1/2015 Januar | Februar
€ 5,50
A: € 6,30 CH: sFr 11,00 BeNeLux: € 6,50 SK, I: € 7,45 S: SKR 75 N: NOK 79 FIN: € 8,10
Das Magazin für Militärgeschichte
Clausewitz Der „Tiger“ Gefürchteter Koloss
Militärtechnik im Detail
So stemmte sich die Wehrmacht gegen die Rote Armee
Ostpreußen 1945
St. Mihiel 1918 So bewährten sich die US-Truppen im Westen
Feldausrüstung Wie sich Bundeswehr und NVA kleideten
MILITÄR UND TECHNIK
Chlodwig I. Der Ahnherr des modernen Europas
Enigma: Beute auf U 110 Die Alliierten knacken den deutschen Funkschlüssel
n e d n e g e L e t f ü L r e d
GeraMond Verlag GmbH, Infanteriestraße 11a, 80797 München
Jetzt am Kiosk!
Editorial
12. Folge Krieger, Söldner & Soldaten
Die „grünen Teufel“
Liebe Leserin, lieber Leser, im Herbst 1944 überschritt die Rote Armee erstmals die Grenze zu Ostpreußen. Damit war – wie wenige Wochen zuvor an der Westfront – auch im Osten der Endkampf um das Deutsche Reich entbrannt. Um das Land zwischen Weichsel und Memel entwickelte sich vor 70 Jahren eine der längsten und dramatischsten Entscheidungsschlachten des Zweiten Weltkrieges! Verzweifelt versuchte die stark angeschlagene deutsche Wehrmacht, sich gegen den gewaltigen Ansturm von Stalins schlagkräftigen Armeen zu stemmen. Weil die Nationalsozialisten eine frühzeitige Evakuierung der ostpreußischen Bevölkerung unterbunden hatten und die Genehmigung zur Flucht vielerorts zu spät erteilt wurde, ereilte unzählige Zivilisten ein grausames Schicksal. Besonders die von sowjetischen Soldaten in Nemmersdorf oder Metgethen verübten Massaker an Dorfbewohnern und Flüchtlingen haben sich tief in das kollektive Gedächtnis der Ostpreußen eingebrannt. Hinzu kommen die tragischen Schiffskatastrophen der von sowjetischen Torpedos versenkten Großschiffe WILHELM GUSTLOFF und GOYA, bei denen 1945 mehrere Tausend Menschen – vor allem Flüchtlinge aus den Ostgebieten – in die Tiefe des Meeres gerissen wurden. Über den erbitterten Kampf um Ostpreußen 1944/45 und das schwere Leid der Zivilbevölkerung berichten wir in unserer umfangreichen Titelgeschichte „Inferno im Osten“ auf den Seiten 10 bis 31. Zudem möchte ich Sie auf ein besonderes Extra aufmerksam machen: Diesem Heft liegt das CLAUSEWITZ-Kalenderposter für das Jahr 2015 bei! Eine abwechslungsreiche wünscht Ihnen
Dr. Tammo Luther Verantwortlicher Redakteur
Clausewitz 1/2015
Lektüre
Angreifer aus der Luft: Deutsche Fallschirmjäger landen mit dem Fallschirm oder dem Lastensegler und erobern oft gegnerische Schlüsselstellungen. GUT AUSGERÜSTET: Dieser Fallschirmjäger trägt den „Knochensack“ und die Einheitsfeldmütze M43. Bewaffnet ist er mit einer MP 40 mit den dreireihigen Magazintaschen am Koppel.
I
Abb.: Johnny Shumate
FAKTEN Zeit: 1935–1945 Uniform: Luftwaffenuniform mit Sprunganzug („Knochensack“), Sprungstiefeln oder Marschstiefeln (für den Erdeinsatz) Hauptwaffen: Karabiner 98k, Fallschirmjägergewehr 42, MP 40 Film: Die grünen Teufel von Monte Cassino (1958)
talien und die Sowjetunion sind in den 1930er-Jahren Vorreiter bei der Aufstellung von Fallschirmjägerverbänden. Deutschland zieht 1935 nach. Aus 600 Freiwilligen des Regiments „General Göring“ der preußischen Landespolizei wird Ende 1935 ein Fallschirmjägerbataillon der Luftwaffe. Fast gleichzeitig stellt auch das Heer ein Fallschirmjägerbataillon auf. Am 1. Juli 1938 übernimmt Generalmajor Kurt Student das Kommando über die Fallschirmjäger, unter dem Dach der 7. Fliegerdivision werden Heeresund Luftwaffenfallschirmjäger zusammengelegt. Im „Polenfeldzug“ wird die neue Truppe nicht eingesetzt, wohl aber 1940 in Dänemark und Norwegen, wo die Kampfgruppe Schmidt eine Riegelstellung bei Dombås vier Tage lang hält. Die Einnahme des großen belgischen Forts Eben-Emael durch die Kampfgruppe Witzig (mit Lastenseglern) zählt zu den bekanntesten Waffentaten der Fallschirmtruppe. Die am 20. Mai 1941 beginnende Luftlandung auf Kreta ist die größte Luftlandeoperation bis dahin. Die Eroberung Kretas gelingt, allerdings sind die Gesamtverluste mit über 4.000 Mann sehr hoch. Weitere neun Fallschirmjägerdivisionen werden aufgestellt, die 11. Fallschirmjägerdivision gelangt 1945 nur noch in Teilen zur Aufstellung. Nur wenige Fallschirmjäger absolvieren noch einen Sprungeinsatz. Häufiger werden sie als infanteristische Elitetruppe eingesetzt.
Inhalt Titelgeschichte
Titelthema Inferno im Osten
Kampf um Ostpreußen
Inferno im Osten
.....................................................................................................................................
10
Herbst 1944: Die Rote Armee greift den Nordosten des Deutschen Reiches an. Zunächst wird das Memelgebiet zum Schauplatz grausamer Kämpfe. Anfang 1945 steht schließlich ganz Ostpreußen in Flammen. Von Tammo Luther
Kampf um Ostpreußen 1944/45.
Zwischen den Fronten
................................................................................................................
24
......................................................................................................................
28
Flucht vor der Roten Armee.
Kampf der Giganten
GESPENSTISCH: Sowjetische Truppen stoßen in das zerstörte Frauenburg unweit des Frischen Haffs vor. Gleich zu Beginn ihrer Winteroffensive kann die Rote Armee in Ostpreußen große Geländegewinne erzielen und die Verteidiger damit massiv Foto: picture-alliance/akg-images unter Druck setzen.
Panzer in der Schlacht um Ostpreußen.
10
11
Clausewitz 1/2015
Trotz ihrer aussichtslosen Lage verteidigt die Wehrmacht Ostpreußen an vielen Frontabschnitten verbissen gegen den sowjetischen Ansturm. Die Pregelmetropole Königsberg wird zur „Festung“ erklärt und soll unter allen Umständen gehalten werden. Foto: picture-alliance/akg-images
Magazin Neues zur Militärgeschichte, Ausstellungen und Bücher.
Schlachten der Weltgeschichte .....................
6
Die Invasion in der Schweinebucht 1961.
Der Zeitzeuge
Als Kanonenfutter missbraucht
.............................................................
32
Hans Modrow erinnert sich an die dramatischen Erlebnisse als Volkssturmsoldat 1944/45.
Angriff auf den „deutschen Stachel“ ...........................................34 Die US-Offensive bei St. Mihiel an der Westfront 1918.
4
...................................................................................................................
50
Persönliche Feldausrüstung der Soldaten von Bundeswehr und NVA im Kalten Krieg. Meinung
Die Résistance .................................................................................................................................54
Militärtechnik im Detail Gefürchteter Koloss aus Stahl.
Militär und Technik
Notwendiges Übel
Schlachten der Weltgeschichte
Schwerer Kampfpanzer „Tiger I“
Kubas „D-Day“ ...................................................................................................................................42
40
..........................................................
Schlagkräftige Schattenarmee oder überschätzte Untergrundkämpfer?
Schlachten der Weltgeschichte
Schlachten der Weltgeschichte
Schlacht von St. Mihiel 1918
Angriff auf den „deutschen Stachel“
I
m Spätsommer 1918 ist die Lage des deutschen Heeres an der Westfront äußerst angespannt. Die während der Erfolge des Frühjahrs eroberten Gebiete müssen nach heftigen alliierten Gegenangriffen wieder geräumt werden. Fortan richten sich die deutschen Verbände auf ein langsames Zurückweichen vor der gegnerischen Überlegenheit an Menschen und Material ein. Die alliierten Aktionen bekommen vor allem durch die auf dem europäischen Kriegsschauplatz eingetroffenen US-Soldaten neuen Schwung. Seit September 1914 ragt der Frontvorsprung bei St. Mihiel keilförmig 18 Kilome-
12. September 1918: Die 1. US-Armee greift den deutschen Frontbogen südöstlich von Verdun an. Wie ein riesiger Keil ragen deutsche Stellungen bei St. Mihiel in die französische Front hinein. Von Lukas Grawe
ter wie ein gewaltiger Stachel weit in französisch beherrschtes Gebiet zwischen Maas und Mosel hinein. Er stellt aus deutscher Sicht eine wichtige Querverbindung im Rücken der eigenen „Maas-Stellung“ dar, durch den die französischen Verbände bei Verdun gebunden und die Bahnlinien zwischen Paris, Verdun, Toul und Nancy unterbrochen werden können.
Die „Loki-Bewegung“ Mehrfach versuchten französische Truppen bereits eine Rückeroberung des Bogens, doch scheiterten die Angriffe stets an den
KARTE
Abwehrmaßnahmen des Gegners. Die deutschen Stellungen sind dort stark ausgebaut, die Grabensysteme umfassend und großräumig angelegt. Teilweise unter Strom gesetzte Stacheldrahtverhaue, Bunker und Unterstände sorgen abschnittsweise für ein bollwerkartiges Verteidigungssystem. Mit der sich insgesamt verschlechternden Lage an der Westfront spitzt sich jedoch auch für den Bogen von St. Mihiel die Situation zu. Der von den Deutschen gehaltene Frontvorsprung eignet sich aus Sicht der Alliierten hervorragend für einen umfassenden Flankenangriff. Diesen Umstand in Betracht
Die Invasion in der Schweinebucht 1961
Kubas „D-Day“ April 1961: Es war ein Duell, wie es ungleicher nicht sein könnte. Die Supermacht USA gegen den Winzling Kuba. Als die Amerikaner eine Invasion planen, bleibt Fidel Castro nur eine Chance: Er muss darauf spekulieren, dass seine Feinde über ihre eigenen Füße stolpern. Von Stefan Krüger
Schlacht von St. Mihiel, September 1918
A
ls die Sonne über Hawaii aufgeht, verspricht sie einen wunderschönen Sonntag. Ihre warmen Finger kitzeln peu à peu die schläfrigen Soldaten aus ihren Betten, von denen viele gleich zum Strand gehen. Lediglich das anschwellende Gebrumm und Geheule der Flugzeuge stört die Idylle. Eine Fliegerübung am Sonntag? Dass es keine Übung ist, merken die Amerikaner an diesem 7. Dezember 1941 erst, als die Japaner ihre Bomben ausklinken und der USPazifikflotte einen beinahe tödlichen Schlag
versetzen. Amerika steht unter Schock. Präsident Roosevelt spricht von einem „Tag der Schande“. Diese Bezeichnung ist sehr bemerkenswert, weil sie zwei Lesarten erlaubt. Es ist zum einen Schande, dass das Kaiserreich Japan die Amerikaner im Frieden überfällt, zum anderen aber ist es auch eine Schande, dass die Vereinigten Staaten sich haben überfallen lassen. So etwas, dies war die Lehre des
Zweiten Weltkrieges, darf nie wieder passieren. Nie wieder sollen die Feinde Amerikas das „Land of the Free“ überrumpeln. Insofern liegt es nahe, das Office of Strategic Services (OSS), das man eigentlich nur für die Dauer des Krieges als provisorischen Geheimdienst ins Leben gerufen hat, dauerhaft im Staatsapparat zu verankern. Präsident Truman aber, der seit 1945 im Amt ist, bereitet das große Bauchschmerzen. Eine „Mantel- und Degen-Abteilung“ passt nicht in das Bild, das er von seinem Land hat.
Doch wie sollen sich die USA im globalen Machtkampf mit der Sowjetunion behaupten, wenn ihnen kein Nachrichtendienst zur Verfügung steht? Es geht also um die Frage: „Freiheit oder Sicherheit?“, und die US-Regierung entscheidet sich für letzteres. Die Central Intelligence Agency (CIA) schlüpft schließlich 1947 aus dem Ei und tritt somit die Nachfolge des OSS an. Die neue Behörde zeichnet sich mit der Sowjetunion schnell ein klares Feindbild und vertritt die Ansicht, dass sie es mit einem skrupellosen und entschlossenen Gegner zu tun habe. Damit liegt die CIA gewiss nicht falsch, nur zieht sie daraus die fatale Konsequenz, dass auch die Vereinigten Staaten rüde Methoden anwenden müssen, um nicht ins Hintertreffen zu geraten. Was das konkret heißt, zeigt die „Agency“ erstmals 1954 in Guatemala in aller Deutlichkeit – es soll die Blaupause für die Invasion Kubas 1961 werden.
Fruit Company, die sehr viel Geld dort investiert und damit die Plantagenwirtschaft entscheidend vorantreibt. Der Nachteil: Große Teile der einheimischen Bevölkerung bleiben von Fortschritt und Wohlstand ausgeschlossen. Arm und verbittert sehen sie, wie die
KARTE
kostbaren Ackerflächen mehr und mehr in den Besitz der Großgrundbesitzer und des US-Konzerns übergehen. Präsident Jacobo Arbenz dreht daher Anfang der 1950er-Jahre das Rad der Geschichte zurück und ordnet eine Agrarreform an –
Invasion in der Schweinebucht
Staatsstreich „Made in USA“ Der mittelamerikanische Staat Guatemala hat sich 1821 von der spanischen Kolonialherrschaft befreit und modernisiert sich fortan in kleinen Schritten. Hilfreich ist auch das Engagement der amerikanischen United
Abb.: picture-alliance/dpa-Grafik
Kuba
OHNE UNTERBRECHUNG: Die US-Truppen können beim Angriff auf den Frontbogen von St. Mihiel im September 1918 eine große Zahl an Geschützen konzentrieren. Die deutschen Stellungen werden unter Dauerbeschuss genommen. Foto: picture-alliance/akg-images
S.34
Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich
34
35
Clausewitz 1/2015
Truppenstärke: 25.000 Mann reguläre Armee 200.000 Mann Miliz 9.000 Mann Polizei Verluste: 176 Tote, 500 Verwundete (Miliz und Polizei haben rund 4.000 Mann an Toten und Verwundeten zu beklagen.) NUR NOCH SCHROTT: Die Invasion in der Schweinebucht scheitert vor allem in der Luft. Hier liegt eine ausgebrannte B-26 auf dem strategisch wichtigen Foto: picture alliance/AP Flugplatz Girón.
Brigade 2506 Truppenstärke 1.500 Mann 2 CIA-Agenten Verluste: 118 Tote, 360 Verwundete, 1.202 Gefangene
42
S.42 43
Clausewitz 1/2015
Militär und Technik | Der „Fall“ U 110
Militär und Technik
Persönliche Feldausrüstung im Kalten Krieg
Lästige Lebensretter Fotos (2): Sammlung Jörg-M. Hormann
Alliierte erbeuten die „Enigma“
Während des Kalten Krieges: Im Ernstfall wäre die Felddienstausrüstung für die Erdkampftruppen von Bundeswehr und NVA überlebenswichtig. Doch vor allem das Gewicht der Ausrüstungsgegenstände stellt die Soldaten im Gelände vor Probleme. Von Jörg-M. Hormann
N
och viele Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg berichtet meine Mutter vom ersten Kameradschaftstreffen der 9. Panzerdivision in Wien Anfang der 1950erJahre, zu dem mein Vater sie mitnahm. Mit „großem Hallo“ begrüßen die Männer der 9. Panzeraufklärungsabteilung ihren ehemaligen Kompaniechef. Und nach einigen Gläsern Wein wird erzählt: „Wissen Sie liebe Frau Hormann, wir haben Ihren Mann im Stillen oft verflucht und heute sind wir dankbar, denn wir können hier sitzen und feiern. Mein Gott hat er uns buddeln lassen. Bei jedem längeren Fahrzeughalt befahl er uns Männern, sich einzugraben – alles mit dem kleinen Feldspaten,
den jeder dabei hatte. Aber dieser Gegenstand wurde wichtiger als vieles andere, was wir an Ausrüstung mitschleppten. Denn, wenn es dann krachte, war die schweißtreibende Arbeit vergessen. Wir waren froh, dass ihr Mann uns in die Erdlöcher und in die Deckung getrieben hat.“
„Wertvoller” Klappspaten Aufgrund dieser Schilderung bekommt bei meiner eigenen Einkleidung Anfang der 1970er-Jahre der Bundeswehr-Klappspaten meine besondere Aufmerksamkeit. Er liegt auf dem Berg von Uniform- und Ausrüstungsteilen, die jeden Rekruten erst einmal ratlos machen.
Mit über 1,5 Kilogramm wiegt er von allen persönlichen Ausrüstungsteilen am meisten und übertrifft den damaligen Stahlhelm M 1A1 (M60) im Gewicht um gut 300 Gramm. Das Ausrüstungsgewicht spielt bei allem, was während der Dienstzeit von den Soldaten durch die Gegend und im Ernstfall im Gefecht mitgeschleppt wird, bis in die Gegenwart hinein eine wichtige Rolle. Die Ursprungsform des später in den deutschen Armeen in Ost und West genutzten Klappspatens führt die Wehrmacht bereits 1938 ein. Er soll den Feldspaten mit festem Stiel ersetzen, der militärisch als „Kleines Schanzzeug“ bezeichnet wird. Der
AUSSTATTUNGSSOLL: Der neue Bundeswehrrekrut inmitten seines „Einkleidungsbergs“ von 1980. Alles musste im Spind untergebracht werden und Vieles wanderte bei „NATO-Alarm“ als Feldausrüstung in die Kampftaschen und an das Feldkoppel.
Nahkampfwaffe Den Spaten als Nahkampfwaffe beim Kampf Mann gegen Mann erleben deutsche und russische Soldaten auch während des Zweiten Weltkrieges. Auf russischer Seite wird der Nahkampf mit dem Spaten besonders propagiert. Dort als Waffenelement im Nahkampf gesehen, verwundert es wenig, dass die NVA als erstes Spaten-Modell den alten Feldspaten der Wehrmacht mit festem Stiel „verpasst“ bekommt. Beim Marsch stellen sich der Feldspaten und alle folgenden Klappspaten-Modelle am Hosenkoppel – gleich, ob bei Grenadieren der NVA oder der Bundeswehr – als hinderlich heraus. Beim Klappspaten, auch beim späteren Klappspatenmodell der NVA, reduziert sich die Gesamtläge mit umgeklapptem Spatenblatt; zusätzlich kann der Spaten als Hacke eingestellt und benutzt werden. Die US-Amerikaner kopieren zunächst den Wehrmachtsklappspaten, ehe zu Beginn der 1950er-Jahre daraus das „Intrenching Tool Combination“ mit einer zusätzlich ab-
AUSSTATTUNG FÜR DEN GEFECHTSEINSATZ: Der Waldboden als „Tisch“ für das Kochgeschirr während das Sturmgepäck auf das Schultern wartet, NVA-Grenadiere bei einer Verpflegungspause. Foto: picture-alliance/zb
50
A
UNGELIEBT: Einmal anhaben genügte, um den Bw-Kampfanzug „jagdmeliert“ für die restliche Bundeswehrzeit nicht zu mögen. Im Jargon „Filzlaus“ genannt.
damalige Feldspaten besitzt einen etwa 30 cm langen Stiel und ein festverbundenes rechteckiges Spatenblatt von rund 20 cm Länge. Seit dem Ersten Weltkrieg wird er nicht nur zum Schanzen beim Grabenbau benutzt, sondern er erweist sich zudem als gefährliche Schlagwaffe im Nahkampf.
zuklappenden Hackenspitze auf der Spatenrückseite wird. Diesen Klappspaten sollen die ersten Generationen von Bundeswehrsoldaten kennenlernen. Später graben sie sich ihre Deckung mit dem zweifach zu klappenden „Lightweight
Intrenching Tool“ mit D-Griff. Zu den entscheidenden Utensilien der Feldausrüstung im Kalten Krieg zählt die ABC-Schutzausrüstung. Sie soll die Soldaten auf dem Gefechtsfeld vor atomarer, biologischer und chemischer Kontamination bewahren. Für
ls U 110 unter dem Kommando von Kapitänleutnant Fritz-Julius Lemp am 15. April 1941 von Lorient aus ausläuft, stehen dem Unterseeboot vom Typ IX B und seiner Besatzung schicksalhafte Wochen bevor. Zunächst sieht alles nach einem erfolgreichen „Raubzug“ auf hoher See aus. Auf der Suche nach alliierten Schiffen bricht U 110 von der französischen Hafenstadt zu einer Feindfahrt in den Nordatlantik auf, und tatsächlich sollte später eine aussichtsreiche Attacke auf einen großen Geleitzug der Alliierten folgen.
Feldausrüstung der Bundeswehr/Heer 1975 1 13 2 12 3 11 4 10 5
9
8
6
7
VORGESCHICHTE
Bei der Aufbringung des Kleinen Kreuzers MAGDEBURG, der Ende August 1914 im Finnischen Meerbusen auf Grund läuft, stellt die russische Marine das geheime Signalbuch der Kaiserlichen Marine sicher. Schnell findet die Beute den Weg nach England. Das Signalbuch beinhaltet alphabetisch geordnete Codierungen und dient gleichermaßen zum Verschlüsseln und Entschlüsseln sämtlicher Funksprüche der deutschen Marine. Auch zwei weitere geheime Codebücher gelangen noch im Jahre 1914 in gegnerische Hände. Fortan sind Standortmeldungen, Bewegungen und die taktische Gliederung der deutschen Hochseeflotte und der U-Boote kein Geheimnis mehr. Allerdings verhindert ein äußerst schwerfälliger organisatorischer Ablauf rasche Reaktionen.
Angriff auf Konvoi OB-318 Trotz insgesamt starker Sicherungsverbände müssen die Geleitzüge daher immer wieder große Verluste hinnehmen. Karl Dönitz, der Befehlshaber der Unterseeboote, EINFLUSSREICH: Karl Dönitz, seit 1936 „Führer der Unterseeboote“ und seit 1939 „Befehlshaber der Unterseeboote“ treibt während des Zweiten Weltkrieges den Ausbau der deutschen U-Bootwaffe voran; Anfang 1943 wird er zum Oberbefehlshaber der Kriegsmarine ernannt.
S.50
Foto: picture-alliance/akg-images
Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann
51
Clausewitz 1/2015
SENSATIONSFUND: Eine „Enigma M3“ fällt den Briten 1941 auf U 110 unversehrt und einschließlich wichtiger Unterlagen in die Hände.
Funkaufklärung im Ersten Weltkrieg
Die deutschen Unterseeboote haben sich seit Kriegsausbruch im Jahr 1939 zu einer gefährlichen Waffe entwickelt. Zu ihren Hauptangriffszielen zählen seither alliierte Geleitzüge, die in Gruppen von mehreren U-Booten – „Rudel“ genannt – angegriffen werden. Diese Taktik zwingt den Gegner zur Aufteilung seiner Kräfte.
1 Stahlhelm M 1A1 M62 mit Nackenriemen 2 Koppeltragegestell 3 Trageriemen Schutzmaskentasche 4 Haken am Tragegestell und Gurtschlaufe am Feldkoppel 5 Kleine Kampftasche (Brotbeutel) 6 Trinkflasche mit Trinkbecher 7 Arbeitsanzug Moleskin als Kampfanzug 8 Kampfstiefel (Springerstiefel) 9 Klappspaten mit Futteral 10 Schutzmaskentasche mit ABCSchutzmaske M 65 und Schutzplane 11 Feldkoppelgurt mit fünf Gurtschlaufen aus Aluminium und Gurtschloss 12 Gewehr G3 13 Haken zum Einhaken der Großen Kampftasche
56
Foto: picturealliance/Photoshot
Neben Winston Churchill, der in seiner Funktion als Erster Lord der Admiralität den Aufbau einer Entschlüsselungsabteilung auf den Weg bringt, weiß nur eine Handvoll Admiräle Bescheid. Admiral Oliver, ein betagter Seeoffizier und mit der Materie hoffnungslos überfordert, entscheidet zunächst allein, wer wann welche entschlüsselte Nachricht erhält. Außerdem misstraut der Admiral den Zivilisten, die an der Entschlüsselung arbeiten: Das anfangs aus etwa zehn Personen bestehende Expertenteam, darunter Germanisten und Mathematiker aus Oxford und Cambridge, arbeitet streng abgeschottet von der Außenwelt in Room 40 der Admiralität. Eine besondere Schlüsselmaschine, die das Dechiffrieren der Funksprüche erschweren würde, gibt es noch nicht.
führt seine Verbände ausschließlich über Funk. Längst sind alle U-Boot-Kommandanten angewiesen worden, Geleitzüge unverzüglich zu melden. Dönitz kann dann je nach Lage Verstärkungen heranführen. Die Achillesferse dieser Methode ist indessen der ständige Funkverkehr. Als schließlich U 110 in der Nacht vom 6. auf den 7. Mai 1941 die Verfolgung eines riesigen Geleitzuges im Nordatlantik aufnimmt, winkt den U-Boot-Männern „fette Beute“: Schätzungsweise 40 bis 60 Dampfer befinden sich auf dem Weg nach Halifax, begleitet von mehreren Zerstörern. Fortan hält U 110 Fühlung und führt weitere U-Boote der Kriegsmarine, U 201 und U 556, an den Geleitzug heran. Am Mittag des 9. Mai startet U 110 schließlich den Angriff: Lemp hat sich drei hintereinanderfahrende Dampfer herausgesucht und schießt aus einer Entfernung von etwa 600 bis 800 Metern drei Torpedos ab. Lemp gelingt es, zwei britische Dampfer mit zusammen 7.585 BRT zu versenken. Unmit-
GESCHÜTZGEFECHT: Die Bedienung eines 10,5-cm-Utof-L/45-Geschützes auf dem Vordeck eines U-Bootes vom Typ IX B. U 110 stammte aus derselben Klasse. Die U-Boote zu bekämpfen, war eine der Hauptaufgaben der Royal Navy, die mit der Erbeutung von U 110 einen großen Erfolg verbuchen konnte
S.56
Foto: Tölle, Scherl/PK-Marine, Sammlung Jörg-M. Hormann
57
Clausewitz 1/2015
Spurensuche | Musée de la Grande Guerre
MAGISCHER MOMENT: Der Frankenkönig Chlodwig I. aus dem Haus der Merowinger erhält von Bischof Remigius von Reims die Taufe. Der Übertritt zur Römischen Kirche führt zum Konflikt mit den arianischen Germanenkönigreichen. Ausschnitt aus einem Gemälde von Jean-François Gigoux. Abb.: picture-alliance/akg-images/Gilles Mermet
Chlodwig I.
Begründer des Frankenreiches D
Kämpfe Chlodwigs
486 oder 487: Krieg gegen den Römer Syagrius Um 492: Krieg gegen die Thoringi 496 oder 497: Alemannenschlacht bei Zülpich 500: Krieg gegen die Burgunder 507: Schlacht gegen die Westgoten bei Vouillé 508: Eroberung der Westgotenresidenz Toulouse 509 bis 511: Krieg gegen verwandte Frankenkönige
as Römische Reich ist die bedeutendste Weltmacht der Antike. Sein Herrschaftsgebiet umfasst große Teile des heutigen Europas sowie Kleinasien und Nordafrika. Seit dem 4. Jahrhundert n. Chr. befindet sich dieses Imperium jedoch in der Krise. Besonders die Germanen und Hunnen, die im Zuge der „Völkerwanderung“ in römisches Territorium eindringen, bereiten Probleme. Der Ostteil des Römischen Reiches trotzt den Gefahren und besteht bis 1453 fort. Hingegen ereignet sich 476 im Westen eine Katastrophe: Romulus Augustulus, der letzte weströmische Kaiser, wird durch den Germanenfürsten Odoaker abgesetzt. Infolgedessen löst sich der Westteil auf und zerfällt in mehrere Einzelstaaten, die von germanischen Stämmen wie den Franken, Goten und Wandalen regiert werden. Damit endet das Zeitalter der Antike. Es bricht nun eine neue Epoche an, die sich bis zum Ende des 15. Jahrhunderts erstreckt: das Mittelalter. Eine herausragende Rolle in der politischen und militärischen Geschichte des Frühen Mittelalters spielen die Merowinger, ein Königsgeschlecht, das zum germanischen Großstamm der Franken gehört. Die Merowinger schaffen am Übergang von der Antike zum Mittelalter im Zentrum Europas ein gewaltiges Reich, das sie etwa zweieinhalb Jahrhunderte, bis zum Jahr 751 regieren. Begründer dieses Frankenreiches ist Chlodwig (466–511). Mittels äußerst blutiger Kriegszüge gelingt es ihm, sein zunächst nur kleines Herrschaftsgebiet enorm auszudehnen.
ihm Tournai am Ufer des Flusses Schelde. Überregionale Bedeutung erlangen die Merowinger erstmals unter Merowechs Sohn und Nachfolger Childerich, der von etwa 457 bis 481/82 regiert. Childerich macht sich die verworrene politische Situation in der Provinz Gallien zunutze: Dort verliert die weströmische Regierung zunehmend die militärische Kontrolle. Zur Aufrechterhaltung der Ordnung bedarf es einer Kooperation mit germanischen Stämmen, die seit der „Völkerwanderung“ auf römischem Reichsboden siedeln. Childerich wird zum General der gallischen Provinz Belgica Secunda ernannt, einem Gebiet, das von Reims bis zum Ärmelkanal reicht. Fortan kämpft er an der Seite der weströmischen Befehlshaber Aegidius und Paulus. Zu seinen Gegnern gehören unter anderem die Westgoten und Alemannen.
Chlodwigs Herkunft
FALSCHER FRANKE: Diese Abbildung aus dem 19. Jahrhundert zeigt Childerich, den Vater Chlodwigs. Allerdings ist die Wiedergabe – gemessen an den Informationen, die wir aus den Grabfunden des fränkischen Königs haben – nicht korrekt. Abb.: picture alliance/akg
Chlodwigs Großvater Merowech ist der Stammvater der Frankenkönige aus dem Geschlecht der Merowinger: Von seinem Namen leitet sich die Stammesbezeichnung „Merowinger“ ab. Merowech herrscht Mitte des 5. Jahrhunderts als König über ein Gebiet, das sich in der heutigen belgischen Provinz Hennegau befindet. Als Residenz dient
68
466–511: Der Frankenkönig Chlodwig schafft durch seine außerordentlichen Erfolge als Feldherr ein gewaltiges Reich im Zentrum Europas.
Museum über den Ersten Weltkrieg
„Wunder“ an der Marne
Von Daniel Carlo Pangerl
vergrößern. In diesem geplanten Großreich sollen alle Franken, die in Gallien wohnen, unter Chlodwigs Führung vereint werden. Chlodwigs erstes Opfer ist der römische Regionalherrscher Syagrius. Dieser hat nach dem Untergang des Weströmischen Reiches in Nordgallien ein eigenes Herrschaftsgebiet begründet, das sich zwischen dem Reich der Merowinger und dem südfranzösischen Westgotenreich befindet, mit dem Regierungssitz in Soissons. 486 oder 487 greift Chlodwig an, besiegt Syagrius und nimmt dessen Territorium in Besitz. Für den Frankenkönig hat dieser Erfolg besonderen Wert: Ihm fallen nicht nur die Ländereien des Syagrius zu, sondern auch dessen Schatz sowie die Reste der provinzialrömischen Verwaltungseinrichtungen, etwa das Münzwesen, Waffenfabriken und
Braucht es wirklich noch ein weiteres Museum über den Ersten Weltkrieg? Ja, wenn es so aufgebaut ist wie das Musée de la Grande Guerre – eine Sammlung, die es zu entdecken gilt. Von Markus Wunderlich
E
s passiert mir selten, dass ich vor einem Museum zögere. Aber das Musée de la Grande Guerre in Meaux weckt irgendwie einen Instinkt in mir: Geh da nicht rein, sonst passiert dir etwas! Vielleicht liegt es an den bedrohlichen Geräuschen. Hinter der martialischen Mauer am Eingangsbereich des Geländes wiehern panisch Pferde, Granaten heulen, Soldaten marschieren. Schnell wird mir klar: Diese irritierende Klangkulisse stimmt Besucher auf das Weltkriegsmuseum ein, lange bevor sie auch nur ein Exponat zu Gesicht bekommen haben. Einstimmung war für mich bereits die Autofahrt in das kleine Städtchen östlich von Paris. Auf den Spuren des deutschen Vormarsches von 1914 huschen am Straßenrand Ortsschilder mit so geschichtsträchtigen Namen wie Reims, Montmirail und Château Thierry vorbei. In Meaux ist Schluss. So wie im September 1914. In dieser Gegend stemmten sich die französischen Truppen gegen die kaiserliche Armee, wendeten das Blatt. Nach dem Krieg wird man vom „Wunder an der Marne” sprechen (siehe CLAUSEWITZ 4/2014).
Sieg über den Römer Syagrius Childerich ist mit Basina verheiratet, die aus dem germanischen Geschlecht der Thüringer stammt. Sie gebärt ihm 466 einen Sohn mit dem Namen Chlodwig. Dieser erbt nach Childerichs Tod im Jahr 481 oder 482 die Ämter seines Vaters: Chlodwig wird sowohl merowingischer König mit einem Herrschaftsgebiet in der Region Tournai als auch General der Provinz Belgica Secunda. Schon bald kristallisiert sich heraus, dass der junge Regent ein sehr ehrgeiziges Ziel verfolgt: Durch zahlreiche militärische Operationen will er sein Territorium beträchtlich
Clausewitz 1/2015
S.68 69
ZEITGEMÄßE MUSEUMSDIDAKTIK UND ÜBER 50.000 EXPONATE: In Meaux kann man sich zu einem vermeintlich auserzählten Thema aufs Neue überraschen lassen.
Futuristisch in die Vergangenheit: Das Museum beherbergt die derzeit spanFoto: Musée de la Grande Guerre nendste Ausstellung zum Ersten Weltkrieg.
74
Fotos, soweit nicht anders angegeben: Marcelle Gellin
Feldherren
FAKTEN
Folgenschwerer Fund 9. Mai 1941: U 110 wird von Schiffen der Royal Navy schwer beschädigt und zum Auftauchen gezwungen. Als das U-Boot wider Erwarten des Kommandanten nicht sinkt, ist die Sensation perfekt: Eine „Enigma“ fällt in britische Hände. Von Joachim Schröder
Clausewitz 1/2015
S.74 75
Militär und Technik
Feldherren
Folgenschwerer Fund ......................................................................................................56
Begründer des Frankenreiches .................................................................68
Der „Fall“ U 110 und die sensationelle Erbeutung der „Enigma“.
Der mächtige Herrscher Chlodwig I. (466–511) und seine blutigen Kriege.
Das historische Dokument
Allgemeine Wehrpflicht .............................................................................................62
Spurensuche
Ein missbrauchtes Machtinstrument?
„Wunder“ an der Marne.....................................................................................................74
Spezial
Das neue Museum zum Ersten Weltkrieg in Frankreich setzt Maßstäbe.
Im Osten nichts Neues ................................................................................................64 Die „Russlandfeldzüge“ Karls XII., Napoleons und Hitlers im Vergleich. Titelfotos: ullstein bild – ullstein bild; Weider History Group/Jim Laurier; picture-alliance/akg-images; Jörg M. Hormann (2); picture-alliance/akg-images;
Vorschau/Impressum
.........................................................................................................................
82
Titelbild:Deutsche Truppen sammeln sich Anfang 1945 zu einem Gegenstoß im Raum Mehlsack-Braunsberg, rechts ein Sturmgeschütz; im Bildhintergrund ziehen Flüchtlinge vorbei.
5 Clausewitz 1/2015
Magazin MUSEUMSTIPP
Marinemuseum Dänholm
Fotos: picture-alliance/ZB©dpa (2x)
Sehenswerte Sammlung zur Marinegeschichte
Großexponate auf dem Freigelände des Museums.
gion sowie darüber hinaus anhand zahlreicher Exponate nachvollziehen. Das Marinemuseum erforscht, sammelt und präsentiert historisch maritime Aspekte der Stadt Stralsund, speziell als langjährige Seefestungs- und Garnisonsstadt. Die enge Verflechtung mit der deutschen Marinegeschichte wird dem Besucher anschaulich, sachund fachgerecht vermittelt. Die beeindruckende Uniformsammlung vermittelt anschaulich einen Eindruck von der Vielfalt der
Chipped Beef on Toast
W
ohl jeder Soldat der U.S. Army kennt – sein und das nicht nur dann, oder besser „fürchtet“ – „Chipped Beef wenn man gerade fast am Veron Toast“. Es handelt sich dabei um einen hungern ist. CLAUSEWITZ verechten „Klassiker“ der US-Militärküche. Im rät seinen Lesern das originale Soldaten-Slang heißt der Army-Rezept: kulinarische Geheimtipp Das Hacke meist einfach „SOS“, was fleisch im eigenen t s i l n e t a Zu t verschiedene BedeutunFett anbräunen und mit er h ac k- 2 30 g Ri nd gen hat: „Shit on a Shineiner Prise Salz und Pfefch fle i s er f gle“, „Same Old Stuff“ fer würzen. Ein wenig ef Pf & - S al z oder „Save Our Stodes Fetts in eine Extra- 2 0 g Me h 2l 35 ml machs“. Dabei kann das Pfanne geben und lang- J e we i l s l ch & Kondens mi simple Gericht sehr lecker sam – bei niedriger Was s er er t t Bu g - 10 - To as t b r ot 6
deutschen Marineuniformen. Ergänzend findet man Einzelund Sonderausstellungen. Auf dem Freigelände sind mehrere Großexponate, darunter zwei Torpedoschnellboote und ein Marinehubschrauber, ausgestellt. Kontakt: Marinemuseum Dänholm Zur Sternschanze 7 18439 Stralsund Telefon: 03831/29 73 27 Öffnungszeiten: täglich von 10 bis 17 Uhr; 1. Mai bis 31. Oktober
Internationale Militärküche: Das „chipped beef“ aus Amerika.
Flamme – das Mehl hineinrühren. Nun für etwa fünf Minuten kochen lassen (aber nicht anbräunen). Jetzt Milch und Wasser kombinieren und ebenfalls in einer eigenen Pfanne zusammen mit der Butter erhitzen. Dann die Mehlschwitze dazugeben und gut umrühren. Anschließend nur noch das Fleisch hinzufügen und alles für zehn Minuten kochen lassen. Serviert wird auf einer Scheibe Toast. Abenteuerlustige und Angehörige von Spezialeinheiten können noch einen Schuss Tabascosauce hinzugeben.
Foto: Archiv CLAUSEWITZ
D
ie der Hansestadt Stralsund unmittelbar vorgelagerte Insel Dänholm gilt als „Wiege der preußischen Marine“. An historischem Ort, in der denkmalgeschützten „Sternschanze", befindet sich das überaus sehenswerte Marinemuseum. Die maritime Geschichte der Eine Sonderschau zum Ersten Weltkrieg. Insel reicht bis in die Gegenwart. Die Entwicklung der preußischen In der reizvoll gelegenen AuMarine ist ebenso fest mit der In- ßenstelle des Kulturhistorischen sel verbunden, wie die Geschich- Museums Stralsunds kann man te der Reichsmarine, der Kriegs- die maritime und militärische Gemarine und der Seestreitkräfte der schichte der Insel Dänholm, der DDR. Hansestadt Stralsund und der Re-
„American History Mixtures“
Fremdenlegion
Der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg für die Tabakspfeife
Clausewitz Spezial
FREMDENLEGION
Wie deutsche Legionäre für Frankreich kämpften Das Magazin für Militärgeschichte
Clausewitz Spezial
Kampf um Marokko
D: € 9,90 A: € 10,90 CH: sFr 19,80
MARSCHIEREN UND KÄMPFEN: Die Fremdenlegion versuchte, durch ständige Präsenz die Kontrolle in Marokko zu erringen. Dabei kam es immer wieder zu Scharmützeln mit Berbern wie hier im Oktober 1907.
ISBN 978-3-86245-453-2
FREMDENLEGION
Der Rifkrieg 1921 bis 1927
Foto: picture-alliance/United Archives/DEA
„Marschier oder stirb!“
Eine Sensation bahnte sich an: Die scheinbar hoffnungslos unterlegenen Rifkabylen triumphierten in Marokko über die Kolonialmächte. Doch dann griff die Fremdenlegion ein.
Von Stefan Krüger
D
BeNeLux: € 11,40 Norwegen: NOK 127,- Italien: € 12,85
Abb.: CLAUSEWITZ
Wie deutsche Legionäre für Viele unveröffentlichte Frankreich kämpften Bild-Raritäten!
ie Legion erwarb sich rasch einen fürchterlichen Ruf. Angelockt von dem falschen Versprechen lediglich Sicherungs- und Polizeiaufgaben zu verrichten, fanden sich die neuen Rekruten am Ende in einer Formation wieder, in der jeder Dritte ums Leben kam. Die Rede ist von der 1920 gegründeten Spanischen Legion. Vom französischen Vorbild lieh sich jene nicht nur den Namen, sondern auch die fünfjährige Dienstzeit und die straffe Disziplin, die die DER AUFSTAND BEGINNT: Die Rifkabylen erhoben sich 1909 gegen Vorgesetzten unter anderem mit Stockhieben ihren spanischen Kolonialherren und brachten ihm empfindliche Verluste bei. und Kopfnüssen durchsetzten. Lediglich Foto: picture-alliance/akg die Bezahlung war besser. dig erobert und Tunesien 1881 in ein ProtekJahr die unglaubliche Marschleistung Ebenso ähnelten sich die Motive, die die von torat umgewandelt. Doch Ruhe kehrte in 1834 Kilometern zurück – und dies Regierungen dazu brachten, eine Söldnerbei TemFranzösisch-Nordafrika nie ein. Mehr und peraturen von teilweise weit über truppe zu schaffen. Denn der Kolonialkrieg, 40 Grad. mehr sah sich die „Grande Nation“ daher Dennoch vermochten es die Legionäre den der spanische Staat seit 1909 in Maroknicht, genötigt, auch über die Grenzen des eigenen das wilde Land vollständig zu „befrieden“. ko führte, war im eigenen Land sehr unpoTerritoriums hinaus die Einheimischen zu So kam es immer wieder zu kleineren pulär. Ins-besondere die politische Linke Schar„befrieden“, wie man es damals euphemismützeln wie etwa im Spätsommer 1903, hielt ihn für eine Verschwendung von als Res- tisch nannte. Marokko gehörte dazu. Berberkrieger einen französischen Nachsourcen und Menschenleben. So verstieg Um das Jahr 1900 war es formal Sultan schubtransport in Algerien überfielen, sich Spanien dazu, Ausländer anzuwerben. was Abd al-Aziz, der den westafrikanischen die Legion mit 36 Toten und 45 Verwundeten Nach den benachbarten Portugiesen stellten Staat beherrschte, faktisch jedoch lag die bezahlen musste. die Deutschen die größte Gruppe dar, was Macht in der Hand lokaler Stämme, die sich freilich eine Folge des verlorenen Ersten obendrein mit Spanien und Frankreich um Frankreich setzt sich durch Weltkriegs war. dieses eher magere Stück Fleisch stritten. Insgesamt aber schaffte es Frankreich, seine Die französische Fremdenlegion drang Herrschen durch Marschieren ab Herrschaft in Nordafrika zu sichern. Zudem März 1900 in die Sahararegion Marokkos ein. gelangte es gemäß des im April Frankreich indes verfolgte die gravierenden 1904 ratifiIm Unterschied zu den Spaniern, die sich in zierten Entente-Cordiale-Abkommens Probleme des spanischen Konkurrenten in den in zahllosen Stützpunkten einigelten, herrsch- Besitz des südlichen Marokkos, Nordafrika keineswegs mit Schadenfreude. womit man ten die Franzosen durch Marschieren. So leg- im Grunde den tatsächlichen MachtverhältZwar hatte es Algerien bereits 1847 vollstänte eine Einheit der Legion noch im ersten nissen Rechnung trug. Auch hieran hatte die
40
Letzter Kolonialkrieg
IM ANSCHLAG: Ein Angehöriger des 2. REP mit der Standardwaffe, dem halbautomatischen Karabiner MAS 49/56.
Indochina
Bruderkrieg
Dien Bien Phu: Das „Stalingrad“ der Fremdenlegion 1954
Legionäre gegen das Deutsche Reich
Bildstark und fesselnd präsentiert CLAUSEWITZ die wichtigsten Schlachten der Legion
Clausewitz Spezial
41 SCHWERES GERÄT: Ein Legionär lässt sich zu Übungszwecken „überrollen“.
GUERILLA-KRIEG: Einzelnen Fahrzeuge waren besonders gefährdet in einen Hinterhalt oder eine Minenfalle zu fahren.
AUF DEM MARSCH: Eine Gruppe von Fallschirmjäg ern des 1. REP.
Algerien Kampf um die letzte Kolonie
Der Algerienkrieg 1954 bis 1962
Frankreichs Trauma
Frankreichs Niederlage in Indochina hätte deutlicher nicht sein können, bahnte sich bereits das nächste und in Algerien Fiasko an. Die Fremdenlegion aber erfand eine völlig neue Taktik, die der Grande Nation den Sieg bescheren konnte. Von Stefan Krüger
AUF DER JAGD: Mit einem örtlichen Führer sind Fallschirmjäger der Fremdenlegion in einem Wadi, einem nur zeitweise Wasser führenden Flußbett, auf der Suche der FLN. Zu Beginn des Algerienkrieges nach Rebellen liefen die Legionäre ihrem Feind häufig ergebnislos hinter her.
82 Clausewitz Spezial
83
I
hre Verbissenheit im Kampf ist legendär, das Képi blanc ihr Markenzeichen – die Fremdenlegion. Seit mehr als 150 Jahren fechten Frankreichs fremde Söhne für die Grande Nation, darunter sehr viele Deutsche. Was trieb diese Männer zur Legion? Was haben sie erlebt? Wie effizient waren die Fremdentruppen tatsächlich? CLAUSEWITZ hat sich dieser Fragen angenommen und präsentiert mit der neuen Sonderausgabe zum Thema Fremdenlegion nicht nur spannende Berichte sondern auch bisher unveröffentlichtes Bildmaterial. Sogar ein ehemaliger deutscher Legionär, der die dramatische Schlacht von Dien Bien Phu erlebt hat, kommt in einem großen Interview zu Wort. Fremdenlegion Clausewitz Spezial 7; 100 Seiten, mehr als 150 Abbildungen; ISBN: 978-3-86245-453-2 Preis: 9,90 € Bezug: www.verlagshaus24.de
Clausewitz 1/2015
www.sergey-larenkov.livejournal.com
GENUSSTIPP
NEUES CLAUSEWITZ-SONDERHEFT
Der Beginn
des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges jährt sich 2015 zum 240. Mal. Der Sieg der 13 Kolonien gegen das Britische Weltreich war, vom militärischen Standpunkt aus gesehen, mehr als unwahrscheinlich. Sicher ist aber, dass mit den dadurch entstandenen Vereinigten Staaten von Amerika ein epochales historisches Ereignis stattfand – wie würde die Welt wohl heute aussehen, wenn Großbritannien damals gewonnen hätte? Hervorragend darüber nachdenken lässt sich bei einer Pfeife. Und idealerweise hat die DTM-Tabakfabrik in Lauenburg schon vor einiger Zeit fünf verschiedene Tabake zum Unabhängigkeitskrieg kreiert. Der würzige Latakia-Blend „Midnight Ride“ erinnert an den Ritt von Paul Revere, der 1775 damit seine Landsleute vor heraneilenden britischen Truppen warnte. „Independence“ ist eine aromatische Ready-Rubbed-Mischung, deren Name Bezug auf die Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776 nimmt. Angenehm zu rauchen ist auch die „Liberty“-Mischung, benannt nach Washingtons winterlicher Überquerung des Delaware River 1776. Der kräftige „Patriot Flake“ und der starke „Old
Die schön gestalteten Dosen beinhalten ausgezeichnete Pfeifenmixturen.
Ironsides“-Tabak (ebenfalls ein Flake) sind ein Tribut an die tapferen Kämpfer beziehungsweise an die Fregatte USS CONSTITUTION, deren Spitzname „Old Ironsides“ war (allerdings wurde sie erst nach dem Unabhängigkeitskrieg in Dienst gestellt – der Name „CONSTITUTION“ nimmt allerdings Bezug auf diesen Krieg). Alle fünf Tabake sind von erlesener Qualität, kosten momentan zwischen 8,75 und 9,50 EUR (50 g) und können unter www.danpipe.de bestellt werden. CLAUSEWITZ empfiehlt als Lektüre zum Tabakgenuss John Ferlings „Almost a Miracle: The American Victory in the War of Independence“.
„Der Krieg ist in wachsendem Umfang kein Kampf mehr, sondern ein Ausrotten durch Technik.“ Karl Theodor Jaspers (1883–1969), bedeutender deutscher Psychiater und Philosoph.
7
Foto: DTM Dan Tobacco / Dan Pipe
ZEITSCHICHTEN
Damals: Die im 18. Jahrhundert errichtete Frauenkirche in Dresden wird während der Luftangriffe in der Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1945 zerstört. Die eingestürzte Ruine dient in der DDR als Mahnmal gegen den Krieg. Heute: Das im Feuersturm zerstörte Gotteshaus wird ab 1994 wieder rekonstruiert. Erst 2005 ist der Wiederaufbau vollendet. Heute dient das geschichtsträchtige Bauwerk in der sächsischen Metropole als Symbol für die Versöhnung.
Die Fotocollage des russischen Fotografen Sergey Larenkov stellt eindrucksvoll visualisiert einen Brückenschlag zwischen Vergangenheit und Gegenwart her. www.sergey-larenkov.livejournal.com
AUSSTELLUNGSTIPP Blick auf einen Teilbereich der Dauerausstellung
„Malerische“ Kriegsbilder vom Hartmannsweilerkopf „Gestapo, SS und Reichssicherheitshauptamt in der Wilhelm- und Prinz-Albrecht-Straße“.
Sehenswerte Sonderausstellung zum Krieg in den Vogesen und am Oberrhein 1914/15.
Foto: Uwe Bellm/Stiftung Topographie des Terrors
Sonderausstellung zum Ersten Weltkrieg in Rastatt
E
ine Sammlung einzigartiger Originale zur Geschichte des Ersten Weltkriegs präsentiert das Wehrgeschichtliche Museum Rastatt vom 29. November 2014 bis 26. April 2015 in der Sonderausstellung ,„Malerische“ Kriegsbilder vom Hartmannsweilerkopf’. Der Hartmannsweilerkopf war aufgrund seiner strategischen Lage in den Vogesen und am Oberrhein ein hart umkämpftes Schlachtfeld. Bunker, Stellungen und Unterstände sind heute stumme Zeugen der schrecklichen Vergangenheit. Neben der Zeit des Kampfes gab es aber auch Ruhephasen, in denen nahezu idyllische Bilder und Eindrücke des Kriegsschauplatzes entstanden sind. So schufen Maler und Kriegsfotografen eine ganz eigene Bilderwelt. Zum Teil gleichen diese Kriegsbilder aus den Vogesen eher touristischen Ansichten als Bildern von blutigen Kriegsschauplätzen.
Neben Tausenden Fotografien umfasst die Sammlung des Wehrgeschichtlichen Museums unter anderem Exponate wie Plakate, Flugblätter, offizielle Kundmachungen, Postkarten sowie persönliche Erlebnisberichte. Herausragende Objekte dieser Auswahl werden nun gezeigt und leisten ihren Beitrag, den grausamen Krieg an der Front und in den Gräben des Ersten Weltkriegeszu dokumentieren. Ein reich bebilderter Begleitband zur Ausstellung ist im Museum erhältlich. Kontakt: Wehrgeschichtliches Museum Rastatt im Schloss Rastatt Herrenstraße 18 76437 Rastatt Tel.: 07222/34244 www.wgm-rastatt.de
1897
Foto: picture-alliance/Westend61
wird das Reiterstandbild Kaiser Wilhelms I. in Koblenz an der Mündung der Mosel in den Rhein errichtet. Nach der Zerstörung des Denkmals im Zweiten Weltkrieg dient der Sockel von 1953 bis 1990 als „Mahnmal der Deutschen Einheit“. Im Herbst 1993 wird eine von privater Seite finanzierte Rekonstruktion des monumentalen Standbildes eingeweiht.
BUCHTIPP
Faszination Bunker Beeindruckendes Werk über Bunkeranlagen in Deutschland und Europa
I
n Deutschland und weiten Teilen Europas wurden im Laufe des 20. Jahrhunderts mit großem Aufwand Bunkeranlagen errichtet. Der Autor dokumentiert militärische Zweckund Funktionsbauten aus Beton, aber auch Anlagen, die während des Zweiten Weltkrieges für die Verlagerung der deutschen Rüstungsindustrie in unterirdische Bauten entstanden sind. Darüber hinaus widmet er sich in seiner reich illustrierten Zusammenschau auch Luftschutzeinrichtungen für die Zivilbevölkerung sowie zahlreichen Anlagen aus der Zeit des Kalten Krieges. Reich mit aktuellen und historischen Fotos versehen. Martin Kaule: Faszination Bunker – Steinerne Zeugnisse der europäischen Geschichte, Hardcover, 256 Seiten, mehr als 400 Abbildungen vor allem in Farbe, vier Karten, ISBN: 978-3-86153-761-8; Preis: 29,90 EUR Mit seltenen Abbildungen. Foto: Ch. Links Verlag
8
Fotos: Wehrgeschichtliches Museum Rastatt
Magazin
ENGLISCHSPRACHIGES
Understanding Modern Warfare Standardwerk zum modernen Krieg
D
ie Kriegführung hat sich seit dem Ende des Kalten Krieges tiefgreifend verändert. In „Understanding Modern Warfare“ liefern ausgewiesene Experten einen fun- Moderne Kriege dierten Überblick zu folgen- sind komplex. den sechs Themen: „Strategy“, „Land warfare“, „Naval warfare“, „Air and space warfare“, „Irregular warfare“ sowie „Weapons of mass destruction“. Das äußerst empfehlenswerte Buch ist didaktisch ansprechend aufgebaut (Textkästen erklären Ideen und Konzepte, jedes Kapitel fängt mit einer Liste der zu behandelnden Schlüsselthemen an, und hört mit Literaturempfehlungen zum intensiveren Studium auf). Da ein deutschsprachiges Äquivalent momentan nicht existiert, sollte jeder, der des Englischen mächtig ist, zu diesem hervorragenden Buch greifen. David Jordan u.a.: Understanding Modern Warfare, Cambridge 2008.
Abb.: Archiv CLAUSEWITZ
Clausewitz
FILMTIPP
Strafkommando Charlie Bravo Der gnadenlose Tod im Reisfeld als Film
K
urz nach dem Fall der Dschungelfestung Dien Bien Phu werden 13 französische Fallschirmjäger mit einem Spezialauftrag in feindliches Gebiet geschickt – sie sollen eine entführte Rotkreuzschwester befreien. Die Kritiker sind sich in ihrem Urteil über den Film „Strafkommando Charlie Bravo“ (französischer Originaltitel „Charlie Bravo“) von 1980 uneinig: Suhlt sich der Film genüsslich
in Grausamkeiten oder zeigt er den Indochinakrieg mit ungeschminkter Realität? Verlogen und scheinheilig oder offen und direkt? Sinnloser Gewaltstreifen oder genuiner Antikriegsfilm? Fakt ist, dass der Film von Regisseur, Produzent und Drehbuchautor Claude Bernard-Aubert ein eher unbekannter Streifen ist, und dass er einige sehr krude und 14:30 Seite 1 u1-u1_CW_06__ 18.09.14 | 6/2014 November Dezember
Der letzte Satz des Artikels stimmt so nicht. Am 2. und 3. Oktober fand ein feierlicher Appell zur Übergabe beziehungsweise Umwandlung der NVA in die Bundeswehr mit beiden Hymnen sowie den Tagesbefehlen der beiden Verteidigungsminister in Prora auf Rügen statt (Militärtechnische Schule „Erich Habersath“) statt. (...) Die Soldaten waren am 2.10. in ihren NVA-Uniformen und am 3.10. in den Bundeswehr-Uniformen zur Übernahme angetreten. Prof. Dr. Karl-Heinz Kuhlmann, per E-Mail Zu „Schwert der Arbeiter- und Bauernmacht“ in CLAUSEWITZ 6/2014:
(...) Die NVA hat nie über Panzer des Typs T-64 verfügt. Auf der Seite 29 Hauptbewaffnung der NVA BMP 60, BMP60PB. Das ist falsch. Richtig ist SPW/BTR 60 und 60PB. Wobei diese schon Anfang der 1980er-Jahre durch SPW/BTR 70 ersetzt wurden. Bei dem ebenfalls beschriebenen Seeanlandebatl. handelte es sich anfangs wirklich um das in Prora auf Rügen stationierte MSR 29. Dieses wurde dann 1982 nach Hagenow verlegt. Das neue Seeanlandebataillon entstand nun aus dem 2. Mot.-Schützenbatl. des MSR. 28 Rostock. Dieses Regiment wurde dann im Zuge der Abrüstungsverhandlungen der Volksmarine unterstellt und im Küstenverteidigungsregiment 18 umbenannt. So mussten die neu beschafften kampfwertgesteigerten Kampfpanzer vom Typ T55AM2 Kladvio nicht auch gleich vernichtet werden.
Clausewitz 1/2015
Zwilling von Oliver Stones „Platoon“ (1986). Das kleine DVD-Label „Motion Picture“ hat eine ungekürzte Version von „Strafkommando Charlie Bravo“ veröffentlicht (99 Minuten Laufzeit, FSK 18). Schon allein wegen der Seltenheit von Filmen, die den französischen Indochinakrieg (im Gegensatz zum amerikanischen Vietnamkrieg) thematisieren, sollte ein Blick riskiert werden.
79 FIN: € 8,10 € 7,45 S: SKR 75 N: NOK BeNeLux: € 6,50 SK, I: A: € 6,30 CH: sFr 11,00
schichte Das Magazin für Militärge
Briefe an die Redaktion Zu „Streitmacht des Kalten Krieges“ in CLAUSEWITZ 6/2014:
€ 5,50
beklemmende Szenen aufweist. Auf historische Genauigkeit wird nicht immer geachtet – dafür gibt es nur wenige Filme, die einen so „dreckigen“ Look haben und physisch fast wie ein Fiebertraum wirken. Das „Strafkommando“ ist der böse
Die SS-20 war nie in So kam es mit dem der ehemaligen DDR, Umbruch dazu, dass die daher sollte der RakeBundesmarine kurzzeitig 1956–1990 tentyp auch nicht in den zu circa 30 Panzern textlichen ZusammenT55AM2, Schützenpandie Wie schlagkräf tig waren hang mit der NVA, der zerwagen SPW/BTR 70 DDR-Streitkräfte wirklich? DDR und dem NATOund Schützenpanzer SPz. Doppelbeschluss und BMP1, 3 Brückenlegeeventuellen Konsepanzer BLG60M2 und weiterer gepanzerter und ungepanzer- quenzen für das Gebiet der alten DDR gebracht werden. (...) ter Fahrzeuge kam. (...) ’44 Westwall rten die
So erobe Aachen Alliierten
Panzerhaubitzen
Bundeswehr und NVA: Artillerie im Vergleich
U 995 in Laboe
Einzigartige Gedenkstätte für die Marine
Attilas Fiasko Katalaunische Felder: So triumphierte Westrom über die Hunnen
MILITÄRTECHN IK IM DETAIL
Avro Lancaster
Uwe Kölpin, per E-Mail
In den ausführlichen Berichten über die Geschichte der NVA kommt eine Aussage missverständlich herüber. Auf Seite 31 (...) wird die „Vornestationierung der SS-20" erwähnt. Obwohl es nicht da steht, könnte man natürlich aus dem Zusammenhang des gesamten Beitrags ableiten, dass die SS-20 in der DDR stationiert worden wäre. Das stimmt aber nicht. Sie waren bestenfalls westlich von Moskau stationiert und konnten von hier aus ganz Westeuropa in Schach halten. In der DDR war die Rakete SS-12 stationiert. Es ist eine zweistufige Feststoffrakete mit einer maximalen Reichweite um 900 km. Die minimale Reichweite der SS-20 liegt (...) zwischen 500 und 600 km bei einer maximalen Reichweite von 5.000 km. Das würde bedeuten, dass von der ehemaligen DDR aus gesehen die Bundesrepublik gar nicht im Zielbereich dieser Rakete liegen würde. Sie würde bei minimaler Schussentfernung drüberweg fliegen, was in der Praxis und Planung keinen Sinn gemacht hätte. Daher waren im Norden bei Warenshof und im Süden bei Bischhofswerda Einheiten mit der Rakete SS-12 stationiert.
Das Rückgrat der britischen Bomberwaffe
Walter Graupner, per E-Mail Zu „Zwischen Triumph und Tragödie“ in CLAUSEWITZ 6/2014:
Der „Pour le Mérite“ ist, anders als von Ihnen beschrieben, auf Seite 70 am Admiral nicht zu erkennen. Reinhard Scheer trägt hier den „Roten Adlerorden". Bei genauem Hinsehen ist eine der beiden Schwingen des Adlers zu erkennen. Ich schätze Ihr Magazin außerordentlich! Konrad Schmauser, per E-Mail
Auf Seite 70 zeigen Sie ein Bild des Admirals Scheer, der, so der Bild begleitende Text, den Orden „Pour le Mérite“ trägt. Dies ist aber nicht der Fall, denn der Orden Pour le Mérite hat zwischen den Balken des Malterserkreuzes jeweils den preußischen Adler. Das vom Admiral auf dem Bild getragene Ordenszeichen besteht aus einem Tatzen-
kreuz ohne ausgefüllte Zwischenräume. Das noch zur Hälfte erkennbare Ordensschild zeigt Teile eines Adlers und das Kreuz ist an einer Krone mit Schwertern und Eichenlaub befestigt. Es lässt sich vermuten, dass es sich hier um ein Ordenszeichen des „Roten Adlerordens“ handelt. Tatsächlich ist Admiral Scheer auch Träger dieses Ordens gewesen. Thomas Müller, per E-Mail Anm. d. Red.: Die Leser haben Recht. Es handelt sich bei der Abbildung in CW 6/2014 auf Seite 70 nicht um den Orden „Pour le Mérite“, sondern um eine Stufe/Klasse des „Roten Adlerordens“. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen. Zu „Großbritanniens schwerer Bomber Avro Lancaster“ in CLAUSEWITZ 6/2014:
Zunächst einmal herzlichen Dank für die wieder einmal interessante neue Ausgabe. Als gebürtiger Sauerländer ist mir auf der Seite 40 ein Fehler aufgefallen: Es wurden keine Ruhr-Staudämme angegriffen (die wenigen Staudämme an der Ruhr liegen meines Wissens direkt im Ruhrgebiet – Essen, etc.), sondern Staudämme von Ruhr-Nebenflüssen (Möhnetalsperre, Sorpetalsperre) und die Edertalsperre, wobei die Eder ein Fulda- und somit ein Weser-Zufluss ist. Achim Figgen, per E-Mail
Schreiben Sie an:
[email protected] oder CLAUSEWITZ, Postfach 40 02 09, 80702 München Leserbriefe spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe aus Gründen der Darstellung eines möglichst umfassenden Meinungsspektrums sinnwahrend zu kürzen.
9
Abb.: Archiv CLAUSEWITZ
Reaktionärer Reißer oder verkanntes Filmjuwel? Die Meinungen über den brutalen und bedrückenden französischen Film gehen weit auseinander. Die Abbildung zeigt das alte Cover der UFA VHS-Kassette.
Titelgeschichte
Kampf um Ostpreußen
Inferno im Osten Herbst 1944: Die Rote Armee greift den Nordosten des Deutschen Reiches an. Zunächst wird das Memelgebiet zum Schauplatz grausamer Kämpfe. Anfang 1945 steht schließlich ganz Ostpreußen in Flammen. Von Tammo Luther
GESPENSTISCH: Sowjetische Truppen stoßen in das zerstörte Frauenburg unweit des Frischen Haffs vor. Gleich zu Beginn ihrer Winteroffensive kann die Rote Armee in Ostpreußen große Geländegewinne erzielen und die Verteidiger damit massiv Foto: picture-alliance/akg-images unter Druck setzen.
10
Clausewitz 1/2015
11
Titelgeschichte | Ostpreußen 1944/45
DEM SIEG ENTGEGEN: Sowjetische Panzer mit ausgesessener Infanterie auf dem Vormarsch. Die Übermacht der Roten Armee an Mensch und Material ist erdrückend. Dennoch stoßen die russischen Verbände in Foto: Kolomiets Ostpreußen auf hartnäckige Gegenwehr.
12
Unaufhaltsamer Vormarsch FAKTEN
Sowjetunion
(hauptsächlich beteiligte Heeresgruppen) Oberbefehlshaber 2. Weißrussische Front: Marschall der Sowjetunion Konstantin Rokossowski Oberbefehlshaber 3. Weißrussische Front: Armeegeneral Iwan Tschernjachowski (bis 18. Februar 1945); Marschall der Sowjetunion Alexander Wassilewski (seit Februar 1945) Truppenstärke um die Jahreswende 1944/45: mehr als 1,6 Millionen Mann Ziel: Einkesselung der in Ostpreußen stehenden deut schen Verbände und anschließende Zerschlagung der eingeschlossenen Einheiten. Weiteres Vordringen Richtung Westen; Vorstoß von den Ostprovinzen aus ins Reichsinnere.
Clausewitz 1/2015
13
Titelgeschichte | Ostpreußen 1944/45
MIT BESCHWÖRENDEN WORTEN: Der Festungskommandant von Memel (Oktober 1944 bis Januar 1945), General der Infanterie Hans Gollnick, spricht zu „seinen“ Männern. Trotz der nahezu aussichtslosen Lage sind viele deutsche Soldaten fest entschlossen, Ostpreußen gegen den wütend anstürmenden Gegner zu verteidigen. Foto: picture-alliance/ZB©dpa
FAKTEN
Deutsches Reich
Oberbefehlshaber Heeresgruppe Mitte (seit 25. Januar 1945 Heeresgruppe Nord): Generaloberst Georg-Hans Reinhardt (August 1944 bis Januar 1945); Generaloberst Lothar Rendulic (seit 27. Januar 1945) Truppenstärke um die Jahreswende 1944/45: etwa 600.000 Mann, darunter zirka 80.000 Volkssturmangehörige Ziel: Stoppen des weiteren Vormarsches der nach Westen stoßenden Roten Armee. Verhindern des Vordringens auf deutsches Reichsgebiet; später: Offenhalten der vor allem für die Evakuierung der Zivilbevölkerung wichtigen Seehäfen entlang der ostpreußischen Küste.
14
Erbitterter Widerstand
Clausewitz 1/2015
15
Titelgeschichte | Ostpreußen 1944/45
G
erade einmal drei Jahrzehnte liegen zwischen dem militärischen Erfolg Paul von Hindenburgs über die russischen Armeen in den Jahren 1914/15 und den sowjetischen Offensiven gegen den äußersten Nordosten des Deutschen Reiches 1944/45. Damals, zu Beginn des Ersten Weltkriegs, war es dem „Held von Tannenberg“ gelungen, die Invasoren aus dem Osten hinter die Reichsgrenzen zurückzudrängen. Doch Ende 1944 stehen die Kämpfe im ostpreußischen Grenzland unter vollkommen anderen Vorzeichen. Die sowjetische Übermacht an Mensch und Material ist gewaltig – geradezu erdrückend. Die spätestens seit 1943 von Erfolg zu Erfolg eilende Rote Armee steht dezimierten Verbänden einer von kräftezehrenden Rückzugs- und Abwehrkämpfen stark angeschlagenen Wehrmacht gegenüber. Deren Soldaten ringen mittlerweile ums nackte Überleben statt um militärische Erfolge. Rückblick: Im Sommer 1944 stieß die Rote Armee infolge des Zusammenbruchs der deutschen Heeresgruppe Mitte (HGr. Mitte) weit nach Westen vor und erreichte kurz da-
IM GRENZGEBIET: Sowjetische Einheiten zwingen die deutschen Truppen zur Aufgabe des Brückenkopfes nördlich von Tilsit. Im Herbst 1944 hat der Krieg am nördlichen Zipfel von Ostpreußen die Reichsgrenze erreicht. Foto: picture-alliance/akg-images
16
SELTENER ANBLICK: Zwei Kampfpanzer vom Typ „Panther“ in Memel im nördlichsten Teil von Ostpreußen. Auch und gerade bei Panzern ist die Unterlegenheit der Deutschen gegenüber der Roten Armee gewaltig. Foto: ullstein bild – Süddeutsche Zeitung Photo/Scherl
Drohender Ansturm
FANATISCH: Reichsführer-SS Heinrich Himmler bei seinem „Volkssturmappell“ in Bartenstein am 18. Oktober 1944, rechts im Bild Gauleiter Erich Koch. Foto: picture-alliance/dpa©dpa-Bildarchiv
rauf die Ostgrenze des Deutschen Reiches. Hier kämpften die ausgebluteten Einheiten der HGr. Mitte unter Oberbefehl von Generaloberst Georg-Hans Reinhardt in einem verzweifelten Abwehrkampf. Dabei bildete Ostpreußen bis zu den schweren britischen Luftangriffen auf die Hauptstadt Königsberg im August 1944 eine von Kriegshandlungen und alliierten Bombardements weit-
SCHWEIßTREIBEND: Männer eines Arbeitstrupps beim Ausheben eines Panzergrabens im Sommer 1944. Die „Ostpreußenschutzstellung“ sollte jedoch kein Hindernis für die sowjetischen Verbände darstellen. Foto: picture-alliance/ZB©dpa
schen Front zwischen Augustow und Memel. Zwar gelingt es der Wehrmacht, den Angriff auf die Grenzen im nördlichen Ostpreußen vorübergehend zum Stehen zu bringen und den Gegner aus einzelnen Or-
„Unsere Gegner müssen begreifen lernen: Jeder Kilometer, den sie in unser Land vordringen wollen, wird sie Ströme ihres Blutes kosten.“ Reichsführer-SS Heinrich Himmler in seiner Rede am 18. Oktober 1944 in Bartenstein/Ostpreußen
gehend verschont gebliebene „Oase des Friedens“. Bis dahin lagen die Ostprovinzen fernab des Geschehens auf dem östlichen Kriegsschauplatz.
Vorstoß der Roten Armee Im Herbst 1944 sieht die Lage ganz anders aus: Der Feind steht an der Ostgrenze des Deutschen Reiches, die nun Frontgebiet ist. Als Anfang Oktober 1944 sowjetische Verbände zu einem Großangriff auf das Memelland antreten, wird die Verbindung zur HGr. Nord (später Kurland) unterbrochen. Sie kann in der Folge auch nicht mehr wiederhergestellt werden. Nur elf Tage später folgt eine weitere Großoffensive der 3. Weißrussi-
ten zurückzudrängen – darunter Nemmersdorf, in dem zahlreiche Zivilisten von sowjetischen Soldaten ermordet wurden. Dennoch können die Deutschen das weitere Vordringen der Roten Armee nicht aufhalten.
Verteidiger in Not Für einen dauerhaften Abwehrerfolg gegen die sowjetischen Truppen ist die Kampffähigkeit der Verteidiger Ostpreußens bei Weitem nicht ausreichend. Es mangelt ihnen an einer dringend erforderlichen personellen Auffrischung sowie an Waffen, Munition und Treibstoff. Erschwerend hinzu kommt der zumeist geringe „Kampfwert“ der mehreren zehntausend alten und jungen Volks-
17
Titelgeschichte | Ostpreußen 1944/45
IN TRÜMMERN: Deutsche Grenadiere in einer ostpreußischen Ortschaft. Zwar gelingt es den Deutschen anfangs, die Russen zum Teil wieder zurückzudrängen, doch dauerhaft ist der Sturm auf Ostpreußen nicht aufzuhalten. Foto: ullstein bild – ullstein bild
KARTE
ENTSETZLICHER ANBLICK: Von sowjetischen Soldaten ermordete Zivilisten in Nemmersdorf. Sie wurden nach der Rückeroberung des Ortes durch deutsche Truppen entdeckt. Die genauen Umstände des Gewaltexzesses sind bis heute nicht geklärt. Foto: picture-alliance/akg-images
sturmmänner. Wenngleich die Volkssturmangehörigen im Osten aufgrund der besonderen Grausamkeit der Kämpfe verbisseneren Widerstand leisten als im Westen: Auch
Sowjetische Großoffensive im Januar 1945
ihr „Kampfwert“ ist nicht mit dem erfahrener Frontsoldaten vergleichbar. Mit der Aufstellung und Führung des „Volkssturms“ in den Reichsgauen werden die jeweiligen Gauleiter beauftragt. Im Kampfeinsatz unterstehen die Volkssturmeinheiten dem Befehlshaber des Ersatzheeres und Reichsführer-SS, Heinrich Himmler. Dieser handelt nach den Weisungen des „Führers“ und verkündet im ostpreußischen Bartenstein am 18. Oktober 1944 – dem 131. Jahrestag der „Völkerschlacht“ bei Leipzig – öffentlich die Aufstellung von Volkssturmbataillonen im ganzen Reich: „Ihr Volkssturmmänner Ostpreußens habt die ersten Bataillone gebildet. So wie ihr jetzt vor mir steht, so werden in einigen Tagen und Wochen in Deutschland die Einheiten angetreten sein. Äußerlich und innerlich gerüstet, von heiligem Glauben beseelt und von fanatischem Willen erfüllt, weder eigenes noch fremdes Blut zu schonen, wenn es das Wohl der Nation verlangt...“
Unzureichende Maßnahmen
Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich
18
Währenddessen hat der aus dem östlichen Rheinland stammende Gauleiter von Ostpreußen, Erich Koch, eine rechtzeitige Evakuierung der Zivilbevölkerung unterbunden. Zudem ist seine weiterhin der Zivilverwaltung unterstehende Provinz völlig unzureichend auf den bevorstehenden Ansturm aus dem Osten vorbereitet. Die getroffenen Abwehrmaßnahmen beschränken sich im Wesentlichen auf das Ausheben von Panzergräben und die Verstärkung vorhandener, zum Teil in die Jahre gekommener
Kampf bis zum Äußersten KARTE
Kampf um Ostpreußen, Frühjahr 1945
AM ZIEL: Fahrzeuge einer sowjetischen Panzereinheit vor den Ruinen des Königsberger Schlosses auf dem Kaiser-Wilhelm-Platz. Die Besatzung der zur „Festung“ erklärten ostpreußischen Hauptstadt kapituliert erst am 9. April 1945. Bei diesem Bild handelt es sich um eine Montage. Foto: picture-alliance/akg-images
Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich
Clausewitz 1/2015
19
Titelgeschichte | Ostpreußen 1944/45
KAPITULATION: Sowjetische Truppen nehmen am 22. Januar 1945 die Stadt Allenstein ein, deren Garnison die Waffen niederlegt. Foto: picture-alliance/akg-images
SPUREN DER VERWÜSTUNG: Der Platz vor der Königsberger Universität ist im April 1945 übersät mit Leichen und Trümmerteilen. Die Aufnahme vermittelt einen Einruck von der Härte des Kampfes. Foto: picture-alliance/akg-images
DOKUMENT
Fernschreiben HGr. Nord vom 21.2.1945
Fernschreiben des Oberkommandos der HGr. Nord vom 21. Februar 1945 (Auszug) „Kampfkraft eigener mit Masse seit nahezu 6 Wochen im Großkampf stehender Truppe durch gleichbleibende hohe Verluste bei erst in den letzten Tagen gebessertem Munitionsmangel stark abgesunken (Kampfwert IV). Trotz beispielhafter Hingabe und Aufopferung feindlicher Massenansturm meist ohne Geländeverlust nicht mehr aufzufangen. Kampfund Lebensraum der 4. Armee schmilzt daher zurzeit, ohne dass Führung und Truppe dies auf die Dauer ändern können, immer
20
Stellungs- und Bunkersysteme durch eilig zusammengestellte Arbeitstrupps. Auch die von der NS-Propaganda ausgerufene „Ostpreußenschutzstellung“ stellt alles andere als ein „Bollwerk“ zur Abwehr eines mit starken Panzerverbänden ausgerüsteten Gegners dar. Allen Widrigkeiten zum Trotz bereiten sich die drei an der Nord-, Süd- und Ostgrenze Ostpreußens stehenden Armeen (3. Panzerarmee, 2. und 4. Armee) der HGr. Mitte um die Jahreswende 1944/45 auf den nächsten russischen Großangriff vor. Sie umfasst einschließlich Volkssturm zirka 580.000 Mann. Zu diesem Zeitpunkt hat Adolf Hitler sein Führerhauptquartier „Wolfsschanze“ unweit der ostpreußischen Stadt Rastenburg bereits seit einigen Wochen verlassen. Nachdem die sowjetischen Truppen am 12. Januar 1945 an der Weichsel mit ihrer Winteroffensive gegen die HGr. A, den süd-
mehr zusammen. Gegend der Umschlagstellen am Frischen Haff lag bereits unter feindlichem Störungsfeuer. Bei gleichbleibendem Feinddruck und ohne Besserung der derzeit immer noch unzureichenden Ersatzzuführung und des unzulänglichen materiellen Nachschubs ist es abzusehen, wann 4. Armee ihrer Aufgabe (Ausschaltung der Feindwirkung auf Pillau und Herstellung einer sicheren Landverbindung zur Festung Königsberg, die für 4. Armee für die Zeit der Eisschmelze Lebensfrage ist) nicht mehr gerecht werden kann.“
Xxxxxxxxxxxx
Fundiert recherchiert, packend erzählt!
lichen Nachbarn der HGr. Mitte, begonnen haben, tritt am Morgen des 13. Januar 1945 nach heftigem Artilleriefeuer die 3. Weißrussische Front unter Armeegeneral Iwan Tschernjachowski zum entscheidenden Angriff auf den Nordteil der ostpreußischen Provinz an. Stoßrichtung ist der Verkehrsknotenpunkt Königsberg. Rasch erzielt die
„Bei Pillau schwere Kämpfe mit dem in die Stadt eindringenden Feind.“ Auszug aus dem Wehrmachtbericht vom 26. April 1945
Rote Armee bedeutende Geländegewinne – trotz ungünstiger Wetterlage, durch die der Einsatz von Luftstreitkräften stark behindert wird. Auch der erbitterte Widerstand der deutschen 3. Panzerarmee kann nicht verhindern, dass innerhalb weniger Tage Schloßberg in die Hände des vordringenden Gegners fällt. Wenig später wird Tilsit und am 22. Januar Insterburg (heute: Tschernjachowsk, benannt nach Armeegeneral Tschernjachowski) von sowjetischen Truppen eingenommen. Auch die am 14. Januar 1945 einsetzende Offensive der weiter südlich stehenden 2. Weißrussischen Front unter Marschall der Sowjetunion Konstantin Rokossowski führt
Clausewitz 1/2015
ALS KRIEGSVERBRECHER ANGEKLAGT: Lothar Rendulic befehligt seit Januar 1945 die HGr. Nord in Ostpreußen. Nach dem Krieg wegen der Beteiligung an Kriegsverbrechen zu 20 Jahren Haft verurteilt, wird er 1951 entlassen. Er stirbt 1971. Foto: ullstein bild – Heinrich Hoffmann
zu erheblichen Einbrüchen in die deutschen Verteidigungslinien. Die stark motorisierten russischen Angriffskeile bringen die durch die Herauslösung kampfkräftiger Verbände zusätzlich geschwächten Deutschen in schwere Bedrängnis. Sie drohen die angeschlagenen Divisionen der Wehrmacht durch einen Schwenk nach Norden in Richtung Ostsee einzukesseln. Ostpreußen mitsamt seiner Zivilbevölkerung wäre damit abgeschnitten. Als russische Panzerspitzen Ende Januar schließlich das Frische Haff nördlich von Elbing erreichen, ist die Verbindung der HGr. Mitte zum übrigen Reichsgebiet getrennt. Damit ist ihr Rückzugsweg ebenso wie der Fluchtweg unzähliger Ziviltrecks nach Westen versperrt. Ostpreußen ist somit von Verbänden der Roten Armee eingeschlossen. Nur der Weg über die Ostsee ist noch frei, um die mehr als zwei Millionen Zivilisten und Verwundeten per Schiff in Sicherheit zu bringen.
Aussichtslose Lage Der neue Frontverlauf im Osten zieht am 25. Januar 1945 eine Umbenennung beziehungsweise Umgruppierung der deutschen Heeresgruppen nach sich: Die Reste der alten HGr. Mitte sind fortan in der HGr. Nord zusammengefasst. Dagegen trägt die im
Jetzt am Kiosk! GeraMond Verlag GmbH, Infanteriestraße 11a, 80797 München
MIT ERHOBENEN HÄNDEN: Deutsche Soldaten ergeben sich während der Kämpfe um Ostpreußen. Foto: picture-alliance/akg-images
Online blättern oder Testabo mit Prämie bestellen unter:
www.militaer-und21 geschichte.de/abo
Titelgeschichte | Ostpreußen 1944/45
MIT HOHEN AUSZEICHNUNGEN: Der Marschall der Sowjetunion Konstantin Rokossowski befehligt während der Schlacht um Ostpreußen die 2. Weißrussische Front. Foto: ullstein bild – rps
Baltikum eingeschlossene ehemalige HGr. Nord fortan die Bezeichnung HGr. Kurland. Die HGr. A heißt nun HGr. Mitte. Zugleich wird ein Wechsel an der Spitze der in Ostpreußen kämpfenden HGr. Nord vorgenommen. Sie steht seit dem 27. Januar unter dem Oberbefehl von Generaloberst Lothar Rendulic (seit 12. März 1945 Generaloberst Walter Weiß). Rendulic übernimmt die Heeresgruppe zu einem Zeitpunkt, als sich die Frontlage für die Wehrmacht dramatisch verschlechtert hat. Die Lage muss sogar als operativ aussichtslos bezeichnet werden. Weite Teile Ostpreußens befinden sich mittlerweile unter Kontrolle des Gegners.
Kessel von Heiligenbeil Lediglich entlang des Frischen und des Kurischen Haffs gelingt es deutschen Einheiten, sich trotz mangelhafter Materialausrüstung dauerhaft gegen die Übermacht der Roten Armee zu behaupten. Im „Heiligenbeiler Kessel“ kämpfen vor allem General Friedrich-Wilhelm Müller und die Soldaten seiner 4. Armee um einen etwa 180 Kilometer langen und zirka 50 Kilometer breiten Abschnitt, der sich parallel zum Ufer des Frischen Haffs erstreckt und den Zugang nach Königsberg von Süden aus offenhält. Um diese wichtige Verbindung ringen Deutsche und Russen Anfang Februar 1945 besonders hart und verlustreich. Wo-
22
IM SIEGESTAUMEL: Soldaten der Roten Armee geben Salutschüsse ab, als sie in der ersten Aprilhälfte 1945 westlich von Königsberg die Ostsee erreichen. Die Schlacht um Ostpreußen ist zu diesem Zeitpunkt längst entschieden. Foto: picture-alliance/akg-images
mit niemand rechnet: Trotz des erheblichen Mangels an Munition und Treibstoff kann die Wehrmacht in der zweiten Februarhälfte noch einmal das Heft in die eigene Hand nehmen und örtlich begrenzt einen Teilerfolg erringen. Unterstützt durch das Geschützfeuer von Schiffen der Kriegsmarine gelingt es ihr, die zwischenzeitlich von den Russen unterbrochene Verbindung zu den Verbänden an der nordwestlich von Königs-
Dass die auf Königsberg und das Samland angesetzte 1. Baltische Front nicht den erhofften Erfolg erzielt, führt am 25. Februar zu ihrer Auflösung und Unterstellung als „Samlandgruppe“ unter die seit dem Tod von Tschernjachowski am 18. Februar von Marschall Alexander Wassilewski geführte 3. Weißrussische Front. Die russische „Ostpreußen-Operation“ steht damit fortan unter der einheitlichen Führung von Wassilewski.
„Die alten Kampfräume des [Ersten] Weltkrieges erleben eine zweite Schlacht, die diesmal von weit größerem Ausmaße ist.“ Aus: „Der Angriff – Tageszeitung der Deutschen Arbeitsfront“, Ausgabe Nr. 20 vom 24. Januar 1945
berg gelegenen samländischen Küste wiederherzustellen: Sie kämpfen damit einen Korridor zwischen der Pregelstadt und Pillau frei. Der Pillauer Seehafen hat im Zuge der Schlacht um Ostpreußen 1944/45 nicht nur für die Verschiffung von Zivilisten und Verwundeten eine besondere Bedeutung. Er besitzt auch als Nachschubweg für die Verteidigung der zur „Festung“ erklärten Stadt Königsberg eine lebenswichtige Funktion. Unter dem Befehl von General der Infanterie Otto Lasch hält die ostpreußische Hauptstadt in schwerem Abwehrkampf den vielfach überlegenen Russen seit Ende Januar 1945 stand.
Auf deutscher Seite zeichnet sich unterdessen der nächste herbe Rückschlag ab: Als der Versuch der HGr. Nord, durch weitere Angriffsunternehmen eine Verbindung mit der im Baltikum stehenden HGr. Kurland
Literaturtipp Richard Lakowski: Der Zusammenbruch der deutschen Verteidigung zwischen Ostsee und Karpaten, in: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 10, 1. Halbbd., hrsg. v. Militärgeschichtlichen Forschungsamt, München 2008, S. 491–679.
Zerschlagung des letzten Widerstandes herzustellen, scheitert, steht die Vernichtung der 4. Armee kurz bevor. Zu diesem Zeitpunkt sind Städte wie Frauenburg und Wormditt längst verloren. Zudem haben die Gefechtsstärken der eingekesselten Truppen, darunter Teile der Panzergrenadierdivision „Großdeutschland“, rapide abgenommen. Doch obwohl unzählige Soldaten nur noch ein Schatten ihrer selbst sind, vollkommen abgekämpft sowie physisch und psychisch erschöpft, setzt das Elend der Zivilbevölkerung bei vielen Wehrmachtangehörigen letzte Kräfte frei. Denn nicht nur die Torpedierung der WILHELM GUSTLOFF, die Ende Januar 1945 zum Untergang des ehemaligen „Kraftdurch-Freude-Dampfers“ führte und Tausende von Menschen in die Tiefe des Meeres riss, bedeutet eine zusätzliche Kampfmotivation. Auch die Gräueltaten vieler Rotarmisten an der Zivilbevölkerung lassen sie mit dem Mut der Verzweiflung weiterkämpfen. Der Siegeszug der sowjetischen Verbände ist dennoch nicht aufzuhalten. Ende März 1945 geht schließlich der stark geschrumpfte „Heiligenbeiler Kessel“ ganz verloren. Teile des eingeschlossenen Fallschirm-Panzerkorps „Hermann Göring“ werden über die See evakuiert; Resten der 4. Armee gelingt es, sich mit Kähnen und Booten auf die Frische Nehrung abzusetzen. Den Weg über diese Landzunge nach Pillau oder in Richtung Danzig nach Hela haben zuvor bereits Zehntausende von Flüchtlingen gehen müssen. Von dort aus wurden sie von Schiffen und Booten der Kriegsmarine bis in die letzten
DOKUMENT
Aufruf von Marschall Wassilewski
Aufruf von Marschall Wassilewski vom 11. April 1945 (Auszug) „Deutsche Soldaten und Offiziere, die Ihr auf dem Samland zurückgeblieben seid! Jetzt, nach dem Fall Königsbergs, der letzten Stütze der deutschen Truppen in Ostpreußen, ist Eure Lage gänzlich hoffnungslos! Niemand wird Euch Hilfe erweisen. 450 km trennen Euch von der Frontlinie, die bei Stettin verläuft. Die Seewege nach Westen
Kriegstage hinein zusammen mit zahllosen weiteren Menschen über die Ostsee gerettet. Am 30. März 1945 wird auch Danzig von der Roten Armee erobert, allerdings später als von der Militärführung in Moskau erwartet. Vom einstigen Glanz der Hansestadt ist zu diesem Zeitpunkt nicht mehr viel übrig. Leichengeruch liegt über den qualmenden Häuserruinen.
Späte Kapitulation Nach der Zerschlagung des „Kessels von Heiligenbeil“ beginnt im April 1945 der letzte Akt der Schlacht um Ostpreußen. Am 6. April greifen Verbände der 3. Weißrussischen Front von Süden her die „Festung“ Königsberg an. Ihre Verteidiger strecken drei Tage später die Waffen, nachdem sie zuvor mit den Angreifern um jeden Häuserblock gerungen haben. Doch eine Fortführung des Kampfes erscheint nach dem Verlust der Verbindung zu den deutschen Samlandtruppen am 8. April endgültig aussichtslos. Tatsächlich kapituliert
sind durch die russischen U-Boote durchschnitten. Ihr seid im tiefen Hinterland der russischen Truppen. Eure Lage ist ausweglos.“ (...) Um unnötiges Blutvergießen zu vermeiden, fordere ich von Euch: binnen 24 Stunden die Waffen zu strecken, den Widerstand einzustellen und Euch gefangen zu geben. (...) gez. Der Befehlshaber der Sowjettruppen der 3. Weißrussischen Front, Marschall der Sowjetunion Wassilewski“
Festungskommandant Otto Lasch erst, als die Russen bereits vor seinem Bunker stehen. Im Zorn darüber, dass dieser statt der Gefangenschaft nicht den „Ehrentod“ gewählt hat, ließ Hitler den General der Infanterie in Abwesenheit zum Tode verurteilen und seine Familie in „Sippenhaft“ nehmen. Wenig später ergeben sich auch die Soldaten der im Samland eingeschlossenen deutschen Verbände. Sie müssen ebenfalls den schweren Gang in die sowjetische Kriegsgefangenschaft gehen. Das gleiche Schicksal ereilt jene Soldaten, die zum Zeitpunkt der Kapitulation des Deutschen Reiches am 8./9. Mai 1945 im Raum Steegen-Stutthof östlich von Danzig als letzte Verteidiger Ostpreußens die Waffen niederlegen. Dr. Tammo Luther, Jg. 1972, Verantwortlicher Redakteur von CLAUSEWITZ, freier Autor und Lektor in Schwerin mit Schwerpunkt „Deutsche Militärgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts“.
DIE WAFFEN NIEDERGELEGT: Volkssturmmänner in einem Schützengraben am Rande von Königsberg ergeben sich einem Soldaten der Roten Armee; Aufnahme später koloriert. Foto: picture-alliance/akg-images
Clausewitz 1/2015
23
Titelgeschichte | Ostpreußen 1944/45
VERZWEIFELT: Bewohner Ostpreußens versuchen, über das vereiste Frische Haff aus ihrer von der Roten Armee überrannten Heimat zu Foto: ullstein bild – ullstein bild fliehen.
Flucht vor der Roten Armee
Zwischen den Fronten Winter 1944/45: Wie ein gewaltiger Sturm fegen die sowjetischen Angriffskeile über Ostpreußen hinweg. Trotz zum Teil erbitterter Gegenwehr deutscher Truppen bleibt der Zivilbevölkerung nur ein Ausweg – die Flucht. Von Tammo Luther
B
esonders für die große Zahl an Zivilisten, die sich aufgrund des von der Gauleitung erlassenen „Fluchtverbotes“ um die Jahreswende 1944/45 noch in der alten Ostprovinz befindet, bedeuten die schweren Kämpfe zwischen Memel und Weichsel eine enorme seelische und körperliche Belastung. Viel zu spät – quasi erst, als der Geschützdonner zu vernehmen war – wird der Bevölkerung gestattet, Richtung Westen aufzubrechen. Mit wenigen Habseligkeiten bepackt machen sich die Menschen bei eisigen Temperaturen in zum Teil langen Trecks auf den Weg ins Ungewisse. Sie haben vor allem ein Ziel: Alle wollen der herannahenden Kriegsmaschinerie und den Gewaltexzessen vieler sowjetischer Soldaten entkommen. Unterdessen ist man auf deutscher Seite bestrebt, die zum Teil bröckelnde militäri-
24
sche Ordnung in den eigenen Verbänden aufrechtzuerhalten. Um den sich abzeichnenden Auflösungserscheinungen entgegenzuwirken, erlassen deren Oberbefehlshaber Ende 1944 teils drakonische Strafen zur Erhöhung beziehungsweise Stabilisierung der Kampfkraft. So meldet Ende Oktober 1944 der Kommandierende General des XXVI. Armeekorps, General der Infanterie Gerhard Matzky, dem Oberbefehlshaber der 3. Panzerarmee, Generaloberst Erhard Raus, es seien je Division bisher sechs Soldaten erschossen worden. Eigenmächtige Absetzbewegungen werden auf keinen Fall geduldet und mit dem Tode bestraft, lautet das Signal an die kämpfende Truppe. Diese und weitere Maßnahmen können jedoch nicht den Vormarsch der Roten Armee nach Westen verhindern. Er geht mit rie-
sigen Schritten voran. Da die sowjetische Winteroffensive vom 12./13. Januar 1945 innerhalb kurzer Zeit erhebliche Geländegewinne für die Rote Armee bringt, sind bereits Ende Januar 1945 die Landverbindungen zum übrigen Reichsgebiet gekappt.
Flucht über das Haff Den Hunderttausenden von Zivilisten – vor allem Frauen, Kinder und Alte – bleibt fortan nur noch die Flucht über das zugefrorene Haff auf die Frische Nehrung. Über die rund 70 Kilometer lange, zum Teil nur wenige Hundert Meter breite Landzunge entlang der Ostseeküste versuchen die Flüchtlinge das Gebiet von Danzig und die nahegelegenen Seehäfen – darunter in entgegengesetzter Richtung den Hafen von Pillau – zu erreichen. Ziel ist es, eines der Schiffe nach Schleswig-Holstein, Mecklen-
HOFFNUNGSSCHIMMER: Für viele Ostpreußen bedeutet der Seeweg die letzte Möglichkeit zur Flucht vor den sowjetischen Truppen, die unaufhaltsam ins Landesinnere vorstoßen. Foto: picture-alliance/akg-images
UNGEWISSE ZUKUNFT: Auf einem Sammelplatz der zur „Festung“ erklärten ostpreußischen Hauptstadt Königsberg warten Frauen, Kinder und ältere Männer auf ihren Abtransport zum Hafen von Pillau. Foto: ullstein bild - ullstein bild
Nacht die Menschen mit kleinerem oder größerem Gepäck, Frauen mit Kinderwagen und Kindern, Eisenbahn- und Postbeamte in Uniform in endlosem Marsch der Nehrung zu. Dabei nahm der Frost Ende Januar eine Stärke von circa 25 Grad an, so dass eine Anzahl der Fliehenden auf dem Haff erfror. Einer Mutter waren zum Beispiel, als sie die
HINTERGRUND burg, Pommern oder Dänemark zu erreichen. Doch das Überqueren der zugefrorenen Eisfläche des Haffs ist mit erheblichen Risiken verbunden. Der Zeitzeuge, Superintendent Paul Bernecker aus dem Kreis Heiligenbeil, erinnert sich: „Beim Beginn der Fahrt über das Haff spielten sich schon furchtbare Szenen ab, da ein großes Polizeiaufgebot die Besitzer der Wagen zwang, ihr Hab und Gut und die Lebensmittelvorräte, die sie aufgeladen hatten, abzuwerfen (...). Neben den Wagenkolonnen zogen Tag und
Clausewitz 1/2015
Mitte des Haffs erreicht hatte, bereits zwei Kinder erfroren, die sie einfach liegen lassen musste, mit den anderen beiden Kindern zog sie weiter, als sie jedoch in der Nähe der Nehrung war, waren auch diese beiden Kinder erfroren (...).“
Tod durch Tiefflieger Eine weitere Gefahr für die Flüchtlinge bedeutet das Einbrechen der Pferdefuhrwerke durch das Eis oder der Beschuss durch sowjetische Tiefflieger, die mit ihren Bordkanonen die Zivilisten gezielt unter Feuer nehmen. Das Eis wird somit zur tödlichen Falle für viele Flüchtlinge.
„Operation Hannibal“
Angesichts der sich anbahnenden Katastrophe ruft die Kriegsmarine unter ihrem Oberbefehlshaber Karl Dönitz eine groß angelegte Rettungsaktion ins Leben. Sie beginnt offiziell am 21. Januar 1945 und wird unter der Bezeichnung „Operation Hannibal“ als größte Rettungsaktion in die Geschichte der Seefahrt eingehen. Die von Einheiten der Kriegsmarine, der Handelsmarine, der Luftwaffe und des Heeres durchgeführte beziehungsweise unterstützte Evakuierungsaktion erstreckt sich
nicht nur auf Zivilisten, sondern auch auf Soldaten – etwa Angehörige von im Nordabschnitt der Ostfront eingekesselten Heeresverbänden. Etwa 250 Schiffe und Boote gehen durch Feindeinwirkung verloren, darunter auch die Großschiffe WILHELM GUSTLOFF, STEUBEN und GOYA. Mehr als zwei Millionen Menschen werden über die Ostsee in Sicherheit gebracht. Ein Großteil von ihnen kommt in Schleswig-Holstein, Mecklenburg und Dänemark an.
25
Titelgeschichte | Ostpreußen 1944/45 UNAUFHALTSAM: Soldaten der Roten Armee durchqueren auf dem Weg zum Frischen Haff das zuvor eroberte Mühlhausen in Ostpreußen und rücken weiter vor. Die Kleinstadt wird – wie viele andere Orte – bei den Kämpfen stark in MitleiFoto: picture-alliance/akg-images denschaft gezogen.
UNVERANTWORTLICH: Gauleiter und Reichsverteidigungskommissar für Ostpreußen Erich Koch erteilt den Bewohnern seines Gaues viel zu spät die Genehmigung zur Flucht vor der Roten Armee. Er selbst kann sich rechtzeitig absetzen und wird erst 1949 verhaftet und an Polen ausgeliefert. Er stirbt 1986 im Gefängnis von Barczewo, ehemals Wartenburg in Ostpreußen. Foto: picture-alliance/akg-images
Dass jedoch selbst das Erreichen einer der Seehäfen und im Anschluss eines der Schiffe gen Westen nicht gleichbedeutend mit der Rettung vor den herannahenden sowjetischen Truppen bedeutete, zeigen in tragischer Weise die Beispiele der Schiffskatastrophen der WILHELM GUSTLOFF und der GOYA im Januar beziehungsweise April 1945. Insgesamt mehr als 15.000 Menschen finden dabei den Tod. Dennoch gelingt es der Kriegsmarine im Rahmen der Ende Januar 1945 gestarteten „Operation Hannibal“, einen Großteil der in Ostpreußen verbliebenen Zivilbevölkerung auf dem Seeweg in Sicherheit zu bringen.
Unvorstellbare Szenen Auf den Landwegen in Ostpreußen spielen sich ebenfalls unvorstellbar grausame und erschütternde Szenen ab. Viele Flüchtlingstrecks, die in den Schneemassen nur mühsam vorankommen, werden von den motorisierten russischen Verbänden eingeholt und zum Teil einfach überrollt. Es sind zahllose Fälle belegt, in denen Soldaten der Roten Armee Frauen jeden Alters und Mädchen bis ins Kindesalter hinein vergewaltigten.
26
Kleinkinder und Jugendliche werden von ihren Eltern getrennt, die Leichname von Verhungerten oder Erfrorenen müssen unbeerdigt am Straßenrand abgelegt werden. Auch für die an der Küste zusammengedrängten Soldaten geht es im Frühjahr 1945
weise Angehörigen der Panzergrenadierdivision „Großdeutschland“, die über das Frische Haff nach Hela gelangen und von dort aus nach Westen evakuiert werden.
Hohe Verluste Die wenigen vorhandenen schweren Waffen müssen bei der Evakuierung der Soldaten zurückgelassen werden. Sofern sie nicht unbrauchbar gemacht werden können, fallen sie in die Hände der Roten Armee. Diese kann aufgrund ihrer mehrfachen Überlegenheit an Mensch und Material den Kampf um
„Wir fanden es unerträglich, dass man der Bevölkerung nicht rechtzeitig die Möglichkeit gegeben hatte, sich auf eine Flucht einzustellen. Das ist eine schwere Schuld, die besonders auf dem damaligen Gauleiter Erich Koch lastet. Er selbst hat sich natürlich rechtzeitig in Sicherheit gebracht.“ Bernd Freytag von Loringhoven (1914–2007), letzter Adjutant vom Chef des Generalstabes des Heeres, Generaloberst Heinz Guderian
ums nackte Überleben. Der militärische Widerstand ist längst zwecklos beziehungsweise unmöglich geworden. Mit den verschiedensten Wasserfahrzeugen wie Flößen, Prähmen und Booten versuchen sie, sich der Gefangennahme durch die sowjetischen Einheiten zu entziehen. Dies gelingt beispiels-
Ostpreußen für sich entscheiden – muss diesen Sieg mit hohen eigenen Verlusten jedoch teuer erkaufen. Insbesondere die starken sowjetischen Panzertruppen erweisen sich für die größtenteils schwer angeschlagenen deutschen Verbände als ein zu mächtiger Gegner.
1 Jahr CLAUSEWITZ verschenken! Verschenken Sie 6 Ausgaben CLAUSEWITZ zu Weihnachten, zum Geburtstag oder einfach so!
Gratis für Sie !
Urkunde
Ein Jahr
für
140502
ab Heft-Nr. bis einschließlich Heft-Nr . überreicht von
Madison Fliegeruhr »Cockpit« Ausdrucksstarke Fliegeruhr mit japanischem Qualitäts-Uhrwerk, fluoreszierenden Zahlen, gewölbtem Mineralglas, Datumsanzeige und Edelstahlboden. Inkl. Lederarmband zum Wechseln und Manschettenknöpfen.
Das CLAUSEWITZ-Geschenkpaket Adresse des Beschenkten
Meine Adresse (Rechnungsanschrift)
Straße/Hausnummer
Bitte informieren Sie mich künftig gern per E-Mail, Telefon oder Post über interessante Neuigkeiten und Angebote (bitte ankreuzen).
WA-Nr. 620CW60796-62189233
Vorname/Nachname
PLZ/Ort
Sie möchten noch mehr sparen? Dann zahlen Sie per Bankabbuchung (nur im Inland möglich) und Sie sparen zusätzlich 2 % des Abopreises! Ja, ich will sparen und zahle künftig per Bankabbuchung***
Vorname/Nachname
IBAN: DE
Straße/Hausnummer
Bankleitzahl
Kontonummer
PLZ/Ort
Bankname
Telefon
Ich ermächtige die GeraNova Bruckmannn Verlaghaus GmbH, wiederkehrende Zahlungen von meinem Konto mittels Lastschrift einzuziehen. Zugleich weise ich mein Kreditinstitut an, die von GeraNova Bruckmannn Verlaghaus GmbH auf mein Konto gezogenen Lastschriften einzulösen. Die Mandatsreferenz wird mir separat mitgeteilt. Hinweis: Ich kann innerhalb von acht Wochen, beginnend mit dem Belastungsdatum, die Erstattung des belasteten Betrages verlangen. Es gelten dabei die mit meinem Kreditinstitut vereinbarten Bedingungen.
E-Mail (für Rückfragen und weitere Infos)
Datum/Unterschrift
Datum/Unterschrift
Bitte ausfüllen, ausschneiden oder kopieren und gleich senden an: CLAUSEWITZ Leserservice, Postfach 1280, 82197 Gilching oder per Fax an 0180-532 16 20 (14 ct/min.)
www.clausewitz-magazin.de/abo
* Preise inkl. Mwst, im Ausland zzgl. Versandkosten ** Solange Vorrat reicht, sonst gleichwertige Prämie *** SEPA ID DE63ZZZ0000314764
GeraMond Verlag GmbH, Infanteriestraße 11a, 80797 München
JA,
ich will CLAUSEWITZ für 1 Jahr (6 Ausgaben) zum Preis von € 29,70* verschenken. Ich erhalte als Dankeschön die Madison Fliegeruhr** und für den Beschenkten die CLAUSEWITZ-Geschenkurkunde. Versand erfolgt nach Bezahlung der Rechnung. Die Lieferung ist unbefristet.
Titelgeschichte
Panzer in der Schlacht um Ostpreußen
Kampf der Giganten Herbst 1944: Sowjetische Panzerspitzen bedrohen die Reichsgrenzen im Osten. Die Wehrmacht wirft ihnen schwere Panzer und letzte Reserven entgegen. Vielerorts kommt es zum Duell der „stählernen Giganten“. Von Thomas Anderson
SCHLAGKRÄFTIG: Mit schweren Panzern wie diesem Tiger Ausf. E der schweren Pz.Abt. 502 schaffte es die Wehrmacht immer wieder, den Vormarsch der Roten Armee zu verzögern. Dieses Fahrzeug der späten Fertigung zeigt bereits Gummi sparende Stahllaufrollen. Foto: Sammlung Anderson
I
m Herbst 1944 hat sich das Kräfteverhältnis im Westen wie im Osten weiter zuungunsten der Wehrmacht verschoben. Nun gilt es für die deutsche Seite, die Heimat gegen den Ansturm der Roten Armee zu verteidigen. Wenngleich die taktische Führung der Deutschen noch immer überlegen ist und zumindest ihre modernen Panzer in der Regel besser gepanzert und bewaffnet sind als die des Gegners, verstellen diese Erkenntnisse leicht den Blick auf die Realitäten. Denn Ende 1944 bestehen viele deutsche Einheiten
28
größtenteils nur noch auf dem Papier. Panzerdivisionen, die nominell über 170 Panzer „im Inventar“ führen sollen, sind auf eine geringe Zahl von einsatzfähigen Fahrzeugen zusammengeschmolzen.
„Panzerschock” Dreieinhalb Jahre zuvor: Mit dem „Panzerschock“ von 1941 – der unerwarteten Konfrontation der Wehrmacht mit überlegener Panzertechnik (T-34 und KW-1) in Russland – werden wichtige deutsche Rüstungsplanun-
gen reine Makulatur. Innerhalb kürzester Zeit werden daher in den deutschen Waffenschmieden leistungsfähige neue Panzer entwickelt. Im Sommer 1943 wird schließlich der Panzerkampfwagen (Pz.Kpfw.) V „Panther“ eingeführt. Zunächst ist geplant, diesen überlegenen mittleren Panzer als Hauptkampfpanzer in Großserie zu fertigen. Die Produktion des damals zahlenmäßig wichtigsten Panzers, des Pz.Kpfw. IV, soll dagegen verringert beziehungsweise sogar eingestellt werden. Heinz Guderian, damals Generalinspek-
BEWÄHRT: Bereits deutlich durch die letzten Einsätze gezeichnet, dient dieser Pz.Kpfw. IV als Transportmittel für Foto: Sammlung Anderson die Infanterie.
STANDARDWAFFE: Drohend stehen zwei Pz.Kpfw. IV, die „Arbeitspferde“ der deutschen Panzertruppe, auf Sicherung.
AUSGESCHALTET: Dieses SU-85M wurde in einer deutschen Ortschaft abgeschossen. Die große Luke des Fahrers steht weit offen.
Foto: Sammlung Anderson
teur der Panzertruppen, widersetzt sich. Somit bleiben beide Panzer in Produktion. Nach einer Zeit von etwa neun Jahren in Produktion (seit dem Prototyp) war der Pz.Kpfw. IV ausgereift, abgesehen vom Seitenvorgelege, das durch die stetige Erhöhung des Gewichts überlastet war. Zum Zeitpunkt seiner Einführung im Jahr 1937 wiegt der Pz.Kpfw. IV noch zirka 18 Tonnen. Infolge verschiedener Produktionsänderungen steigt die Frontpanzerung von 14,5
INFO
Foto: Sammlung Anderson
auf 80 Millimeter. Dies führt zu einer Gewichtszunahme auf rund 25 Tonnen. Der Panzer ist mit einer durchaus leistungsfähigen 7,5-cm-Kampfwagenkanone (KwK) L/48 ausgestattet.
Wirkungsvolle Waffe Das Sturmgeschütz – ursprünglich 1940 als Unterstützungswaffe der Infanterie eingeführt – sollte sich nach Umbewaffnung auf die 7,5-cm-Sturmkanone 40 (StuK) L/48 als
NACHSCHUB: Die Sturmhaubitzen der StuG.Abt. 203 bringen dem deutschen Gegenstoß bei Wilkowischken die nötige Feuerunterstützung. Foto: Sammlung Anderson
wirkungsvolle Waffe erweisen. Die Fertigung dieser turmlosen Fahrzeuge ist wirtschaftlicher als die des Pz.Kpfw. IV. Daher wird 1943 eine Ausweitung der Produktion beschlossen. Im Jahr 1944 wird ebenfalls aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus ein leichter Panzerjäger entwickelt, der das Sturmgeschütz ursprünglichen Planungen zufolge ablösen soll. Dazu sollte es jedoch nicht kommen, da die Truppe keinen Produktionsein-
Technische Daten TYP
Pz.Kpfw. IV Ausf. J
StuG III Ausf. G
Bewaffnung
7,5 cm L/48 2 MG 87 mm PzGr 40 5 25 t 265 PS 38 km/h bis 320 km 1944: 3.125 1945: 375
7,5 cm L/48 1 MG 87 mm PzGr 40 4 23,9 t 265 PS 40 km/h bis 155 km 1944: 3.840 1945: 863
Durchschlagskraft auf 1.000 m Besatzung Gewicht Motorleistung V/max Reichweite Gebaute Stückzahl
Pz.Kpfw. V „Panther“ Pz.Kpfw. VI „Tiger“ Ausf. G Ausf. B 7,5 cm L/70 2 MG 150 mm PzGr 40/42 5 45,5 t 700 PS 55 km/h bis 200 km 1944: 3.777 1945: 439
8,8 cm L/71 2 MG 193 mm PzGr 40/43 5 69,8 t 700 PS 41,5 km/h bis 170 km 1944: 377 1945: 112
Panzer IV/70 (V)
le PzJg 38
7,5 cm L/70 1 MG 150 mm PzGr 40/42 4 25,5 t 265 PS 40 km/h bis 210 km 930
7,5 cm L/48 1 MG 87 mm PzGr 40 4 16 t 150 PS 40 km/h bis 180 km 1944: 1.587 1945: 1.250
Anmerkung: Die genannten Panzergranaten 40, 40/42 und 40/43 sind Hartkerngeschosse. Das benötigte Wolfram ist damals ein Mangelmaterial, somit stehen nur sehr geringe Mengen zur Verfügung.
Clausewitz 1/2015
29
Titelgeschichte | Ostpreußen 1944/45 VERNICHTET: Das SU-152 basiert auf dem schweren Panzer KW-1s. Die Selbstfahrlafette ist mit einer 152-mmHaubitze ausgerüstet. Dieses Fahrzeug wurde vollständig zerstört. Foto: Sammlung Anderson
MIT WINTERTARNUNG: Auch auf Basis des JS-2 wurden Sturmgeschütze entwickelt. Zahlenmäßig am wichtigsten war das JSU-152. Foto: Sammlung Anderson
AUF UNWEGSAMEM GELÄNDE: „Panther“ kämpfen sich durch tiefen Schlamm nach vorne. Das Beiwagen-Krad steckt fest.
bruch während der Umstellung verkraftet hätte. Der „Panzerjäger 38“ basiert auf Komponenten des früheren Pz.Kpfw. 38 (t). Mit der leicht modifizierten Bordkanone des Sturmgeschützes ausgerüstet, wird ein leistungsfähiges Fahrzeug mit leichtem Panzerschutz geschaffen. Die Pz.Kpfw. IV, die Sturmgeschütze und die „Panzerjäger 38“ können den Kampf gegen den sowjetischen T-34 auch 1944/45 noch immer mit Erfolg aufnehmen.
rung der 85-mm-Kanone und besserer Munition für die 76,2-mm-Kanone beim Gegner ließen diesen Vorteil jedoch wegbrechen. Konnte der „Tiger“ Ausf. E im Kriegsjahr 1943 noch auf seine schwere Panzerung vertrauen, so muss er ab 1944 unter denselben taktischen Grundsätzen wie andere deutsche Panzer eingesetzt werden. Seine Bordkanone ist gegen den schweren russischen Panzer JS-2 (JS = Josef Stalin) noch wirksam, doch ist er selbst in gleichem Maße gefährdet. Aus Überlegungen heraus, das Konzept des Sturmgeschützes zu verbessern, entsteht seit 1944 das „neue Sturmgeschütz“. Der „Jagdpanzer IV“ zeigt der allgemeinen Entwicklung folgend geneigte Panzerbleche. Aus diesem Modell wird schnell der Panzer IV/70 weiterentwickelt, der die leicht modifizierte 7,5-cm-KwK L/70 des „Panthers“ trägt. Das Fahrzeug ist somit außerordentlich gut gepanzert und bewaffnet. Da der Panzer IV/70 auf dem Fahrgestell des Pz.Kpfw. IV basiert, leidet er unter einer unzureichenden Geländegängigkeit und Lenkbarkeit. Der Pz.Kpfw. VI „Tiger“ Ausf. B wird ab Mitte 1944 eingeführt. Er soll ei-
Gefürchteter „Panther” 1944 war der Pz.Kpfw. V „Panther“ in größeren Stückzahlen vorhanden. Der „Panther“ verbindet eine starke Panzerung mit einer gelungenen Formgebung. Sein hervorragendes Fahrwerk stellt eine sehr stabile Waffenplattform dar. Seine Beweglichkeit und Geländegängigkeit sind erstaunlich. Seine 7,5cm-KwK 42 (L/70) zeigt außergewöhnlich gute Durchschlagswerte. Der Pz.Kpfw. VI „Tiger“ Ausf. E ist Ende 1944 noch in gewissen Stückzahlen vorhanden. Er wurde 1942 als schwer gepanzerter Durchbruchspanzer eingeführt. Die Einfüh-
30
Foto: Sammlung Anderson
KAMPFSTARK: Dieser „Panther“ gehört der Pz.Gren.Div. „Großdeutschland“ an, die im August 1944 zum Entsatz von Wilkowischken angetreten ist. Foto: Sammlung Anderson
ne schwere Panzerung mit einer geschossabweisenden Formgebung verbinden. Tatsächlich gehört er zu den am besten geschützten Fahrzeugen des Zweiten Weltkrieges. Dieses Schutzniveau wird jedoch mit einem enorm hohen Gewicht erkauft. Der Panzer kann nur nach genauester Geländeerkundung eingesetzt werden.
Sowjetische Panzer Die Sowjetunion ist bis Ende 1942 kaum in der Lage, ihre Panzer qualitativ zu verbessern. Erst 1943 können Kapazitäten zur Weiterentwicklung des T-34 und schlagkräftiger Geschütze freigemacht werden. Während der deutschen Offensive bei Kursk im Sommer 1943 stehen erstmalig Panzer zur Verfügung, die die schweren deutschen „Tiger“ und den neu ausgelieferten „Panther“ wirksam bekämpfen können. Ab Ende 1943 wird dann eine 85-mm-Bordkanone eingeführt – eine deutliche Verbesserung. Der T-34/76 wird in den ersten Kriegsjahren in sehr großen Stückzahlen produziert. Trotz der Umstellung auf den überlegenen T-34/85 bleibt das Vorgängermodell noch bis
Vernichtende Wirkung INFO
Technische Daten TYP
T-34/76
T-34/85
SU-85
JS-2 M1944
JSU-152
Bewaffnung
76,2 mm F-34 2 MG 60 mm
85 mm 2 MG
85 mm
122 mm 3 MG
152 mm
109 mm
109 mm
134 mm
k.A.
Durchschlagskraft auf 1.000 m Besatzung Gewicht Motorleistung V/max Reichweite Gebaute Stückzahl
4 28 t 500 PS 55 km/h bis 400 km 1944: 3.986
4 30,9 t 500 PS 55 km/h bis 400 km 1944: 10.662 1945: 5.989
4 4 5 30 t 46 t 47 t 500 PS 520 PS 520 PS 55 km/h 37 km/h 34 km/h bis 400 km bis 240 km bis 210 km 1944: 1.893 1944: 3.385 1944: 1.340 1945: 0 1945 (JS-3): 875 1945: 510
Anmerkung: Technische Angaben zu russischen Panzern (Leistungsdaten, Stückzahlen) werden in der Literatur sehr unterschiedlich wiedergegeben. Obige Zahlen beziehen sich auf ein russischsprachiges Standardwerk („Die Panzer der Roten Armee“ von Soljankin und Pawlow).
in das Jahr 1944 hinein in Produktion. Der Panzer ist mit einem leistungsfähigen Fahrwerk ausgerüstet, das ihm eine überragende Beweglichkeit verleiht. Die Panzerbleche der Wanne sind geschweißt und allseits geneigt. Trotz der verhältnismäßig geringen Panzerung von 45 mm wird so ein hohes Schutzniveau erreicht. Mit Einführung der modernen deutschen Panzer wird jedoch immer deutlicher, dass die Leistungen des T-34/76 nicht mehr ausreichen. Konstruktionsbedingt kann dessen Panzerung nicht verstärkt werden, um den weiterentwickelten deutschen Panzerkanonen zu trotzen. Die 76,2-mm-Bordkanone, noch 1941 allen deutschen Geschützen überlegen, kann ebenfalls nicht grundlegend verbessert werden. Ab Ende 1943 ist dann ein 85-mm-Geschütz verfügbar, das endlich bessere Durchschlagsdaten zeigt. Um das Geschütz schnell einsetzen zu können, wird es außer im schweren Panzer KW-85 auch in einen turmlosen Panzerjäger auf Basis des T-34 eingebaut – analog zu den deutschen
Sturmgeschützen. Im Jahr 1943 werden vom SU-85 insgesamt 761 Exemplare produziert. Um die 85-mm-Kanone auch im Kampfpanzer verwenden zu können, wird ein neuer, deutlich größerer Turm entwickelt. Ab 1944 steht der T-34/85 in steigenden Stückzahlen zur Verfügung. Dieser Panzer ist den älteren deutschen Panzern überlegen.
Hohe Feuerkraft Aus dem KW-85 wird schließlich 1944 ein schwerer Panzer entwickelt, der als JS-2 in Fertigung geht. Dieser Panzer trägt eine 122-mm-Bordkanone, die im Ziel eine vernichtende Wirkung erzielen kann – weniger aufgrund ihrer Durchschlagsleistung als vielmehr durch die Sprengwirkung der großkalibrigen Granaten. Die Panzerung dieses schweren Panzers ist hoch, seine Formgebung beispielhaft. Daher ist eine Bekämpfung dieses Panzers mit der 7,5-cmKwK oder StuK L/48 kaum mehr möglich. Auch die 8,8-cm-KwK (L/56) des „Tiger“ Ausf. E kommt hier an ihre Grenzen. Die 7,5-cm-KwK überlang („Panther“) und die
SCHWERER PANZER JS-II Panzerung von Turm- und Wannenseite 90 mm
122-mm-Kanone durchschlägt frontal jeden deutschen Panzer außer „Tiger/B“
520 PS Diesel-Motor
Foto: Netrebenko
Frontpanzerung bis 120 mm
Breite Ketten mit günstigem Bodendruck Keine Fluchtluke für Fahrer
Clausewitz 1/2015
Robustes Laufwerk mit Vollstahl-Laufrollen
VERNICHTET: Ein T-34/85 vor seinem „Opfer“, einem deutschen Panzer IV/70. Dieser scheint im Motorraum getroffen worden zu sein. Foto: Sammlung Anderson
8,8-cm-KwK (L/71) des „Königstiger“ Ausf. B hingegen können auch den JS-2 auf große Entfernungen sicher bekämpfen. Auch auf Basis des JS-2 werden Selbstfahrlafetten entwickelt, die als JSU-152 und JSU-122 in teils großen Stückzahlen produziert wurden. Diese Fahrzeuge verleihen den angreifenden russischen Verbänden eine hohe Feuerkraft. Insgesamt erweist sich die deutsche Panzertruppe selbst zu Beginn des Jahres 1945 den angreifenden sowjetischen Verbänden qualitativ und taktisch immer noch als überlegen. In örtlichen Gefechtslagen können überraschende Erfolge erzielt werden. So verteidigen zwei „Panther“ des Panzerregiments „Großdeutschland“ nach der Wiedereinnahme von Wilkowischken (10. August 1944) die deutschen Stellungen nach Südwesten. Ein erster russischer Panzerangriff wird zerschlagen. Drei von vier Panzern können auf 1.300 m sofort abgeschossen werden. Am kommenden Morgen steht nur noch ein „Panther“ am Stadtrand, der andere fuhr in der Nacht zurück, um Kraftstoff und Munition aufzunehmen. Der verbliebene „Panther“ sieht sich plötzlich 14 angreifenden Feindpanzern gegenüber. Es gelingt ihm, vier zu vernichten, der Rest dreht ab. Gegen die erdrückende zahlenmäßige Überlegenheit der sowjetischen Streitkräfte helfen derartige „Husarenstücke“ nicht. Die Front wird an vielen anderen Stellen durchbrochen. Stellung um Stellung, Stadt um Stadt muss aufgegeben werden. Wenige Monate später sollten die sowjetischen Truppen vor der „Reichshauptstadt“ Berlin stehen. Thomas Anderson, Jg. 1958, ist als freier Autor tätig und arbeitet für verschiedene Zeitschriften und Verlage im In- und Ausland. Außerdem unterstützt er namhafte Modellbau-Hersteller als Fachberater.
31
Der Zeitzeuge
Der Volkssturmsoldat Hans Modrow
Als Kanonenfutter missbraucht
1989/90: Hans Modrow ist der letzte Vorsitzende des Ministerrates der DDR. Er hatte Glück, denn beinahe wäre er als 17-Jähriger einer anderen deutschen Diktatur zum Opfer gefallen, die ihn an der Oderfront sinnlos verheizen wollte.
Von Stefan Krüger
E
s herrscht Untergangsstimmung. Das auf purer Ideologie aufgebaute Kartenhaus wankt bedrohlich im rauen Wind der Geschichte. Es ist der 3. Dezember 1989. „Genossen, wenn wir die Partei retten wollen, brauchen wir Schuldige!“, fordert Hans Modrow, der Vorsitzende des Ministerrates der DDR. Eine verlorene Sache soll auf Kosten anderer gerettet werden – ob Modrow sich der tragischen Parallele bewusst ist, die sich da plötzlich in seinem Leben abzeichnet?
Feuerwehrmann fürs Vaterland Modrow kommt am 27. Januar 1928 in dem winzigen Dörfchen Jasenitz zur Welt, das etwa 15 Kilometer nördlich von Stettin liegt und heute zu Polen gehört. Wie die meisten anderen Kinder und Jugendlichen jener Zeit, die in ihrem Leben kaum etwas anderes als den nationalsozialistischen Staat kennengelernt haben, ist auch der junge Modrow vom Regime überzeugt. Er lernt zu gehorchen und nimmt begeistert die Angebote der NSHerrschaft an. So berichtet er in seinen Memoiren stolz von seinen sportlichen Erfolgen, und dass er in der Hitlerjugend zuletzt Führer einer zehnköpfigen Gruppe von Kindern war. Im April 1942 endet die Kindheit, als er die Schule verlässt und eine Lehre als Maschinenschlosser beginnt. Ausgebildet wird er in den Stettiner Hydrierwerken – dort holt ihn die Realität des Krieges rasch ein. Da die Führung das Land inzwischen gründlich nach wehrfähigen Männern durchkämmt hat, bleibt kaum noch jemand für den Feuer-
32
KRIEGSKINDER: Im „letzten Aufgebot“ werden Jungen ab 16 Jahre in den Kampf geschickt. Das Bild zeigt solche halben Kinder bei der Ausbildung an der Panzerfaust. Auch Hans Modrow wird gegen Ende des Krieges eingezogen und erhält eine Schnelleinweisung an Gewehr und Panzerfaust. Abb.: picture alliance/akg
sturm eingezogen. Dies geschieht so überstürzt, dass die ehemaligen Lehrlinge der Hydrierwerke nun gemeinsam eine Volkssturm-Kompanie bilden. Kompaniechef ist ein ehemaliger Hauptmann der Wehrmacht, der aufgrund einer Verwundung eigentlich nicht mehr fronttauglich ist – dies belegt das goldene Verwundetenabzeichen an seiner Brust. Unterstützt wird er lediglich von einem Feldwebel, doch schon die Zug- und Gruppenführer kommen aus den Reihen der Hitlerjugend, und auch Modrow wird Gruppenführer.
wehrdienst, sodass nun auch die Hitlerjugend hierfür in die Pflicht genommen wird. Als Feuerwehrmann muss Modrow somit seinen eigenen Arbeitsplatz vor den Flammen retten, wenn die Alliierten das Stettiner Hydrierwerk bombardieren. Zweifel an der Führung kommen ihm auch jetzt nicht. Im Gegenteil. Wieder ist es der Stolz, der alles andere überwiegt und ausblendet: Das Vaterland braucht ihn, und er übernimmt Aufgaben, die sonst nur Erwachsenen vorbehalten sind.
Himmelfahrtskommando Wer jedoch glaubt, dass sich das Regime damit begnügt, von den „Volksgenossen“ zu verlangen, 60 Stunden die Woche zu arbeiten und nebenbei als Flak-Helfer und Feuerwehrmann einzuspringen, täuscht sich gründlich. Gemäß „Führererlass“ vom 25. September 1944 ruft Hitler alle Männer im Alter von 16 bis 60 Jahren unter der martialischen Bezeichnung „Volkssturm“ zu den Waffen. Öffentlich bekannt macht man es jedoch erst am 18. Oktober, dem Tag der Völkerschlacht bei Leipzig, deren Geist die Führung wohl beschwören möchte. Zugleich beauftragt die Regierung den Sicherheitsdienst (SD) damit, die Stimmung unter den Volksgenossen auszuhorchen. Was denken die Deutschen über den Volkssturm wirklich? Das Ergebnis könnte für die Herrschenden niederschmetternder nicht sein, denn
Ideologiewechsel
POLITIKERKARRIERE: Modrow gehört in der DDR zum Führungskreis. Nach der Wende ist er Mitglied der PDS und heute in der Partei „Die Linke“ aktiv. Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 2001. Foto: picture-alliance/dpa
den. Das rote Plakat mit dem gedruckten Wortlaut des Erlasses des Führers über die Bildung des Deutschen Volkssturmes sei deshalb denkbar ungünstig gewählt, weil es in Farbe und Druck genauso aussehe wie jene Plakate, mit welchen die Oberstaatsan-
„Was sollen die alten und jüngeren Jahrgänge (Kinder) gegen Panzer und viermotorige Bomber tun? Was wir bisher den Sowjets vorgeworfen haben, tun wir nun selbst.“ Eine Äußerung im SD-Bericht vom 8. November 1944
trotz jahrelanger Propaganda und Mediengleichschaltung, begreifen die Menschen den Volkssturm als das, was er ist: Die Bankrott-Erklärung des NS-Staates. So schreibt ein SS-Obersturmführer im SD-Bericht: „Zum Schluß sei noch bemerkt, daß die beiden Plakate über den Volkssturm von allen Volksgenossen als schlecht empfunden wer-
Literaturtipps Klaus Mammach: Der Volkssturm. Das letzte Aufgebot, Köln/Berlin 1981. Hans Modrow: Ich wollte ein neues Deutschland, Berlin 1998.
Clausewitz 1/2015
waltschaft Hinrichtungen bekanntgebe.“ Er gibt dazu auch eine Einzelstimme wieder: „Das Plakat sieht aus wie ein Hinrichtungsbescheid. Es gibt ja auch eine Hinrichtung bekannt, nämlich die Hinrichtung des ganzen deutschen Volkes.“ Ferner kritisieren viele Deutsche, dass die Regierung damit zu einer Methode greift, die sie stets den „Bolschewisten“ vorgeworfen hat. Auch Hans Modrow hat gelernt, mit Verachtung und Abscheu auf die vermeintlichen „Untermenschen“ hinabzublicken. Nun soll er gegen sie kämpfen. Analog zum Notabitur muss er seine Lehre im Dezember 1944 mit einer Notprüfung vorzeitig beenden. Der letzte Ansturm der Roten Armee steht bevor, und Modrow wird zum Volks-
Kaum ausgebildet, wirft man die Einheit ans Oderhaff in Ziegenort, nördlich von Stettin. Hier lernen die Jugendlichen, wie man Gewehr und Panzerfaust möglichst unfallfrei bedient. Außerdem graben sie sich an der Küste ein, da die Führung damit rechnet, dass die Russen auch von See her angreifen könnten. „Besonders nachts kam die unbeschreibliche Angst – wenn die Wellen der See an die Küste schlugen, wenn die übernächtigten Augen Schatten im Schilf entdeckten, wenn wir ins Nichts schossen, weil wir in jedem Geräusch den Feind, also den Tod, zu entdecken vermeinten“, schreibt Modrow in seinen Erinnerungen. Schließlich stampft die Rote Armee heran. Bei Stettin schlagen sie ein Loch in die Linie und überqueren die Oder. Modrow und seine Leidensgenossen machen in dieser Lage das einzig Vernünftige: Sie nehmen die Beine in die Hand und türmen. Noch einmal schickt man sie nach Rügen, um die Insel zu verteidigen, doch dann ist der Krieg auch schon aus. Modrow gerät im Mai 1945 bei Greifswald in Gefangenschaft. Erst 1949 kehrt er in die Heimat zurück, die mittlerweile DDR heißt. Hier tritt er der SED bei, was wohl vor allem ein Resultat der Antifa-Schule ist, die er während der Gefangenschaft besucht hatte. Im ersten sozialistischen Staat auf deutschem Boden legt er dann eine steile politische Karriere hin, zuletzt wird er am 13. November 1989 Vorsitzender des Ministerrates der DDR. In seinen Erinnerungen zeichnet Modrow ein sehr geschöntes Bild von der DDR. Nicht einmal die Existenz des Schießbefehls räumt er ein und spricht stattdessen verschämt von einer „Schusswaffengebrauchsbestimmung“. Es ist schade, dass der alte Modrow nicht das schafft, was der junge vollbracht hat: nämlich das Gelernte und Verinnerlichte kritisch zu hinterfragen und es gegebenenfalls dort zu entsorgen, wo viele Ideologien hingehören: auf die Müllhalde der Geschichte.
33
Schlachten der Weltgeschichte
Schlacht von St. Mihiel 1918
Angriff auf den „deutschen Stachel“ 12. September 1918: Die 1. US-Armee greift den deutschen Frontbogen südöstlich von Verdun an. Wie ein riesiger Keil ragen deutsche Stellungen bei St. Mihiel in die französische Front hinein. Von Lukas Grawe
OHNE UNTERBRECHUNG: Die US-Truppen können beim Angriff auf den Frontbogen von St. Mihiel im September 1918 eine große Zahl an Geschützen konzentrieren. Die deutschen Stellungen werden unter Dauerbeschuss genommen. Foto: picture-alliance/akg-images
34
“
I
m Spätsommer 1918 ist die Lage des deutschen Heeres an der Westfront äußerst angespannt. Die während der Erfolge des Frühjahrs eroberten Gebiete müssen nach heftigen alliierten Gegenangriffen wieder geräumt werden. Fortan richten sich die deutschen Verbände auf ein langsames Zurückweichen vor der gegnerischen Überlegenheit an Menschen und Material ein. Die alliierten Aktionen bekommen vor allem durch die auf dem europäischen Kriegsschauplatz eingetroffenen US-Soldaten neuen Schwung. Seit September 1914 ragt der Frontvorsprung bei St. Mihiel keilförmig 18 Kilome-
ter wie ein gewaltiger Stachel weit in französisch beherrschtes Gebiet zwischen Maas und Mosel hinein. Er stellt aus deutscher Sicht eine wichtige Querverbindung im Rücken der eigenen „Maas-Stellung“ dar, durch den die französischen Verbände bei Verdun gebunden und die Bahnlinien zwischen Paris, Verdun, Toul und Nancy unterbrochen werden können.
Die „Loki-Bewegung“ Mehrfach versuchten französische Truppen bereits eine Rückeroberung des Bogens, doch scheiterten die Angriffe stets an den
KARTE
Abwehrmaßnahmen des Gegners. Die deutschen Stellungen sind dort stark ausgebaut, die Grabensysteme umfassend und großräumig angelegt. Teilweise unter Strom gesetzte Stacheldrahtverhaue, Bunker und Unterstände sorgen abschnittsweise für ein bollwerkartiges Verteidigungssystem. Mit der sich insgesamt verschlechternden Lage an der Westfront spitzt sich jedoch auch für den Bogen von St. Mihiel die Situation zu. Der von den Deutschen gehaltene Frontvorsprung eignet sich aus Sicht der Alliierten hervorragend für einen umfassenden Flankenangriff. Diesen Umstand in Betracht
Schlacht von St. Mihiel, September 1918
Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich
Clausewitz 1/2015
35
Schlachten der Weltgeschichte | St. Mihiel 1918
ERBEUTET: Ein US-Offizier prüft eine von den Deutschen zurückgelassene Telefonanlage. Foto: picture-alliance/Everett Collection
ABGEKÄMPFT: Deutsche Soldaten ergeben sich den Alliierten, auch bei St. Mihiel geraten zwei Monate vor Kriegsende Tausende von Deutschen in die Gefangenschaft des zahlenmäßig deutlich überlegenen Gegners. Foto: picture-alliance/akg-images
ziehend, bereitet die deutsche Armee-Abteilung C unter ihrem Kommandeur, Generalleutnant Georg Fuchs, seit Juli 1918 die Rücknahme der Truppen und die Aufgabe des keilförmigen Vorsprungs vor. Die soge-
nannte „Loki-Bewegung“, die die deutschen Truppen in die rückwärtig ausgebaute „Michel-Stellung“ führen soll, soll allerdings erst zum Tragen kommen, wenn die Lage keine Verteidigung des Bogens mehr erlaubt.
CHANCENLOS: Generalleutnant Georg Fuchs und seine Armee-Abteilung C sind den amerikanisch-französischen Truppen zahlenmäßig weit unterlegen, dennoch gelingt ein weitgehend geordneter Rückzug der deutschen Verbände. Foto: Archiv CLAUSEWITZ
Ungleiche Kräfte Dessen strategischer Bedeutung sind sich auch die Alliierten bewusst. Bereits am 24. Juli 1918 vereinbaren die Oberbefehlshaber der verbündeten Armeen, die Generäle Pétain, Haig und Pershing unter der Führung des alliierten Oberbefehlshabers Ferdinand Foch den Angriff auf die deutschen Stellungen und die Wegnahme des Bogens von St. Mihiel. Die Operation soll erstmals in alleiniger Verantwortung von den amerikanischen Verbänden ausgeführt werden. Die eigens zusammengestellte 1. US-Armee unter der Führung von John Pershing soll dabei
von französischen Truppen unterstützt werden. Für den Sturm auf die deutschen Positionen verfügt Pershing über eine deutliche materielle und personelle Überlegenheit gegenüber seinem deutschen Gegenspieler. Während die 1. US-Armee auf 14 InfanterieDivisionen, 2.800 Geschütze, 1.200 Flugzeuge und rund 300 Tanks zurückgreifen kann, stehen Fuchs lediglich sechs deutsche und eine österreichisch-ungarische Infanteriedivision zur Verfügung. Viele Einheiten der Mittelmächte setzen sich aus Landwehrmännern oder Reservisten zusammen. Desertionen, vor allem durch Soldaten aus Elsass-Lothringen, sind an der Tagesordnung. Die Sollstärke der Verbände wird beinahe überall unterschritten. Auch auf ausreichende Artillerie- und Flugzeugunterstützung muss die Armee-Abteilung C verzichten. Hinter der Front postierte Reserven unterstehen dem direkten Befehl der
Auf verlorenem Posten Georg Fuchs Der 1856 in Danzig geborene Fuchs tritt mit 21 Jahren in die Armee ein und absolviert dort rasch eine Bilderbuchkarriere. Er besucht die Kriegsakademie und wird anschließend mehrmals in den Generalstab nach Berlin versetzt. Auch in größeren Verbänden leistet Fuchs mehrfach Stabsdienste. Kurz vor Kriegsbeginn wird Foto:Xxxxxxxxxx ihm im unter gleichzeitiger Beförderung zum Generalleutnant das Kommando der 16. Division in Trier übertragen. Bei
Kriegsausbruch obliegt seiner Division die wichtige Aufgabe, das Großherzogtum Luxemburg zu besetzen und die dortigen Bahnlinien unversehrt zu übernehmen. Im Verlauf des Krieges bleibt Fuchs stets an der Westfront und übernimmt das Kommando über verschiedene Reservekorps. Im März 1917 erhält er schließlich den Befehl über die Armee-Abteilung C im Raum zwischen Maas und Mosel, den er bis November 1918 behält. Bei Kriegsende führt Fuchs neben seiner Abteilung auch die 5. Armee aufs Reichsgebiet zurück, um anschließend aus dem Dienst auszuscheiden. Er stirbt 1939.
Störender Frontbogen SIEGREICH: General John Pershing behält in der Schlacht bei St. Mihiel mit seinen US-Truppen die Oberhand.
In komfortabler Situation John J. Pershing
Foto: picture-alliance/ASSOCIATED PRESS
Obersten Heeresleitung (OHL) und sind räumlich zu weit von der Front entfernt, um schnell eingreifen zu können. Demgegenüber kann Pershing auch auf die Hilfe von vier französischen Kolonialdivisionen bauen.
Detaillierte Planung Die Befehlshaber der USTruppen beginnen Anfang September mit der detaillierten Planung. Demnach soll der Angriff auf den Frontvorsprung aus drei Richtungen stattfinden. Während der Hauptstoß durch zwei Armeekorps von Süden her vorgetragen werden soll, soll ein Armeekorps aus dem Nordwesten die andere Frontseite der Deutschen angreifen. Beide Stoßkeile sollen bei Hattonville zusammentreffen. Den französischen Verbänden ist dabei die Aufgabe zugedacht, den Bogen an der Spitze bei St. Mihiel einzudrücken und die Stadt zu nehmen. Pershing und der französische Befehlshaber Pétain planen so die Vernichtung der deutschen Truppen innerhalb des Frontvorsprungs, um anschließend Vorstöße in Richtung Mezières und Metz vornehmen zu können. Auch die deutschen Eisenbahnverbindungen zwi-
Der Befehlshaber der US-Truppen im Ersten Weltkrieg wird 1860 geboren und avanciert rasch zum Kommandeur. Obwohl Pershing ursprünglich keine militärische Laufbahn einschlagen will, zeichnet der Besuch der Militärakademie in Westpoint seinen späteren Lebensweg vor. Im Anschluss an seine Ausbildung nimmt Pershing an ersten kriegerischen Auseinandersetzungen im mexikanischen Grenzgebiet teil. Auch in den Indianerkriegen wirkt er mit. Als Kavallerist führt er unter anderem afroamerikanische Soldaten, was zu seinem Spitznamen „Black Jack Pershing“ führt. Pershing erhält die unterschiedlichsten Kommandos. Nach dem Kriegseintritt der USA im April 1917 ernennt ihn Präsident Wilson zum Oberbefehlshaber der American Expeditionary Forces in Frankreich. Dort macht Pershing sich einen Namen als durchsetzungsfähiger und umsichtiger Stratege. Bereits kurz nach Kriegsende entsteht ein Heldenmythos um den General, dem 1919 aufgrund seiner Leistungen der Rang eines „General of the Armies of the United States“ verliehen wird. Noch bis 1924 leistet er seinen Dienst, für drei Jahre sogar als Generalstabschef. 1948 stirbt Pershing in Washington.
schen Metz und Sedan sowie die Kohlevorkommen im Becken von Briey stellen verlockende Ziele für die Alliierten dar. Der zunächst für den 10. September 1918 vorgesehene Beginn der Operationen muss jedoch um zwei Tage verschoben werden, da sich der amerikanische Truppenaufmarsch verzögert. Um die
Deutschen über die wahren Angriffsabsichten im Unklaren zu lassen, haben die USTruppen bereits mit Ablenkungsmaßnahmen begonnen. Doch trotz dieser Aktionen rechnet die deutsche OHL mit feindlichen Operationen im Bereich des Frontvorsprungs. Anders als tatsächlich von den Alliierten geplant, glaubt man im Großen Hautquartier in Spa jedoch nur an eine Offensive aus dem Süden. Diese will man mit einem ei-
ZURÜCK VON DER FRONT: Eine US-PionierEinheit zieht nach ihrem Einsatz durch die Ortschaft Nonsard, September 1918. Foto: picture-alliance/akg-images
Clausewitz 1/2015
37
Schlachten der Weltgeschichte | St. Mihiel 1918 ENTWAFFNET: Eine Kolonne deutscher Kriegsgefangener, die sich am ersten Tag der US-Offensive dem Gegner ergaben, in einer ostfranzösischen Ortschaft. Foto: picture-alliance/DoD/picture-alliance/newscom
genen Schlag zuvorkommen. Seit dem 9. September mehrten sich jedoch die Meldungen eines umfangreicheren amerikanischen Angriffs, der ein deutsches Unternehmen zu riskant erscheinen lässt. Die Heeresgruppe Gallwitz, der die Armee-Abteilung C
schuss beginnt, werden die deutschen Truppen vollkommen überrascht. Ihre Artillerie – ohnehin zu schwach für die Abwehr eines großangelegten Sturms – befindet sich bereits auf dem Marsch und stellt für die USGeschütze daher ein leichtes Ziel dar. Schnell
„Franzosen und Amerikaner griffen gestern den Bogen von St. Mihiel […] an. In Erwartung dieses Angriffs war die Räumung des der beiderseitigen Umfassung ausgesetzten Bogens seit Jahren ins Auge gefasst und seit Tagen eingeleitet worden.“ Auszug aus dem Deutschen Heeresbericht vom 13. September 1918
untersteht, bittet daher bei der OHL um die Erlaubnis, „Loki“ einleiten zu dürfen. Die Oberste Heeresleitung genehmigt dies. Am 11. September beginnen daher die deutschen Verbände mit Vorbereitungen für den Rückzug in die „Michel-Stellung“. Als erstes werden die Artillerieverbände für eine Verlegung bereit gemacht.
Heftiger Feuerschlag Als dann am 12. September der amerikanische Südangriff um 2:00 Uhr nachts bei strömendem Regen mit heftigem Artilleriebe-
38
brechen die deutschen Funk- und Telefonverbindungen im gegnerischen Kanonenfeuer zusammen. Zudem verschießen die amerikanischen Geschütze auch Gas- und Ne-
Literaturtipps James H. Hallas: Squandered Victory. The American First Army at St. Mihiel, Westport 1995. W. Volkart: St. Mihiel 1918, in: Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 121 (1955), S. 677–690.
belgranaten und lähmen damit die Verteidiger. Um 6:00 Uhr morgens beginnt der Angriff der amerikanischen Infanterie, umgangssprachlich „Doughboys“ („Teigjungen“) genannt. Ihr Vorstoß wird vor allem durch etwa 300 Tanks unterstützt. Doch viele der gepanzerten Fahrzeuge fahren sich aufgrund des aufgeweichten Bodens fest und fallen aus.
Amerikaner erleiden Verluste Die noch unerfahrenen US-Soldaten stürmen zunächst in geschlossenen Kolonnen auf die deutschen Stellungen zu und erleiden schwere Verluste. Erst nach und nach gehen sie zu offenen Formationen über. Der Einsatz von Flammenwerfern erleichtert das Vorankommen zusätzlich. Das massive Artilleriefeuer und die drückende Überlegenheit des Gegners lassen einen Kampf aus deutscher Sicht ohnehin bald hoffnungslos erscheinen. Nur kurzzeitig gelingt es der 77. Reservedivision, die Amerikaner aufzuhalten. Sie muss schließlich völlig ungeordnet den Rückzug antreten. Bei Generalleutnant Fuchs herrscht zu diesem Zeitpunkt noch Optimismus. Er plant mithilfe der OHL-Reserven sogar einen Gegenschlag. Doch die weiteren Erfolge des Gegners lassen ein derartiges Unternehmen unsinnig erscheinen. Unterstützt wer-
„Säuberung” des Stachels
IN DER VERANTWORTUNG: Max von Gallwitz, FESTGEFAHREN: Ein im östlichen Abschnitt des Frontbogens von St. Mihiel steckengeblieseit 1918 Oberbefehlshaber der „Heeresgrupbener alliierter Tank wird von US-Soldaten begutachtet. Auch die materielle Überlegenheit pe Gallwitz“. Foto: picture-alliance/dpa©dpa Bilderdienste der Alliierten ist enorm. Foto: picture-alliance/akg-images
den die US-Soldaten dabei auch umfassend aus der Luft. Die alliierten Flugzeuge haben den ausdrücklichen Befehl, mittels Bombenabwürfen und Maschinengewehrfeuer in die Erdkämpfe einzugreifen. Die Tieffliegerattacken sorgen bei den zurückflutenden deutschen Einheiten zum Teil für Panik und Desorganisation. Um 9:00 Uhr des 12. September 1918 beginnt auch der amerikanische Westangriff. Hier erweist sich der Widerstand als noch geringer, der Rückzug der deutschen Truppen jedoch als geordneter. Auch die eigens an die Westfront beförderten k.u.k. Truppen vermögen es nicht, die US-Soldaten aufzuhalten. Fuchs bemüht sich in der Folgezeit, den „Loki“-Befehl an alle seine Einheiten
FAKTEN
weiterzuleiten. Der umfassende deutsche Rückmarsch setzt ein. Bereits am 13. September erreichen erste deutsche Verbände die vorbereitete „Michel-Stellung“. Noch am selben Tag erobern französische Kolonialtruppen die Stadt St. Mihiel, die sie vier Jahre lang vergeblich belagerten. Auch vereinigen sich die beiden amerikanischen Angriffskeile bei Hattonville – eine wichtige alliierte Zielsetzung ist damit erreicht. Doch anders als auf alliierter Seite geplant, schafft es der Großteil der deutschen Soldaten, der gegnerischen Umfassung auszuweichen. Am 14. September beginnen die alliierten Verbände mit der letzten „Säuberung“ des ehemaligen Frontbogens. Auch erste zaghafte Angriffe auf das Vorfeld der deutschen
Die Gegner im Überblick Deutsches Kaiserreich Sicherer Rückzug in die „Michel-Stellung“; Verzögerung des alliierten Vormarschs
Alliierte Eroberung des Frontbogens von St. Mihiel; Einkesselung und Zerschlagung der gegnerischen Truppen
Oberbefehl
OHL (Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff); Max von Gallwitz (Heeresgruppe Gallwitz)
Ferdinand Foch (Alliierter Oberbefehlshaber der Westfront)
Einsatzverbände
Armee-Abteilung C (Georg Fuchs), bestehend aus sechs deutschen und einer k.u.k. Division
American Expeditionary Forces (AEF), bestehend aus der 1. US-Armee (John J. Pershing) mit 14 amerikanischen und vier französischen Divisionen
Truppenstärke
circa 80.000 Mann, 560 Geschütze, 200 Flugzeuge
circa 400.000 Mann, 2.800 Geschütze, 1.200 Flugzeuge, 300 Panzer („Tanks“)
Verluste
etwa 6.500 Gefallene und Verwundete, circa 15.000 Gefangene
etwa 7.000 Gefallene und Verwundete
Ziel
Clausewitz 1/2015
„Michel-Stellung“ bringen rasch erste Einbrüche. Doch gelingt es den deutschen Verteidigern, die nunmehr um zwei Drittel kürzere Front zu halten. Nach den ersten überraschenden Rückschlägen und den ungeordneten und panikartigen Rückzügen kann die deutsche Seite damit einen geringen Erfolg für sich verbuchen.
Bestandene Feuertaufe Doch obwohl die Armee-Abteilung C ihrer Vernichtung entgehen konnte, ist man im Großen Hauptquartier und bei der Heeresgruppe Gallwitz selbstkritisch: Eine frühere Räumung des exponierten Bogens hätte zahlreiche Menschenleben gerettet und Materialreserven geschont. Auf alliierter Seite kann man mit dem Ausgang der Operation zufrieden sein. Eine direkte Bahnverbindung von Paris nach Verdun, Nancy und Toul ist nun wieder möglich. Für weitere Angriffe Richtung Metz verfügt man zudem über eine geeignete Ausgangsbasis. Dennoch verhindert das teilweise zögerliche Vorgehen der 1. US-Armee einen größeren Erfolg, da die Einkesselung der Armee-Abteilung C misslingt. Trotz der Verluste von 6.500 Soldaten führt der erste eigenständig erfochtene amerikanische Sieg zu einer Steigerung des Selbstwertgefühls der „Doughboys“. Mit der Wegnahme des Bogens von St. Mihiel haben die US-Verbände gegenüber Freund und Feind ihre Kampftüchtigkeit unter Beweis gestellt. Lukas Grawe, M.A., Jahrgang 1985, Historiker aus Münster.
39
Militärtechnik im Detail
Große, böse Raubkatze
Illustration: Jim Laurier
Der schwere deutsche Panzer „Tiger I“ Der alliierte Oberkommandierende General Dwight D. Eisenhower passiert einen ausgeschalteten „Tiger“ in Chambois in Frankreich im August 1944. Das Fahrzeug hat beide Ketten verloren. (Zum Größenvergleich: Eisenhower war etwa Foto: National Archives 1,75 m groß.)
K
onzipiert war der „Tiger I“, um den mittleren und schweren Kampfpanzern der Sowjets, die von Beginn der Operation Barbarossa SS- und Wehrmachtspanzerbesatzungen die Stirn boten, etwas entgegen zu setzen. Entwickelt wurde er, um die feindlichen Linien zu durchstoßen, Artilleriestellungen aufzurollen und feindliche Panzerkräfte zu vernichten. Dieses Monstrum wog 60 Tonnen. Mit seinem Gewicht sollte er die Tragkraft vieler Brücken überfordern. Daher waren die ersten 495 gebauten „Tiger I“ mit einem komplizierten Schnorchel-System ausgestattet, dass es dem Ungetüm in begrenztem Maße gestattete, seine Fahrt auch unter Wasser fortzusetzen. Der Bau eines dieser Kolosse verschlang 300.000 Arbeitsstunden. Daher erklärt sich auch die geringe Gesamtproduktion von nur 1.347 Fahrzeugen. SS-Hauptsturmführer Michael Wittmann, dessen Fahrzeug hier abgebildet ist, besuchte sogar einmal das Henschelwerk in Kassel, um die dortigen Arbeiter anzuspornen. Anlässlich dieses Termins zu Propagandazwecken nahm er ein Maßstabsmodell eines „Tiger I“ entgegen. Assen wie Wittmann und seiner eingespielten Besatzung gelang es, die ehrfurchtgebietenden Kampfmaschinen mit mörderischer Effizienz zu bedienen.
„Flak“ zu Fuß Die 8,8-Zentimeter-Kampfwagen-Kanone war eine modifizierte 8,8-Zentimeter-Flugabwehrkanone. Ein „Tiger I“ führte 92 Schuss Munition mit sich. Als Sekundärbewaffnung dienten ihm zwei 7,92Millimeter-Maschinengewehre vom Typ MG34 mit insgesamt 5.850 Schuss.
Schwer gepanzert Die Turmpanzerung des „Tiger I“ betrug an der Kanonenblende 110 Millimeter Nickelstahl, an der Turmfront 100 Millimeter, an der Turmseite 80 Millimeter, am Turmheck 80 Millimeter und an der Turmdecke 25 Millimeter. Die Wanne war an der Wannenfront mit 100 Millimeter, an der Wannenseite (Aufbau) mit 80 Millimeter, an der Wannenseite unten (Laufwerk) mit 60 Millimeter, am Wannenheck mit 80 Millimeter und am Wannenboden mit 25 Millimeter Nickelstahl gepanzert.
Michael Wittmann zerstörte in 15 Minuten in Villers-Bocage 14 alliierte Panzer, 15 Halbkettenfahrzeuge und zwei Panzerabwehrkanonen mit seinem „Tiger“. Foto: ullstein bild
Behelfspanzerung Die Besatzungen hängten Ersatzkettenglieder als zusätzlichen Panzerschutz an den Wannenbug und die Turmseiten.
DIE KONKURRENTEN: Der russische KV-1 Besatzung: 5 Mann Höchstgeschwindigkeit: zirka 35 km/h Gewicht: 43,5 Tonnen Reichweite: circa 340 Kilometer (Straße), 200 Kilometer (Gelände) Bewaffnung: 76,2-Millimeter-Kanone, 3 oder 4 7,62-Millimeter-MG Produktionszahl: 5.219 Stück Der KV-1 war nach dem Kommissar für Verteidigung Kliment Voroshilov benannt und inspirierte das deutsche Entwicklungsprogramm, das den „Tiger I“ hevorbrachte.
40
Der russische IS-2 Besatzung: 4 Mann Höchstgeschwindigkeit: circa 37 km/h (Straße), 19 km/h (Gelände) Gewicht: 46 Tonnen Reichweite: zirka 240 Kilometer (Straße), zirka 210 Kilometer (Gelände) Bewaffnung: 122-Millimeter-Kanone, 1 12,7-Millimeter-MG und 3 7,62-Millimeter-MG Produktionszahl: 3.854 Stück Benannt war der IS-2 nach dem sowjetischen Diktator Joseph Stalin. Der IS-2 bildete die Speerspitze des sowjetischen Angriffs auf Berlin, der zum endgültigen Fall des „Dritten Reiches“ führte.
Arbeitsteilung Henschel, vor dem „Dritten Reich“ ein Lkw- und Lokomotivhersteller, baute das Fahrgestell und die Unterwanne, mit dem man Porsche aufgrund des günstigeren Designs ausgestochen hatte. Krupp baute dagegen die Hauptwaffe und den zwölf Tonnen schweren Turm.
Die „Wunderpampe“ Um sich gegen magnetische Haftladungen zu schützen, trug der „Tiger“ einen zirka 220 Kilogramm schweren Überzug aus „Zimmerit“. Auf diesem Mix aus Bariumsulfat (40 Prozent), Polyvenylacetat (25 Prozent), Ockerpigment (15 Prozent), Zinksulfid (10 Prozent) und Sägemehl (10 Prozent) sollten magnetische Haftminen keinen Halt finden.
Der Motor Der Zwölfzylinder-Maybach-Motor verlieh dem „Tiger I“ auf der Straße eine Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h und im Gelände von zirka 20 km/h. Sein 540Liter-Kraftstoffvorrat verlieh dem Panzer eine Reichweite auf der Straße von zirka 120 Kilometer und im Gelände von etwa 70 Kilometer.
Innenraum Die fünf Besatzungsmitglieder verfügten über einen verhältnismäßig geräumigen Kampfraum.
Wendig Der Wenderadius des „Tigers“ lag deutlich unter vier Metern. Wenn er die Ketten jeweils in entgegengesetzte Richtung laufen ließ, konnte der Fahrer seinen „Tiger“ buchstäblich auf dem Fleck drehen.
Clausewitz 6/2014
In dieser Serie bereits erschienen: Kampfpanzer Sherman M4 (2/2013) Flugzeugträger Independent-Klasse (3/2013) Deutsches Schnellboot Typ S-100 (3/2013) Maschinengewehr (MG) 42 (4/2013) Amerikanische Haubitze M2A1 (5/2013) Fairey Swordfish (6/2013)
Russischer Kampfpanzer T-34/76 (1/2014) Japanischer Jäger A6M Zero (1/2014) Heinkel He 111 (2/2014) Amerikanischer Lastwagen GMC 6x6 (3/2014) Kleinst-U-Boot Typ 127 „Seehund“ (4/2014) Deutsches Kettenkraftrad HK 101 (5/2014) Britischer Lancaster Bomber (6/2014)
41
Schlachten der Weltgeschichte
Die Invasion in der Schweinebucht 1961
Kubas „D-Day“ April 1961: Es war ein Duell, wie es ungleicher nicht sein könnte. Die Supermacht USA gegen den Winzling Kuba. Als die Amerikaner eine Invasion planen, bleibt Fidel Castro nur eine Chance: Er muss darauf spekulieren, dass seine Feinde über ihre eigenen Füße stolpern. Von Stefan Krüger
A
ls die Sonne über Hawaii aufgeht, verspricht sie einen wunderschönen Sonntag. Ihre warmen Finger kitzeln peu à peu die schläfrigen Soldaten aus ihren Betten, von denen viele gleich zum Strand gehen. Lediglich das anschwellende Gebrumm und Geheule der Flugzeuge stört die Idylle. Eine Fliegerübung am Sonntag? Dass es keine Übung ist, merken die Amerikaner an diesem 7. Dezember 1941 erst, als die Japaner ihre Bomben ausklinken und der USPazifikflotte einen beinahe tödlichen Schlag
versetzen. Amerika steht unter Schock. Präsident Roosevelt spricht von einem „Tag der Schande“. Diese Bezeichnung ist sehr bemerkenswert, weil sie zwei Lesarten erlaubt. Es ist zum einen Schande, dass das Kaiserreich Japan die Amerikaner im Frieden überfällt, zum anderen aber ist es auch eine Schande, dass die Vereinigten Staaten sich haben überfallen lassen. So etwas, dies war die Lehre des
NUR NOCH SCHROTT: Die Invasion in der Schweinebucht scheitert vor allem in der Luft. Hier liegt eine ausgebrannte Douglas B-26 „Invader“ auf dem strategisch wichtigen Flugplatz Girón. Foto: picture alliance/AP
42
Zweiten Weltkrieges, darf nie wieder passieren. Nie wieder sollen die Feinde Amerikas das „Land of the Free“ überrumpeln. Insofern liegt es nahe, das Office of Strategic Services (OSS), das man eigentlich nur für die Dauer des Krieges als provisorischen Geheimdienst ins Leben gerufen hat, dauerhaft im Staatsapparat zu verankern. Präsident Truman aber, der seit 1945 im Amt ist, bereitet das große Bauchschmerzen. Eine „Mantel- und Degen-Abteilung“ passt nicht in das Bild, das er von seinem Land hat.
Doch wie sollen sich die USA im globalen Machtkampf mit der Sowjetunion behaupten, wenn ihnen kein Nachrichtendienst zur Verfügung steht? Es geht also um die Frage: „Freiheit oder Sicherheit?“, und die US-Regierung entscheidet sich für letzteres. Die Central Intelligence Agency (CIA) schlüpft schließlich 1947 aus dem Ei und tritt somit die Nachfolge des OSS an. Die neue Behörde zeichnet sich mit der Sowjetunion schnell ein klares Feindbild und vertritt die Ansicht, dass sie es mit einem skrupellosen und entschlossenen Gegner zu tun habe. Damit liegt die CIA gewiss nicht falsch, nur zieht sie daraus die fatale Konsequenz, dass auch die Vereinigten Staaten rüde Methoden anwenden müssen, um nicht ins Hintertreffen zu geraten. Was das konkret heißt, zeigt die „Agency“ erstmals 1954 in Guatemala in aller Deutlichkeit – es soll die Blaupause für die Invasion Kubas 1961 werden.
Fruit Company, die sehr viel Geld dort investiert und damit die Plantagenwirtschaft entscheidend vorantreibt. Der Nachteil: Große Teile der einheimischen Bevölkerung bleiben von Fortschritt und Wohlstand ausgeschlossen. Arm und verbittert sehen sie, wie die
KARTE
kostbaren Ackerflächen mehr und mehr in den Besitz der Großgrundbesitzer und des US-Konzerns übergehen. Präsident Jacobo Arbenz dreht daher Anfang der 1950er-Jahre das Rad der Geschichte zurück und ordnet eine Agrarreform an –
Invasion in der Schweinebucht
Staatsstreich „Made in USA“ Der mittelamerikanische Staat Guatemala hat sich 1821 von der spanischen Kolonialherrschaft befreit und modernisiert sich fortan in kleinen Schritten. Hilfreich ist auch das Engagement der amerikanischen United
Abb.: picture-alliance/dpa-Grafik
Kuba Truppenstärke: 25.000 Mann reguläre Armee 200.000 Mann Miliz 9.000 Mann Polizei Verluste: 176 Tote, 500 Verwundete (Miliz und Polizei haben rund 4.000 Mann an Toten und Verwundeten zu beklagen.)
Brigade 2506 Truppenstärke 1.500 Mann 2 CIA-Agenten Verluste: 118 Tote, 360 Verwundete, 1.202 Gefangene
Clausewitz 1/2015
43
Schlachten der Weltgeschichte | Kampf um Kuba
UNENTSCHLOSSEN: Kennedy stimmt zwar dem CIA-Vorschlag zu, agiert aber äußerst zögerlich. Seine Ermordung beflügelt Verschwörungstheoretiker bis heute – Castro, die Mafia, die Sowjets und sogar die CIA werden als Anstifter aufgezählt. Abb.: picture alliance/Everett Collection
SCHNELLE AUSBILDUNG: Dieses Foto aus einem Militärcamp entsteht kurz vor der Invasion. Das unzureichende Training durch die CIA ist einer der Gründe für das Scheitern der Operation. Abb.: picture-alliance/United Archives/TopFoto
zu Lasten der Großgrundbesitzer. Es ist unklar, inwieweit die United Fruit Company die US-Regierung beeinflusst hat, und man sollte sich vor Klischees hüten. Entscheidend ist, dass den USA nach dem Fiasko in Korea (1950–1953) eine neue außenpolitische Niederlage droht, wenn Guatemala weiter Richtung Planwirtschaft und Sozialismus driftet. Denn wenn dies Schule macht, so die Logik der Truman-Doktrin, könnten auch andere lateinamerikanische Staaten diesen Weg einschlagen. Am Ende, so die Befürchtung, entsteht ein ganzer Block von
Staaten, der der Sowjetunion ideologisch näher steht als den USA. Truman ermächtigt daher die CIA, einen Staatsstreich durchzuführen. Der Geheimdienst kratzt sodann ganze 400 oppositionelle Guatemalteken zusammen und bildet sie im Ausland aus. Im Grunde ist die Aktion zum Scheitern verurteilt, doch als sie im Juni 1954 beginnt, bestürmt die Armee ihren Präsidenten zurückzutreten. Die Offiziere fürchten eine US-Intervention für den Fall, dass sie die „Putschisten“ erfolgreich zurückschla-
Populärer Präsident der USA John F. Kennedy John Fitzgerald Kennedy wird 1917 mit dem sprichwörtlichen silbernen Löffel im Mund geboren. So erlaubt ihm der Reichtum des Vaters eine vorzügliche Ausbildung. Schwer zu schaffen macht ihm hingegen seine schlechte Gesundheit. Aus diesem Grund wird er 1941 beim Militär zunächst abgelehnt, ehe er der Marine beitreten kann. Als Kommandant eines Schnellbootes kehrt er als Kriegsheld 1945 wieder ins Zivilleben zurück. Vor allem auf Wunsch
seines Vaters versucht er, sich in der Politik zu etablieren. Ein erster Höhepunkt ist seine Wahl zum Senator von Massachusetts 1952, ehe er als demokratischer Kandidat die Präsidentschaftswahl des Jahres 1960 gewinnt. Als Präsident leitet er im Inneren Reformen ein, während außen der Konflikt mit dem Ostblock im Vordergrund steht. Nach dem Debakel in der Schweinebucht untersagt er zwar weitere CIA-Operationen dieser Art, doch rückt er nicht davon ab, den Einfluss der Sowjetunion einzudämmen. So gelingt es ihm, die Stationierung von Atomwaffen auf Kuba zu verhindern. Kennedy fällt am 22. November 1963 in Dallas einem Attentat zum Opfer.
Korruption und Krieg in Kuba gen. Dies hat Truman zwar keineswegs geplant, doch Arbenz legt sein Amt nieder – die CIA hat gesiegt, es war wohl einer ihrer größten Erfolge. Für Guatemala allerdings haben dunkle Jahre begonnen mit einem verheerenden Bürgerkrieg, der Zehntausende von Menschen das Leben kostet. Keine 1.000 Kilometer nordöstlich von Guatemala liegt die Zuckerinsel Kuba. Und hier, im Vorhof der USA, scheint sich die tragische Geschichte Guatemalas zu wiederholen.
Kubanischer Kapitalismus Das vermeintliche Tropenparadies hat erst 1898 seine Unabhängigkeit von Spanien errungen – mit Hilfe der USA, die sich zunächst als wohlwollender Hegemon präsentieren. Der Preis aber ist hoch: Der übermächtige Nachbar übernimmt mehr und mehr die Kontrolle über die kubanische Volkswirtschaft, und bis 1945 gehören ihm 40 Prozent der Zucker- und kolossale 90 Prozent der Rohstoffindustrie. Kuba verkommt nun mehr und mehr zu einem Land, in dem sich Konzerne und Mafia nach Herzenslust austoben können, ohne dabei von den „lästigen“ US-Gesetzen gestört zu werden. Möglich macht dies Präsident Fulgencio Batista, der das Land seit 1952 regiert. Anfangs genießt er durchaus große Sympathien im Volk, da er vorgibt, genau die Dinge zu bekämpfen, die später zu seinem Markenzeichen werden: Korruption und Vetternwirtschaft. An die Macht gelangt ist er durch einen Militärputsch gegen den unbeliebten Präsidenten Carlos Prío, dem Batista und seine Verbündeten vorwarfen, käuflich zu sein. Kaum aber hat Batista ihn aus dem Amt gejagt, setzt er die Verfassung von 1940 außer Kraft, die jedem Kubaner grundlegende Rechte gewährt und das Land einst zu einem der fortschrittlichsten Staaten Lateinamerikas gemacht hat. Fortan regiert er den Staat diktatorisch und verfolgt die Opposition, die US-Konzerne aber lässt er gewähren. Zum Dank rüsten die USA seine Armee auf und sichern somit seine Macht.
Herrscher über Kuba für ein halbes Jahrhundert Fidel Castro Genau wie John F. Kennedy kommt Fidel Castro als Sohn eines vermögenden Vaters zur Welt. Als Geburtsdatum galt offiziell 1926, doch wird Castro eigentlich 1927 geboren. Sein Vater hat die zuständigen Beamten bestochen, um seinen Sohn ein Jahr älter zu machen, sodass dieser schon 1941 das Jesuitenkolleg besuchen kann. Ab 1945 studiert er Jura, promoviert 1950 und arbeitet als Rechtsanwalt. Zugleich wird er auch politisch aktiv und tritt der orthodoxen Partei bei, als deren Mitglied er sich 1953 zur Wahl stellt. Da sich Batista im selben Jahr an die Macht putscht, fällt die
MULTITALENT: Der spanischstämmige Castro ist Politiker, Revolutionär und Guerillaführer. Der „Höchste Führer“ ist außerdem für seine ausufernden Reden bekannt, die mehrere Stunden dauern können. Abb.: picture alliance/AP
In dieser Situation stößt ein neuer Spieler hinzu, der sich das ehrgeizige Ziel gesetzt hat, das Batista-Regime zu beseitigen: Fidel Castro. Der charismatische Anführer der Rebellenbewegung „26. Juli“, der Name nimmt Bezug auf das Geburtsdatum eines kubani-
„Wenn ich auf solche Knöpfe drücke, bin ich mir nie sicher, ob ich das Projekt in Gang setze oder Massachusetts in die Luft jage.“ John F. Kennedy, 35. Präsident der USA
Der Diktator aber überreizt sein Blatt. Er bereichert sich immer ungenierter, was die Vereinigten Staaten in Verlegenheit bringt. Denn auf Kuba ist nun eine Abart des Kapitalismus entstanden, vor der die Herrn des Kreml in Moskau so beharrlich warnen.
Clausewitz 1/2015
Wahl aus, worauf Castro in den Untergrund geht. Zusammen mit anderen Rebellen stürmt er am 26. Juli 1953 erfolglos eine Kaserne, und im Herbst 1953 wird er verhaftet. Bereits 1955 kommt er im Rahmen einer Generalamnestie frei und setzt den Kampf im Untergrund fort. So baut er eine Rebellenarmee im mexikanischen Exil auf, die sich schließlich nach einem zähen Guerillakampf bis 1959 durchsetzt. Vor allem dank sowjetischer Unterstützung übersteht Kuba die Blockade durch die USA, sodass Castro das Land 49 Jahre regieren kann, ehe er sich mit 79 allmählich aus der Politik zurückzieht.
schen Freiheitshelden, hat zunächst einen schweren Stand gegen die Armee des Regimes. Die Kubaner aber laufen schließlich in Scharen über, und Anfang 1959 flieht der gescheiterte Präsident Batista schließlich aus dem Land.
Es scheint auf den ersten Blick erstaunlich, dass die Amerikaner nichts unternehmen, um Castro aufzuhalten, obwohl dies Ende der 1950er-Jahre mit noch vergleichsweise wenig Aufwand möglich gewesen wäre.
Castros Coup Man muss sich allerdings vor Augen führen, dass der „Máximo Líder“ anfangs noch ein recht unbeschriebenes Blatt ist. So gehörte er ursprünglich nicht etwa der kommunistischen, sondern der orthodoxen Partei an. Die einzig überzeugten Kommunisten in seinem Gefolge sind sein Bruder Raúl und der Argentinier Ernesto „Che“ Guevara. Außerdem propagiert Castro, für die Verfassung von 1940 zu kämpfen – ein legitimes Ziel, das die US-Regierung anerkennen muss, wenn sie nicht unglaubwürdig erscheinen möchte. Somit sieht Washington keinen Grund, Alarm zu schlagen, als Castro
45
Schlachten der Weltgeschichte | Kampf um Kuba die Herrschaft in Havanna antritt. Solange der „Máximo Líder“ ein wenig „Sozialromantik“ versprüht, ansonsten aber die USKonzerne auf Kuba in Ruhe lässt, können die Amerikaner entspannt bleiben. Es dauert kein halbes Jahr, bis Fidel Castro die ersten amerikanischen Großgrundbesitzer enteignet, ohne sie zu entschädigen. Als er dann noch diplomatische Beziehungen zu den Sowjets aufnimmt, ist das Maß voll: Washington verhängt ein Handelsembargo. Die Amerikaner haben vor allem die Ölimporte im Sinn, von denen auch Kuba abhängig ist. Der Sowjetunion spielt dies jedoch in die Hände, denn prompt schließen sie mit dem Inselstaat einen Handelsvertrag ab, in dem sie sich verpflichten, kubanischen Zucker zu kaufen, während sie selbst Öl liefern. Es gibt allerdings ein Problem: Die kubanischen Ölraffinerien befinden sich alle im Besitz ausländischer Konzerne, und auf Druck der US-Regierung weigern sich jene nun, das russische Öl zu verarbeiten. Für einen Moment scheint es so, als ob Washington diese Pokerrunde des Kalten Krieges als Sieger verlässt.
CIA vs. Castro FRONTBESUCH: Castro spricht kurz nach dem gescheiterten Invasionsversuch zu seinen Soldaten, die in der Schweinebucht in heftige Kämpfe verstrickt waren. Abb.: picture-alliance/akg
PROPAGANDA: Die kubanische Regierung behauptete später, dass es sich bei diesem T-34 um einen amerikanischen Sherman handelt, um die USA zu diskreditieren. Foto: picture-alliance/dpa
46
Castro aber spielt nun seinen stärksten, zugleich allerdings auch für ihn gefährlichsten Trumpf aus. Er verstaatlicht bis zum Oktober 1960 sämtliche amerikanischen Betriebe, ohne dass die ursprünglichen Besitzer auch nur einen Cent Entschädigung sehen. Während der Kreml begeistert Beifall klatscht, schäumen die Amerikaner vor Wut: So haben wir nicht gewettet, Fidel! Die CIA ist indes schon früher aktiv geworden. Bereits im Frühjahr 1960 hat sie mit dem Unternehmen „Zapata“ einen Plan ausgearbeitet, der nichts Geringeres als eine Invasion Kubas vorsieht. CIA-Direktor Allen W. Dulles, der zuvor im Übrigen als Rechtsanwalt für die United Fruit Company gearbeitet hat, bedrängt Präsident Eisenhower, endlich aktiv zu werden. Die kubanische Regierung, so argumentiert er, sei von Kommunisten unterwandert. Eisenhower lässt sich überzeugen, doch in den USA stehen im Herbst zunächst Präsidentschaftswahlen an, aus denen John F. Kennedy als Sieger hervorgeht. Die CIA hat inzwischen kubanische Exilanten ausgebildet und einen ersten Invasions-Plan ausgearbeitet, dem der neue Präsident noch zustimmen muss. Kennedy aber zögert. Er und Außenminister Dean Rusk fürchten, dass die USA ihre Glaubwürdigkeit verspielen und sich international angreifbar machen, wenn eine Invasion Kubas stattfindet.
Kennedy unter Druck
SPÄTER FUND: Wrackteile eines amerikanischen B-26-Bombers, die erst 1998 entdeckt werden. Das Flugzeug sollte an der Invasion teilnehmen. Abb.: picture-alliance/dpa
CIA-Chef Dulles erhöht nun den Druck. Er warnt, dass sich der Kommunismus in Lateinamerika weiter ausbreiten wird und die Erfolgsaussichten geringer werden, je mehr Zeit Castro erhält, sich auf eine Invasion vorzubereiten. Er legt schließlich Ende Januar 1961 einen neuen Plan vor, der vorsieht, dass die von der CIA ausgebildete Exilarmee lediglich einen Strandabschnitt im Süden erobert, während Kampfflugzeuge die kubanischen Truppen stören. Die Exilanten müssten währenddessen einen Flugplatz sichern, sodass die CIA eine kubanische „Exilregierung“ einfliegen könnte, die dann die Vereinigten Staaten offiziell um Hilfe bittet.
Invasion oder Isolation? Somit wäre es keine Invasion, sondern lediglich eine Intervention zugunsten einer befreundeten Regierung. Es gibt jedoch auch andere Stimmen. William Fulbright, der Sprecher des außenpolitischen Senatsaus-
FAKTEN
FAHRT INS UNGEWISSE: Diese kubanischen Miliz-Angehörigen befinden sich auf dem Weg in ihre Verteidigungsstellungen an der Schweinebucht. Abb.: picture-alliance/akg-images
schusses, ermahnt seinen Präsidenten eindringlich, auf das Unternehmen zu verzichten. Mit einer Intervention würden die USA jeden Kredit in Lateinamerika verspielen. Er plädiert stattdessen dafür, mit Castro souve-
„Durch ihre Beihilfe zu den Verbrechen und Aggressionen der Vereinigten Staaten gegen Kuba, ist es die Europäische Union nicht wert, von unserem Volk ernst genommen zu werden.“ Fidel Castro
rän umzugehen. Ein „rotes“ Kuba ist gewiss unangenehm, aber keine politische Katastrophe, die Vereinigten Staaten sollten die Insel lediglich isolieren. Kennedy steht vor einer der schwersten Entscheidungen seines Lebens. Um seine Motive zu verstehen, muss man wissen, dass
Die CIA – Zweischneidiges Schwert Amerikas
Die Central Intelligence Agency (CIA) ist der Auslandsgeheimdienst der Vereinigten Staaten von Amerika und entsteht vor dem Hintergrund des aufkommenden Ost-Westkonflikts am 18. September 1947 als Nachfolgeorganisation des Office of Strategic Services (OSS). Bekannt wird die CIA vor allem durch geheimdienstliche Operationen, die das Ziel haben, in lateinamerikanischen Ländern, wie Guatemala 1954 oder Kuba 1961, Regierungsumstürze herbeizuführen. Insbesondere die Unterstützung proamerikanischer Diktaturen bringt die CIA immer
Clausewitz 1/2015
er sich mit einem unausgesprochenen Makel konfrontiert sieht. So belegen seine Äußerungen, dass er große Angst hat, von der politischen Bühne aufgrund seines relativ jungen Alters und seiner geringen Erfahrung
wieder in die Kritik. Eine zweite bedeutende Aufgabe stellen die Spionage-Flüge über dem Territorium der Sowjetunion und Chinas dar, die die CIA in der Regel mit großem Erfolg betreibt. In der Gegenwart ist der Auslandsgeheimdienst massiv am Drohnenkrieg im Rahmen der Terrorismus-Bekämpfung beteiligt. KONTROVERSER GEHEIMDIENST: Die CIA soll Nachrichten beschaffen, Gegenspionage betreiben und Geheimoperationen im Ausland durchführen. Abb.: picture alliance/ ZUMA Press
nicht ernst genommen zu werden. Und wenn er schon mit dem „kleinen“ Castro nicht fertig wird, wie soll er dann erst gegen einen Mann vom Format des Sowjet-Führers Nikita Chruschtschow bestehen?
Angriffsziel: Schweinebucht Im Prinzip befürwortet Kennedy das Unternehmen. Schon allein deshalb, um Entschlossenheit und Härte zu demonstrieren. Er verlangt aber, dass die CIA den Plan noch einmal nachbessert. So sollen die Exilkubaner nicht erst im Morgengrauen an Land gehen, denn dann wären die Schiffe, die sie gebracht haben, gut sichtbar und würden keinen Zweifel daran lassen, dass es sich um eine Invasion handelt. Die „Agency“ gehorcht und legt obendrein einen neuen Landepunkt fest: Die Schweinebucht. Diese abgelegene Sumpflandschaft bietet den großen Vorteil, dass man der Weltöffentlichkeit vorgaukeln kann, es handle sich tatsächlich um eine einheimische Rebellengruppe, die sich hier in den Sümpfen verborgen hält. Um auch die letzten Zweifel bei seinem Chef auszuräumen, behauptet CIA-Direktor Dulles, dass es einen großen Aufstand von Castrogegnern ge-
47
Schlachten der Weltgeschichte | Kampf um Kuba
GESCHEITERT: Dieses Bild zeigt Exilkubaner der Brigade 2506 nach ihrer Gefangennahme durch kubanische Milizen in der Schweinebucht. Alle 1.200 Inhaftierten kommen Ende 1962 durch Warenlieferungen im Wert von 52 Millionen US-Dollar wieder frei. Abb.: picture-alliance/dpa
ben werde, wenn die Invasion erst einmal begonnen habe. Wie er auf diese abenteuerliche These kommt, bleibt allerdings sein Geheimnis. Kennedy gibt nun grünes Licht. Er macht aber zugleich deutlich, dass die US-Armee nicht eingreifen wird, zumindest nicht, solange es keine Gegenregierung gibt, die die Vereinigten Staaten offiziell um Hilfe bittet.
Krieg in der Karibik „D-Day“ ist Montag, der 17. April 1961. Es gibt allerdings noch ein Problem: Castros Luftwaffe. Es handelt sich zwar nur um 36 Maschinen, doch können diese die Invasionstruppen während der Anlandung in große Schwierigkeiten bringen. Daher bombardieren bereits zwei Tage zuvor amerikanische B-26-Bomber kubanische Flugplätze. Die B-26 ist ein völlig veralteter Typ, der schon seit 1945 nicht mehr hergestellt wird. Mit kubanischen Hoheitszeichen versehen, möchte man damit suggerieren, dass es sich um Maschinen von Aufständischen und nicht etwa um US-Flugzeuge handelt. Für die Tarnung ist dies in der Tat hilfreich, für das Ergebnis allerdings weniger: Ganze fünf Maschinen
48
können die B-26 zerstören. Einen weiteren Einsatz untersagt Kennedy, der fürchtet, dass die wahre Identität der Bomber ans Licht kommt. So schaukeln die Exilkubaner, trotz dieses Rückschlags, am 17. April in ihren vier Schiffen der Schweinebucht entgegen. 1.400 Mann sind es. Wie ein späterer Untersuchungsbericht herausfindet, hat die CIA das Unternehmen nur sehr mangelhaft vorbereitet. So sind die Kubaner schlecht ausgebildet und undiszipliniert. Geführt werden sie obendrein von zwei CIA-Agenten, die kein Spanisch sprechen und deren Ignoranz nur noch von der herablassenden Art übertroffen wird, mit der sie die Kubaner behandeln.
Ab 1.00 Uhr morgens geht die Brigade 2506, wie sich dieser bunte Haufen nennt, auch mit gepanzerten Fahrzeugen an Land. Widerstand gibt es kaum, die örtliche Miliz schafft es jedoch, die Armee per Funk zu alarmieren, ehe sie von den Exilanten überrannt wird. Schon wähnen sich die Invasoren siegreich, als mit dem ersten Tageslicht die kubanische Luftwaffe heranbraust. Ihre Raketen schlagen in einen der Truppentransporter ein und beschädigen ihn schwer, sodass die Besatzung ihn aufgeben muss. Mit ihm geht auch ein großer Teil der Ausrüstung und Munition verloren. Der Aufmarsch der kubanischen Bodentruppen kommt jedoch nur schleppend voran. Mit uralten T-34Panzern rumpeln die Revolutionssoldaten Richtung Schweinebucht. Um ihren An-
GEDENKEN: Einer der T-34 der kubanischen Armee im Museum Girón. picture alliance/Alfons Rath
! U NE GESCHEITERTER „D-DAY“: Kubanische Soldaten posieren vor einem erbeuteten Landungsboot der Invasoren. Aufgrund von schwerwiegenden Fehlern bei der Planung und Ausführung des Angriffes scheitert der exilkubanische Putschversuch.
Die CLAUSEWITZ Kiosk-App. Jetzt testen!
Abb.: picture-alliance/dpa
marsch zu behindern, springen Fallschirmjäger der Brigade im Hinterland ab und versuchen, die Zufahrtswege zu blockieren. Die Exilanten müssen die kubanischen Streitkräfte nicht besiegen, dazu sind sie ohnehin nicht in der Lage. Sie müssen lediglich aus den Sümpfen ausbrechen und einen der Flugplätze, wie den von Girón, einnehmen und lange genug halten, bis die CIA die „Exilregierung“ einfliegt, die sodann Washington um Militärhilfe bitten soll.
sogar den Einsatz zweier in Guatemala stationierter US-Jets, die den veralteten B-26 den Weg freischießen sollen. Die US-Flugzeuge sind jedoch nicht zur vereinbarten Zeit am Ort, und Castros Flieger können die B-26 stoppen, wobei sie zwei Bomber abschießen. Die Piloten der US-Jets haben ihre Uhren zwar richtig gelesen, doch haben sie nicht berücksichtigt, dass Kuba in einer anderen Zeitzone liegt als Guatemala.
Keine Revolte gegen Castro
Ohne Luftunterstützung und zudem von Munitionsmangel geplagt, zieht sich die hart bedrängte Brigade zum Strand zurück. Verzweifelt senden sie Hilferuf um Hilferuf an Washington, und auch Dulles bestürmt seinen Präsidenten, US-Truppen zu schicken. Kennedy weigert sich jedoch. Am 19. April ist es vorbei. Die US-Marine kann noch einige Überlebende retten, doch 118 Exilanten sind gefallen. Der Rest streckt die Waffen. Kuba verurteilt diese
Der kubanische Widerstand versteift sich nun allerdings rasch. So drängt die Miliz die Fallschirmjäger nördlich der Landungszone zurück und kämpft damit die Straße zur Schweinebucht frei. Hawker Sea Fury und T-33 versenken derweil ein weiteres Schiff. Doch wie verhält sich die Zivilbevölkerung? Bricht der große Aufstand gegen Castro los, den Dulles prophezeit hat? Mit der Schweinebucht hat sich die CIA ausgerechnet
Ernüchterndes Ende
„Ich räume ein, dass John F. Kennedy ein dynamischer, intelligenter Mensch mit hervorragenden Qualitäten gewesen ist.“ Fidel Castro
eine Region Kubas ausgesucht, in der die Menschen in bitterster Armut leben und die nun tatsächlich zu den Gewinnern der kubanischen Revolution zählen. Es ist somit nicht verwunderlich, dass sie die Revolutionssoldaten unterstützen und nicht daran denken, den in der Schweinebucht gelandeten Exilkämpfer in irgend einer Weise zu helfen. Zwar gelingt es der Brigade noch, den Flugplatz von Girón einzunehmen, doch zieht sich die Schlinge allmählich zu. So marschiert die kubanische Armee mit 25.000 Mann auf, hinzu kommen Polizei und Miliz. Um die Brigade aus ihrer prekären Lage zu befreien, ist für den nächsten Tag ein massiver Luftschlag geplant. Kennedy genehmigt
Clausewitz 1/2015
Einfach kostenlos downloaden und Vorteile genießen: In allen Ausgaben kostenlos probelesen Jede Ausgabe CLAUSEWITZ und CLAUSEWITZ Special zum günstigen ePaper-Vorzugspreis Alle Ausgaben ab Januar 2011 verfügbar Ausgaben auch offline lesen Volltextsuche innerhalb der Ausgabe App für Tablet und Smartphone
Männer zu 30 Jahren Haft, doch tauscht man sie Ende 1962 gegen Medikamente und Lebensmittel aus. Die Geschichte ist damit allerdings noch nicht zu Ende, im Gegenteil. Chruschtschow macht Castro in der Folge ein verhängnisvolles Angebot: Er bietet ihm an, Atomraketen auf Kuba zu stationieren, um das Land so vor einer US-Invasion zu schützen. Der „Máximo Líder“ stimmt zu – und bereitet damit den Weg für eine Krise, die um ein Haar den Dritten Weltkrieg ausgelöst hätte.
Jetzt testen! Stefan Krüger, M.A., Jg. 1982, Historiker aus München.
www.clausewitz-magazin.de/epaper
Militär und Technik
Persönliche Feldausrüstung im Kalten Krieg
Lästige Lebensretter Während des Kalten Krieges: Im Ernstfall wäre die Felddienstausrüstung für die Erdkampftruppen von Bundeswehr und NVA überlebenswichtig. Doch vor allem das Gewicht der Ausrüstungsgegenstände stellt die Soldaten im Gelände vor Probleme. Von Jörg-M. Hormann
N
och viele Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg berichtet meine Mutter vom ersten Kameradschaftstreffen der 9. Panzerdivision in Wien Anfang der 1950erJahre, zu dem mein Vater sie mitnahm. Mit „großem Hallo“ begrüßen die Männer der 9. Panzeraufklärungsabteilung ihren ehemaligen Kompaniechef. Und nach einigen Gläsern Wein wird erzählt: „Wissen Sie liebe Frau Hormann, wir haben Ihren Mann im Stillen oft verflucht und heute sind wir dankbar, denn wir können hier sitzen und feiern. Mein Gott hat er uns buddeln lassen. Bei jedem längeren Fahrzeughalt befahl er uns Männern, sich einzugraben – alles mit dem kleinen Feldspaten,
AUSSTATTUNG FÜR DEN GEFECHTSEINSATZ: Der Waldboden als „Tisch“ für das Kochgeschirr während das Sturmgepäck auf das Schultern wartet, NVA-Grenadiere bei einer Verpflegungspause. Foto: picture-alliance/zb
50
den jeder dabei hatte. Aber dieser Gegenstand wurde wichtiger als vieles andere, was wir an Ausrüstung mitschleppten. Denn, wenn es dann krachte, war die schweißtreibende Arbeit vergessen. Wir waren froh, dass ihr Mann uns in die Erdlöcher und in die Deckung getrieben hat.“
„Wertvoller” Klappspaten Aufgrund dieser Schilderung bekommt bei meiner eigenen Einkleidung Anfang der 1970er-Jahre der Bundeswehr-Klappspaten meine besondere Aufmerksamkeit. Er liegt auf dem Berg von Uniform- und Ausrüstungsteilen, die jeden Rekruten erst einmal ratlos machen.
Mit über 1,5 Kilogramm wiegt er von allen persönlichen Ausrüstungsteilen am meisten und übertrifft den damaligen Stahlhelm M 1A1 (M60) im Gewicht um gut 300 Gramm. Das Ausrüstungsgewicht spielt bei allem, was während der Dienstzeit von den Soldaten durch die Gegend und im Ernstfall im Gefecht mitgeschleppt wird, bis in die Gegenwart hinein eine wichtige Rolle. Die Ursprungsform des später in den deutschen Armeen in Ost und West genutzten Klappspatens führt die Wehrmacht bereits 1938 ein. Er soll den Feldspaten mit festem Stiel ersetzen, der militärisch als „Kleines Schanzzeug“ bezeichnet wird. Der
Fotos (2): Sammlung Jörg-M. Hormann
UNGELIEBT: Einmal anhaben genügte, um den Bw-Kampfanzug „jagdmeliert“ für die restliche Bundeswehrzeit nicht zu mögen. Im Jargon „Filzlaus“ genannt. AUSSTATTUNGSSOLL: Der neue Bundeswehrrekrut inmitten seines „Einkleidungsbergs“ von 1980. Alles musste im Spind untergebracht werden und Vieles wanderte bei „NATO-Alarm“ als Feldausrüstung in die Kampftaschen und an das Feldkoppel.
damalige Feldspaten besitzt einen etwa 30 cm langen Stiel und ein festverbundenes rechteckiges Spatenblatt von rund 20 cm Länge. Seit dem Ersten Weltkrieg wird er nicht nur zum Schanzen beim Grabenbau benutzt, sondern er erweist sich zudem als gefährliche Schlagwaffe im Nahkampf.
Nahkampfwaffe Den Spaten als Nahkampfwaffe beim Kampf Mann gegen Mann erleben deutsche und russische Soldaten auch während des Zweiten Weltkrieges. Auf russischer Seite wird der Nahkampf mit dem Spaten besonders propagiert. Dort als Waffenelement im Nahkampf gesehen, verwundert es wenig, dass die NVA als erstes Spaten-Modell den alten Feldspaten der Wehrmacht mit festem Stiel „verpasst“ bekommt. Beim Marsch stellen sich der Feldspaten und alle folgenden Klappspaten-Modelle am Hosenkoppel – gleich, ob bei Grenadieren der NVA oder der Bundeswehr – als hinderlich heraus. Beim Klappspaten, auch beim späteren Klappspatenmodell der NVA, reduziert sich die Gesamtläge mit umgeklapptem Spatenblatt; zusätzlich kann der Spaten als Hacke eingestellt und benutzt werden. Die US-Amerikaner kopieren zunächst den Wehrmachtsklappspaten, ehe zu Beginn der 1950er-Jahre daraus das „Intrenching Tool Combination“ mit einer zusätzlich ab-
Clausewitz 1/2015
zuklappenden Hackenspitze auf der Spatenrückseite wird. Diesen Klappspaten sollen die ersten Generationen von Bundeswehrsoldaten kennenlernen. Später graben sie sich ihre Deckung mit dem zweifach zu klappenden „Lightweight
Intrenching Tool“ mit D-Griff. Zu den entscheidenden Utensilien der Feldausrüstung im Kalten Krieg zählt die ABC-Schutzausrüstung. Sie soll die Soldaten auf dem Gefechtsfeld vor atomarer, biologischer und chemischer Kontamination bewahren. Für
Feldausrüstung der Bundeswehr/Heer 1975 1 13 2 12 3 11 4 10 5
9
8
6
1 Stahlhelm M 1A1 M62 mit Nackenriemen 2 Koppeltragegestell 3 Trageriemen Schutzmaskentasche 4 Haken am Tragegestell und Gurtschlaufe am Feldkoppel 5 Kleine Kampftasche (Brotbeutel) 6 Trinkflasche mit Trinkbecher 7 Arbeitsanzug Moleskin als Kampfanzug 8 Kampfstiefel (Springerstiefel) 9 Klappspaten mit Futteral 10 Schutzmaskentasche mit ABCSchutzmaske M 65 und Schutzplane 11 Feldkoppelgurt mit fünf Gurtschlaufen aus Aluminium und Gurtschloss 12 Gewehr G3 13 Haken zum Einhaken der Großen Kampftasche
7 Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann
51
Militär und Technik | Feldausrüstung
SCHWEIßTREIBEND: Sich mit dem Feldspaten auf dem Bauch liegend ein Deckungsloch zu graben, gehört zu den ungeliebten Übungen eines Soldaten – wie etwa dieses NVA-Rekruten. Foto: picture-alliance/zb
den sich außerhalb von Fahrzeugen bewegenden Soldaten bezieht sich der Schutz auf das Verhindern des Eindringens giftiger Stoffe in den Körper durch Einatmen oder Hautkontakt.
Überlebenswichtiger Schutz Seit Mitte des Ersten Weltkrieges gehört zur persönlichen Ausrüstung der deutschen Soldaten eine Gas- oder Schutzmaske mit Schraubfilter in der Gasmaskendose als Tragebehältnis. Daran ändert sich auch mit der Gründung der Bundeswehr nichts. Nur die Benennungen wechseln. Aus der „Gasmaske“ der Weltkriege wird Mitte der 1950erJahre die ABC-Schutzmaske auf der Westseite des „Eisernen Vorhangs“. Die Soldaten der NVA haben ihre „Truppenschutzmaske“ am Mann. Im Falle des Einsatzes von chemischen und biologischen Kampfstoffen werden durch die Atemschutzmaske besonders Augen und Atemwege geschützt. In einer Dienstvorschrift der DDR heißt es dazu unter anderem: „Schutzmasken für bewaffnete Organe (NVA – Nationale Volksarmee, MdI – Ministerium des Innern, Volkspolizei, Bereitschaftspolizei und Kampfgruppen der Arbeiterklasse) und Einheiten der Zivilverteidigung (ZV) wurden aus dem sozialistischen Lager eingeführt.“ Dies bedeutet im Klartext: Die DDR-Führung kauft das Atemschutzsystem „SchM-41-M“ der Volksarmee mit weißgrauer Schutzmaske, Atemschlauch und Filterbüchse beim „Großen Waffenbruder“ in der Sowjetunion ein. Die jahrzehntelangen und weltweit anerkannten Erfahrungen bei der Fertigung von Gasschutzmasken durch die deutsche Industrie zeitigt bei der Bundeswehr die Einfüh-
52
rung einer in der Bundesrepublik produzierten ABC-Schutzmaske mit abschraubbaren Filtern gegen unterschiedliche Kampfstoffe – „Dräger M 65“ in wasserdichter Tragetasche lautet die Bezeichnung. Da der moderne Bundeswehrsoldat unter Umständen seine Maske über Stunden tragen muss, können heute die Feldflasche und ein Trinkschlauch angeschlossen werden. In der Hochzeit des Kalten Krieges musste im
Ein ebenfalls besonders wichtiges Utensil der Feldausrüstung ist bei Bundeswehr und NVA als baugleiches Modell vertreten: das „Kochgeschirr“. Das dreiteilige Set zum Erwärmen von Speisen oder zum Abholen derselben bei einer Feldküche hat inzwischen seinen 100. Geburtstag „erlebt“. Als Modell 1910 wird es bei den preußischen Truppen zu Beginn des 20. Jahrhunderts eingeführt und bis heute aus Weißblech gefertigt. Es
„Ich erinnere an das Unbehagen in durchnässter ,Filzlaus’ an warmen Sommertagen!“ Bundeswehrgeneral a.D. Wolfgang Altenburg in seinem Vorwort des Buches „Von der Affenjacke zum Tropenanzug“ von Walter Kunstwadl
Westen noch ohne diese Trinkmöglichkeit durchgehalten werden. Anfang der 1970erJahre gibt es zudem die „Ära des Haarerlasses“ und des Haarnetzes. Damals sind Übungen in der tränengasgefüllten Halle mit brennendem Nebeltopf sowie „Krabbelgang“ bei den Ausbildern besonders beliebt. Im Osten erfreuen sich Dauerlaufübungen im Kompanieverband mit aufgesetzter Truppenschutzmaske ähnlicher „Beliebtheit“.
Literaturtipps Lothar Schuster: „Das Ausstattungssoll der Heeresangehörigen der Bundeswehr von 1955 bis 2010“, Berlin 2010. Walter Kunstwadl: „Von der Affenjacke zum Tropentarnanzug“: Die Geschichte der Bundeswehr im Spiegel ihrer Uniformen und Abzeichen, 232 Seiten, Bonn 2006.
wird von den Soldaten als Geschirr gebraucht und darüber hinaus für alle möglichen Dinge „missbraucht“. Der „Henkelmann“ besteht aus einem ovalen Topf in leichter Nierenform mit einem Teller-Einsatz und einem Deckel. Teller und Deckel können mit dem Verschlussbügel zu einem zweiteiligen Geschirr verbunden werden. Damit der eigentlich immer hungrige Uniformträger aus dem Kochgeschirr auch speisen kann, gehört ein vierteiliges zusammenschiebbares Essbesteck mit Messer, Gabel und Löffel sowie Dosenöffner zum Ausstattungssoll – genauso wie eine Trinkflasche aus Metall mit Becher. Wenn es um das leibliche Wohl im Feld geht, ist die Feldausrüstung zwischen West und Ost nicht sehr unterschiedlich. Bei der NVA wird eher auf Traditionen und Erfahrungen der Wehrmacht zurückgegriffen. Hingegen bestimmt im Westen die
Schweres Marschgepäck Bw und NVA: Ausrüstungsgegenstände
U.S. Army die Szenerie. Diese Feststellungen gelten besonders für die Feldflasche Ost und die Trinkflasche West.
Ungeliebtes „Gerödel“ Wie sieht nun die Heeresfeldausrüstung bei der Bundeswehr in den 1960er-Jahren aus? Als Kampfanzug mit Feldjacke und Feldhose wird die „Filzlaus“ getragen, wie dieser Kampfanzug im Truppenjargon genannt wird. Ohne olivfarbene Unterwäsche mit langen Beinen ist das „jagdmelierte“ Tuch aus 90 Prozent Schurwolle und zehn Prozent Polyamidfaser nicht zu ertragen, weil der Stoff reichlich kratzig ist. Mit dem Stahlhelm auf dem Kopf kann dann das Anlegen der restlichen Ausrüstungsgegenstände – auch
2
1
3
4 5
„Gerödel“ genannt – losgehen. Vorne am Koppel ziehen vier Kunststoffmagazintaschen mit insgesamt acht Wechselmagazinen für die G3Patronen das Koppel nach unten. Während des Kalten Krieges sind sie mit Gewichten oder Übungspatronen aus Kunststoff bestückt. Mit Kampfpatronen gefüllte Stahlmagazine für das G3 sind im normalen Dienst während der 1960er- und 1970er-Jahre nicht getragen worden. Wehe man hätte mit 5,9 Kilogramm Munitionsgewicht vor dem Bauch in den Dreck gemusst. Als Gewichtsausgleich wird auf dem Rücken die Große Kampftasche“ in das Tragegestell eingehakt. Schon ziehen rund zehn Kilogramm wohl gepackte Ausrüstung
Fotos: Sammlung Jörg-M. Hormann
1 Seit 1910 ist das Kochgeschirr „Begleiter“ aller deutschen Soldatengenerationen in zwei Weltkriegen und auch zu Zeiten des Kalten Krieges auf der Westbzw. Ostseite. 2 Acht mit G3-Kampfpatronen gefüllte Stahlblechmagazine bedeuten 5,93 Kilogramm Kampfsatz vor dem Bauch. Hier zwei Bw-Magazintaschen von 1970. 3 Stabiles, natoolives Feldkoppel der Bundeswehr und Koppel der NVA aus Gurtmaterial mit Koppelschloss aus Metall. 4 NVA-Feldausrüstung in „Strichtarn“ von 1970 mit Sturmgepäcktasche und Zeltbahn sowie Feldflasche, Feldspaten und Tasche für AK-47-Magazine am Feldkoppel. 5 Feldflasche im „Strichtarn“-Überzug der NVA nach Vorbild des Modells der Wehrmacht-Feldflasche mit aufgeschnalltem Trinkbecher.
nach „Stan“ den nach vorn gebeugt stehenden Soldaten gerade. Oben auf die große Kampftasche wird noch der drei Kilogramm schwere Schlafsack geschnallt. Damit nähert sich das Gewicht auf dem Rücken langsam den 15 Kilogramm. Erst recht, wenn der Klappspaten, die ABC-Schutzausrüstung und die Kleine Kampftasche mit allem Möglichen für den Einsatz an das Koppel gehängt wird. Kommt jetzt noch ein Gewehr G3 mit 4,5 Kilogramm in der Hand oder ein MG mit 10,5 Kilogramm über der Schulter dazu, dann ist der Soldat im Felde mit 25 Kilogramm Feldausrüstung und Waffe unterwegs.
Gewichtsproblem Im Zusammenhang mit der persönlichen Feldausrüstung stellt sich unter anderem folgende Frage: Mit wie viel Gewicht kann ein Soldat für den Marsch eigentlich bepackt werden? Schon um die Wende zum 20. Jahrhundert prüft die preußische Armee im Truppenversuch, welches Marschgewicht ein Soldat auf Dauer tragen kann. Mit gut 20 Kilogramm marschieren die Füsiliere Kaiser Wilhelms II. bei kühlem Wetter mit weniger, bei warmer Witterung mit größeren Schwierigkeiten 25 Kilometer weit. Ein Gewicht von mehr als 30 Kilogramm „am Mann“ minderte ihre Leistungsfähigkeit in jedem Falle erheblich, ohne dass längeres Marschtraining daran etwas geändert hätte.
ÜBEN FÜR DEN ERNSTFALL: Soldat der NVA beim Anlagen einer Truppenschutzmaske aus russischer Produktion. Sie verleiht den NVA-Soldaten seinerzeit eine martialische Optik. Foto: picture-alliance/ZB ©dpa
Clausewitz 1/2015
Jörg-M. Hormann, Jg. 1949, Verantwortlicher Redakteur von SCHIFF CLASSIC und Sachbuchautor. Sein Vater Hermann Hormann erlebte den Zweiten Weltkrieg als Offizier bei den Panzeraufklärern der 9. Panzerdivision.
53
Meinung
Die Résistance
Schlagkräftige Schattenarmee oder überschätzte Untergrundkämpfer? Von Peter Lieb
F
olgendes Lob schmeichelt der Résistance: In seinen Memoiren behauptet General Dwight D. Eisenhower, ihre militärischen Leistungen haben den Wert von 15 Kampfdivisionen gehabt. Ein solcher Vergleich lässt aufhorchen, denn dies wären mehr Divisionen gewesen, als die Briten in der Normandie 1944 aufgeboten haben. Nun muss man freilich wissen, dass Eisenhower häufig mehr Politiker als Militär war. Und so ist es auch hier. Der ehemalige Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte will mit dieser Aussage die internationale Zusammenarbeit in der Anti-Hitler-Koalition entsprechend würdigen. Doch gleichzeitig zementiert er damit auch einen langlebigen Mythos, der teilweise bis heute in Frankreich anhält: Die Résistance habe einen wichtigen militärischen Beitrag zur Befreiung des eigenen Landes geleistet. In der Tat ist es beachtlich, wie sich die Résistance aus den kümmerlichen Anfängen der Jahre 1940/41 zu einer bewaffneten Streitmacht im Rücken der deutschen Besatzungsmacht im Sommer 1944 entwickelt hat und den Namen „Forces Françaises d’Intérieur“ (Französische Streitkräfte des Inneren) trägt. Zahlen ihrer Kämpfer sind schwer zu ermitteln, vermutlich wird sie kurz vor der Befreiung über 100.000 Mann gezählt haben, wobei aber nur ein Teil davon bewaffnet ist. Doch ist ihr militärischer Beitrag zur Befreiung Frankreichs wirklich so bedeutend wie Eisenhower behauptet?
Perfekte Propaganda Zu einem militärischen Störfaktor beginnt sich die Résistance erst Anfang 1944 zu entwickeln. Fatal hat sich ein Gesetz der französischen Vichy-Regierung ausgewirkt, wonach junge Franzosen zum Arbeitseinsatz nach Deutschland verpflichtet werden. Diese Männer denken aber gar nicht daran, für die Besatzungsmacht zu arbeiten und flüchten in abgelegene Gebiete, vor allem in Südfrankreich. Der „Maquis“ ist geboren und
54
sollte ein Synonym für die Résistance werden. Doch das große Rekrutierungspotenzial zieht Herausforderungen nach sich: Die militärische Ausbildung gestaltet sich als sehr schwierig, es fehlt an Waffen und an geschultem Personal. Die Alliierten werfen zwar Versorgungscontainer aus der Luft ab und setzen im Sommer 1944 sogar Ausbildungsteams ein, doch insgesamt bleibt die Résistance den Amerikanern und Briten suspekt. Wegen politischer Richtungsstreitereien zwischen Kommunisten, Gaullisten und konservativen Ex-Militärs gilt sie in den alliierten Hauptquartieren als unzuverlässig. Gewiss, für den Nachrichtendienst sind die Informationen der Résistance sehr wichtig, doch militärisch spielt sie in den alliierten Planungen für die Landung in der Normandie praktisch keine Rolle. Lediglich die Eisenbahnsabotage ist einigermaßen erfolgreich, doch auch sie bleibt weit hinter den Erfolgen der alliierten Luftbombardements zurück. Das hält die Résistance aber nicht davon ab, ambitionierte Pläne zu schmieden. So besetzen seit Anfang 1944 mehrere Hundert „Maquisards“ das Gebirgsplateau von Glières in Hoch-Savoyen und hoffen, dort bis zur alliierten Landung aushalten zu können. In der Tat wehren die Widerstandskämpfer alle Angriffe paramilitärischer Einheiten des Vichy-Regimes ab. Doch als Ende März ein Regiment deutscher Gebirgsjäger bei Glières eintrifft, sind die Kämpfe nach nicht einmal zwei Tagen beendet. „Kämpfe“ ist hier vielleicht nicht das richtige Wort, denn die Gebirgsjäger haben gerade einmal zwei Tote,
Literaturtipps Peter Lieb: Unternehmen Overlord. Die Invasion in der Normandie und die Befreiung Westeuropas, München 2014. (In diesem Buch beschäftigen sich mehrere Kapitel mit der Résistance.) Peter Lieb: Vercors 1944. Resistance in the French Alps. Osprey 2012. (Englischsprachig, erschienen als Band 249 der Reihe „Campaign“.)
einen davon durch Unfall. Allerdings begreift die Résistance, dass im Untergrundkampf die Propaganda eine ebenso wichtige Waffe ist. Sie streut überall Gerüchte, die Deutschen hätten bei dem Angriff auf Glières 500 Tote zu beklagen gehabt. Die französische Bevölkerung soll dadurch an die militärische Stärke des Widerstands glauben und ebenso London und Washington von der angeblichen Effizienz beeindruckt werden.
Vernachlässigter Verbündeter Nach der Landung in der Normandie am 6. Juni 1944 ruft die Résistance zwar die Generalmobilmachung aus und befreit einige Gegenden Südfrankreichs, doch nach einer kurzen Schockphase schlagen die Deutschen zurück. So fallen die Städte Tulle und Bourgen-Bresse wieder in die Hand der Besatzer, Mitte Juli auch die Hochburg im französischen Jura. In der zweiten Juli-Hälfte folgt dann der deutsche Angriff auf das Gebirgsplateau des Vercors, südwestlich von Grenoble. Auch hier werden die Verteidiger trotz der günstigen Defensivmöglichkeiten besiegt. Allerdings müssen die Deutschen dafür immerhin 8.000 bis 10.000 Mann aufbieten, darunter Gebirgsjäger und zwei Kompanien Fallschirmjäger im Luftlandeeinsatz. Doch es zeigt sich erneut: Die Résistance kann zwar Gebiete befreien, aber nicht einmal ansatzweise halten. Sie gewinnt kein einziges Gefecht gegen die Deutschen. Und noch etwas beweist das Beispiel des Vercors: die mangelhafte Koordination mit den Alliierten. Die Résistance hat – ähnlich wie einige Monate zuvor bei Glières – gehofft, das Plateau bis zu einer alliierten Ankunft in Südfrankreich verteidigen zu können. Doch die Alliierten sollten erst gut drei Wochen später in der Provence landen, und wie schon zuvor in der Normandie hat auch hier die Résistance nur eine marginale Rolle in den militärischen Planungen gespielt. An eine echte Zusammenarbeit auf operativer Ebene denken die Alliierten gar nicht. Der
Aus Liebe zum Detail
Résistance ist es auch nie gelungen, größere Truppenteile des Feindes zu binden, die somit an der Front gefehlt hätten. Im Kampf gegen die Résistance setzen die Deutschen ohnehin fast nur schlecht bewaffnete und ausgebildete Besatzungstruppen ein.
Symbolischer Sieg Die deutschen Unternehmen gegen den französischen Widerstand sind von rücksichtslosen Repressalien begleitet, die sich nicht nur gegen die Widerstandskämpfer selbst, sondern teils auch gegen die Bevölkerung richten. Damit können die Besatzer zwar die Widerstandszentren kurzfristig zerschlagen, doch langfristig die Résistance nicht besiegen. Diese taucht nämlich bald wieder an anderen Orten auf. Da die Deutschen alle Gefangenen erschießen, bleibt den Widerstandskämpfern auch keine andere Möglichkeit – sich Ergeben ist keine Option. Einen echten Sieger gibt es in diesem Katzund-Maus-Spiel nicht. Allerdings gehen den Deutschen Anfang August die Kräfte aus. Das liegt aber nicht an den Verlusten im Kampf gegen die Résistance. Bis Mitte August sind hier maximal 2.000 deutsche Soldaten gefallen, im Gegensatz zu über 10.000 Widerstandskämpfern, die häu-
HINTERGRUND
fig erst nach der Gefangennahme erschossen werden. Vielmehr muss die Wehrmacht nach und nach alle verfügbaren Truppen an die Normandiefront verlegen. Erst beim allgemeinen deutschen Rückzug aus Frankreich ab Mitte August kann die Résistance nachhaltige Erfolge verbuchen. So gelingt es ihr, einige Département-Hauptstädte aus eigener Kraft zu befreien, zum Beispiel Annecy, Limoges und Foix. Auch bei den Kämpfen in Paris in der zweiten AugustHälfte spielt sie eine gewisse Rolle. Die deutschen Gegner sind freilich nur mehr ein wildes Sammelsurium drittklassiger und demoralisierter Einheiten; vielfach sind es „Osttruppen“, also ehemalige Soldaten der Roten Armee, die sich zum Kampf an deutscher Seite bereit erklärt haben. Als Fazit bleibt: Der militärische Beitrag der Résistance zur Befreiung ihrer Heimat ist gering. Ihre Bedeutung liegt woanders. Sie zeigt, dass es in diesen dunklen Jahren noch ein anderes Frankreich als das der Vichy-Kollaboration gibt, ein Frankreich, das für die republikanischen Werte einsteht. Selbst die Kommunisten müssen sich hier beugen. Das ist das eigentliche Vermächtnis der Résistance – ein politisches, und nicht ein militärisches.
Etienne Poiteau, genannt „Stéphane“
Der charismatische Poiteau ist bis heute eine Résistance-Legende in Südost-Frankreich. Ursprünglich Berufsoffizier bei den französischen Alpenjägern, gründet er als 23-Jähriger mit anderen Ex-Militärs Ende 1942 seine „Compagnie Stéphane“. Im Gegensatz zu vielen ehemaligen Offizieren versteht „Stéphane“, dass im GuerillaKrieg andere Gesetze gelten. Seine Kompanie gliedert und trainiert er zwar nach strikt militärischen Prinzipien, doch lehnt er es ab, Gebiete zu befreien und zu halten. Vielmehr sollen in kleinen Gruppen Sabo-
tage-Akte ausgeführt und Hinterhalte gegen den Besatzer gelegt werden, stets in gebührendem Abstand von Ortschaften. Damit hofft er, deutsche Repressalien möglichst zu vermeiden. Das Rückzugsgebiet der „Compagnie Stéphane“ ist das Hochgebirge. Nach der Befreiung seiner Heimat übernimmt Poiteau ein reguläres Bataillon an der Alpenfront und wird nach dem Krieg nach Indochina versetzt. Hier, in der französischen Kolonie in Südost-Asien, findet Poiteau 1952 den Tod: Er fällt in einem Hinterhalt des Viet-Minh.
GeraMond Verlag GmbH, Infanteriestraße 11a, 80797 München
Foto: Peter Lieb
Dr. Peter Lieb, Jg. 1974, ist Dozent am Department of War Studies der Royal Military Academy Sandhurst in Großbritannien. Er ist einer der führenden Experten für die Geschichte des besetzten Frankreichs und der Résistance.
Jetzt neu am Kiosk !
Thomas Moder, Dr. Peter Lieb, Jg. 1974, ist Dozent am Department of War Studies der Royal Military Academy Sandhurst in Großbritannien. Er ist einer der führenden Experten für die Geschichte des besetzten Frankreichs und der Résistance.
Clausewitz 1/2015
55
Militär und Technik | Der „Fall“ U 110
Alliierte erbeuten die „Enigma“
Folgenschwerer Fund 9. Mai 1941: U 110 wird von Schiffen der Royal Navy schwer beschädigt und zum Auftauchen gezwungen. Als das U-Boot wider Erwarten des Kommandanten nicht sinkt, ist die Sensation perfekt: Eine „Enigma“ fällt in britische Hände. Von Joachim Schröder
A
ls U 110 unter dem Kommando von Kapitänleutnant Fritz-Julius Lemp am 15. April 1941 von Lorient aus ausläuft, stehen dem Unterseeboot vom Typ IX B und seiner Besatzung schicksalhafte Wochen bevor. Zunächst sieht alles nach einem erfolgreichen „Raubzug“ auf hoher See aus. Auf der Suche nach alliierten Schiffen bricht U 110 von der französischen Hafenstadt zu einer Feindfahrt in den Nordatlantik auf, und tatsächlich sollte später eine aussichtsreiche Attacke auf einen großen Geleitzug der Alliierten folgen.
VORGESCHICHTE
Funkaufklärung im Ersten Weltkrieg
Bei der Aufbringung des Kleinen Kreuzers MAGDEBURG, der Ende August 1914 im Finnischen Meerbusen auf Grund läuft, stellt die russische Marine das geheime Signalbuch der Kaiserlichen Marine sicher. Schnell findet die Beute den Weg nach England. Das Signalbuch beinhaltet alphabetisch geordnete Codierungen und dient gleichermaßen zum Verschlüsseln und Entschlüsseln sämtlicher Funksprüche der deutschen Marine. Auch zwei weitere geheime Codebücher gelangen noch im Jahre 1914 in gegnerische Hände. Fortan sind Standortmeldungen, Bewegungen und die taktische Gliederung der deutschen Hochseeflotte und der U-Boote kein Geheimnis mehr. Allerdings verhindert ein äußerst schwerfälliger organisatorischer Ablauf rasche Reaktionen.
Die deutschen Unterseeboote haben sich seit Kriegsausbruch im Jahr 1939 zu einer gefährlichen Waffe entwickelt. Zu ihren Hauptangriffszielen zählen seither alliierte Geleitzüge, die in Gruppen von mehreren U-Booten – „Rudel“ genannt – angegriffen werden. Diese Taktik zwingt den Gegner zur Aufteilung seiner Kräfte.
Angriff auf Konvoi OB-318 Trotz insgesamt starker Sicherungsverbände müssen die Geleitzüge daher immer wieder große Verluste hinnehmen. Karl Dönitz, der Befehlshaber der Unterseeboote, EINFLUSSREICH: Karl Dönitz, seit 1936 „Führer der Unterseeboote“ und seit 1939 „Befehlshaber der Unterseeboote“ treibt während des Zweiten Weltkrieges den Ausbau der deutschen U-Bootwaffe voran; Anfang 1943 wird er zum Oberbefehlshaber der Kriegsmarine ernannt. Foto: picture-alliance/akg-images
56
Neben Winston Churchill, der in seiner Funktion als Erster Lord der Admiralität den Aufbau einer Entschlüsselungsabteilung auf den Weg bringt, weiß nur eine Handvoll Admiräle Bescheid. Admiral Oliver, ein betagter Seeoffizier und mit der Materie hoffnungslos überfordert, entscheidet zunächst allein, wer wann welche entschlüsselte Nachricht erhält. Außerdem misstraut der Admiral den Zivilisten, die an der Entschlüsselung arbeiten: Das anfangs aus etwa zehn Personen bestehende Expertenteam, darunter Germanisten und Mathematiker aus Oxford und Cambridge, arbeitet streng abgeschottet von der Außenwelt in Room 40 der Admiralität. Eine besondere Schlüsselmaschine, die das Dechiffrieren der Funksprüche erschweren würde, gibt es noch nicht.
führt seine Verbände ausschließlich über Funk. Längst sind alle U-Boot-Kommandanten angewiesen worden, Geleitzüge unverzüglich zu melden. Dönitz kann dann je nach Lage Verstärkungen heranführen. Die Achillesferse dieser Methode ist indessen der ständige Funkverkehr. Als schließlich U 110 in der Nacht vom 6. auf den 7. Mai 1941 die Verfolgung eines riesigen Geleitzuges im Nordatlantik aufnimmt, winkt den U-Boot-Männern „fette Beute“: Schätzungsweise 40 bis 60 Dampfer befinden sich auf dem Weg nach Halifax, begleitet von mehreren Zerstörern. Fortan hält U 110 Fühlung und führt weitere U-Boote der Kriegsmarine, U 201 und U 556, an den Geleitzug heran. Am Mittag des 9. Mai startet U 110 schließlich den Angriff: Lemp hat sich drei hintereinanderfahrende Dampfer herausgesucht und schießt aus einer Entfernung von etwa 600 bis 800 Metern drei Torpedos ab. Lemp gelingt es, zwei britische Dampfer mit zusammen 7.585 BRT zu versenken. Unmit-
SENSATIONSFUND: Eine „Enigma M3“ fällt den Briten 1941 auf U 110 unversehrt und einschließlich wichtiger Unterlagen in die Hände. Foto: picturealliance/Photoshot
GESCHÜTZGEFECHT: Die Bedienung eines 10,5-cm-Utof-L/45-Geschützes auf dem Vordeck eines U-Bootes vom Typ IX B. U 110 stammte aus derselben Klasse. Die U-Boote zu bekämpfen, war eine der Hauptaufgaben der Royal Navy, die mit der Erbeutung von U 110 einen großen Erfolg verbuchen konnte Foto: Tölle, Scherl/PK-Marine, Sammlung Jörg-M. Hormann
Clausewitz 1/2015
57
Militär und Technik | Der „Fall“ U 110
MIT HÖCHSTER KONZENTRATION: Der Kommandant eines U-Bootes der Kriegsmarine beobachtet ein alliiertes Handelsschiff, das mit einem Torpedofächer versenkt werden soll. U 110 unter Kapitänleutnant FritzJulius Lemp wird der Angriff auf den Geleitzug OB-318 im Mai 1941 zum Verhängnis. Foto: ullstein bild - ullstein bild
telbar nach den Detonationen gibt es Alarm. Lemp stellt einen anlaufenden Zerstörer fest und lässt U 110 auf eine Tiefe von 60 Metern gehen. Doch dieses Tauchmanöver kommt zu spät. Zwei britische Zerstörer und die Korvette HMS AUBRETIA jagen das Boot bereits. Schon die ersten Wasserbomben richten verheerende Zerstörungen am Unterseeboot an: Tiefen- und Seitenruder sind offensichtlich beschädigt, dazu kommt der Ausfall der E-Maschinen. Die Mannschaft droht durch
born wird etwa eine Stunde später von der AUBRETIA gerettet. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass in Erwartung des baldigen Untergangs des U-Bootes die Maßnahmen zur Selbstversenkung unterblieben – U 110 sinkt jedenfalls nicht.
Dramatische Ereignisse Was dann geschieht, ist nicht zweifelsfrei zu klären. Als Kommandant Fritz-Julius Lemp erkennt, dass sich für die Briten die einmalige Gelegenheit ergibt, sich eines deutschen
„Das einzige, was mich während des Krieges wirklich ängstigte, war die Bedrohung durch die U-Boote.“ HOHER BESUCH: Queen Elisabeth II. während eines Aufenthaltes in Bletchley Park. Im Hintergrund ist ein Modell der „Turing Bombe“ zu sehen, benannt nach dem Mathematiker und Kryptoanalytiker Alan Turing (1912–1954). Es handelt sich um eine während des Krieges von den Briten eingesetzte elektromechanische Maschine zur Entschlüsselung von Funksprüchen. Foto: picture-alliance/Photoshot
58
Winston Churchill
austretendes Chlorgas zu ersticken. Dann folgt Wassereinbruch! U 110 taucht auf und wird sofort von zwei Zerstörern der Royal Navy unter Feuer genommen. Der 47-köpfigen Besatzung gelingt es allerdings, U 110 zu verlassen. Der Leitende Ingenieur, Oberleutnant (Ing.) Hans-Joachim Eichelborn, behauptet später, dass er als letzter, nach Öffnen der Flutventile, ausgestiegen sei. Eichel-
U-Bootes samt Geheimunterlagen zu bemächtigen, versucht er, zu U 110 zurück zu schwimmen. Denn an Bord befindet sich unter anderem eine „Enigma“ mit allen Schlüsselunterlagen. Zeitgleich ist ein bewaffnetes Enterkommando des Zerstörers HMS BULLDOG unterwegs. Doch Lemp erreicht sein Boot nicht mehr. Führt die bloße Erschöpfung zum Ertrinken, oder wird er von den
Spektakulärer Fund FUNKRAUM: Blick ins Innere eines U-Bootes vom Typ IX B. Links unten ist die „Enigma“ und auf der Arbeitsplatte des Funkmaats die streng geheime Tages-Schlüsseltabelle zu sehen. Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann
Briten mit gezielten Schüssen getötet? Die Briten haben letztere Vermutung später energisch zurückgewiesen. Fakt ist, dass Lemp bei der Aktion am 9. Mai 1941 ums Leben kommt. Weitere 14 Besatzungsmitglieder von U 110 teilen sein Schicksal. Fest steht auch, dass die Briten U 110 in Schlepp nehmen und die Geheimunterlagen sicherstellen. Besonders die so seltsame „Schreibmaschine“ erregt das Interesse der Briten. Die geretteten Besatzungsmitglieder von U 110 bekommen davon nichts
HINTERGRUND
Foto: picture-alliance/Judaica-Sammlung Richter
mit. Sie befinden sich inzwischen unter Deck der gegnerischen Kriegsschiffe. Der Fund der „Enigma“ samt Unterlagen ist spektakulär und wird streng geheim gehalten. Erst-
„Enigma”-Erfinder Arthur Scherbius
Das der „Enigma“ zugrundeliegende Walzenprinzip (auch Rotorprinzip genannt) wird etwa zeitgleich und unabhängig voneinander in den USA, den Niederlanden, Schweden und Deutschland entdeckt. Doch lediglich der deutsche Ingenieur Arthur Scherbius (1878–1929), der seine Erfindung 1918 zum Patent anmeldet, hat wirtschaftlichen Erfolg: Er gibt der Spezialmaschine nicht nur den Namen „Enigma“ (griechisch: Rätsel), sondern stellt mit dem Kauf der Patente des Niederländers Alexander Koch auch die technische Weiterentwicklung der Maschine
Clausewitz 1/2015
RÜCKKEHR: Kapitänleutnant Lemp grüßt nach dem Einlaufen mit U 30 in die Kamera. Bevor er Ende 1940 das Kommando über U 110 übernimmt, ist Lemp zunächst Kommandant von U 28 und dann U 30.
sicher. Scherbius bietet seine Erfindung auch der Wirtschaft an – die „Enigma“ ist also kein Geheimobjekt. Dann greifen Reichswehr und Marine zu: Ein Debakel wie im Ersten Weltkrieg, als die Briten den deutschen Funkverkehr abhörten, soll sich in Zukunft nicht mehr wiederholen. Und so kommt die „Enigma“ der deutschen Militärführung gerade recht. Bereits in den 1920er-Jahren läuft die Serienfertigung an. Nach Expertenschätzungen werden bis 1945 über 30.000 dieser Spezialmaschinen gebaut.
mals befindet sich eine „Enigma M3“ im Besitz des Gegners. Das wiegt den Erfolg der deutschen U-Boote im Kampf gegen Konvoi OB-318 (neun versenkte Dampfer mit über 50.000 BRT) mehr als auf. Ein Umstand schmälert allerdings den Triumph: Am 11. Mai 1941 sinkt U 110 im Schlepp der HMS BULLDOG östlich von Kap Farewell.
Wichtige Spionagearbeit Mit der „Enigma“, der wohl berühmtesten Ver- und Entschlüsselungsmaschine, wird im Zweiten Weltkrieg die Masse der deutschen Funksprüche chiffriert beziehungsweise wieder dechiffriert. In Großbritannien arbeitet ein ganzes Heer von Experten an der Entschlüsselung der Funksprüche des Gegners. Ihre Zentrale befindet sich in Bletchley Park nordwestlich von London. Die Briten profitieren ganz er-
59
Militär und Technik | Der „Fall“ U 110 BETAGT: Der ursprünglich 1920 von der US-Navy in Dienst gestellte Zerstörer HMS BROADWAY wird 1940 von der Royal Navy übernommen und ist an der Aufbringung von U 110 am 9. Mai 1941 beteiligt. Foto: picture-alliance/United Archives/TopFoto
ENTSCHLÜSSELUNGSZENTRALE: Kryptoanalytiker haben in Bletchley Park die von den Deutschen genutzten Methoden zur Verschlüsselung des geheimen Nachrichtenverkehrs erfolgreich entziffert. Foto: picture-alliance/Rolf Richardson/ Robert Harding
heblich von der Vorarbeit polnischer Spezialisten. Mathematiker aus Polen haben bereits 1932 eine Anfangsversion der „Enigma“ gewissermaßen „geknackt“ und dafür gesorgt, dass Polen über Jahre hinweg geheime deutsche Nachrichten entschlüsseln konnte. Unschätzbare Dienste für die polnische Seite leistete der Spion Hans-Thilo Schmidt, der Deutschlands östliches Nachbarland fortlaufend mit wichtigen Informationen versorgte. Neben der Kunst, eine „Enigma“ nachzubauen, brachten es die polnischen Wissenschaftler unter Leitung von Marian Rejewski (1905–1980) sogar fertig, eine spezielle automatische Entschlüsselungsmaschine, genannt „Bomba“, zu konstruieren. Noch vor Kriegsausbruch am 1. September 1939 erhielten Briten und Franzosen sämtliche Unterlagen, darunter „Bomba“-Baupläne und auch Nachbauten der „Enigma“.
Technischer Wettlauf Die Erbeutung der „Enigma M3“ mit allen Unterlagen macht die Entschlüsselung der deutschen Funksprüche im Vergleich zu den bisherigen Anstrengungen zu einer noch immer aufwendigen, aber doch machbaren Aufgabe. Der deutsche Funkverkehr kann immerhin zwei Monate lang ohne jeden Zeitverlust mitgelesen werden. Doch auch danach sind die Briten in der Lage, ihre Konvois an den feindlichen U-Booten vorbeizu-
60
führen. Etwa 26 Stunden sind nun erforderlich, um dank der entzifferten Informationen Konvois wirksam zu schützen. Ende 1941 verfügt Bletchley Park bereits über 15 „Bomben“, die an der Entschlüsselung arbeiten. Doch als Deutschland im Februar 1942 das technisch verbesserte Nachfolgemodell „Enigma M4“ einführt, gewinnen die U-Boo-
HINTERGRUND
te der Kriegsmarine für viele Monate wieder die Oberhand im Tonnagekrieg. Dönitz schickt seine U-Boote inzwischen bis vor die Ostküste der USA. Die „grauen Wölfe“ operieren nun auch erfolgreich gegen die Geleitzüge, die die Sowjetunion mit Waffen und Munition beliefern. Deren Zielhafen ist Murmansk. Von Juli 1942 bis März 1943 kommt es zu mehreren großen Geleitzugschlachten, zum Teil unterstützt von Einheiten der Luftwaffe. Dönitz hat nun seine U-Boot-Flotte, die er immer gefordert hatte. Insgesamt verzeichnet die deutsche UBootwaffe zum Teil spektakuläre Erfolge. Doch immer wieder werden auch Unterseeboote von der starken Geleitsicherung versenkt. Überhaupt arbeiten die Alliierten fieberhaft an einer Verbesserung ihrer U-Boot-
Funktionsweise der „Enigma“
Die aufgeklappte „Enigma“ offenbart ihr Innenleben, das hauptsächlich aus drei miteinander verdrahteten Teilen besteht: Einer Tastatur, mit der die Klartextbuchstaben geschrieben werden, dem entsprechenden Walzensatz zur Verschlüsselung des Textes und schließlich dem Lampenfeld zur Anzeige der Geheimbuchstaben. Über ihre Kontakte können die rotierenden Walzen eine Unmenge von Verschlüsselungen erzeugen. Deren Zahl erhöht sich zusätzlich durch die Veränderung der Walzenanordnung: Beispielsweise kann Walze 1 an die Stelle der 3. Walze gesetzt werden usw. Bereits ab Dezember 1938 besteht der Walzensatz aus insgesamt fünf Walzen, von denen immer drei eingesetzt werden. Für zusätzliche Sicherheit soll das Steckerbrett sorgen. Mittels dieses Elements können einzelne Buchstaben miteinander vertauscht werden, bevor sie Signale an die Walzen abgeben. Ab 1939 verfügen die
„Enigmas“ über zehn Steckerkabel, mit denen zwanzig Buchstaben vertauscht werden. Von nun an ergeben sich astronomische 159 000 000 000 000 000 000 Schlüssel. Der Empfänger der Nachricht ist nicht nur auf eine „Enigma“ angewiesen, sondern benötigt auch ein Schlüsselbuch, das den jeweiligen Tagesschlüssel enthält: Dieser legt unter anderem die Anfangseinstellung der Walzen fest. Eine Schwachstelle der „Enigma“ erleichtert den Kryptologen ihre Arbeit. So wird systembedingt ein Buchstabe niemals als er selbst chiffriert, das heißt beispielsweise der Buchstabe b wird niemals durch B ersetzt. Hat man Bruchstücke eines Klartextes, zum Beispiel die ständigen Wettermeldungen der U-Boote, die man selbst abgleichen kann, so können diese mit dem verschlüsselten Text verglichen werden. Auf diese Weise sind Rückschlüsse auf den jeweiligen Tagesschlüssel der „Enigma“ möglich.
Erfolgreiche „Codebrecher“
ATLANTIKBOOT: Nur 14 U-Boote des deutschen U-Boot-Typs IX B werden gebaut. U 110 gehört genauso zu der Serie wie Foto: Luftfahrtverlag-Start U 108 auf dem Foto.
Abwehr und U-Jagdwaffen. Sie perfektionieren vor allem ihre Flugüberwachung; das Radar spürt auch nachts die U-Boote auf. Außerdem gelingt es mithilfe einer amerikanischen Dechiffriermaschine, die „Enigma M4“ zu entschlüsseln.
Enorme Vorteile Am 30. Oktober 1942 wird schließlich U 559 im Mittelmeer aufgebracht. Nun wiederholt sich die Geschichte: Wieder gelangen eine „Enigma“ und weiteres streng geheimes Material unversehrt in die Hände des Gegners. Kurz vor dem Jahreswechsel 1942/43 können alle deutschen Funksprüche in kürzester Zeit mitgelesen werden. Doch der Aufwand, den die Alliierten betreiben, ist enorm. Auf dem Höhepunkt der „Atlantikschlacht“, als etwa 110 U-Boote gleichzeitig eingesetzt werden, müssen täglich zirka 2.000 Funksprüche entziffert und
ausgewertet werden. In Bletchley Park sind inzwischen etwa 10.000 Personen tätig. Als erfolgreichster „Codebrecher“ entpuppt sich dabei der Mathematiker und Informatiker Alan Turing. Längst sind die „grauen Wölfe“, die „Jäger der Tiefe“, selbst zu Gejagten geworden.
Literaturtipps Rainer Busch und Hans-Joachim Röll: Der U-Boot-Krieg 1939–1945, Bde. 1–4, Hamburg 1996–2003.
40 deutsche U-Boote werden allein im Mai 1943 versenkt. Obwohl die „Atlantikschlacht“ verloren ist, schickt Großadmiral Dönitz „seine“ Männer weiter in den mittlerweile aussichtslos gewordenen Kampf. Das Mitlesen deutscher Funksprüche verschaffte den Alliierten auf allen Kriegsschauplätzen enorme Vorteile und verkürzte den Zweiten Weltkrieg vermutlich um viele Monate. Die Kryptologen leisteten deshalb mit ihrer Arbeit einen überaus wichtigen Beitrag zum Sieg der Alliierten über das „Dritte Reich“.
Simon Singh: Codes. Die Kunst der Verschlüsselung, München, 5. Auflage 2011. Werner Rahn: Der Einfluss der Funkaufklärung auf die deutsche Seekriegführung im Ersten und Zweiten Weltkrieg, in: Potsdamer Schriften zur Militärgeschichte, Bd. 14, S.15–56, Potsdam 2011.
Dr. Joachim Schröder, Jg. 1968, studierte Latein, Geschichte und Erziehungswissenschaften und promovierte 1999 zum Dr. phil. Zu seinen Themenschwerpunkten als Autor zählt die deutsche Marinegeschichte.
NEU: ePaper gratis für Abonnenten!
Jetzt abonnieren und CLAUSEWITZ DIGITAL entdecken! GeraMond Verlag GmbH, Infanteriestraße 11a, 80797 München
Ihre Vorteile als Abonnent: • Bis zu 40 % günstiger lesen als im Einzelverkauf • Attraktive Prämien zur Auswahl • NEU: Jetzt inklusive ePaper! Alle während Ihres Abozeitraums erschienenen Ausgaben* als ePaper bis auf weiteres gratis zum Kennenlernen! Derzeit leider nur auf iOS verfügbar; weitere Plattformen sind in Vorbereitung – wir bitten um Geduld! * ab Ausgabe 01/2011
Abo inklusive ePaper sichern unter www.clausewitz-magazin.de/abo
Das historische Dokument
Missbrauchtes Machtinstrument?
Die allgemeine Wehrpflicht
1955: Die Gründung der Bundeswehr löste in Nachkriegsdeutschland eine äußerst lebhafte Diskussion über Vorund Nachteile der Wehrpflicht aus, die bis heute anhält.
Von Peter Andreas Popp
A
ls im Parlamentarischen Rat, unmittelbar vor Gründung der Bundesrepublik Deutschland, die Debatte um eine Verweigerung des Militärdienstes aus Gewissensgründen aufkommt, verwahrt sich Theodor Heuss gegen die Aufnahme dieses Grundrechts mit den Worten: „Wenn wir jetzt hier einfach das Gewissen (als Begründung für den Verweigerungsantrag) einsetzen, werden wir im Ernstfall einen Massenverschleiß des Gewissens verfassungsgemäß festlegen“. Es gehe jetzt schließlich darum „ein Werk der Demokratie zu Schaffen. Die allgemeine Wehrpflicht ist das legitime Kind der Demokratie“. Theodor Heuss dient der jungen Republik von 1949 bis 1959 als deren erster Bundespräsident. Entgegen seiner Empfehlung findet das Recht auf Kriegsdienstverweigerung von Anfang an Eingang in die Verfassung. Die allgemeine Wehrpflicht wird allerdings nicht zum selben Zeitpunkt eingeführt. Sie steht zur Debatte als Mitte der 1950er-Jahre die Bundeswehr aufgrund der Entwicklung der sicherheitspolitischen Lage aufgestellt wird. Die Aushändigung der Ernennungsurkunden für die ersten 101 Freiwilligen findet am 12. November 1955 in Andernach an einem denkwürdigen Datum statt: zum 200. Geburtstag des preußischen Militärreformers Gerhard von Scharnhorst.
Wehrpflicht im Wandel Die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in Deutschland bildet einen markanten Bestandteil des preußischen Reformwerkes der Jahre 1807 bis 1814. Scharnhorst ist einer der zentralen Protagonisten der Reorganisation
62
des preußischen Heeres. Doch ist mit der Datumswahl „12. November 1955“ schon das Soldatenbild der Bundeswehr, vom „Staatsbürger in Uniform“, eindeutig festgelegt? „Jein“ lautet die Antwort. Denn die allgemeine Wehrpflicht gilt als Gesetzesgrundlage für die neu aufzustellenden (west-)deutschen
DISKUTIERTES DOKUMENT: Am 22. Mai 1956 erweiterte man das Grundgesetz um den Artikel 87a zur „Wehrverfassung“. Diesem folgte am 21. Juli 1956 das Wehrpflichtgesetz. Die Wehrpflicht wurde schließlich am 1. Juli 2011 vorläufig außer Kraft.
Streitkräfte erst mit dem 1. April 1957. An diesem Tag rücken die ersten 10.000 Wehrpflichtigen für zwölf Monate in die Kasernen ein. Die Weichen für die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht sind mit dem Wehrpflichtgesetz vom 7. Juli 1956 gestellt worden. Über Parteigrenzen hinweg gilt jahrzehntelang in der Bundesrepublik die Überzeugung, dass sich die Bundeswehr als „Parlamentsarmee“ nur sichern lässt, wenn auch die allgemeine Wehrpflicht praktiziert wird. Sie soll verhindern, dass die Armee zu einem demokratieabstinenten „Staat im Staate“ abgleitet. Die Weimarer Republik darf auf Grund der Bestimmungen des Versailler Vertrages die allgemeine Wehrpflicht nicht einführen. Die Sieger, insbesondere Frankreich, fürchten nach dem Ersten Weltkrieg ein zahlenmäßig starkes deutsches Heer. Nach dem Zweiten Weltkrieg sieht es angesichts der sowjetischen Bedrohung und der schlimmen Erfahrungen mit dem Niedergang der Demokratie von Weimar bis zum NS-Regime ganz anders aus. Die westlichen Alliierten benötigen dringend das westdeutsche Wehrpotential zur Verteidigung. Die Regierung Adenauer ist fest entschlossen, durch eine in das Nordatlantische Bündnis integrierte Armee die Verteidigung der Demokratie sicherzustellen.
Ist die Wehrpflicht rechtmäßig? Legitimiert ist die Rechtmäßigkeit der allgemeinen Wehrpflicht aber erst in einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes von Dezember 1960 mit einer Formulierung, die politisch fortan einigen Interpretationsspielraum lässt: „Die Landesverteidigung auf der Grundlage der allgemeinen Wehrpflicht ist [...] gegenüber der Verteidigung durch eine Freiwilligenarmee kein bloßes ‚Mehr’, das allein unter dem Gesichtspunkt der quantitativen Belastung der Staatsbürger beurteilt werden darf, sondern ein grundsätzlich ‚Anderes’“. Die allgemeine Wehrpflicht bildet demnach keinen Selbstzweck, sondern einen Rechtsgegenstand, der in Sachen Landesverteidigung nur dann die Einschränkung individueller Grundrechte erlaubt, wenn die Sicherheit Deutschlands durch einen Gegner mit raumgreifender Operationsfähigkeit bedroht ist und die allgemeine Wehrpflicht garantiert, dass eben diese Fähigkeit nicht zur Geltung kommt. Konkret ausgedrückt: Das sicherheitspolitische Argument für die allgemeine Wehrpflicht ist ab dem Ende des Kalten Krieges (1989/90) eigentlich nicht mehr gegeben. Es bleibt der Politik im Sinne der Daseinsvor-
Clausewitz 1/2015
KONTROVERS: Als sich Deutschland ab 1955, nur zehn Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, wiederbewaffnete, sorgte dies für teils heftige Diskussionen. Hier besucht Adenauer 1956 die junge Bundeswehr Foto: picture-alliance/akg-images
sorge für ein Gemeinwesen aktuell vorbehalten, zu prüfen und zu entscheiden, ob die jüngsten Ereignisse in Ostmitteleuropa die Aufhebung der momentanen Aussetzung nicht doch erforderlich machen. Ist die allgemeine Wehrpflicht nun ein legitimes Kind der Demokratie? Die Antwort des Historikers darauf kann nur „ja und nein“ lauten. Die Geschichte gibt nämlich mehrere Antworten. Der Gedanke, dass ein Gemeinwesen von allen Bürgern zu verteidigen sei, findet sich bereits in der griechischen Antike. Er findet sich ebenfalls in den Wehrordnungen mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Stadtstaaten in Deutschland. Wehrpflicht im demokratischen Sinne setzt allerdings die „Freiheit“ und „Gleichheit“ der Staatsbürger, ergänzt durch die „Brüderlichkeit“, voraus: Die allgemeine Wehrpflicht wird erstmals in der Französischen Revolution durch Lazare Carnot 1793 eingeführt zum Schutze – nicht als Instrument zur Expansion – der französischen Republik. Dieselben Absichten verfolgen die preußischen Reformer, die überlegen, wie sich Napoleon, der Eroberer, am besten vertreiben ließe. Den defensiven Charakter der allgemeinen Wehrpflicht hat bereits Machiavelli hervorgehoben: Ein Staat mit einer Söldnerarmee ist eindeutig offensiv geprägt, ganz anders dagegen ein (Stadt-) Staat mit einer Wehrpflichtarmee. Den Bürgern gehe es schließlich um die Verteidigung ihrer Freiheit, nicht um Aggression – ein Argument das in der deutschen National- und Verfassungsbewegung vor und in der Revolution von 1848/49 wiederkehrt. Die Schweiz mit ihrer Milizarmee steht noch heute in dieser Tradition.
Auf der anderen Seite liefern die beiden Weltkriege sowie die totalitären Diktaturen des 20. Jahrhunderts erschreckende Beispiele dafür, wie mit dem Mittel der allgemeinen Wehrpflicht Leid verursacht und Aggression nach außen praktiziert wird. Ein anderes historisches Gegenargument kommt hinzu: Die Entwicklung des Parlamentarismus im England des 16., 17. und 18. Jahrhunderts ist immer konfrontiert mit der Überlegung, dass der Monarch eben nicht über ein stehendes Heer und vom Parlament unkontrollierte Finanzmittel verfügen dürfe. Denn dann wäre es ihm möglich, das Parlament aufzulösen. Von diesen angelsächsischen Erfahrungswerten her betrachtet, passt die allgemeine Wehrpflicht nicht zur Demokratie. Konsequenterweise verfolgt daher Großbritannien traditionell, mit der historischen Ausnahmesituation der beiden Weltkriege, immer den Weg der Freiwilligenarmee.
Vielschichtige Frage Wehrpflicht oder Freiwilligkeit des Wehrdienstes? Es kommt letztlich auf die Bedrohungslage, den Faktor „Wehrgerechtigkeit“ und den Vorrang der Politik an. Kurzum, es geht um die Frage, welche Sozialtugenden (wozu auch die Solidarität zählt, füreinander im Falle einer Bedrohung einzustehen) und welche Vorstellungen ein Gemeinwesen von sich selbst hat. Dr. Peter Andreas Popp, Oberstleutnant, ist Lehrstabsoffizier für Militärgeschichte und ständiger Mitarbeiter von CLAUSEWITZ.
63
Spezial
Die „Russlandfeldzüge“ Karls XII., Napoleons und Hitlers im Vergleich
Im Osten nichts Neues Von Benjamin Richter
ENDSTATION RUSSLAND: Im 18., 19. und 20. Jahrhundert ist Russland das Ziel großer Invasionsheere, die alle scheitern. Über die Ursachen dafür streiten die Experten – liegt es an Russland oder doch eher an den jeweiligen Angreifern? Die Abbildung zeigt Reste der Grande Armée Napoleons, die sich durch Schnee und Kälte kämpfen. Abb.: picture-alliance/akg
64
D
er polnische Militärhistoriker Janusz Piekalkiewicz meint: „Zwischen dem ,Russlandfeldzug’ Napoleons im Jahre 1812 und dem von 1941 gab es manche Parallele.“ In seinem Buch „Die Schlacht um Moskau“ hat er dem Vormarsch der Wehrmacht das Vorankommen der Grande Armée 129 Jahre zuvor gegenübergestellt. Vergleiche zwischen den beiden „Russlandfeldzügen“ sind immer wieder angestellt worden. Schon am 30. September 1941 wagt sich im „Völkischen Beobachter“ Oberst Scherff an dieses damals nicht gerade unbedenkliche Thema. „Jeder Vergleich hinkt“, schreibt er. „Und doch ist ohne Vergleich kein Gedankenaustausch möglich. Am Gewesenen versucht der denkende Mensch das Geschehnis von heute zu verstehen. Im Rückblick auf das Geschehene findet er die Möglichkeit, sich das Dunkel der Zukunft vorzustellen. Im geschichtlichen Vergleich sucht er schließlich die Gesetzmäßigkeiten des Lebens.“ Selbstverständlich kommt Scherff hinsichtlich des „Dunkels der Zukunft“ zu „beruhigenden“ Schlussfolgerungen: „Eines kann aber ohne Übertreibung gesagt werden: Die deutsche Wehrmacht wird den russischen Winter in Feindesland besser überstehen als ihr östlicher Gegner!“
1941 dürfte nur sehr wenigen Deutschen bekannt sein, dass bereits Napoleon bei seinem epischen Marsch gen Osten auf einen gescheiterten Vorgänger zurückblicken konnte. Welcher Weg nach Moskau der beste sei, soll der Kaiser einen russischen Emissär gefragt haben. „Nun, Majestät“, lautete die boshafte Antwort, „derer gibt es viele. Karl XII. nahm den über Poltawa.“ Die Anspielung auf den Schwedenkönig, dessen Armee beim Vorstoß auf die russische Hauptstadt 1708/09 zugrunde gegangen und in der Schlacht von Poltawa aufgerieben worden ist, soll Napoleon sehr erzürnt haben.
„General Winter“ Alle drei „Russlandfeldzüge“ sind katastrophal fehlgeschlagen. Gibt es dafür eine gemeinsame Ursache? Oft werden natürliche Faktoren angeführt: Die Invasoren seien an der Weite des Landes und der Härte des Winters gescheitert. Wie weit trägt diese Erklärung? Russland umfasst schon zur Zeit Peters des Großen – und damit Karls XII. – das mit Abstand größte Staatsgebiet der Erde. Er könne sich bis Kamtschatka zurückziehen, soll Zar Alexander den französischen Botschafter Napoleons gewarnt haben. Dass sein Reich nicht mit Moskau steht und fällt, soll sich dann tatsächlich be-
wahrheiten. Mit St. Petersburg hat es bereits 1708 ein zweites Zentrum besessen. 1941 sind die Industriegebiete im Donez-Becken und hinter dem Ural als weitere Kraftquellen hinzugekommen. Russland an einer einzigen Stelle tödlich zu treffen – wie etwa Frankreich durch die Wegnahme von Paris – ist weder Karl XII. noch Napoleon noch Hitler möglich. Indessen sind die natürlichen Faktoren konstant. Die drei Eroberer wissen, worauf sie sich einlassen. Karl XII. und Napoleon sind erfahrene und äußerst erfolgreiche Feldherren, und auch Hitler hat als Oberbefehlshaber der Wehrmacht zunächst ein glückliches Händchen. Zwar soll der Winter 1708/09 außergewöhnlich streng gewesen sein, die Russen leiden darunter jedoch fast ebenso wie die Schweden, denen ein raues Klima durchaus vertraut ist. 1812 hingegen kommt die kalte Jahreszeit spät und ist vergleichsweise mild, und auch der Winter 1941 ist keineswegs die Naturkatastrophe, welche die Nazi-Propaganda aus ihm macht, um von anderen Gründen für die Niederlage vor Moskau abzulenken. „Nach einer oft zitierten Darstellung sollen die deutschen Truppen vor Moskau nicht von der Roten Armee, sondern vor allem von ‚General Winter’ besiegt worden sein“, schreibt Janusz Piekalkiewicz. „Dafür war aber die deutsche Wehrmacht zu kampfkräftig, um von Schlamm, Schnee oder Frost bezwungen zu werden.“ Der Strategieexperte Basil Liddell Hart hat den Einfluss natürlicher Faktoren auf die Kriegführung generell relativiert: „Natürliche Risiken, wie respekteinflößend auch immer, sind grundsätzlich weniger gefährlich und unsicher als menschliche Risiken. Alle Umstände sind kalkulierbarer, alle Hindernisse überwindbarer als jene menschlichen Widerstandes. Durch vernünftige Berechnung und Vorbereitung können sie geradezu auf die Minute bewältigt werden. Während Napoleon 1800 in der Lage war, ‚planmäßig’ die Alpen zu überqueren, konnte das kleine Fort Bard die Bewegung seiner Armee so ernsthaft beeinträchtigen, dass sein gesamter Plan in Gefahr geriet.“
„Verbrannte Erde“ Eine andere Erklärung für das Scheitern der „Russlandfeldzüge“ sehen manche Historiker in der Taktik der verbrannten Erde. Die Russen hätten ihr eigenes Land in eine Wüste verwandelt und sich dann zurückgezogen, um den Gegner an Versorgungsschwierigkeiten zugrunde gehen zu lassen. 1708 spielt diese Taktik in der Tat eine große Rolle. Peter der Große hat sie systematisch angewandt, um die Invasoren zu schwächen. Nachdem sie polnisches Ter-
Clausewitz 1/2015
ritorium betreten hat, wandelt die schwedische Armee stets auf einer Spur der Verwüstung. Als die Schweden nach einem entbehrungsreichen Vorstoß im September 1708 Tatarsk, rund 80 Kilometer vor Smolensk, erreichen, haben ihre Vorräte einen gefährlichen Tiefstand erreicht. Rauchgeruch erfüllt die Luft, und der Horizont ist schwarz und rot gefärbt von den Bränden, die im Osten wüten. Karl XII. sieht sich gezwungen, die Straße nach Moskau zu verlassen und in die an Nahrungsmitteln reiche Ukraine abzudrehen. Der Weg nach Poltawa ist eingeschlagen, die Taktik der verbrannten Erde hat strategische Auswirkungen gezeitigt. Sowohl 1812 als auch 1941 ist dies allerdings anders. Zwar ziehen sich die Russen auch vor Napoleon zurück, aber hinter diesem Ausweichen steckt keine strategische Absicht. „Der Rückzug der Russen war kein Werk überdachten Planes“, berichtet Carl von Clausewitz, der damals im russischen Hauptquartier dient. „Man ging so weit zurück, weil man in jedem Augenblick, wo man die Schlacht annehmen wollte, sich noch
PARALLELE: Dieses russische Propagandaplakat von 1941 spiegelt Hitlers Russlandfeldzug vor den gescheiterten Invasionsversuch Napoleons 1812. Der Schriftzug sagt: „Napoleon hat seine Niederlage erlitten. Das gleiche blüht Hitler auch!“ Abb.:picture-alliance/ akg-images
„Wenn das Waffenglück gegen mich sein sollte, zöge ich mich lieber bis nach Kamtschatka zurück, als dass ich Provinzen abträte.“ Zar Alexander zum französischen Botschafter Caulaincourt
nicht stark genug dazu fand.“ Sobald das Heer des Zaren, zu Kriegsbeginn in zwei Armeen geteilt, vereint war, stellt es sich – bei Borodino – zur Schlacht. Und 1941 wird es der Roten Armee sogar beinahe zum Verhängnis, dass Stalin von Rückzug nichts wissen will. Allein in der Kesselschlacht von Kiew werden mehr als eine halbe Million sowjetische Soldaten getötet oder gefangengenommen, weil der Diktator eine rechtzeitige Absetzbewegung verbietet.
„Rote Welle“ Wenn also weder die Weite des Landes und die Härte des Winters noch die Taktik der verbrannten Erde das Scheitern der drei „Russlandfeldzüge“ erklären, tut es
65
Spezial
IM SCHEITERN VEREINT: Karl XII. (1682–1718), Napoleon (1769–1821) und Hitler (1889–1945) haben sich alle an Russland (1709, 1812, 1941) die „Zähne ausgebissen“. Abb.:picture alliance/Quagga Illustrations, picture alliance/Leemage, picture alliance/akg
vielleicht die zahlenmäßige Überlegenheit der Russen? In der Literatur tauchen immer wieder Schilderungen russischer Massenangriffe auf – von Wellen aus Menschenleibern, die, eine nach der anderen und ohne Rücksicht auf Verluste, gegen die feindliche Front branden, bis diese unweigerlich überflutet wird. Dennoch ist das Bild von der sprichwörtlichen „russischen Dampfwalze“ mit Vorsicht zu genießen, ist auch hier Propaganda im Spiel. Insbesondere die Goebbels-Medien bedienen die Vorstellung von einem Konflikt zwischen einer zivilisierten und modern bewaffneten „arischen Elite“ auf der einen und einer primitiven, fanatischen slawischen Horde auf der anderen Seite. Wie sehen die Kräfteverhältnisse wirklich aus? Karl XII. bietet insgesamt rund 63.000 Mann gegen 92.000 Russen auf – eine deutliche, aber alles andere als hoffnungslose Unterlegenheit, zumal das schwedische Heer qualitativ als weit überlegen gilt. Im Jahre 1700 haben gut 10.000 Schweden bei Narwa eine vierfache russische Übermacht vernichtend geschlagen.
HINTERGRUND
Schloss Altranstädt
Nicht nur das Unternehmen Barbarossa, auch die beiden früheren „Russlandfeldzüge“ weisen Bezüge zu Deutschland auf. Zehntausende Deutsche dienen in Napoleons Grande Armée. Die schwedische Armee wiederum bricht von Sachsen aus gen Moskau auf. Als Karl XII. den Kurfürsten August den Starken bezwingt, richtet er sein Hauptquartier in Schloss Altranstädt nahe Leipzig ein. Der König verbringt fast ein ganzes Jahr dort und bereitet seinen großen Feldzug vor. Da er einer der mächtigsten europäischen Herrscher ist, kommen Gesandte aus aller Herren Länder nach Altranstädt.
66
Heute ist das Schloss restauriert und einer der wenigen Orte in Deutschland, die an den schwedischen „Russlandfeldzug“ erinnern. Besonders sehenswert ist das sogenannte Friedenszimmer, in dem August und Karl ihren Krieg beendet haben. Auch die Altranstädter Konvention, die den schlesischen Protestanten Religionsfreiheit zusichert, wurde hier geschlossen. Und ganz in der Nähe des Schlosses kann man das Schlachtfeld von Lützen besichtigen, wo der Schwedenkönig Gustav Adolf im Dreißigjährigen Krieg gefallen ist. Im Internet: www.schloss-altranstaedt.de
Napoleon marschiert mit der bis dahin wohl größten Armee der Geschichte in Russland ein: 450.000 Soldaten, denen der Zar lediglich 160.000 Mann entgegensetzen kann. Die Verhältnisse ändern sich im Laufe der Feldzüge stark zuungunsten der Invasoren, nicht aber in einem Maße, dass über den Kriegsausgang kein Zweifel mehr bestanden hätte. Zu Hitlers Unternehmen Barbarossa schließlich treten über dreieinhalb Millionen deutsche und verbündete Truppen gegen gut viereinhalb Millionen Rotarmisten an. Jedoch sind die Anfangserfolge der Wehrmacht so groß, dass bei Wiederaufnahme der Offensive im Sommer 1942 annähernd personelle Gleichheit herrscht.
„Zweifrontenkrieg“ Schließlich gibt es Historiker, die den Grund für das Scheitern der „Russlandfeldzüge“ auf anderen Schauplätzen suchen. Das Stichwort heißt „Zweifrontenkrieg“. Hitler wendet sich nach Osten, bevor er den Krieg gegen die Westmächte zum Abschluss gebracht hat. „Ein sehr zäher, mit großen Ressourcen gesegneter Gegner blieb ihm im Westen auf Dauer erhalten“, betont Sebastian Haffner die Bedeutung des anhaltenden britischen Widerstandes, „ein Gegner, den übrigens enge Bande mit Amerika verknüpften.“ Es war derselbe Gegner, der auch Napoleon im Nacken sitzt, als er auf Moskau vorstößt. Auf Karl XII. trifft dieses Argument jedoch nicht zu. Er hat die ersten beiden Mächte der dänisch-sächsischrussischen Koalition, welche Schweden überfallen hat, zum Frieden gezwungen, ehe er in Russland einfällt. Und auch im Falle Napoleons und Hitlers kann nicht wirklich von einem „Zweifrontenkrieg“ die Rede sein. Denn obwohl der Kampf gegen die Briten in Spanien für den französischen Kaiser äußerst lästig ist, handelte es sich um einen Nebenschauplatz. Gleiches gilt für Hitlers Intervention zugunsten der Italiener auf dem Balkan und in Nordafrika. Sofern ein Zusammenhang
Russland als „Feldherrenfalle“ mit der Ostfront besteht, entscheiden Ereignisse in Russland eher das Geschehen an der „zweiten Front“ als umgekehrt.
Des Rätsels Lösung Gibt es also keinerlei gemeinsame Ursache für das Scheitern der „Russlandfeldzüge“? Die Weite des Landes und die Härte des Winters, die Taktik der verbrannten Erde, die Größe des russischen Heeres und der „Zweifrontenkrieg“ – all diese Faktoren haben ihre Rolle gespielt, aber keiner von ihnen hat in allen drei Fällen entscheidende Bedeutung erlangt. So bleibt, den Grund bei den Invasoren selbst zu suchen. Karl XII. ist ein sehr verschlossener Mensch, der wenig von seinen politischen Vorstellungen preisgibt. Es scheint, als habe er sich überhaupt kaum für Politik interessiert. Der Charakter des Königs weist einen stark romantisch-moralisierenden Zug auf. „Ich habe beschlossen, nie einen ungerechten Krieg zu führen“, eröffnete er seinen Räten nach dem Überfall auf Schweden, „einen gerechten aber erst mit dem Untergang meiner Feinde zu beenden.“ Gut oder böse, schwarz oder weiß, alles oder nichts – das sind die Kategorien, in denen Karl denkt. Hinzu kommt eine schon in frühester Jugend erkennbare Neigung zum Abenteuer, zu wagemutigen und Ruhm verheißenden Unternehmungen. Karl ist der geborene Feldherr, der fast sein ganzes Leben nach Kriegsbeginn auf Feldzügen verbringt und die Leiden seiner Untergebenen bereitwillig teilt.
„Dafür war die deutsche Wehrmacht zu kampfkräftig, um von Schlamm, Schnee oder Frost bezwungen zu werden.“ Militärhistoriker Janusz Piekalkiewicz
Krieg ist laut Clausewitz die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Für Karl XII. aber, dem die politische Komponente abgeht, wird er zum Selbstzweck. Dass der König den nach Poltawa aussichtslos gewordenen Kampf noch neun Jahre lang bis zu seinem gewaltsamen Tod fortsetzt, während das Schwedische Reich zusehends verfällt, legt davon beredtes Zeugnis ab. Ähnliches gilt für Napoleon. „Tatsächlich scheinen sich seine Kriegsziele während des Feldzugs geändert zu haben und sind umso schwieriger aus seinen eigenen Aussagen herauszulesen, als diese davon abzuhängen schienen, mit wem er gerade sprach“, stellt Steven Pole fest, der ein Planspiel über den französischen „Russlandfeldzug“ entworfen hat. „Die einzige Konstante scheint der Wunsch nach einem ‚ehrenhaften Frieden’ mit Russland gewesen zu sein, worunter er wohl einen Vertrag verstand, der es zur Unterstützung Frankreichs bei dem Versuch verpflichtete, Britannien in die Knie zu zwingen.“ Freilich ist ein solcher Vertrag, der Russland zum Juniorpartner degradiert hätte, für den Zaren inakzeptabel. Der Wahrheit am nächsten dürfte eine berühmte Äußerung Napoleons gegenüber Metternich aus dem Jah-
Clausewitz 1/2015
re 1814 kommen: „Eure Herrscher, geboren auf dem Thron, können sich zwanzigmal schlagen lassen und doch immer wieder in ihre Residenzen zurückkehren; das kann ich nicht, ich, der Sohn des Glücks! Meine Herrschaft überdauert den Tag nicht, an dem ich aufgehört habe, stark und folglich gefürchtet zu sein!“ Napoleon glaubt, seine Macht andauernd in Kämpfen bestätigen zu müssen. Nicht um ein konkretes außenpolitisches Ziel geht es ihm, sondern um grenzenlosen militärischen Ruhm. Bei Hitler wiederum haben wir es mit einer ideologischen Widersprüchlichkeit zu tun. Einerseits erträumt er einen „Endsieg“ mit einem anschließenden „tausendjährigen Reich“ als dauerhafter Friedensordnung. Andererseits ist der Kampf an sich ein unabdingbares, ja „heiliges“ Element seiner Weltanschauung. Die Geschichte sei eine endlose Abfolge von Rassenkämpfen, jeder Sieg mithin nur vorübergehend. Die Führerweisungen für das Unternehmen Barbarossa spiegeln diese Gegensätzlichkeit wider. Heißt es zunächst noch: „Das Endziel der Operation ist die Abschirmung gegen das asiatische Russland auf der allgemeinen Linie Wolga–Archangelsk“ – wo eine permanente Wehrgrenze entstehen soll –, so befiehlt Hitler unter dem Eindruck der Anfangserfolge bald, Planungen für einen weiteren Vorstoß in Richtung Mittelasien und Indien zu beginnen. „Ein zielloser Feldzug kann per Definition nicht erfolgreich sein“, konstatiert Steven Pole. Ein klar definiertes, realistisches politisches Ziel ist jedoch bei keinem der drei „Russlandfeldzüge“ erkennbar.
Literaturtipps Benjamin Richter: Verbrannte Erde. Peter der Große und Karl XII. – Die Tragödie des ersten Russlandfeldzuges, Göttingen 2010. Adam Zamoyski: 1812 – Napoleons Feldzug in Russland, München 2014. Richard Overy: Russlands Krieg 1941–1945, Reinbek, 2011.
VORAHNUNG: Ein deutscher Soldat steht 1941 Wache an der Beresina. Neben ihm ist ein Schild mit den Daten, an denen Karl XII. und Napoleon den Fluss überquert haben. Das Schicksal der Schweden und Franzosen sollte sich ein drittes Mal wiederholen… Abb.: Archiv CLAUSEWITZ
Dr. Benjamin Richter, Jg. 1977, hat Politikwissenschaft und Philosophie studiert. Er ist Experte für strategische Fragen und Autor mehrerer militärhistorischer Bücher, darunter: „Verbrannte Erde. Peter der Große und Karl XII. – Die Tragödie des ersten Russlandfeldzuges.“
67
Feldherren
MAGISCHER MOMENT: Der Frankenkönig Chlodwig I. aus dem Haus der Merowinger erhält von Bischof Remigius von Reims die Taufe. Der Übertritt zur Römischen Kirche führt zum Konflikt mit den arianischen Germanenkönigreichen. Ausschnitt aus einem Gemälde von Jean-François Gigoux. Abb.: picture-alliance/akg-images/Gilles Mermet
FAKTEN
Kämpfe Chlodwigs
486 oder 487: Krieg gegen den Römer Syagrius Um 492: Krieg gegen die Thoringi 496 oder 497: Alemannenschlacht bei Zülpich 500: Krieg gegen die Burgunder 507: Schlacht gegen die Westgoten bei Vouillé 508: Eroberung der Westgotenresidenz Toulouse 509 bis 511: Krieg gegen verwandte Frankenkönige
68
Chlodwig I.
Begründer des Frankenreiches D
as Römische Reich ist die bedeutendste Weltmacht der Antike. Sein Herrschaftsgebiet umfasst große Teile des heutigen Europas sowie Kleinasien und Nordafrika. Seit dem 4. Jahrhundert n. Chr. befindet sich dieses Imperium jedoch in der Krise. Besonders die Germanen und Hunnen, die im Zuge der „Völkerwanderung“ in römisches Territorium eindringen, bereiten Probleme. Der Ostteil des Römischen Reiches trotzt den Gefahren und besteht bis 1453 fort. Hingegen ereignet sich 476 im Westen eine Katastrophe: Romulus Augustulus, der letzte weströmische Kaiser, wird durch den Germanenfürsten Odoaker abgesetzt. Infolgedessen löst sich der Westteil auf und zerfällt in mehrere Einzelstaaten, die von germanischen Stämmen wie den Franken, Goten und Wandalen regiert werden. Damit endet das Zeitalter der Antike. Es bricht nun eine neue Epoche an, die sich bis zum Ende des 15. Jahrhunderts erstreckt: das Mittelalter. Eine herausragende Rolle in der politischen und militärischen Geschichte des Frühen Mittelalters spielen die Merowinger, ein Königsgeschlecht, das zum germanischen Großstamm der Franken gehört. Die Merowinger schaffen am Übergang von der Antike zum Mittelalter im Zentrum Europas ein gewaltiges Reich, das sie etwa zweieinhalb Jahrhunderte, bis zum Jahr 751 regieren. Begründer dieses Frankenreiches ist Chlodwig (466–511). Mittels äußerst blutiger Kriegszüge gelingt es ihm, sein zunächst nur kleines Herrschaftsgebiet enorm auszudehnen.
ihm Tournai am Ufer des Flusses Schelde. Überregionale Bedeutung erlangen die Merowinger erstmals unter Merowechs Sohn und Nachfolger Childerich, der von etwa 457 bis 481/82 regiert. Childerich macht sich die verworrene politische Situation in der Provinz Gallien zunutze: Dort verliert die weströmische Regierung zunehmend die militärische Kontrolle. Zur Aufrechterhaltung der Ordnung bedarf es einer Kooperation mit germanischen Stämmen, die seit der „Völkerwanderung“ auf römischem Reichsboden siedeln. Childerich wird zum General der gallischen Provinz Belgica Secunda ernannt, einem Gebiet, das von Reims bis zum Ärmelkanal reicht. Fortan kämpft er an der Seite der weströmischen Befehlshaber Aegidius und Paulus. Zu seinen Gegnern gehören unter anderem die Westgoten und Alemannen.
Chlodwigs Herkunft
FALSCHER FRANKE: Diese Abbildung aus dem 19. Jahrhundert zeigt Childerich, den Vater Chlodwigs. Allerdings ist die Wiedergabe – gemessen an den Informationen, die wir aus den Grabfunden des fränkischen Königs haben – nicht korrekt. Abb.: picture alliance/akg
Chlodwigs Großvater Merowech ist der Stammvater der Frankenkönige aus dem Geschlecht der Merowinger: Von seinem Namen leitet sich die Stammesbezeichnung „Merowinger“ ab. Merowech herrscht Mitte des 5. Jahrhunderts als König über ein Gebiet, das sich in der heutigen belgischen Provinz Hennegau befindet. Als Residenz dient
Clausewitz 1/2015
466–511: Der Frankenkönig Chlodwig schafft durch seine außerordentlichen Erfolge als Feldherr ein gewaltiges Reich im Zentrum Europas. Von Daniel Carlo Pangerl
vergrößern. In diesem geplanten Großreich sollen alle Franken, die in Gallien wohnen, unter Chlodwigs Führung vereint werden. Chlodwigs erstes Opfer ist der römische Regionalherrscher Syagrius. Dieser hat nach dem Untergang des Weströmischen Reiches in Nordgallien ein eigenes Herrschaftsgebiet begründet, das sich zwischen dem Reich der Merowinger und dem südfranzösischen Westgotenreich befindet, mit dem Regierungssitz in Soissons. 486 oder 487 greift Chlodwig an, besiegt Syagrius und nimmt dessen Territorium in Besitz. Für den Frankenkönig hat dieser Erfolg besonderen Wert: Ihm fallen nicht nur die Ländereien des Syagrius zu, sondern auch dessen Schatz sowie die Reste der provinzialrömischen Verwaltungseinrichtungen, etwa das Münzwesen, Waffenfabriken und
Sieg über den Römer Syagrius Childerich ist mit Basina verheiratet, die aus dem germanischen Geschlecht der Thüringer stammt. Sie gebärt ihm 466 einen Sohn mit dem Namen Chlodwig. Dieser erbt nach Childerichs Tod im Jahr 481 oder 482 die Ämter seines Vaters: Chlodwig wird sowohl merowingischer König mit einem Herrschaftsgebiet in der Region Tournai als auch General der Provinz Belgica Secunda. Schon bald kristallisiert sich heraus, dass der junge Regent ein sehr ehrgeiziges Ziel verfolgt: Durch zahlreiche militärische Operationen will er sein Territorium beträchtlich
69
Feldherren | Chlodwig I.
Truppenkontingente. Schon bald kann Chlodwig seinen Herrschaftsbereich weiter ausdehnen: Um 492 unterwirft er den Kleinstamm der Thoringi, der möglicherweise in der Region um Tongern, etwa 15 Kilometer nördlich von Lüttich, siedelt. Anschließend dringt er bis in den Raum zwischen den Flüssen Seine und Loire vor. Mitte der 490er-Jahre hat Chlodwig die erste Etappe seiner Expansion abgeschlossen.
Die zweite und letzte Etappe von Chlodwigs Expansion beginnt Ende der 490er-Jahre. Der germanische Stamm der Alemannen siedelt seit etwa 455 im Norden Galliens sowie in Teilen des heutigen Bayern und Österreich. Er liegt damit in Chlodwigs Reichweite. Um 496 beginnt der Frankenkönig, die alemannischen Gebiete in Gallien anzugreifen. 496 oder 497 kommt es schließlich zu einer Feldschlacht bei Zülpich in der Eifel. Als Kampf-
„Auch viele andere Könige ließ Chlodwig töten, sogar seine nächsten Verwandten, von denen er fürchtete, dass sie ihm sein Reich wegnehmen möchten. Und so breitete er seine Herrschaft über ganz Gallien aus.“ Zitat des Geschichtsschreibers Gregor von Tours, 6. Jahrhundert.
Sein beträchtlich vergrößertes Territorium erstreckt sich nun über große Teile von Nordgallien. Seine Machtstellung sichert Chlodwig durch Heiratsbündnisse mit germanischen Herrschern: Er selbst vermählt sich mit Chrodechilde, der Nichte des Burgunderkönigs Gundobad; Chlodwigs Schwester Audofleda ehelicht den Ostgotenkönig Theoderich, der in Nord- und Mittelitalien regiert.
70
schauplatz dient wahrscheinlich die zwischen Zülpich und Nideggen gelegene Wollersheimer Heide im äußersten Südwesten von Nordrhein-Westfalen. Chlodwig erhält Unterstützung von verbündeten rheinischen Franken, die unter Führung des Königs Sigibert von Köln kämpfen. Gemeinsam kann die fränkische Allianz die Schlacht für sich entscheiden: Der König
SPEKTAKULÄRER SIEG: Chlodwig kann nahe der Stadt Vouillé den Westgoten Alarich bezwingen. Die Abbildung zeigt die Szene des legendären Zweikampfes, in dessen Folge der Franke den Westgoten erschlägt. Abb.: picture alliance/akg
der Alemannen fällt, seine Untertanen müssen fliehen. Um 506 gelingt es Chlodwig, die nördlichen alemannischen Gebiete endgültig zu unterwerfen.
Chlodwig wird Christ Der Bischof und Chronist Gregor von Tours (538/39–594), der wichtigste Berichterstatter für die Geschichte des Frankenreiches unter Chlodwigs Herrschaft, interpretiert die Schlacht bei Zülpich als „Bekehrungsschlacht“: Er setzt sie in unmittelbaren Zusammenhang mit der Taufe des Frankenkönigs. Gregor zufolge legt Chlodwig, der wie seine Vorfahren Merowech und Childerich Anhänger der heidnisch-germanischen Religion ist, unmittelbar vor der Schlacht ein Gelübde ab: Wenn er mit der überirdischen Unterstützung des Christengottes gewinnen sollte, werde er aus Dankbarkeit zum katholischen Christentum übertreten. Nach seinem Sieg bei Zülpich lässt sich Chlodwig durch Bischof Remigius von Reims im katholischen Glauben unterweisen und meldet sich am 11. November, dem Fest-
Erfolgreiche Expansion tag des Heiligen Martin, zur Taufe an. Am darauffolgenden Weihnachtstag tauft Remigius Chlodwig in Reims. Da Gregor kein genaues Datum nennt, bleibt die Datierung der Taufe bis heute umstritten. Wahrscheinlich hat sie 498 stattgefunden. Gewiss findet die Hinwendung der Frankenkönigs zu einer neuen Religion nicht aus demjenigen Motiv statt, das uns der wundergläubige Bischof Gregor von Tours mitteilt. Nüchtern betrachtet, konvertiert Chlodwig nicht wegen des angeblichen Eingreifens einer göttlichen Macht in den Schlachtverlauf, sondern vielmehr wegen eines machtpolitischen Kalküls: Die meisten germanischen Herrscher, etwa die Könige der Ost- und Westgoten, Burgunder und Wandalen, sind Anhänger des Arianismus. Diese Ausprägung des christlichen Glaubens geht auf den spätantiken Priester Arius von Alexandria zurück, der die katholische Lehre von der Dreieinigkeit Gottes bestreitet und daher auf dem Konzil von Nicäa 325 als Häretiker verdammt wird. Weil Chlodwig sich für den Katholizismus und gegen den Arianismus entscheidet, kann er mit den Bischöfen des Frankenreiches zusammenarbeiten. Diese sind mehrheitlich katholisch, stammen großteils aus gallisch-römischen Familien und üben in ihren Bistümern erheblichen politischen Einfluss auf die Bevölkerung aus. Fortan dienen die Bischöfe, die oft von Chlodwig und den nachfolgenden Frankenkönigen persönlich in ihr Amt eingesetzt werden, als Stabilisatoren der merowingischen Herrschaft. Auch Chlodwigs fränkische Untertanen schließen sich nach und nach dem Katholizismus an.
seines Lebens in Angriff: die Eroberung des Westgotenreiches. Die germanischen Westgoten siedeln seit Anfang des 5. Jahrhunderts im heutigen Südfrankreich. Ihr Regierungssitz ist Toulouse. Im Frühjahr 507 führt Chlodwig seine Truppen in den Krieg gegen das Westgotenreich. Schon bald kommt es zum entscheidenden Gefecht. Austragungsort ist das Vogladensische Feld nahe Vouillé, etwa 15 Kilometer nordwestlich von Poitiers. Chlodwig erringt einen triumphalen Sieg über den Westgotenkönig Alarich II., der auf dem Schlachtfeld ums Leben kommt. Im Frühjahr 508 erobern die Franken Toulouse, wo der westgotische Königsschatz deponiert wird. Chlod-
wig reißt diese gewaltigen Reichtümer an sich und lässt sie in das Frankenreich überführen. Nur ein einziges Gebiet, das zum Westgotenreich gehört, können die Franken nicht besetzen: die Provence. Dies verhindert der mächtige Ostgotenkönig Theoderich, der seinen westgotischen Verwandten zu Hilfe eilt und Chlodwigs Truppen aus jener Region vertreibt. Nach dem Sieg über die Westgoten wählt Chlodwig Paris als Regierungssitz.
Verfeindete Verwandte Um die übrigen Herrschaftsgebiete der Franken mit seinem eigenen Reich zu vereinen, schreckt Chlodwig auch vor schauerlichen Grausamkeiten gegenüber den eigenen Verwandten nicht zurück. Neben Chlodwig gibt es SCHLAGKRÄFTIGER STREITER: Dieser merowingische adlige Reiter trägt einen in Spätantike und Frühmittelalter weit verbreiteten Spangenhelm mit Ohrenklappen. Im ausgehenden 6. Jahrhundert kommen Lamellenpanzer bei den Franken auf. Abb.: Historische Recherche: Alexander Querengässer/Zeichnung: Sascha Lunyakov
Kriege gegen Germanen Die germanischen Burgunder regieren seit 443 ein Reich, welches die heutige Westschweiz sowie die südostfranzösische Region Savoyen umfasst. Einen Streit innerhalb der burgundischen Königsfamilie möchte Chlodwig ausnutzen, um seinen Einfluss auf dieses Territorium geltend zu machen. Er unterstützt den jüngeren burgundischen Königssohn Godegisel im Kampf gegen dessen älteren Bruder Gundobad. Doch schon bald wird Godegisel von Gundobad ermordet, wodurch Chlodwigs Burgunder-Projekt scheitert. Chlodwigs Expansionsdrang wird hierdurch aber keineswegs gebremst. Er nimmt nun das waghalsigste militärische Projekt
Clausewitz 1/2015
71
Feldherren | Chlodwig I. HINTERGRUND
Die Dynastie der Merowinger
Die Merowinger, die zum germanischen Großstamm der Franken gehören, sind eine der mächtigsten Dynastien des frühmittelalterlichen Europas. Genau genommen handelt es sich bei den Merowingern um das Königsgeschlecht der Salier, die im (heute niederländischen) Salland wohnen. Die Salier und andere fränkische Stämme bilden untereinander ein Militärbündnis. Sie attackieren ab der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts regelmäßig die Nord- und Nordostgrenze der römischen Provinz Gallien. Mitte des 5. Jahrhunderts werden die Salier, die unter Führung ih-
noch drei andere fränkische Kleinkönige: den bereits erwähnten Sigibert sowie Chararich und Ragnachar. Damit sich Chlodwig des Reiches von Sigibert (Herrschaftssitz in Köln) bemächtigen kann, stiftet er Sigiberts eigenen Sohn Chloderich zum Vatermord an. Nach vollbrachter Tat bietet Chloderich dem Chlodwig die Reichtümer seines Vaters an: Chloderich öffnet eine Schatztruhe, die zahlreiche Goldmünzen enthält. Chlodwig
res Königs Chlodio kämpfen, von den Römern besiegt und im Norden Galliens als Bündnispartner angesiedelt. Von Chlodios Sohn Merowech, der als Kleinkönig in Tournai im heutigen Belgien residiert, leitet sich die Bezeichnung „Merowinger“ ab. Merowechs Sohn und Nachfolger Childerich († 481/82) spielt zu einer Zeit, als das Weströmische Reich nach und nach zerfällt, eine wichtige Rolle im römischen Militär und wird sogar General. Childerichs Sohn Chlodwig († 511) besiegt benachbarte germanische Stämme sowie die Reste der gallisch-rö-
steckt eine Hand in die Truhe, um die Goldmünzen prüfend zu fühlen. Mit der anderen Hand aber ergreift er eine Axt und schlägt Chloderich den Schädel ein. Sogleich nimmt er das Reich und den Schatz des Sigibert in Besitz. Als nächstes wird der Teilkönig Chararich (Herrschaftssitz unbekannt) ausgeschaltet: Chlodwig lässt Chararich und dessen Sohn köpfen und reißt deren Reich und Schatz an sich. Um den letzten KONTROVERSER KÖNIG: Chlodwig ist ein geschickter Machtpolitiker und cleverer Stratege. Um seine Ziele zu erreichen, geht er allerdings auch über Leichen. Unstrittig ist, dass der Nachhall seines Wirkens bis in unsere Tage spürbar ist. Abb.: picture alliance/akg
mischen Provinzregierung. Hierdurch schafft er die Grundlagen für das Frankenreich. Unter Chlodwigs Söhnen wird dieses gewaltige Territorium weiter ausgedehnt. Ab etwa 639, dem Todesjahr des Königs Dagobert, beginnt die Macht der merowingischen Dynastie jedoch zu schwinden. 751 gelingt es Pippin dem Jüngeren, der aus dem fränkischen Geschlecht der Karolinger stammt, den letzten Merowingerkönig Childerich III. abzusetzen. Pippin wird noch im selben Jahr gekrönt. Er und sein Sohn Karl der Große begründen die Königsherrschaft der Karolinger.
übrig gebliebenen Teilkönig Ragnachar (Herrschaftssitz in Cambrai) aus dem Weg zu räumen, wendet Chlodwig eine List an: Er bringt die Gefolgsleute des Ragnachar dazu, ihrem Herrn die Unterstützung aufzukündigen, indem er sie mit goldenen Armspangen und Wehrgehängen besticht. Diese Geschmeide sehen zwar aus, als wären sie aus Gold, bestehen aber tatsächlich nur aus vergoldetem Erz. Von seinen Kriegern im Stich gelassen, fällt Ragnachar in der nun folgenden Schlacht, wodurch Chlodwig dessen Reich und Schatz gewinnt.
Chlodwigs Erbe Am 27. November 511 stirbt Chlodwig in Paris. Nach seinem Tod treten die vier Söhne gleichberechtigt das Erbe an: Jeder von ihnen erhält einen Teil von Chlodwigs gewaltigem Reich. Zwischen 531 und 534 vergrößern Chlodwigs Söhne ihr Territorium durch die Eroberung des Burgunder- und Thüringerreiches: Folglich erstreckt sich das Frankenreich Mitte des 6. Jahrhunderts über Frankreich, die Beneluxstaaten und Teile West- und Mitteldeutschlands. Erst 751 endet die Herrschaft der Merowinger. Von nun an wird das Frankenreich durch das fränkische Adelsgeschlecht der Karolinger regiert, deren berühmtester Vertreter Karl der Große ist. Chlodwigs Leistungen als Feldherr vermögen auch heute noch zu beeindrucken: Seine militärischen Erfolge besitzen eine geradezu epochale Bedeutung und wirken bis in unsere Gegenwart nach. Das von Chlodwig begründete Frankenreich bildet später die territoriale Grundlage für die Entstehung der Nationalstaaten Deutschland und Frankreich. Gleichzeitig bleibt Chlodwig aber auch als äußerst blutrünstiger und skrupelloser, ja barbarischer Machtpolitiker in Erinnerung. Dr. Daniel Carlo Pangerl, Jg. 1983, ist Historiker und Kulturwissenschaftler. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören Mittelalter und Antike.
72
GeraMond Verlag GmbH, Infanteriestraße 11a, 80797 München
Jetzt am Kiosk für nur € 9,90!
Spurensuche | Musée de la Grande Guerre
Museum über den Ersten Weltkrieg
„Wunder“ an der Marne Braucht es wirklich noch ein weiteres Museum über den Ersten Weltkrieg? Ja, wenn es so aufgebaut ist wie das Musée de la Grande Guerre – eine Sammlung, die es zu entdecken gilt. Von Markus Wunderlich
E
s passiert mir selten, dass ich vor einem Museum zögere. Aber das Musée de la Grande Guerre in Meaux weckt irgendwie einen Instinkt in mir: Geh da nicht rein, sonst passiert dir etwas! Vielleicht liegt es an den bedrohlichen Geräuschen. Hinter der martialischen Mauer am Eingangsbereich des Geländes wiehern panisch Pferde, Granaten heulen, Soldaten marschieren. Schnell wird mir klar: Diese irritierende Klangkulisse stimmt Besucher auf das Weltkriegsmuseum ein, lange bevor sie auch nur ein Exponat zu Gesicht bekommen haben. Einstimmung war für mich bereits die Autofahrt in das kleine Städtchen östlich von Paris. Auf den Spuren des deutschen Vormarsches von 1914 huschen am Straßenrand Ortsschilder mit so geschichtsträchtigen Namen wie Reims, Montmirail und Château Thierry vorbei. In Meaux ist Schluss. So wie im September 1914. In dieser Gegend stemmten sich die französischen Truppen gegen die kaiserliche Armee, wendeten das Blatt. Nach dem Krieg wird man vom „Wunder an der Marne” sprechen (siehe CLAUSEWITZ 4/2014).
Futuristisch in die Vergangenheit: Das Museum beherbergt die derzeit spanFoto: Musée de la Grande Guerre nendste Ausstellung zum Ersten Weltkrieg.
74
Fotos, soweit nicht anders angegeben: Marcelle Gellin
ZEITGEMÄßE MUSEUMSDIDAKTIK UND ÜBER 50.000 EXPONATE: In Meaux kann man sich zu einem vermeintlich auserzählten Thema aufs Neue überraschen lassen.
Clausewitz 1/2015
75
Spurensuche | Musée de la Grande Guerre
ESKALATION: Rot die Mächte der Entente, Grün die des Dreibundes. Krieg liegt in der Luft …
UNVERSÖHNLICH: Ein deutscher und ein französischer Soldat (siehe Bild ganz rechts) stehen sich gegenüber.
MOBILMACHUNG: Kolonnen von Soldaten hinter Glas zeigen die Truppen bei Kriegsausbruch. Nähe zum Geschehen schaffen Figuren, die aus den Vitrinen heraustreten.
ARTILLERIE-DUELLANTEN: Deutsche Feldkanone 7,7 cm L.23 (links) und eine französische Canon de 75 modèle 1897, ein Feldgeschütz mit Kaliber 7,5 cm.
76
Der Weg in die Katastrophe
AUFFÄLLIG: Französischer Soldat in der typischen rot-blauen Uniform der ersten Kriegsjahre. PENIBEL REKONSTRUIERT: Deutscher Offizier (links), Ulane und Unteroffizier.
Gibt es eine bessere Legitimität als just an diesem Ort mit einem Museum an den Ersten Weltkrieg zu erinnern? Schwerlich. Die Gelegenheit dazu kam im Jahr 2004. JeanPierre Verney, bekannt für seine Sammlung militärhistorischer Uniformen, Gerätschaften und Dokumente, bot seine herausragenden, fast 50.000 Stück umfassenden Kostbarkeiten zum Verkauf. Meauxs Bürgermeister Jean-François Copé zögerte nicht lange und griff zu. Trotz klammer Kassen flossen reichlich staatliche und regionale Gelder. Bei einem 2008 ausgeschriebenen Wettbewerb überzeugte der renommierte Pariser Architekt Christophe Lab mit seinem modernen Entwurf. Drei Jahre und 28 Millionen Euro später war es soweit: Am 11. November 2011 eröffnete der damalige Staatspräsident Nicolas Sarkozy das Museum – auf den Tag genau 94 Jahre nach Unterzeichnung des Waffenstillstandes. Ein klein wenig Pathos muss man unseren Nachbarn zugestehen. Futuristisch, imposant und ein wenig bunkerähnlich steht das Gebäude da. Nachdem sich meine Gänsehaut gelegt hat, trete ich ein. Frankreichs Museen werden vor den Sommerferien gern von Schulklassen besucht, und auch das Musée de la Grande Guerre macht hier keine Ausnahme. „Soyez tranquilles, les enfants!“ ruft der Kellner des kleinen Cafes im Erdgeschoss einer Gruppe herumtollender Schulkinder zu, sie sollen ruhig sein. Die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg ist den Franzosen heilig.
Clausewitz 1/2015
UMFANGREICH: Zur Schau gestellt werden Unmengen von Waffen.
Jedoch nicht sakrosankt. Deswegen schickt eine „Zeitmaschine“ (in einem abgedunkelten Raum dreht ein stimmungsvoller Film die Zeit zurück) den Besucher ins Jahr 1870 – dem Ersten Weltkrieg liegt der Deutsch-Französische Krieg von 1870/71 schließlich in den Genen. Die ersten Exponate entblößen den unheilvollen Revanchismus Frankreichs, das den Verlust von Elsaß/Lothringen nicht verwinden konnte. Schautafeln erklären wirtschaftliche Rivalität, koloniale Gelüste und komplizierte Bündnisgebilde. In diesem Ausstellungsbereich spürt man, wie hoffnungslos sich die Nationen ineinander verbissen hatten – aus den Vitrinen fiebert der Patriotismus. Der Seitenflügel führt nun zur Hauptachse des Gebäudes. Der Gang verengt sich, plötzlich stehe ich inmitten von Soldaten: Kolonnen hinter Glas, teilweise treten Figuren aus den Vitrinen heraus. Man wird gezwungen, den Jägern, Grenadieren, Reitern in die kommende Katastrophe zu folgen. Sie tragen die prächti-
77
Spurensuche | Musée de la Grande Guerre
DEUTSCHER SCHÜTZENGRABEN: Der Film im Hintergrund belebt die Szenerie und vermittelt Grabenalltag.
Die zehn Themenbereiche Zwar bietet das Ausstellungskonzept auch eine kurze Tour an, aus der sich nicht minder spektakuläre Eindrücke mitnehmen lassen. Doch zu empfehlen ist eindeutig die lange Besichtigung, die facettenreich den stärksten Eindruck hinterlässt. Folgende Themenbereiche behandeln die verschiedenen Aspekte des Konflikts: •Ein neuer Krieg: Entwicklung von Technologie wie Artillerie, Ausrüstungen, Tarnung, Kommunikation •Totale Mobilisierung: Der Einsatz aller Menschen für den Krieg •Frauen und Gesellschaften: Die entscheidende Stellung und Rolle der Frauen in dem Konflikt •Alltag im Schützengraben: Das Leben von Millionen Soldaten in den Schützengräben •Taktik und Strategie: Entwicklung strategischer Themen und ihre geistigen Väter •Körper und Leiden: Die extreme Gewalt des Krieges und die daraus resultierenden wissenschaftlichen Fortschritte •Weit weg von der Heimat: Alltag und Leiden der Kriegsgefangenen sowie der Bevölkerung in den besetzten Gebieten •Ein Weltkrieg: Darstellung der kriegführenden Länder •Vom Dorf in den Schützengraben: Die französischen Kolonialtruppen •Die Vereinigten Staaten von Amerika: Die Bedeutung des amerikanischen Expeditionskorps.
78
ÜBERMÄCHTIG: Mit den US-amerikanischen Truppen und Materiallieferungen wendete sich das Blatt gegen die Deutschen endgültig. Das wird im Museum auch entsprechend gewürdigt.
Das rekonstruierte Grauen
SCHAURIGE REKONSTRUKTION: Das nachgestellte Niemandsland, weiß, neutral, mit tödlichen Hinterlassenschaften … FRANZÖSISCHER GRABEN: Zeit nehmen, suchen und immer wieder Neues entdecken.
BEKLEMMEND REALISTISCH: Französischer Unterstand, von draußen dringen Detonationsgeräusche ins Innere.
gen, bunt-geschmückten Uniformen der Vorkriegsjahre. Die Puppen sind allesamt weiß (dieses Gestaltungselement zieht sich durch die ganze Ausstellung), ein neutraler Ton, die Sammelstücke in Farbe hingegen sollen als Kernelement alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Ein großer Raum liegt nun vor dem Besucher. Betont nüchterne Architektur tritt hinter die Exponate zurück, die dadurch sofort ins Auge fallen. Alles wirkt auf 3000 Quadratmeter sorgfältig arrangiert und platziert. Nirgends ist es zu voll und nirgends klaffen Lücken. Hier stehen Großexponate, hier kann man vor rekonstruierten Schützengräben den Kriegsalltag akustisch verfolgen. Denn die Museumsdidaktik bietet dem Besucher eine Atmosphäre, die ihm erlaubt, mit all seinen Sinnen interaktiv Zugang zur
Clausewitz 1/2015
MITMACHEN ERWÜNSCHT: Unterschiedliche Themenbereiche warten nur darauf, Besucher interaktiv in die Ausstellung einzubinden. Die Fülle an Exponaten ist gewaltig.
79
Spurensuche | Musée de la Grande Guerre
RELIKTE: Der Erste Weltkrieg wird für Archäologen immer interessanter. In Frankreichs Boden warten noch viele Funde darauf, entdeckt zu werden.
UNGEWÖHNLICHE PRÄSENTATION: So wie die ersten Tanks auf den Schlachtfeldern überraschend auftauchten, kommt dieser Char Renault FT 17 dem Besucher entgegen.
RELIKT AUS VERDUN: In Zeiten vor dem Einsatz des Funkgeräts setzte man Brieftauben ein. Hier ein mobiler Taubenschlag. MARINE: Der Anteil des Seekriegs war am Ausgang des Ersten Weltkriegs nicht ausschlaggebend, findet in der Ausstellung dennoch gebührende Beachtung.
80
Fülle an Exponaten
DAS ENDE: Die letzte Vitrine vor dem Ausgang zeigt die Soldaten, wie sie im Jahr 1918 ausgesehen haben.
KONTAKT Musée de la Grande Guerre du Pays de Meaux Rue Lazare Ponticelli 77100 Meaux, Frankreich Tel.: 0033 (0)1 60 32 14 18 www.museedelagrandeguerre.eu
ANFASSEN ERWÜNSCHT: Eine deutsche Uniform darf auf Besuchers Haut kratzen.
PROTHESEN: Sammlung von Ersatzgliedmaßen und orthopädischen Hilfen.
Materie zu finden: durch Hören (Alltagsgeräusche im Graben, das Jaulen der Granaten über den Köpfen, Detonationen), Fühlen (man kann den kratzigen Stoff einer deutsche Uniformjacke anfassen oder die schwere persönliche Ausrüstung eines Infanteristen anheben), Riechen und natürlich Sehen. Themenbezogene Bereiche warten in den zahlreichen Abteilungen, die rechts vom großen Raum angeordnet und durch einen langen Gang miteinander verbunden sind. Spätestens jetzt verstehe ich, warum man mir empfohlen hat, viel Zeit mitzubringen. Die zehn Themenbereiche (siehe Kasten auf Seite 78) überwältigen mit einer Fülle an Exponaten, wie ich sie selten gesehen habe. Für das nötige Verständnis der historischen Geschehnisse sorgen Filme auf den zahlreichen Leinwänden.
Clausewitz 1/2015
Foto: Musée de la Grande Guerre
Öffnungszeiten: Täglich geöffnet außer Dienstag, dem 1. Januar, 1. Mai sowie 25. Dezember Oktober–April: 10:00 bis 17:30 Uhr Mai–September: 9:30 bis 18:30 Uhr Eintritt: 10 € (reduziert, 9, 7 oder 5 €)
Zurück in den Hauptraum: Mit am beeindruckendsten sind die beiden rekonstruierten Schützengräben samt Niemandsland. Lange stehe ich davor, bis ich auch wirklich jedes Detail erfasst habe. An der Rückwand, dort, wo sie aufhören, läuft ein Film und verlängert die Gräben in eine andere Dimension. Die Originalaufnahmen zeigen Alltagssituationen im Schützengraben: Soldaten, die Wäsche aufhängen, die Essen fassen, dazu höre ich Geschirr klappern und profane Unterhaltungen … Und hinter mir den Museumswärter: „Excusez-moi Monsieur, le musée va fermer“, das Museum schließt. Acht Stunden sind vergangen wie im Flug. Auf dem Weg zum Ausgang erwacht wieder eine Ahnung in mir: Geh noch nicht raus, du hast noch lange nicht alles gesehen! Ich werde wohl noch einmal hierher kommen müssen.
81
Vorschau
Alpenkrieg 1915–1918 Brutaler Kampf im Gebirge 23. Mai 1915: Mit der Kriegserklärung Italiens an ÖsterreichUngarn entsteht eine neue Front in den Ostalpen. Eisige Kälte und gefährliche Abgründe: Es entbrennt ein Kampf unter extremen Bedingungen, der den Soldaten Unmögliches abverlangt.
Schlacht von Hatten-Rittershoffen 1945 Deutscher Angriff im Westen
Fotos: picture-alliance/Luisa Ricciarini/Leemage; ullstein bild – ullstein bild; picture-alliance/landov
Januar 1945: Die westlichen Alliierten wähnten sich bereits siegreich, als sie Ende 1944 auf unerwartet erbitterten Widerstand der wehrmacht stießen. Auch im Unterelsass traten die Deutschen noch einmal zu einem Gegenstoß an, bei dem sie aber auf einen nicht minder entschlossen amerikanischen Gegner trafen. Konnte sich die Wehrmacht trotz der feindlichen Überlegenheit durchsetzen?
Burenkrieg 1899–1902 Kampf ums Kap 1899–1902: Es ist wie der Kampf David gegen Goliath. Die Burenstaaten Oranje-Freistaat und Transvaal wehren sich mit dem Mut der Verzweiflung gegen das britische Weltreich. Was trieb beide Seiten in diesen heute fast vergessenen Guerillakrieg in Südafrika?
Außerdem im nächsten Heft: Generaloberst Heinz Guderian. Hitlers „Marschall Vorwärts“. Tank Museum Bovington. Großbritanniens beeindruckendes Panzermuseum. Und viele andere Beiträge aus den Wissengebieten Geschichte, Militär und Technik. Lieber Leser, Sie haben Freunde, die sich ebenso für Militärgeschichte begeistern wie Sie? Dann empfehlen Sie uns doch weiter! Ich freue mich über jeden neuen Leser. Ihr verantwortlicher Redakteur CLAUSEWITZ Dr. Tammo Luther
82
Die nächste Ausgabe von erscheint am 2. Februar 2015.
Authentisch. Bedeutsam. Historisch. NEU!
Von den Anfängen der geheimen Aufrüstung in den späten 1940er-Jahren bis hin zum Ende der NVA im Herbst 1990. 224 Seiten · ca. 320 Abb. 19,3 x 26,1 cm € [A] 30,90 sFr. 39,90 ISBN 978-3-7658-2048-9
€ 29,99
Bucher im GeraMond Verlag GmbH, Infanteriestraße 11a, 80797 München
Marinemaler Claus Bergen hat Seegefechte beider Weltkriege dokumentiert. In diesem Prachtband wird sein Leben und künstlerisches Wirken dargestellt. 192 Seiten · ca. 180 Abb. 26,8 x 28,9 cm € [A] 41,20 sFr. 53,90 ISBN 978-3-7658-2055-7
€ 39,99
Auch wenn Otto von Bismarck von einem dauernden Gefühl der Ohnmacht gegenüber den großen historischen Kräften durchdrungen blieb, gilt er heute als die »dominante Figur der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, vielleicht sogar des gesamten Jahrhunderts« (Henry A. Kissinger). Das Werk lässt den Leser eintauchen in eine Epoche, in der Otto von Bismarck der modernen Welt in Deutschland zum Durchbruch verhalf. 168 Seiten · ca. 125 Abb. · 22,7 x 27,4 cm € [A] 30,90 sFr. 39,90 ISBN 978-3-7658-1962-9
€ 29,99
Mit dem Ersten Weltkrieg kam es erstmals auch zu militärischen Auseinandersetzungen im Lauftraum. Soldaten kämpften nun auch »am Himmel«. 224 Seiten · ca. 57 Abb. 14,3 x 22,3 cm € [A] 20,60 sFr. 27,90 ISBN 978-3-7658-2082-3
€ 19,99
Dieses Werk zeigt reich illustriert und auf dem aktuellen Forschungsstand, wie sich Thüringen den zweifelhaften Ruf als »Mustergau« erarbeitet hat. 144 Seiten · ca. 50 Abb. 17 x 24 cm € [A] 20,60 sFr. 27,90 ISBN 978-3-7658-2052-6
€ 19,99
Erlebnis Geschichte
www.bucher-verlag.de oder gleich bestellen unter Tel. 0180-532 16 17 (0,14 €/Min.)
80 JAHRE Jungfernflug der Bf 109 „Das Biest: der Walter Eichhorn Chronograph“
STRIKTE LIMITIERUNG nur 1.935 Exemplare weltweit (1935 – Jahr des Erstflugs)
Hochwertiges Quarzuhrwerk Ø Uhrengehäuse: ca. 4 cm Länge Uhrenarmband: ca. 21 cm Produkt-Nr.: 522-FAN05.01 Produktpreis: € 179,80 (zahlbar auch in 4 Monatsraten zu je € 44,95), zzgl. € 8,95 Versand
gn e d i
Walter Eichhorn, einer der erfahrensten Nachkriegspiloten der Messerschmitt Bf 109
erm an
y
G
es i
n
D
Batterien: 1,5 V vom Typ 371 oder vergleichbare Modelle (nicht im Lieferumfang enthalten)
MIT PILOTENPORTRÄT UND DATENBLATT
PERSÖNLICHE REFERENZ-NUMMER: 74905
„Seit meiner Kindheit träumte ich davon, die Bf 109 zu fliegen. Sie hat ihren eigenen Charakter und viele Piloten nannten sie „das Biest“. Ich flog am liebsten die D-FMBB (Version G6) der Messerschmitt-Stiftung und nannte sie liebevoll ’Fritzchen’.“
Mit 120-TAGE-Rückgabe-Garantie
Zeitlich begrenztes Angebot: Antworten Sie bis zum 12. Januar 2015
Ja, ich reserviere die Armbanduhr
ࡐ'DV%LHVWGHU:DOWHU(LFKKRUQ&KURQRJUDSK´
Name/Vorname
Bitte in Druckbuchstaben ausfüllen
Straße/Nummer PLZ/Ort
D
ie Messerschmitt Bf 109 ist das meistproduzierte Jagdflugzeug der Luftfahrtgeschichte. Von den wenigen noch flugfähigen Exemplaren flog Walter Eichhorn fünf Versionen in 24 Jahren. Er ist Faktenblatt über die Bf 109 einer der erfahrensten Messerschmitt-Piloten der Nachkriegszeit und und Walter Eichhorn gab auch in Hollywoodfilmen wie „Memphis Belle“ und „Operation Walküre“ seine Flugkünste auf diesem Flugzeugtyp zum Besten.
Eine kostbare Fliegeruhr aus robustem Edelstahl
Geburtsdatum
Unterschrift
Telefon für eventuelle Rückfragen
Bitte gewünschte Zahlungsart ankreuzen (): Ich zahle den Gesamtbetrag nach Erhalt der Rechnung Ich zahle in vier bequemen Monatsraten Ich bezahle per Kreditkarte T MasterCard T VisaCard KreditkartenNummer:
Gültig bis:
– Walter Eichhorn –
(MMJJ)
„Das Biest: der Walter Eichhorn Chronograph“ zeigt die Silhouette der Bf 109 auf stahlblauem Zifferblatt. Mit 24-Stunden-Anzeige und zwei Stoppuhren (60 Sekunden und 60 Minuten) sowie beweglicher Lünette mit Tachymeter. Die Auflage ist strikt auf 1.935 Exemplare weltweit limitiert. Mit handnummeriertem Echtheits-Zertifikat und in edler Präsentbox. Auf der Rückseite der Uhr ist die Signatur von Walter Eichhorn graviert! Werden Sie Teil einer Legende: sichern Sie Mit Signatur des Piloten sich „Das Biest: der Walter Eichhorn Chronograph“ gleich heute! Walter Eichhorn
www.bradford.de
Nennen Sie bei Online-Bestellung bitte die Referenz-Nr.: 74905 Telefon: 069 1729 7900