. Foto: Sammlung Eberhard Kliem
laufbefehl von Teilen der Besatzungen einiger schwerer Einheiten nicht befolgt wird, kommt auch dies für Scheer und den Flottenstab überraschend. Diese Tatsache zeigt aber wiederum die bereits 1917 feststellbare Ferne des Führungskorps der Hochseeflotte vom realen Fühlen und Denken der Besatzungen. Heute ist klar: Das „Management“ der Befehlsverweigerungen war ungeschickt und unsicher. Auch hier zeigte sich die mangelnde Erfahrung der Kaiserlichen Marine
Als durch die Verlegung der Einheiten nach Kiel der Funke der Revolution weiter getragen wird, ist die Hochseeflotte als militärisches Instrument unbrauchbar geworden. Am 17. Dezember 1918 erhält Scheer den erbetenen Abschied aus der Kaiserlichen Marine. Scheers späte Lebensjahre sind voller tragischer Momente. Seine Frau fällt 1920 einem Mordanschlag zum Opfer – möglicherweise politisch motiviert und eigentlich ihm geltend. Er selbst stirbt während einer Vortragsreise am 26. November 1928 in Marktredwitz in Oberfranken. Beerdigt ist er in Weimar. Neben den Geburts- und Sterbedaten finden sich auf dem Grabstein in Bronze gegossen die Admiralsflagge und das Wort „Skagerrak“. Eberhard Kliem, Jg. 1941, Fregattenkapitän a.D., zuletzt tätig im NATO-Hauptquartier Brüssel. Anschließend drei Jahre Geschäftsführer des Deutschen Marinemuseums in Wilhelmshaven.
Numismatische Sammlerliteratur
Was sind meine Banknoten, Münzen und Orden wert?
Rosenberg/Grabowski: Die deutschen Banknoten ab 1871
Kurt Jaeger: Die deutschen Münzen seit 1871
Jörg u. Anke Nimmergut: Deutsche Orden und Ehrenzeichen 1800–1945
Gerhard Schön: Euro Münzkatalog
Günter u. Gerhard Schön: Weltmünzkatalog 20. Jahrhundert
Ursula Kampmann: Die Münzen der römischen Kaiserzeit
19. Auflage 2013, Format 14,8 x 21 cm, 640 Seiten, Broschur ISBN 978-3-86646-553-4 Preis: 24.90 EUR
23. Auflage 2013, Format 11,5 x 18,5 cm, 928 Seiten, Broschur ISBN 978-3-86646-554-1 Preis: 24.90 EUR
20. Auflage 2014/2015, Format 12,5 x 19 cm, ca. 1000 Seiten, Broschur ISBN 978-3-86646-110-9 Preis: 39.90 EUR
13. Auflage 2014, Format 12,5 x 19 cm, 1152 Seiten, Broschur ISBN 978-3-86646-105-5 Preis: 14.90 EUR
43. Auflage 2014/2015, Format 17 x 24 cm, über 1800 Seiten, Broschur ISBN 978-3-86646-108-6 Preis: 49.90 EUR
2. Auflage 2011, Format 17 x 24 cm, 544 Seiten, Hardcover ISBN 978-3-86646-071-3 Preis: 39.90 EUR
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Museen & Militärakademien
Ehrenmale in Möltenort und Laboe
Markante Wahrzeichen 2014: Kiel ist bis heute ein bedeutender Marinestützpunkt. An der Kieler Förde erinnern zwei bedeutende Ehrenmale an die „auf See verstorbenen Marineangehörigen“ und die „auf See gebliebenen U-Boot-Fahrer“. Von Joachim Schröder
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er Film-Klassiker „Das Boot“ aus den 1980er-Jahren hat einem Millionenpublikum in aller Welt den U-Boot-Krieg des Zweiten Weltkrieges nahe gebracht. Die ungeschminkte Darstellung der körperlichen und seelischen Qualen einer U-BootBesatzung (U 96 vom Typ VIIC) wurde zu recht mit einer Oskar-Nominierung belohnt. Jürgen Prochnow als Kapitänleutnant und Herbert Grönemeyer als Kriegsberichterstatter geben dem namenlosen Grauen in dem erfolgreichen Kinofilm ein Gesicht. Gewiss brachten die U-Boot-Fahrer in beiden Weltkriegen oft genug Tod und Vernichtung über den Gegner und versenkten Tausende von Schiffen, aber letztendlich waren sie doch selbst auch Leidtragende ihrer Zeit.
MONUMENTAL: Das Marine-Ehrenmal in Laboe ist weithin sichtbares Wahrzeichen der Kieler Außerförde. Es bietet einen eindrucksvollen Rundblick über die Förde und das Umland von Laboe, in der unteren linken Bildhälfte ist U 995 gut zu erkennen. Foto: picture-alliance/Hinrich Bäsemann
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Es ist allgemein bekannt, dass die U-Bootwaffe von allen Waffengattungen die höchsten Verlustzahlen zu verzeichnen hatte: Im Zweiten Weltkrieg blieben drei von vier U-Bootmännern auf See. Das U-Boot-Ehrenmal Möltenort im Seebad Heikendorf, unweit des weithin sichtbaren Marine-Ehrenmals Laboe, hält die Erinnerung an mehr als 35.000 U-Boot-Fahrer beider Weltkriege wach, für die ihre Boote im wahrsten Sinne des Wortes zu „eisernen Särgen“ wurden. Boot für Boot und Mann für Mann werden auf schweren, in den Boden eingelassenen Bronzeplatten festgehalten, die wiederum in einem halbkreisförmigen
RELIKT EINER TRAGÖDIE: Erinnerung an die wohl größte Schiffskatastrophe der Welt: Ein Bullauge der 1945 von einem sowjetischen U-Boot torpedierten WILHELM GUSTLOFF. Sammlung: J. Schröder
Gang angeordnet sind. Soweit bekannt sind die Angaben sehr detailliert und enthalten neben den Namen, Geburtsdaten und Diensträngen der einzelnen Besatzungsmitglieder auch den Ort, die Zeit und die genaue Ursache des Untergangs der Unterseeboote. Die schier endlosen Namenslisten zeigen in gleicher Weise bekannte Kapitäne wie unbe-
kannte U-Boot-Fahrer. So findet sich selbstverständlich auch Günther Prien, Kommandant von U 47, der für seine militärischen Erfolge in Scapa Flow 1939 als „Volksheld“ gefeiert wurde. Wer aber kennt schon die Namen derer, deren U-Boote besonders in den letzten Kriegsmonaten beider Weltkriege kaum mehr als eine Feindfahrt überstanden? Gerade dieser Seeleute zu gedenken, ist die Aufgabe der Gedenkstätte in Heikendorf. Eine Bronzetafel verzeichnet zudem die in Friedenszeiten gesunkenen deutschen U-Boote: U 3 im Jahre 1911, U 18 im Jahre 1936 und U „Hai“ im Jahre 1966.
Zu Ehren der U-Boot-Fahrer Im Jahre 1930 als Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges eingeweiht, wurde das Ehrenmal bereits 1936 wegen Materialschäden wieder abgerissen und bis 1938 neu errichtet. Nach dem Zweiten Weltkrieg musste das Ehrenmal zwangsläufig neu ausgerichtet werden. In den beiden, mit vielen Kränzen geschmückten Ehrenhallen wird auch an die vielen Tausend Opfer des deutschen U-Boot-Krieges erinnert. Nach wie vor aber wird die Vorderfront des Ehrenmals dominiert von einem Seeadler, der mit einer Spannweite von 4,80 Meter auf einem über 15 Meter hohen Sandsteinpfeiler thront. Wie beengt und spartanisch die U-BootBesatzungen samt ihrer Offiziere untergebracht waren, lässt sich im Seebad Laboe erkunden: Dort, nur rund fünf Kilometer von Heikendorf entfernt, ist direkt am Strand U 995 aufgestellt worden. Dieses Boot vom
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Typ VIIC/41 dient heute als Technikmuseum. Von außen wirkt das U-Boot recht groß: U 995 misst immerhin 67,23 Meter in der Länge, der Durchmesser des Druckkörpers beträgt 4,70 Meter und die Gesamthöhe erreicht fast zehn Meter. Die in den Himmel gerichteten Fliegerabwehrkanonen (1 x 3,7cm-Flak, 2 x 2-cm-Zwillings-Flak) können nicht darüber hinwegtäuschen, dass es gerade die feindlichen Flugzeuge waren, die vielen U-Booten den Untergang brachten. Beachtenswert ist sicherlich das eigentümliche Abzeichen am Turm des U-Bootes: „Fang den Hut“ in Anlehnung an das bekannte Kinderspiel. Vermutlich wollte die Besatzung damit ausdrücken, dass aus Jägern längst Gejagte geworden waren.
Geste der Versöhnung U 995 wurde im September 1943 in Dienst gestellt und absolvierte von Norwegen aus mehrere Feindfahrten im Nordmeer und vor der Murmanküste. Nach dem Kriege wurde U 995 von der norwegischen Marine übernommen und startete unter dem Namen „Kaura“ zu etlichen Unternehmungen. Im Jahre 1965 wurde die „Kaura“ als Zeichen der Versöhnung an Deutschland zurückgegeben. Nach jahrelangen Diskussionen über Kosten, Standort und Verwendung übernahm schließlich der Deutsche Marinebund das Boot und ließ es in langwieriger Arbeit wieder weitgehend in den ursprünglichen Zustand bei Kriegsende 1945 versetzen. So musste außen etwa der „Winter-
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Museen & Militärakademien
IM BUGTORPEDORAUM: Im Innern von U 995. Unten rechts ein offenes Torpedorohr mit Torpedo. Sammlung: J. Schröder
GUT BESUCHT: U 995, das Boot von Laboe, ist seit Jahrzehnten ein Publikumsmagnet an Sammlung: J. Schröder der Kieler Förde.
garten“ mit der Flakbewaffnung wieder hergerichtet werden. 1972 endlich wurde U 995 in Laboe aufgestellt. Fertig zum Auslaufen ist U 995 heute natürlich nicht mehr, allerdings wird im Rahmen des International Museum Ships Weekend Radio Event alljährlich die Funkanlage in Betrieb genommen. Im Inneren des Bootes wird der meiste Platz von Maschinenanlagen, Technik, Torpedos und Tauchtanks beansprucht. Es ist eng an Bord. Der Besucher sollte sich vorab von unnötigem Ballast befreien, denn mit Rucksack, Tasche oder gar Stockschirm bleibt man schnell hängen oder stößt irgendwo an. 350.000 Menschen besuchen alljährlich dieses ganz besondere Museum. Wer in den frühen Vormittagsstunden kommt, entgeht diesem Touristenstrom und hat das Boot in der Regel fast für sich allein. Dann ist Zeit genug, Details zu betrachten und sich in Ruhe umzuschauen.
Sechs-Zylinder Viertakt-Diesel wurden zwar immerhin zirka 113 Tonnen Öl gebunkert, diese reichten bei einer Höchstgeschwindigkeit von 17 Knoten über Wasser jedoch nur für etwa 3.250 Seemeilen. Selbst in der Zentrale ist kaum Platz: Hier befinden sich Seiten- und Tiefenruder, Turmein- beziehungsweise -ausstieg, Sehrohre und auch der Navigationstisch, der eigentlich nur die Größe einer Kladde hat. Über die beengten Schlafplätze muss wohl kein Wort mehr verloren werden. U 995 liegt direkt zu Füßen des weithin sichtbaren Marine-Ehrenmals des Deutschen Marinebundes in Laboe. Der 85 Meter hohe Turm ist unbestritten das Wahrzeichen der Kieler Förde. Während U 995 vorrangig als Touristenattraktion dient und Alt und Jung
anlockt, erfüllt das Ehrenmal eine andere Funktion. Dabei hat das in den Jahren 1927– 1936 errichtete Ehrenmal im Laufe seiner Geschichte eine deutliche Wandlung erlebt. Zunächst symbolisierte es das Bestreben, Revanche zu nehmen für die von vielen Deutschen als tiefe Schmach empfundene Niederlage im Ersten Weltkrieg. Das 1945 bei Kriegsende von den Siegermächten beschlagnahmte Ehrenmal wurde erst 1954 an den Deutschen Marinebund zurückgegeben. Öffentliche Kritik führte in den 1990er-Jahren zu einer umfassenden Neugestaltung des Bauwerks. Heutzutage dient das Ehrenmal unverkennbar dem Gedenken der Toten auf See aller Nationen. So ist es nur folgerichtig, wenn zum Beispiel auf einer besonderen Tafel der Gefallenen der US-amerikanischen U-Bootwaffe gedacht wird.
Würdiges Gedenken Das Marine-Ehrenmal ist monumental: Die Größe des Geländes beträgt fast sechs Hektar. Unter den auf dem Außengelände prä-
Weithin sichtbar Die Erinnerungen an „Das Boot“ lassen einen nicht los. U 995 entspricht trotz aller Modifizierungen im Wesentlichen U 96, dem Film-U-Boot, und daher fällt die Orientierung nicht schwer. Vom Heck aus arbeitet man sich über den E-Maschinenraum langsam Richtung Bug vor. Unendlich laut und heiß muss es bei Überwasserfahrt im Dieselmaschinenraum gewesen sein. Der schmale Stollengang ließ überdies kaum Platz für das Maschinenpersonal. Für die beiden MAN
Literaturtipp Eckard Wetzel: U 995 – Das U-Boot vor dem Marine-Ehrenmal in Laboe, Stuttgart 2004.
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SEHENSWERT: Die seeseitige Vorderfront des U-Boot-Ehrenmals in Möltenort. Der Seeadler wurde mehrfach erneuert, zuletzt im Jahre 2013. Sammlung: J. Schröder
Sehenswerte Anlagen
sentierten Exponaten dominiert die gewalti- wird beispielsweise die Flucht Hunderttauge Schraube des Schweren Kreuzers PRINZ sender deutscher Zivilisten vor der Roten EUGEN (Stapellauf 1938), genauer gesagt Armee dokumentiert. Ein Bullauge der im der Backbordpropeller. Die PRINZ EUGEN Januar 1945 von einem sowjetischen U-Boot war nach dem Zweiten Weltkrieg mitsamt torpedierten WILHELM GUSTLOFF unterder deutschen Besatzung von der U.S. Navy streicht nachhaltig, wie vielen Menschen die Flucht nicht gelungen ist. übernommen und später für AtombombenDie unterirdische „Gedenkhalle“ dient versuche im Bikini-Atoll benutzt worden. als der zentrale Ort des Gedenkens und Ihr Wrack liegt seit Dezember 1946 im Erinnerns. 20 Pfeiler tragen die Kupseichten Gewässer des Kwajaleinpel dieser Halle. Hier, unter der Erde Atolls, das ebenfalls zu den Marshallund bei gedämpftem Licht, stellt sich Inseln im Südpazifik gehört. In den der Eindruck ein, sich tief unter 1970er-Jahren bargen Taucher der Wasser zu befinden. Es ist ein Ort U.S. Navy den Backbordpropeller, der Stille. Kränze, Blumengebinder dann wieder den Weg nach de und zahlreiche Gedenktafeln Deutschland fand. Die im Jahre 2010 umfangreich ORIGINAL: Schiffsglo- weisen auf die vielen Menschen hin, die auf See ihr Leben verloneugestaltete „Historische Halle“ cke der ADMIRAL bietet im Eingangsbereich Model- HIPPER. Der Schwere ren haben. In der „Ehrenhalle“ des Turle berühmter Kriegsschiffe, alle Kreuzer wurde Anfang einheitlich im Maßstab 1:50 gefer- Mai 1945 gesprengt. mes unterstreichen die Silhouettigt. Darunter befinden sich der Sammlung: J. Schröder ten aller gesunkenen deutschen Kriegs- und Handelsschiffe das Große Kreuzer SCHARNHORST (Stapellauf 1906), das Linienschiff FRIED- ganze Ausmaß dieser Tragödien auf See. Der RICH DER GROSSE (Stapellauf 1911) und „Flaggenraum“ präsentiert die Flaggen der das Schlachtschiff BISMARCK (Stapellauf deutschen Seestreitkräfte. Hier wird keine 1939). Mehrere Schautafeln geben dazu ei- Flagge ausgespart, auch nicht die der Kriegsnen fundierten Überblick über die deutsche marine. Interessanterweise führte bereits die Marinegeschichte. Besonders eindrucksvoll Flotte von 1848 als erste gesamtdeutsche Marine die schwarz-rot-goldene Flagge.
KONTAKT U-Boot-Ehrenmal Möltenort An der Schanze, 24226 Heikendorf Öffnungszeiten: 1. April bis 30. September: täglich von 9.00 bis 18.00 Uhr. 1. Oktober bis 31. März: täglich von 9.00 bis 16.00 Uhr. www.ubootehrenmal.de Marine-Ehrenmal Laboe/ Technisches Museum U 995 Strandstraße 92, 24234 Laboe Öffnungszeiten: 1. April bis 31. Oktober: täglich von 9.30 bis 18.00 Uhr. 1. November bis 31. März: täglich von 9.30 bis 16.00 Uhr. www.deutscher-marinebund.de
Einmaliger Rundblick Von der oberen Aussichtsplattform des Ehrenmals in Laboe, die auch mit dem Aufzug zu erreichen und gut gesichert ist, hat der Besucher nicht nur einen herausragenden Blick über die Kieler Förde, Laboe und seine weitere Umgebung, sondern schaut auch direkt herab auf U 995. Es empfiehlt sich auf jeden Fall die Mitnahme eines Fernglases. Dr. Joachim Schröder, Jg. 1968, studierte Latein, Geschichte und Erziehungswissenschaften und promovierte 1999 zum Dr. phil. Zu seinen Themenschwerpunkten als Autor zählen die deutsche Marine- und Kolonialgeschichte.
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IM ÜBERBLICK: Der Flaggenraum in Laboe präsentiert die Flaggen der verschiedenen deutschen Marinen. Sammlung: J. Schröder
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IMPOSANT: Die Backbordschraube des 1946 gekenterten Schweren Kreuzers PRINZ EUGEN in Laboe. Sammlung: J. Schröder
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Faszination Technik Clausewitz 6/2014
Ein Bild erzählt Geschichte
Britisches Heldenepos
„All that was left of them“
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m 17. September 1901 befindet sich eine Schwadron der 17. Lancers („The Duke of Cambridge’s Own“) in der Nähe von Modderfontein bei Tarkastad. Das Kommando über die Kavallerie-Einheit hat Captain Sandeman, ein Cousin Winston Churchills. Ihr Auftrag ist das Aufspüren und Zerschlagen der Buren-Kommandos, die in diesem Gebiet operieren. Doch an diesem Tag läuft es genau andersherum. 250 Buren unter dem Befehl von Jan Smuts entdecken die 130 Briten Sandemans zuerst und nutzen geschickt das Gelände sowie den aufziehenden Nebel als Tarnung. Da viele der Buren erbeutete britische Uniformen tragen, zögern die überrumpelten Engländer zunächst mit der Gegenwehr und laufen in das offene Feuer ihres aggressiv handelnden Widersachers. Ein heftiges Gefecht entbrennt, in dessen Verlauf 29 Briten das Leben verlieren, sowie 41 verwundet werden. Die restlichen „Lancers“ geraten in Gefangenschaft. Die Buren verzeichnen einen Gefallenen und sechs Verletzte. Die Schlacht wird als „Battle of Elands River“ und als „Battle of Modderfontein“ bekannt. Und obwohl es ein souveräner Sieg Jan Smuts‘ ist, wird der aufopferungsvolle Kampf der Briten zu Hause in einen moralischen Sieg umgedeutet. Man wird an „Le Dernier Carré“ bei Waterloo er-
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innert – den heldenhaften Untergang der letzten Soldaten Napoleons. Richard Caton Woodville (1856–1927) wählt für sein Gemälde „All that was left of them“ das finale Aufgebot der Briten auf einem steinigen Höhenzug. Umzingelt von einem im Bild unsichtbar bleibenden Gegner verteidigen die letzten Lanzierer – angeschossen und blutend – aufrecht die Ehre des Empires im Angesicht der zahlenmäßig überlegenen und unfair kämpfenden (da in britische Kaki-Uniformen gekleidet) Buren. Das ist die zentrale Aussage des Bildes. Woodville – damals eine Berühmtheit unter den Historien- und Schlachtenmalern – deutet so die militärische Niederlage in ein Heldenepos um, das zeigt, dass sich die Briten nicht kampflos und feige ergeben.
1899–1902: Zwischen Großbritannien und den beiden Burenrepubliken Oranje-Freistaat und Transvaal tobt der Zweite Burenkrieg. 1901 kommt es zu einem Gefecht bei Modderfontein, das Richard Woodville zu einem bekannten Gemälde inspiriert.
Bis zur letzten Patrone: Die Briten ergeben sich erst, als sie ihre Munition verbraucht und ihre Pferde erschossen haben – genau die „Beute“, die die Buren haben wollen. Das Gemälde zeigt das „letzte Aufgebot“ der Briten vor der Gefangennahme. Abb.: akg-images/De Agostini Picture Library
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Nr. 22 | 6/2014 | November-Dezember | 4.Jahrgang
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Kampf um Ostpreußen 1944/45 Sturm auf den Nordosten des Deutschen Reiches Winter 1944/45: Drei Jahrzehnte nach den Siegen Hindenburgs über die russischen Armeen wird Ostpreußen erneut zum Kriegsschauplatz zwischen Deutschen und Russen – mit schrecklichen Folgen für die Zivilbevölkerung.
Schlacht von St. Mihiel 1918 Amerikanischer Vorstoß im Westen
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12. September 1918: Die 1. US-Armee beginnt ihren Angriff auf den deutschen Frontbogen bei St. Mihiel an der Maas, der seit 1914 wie ein Keil in die Front hineinragt. Es ist die erste selbstständige Operation der US-Truppen seit dem Kriegseintritt der USA.
Invasion in der Schweinebucht 1961 Kampf um Kuba 17. April 1961: An der Südküste Kubas, der Schweinebucht, gehen in einer Nacht-und-NebelAktion 1.500 Exilkubaner (im Bild) an Land. Das Ziel der vom Geheimdienst CIA vorbereiteten und von Präsident Kennedy genehmigten Invasion ist nichts weniger als der Sturz von Fidel Castro!
Außerdem im nächsten Heft: Chlodwig I. Der mächtige Herrscher aus der Merowinger-Dynastie. Musée de la Grande Guerre du Pays de Meaux. Das wegweisende Militärmuseum zum Ersten Weltkrieg in Frankreich. Und viele andere Beiträge aus den Wissengebieten Geschichte, Militär und Technik. Lieber Leser, Sie haben Freunde, die sich ebenso für Militärgeschichte begeistern wie Sie? Dann empfehlen Sie uns doch weiter! Ich freue mich über jeden neuen Leser. Ihr verantwortlicher Redakteur CLAUSEWITZ Dr. Tammo Luther
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Die nächste Ausgabe von erscheint am 1. Dezember 2014.
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