1/2017 Januar | Februar
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Das Magazin für Militärgeschichte
Clausewitz Schlesien 1945 Im Detail
IS-2 „Staslicnhe“ Der sowjeti Tiger?
Wie die Wehrmacht zum Gegenschlag ausholte
Aleuten 1942 Wie die Japaner in den USA landeten
Coronel 1914 Deutschlands Triumph über die Royal Navy MILITÄR & TECHNIK
Die Legionen Roms Hans von Seeckt So schuf er die Reichswehr
Drill und Logistik: Deshalb dominierte die Hightech-Armee
n e d n e Leg e t f ü L der
GeraMond Verlag GmbH, Infanteriestraße 11a, 80797 München
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Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, große Teile Schlesiens galten nach Kriegsausbruch 1939 lange Zeit als „Reichsluftschutzkeller“. Hier war die Bevölkerung weitgehend sicher vor den immer häufiger einsetzenden Bombenangriffen der Alliierten. Hunderttausende von Zivilisten wurden im weiteren Verlauf des Krieges aus sehr gefährdeten Großstädten und Gebieten dorthin evakuiert. Doch Anfang 1945 kehrte der Krieg dorthin zurück, wo er entfesselt wurde – auch Nieder- und Oberschlesien traf es mit voller Wucht. Soldaten der Roten Armee wüteten vielerorts unbarmherzig. Ihre Gewaltexzesse gegen Frauen, Kinder und wehrlose Alte riefen blankes Entsetzen hervor. Die vielen Divisionsgeschichten der deutschen Verbände machen deutlich, dass beide Seiten kaum Gefangene machten. Die dramatischen Berichte der Kriegsteilnehmer zeugen von der ungeheuren Intensität und Brutalität der schweren Gefechte. Längst nicht alle kämpften auf deutscher Seite „bis zum letzten Blutstropfen“, wie es die NS-Propaganda immer wieder forderte. In der zur „Festung“ erklärten niederschlesischen Hauptstadt Breslau erließ Gauleiter Karl Hanke den von der Zivilbevölkerung so dringend ersehnten Evakuierungsbefehl viel zu spät. Er selbst hingegen setzte sich rechtzeitig mit einem Flugzeug aus dem tödlichen Inferno ab. In unserer aktuellen Titelgeschichte „Sturm auf Schlesien“ schildern wir eindringlich, wie die deutschen Truppen verzweifelt versuchten, den sowjetischen Vormarsch aufzuhalten – und welche überraschenden Teilerfolge sie dabei erzielten. Zudem möchte ich Sie auf ein besonderes Extra aufmerksam machen: Diesem Heft liegt das ClausewitzKalenderposter für das Jahr 2017 bei! Ich wünsche Ihnen eine kurzweilige und erkenntnisreiche Lektüre.
Dr. Tammo Luther Verantwortlicher Redakteur
23. Folge Krieger, Söldner & Soldaten
Razvedchik – der Späher Immer im Einsatz vor der eigenen Front, sind die Aufklärer der Roten Armee während des Zweiten Weltkriegs die Augen und Ohren der Stäbe. azvedchik bedeutet so viel wie Kundschafter. Im Zweiten Weltkrieg erfüllen die Kundschafter in den Schützenregimentern der Roten Armee eine Rolle, die sowohl die Feindaufklärung als auch Sondereinsätze umfasst. Ihr Erkennungsmerkmal ist der Tarnanzug mit dem sogenannten Amöben-Muster, den der Dienstherr seit 1938 ausgibt. Organisiert sind die Aufklärungszüge auf Regimentsebene und sie unterstehen direkt dem Regimentsstab, dessen Augen und Ohren sie sind. Die Razvedchiki operieren lautlos nach klaren Befehlen entlang der eigenen Front, um Lücken und ungedeckte Stellen in der gegnerischen Linie auszukundschaften. Sie sickern in die Stellungen des Gegners ein, um „Zungen“ zu beschaffen – deutsche Soldaten, die anschließend verhört werden. Sie erkunden außerdem gedeckte Anmarschwege zu Positionen, von denen aus Überraschungsangriffe gestartet werden
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können. Auch das Heranführen von Scharfschützen in geeignete Stellungen gehört zu ihren Aufgaben. Nominell verfügt jedes Schützenregiment während des Krieges über einen Aufklärungszug von 52 Mann – aber angesichts der hohen Anforderungen und der enormen Verluste der Roten Armee besteht ein Zug meist aus zwei Trupps zu je neun Mann. Ihre Ausrüstung ist leicht. So werden etwa als Bewaffnung wegen ihrer Feuerkraft die Maschinenpistolen PPSh-41 und später auch die PPS-43 bevorzugt. Aber auch die deutsche MP 40 steht hoch im Kurs. Leichte Maschinengewehre vom Typ Degtjarjow DP 1928 führen sie nur mit sich, wenn mehr Feuerkraft erforderlich ist – ihr Gewicht würde die Beweglichkeit zu sehr einschränken.
„REIST“ MIT LEICHTEM GEPÄCK: Tarnung und hohe Beweglichkeit haben für die Späher der Roten Armee oberste Priorität. Dieser Razvedchik trägt über der Standarduniform den typischen Tarnanzug im AmöbenMuster Abb.: Johnny Shumate
FAKTEN Zeit: Zweiter Weltkrieg Waffen: Maschinenpistolen PPSh-41 und PPS-43, Pistole Tokarew TT-33, jeweils Kaliber 7,62 Millimeter Ausrüstung: Möglichst leichtes Gepäck für schnelle Beweglichkeit Aufgaben: Ausspähen von und Einsickern in gegnerische Stellungen, Gefangennahme von Soldaten Wichtige Schlachten: Stalingrad 1942, Kursk 1943, Operation Bagration 1944
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Inhalt Titelthema Sturm auf Schlesien
Titelgeschichte | Schlesien 1945
Erbitterte Kämpfe in Niederschlesien
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Erbitterte Kämpfe in Niederschlesien 1945.
Sturm auf Schlesien Anfang Februar 1945: Stalins Rote Armee kontrolliert das oberschlesische Industriegebiet und mehrere Oderbrückenköpfe. Mit letzter Kraft versucht die Wehrmacht, den sowjetischen Ansturm auf Niederschlesien aufzuhalten Von Tammo Luther
IN ERWARTUNG DES GEGNERS: Deutsche Soldaten sind in Stellung gegangen. Die Angriffsspitzen der Roten Armee können jederzeit auftauchen. In Niederschlesien ist vor allem die Oderlinie von besonderer Bedeutung für die Verteidiger, die unter massivem Feinddruck stehen Foto: ullstein bild - Heinrich Hoffmann
Das letzte Aufgebot ..............................................................................................................24 Volkssturm im verzweifelten Abwehrkampf.
Mit dem Rücken zur Wand ..................................................................................28 Die deutschen Panzerverbände am Ende ihrer Kraft.
5 KURZE FAKTEN
KONFLIKT: Februar/März 1945 ORT: Niederschlesien im Osten des Deutschen Reiches KONTINENT: Europa GEGNER: Deutsches Reich / Sowjetunion EREIGNIS: Angriff der Roten Armee auf Schlesien („niederschlesische Operation“)
Volkssturm: Das Die späte deutsche S. 28 letzte Aufgebot S. 24 Panzerwaffe Als die Rote Armee die Grenze erreichte, warf das Regime Alte und Kinder in den Kampf.
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Die deutschen Panzer befanden sich 1945 im Zenit ihrer Leistungsfähigkeit.
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Sowjetische Soldaten im Häuserkampf in der zur „Festung“ erklärten niederschlesischen Metropole Breslau. Deren Verteidiger leisteten bis zuletzt heftige GegenFoto: picture-alliance/akg-images wehr
Magazin Neues zur Militärgeschichte, Ausstellungen und Bücher.
Spezial ......................
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Das Volk der Richter und Henker ..........................................................40 Die Standgerichte der Wehrmacht.
Schlachten der Weltgeschichte
Breitseite gegen die Royal Navy ..............................................................32
Schlachten der Weltgeschichte
Das deutsche Ostasiengeschwader vor Coronel 1914.
Alarm auf den Aleuten ..................................................................................................46 Blutiger Kampf um die Pazifikinseln Attu und Kiska 1942/43.
Militärtechnik im Detail
Militär und Technik
Höchstleistungsmaschine
....................................................................................
Der sowjetische schwere Panzer IS-2. 4
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Antike Super-Armee.............................................................................................................52 Die römischen Legionen.
Schlachten der Weltgeschichte | Coronel 1914
Militärtechnik im Detail MÄCHTIGER STAHLKOLOSS: Der Große Kreuzer Gneisenau behält im Seegefecht bei Coronel die Oberhand
Das deutsche Ostasiengeschwader vor Coronel 1914
Breitseite gegen die Royal Navy
Der sowjetische schwere Panzer IS-2 (Josef Stalin)
Illustration: Jim Laurier
DIE KONKURRENZ Der deutsche „Tiger“ Besatzung: fünf Mann Höchstgeschwindigkeit: 45 km/h Gewicht: 60 Tonnen Reichweite: knapp 200 Kilometer Bewaffnung: 8,8-Zentimeter-Kanone, zwei 7,92-Millimeter-Maschinengewehre Produziert: 1.347 Stück Die Bezeichnung „Tiger“ verdankte er dem Konstrukteur Ferdinand Porsche. Der „Tiger“ war eine gewaltige, jedoch mit einigen Mängeln behaftete Kampfmaschine. Darüber hinaus waren die Produktionskosten extrem hoch
Höchstleistungsmaschine
Foto: picture-alliance/WZBilddienst
Der Tod von unten Der „Stalin“ war mit einem 12,7-MillimeterMachinengewehr zur Luftabwehr ausgerüstet
Im Zeichen des Bären Dieser IS-2 des zur 8. Gardearmee gehörenden 7. Selbstständigen Schweren Gardepanzerbataillons war bei der Eroberung Berlins dabei. Der auf dem Turm dargestellte Polarbär ist ein Ehrenabzeichen für die Teilnahme an Kämpfen in dem nahe des Polarkreises gelegenen Karelien
Beengt Die Rückstoßbewegung der Kanone erforderte viel Platz, so dass das Innere des Turms ziemlich beengt war. Zu den Aufgaben des Panzerkommandanten gehörte die Leitung des Feuers sowie die Bedienung des Funksprechgeräts
1. NOVEMBER 1914: Vor der chilenischen Küste versenkt das deutsche Ostasiengeschwader in einem dramatischen Gefecht zwei Kreuzer der Royal Navy. Es ist die erste britische Niederlage zur See seit mehr als 100 Jahren Von Lukas Grawe
5 KURZE FAKTEN
Mit V12 durchs Gelände Ein gewaltiger Dieselmotor zusammen mit einem Achtganggetriebe sorgte für eine Höchstgeschwindigkeit von 37 Kilometern pro Stunde und einer Reichweite von 240 Kilometern
DUELL VOR CHILES KÜSTE: Das deutsche Ostasiengeschwader nimmt die britischen Kreuzer (im Hintergrund) vor Coronel unter Feuer; zeitgenössisches Gemälde
KONFLIKT: Zeit: 1. November 1914 ORT: Chilenische Küste vor Coronel/Pazifik KONTINENT: Südamerika GEGNER: Deutsches Reich/Großbritannien EREIGNIS: Sieg des deutschen Ostasiengeschwaders
Der deutsche „Panther“ Besatzung: fünf Mann Höchstgeschwindigkeit: 46 bis 55 km/h Gewicht: 49 Tonnen Reichweite: 250 Kilometer Bewaffnung: 7,5-Zentimeter-Kanone, zwei 7,92-Millimeter-Maschinengewehre Produziert: etwa 6.000 Stück Die Konstruktion des „Panther“ lehnte sich stark an den sowjetischen T-34 an. Ursprünglich war ein Gewicht von 22 Tonnen vorgesehen, das sich aber im Laufe der Produktion mehr als verdoppelte
Langsam am Drücker Die 122-Milimeter-Kanone war ursprünglich als Marinegeschütz konzipiert und verschoss eine aus zwei Komponenten bestehende Granate. Man zog auch eine 100-Milimeter-Kanone in Betracht, aber die Sowjets verfügten über einen reichen Vorrat der größeren Rohre samt Munition, wodurch die Änderung ausblieb. Für einen Schuss benötigte die Besatzung 20 bis 30 Sekunden – Zeit genug für einen deutschen „Tiger“, um sechs oder sieben 8,8-Zentimeter-Granaten abzufeuern
Abb.: picture-alliance/akg-images
Günstiger Winkel Die vorne im 60-Grad-Winkel abgeflachte und 100 Millimeter stark gepanzerte Wanne erhöhte den Schutz. Die Stärke variierte von 30 Millimetern an Teilen der Wanne bis zu 160 Millimetern am Turm IS-2-Panzer drangen in Zugstärke von fünf Fahrzeugen im Verbund mit Infanterie, Pionieren und Flammenwerferteams in Berlin ein und verschossen hochexplosive Granaten
Nicht schön, aber robust Westliche Kritiker bescheinigten dem IS-2 ein plumpes Aussehen. Aber die Sowjets hatten das Ziel, funktionierende Panzer in die Schlacht zu werfen und nicht einen Preis für gelungenes Design zu bekommen
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ei Kriegsausbruch Anfang August 1914 richtet die britische Admiralität ihre Aufmerksamkeit vor allem auf einen deutschen Flottenverband, der fernab von Großbritannien den alliierten Überseehandel bedroht: das deutsche Ostasiengeschwader. Eine mehrmonatige Jagd der mächtigen Royal Navy auf die deutschen Schiffe beginnt. Bei Beginn des Weltkriegs kreuzt das unter der Führung von Vizeadmiral Maximilian Graf von Spee operierende Ostasiengeschwader weitab von seinem chinesischen
im Südpazifik HMS Good Hope wird am 1. November 1914 VOR DEM UNTERGANG: Der britische Panzerkreuzer Foto: picture-alliance/Mary Evans Picture Library von der Kaiserlichen Marine versenkt
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Stützpunkt Tsingtau auf der Höhe der Karolinen im Pazifik. Zu diesem Zeitpunkt umfasst es die Panzerkreuzer Scharnhorst und Gneisenau sowie die Kleinen Kreuzer Emden und Nürnberg. Später stoßen noch die Kleinen Kreuzer Leipzig und Dresden dazu, während Spee die SMS Emden für den Handelskrieg in den Indischen Ozean entlässt. Der Flottenchef weiß, dass er sein Geschwader nicht wieder nach China zurückführen kann – er rechnet damit, dass die Japaner das deutsche Pachtgebiet schon bald erobern werden.
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ie Panzerschlacht bei Kursk führte dazu, dass Josef Stalin einen neuen Panzertyp forderte. Bis zur Mitte des Jahres 1943 sah der sowjetische Führer keine Notwendigkeit, einen schweren Tank zu entwickeln und zu produzieren. Doch dann erreichten ihn Meldungen von der Front, dass die sowjetischen Panzergeschosse zum Teil wirkungslos an den deutschen Panzern abprallten. Wollte man „Tiger“, „Panther“ und „Elefant“ erfolgreich bekämpfen, benötigten die Sowjets daher ein schwereres Kaliber. Der IS-2, für „Iosif Stalin“, erschien im April 1944 – insgesamt entstanden 3.854 Exemplare. Dank seiner starken Panzerung konnte er der gefährli-
chen deutschen 8,8Zentimeter-Granate standhalten und das 51 Tonnen schwere Fahrzeug mit seiner 122-Millimeter-Kanone hat man bald in höchsten Tönen gelobt. So vernichtete eine aus zehn Stalin-Panzern bestehende Einheit in einem Monat 41 „Tiger“ und „Elefanten“, wobei nur acht eigene Fahrzeuge zerstört wurden. IS-2-Panzer kämpften auch im Verbund mit Infanterie, durchbrachen die feindlichen Linien und überließen es den leichteren T-34, das Zerstörungswerk
zu vollenden. „Die schweren Panzer funktionierten ausgezeichnet und überdauerten die Garantiephase bis auf das Doppelte und zwar sowohl was Einsatzzeit als auch die Laufzeit betraf“, äußerte ein sowjetischer Kommandeur aus Weißrussland. Haltbarkeit und Feuerkraft des „Stalin“ erfüllten perfekt die ihm zugedachte Rolle als Waffe, um den Krieg siegreich in Richtung Berlin zu tragen.
In dieser Serie u. a. bereits erschienen: Schwedische 40-Millimeter-Flak (5/2015) Sowjetische Iljuschin IL-2 (6/2015) Britisches Flugboot Short S.25 Sunderland (1/2016) US-Atombomben „Little Boy“ und „Fat Man“ (2/2016) Japanischer Torpedobomber Nakajima B5N (3/2016) Amerikanisches M1918A2 Browning Automatic Rifle (4/2016) Deutsche Panzerfaust 60 (5/2016) Amerikanischer P-38 Abfangjäger (6/2016)
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Wie alle sowjetischen schweren Panzer verfügte der IS-2 neben dem Luftabwehr-Maschinengewehr über drei zusätzliche 7,62-Millimeter-Maschinengewehre
Abb.: HISTORYNET ARCHIVE
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Spezial | Standgerichte
Abb.: picture alliance/Mary Evans Picture Library
Kompliment vom Gegner Heinz Guderian, Generalinspekteur der Panzertruppe, empfahl Vorsicht im Umgang mit dem IS-2: „Nehmen Sie den Kampf mit einem ,Stalin’ nur dann auf, wenn Sie eine starke zahlenmäßige Überlegenheit hergestellt haben“, warnte der deutsche General
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Schlachten der Weltgeschichte | Aleuten 1942/43
Die Standgerichte der Wehrmacht
Kampf um die Pazifikinseln Attu und Kiska
Das Volk der Richter und Henker
den ALARM auf Aleuten JUNI 1942: Japanische Soldaten besetzen blitzartig die Aleuten-Inseln Attu und Kiska im äußersten Nordwesten der USA. Die Amerikaner sind entsetzt über den Angriff und wollen die Invasoren wieder verjagen Von Hagen Seehase
EXTREM WENDIG: Das hervoragende japanische Trägerflugzeug Mitsubishi A6M2 ist auch bei den Luftangriffen auf die Aleuten beteiligt – wenngleich mit geringem Erfolg Abb.: Sammlung Wolfgang Mühlbauer
1944/45: In den letzten Monaten des Krieges zieht das Regime alle Register, um die „Volksgenossen“ zum Durchhalten zu zwingen. Eines der gefürchtetsten Terrorinstrumente ist hierbei das Standgericht Von Stefan Krüger
5 KURZE FAKTEN
WACHSAM: Soldaten einer amerikanischen MG-Stellung auf den Aleuten. Auch wenn der strategische Wert der Inseln gering war, fochten beide Seiten erbittert um sie
ZEIT: Juni 1942 bis August 1943 ORT: Aleuten-Inselkette vor der Küste Alaskas KONTINENT: Nordamerika GEGNER: Japan/USA EREIGNIS: Japanische Eroberung und amerikanische Rückeroberung der Inseln Attu und Kiska
Foto: picture-alliance/akg
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eine wichtige Meldung wäre beinahe ungehört verhallt: „The Japs are coming!“ Mit diesem Satz alarmiert Sergeant Lee J. Bartoletti seine Kameraden. Da sie die Feindlage allerdings völlig falsch einschätzen, räumen die Vorgesetzten der Beobachtung des Sergeanten nicht die angemessene Dringlichkeit ein. So geht Bartoletti von Sicherungsposten zu Sicherungsposten. „The Japs are coming.“ Das sollen auch die Worte gewesen sein, die fast ein Jahr zuvor, am 7. Juni 1941, Charles Foster Jones an beinahe gleichem Ort per Funkgerät absetzte. Eine Meldung, die niemanden erreichte. Das ist kein Wunder: Auf der Aleuteninsel Attu gehören neben Wind, Nebel und Regen auch atmosphärische Störungen zum Alltag.
Ablenkungsangriff im Norden Dass diese entlegene Insel zum Schauplatz besonders erbitterter Kämpfe werden sollte, ist Resultat einer strategischen Fehleinschätzung des japanischen Oberkommandos. Dieses plant nämlich Attu und Kiska zu besetzen, die beiden westlichsten der größeren Aleuteninseln. Darüber hinaus beabsichtigen die Japaner, die US-Militäranlagen in Dutch Harbour zu bombardieren. Beide Maßnahmen sollen von dem geplanten Schlag gegen Midway ablenken. Außerdem soll der Verlust der Inseln den Alliierten die Möglichkeit rauben, die nördlichen Kurilen anzugreifen. Aber die Amerikaner lassen sich nicht täuschen. Ihre Aufklärung ermittelt genau, dass Midway im Zentralpazifik das Hauptziel sein wird. Die Schäden durch die Luftangriffe einer japanischen Flugzeugträgerkampfgruppe am 3. und 4. Juni 1942 unter Vizeadmiral Boshiro Hosogaya gegen Dutch Harbour bleiben begrenzt.
TERROR GEGEN DIE EIGENEN LEUTE: Ein „Fliegendes Feldgericht“ kurz vor der standrechtlichen Erschießung von „Verrätern“ – das Bild zeigt das Verlesen des Urteils Abb.: ullstein bild
BRUTALE PRAXIS: Ein Standgericht vollstreckt ein Urteil. Es konnte jeden treffen – Zivilisten genauso wie Soldaten
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Beide Abb.: ullstein bild
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Menschen & Geschichten
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BLUTIGER BRUDERKRIEG: Kein anderer Film setzt das traumatische Abschlachten bei Gettysburg (US-Bundesstaat Pennsylvania) so authentisch um wie das Bürgerkriegs-Epos von Regisseur Ronald F. Maxwell. Sein Werk gehört zu den eindrucksvollsten Civil-War-Filmen aller Zeiten Abb.: picture alliance/United Archives/IFTN (2)
er Bürgerkrieg gehört zu den dramatischsten Episoden der amerikanischen Geschichte. Zwischen 1861 und 1865 toben erbitterte Kämpfe. Am Ende siegen die Nordstaaten (Union) über die Südstaaten (Konföderation). Die staatliche Einheit der USA wiederherzustellen, fordert einen hohen Preis. Insgesamt rund 600.000 Soldaten und Zivilisten verlieren ihr Leben, zahlreiche Landstriche werden verwüstet und mehrere Städte dem Erdboden gleichgemacht. Ausgangspunkt ist ein Streit um die Verfassung vom 17. September 1787: Im Jahr 1861 vertreten elf südliche Bundesstaaten die Ansicht, dass ihnen die Verfassung das Recht verleiht, sich von der Zentralgewalt in Washington abzuspalten (Sezession). Da Präsident Lincoln eine Sezession nicht akzeptiert, kommt es zum Krieg. Anfangs können die Truppen der Konföderation mehrere Erfolge verbuchen. Ihr militärischer Oberbefehlshaber, General Robert E. Lee, drängt auf eine Entscheidungsschlacht, denn er weiß, dass die Nordstaaten hinsichtlich Wirtschaftskraft, Truppenstärke und Ausrüstung überlegen sind. Diese Vorteile seiner Gegner schlagen umso mehr durch, je länger der Krieg dauert. Lee dringt mit seinem Heer tief in das Gebiet der Union vor und nimmt die Hauptstadt Washington ins Visier. Jedoch versperrt ihm die Armee der Nordstaaten bei Gettysburg den Weg. Hier tobt zwischen dem 1. und 3. Juli 1863 das blutigste Gefecht, das je auf US-Boden stattgefunden hat. Am Ende erringt Nordstaaten-General George E. Meade den Sieg über seinen Kontrahenten Lee. Die Todesopfer auf beiden Seiten belaufen sich auf rund 6.000 Mann. In der Folge wendet sich das Blatt zu Ungunsten der Südstaaten. Der Traum von der Unabhängigkeit ist im Pulverdampf untergegangen.
Hollywoods langes Schweigen
1993: Atemberaubende Spannung und hyperrealistische Kampfszenen – Ronald F. Maxwells Monumentalfilm katapultiert den Zuschauer mitten auf das Schlachtfeld von Gettysburg. Und zehn Jahre später folgt die Fortsetzung Von Daniel Carlo Pangerl
Angesichts der historischen Bedeutung von Gettysburg ist es erstaunlich, dass es Hollywood jahrzehntelang versäumt, einen Spielfilm darüber zu drehen. Der monumentale Stummfilm Die Geburt einer Nation (1915) zeigt die Schlacht nicht, weil Regisseur David Wark Griffith ein leidenschaftlicher Anhänger der Südstaaten ist. Er möchte diese für die Konföderation verheerende Niederlage dezent übergehen. Dasselbe Motiv dürfte auch auf das Südstaatenepos Vom Winde verweht (1939) zutreffen; dort wird Gettysburg nur auf einer Texttafel kurz erwähnt. Eine Ausnahme ist der 30-minütige Dokumentarfilm Die Schlacht bei Gettysburg von 1955. Regisseur Herman Hoffman dreht mit Unterstützung des US-Innenministeriums am Originalschauplatz. Allerdings gibt es
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Gettysburg und Gods and Generals
Blutige Bürgerkriegs-Saga
Generaloberst Hans von Seeckt (1866–1936)
„Schöpfer“ der Reichswehr 1919: Deutschlands Militärmacht liegt am Boden, die Siegermächte gestehen dem Land nur ein stark vermindertes Heer zu. Maßgeblichen Anteil am Aufbau dieser neuen „Reichswehr“ hat vor allem ein Mann: Hans von Seeckt Von Lukas Grawe TOP TEN
Die besten Filme 1. Gettysburg (USA 1993, Regisseur: Ronald F. Maxwell) 2. Vom Winde verweht (USA 1939, Regisseur: Victor Fleming) 3. Die Geburt einer Nation (USA 1915, Regisseur: David Wark Griffith) 4. Gods and Generals (USA 2003, Regisseur: Ronald F. Maxwell) 5. The Civil War (USA 1990, Regisseur: Ken Burns) 6. Zwei glorreiche Halunken (Italien 1966, Regisseur: Sergio Leone) 7. Die rote Tapferkeitsmedaille (USA 1951, Regisseur: John Huston) 8. Der Schwarze Falke (USA 1956, Regisseur: John Ford) 9. Der mit dem Wolf tanzt (USA 1990, Regisseur: Kevin Costner) 10. Der Texaner (USA 1976, Regisseur: Clint Eastwood)
keine Spielfilmszenen mit Schauspielern. Stattdessen erklärt ein Erzähler die Handlung, während die Kamera über das Schlachtfeld fährt. Ein gesteigertes Interesse am Amerikanischen Bürgerkrieg weckt 1990 die elfstündige TV-Dokumentation von Regisseur Ken Burns. Die fünfte der insgesamt neun Episoden zeigt auch die Schlacht von Gettysburg. Aber nach wie vor scheut sich die Filmindustrie, die amerikanische Tragödie realistisch zu zeigen.
Mut zum Realismus Umso stärker ist die Pionierarbeit zu würdigen, die Regisseur Ronald F. Maxwell geleistet hat. Maxwell wird 1949 in Clifton, New Jersey, als Sohn eines US-Army-Veteranen geboren. In den 1970er- und 1980er-Jahren inszeniert er mehrere eher belanglose Kinound Fernsehfilme. Aber unbeirrt hält er an seinem Traum fest, ein Lichtspiel über die
MONUMENTAL: Der Stummfilm Die Geburt einer Nation des umstrittenen Regisseurs D. W. Griffith gilt als filmhistorisch außerordentlich wichtiges Werk Abb.: picture alliance/Mary Evans Picture Library
Schlacht von Gettysburg zu drehen. Das Drehbuch schreibt Maxwell selbst. Es basiert auf dem Historienroman The Killer Angels von Michael Shaara, der 1975 den renommierten Pulitzer-Preis gewonnen hat. Die Suche nach Geldgebern gerät jedoch zu einer regelrechten Odyssee. Die hohen Kosten und das finanzielle Risiko schrecken ab. Letztendlich erklärt sich US-Medienunternehmer Ted Turner bereit, das Projekt zu finanzieren. Der fertige Film dauert ganze vier Stunden – damit gehört er zu den längsten LeinwandEpen in der Geschichte Hollywoods. Im Jahr 1993 läuft Gettysburg in den US-amerikanischen Kinos an. Die Besucherzahlen halten sich in Grenzen, was dazu führt, dass der Film in Deutschland keinen Verleih findet. 1994 allerdings erreicht Turner mit der Erstausstrahlung auf seinem Kabelsender TNT über 34 Millionen Zuschauer.
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Absolut authentisch Regisseur Maxwell strebt größtmöglichen Realismus an – ein Ziel, welches er mit Bravour meistert. Nach zähen Verhandlungen gelingt es dem Produktionsteam, bei der Verwaltung des National Military Park eine Sondergenehmigung einzuholen. Damit ist Gettysburg der erste Film, der mit Schauspielern auf dem Boden des originalen Schlachtfelds gedreht wird. Eine besondere Herausforderung besteht darin, die gewaltigen Heere glaubwürdig darzustellen. Seit den 1980er-Jahren werden Menschenmassen in
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Blutige Bürgerkriegs-Saga
MIT NACHDENKLICHER MIENE: Seeckt durchlebte Höhen und Tiefen als hochranFoto: picture-alliance/Imagno giger Militär
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ur wenige Jahre nach ihrer Gründung 1918/19 steht die Weimarer Republik am Abgrund. Links- und rechtsradikale Gruppierungen bekämpfen die junge Demokratie. Aufstände, Putschversuche und politische Attentate sind an der Tagesordnung. Als am 9. November 1923 im Anschluss an den „Hitlerputsch“ der militärische Ausnahmezustand verhängt wird, überträgt Reichspräsident Friedrich Ebert weitreichende Befugnisse an Hans von Seeckt, seit 1. Oktober 1919 Chef des
Truppenamtes. Seeckt solle alles tun, „was zur Sicherung des Reiches nötig“ sei. Wer war dieser Mann, der sich weigerte, die neue deutsche Staatsform zu bekämpfen, obwohl er selbst eigentlich loyaler Monarchist und lediglich „Vernunftrepublikaner“ war? Johannes Friedrich Leopold von Seeckt kommt am 22. April 1866 in Schleswig als Sohn eines Offiziers zur Welt. Anders als die meisten späteren hochrangigen Militärs besucht er keine Kadettenanstalt. Stattdessen genießt er eine humanisti-
Clausewitz 1/2017
HOCH ZU ROSS: Hans von Seeckt nimmt 1924 eine Parade der Reichswehr ab. Nach dem verlorenen Krieg baute er das deutsche Militär neu auf – doch strebte er auch nach politischer Macht?
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Foto: picture-alliance/Süddeutsche Zeitung Photo
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Kriege, Krisen & Konflikte
Menschen & Geschichte ..................................................................................
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Kampf um Englands Krone.................................................................................68
Die Filme Gettysburg und Gods & Generals.
Die Rosenkriege 1455–1485.
Meinung
Teaser
Make Turkey great again! .....................................................................................67 Die Rückkehr des Imperialismus. Titelbild: Ein mittlerer Panzer IV mit Seitenschürzen, im Hintergrund ein junger Volkssturmmann mit Panzerschreck
Titelfotos: ullstein bild - ullstein bild, ullstein bild - Süddeutsche Zeitung Photo, Weider History Group/Jim Laurier, picture alliance/akg-images, picture-alliance/WZ-Bilddienst, ullstein bild – Süddeutsche Zeitung Photo, Giuseppe Rava
Clausewitz 1/2017
„Kiska Blitz“ Vom Stützpunkt auf Umnak aus startet eine Handvoll Maschinen vom Typ B-17 und LB30 (eine frühe Version der B-24) der USAAF und werfen ihre Bomben über Kiska ab. Aber auch die Navy hat ihren Anteil an der „Kiska Blitz“ genannten Luftoperation. Bei der Insel Atka liegt der Seeflugzeugtender USS Gilles.
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Menschen und Geschichten | Gettysburg/Gods and Generals
Zu ihrer Überraschung müssen die Japaner feststellen, dass die US-Flieger sofort zu Gegenangriffen starten, die für die Japaner aus dem Nichts zu kommen scheinen. General Simon Bolivar Buckner, der Kommandeur der Heereskräfte in Alaska, ließ zwei Feldflugplätze auf den östlichen Aleuten anlegen, die er so geheim hielt, dass nicht einmal seine Vorgesetzten davon wussten. Während sich also die Bombardierung Dutch Harbours als Fehlschlag entpuppt, besetzen die Japaner Attu und Kiska. Auf Kiska befindet sich nur ein Meteorologenteam der United States Army Air Forces (USAAF), Attu hat lediglich 47 Einwohner. Einer von ihnen versucht noch hektisch, Funksprüche abzusetzen, bevor er gefangen und (vermutlich) ermordet wird. Die anderen Insulaner werden als Zivilinternierte nach Japan verschleppt, als die Japaner die Insel zeitweilig räumen. Kiska hingegen befestigen sie außerordentlich. So bringen sie schwere Geschütze in Stellung, bauen Betonbunker und stationieren Mini-U-Boote. Zudem beginnt man mit der Anlage eines Flugplatzes. Das erweist sich als äußerst schwierig, denn der Boden der Aleuteninseln besteht großteils aus einem torfartigen Material („Muskeg“), das ausgesprochen sumpfig ist. Kiska wird zudem sofort zum Ziel amerikanischer Gegenmaßnahmen.
Clausewitz Spezial und Militär und Geschichte .........74 Deutsches Afrikakorps/Kampf um Italien 1943–45. Menschen & Geschichten
„Schöpfer“ der Reichswehr ..................................................................................76 Generaloberst Hans von Seeckt (1866–1936). Vorschau/Impressum............................................................................................................................82 5
Magazin Außenansicht der Veste Heldburg, Sitz des Deutschen Burgenmuseums
Installation kämpfender Ritter in der Dauerausstellung „Mythos Burg“
Foto: picture-aliiance/©dpa
Foto: picture-alliance/©dpa
Museumstipp
Veste Heldburg Neue Ausstellung des Deutschen Burgenmuseums eröffnet
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uf der Veste Heldburg im Landkreis Hildburghausen (Thüringen) hat das Deutsche Burgenmuseum seine Pforten mit einer neuen Dauerausstellung geöffnet. Zuvor wurde die Burg mehrere Jahre lang saniert. Die Besucher können sich in der Ausstellung mit dem Titel „Mythos Burg“ darüber informieren, wie und wozu eine Burg entstand und wie sie sich entwickelte. Die Idee für ein Deutsches Burgenmuseum gab es be-
reits seit Ende der 1990er-Jahre. Das Projekt konnten die Verantwortlichen aber erst 2005 umsetzen, als sich der Trägerverein gründete. Dort engagieren sich neben dem Germanischen Nationalmuseum Nürnberg und dem Deutschen Historischen Museum Berlin mehrere regionale Verbände und Unternehmen. Auch die Entscheidung für die Veste Heldburg als Standort des Museums fiel im Jahr 2005. Auf etwa 1.700 Quadratmetern Ausstel-
Modell der Burg Karlstein (heute Tschechien) im Deutschen Burgenmuseum Foto: picture-alliance/©dpa
lungsfläche zeigt das Museum rund 250 zum Teil hochkarätige Exponate. Kontakt: Trägerverein Deutsches Burgenmuseum Veste Heldburg e. V. Burgstr. 1 98663 Bad Colberg-Heldburg E-Mail:
[email protected] Internet: www.deutschesburgenmuseum.de
BUNDESWEHR
Zum Einsatz bereit: U 36 Neuestes Unterseeboot an die Deutsche Marine übergeben
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as 1. Ubootgeschwader der Marine im schleswig-holsteinischen Eckernförde hat Zuwachs erhalten. U 36 ist das sechste U-Boot der Klasse 212 A, das in dem Marinestützpunkt an der Ostseeküste (Eckernförder Bucht) stationiert ist. Gebaut wurde U 36 in Kiel von ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS). Der Stapellauf des rund 57 Meter langen Hochsee-Bootes fand im Jahr 2013 statt. Es zählt zu den modernsten Unterseebooten der Welt. Mit seinem nahezu geräuschlosen Brennstoffzellenantrieb ist es auch von modernster Technik nur äußerst schwierig aufzuspüren. Mit dem Befehl „Heiß Flagge und Wimpel“ stellte die Marine U 36 im Oktober 2016 offiziell in Dienst.
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Das hochmoderne U-Boot U 36 wird in Eckernförde beheimatet sein Foto: picture-alliance/©dpa
Mit einer feierlichen Zeremonie stellte die Bundesmarine U 36 in Dienst Foto: picture-alliance/©dpa
AUS DEN MILITÄRMUSEEN
Das historische Zitat
„Danke, Mark!“
„Ich liebe den Verrat, aber hasse den Verräter.“
Tank aus dem Ersten Weltkrieg auf dem Trafalgar Square Die Briten sind stolz auf „ihren“ Mark – zu seinen Ehren stellten die Briten am 100. Jahrestag ein Replikat im Zentrum von London zur Schau
Der römische Herrscher Gaius Julius Caesar, der bekanntlich einem Verrat zum Opfer fiel (100 v. Chr. bis 44 v. Chr.)
FILMKLASSIKER
Die Wikinger
Foto: Alexander Losert
„Wikinger-Western“ mit Kirk Douglas
E tischen Verteidigungsministers erkennen, einem Nachfahren von Winston Churchill. Eine besondere Überraschung war es, als der Mark seine Motoren anwarf und unter dem Schutz der Polizei auf seinen eigenen Ketten den Trafalgar Square verließ und sich auf den Weg zur Household Cavalry machte. Dort wartete schon der Ur-Ur-UrEnkel in Form eines Challenger 2 auf den „Veteranen“ des Ersten Weltkriegs. Den ganzen Tag lang standen die beiden Panzer Seite an Seite und avancierten zum viel genutzten Fotomotiv.
Kurioses
BUCHEMPFEHLUNG
„Nehmt diesen Stich, Ihr Schuft!“
Fighting Cockpits
Duelle zwischen Offizieren
Auf dem Pilotensitz bedeutender Militärflugzeuge
I
m 17. Jahrhundert verliert die französische Armee beinahe 120 Offiziere pro Jahr – nicht im Krieg, wohlgemerkt, sondern durch Duelle! Diese bizarre Sitte ist aber keine französische Exklusivität, sondern zehrt am Offiziersbestand aller westlichen Armeen. So hatte Preußen noch im 19. Jahrhundert im Schnitt ein Duell pro Monat zu verzeichnen. Die Könige und Kommandeure sind aus naheliegenden Gründen in der Regel keine großen Freunde des Duells gewesen und haben auf verschiedene Weise versucht, es zu unterbinden. Kaiser Joseph II. etwa bestraft Duellanten als Mörder und Maria Theresa lässt jeden, der in ein Duell verwickelt ist, also auch Sekundanten und Schiedsrichter, köpfen. Solche drakonischen Strafen können das Duell aber trotz alledem nicht völlig verhindern.
Clausewitz 1/2017
Abb.: picture-alliance
ine ganz besondere Veranstaltung fand vor wenigen Wochen in London statt: Am zentralen Trafalgar Square stand ein Tank vom Typ Mark IV. Zu Ehren des britischen Erfindergeistes und des Beginns der Geschichte des modernen Panzers präsentierte das Panzermuseum in Bovington gemeinsam mit dem Spieleentwickler Wargaming dieses Replikat am historischen Ort. Welchen Stellenwert dieser Tank gerade bei den Briten auch heute noch genießt, ließ sich schon an der Anwesenheit des bri-
E Die Duellisten (1977) basiert auf den Figuren Fournier und DuPont – und ist der ultimative Duell-Film Abb.: picture-alliance/Mary Evans Picture Library
Die bekanntesten Duellanten der Geschichte dürften die französischen Offiziere Fournier und DuPont sein, die sich über einen Zeitraum von 19 Jahren (1794–1813) sage und schreibe 30 Mal gegenüberstanden – zu Fuß und zu Pferd, mit Säbel, Rapier und Pistole – sowie mit fast jeder anderen damals verfügbaren Waffe.
s gibt eine spannende Neuerscheinung zum Thema militärische Luftfahrt. Fighting Cockpits heißt das Buch, das ab sofort erhältlich ist. Steigen Sie ein in die Cockpits der berühmtesten Militärflugzeuge der Welt! 50 einzigartige Cockpits aus der Zeit des Ersten Weltkriegs bis heute werden in diesem Band mit mehr als 200 herausragenden Fotografien vorgestellt: Wie war es, 1942 in einer P-51 Mustang zu sitzen? Mitten im Kalten Krieg eine F-14 Tomcat zu steuern? Oder heute eine Lockheed Martin F-22 Raptor zu fliegen? Erfahren Sie alles über die spannende Entwicklung der Cockpits bis heute. Donald Nijboer, Dan Patterson: Fighting Cockpits – Auf dem Pilotensitz berühmter Jagdflugzeuge und Bomber, 224 Seiten, zirka 225 Abbildungen, Format 25,4 x 31,2 Zentimeter, Hardcover, Preis: 39,99 Euro. Ein Muss für jeden Freund Bezug: www.verlagshaus24.de der historischen Luftfahrt Abb.: GeraMond Verlag
E
iner der Klassiker des Wikinger-Genres hat über 50 Jahre auf dem Buckel: Die Wikinger. Im Mittelpunkt der Handlung stehen die Brüder Einar und Eric, die sich beide in Prinzessin Morgana verlieben. Ein tödlicher Kampf beginnt. Der farbenprächtige Kostümfilm ist sicher keine akkurate Historienverfilmung – doch die Charaktere wirken echt, es gibt Drachenschiffe, düstere Burgen, Schlachtszenen und spannende Zweikämpfe. Der auf DVD erhältliche Film macht noch immer eine gute Figur. Die Wikinger, USA 1958, Regie: Richard Der Film Die Wikinger gilt zu Recht als groFleischer ßer Klassiker des Abenteuer-Genres
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Magazin Die Zahl des Monats
MARITIMES
USS Zumwalt US Navy erhält hochmodernen Zerstörer Der neue Raketenzerstörer der US Navy verfügt über modernste Technik und ein futuristisches Äußeres
Foto: picture-alliance/(c)dpa
Foto: picture-alliance/AP Photo
Pearl Harbor Japans Angriff und der Kriegseintritt der USA im Jahr 1941
A
Abb.: C.H. Beck Verlag
m 7. Dezember 2016 jährt sich der japanische Angriff auf die amerikanische Pazifikflotte in Pearl Harbor zum 75. Mal. Das Ereignis darf mit Recht als einer der Wendepunkte im Zweiten Weltkrieg gewertet werden – ohne Pearl Harbor hätte möglicherweise kein Eintritt der USA in den Krieg stattgefunden, was den Verlauf der historischen Ereignisse fundamental hätte ändern können. Konträr zur Bedeutung Pearl Harbors sind allerdings (moderne) deutsche Monographien zum Thema fast so rar wie sympathische Bond-Bösewichte. Umso positiver ist das soDie Neuerscheinung eben erschienene Buch Pearl schließt eine Lücke in Harbor. Japans Angriff und der der deutschen GeKriegseintritt der USA aus dem schichtswissenschaft zum Thema Pazifikkrieg C.H. Beck Verlag zu bewerten. Dem deutsch-japanischen Militärhistoriker Takuma Melber ist nicht nur eine kompetent recherchierte sowie spannend geschriebene Arbeit über Pearl Harbor gelungen, sondern er integriert zudem noch die meist wenig beachtete japanische Perspektive, die für ein umfassendes Verständnis unabdingbar ist. Takuma Melber: Pearl Harbor. Japans Angriff und der Kriegseintritt der USA. 208 Seiten, C.H. Beck Verlag, Preis: 16,95 Euro
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ie United States Navy hat den ersten Zerstörer der Zumwalt-Klasse in Dienst gestellt. Die feierliche Zeremonie fand vor wenigen Wochen in Baltimore im US-Bundestaat Maryland statt. Die Wasserverdrängung des neuen Zerstörers beläuft sich auf mehr als 15.000 Tonnen. Das Schiff ist über 180 Meter lang und knapp 25 Meter breit. Ein spezieller Anstrich und das Tarnkappendesign mit ab-
gewinkelten Flächen sollen die USS Zumwalt auf den gegnerischen Radarschirmen so gut wie unsichtbar machen. Die neue Waffe kostet pro Exemplar rund 4,4 Milliarden US-Dollar. Bisher wurden zwei weitere Schiffe der Zumwalt-Klasse genehmigt. Ursprünglich waren 32 Exemplare vorgesehen, doch aus Kostengründen hat man diese Zahl drastisch reduziert.
Die Fotocollage des russischen Fotografen Sergey Larenkov stellt eindrucksvoll visualisiert einen Brückenschlag zwischen Vergangenheit und Gegenwart her. www.sergey-larenkov.livejournal.com
www.sergey-larenkov.livejournal.com
NEUERSCHEINUNG
D
Damals: 1941 marschieren deutsche Truppen in Smolensk ein, das schon Napoleon 1812 eroberte. Ende 1943 kann die Rote Armee die im Krieg hart umkämpfte und stark zerstörte Stadt wieder zurückgewinnen. Heute: Die weit im Westen des Landes gelegene Großstadt – nahe der Grenze zu Weißrussland – zählt heute mehr als 300.000 Einwohner. Sie ist ein bedeutendes Kultur- und Handelszentrum für die Region sowie ein wichtiger Industriestandort.
Clau Cla use ewiittz
Briefe an die Redaktion
Sewastopol 1942
Zu „Le Bunker de la Rochelle“ in Clausewitz 3/2016: Ich möchte auf Ihre Ausgabe 3/2016 Bezug nehmen. Hierbei haben Sie einen sehr interessanten Artikel über das Bunkermuseum „Le Bunker de la Rochelle" veröffentlicht. Auf Grund dieses Artikels habe ich mir bei meinem heurigen Sommerurlaub die Zeit genommen und mir das Museum angesehen. Ich kann nur sagen, ich war schlichtweg begeistert und bin sehr froh darüber, es gesehen zu haben. Da ich vorher nicht wusste, dass in La Rochelle so ein Museum existiert, kann ich auf diesem Wege nur DANKE an die Redaktion sagen! Es hat sich gelohnt. Als Anregung hätte ich noch einen kleinen Hinweis für Sie. Als ich das Museum besuchte, fand ich einen Flyer, welcher über die Artilleriekommandostation „Le Grand Blockhaus" in Batz sur Mer informierte. Auf Grund dieses Flyers habe ich dann das Blockhaus besucht und war ebenfalls von der tollen Ausstellung begeistert. Vielleicht könnte Clausewitz mal in der nahen Zukunft über diese Thematik einen
Artikel veröffentlichen. Alexander Oswald, per E-Mail
„Ta Taifun“ 1941
Wie die Wehrmacht Moskau erobern wollte
ghtn ning
r US-Teufel im Pazifikkrieg
Zu „Lernen, um zu siegen!“ in Clausewitz 6/2016: Als Abonnent lese ich Ihre Zeitschrift immer wieder gern, da ich auch geschichtlich und vor allem militärgeschichtlich interessiert bin. Auf meinen Reisen durch Frankreich war ich auch in Saint-Cyr Coëtquidan und habe mir das interessante Museum in der Anlage, die man jahrelang nicht betreten durfte, angesehen. Als Zinnfigurensammler schreibe ich oft über meine Museumsbesuche in unserer Vereinszeitschrift. Nun habe ich bei Ihrem Artikel nur eingeschränkt Hinweise zu diesem Museum gefunden. In diesem Jahr besuchte ich in Bayeux den Teppich und das Museum über Wilhelm den Eroberer, auch dazu fand ich bei Ihnen auf der Seite 66–71 interessante Ergänzungen. In Falaise war ich leider noch nicht, aber da muss ich auch noch hin, vor allem nach dem Lesen Ihres Artikels. Horst-Ernst Hahn, per E-Mail Bauernaufsstand
1525: So wurde der Adel überrumpelt
Max voon Galllwitz w
F E S T U N G I N FA L A I S E
Der Ge der 191 Diktato werden sollte
Residenz der Normannen
Anm. d. Red.: Die Kontaktdaten des von unserem Leser Herrn Hahn genannten Museums lauten: Musée du Souvenir des Ecoles de Saint-Cyr Coëtquidan Cour Rivoli, 56381 GUER,
France www.culture.fr oder www.st-cyr.terre.defense.gouv.fr Zu „Kampfmaschinen der Weltkriege wiederbelebt“ in Clausewitz 6/2016: Auf Seite 48 ist ihnen leider ein Druckfehler unterlaufen. Im Bild links oben müsste es bei der Textbeschreibung P-47 heißen. Die P-57 war ein zweimotoriges Flugzeug. Ich lese Ihre Zeitschrift mit viel Freude und habe alle erschienenen Ausgaben. Weiter so. Die Zeitschrift ist sehr anspre-
chend und ich hoffe, dass auch viele jüngere Menschen sie mit derselben Neugier und Begeisterung lesen. Karsten Trube, per E-Mail Anm. d. Red.: Der Leser hat Recht – es handelt sich um zwei P-47. Wir bitten alle Leser, diesen Fehler zu entschuldigen. Zu „Bollwerk der Superlative“ in Clausewitz 6/2016: Als Erstes möchte ich mich bei Ihnen für die Qualität bedanken, die jede Ausgabe von Clausewitz, die ich bisher gelesen hatte, aufweist. Leider ist in der letzten Ausgabe ein Fehler in der Beschreibung der Schlacht um Sewastopol. Die zeitgenössische Zeichnung beinhaltet die richtige Bezeichnung der Bucht Sewernaja („die nördliche Bucht"), sonst ist aber überall Swernaja geschrieben. Tatjana Krasson, per E-Mail
Schreiben Sie an:
[email protected] oder Clausewitz, Postfach 40 02 09, 80702 München Leserbriefe spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe aus Gründen der Darstellung eines möglichst umfassenden Meinungsspektrums sinnwahrend zu kürzen.
Bücher zur Kriegsgeschichte
Faszination Vergangenheit – Geschichte und Geschichten NEU
Klaus Schriml: Im Fadenkreuz der Alliierten
Peter Schmoll: Messerschmitt-Giganten
Peter Schmoll: Luftangriffe auf Regensburg
Peter Schmoll: Die Messerschmitt-Werke im Zweiten Weltkrieg
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2. Auflage 2015, Format 21 x 28 cm, 254 Seiten, Hardcover ISBN 978-3-86646-310-3 Preis: 19.90 EUR
3. Auflage, Format 17 x 24 cm, 232 Seiten, Hardcover ISBN 978-3-931904-38-8 Preis: 20.50 EUR
1. Auflage 2015, Format 22 x 27,5 cm, 160 Seiten, Hardcover ISBN 978-3-95587-008-9 Preis: 19.95 EUR
1. Auflage 2016, Format 13,5 x 20,5 cm, 136 Seiten, Hardcover ISBN 978-3-86646-755-2 Preis: 14.90 EUR
Heimat
battenberg Clausewitz 6/2016
Pfälzer Straße 11 | 93128 Regenstauf Tel. 0 94 02 / 93 37-0 | Fax 0 94 02 / 93 37-24 E-Mail:
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Titelgeschichte | Schlesien 1945
Erbitterte Kämpfe in Niederschlesien
Sturm auf Anfang Februar 1945: Stalins Rote Armee kontrolliert das oberschlesische Industrie-
gebiet und mehrere Oderbrückenköpfe. Mit letzter Kraft versucht die Wehrmacht, den sowjetischen Ansturm auf Niederschlesien aufzuhalten Von Tammo Luther
5 KURZE FAKTEN
KONFLIKT: Februar/März 1945 ORT: Niederschlesien im Osten des Deutschen Reiches KONTINENT: Europa GEGNER: Deutsches Reich / Sowjetunion EREIGNIS: Angriff der Roten Armee auf Schlesien („niederschlesische Operation“)
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Schlesien IN ERWARTUNG DES GEGNERS: Deutsche Soldaten sind in Stellung gegangen. Die Angriffsspitzen der Roten Armee können jederzeit auftauchen. In Niederschlesien ist vor allem die Oderlinie von besonderer Bedeutung für die Verteidiger, die unter massivem Feinddruck stehen Foto: ullstein bild - Heinrich Hoffmann
Volkssturm: Das Die späte deutsche letzte Aufgebot S. 24 Panzerwaffe S. 28 Als die Rote Armee die Grenze erreichte, warf das Regime Alte und Kinder in den Kampf.
Clausewitz 1/2017
Die deutschen Panzer befanden sich 1945 im Zenit ihrer Leistungsfähigkeit.
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Titelgeschichte | Schlesien 1945
FAKTEN
Sowjetunion Oberbefehlshaber: Marschall der Sowjetunion Iwan S. Konew (1. Ukrainische Front) Marschall der Sowjetunion Georgi K. Schukow (1. Weißrussische Front) Zielsetzungen: Eroberung vor allem des niederschlesischen (und von Teilen des noch von deutschen Truppen gehaltenen oberschlesischen) Gebietes im Rahmen der Anfang Februar 1945 einsetzenden Großoffensive; Vorstoß bis zur Oder/Lausitzer Neiße im Raum Görlitz. Im Anschluss: Vormarsch durch den mitteldeutschen Raum Richtung Berlin
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Unaufhaltsam nach Westen
Harte Kämpfe Soldaten der Roten Armee mit Granatwerfern während des blutigen Straßen- und Häuserkampfes in der zur „Festung“ erklärten Odermetropole Breslau. Deren Verteidiger kapitulieren erst am 6. Mai 1945 (Foto nachkoloriert) Foto: picture-alliance/akg-images
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Titelgeschichte | Schlesien 1945
Gegenwehr Ein ausgeschalteter T-34/85 am Rande einer schlesischen Ortschaft. Die Offensive der Roten Armee gerät aufgrund des starken deutschen Widerstands vielerorts immer wieder ins Stocken. Doch die Wucht des Angriffs ist enorm Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo
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Gegen die sowjetische Übermacht
FAKTEN
Deutsches Reich Oberbefehlshaber: Generaloberst Ferdinand Schörner (Heeresgruppe Mitte) General der Panzertruppe Fritz-Hubert Gräser (4. Panzerarmee) General der Infanterie Friedrich Schulz (17. Armee) Zielsetzungen: Stabilisierung der von Verbänden der Heeresgruppe Mitte (vormals HGr. A) gehaltenen Verteidigungslinie im schlesischen Raum an der Oder; Stoppen des Vormarsches der Roten Armee Richtung Westen; Schutz von Teilen des kriegswirtschaftlich bedeutenden böhmisch-mährischen Raumes
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Titelgeschichte | Schlesien 1945
AUSGESCHALTET: An einem zerstörten sowjetischen Feldgeschütz vorbei passiert ein deutscher Schützenpanzerwagen eine schlesische Ortschaft Foto: ullstein bild - Süddeutsche Zeitung Photo/Scherl
D eit der Roten Armee an Mensch und GEBALLTE ANGRIFFSMACHT: Die Überlegenh . Dennoch läuft die sowjetische ckend erdrü ist sien Schle auf Material beim Sturm Foto: picture-alliance/akg geplant Konew chall Großoffensive schleppender als von Mars
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em Osten des Deutschen Reiches droht eine gewaltige Katastrophe: Dort überrennt die Rote Armee seit Beginn ihrer Winteroffensive im Januar 1945 die deutschen Truppen auf breiter Front. Dem wuchtigen Großangriff der sowjetischen Stoßkeile halten die stark angeschlagenen Verbände von Wehrmacht und Waffen-SS kaum stand. Sie stehen mit dem Rücken zur Wand. Seit dem 4. Februar befinden sich auch weite Teile Oberschlesiens mit seinem kriegswirtschaftlich für das „Dritte Reich“ überlebenswichtigen Industrierevier in sowjetischer Hand. Stalins Truppen haben sich zudem Brückenköpfe auf dem linken Oder-
KARTE
KAUM VORHANDEN: Schwere Kampfpanzer vom Typ Tiger sind Mangelware bei der Wehrmacht – wie so vieles andere auch
NICHT ZU STOPPEN: Die Rote Armee stößt immer weiter Richtung Westen vor
Foto: picture-alliance/Süddeutsche Zeitung Photo
Foto: picture-alliance/akg-images
ufer erkämpft. Die Lage an der Ostfront ist nach dem Abschluss der sowjetischen Weichsel-Oder-Operation Anfang Februar 1945 somit äußerst angespannt.
Doch dann gelingt Einheiten der Wehrmacht wie aus dem Nichts ein Handstreich gegen die siegessicheren Rotarmisten. Mit einem gewagten Kommandounternehmen
Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich
Sowjetische Großoffensive im Februar 1945
Deutschen Kampfstoffe herstellen, bis es Ende Januar 1945 der Roten Armee in die Hände fiel. Eine Kampfgruppe unter Generalmajor Max Sachsenheimer dringt am 5.
Die Ruhe vor dem Sturm Im nunmehr besonders bedrohten niederschlesischen Raum herrscht an vielen Frontabschnitten eine gespenstische Stimmung. Die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm liegt über Gräben und Bereitstellungen von Angreifern und Verteidigern. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis der nächste sowjetische Großangriff losbricht und der ungleiche Kampf gegen einen haushoch überlegenen Gegner weitergeht. Clausewitz 1/2017
„Ich fordere klar und deutlich Fanatismus, nichts anderes.“ Generaloberst Schörner in seinem Heeresgruppenbefehl an die Oberbefehlshaber und Kommandierenden Generäle vom 27.2.1945
demonstrieren die stark angeschlagenen Deutschen dem überraschten Gegner, dass sie noch handlungsfähig sind. Ziel der Aktion ist das Hals über Kopf geräumte chemische Werk in Dyhernfurth, in dem die
Februar 1945 in die niederschlesische Stadt vor, um die in der Fabrikanlage gelagerten C-Waffen unbrauchbar zu machen. Nach erfolgreicher Mission ziehen sich die Soldaten wieder hinter die Oder zurück.
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Titelgeschichte | Schlesien 1945
Diese Probleme hat Marschall Iwan Stepanowitsch Konew nicht mehr. Er kämpft nun auf fremdem Territorium und will den Gegner vernichtend schlagen. So bereitet die Rote Armee in der ersten Februarhälfte 1945
FRITZ-H. GRÄSER (1888–1960)
Widersacher
Foto: ullstein bild - Heinrich Hoffmann
Die Verbände der 4. Panzerarmee unter Fritz-Hubert Gräser leisten der 1. Ukrainischen Front unter Konew heftige Gegenwehr
HEIKLE MISSION: Eine Kampfgruppe unter Max Sachsenheimer (mit Ritterkreuz) dringt Anfang Februar 1945 in das zuvor geräumte Chemiewerk in Dyhernfurth ein und vernichtet gefährliche Kampfstoffe, die nicht in die Hand des Gegners fallen sollen
Rückendeckung des „Führers“ Auf deutscher Seite erkennt Heeresgruppenchef Schörner die Absicht seines Gegenübers Konew, aus dem Brückenkopf Steinau heraus über die Linie Liegnitz – Glogau heraus nach Westen durchbrechen. Doch dabei verkennt Schörner die Stärke seiner eigenen Verbände, die er offensichtlich überschätzt. Denn er informierte noch am 4. Februar 1945 seinen Generalstabschef Generalleutnant Wolf-Dietrich Xylander darüber, dass er die zwischen den Städten Liegnitz und Glogau stehenden Divisionen zusammenhalten wolle, um sie zum Gegenstoß gegen den vorrückenden Feind
Foto: picture-alliance/©dpa
den Sturm auf das schlesische Gebiet westlich des Oderflusses vor. Marschall Konew als Oberbefehlshaber der 1. Ukrainischen Front legt dabei den operativen Schwerpunkt auf den Brückenkopf von Steinau, nordwestlich der niederschlesischen Odermetropole Breslau. Der sowjetische Heerführer versammelt hier das Gros seiner Verbände. Darunter befinden sich mehrere Panzer- und allgemeine Armeen sowie ein
IWAN S. KONEW (1897–1973)
FRIEDRICH SCHULZ (1897–1976)
Offensiv
Verteidiger
Marschall Iwan Konews Verbände der 1. Ukrainischen Front erringen im Kampf um Schlesien zwar einen militärischen Erfolg, doch dieser wird mit unerwartet hohen Verlusten teuer erkauft
Friedrich Schulz befehligt während der Kämpfe um Schlesien im Frühjahr 1945 die 17. Armee, die in der deutschen Abwehrfront südlich an die 4. Panzerarmee unter FritzHubert Gräser anschließt
Foto: ullstein bild - ullstein bild
Gewaltige Angriffsmacht
Panzer- und ein mechanisiertes Gardepanzerkorps. Einen zweiten Schwerpunkt legt die sowjetische Seite auf den Brückenkopf südöstlich von Breslau. Man lässt bei Ohlau einen Angriffskeil von beachtlicher Stärke zusammenziehen, um die Provinzhauptstadt südlich zu umfassen und die linke Flanke der Hauptangriffsrichtung zu sichern. Der Plan basiert auf der Grundidee, aus den genannten Brückenköpfen Steinau (nördlich von Breslau) und Ohlau (südlich von Breslau) zum Großangriff anzutreten. Ziel ist es, die niederschlesische Metropole entweder einzunehmen oder zumindest einzuschließen und dann mit dem Großteil der Kräfte Richtung Reichshauptstadt Berlin vorzustoßen. Parallel dazu soll der linke Flügel von Konews 1. Ukrainischen Front mit Teilen der benachbarten 4. Ukrainischen Front Richtung Dresden vorrücken.
Foto: picture-alliance/AP Images
Doch diese Blitzaktion kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass bei der Heeresgruppe Mitte (HGr. Mitte) „Alarmstufe Rot“ herrscht. Ihrem Oberbefehlshaber Generaloberst Ferdinand Schörner ist klar: Es geht um alles. Schörner hat sich an verschiedensten Kriegsschauplätzen den Ruf als harter und kompromissloser Offizier erworben und gilt als nationalsozialistischer Hardliner. Wenige Tage vor Kriegsende sollte der „Führer“ über seinen getreuen Untergebenen äußern: „Auf der ganzen Front zeigte sich nur ein wirklicher Feldherr ... Schörner!“ Dieser wendet sich im Februar 1945 mit einem eindringlichen Appell an die Oberbefehlshaber und Kommandierenden Generäle der Verbände seiner HGr. Mitte. Darin stellt er fest, „dass gerade an diesem Teil der Ostfront prächtige Truppen kämpfen, die unter kühnen Führern jeder Lage nicht nur mit Tapferkeit, sondern mit einem revolutionären Schwung gegenübertreten.“ Zugleich moniert er aber, dass auf der anderen Seite „einige Verbände derart krass“ abfielen, „wie ich das unter ähnlichen Bedingungen noch nie erlebt habe und die eher zur rumänischen Wehrmacht passen als zu unserer nationalsozialistischen, die auf deutschem Boden um Sein oder Nichtsein unseres großen Volkes kämpft.“
Schörners fatale Fehleinschätzung UNAUFHALTSAM: Auch im kriegswirtschaftlich besonders bedeutenden Oberschlesien stoßen die Verbände der Roten Armee immer weiter vor, wie hier im Zentrum von Foto: picture-alliance/akg-images Gleiwitz
einsetzen zu können – angesichts der tatsächlichen Situation an der Front eine utopische Vorstellung. Aufgrund der ungleichen Kräfteverhältnisse und Ausrüstung hilft es der deutschen Seite auch wenig, dass sich Schörner auf die besondere Rückendeckung des Diktators stützen kann. Diese erlaubt es ihm, weitreichende Entschlüsse auch ohne vorherige Zu-
stimmung Hitlers zu fassen. Unterdessen konnte die 1. Panzerarmee unter Generaloberst Gotthard Heinrici (Armeegruppe Heinrici) am Südflügel der HGr. Mitte den Vormarsch der 4. Ukrainischen Front erheblich verzögern. Die Widerstandskraft des durch die vorangegangenen Abwehrkämpfe schwer angeschlagenen operativen Verbandes überraschte die Sowjets.
Tödliche Falle F. SCHOERNER (1892–1973)
Fanatisch Generaloberst Ferdinand Schörner ruft zum fanatischen Widerstand gegen die sowjetischen Soldaten auf und überschätzt die eigenen Kräfte
Von besonderer Bedeutung für die deutsche Defensive entlang der Oderlinie ist die Metropole Breslau. Die Hauptstadt Nieder-
der von Gauleiter Karl Hanke in der zweiten Januarhälfte 1945 erlassene Evakuierungsbefehl viel zu spät. Zwar können sich viele Breslauer und in der Stadt anwesende Flüchtlinge aus den weiter östlich gelegenen Gebieten noch rechtzeitig absetzen, bevor die Rote Armee den Ring vollendet, doch verbleiben immerhin noch schätzungsweise 150.000 bis 200.000 Zivilisten und Ostflüchtlinge im Stadtgebiet. Mitte Februar 1945 sind die Verteidiger der Großstadt und die noch nicht geflohenen Zivilisten schließlich endgültig vom Gegner eingeschlossen. Der eigentliche
„Die Zahl der Gefangenen war verhältnismäßig gering. Dazu war der Kampf von beiden Seiten mit zu großer Erbitterung geführt worden.“ General der Infanterie a.D. Horst Großmann in der Divisionsgeschichte der an den Kämpfen um Lauban beteiligten 6. I.D., 1958, S. 286
Foto: ullstein bild - ullstein bild
schlesiens stellt einen wichtigen Verkehrsknotenpunkt dar und wird von Hitler zur „Festung“ erklärt. Die Wehrmacht soll sie – ebenso wie die „Festung“ Glogau – unter allen Umständen halten. Doch als die Rotarmisten Brückenköpfe westlich der Oder bilden und Breslau einschließen, entpuppt sich die Stadt für Tausende von Zivilisten als tödliche Falle. Angesichts der dramatischen Umstände kam Clausewitz 1/2017
Kampf um die Universitätsstadt beginnt am 15. Februar. Sie wird von Verbänden der der HGr. Mitte unter Generaloberst Schörner unterstellten 17. Armee verteidigt. Darunter befinden sich vor allem Teile der 269. Infanteriedivision, die aber nur noch Kampfgruppenstärke besitzen. Schörner wurde kurz zuvor das „Eichenlaub mit Schwertern und Brillanten zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes“ verliehen – die zweithöchste
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Titelgeschichte | Schlesien 1945 deutsche Tapferkeitsauszeichnung im Zweiten Weltkrieg. Die materielle und personelle Überlegenheit der Roten Armee ist erdrückend – auch der Stadt Breslau steht ein ungleicher Kampf bevor. Hier versucht Festungskommandant Generalmajor Hans von Ahlfen (seit Anfang März 1945 General der Infanterie Hermann Niehoff) die Disziplin unter den Verteidigern der militärisch kaum befestigten Stadt herzustellen. Ziel ist es, den militärischen Widerstand gegenüber dem anstürmenden Feind aufrechtzuerhalten. Ihnen gegenüber stehen die sowjetische 3. Garde-Panzerarmee unter Pawel Rybalko und die 6. Armee unter Wladimir Glusdowski. Unterdessen führt die Offensive Konews aus den Oderbrückenköpfen beiderseits von
Breslau trotz starken deutschen Widerstands zum Erfolg der Angreifer. Die Rote Armee stößt dabei mit zwei Angriffskeilen über Sagan und Liegnitz auf die Lausitzer Neiße vor. Die „Festungen“ Glogau und Breslau sind dadurch weitläufig vollständig eingeschlossen. Der 4. Panzerarmee unter General der Panzertruppe Fritz-Hubert Gräser bleibt angesichts der erdrückenden Wucht der Offensive nichts anderes übrig, als hinter die Neiße zurückzugehen. Hier versucht man, eine zusammenhängende Front zu bilden.
Geht den Sowjets die Puste aus? Etwa zur gleichen Zeit wird die 17. Armee unter General Friedrich Schulz nach Süden auf Schweidnitz und die Stadt Neiße abgedrängt. Die Angriffe der 4. Ukrainischen
INSZENIERT: Generaloberst Schörner und Reichspropagandaminister Goebbels im von den Deutschen zurückeroberten Lauban, Anfang März 1945. Dieser örtlich begrenzte Erfolg wird von der NS-Propaganda ausgeschlachtet Foto: picture-alliance/©dpa - Bildarchiv
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Böse Überraschung für Konew Front bei Ratibor und Mährisch-Ostrau hingegen bleiben hinter den Erwartungen der sowjetischen Militärführung zurück. Auch Konew zeigt sich aufgrund des unerwartet starken Widerstands der HGr. Mitte überrascht. Er äußert sich sogar enttäuscht über den bis Mitte Februar erreichten Operationsverlauf. Als Folge übermittelt er sogar überarbeitete Angriffspläne an das Hauptquartier STAWKA. Das sowjetische Oberkommando ist mit dem bisher Erreichten im Abschnitt der 1. Ukrainischen Front ebenfalls unzufrieden. Neben der noch immer starken Gegenwehr vieler deutscher Einheiten dürften weitere Faktoren ausschlaggebend für den verzögerten Vorstoß der Roten Armee sein: zum Beispiel die Beschaffenheit des Geländes mit seinen dicht bebauten Dörfern
HINTERGRUND
Kriegsziel Schlesien Schlesiens operativer und rüstungswirtschaftlicher Stellenwert für das Deutsche Reich ist auch 1945 enorm. Der schlesische Raum, vor allem die Schwerindustrie in Oberschlesien, ist für die NS-Führung beinahe unerlässlich, wenn sie den Krig fortsetzen möchte. Schlesien bildet zudem ein Bollwerk gegen einen Angriff aus dem Osten in das Zentrum des Deutschen Reiches und sichert durch seine geostrategische Lage das ebenfalls rüstungswirtschaftlich bedeutsame böhmische Gebiet ab. Die Provinz mit der von Südost nach Nordwest verlaufenden Gebirgs-
region und dem in etwa parallel hierzu verlaufenden Oderstrom bildet einen wichtigen Eckpfeiler der Abwehr. Auf der sowjetischen Seite verringert sich für die 1. Ukrainische Front die Gefahr durch deutsche Gegenangriffe, als sie die Oderlinie sichert und überschreitet. Gleichzeitig schafft sie damit günstige Voraussetzungen, um die Offensive fortzusetzen. Das oberschlesische Industrierevier war auch für den sowjetischen Diktator von besonderer Bedeutung. Nach der Einnahme Krakaus und dem Überschreiten der deutsch-polnischen Grenze richtete Konew sein Hauptaugenmerk darauf, Oberschlesien zu nehmen, ohne die dort ansässige Industrie zu zerstören.
und Städten, die vielen Wälder, unzähligen Flüsse und Kanäle. Hinzu kommt das wechselhafte Wetter, das im Frühjahr 1945 abseits der Straßen und befestigten Wege an vielen Frontabschnitten für regelrechte Schlammwüsten sorgt und den Vormarsch der motorisierten sowjetischen Einheiten hemmt. Darüber hinaus zeigt man sich in Moskau verärgert über die hohen Verluste an Menschen und Material und die Bindung mehrerer Armeen durch die nicht erstürmten „Festun-
GEGENSTOSS Anfang März 1945 erobert die Wehrmacht überraschend die niederschlesische Stadt Lauban zurücfk, 25 Kilometer östlich von Görlitz, und fügt der Roten Armee schwere Verluste zu. Der militärische Erfolg bleibt jedoch örtlich begrenzt
gen“ Glogau und Breslau. Angesichts dieser unerwarteten Rückschläge und Probleme gibt man bescheidenere Operationsziele aus.
Hoffnungslose Lage
AUSSICHTSLOS: Selbst moderne schwere Kampfpanzer wie der Tiger (Panzerkampfwagen VI) können die gegnerische Übermacht nicht aufhalten. Die materielle Unterlegenheit der Deutschen ist enorm
Die oberste deutsche Militärführung steht in der zweiten Februarhälfte 1945 vor einer aussichtslosen Situation: Vor den inneren Flügeln der HGr. Mitte und der nördlich kämpfenden HGr. Weichsel (bis 20. März 1945 unter Reichsführer SS Heinrich Himmler) scheint der sowjetische Durchstoß bis ins Innere des Deutschen Reiches nicht mehr aufzuhalten zu sein. Auch an der unteren Weichsel toben harte Kämpfe, Danzig ist in größter Gefahr. In Hinterpommern sieht es nicht anders aus. Die Hiobsbotschaften aus den Ostprovinzen häufen sich immer mehr. Die Zahl der kritischen Brennpunkte nimmt
Foto: picture-alliance/Süddeutsche Zeitung Photo
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Titelgeschichte | Schlesien 1945
BLUTIGER HÄUSERKAMPF: In der zur „Festung“ erklärten Stadt Breslau wird an vielen Abschnitten um jeden Straßenzug gerungen. Festungskommandant Niehoff kapituliert erst am 6. Mai 1945 Foto: picture-alliance/akg-images
LETZTER AKT: Die stark dezimierte Festungsbesatzung von Breslau rechnet Ende März 1945 jederzeit mit dem sowjetischen Generalangriff auf die eingeschlossene Stadt Foto: ullstein bild - ullstein bild
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Fachliteratur • Militärgeschichte • Modellbau
Unzählige Hiobsbotschaften
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DIE WAFFEN DER KÖNIGLICH BAYERISCHEN ARMEE 1806 - 1918 Horst F. Plank NEU! Band V: DIE NAHKAMPFWAFFEN PANZER /TANKS Zu Teil 1: Zu Beginn des Ersten Weltkriegs waren verschiedene Formen von Nahkampfwaffen meist noch im Stadium der Erprobung. Das änderte sich sehr schnell, sobald die Kampfhandlungen in den Stellungskrieg mündeten, wobei die gegnerischen Einheiten oftmals nur auf „Wurfweite“ von einander entfernt waren. Die Kriegsindustrie lief auf Hochtouren, um u. a. den Bedarf an Nahkampfwaffen zu decken. - Zu Teil 2: Viel zu spät erkannte man in der O. H. L. den taktischen Wert von Panzern. Schließlich wurde die Verkehrsabteilung des K. Pr. KM am 13.11.1916 beauftragt, Prototypen deutscher Panzer zu konstruieren und vorzustellen. Mit KME v. 16.11.1916 stellte das K. Pr. KM vorsorglich eine „Panzerkraftwagen-M. G.-Abteilung Nr. 1“ auf, in der u. a. ein erbeuteter Peugeot-Tank verwendet wurde. 138 Seiten, Großformat, Festeinband, 128 Abb. teilweise in Farbe 56,00 EURO
RICHTUNG BERLIN: Im März 1945 erstarrt die Front an der Oder-Neiße-Linie, ehe die Rote Armee dann schließlich im April ihre Großoffensive gegen Berlin startet Foto: picture-alliance/akg-images
Ein „Panzerfriedhof“ Größere Offensivaktionen werden selten. Zu den wenigen deutschen Angriffsoperationen zählt die Rückeroberung der niederschlesischen Stadt Lauban östlich von Görlitz Anfang März 1945. Ziel des Unternehmens ist es, die von der Roten Armee unterbrochene wichtige Eisenbahnlinie zwischen dem südlichen Schlesien und Sachsen wieder in deutsche Hand zu bringen. An den Kämpfen bei Lauban ist auch die rheinisch-westfälische 6. Infanteriedivision (I.D.) beteiligt. Hier erzielt die Wehrmacht einen letzten operativen Erfolg gegen die sowjetische 3. Garde-Panzerarmee, der schwere Verluste zugefügt werden und die laut Wehrmachtsbericht vom 8. März 1945 mehr als 160 Panzer verliert. Der Kommandierende General des VI. Armeekorps General der Infanterie Horst Großmann – zeitwei-
Literaturtipp Richard Lakowski: Der Zusammenbruch der deutschen Verteidigung zwischen Ostsee und Karpaten, in: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 10/1, hrsg. v. Militärgeschichtlichen Forschungsamt. Stuttgart 2008, S. 491–679.
Clausewitz 1/2017
lig Kommandeur der 6. I.D. – spricht nach dem Krieg in der von ihm verfassten Divisionsgeschichte sogar von einem russischen „Panzerfriedhof“, in den sich der Kampfabschnitt der 6. I.D. in jenen Märztagen 1945 verwandelt habe. Die NS-Propaganda stellt die Einnahme von Lauban durch die der „Panzergruppe Nehring“ unterstellten Einheiten als die herbeigesehnte „Kriegswende“ dar und setzt den Triumph medienwirksam in Szene. Goebbels und Generaloberst Schörner reichen sich in Lauban vor den Kameras der Kriegsberichterstatter die Hand. Doch dieser militärische „Achtungserfolg“ zwei Monate vor Kriegsende erzielt keine nachhaltige Wirkung. Eine in Erwägung gezogene Entsatzoperation von Breslau mit frei gewordenen Kräften wird verworfen. Der Teilerfolg von Lauban kann die Katastrophe der Wehrmacht nicht abwenden. Gleiches gilt für die Rückeroberung von Striegau südwestlich von Breslau bis 14. März 1945, die einen örtlichen Sieg für die Wehrmacht darstellt.
Letzter Akt in Breslau Als weite Teile Ober- und Niederschlesiens längst in sowjetischer Hand sind, beginnt am 1. April 1945 die Endphase der Schlacht um Breslau. Die stark dezimierte Besatzung der „Festung“ Breslau kapituliert schließlich am 6. Mai 1945 – vier Tage nach dem Ende der Kämpfe in der „Reichshauptstadt“ Berlin und zwei Tage vor der Kapitulation des Deutschen Reiches. Erst mit dem Fall von Breslau ist die Schlacht um Schlesien beendet.
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Dr. Tammo Luther, Jg. 1972, Verantwortlicher Redakteur von Clausewitz und Freier Autor & Lektor in Schwerin mit Schwerpunkt „Deutsche Militärgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts“.
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ständig zu. Die Lage ist hoffnungslos, Besserung nicht in Sicht. Im Gegenteil: Trotz einiger örtlicher Teilerfolge, etwa in der Schlacht am Bober in der 2. Februarhälfte, ist der Druck der Roten Armee und ihrer zahlenmäßig um ein Vielfaches überlegenen Stoßkeile zu groß. Bis Ende des Monats erreichen die sowjetischen Angriffsspitzen die Lausitzer Neiße von Guben bis nördlich von Görlitz. Hier erstarrt die Front für mehrere Wochen.
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Titelgeschichte | Schlesien 1945
Volkssturm im verzweifelten Abwehrkampf
Das letzte Aufgebot Februar 1945: Wie ein Tornado fegen die Angriffskeile der Roten Armee über das schlesische Land hinweg. Neben den abgekämpften Divisionen von Wehrmacht und Waffen-SS sollen Volkssturmeinheiten den übermächtigen Gegner stoppen Von Tammo Luther
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s ist kein Zufall, dass Hitler mit Generaloberst Ferdinand Schörner einen der fanatischsten Offiziere innerhalb der Wehrmachtsgeneralität den Oberbefehl über die Heeresgruppe Mitte (HGr. Mitte) überträgt. Schörners Truppen sollen den sowjetischen Ansturm auf Schlesien aufhalten. Das harte Vorgehen des 1892 geborenen Münchners gegen Defätismus und mangelnden Einsatzwillen in der eigenen Truppe hat sich zu den Männern und Hitler-Jungen sowie Flakhelfern, die nun verstärkt zu den Waffen im Volkssturm gerufen werden, längst herumgesprochen. Auch von ihnen verlangt der vom „Führer“ überaus geschätzte Feldherr größten Fanatismus. Die Jugendlichen und jungen sowie älteren Männer müssen sich bei Meldestellen einfinden und empfangen im Anschluss an die Registrierung ihre oftmals zusammengewürfelte Uniform und ihre Waffen. Dabei handelt es sich zumeist um Beutestücke, ältere Karabiner und seit Anfang 1945 vor allem um die leicht zu bedienenden Panzerfäuste, seltener auch die bekannte „Panzerschreck.“ Neben der mangelhaften militärischen Ausbildung erschwert vor allem der Mangel an geeigneter Munition den Einsatz der neu aufgestellten Volkssturmeinheiten. Nicht selten hilft der Zufall. Ein solcher Fall ist zum Beispiel in einem Bericht zu den Kämpfen in Sorau, etwa 60 Kilometer süd-
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MIT ERNSTEM BLICK: Ein junger Volkssturmmann mit seiner Panzerschreck bei einem Appell. Männer zwischen 16 und 60 Jahren sollen gegen den heranstürmenden Gegner kämpfen Foto: ullstein bild - Süddeutsche Zeitung Photo
WARTEN AUF DEN GEGNER: Angehörige einer Volkssturmeinheit mit ihren Panzerfäusten, mit denen sie die sowjetischen Panzer vernichten sollen Foto: picture-alliance/Süddeutsche Zeitung Photo
GEFALLEN IM ABWEHRKAMPF: Soldaten und Volkssturmmänner kämpfen gemeinsam, doch sie können den Ansturm der Roten Armee nur verlangsamen, nicht aufhalten Foto: picture-alliance/akg-images
östlich von Cottbus, überliefert. Darin heißt es über Angehörige eines dort Mitte Februar 1945 eingesetzten Volkssturmbataillons, dass die Männer vorwiegend aus alten Weltkriegsteilnehmern bestanden hätten, die nur mit veralteten Gewehren ausgerüstet waren. Dennoch sei es den Russen gelungen, so der Bericht aus der Geschichte der 16. Panzerdivision weiter, den Bahnhof von Sorau und einen Waffentransport der Wehrmacht zu erobern. Ein deutscher Stoßtrupp verjagte die sowjetischen Soldaten wieder, so dass die Volkssturmmänner mit neuen Karabinern und Maschinengewehren ausgerüstet werden konnten.
Motivation durch Gräueltaten Die Motivation zum bewaffneten Widerstand vieler Volkssturmangehöriger in Schlesien rührt im Kriegsjahr 1945 vor allem Clausewitz 1/2017
AUF DER FLUCHT: Ein Treck von Zivilisten aus Nieder- und Oberschlesien versucht weiter nach Westen zu gelangen, um der Roten Armee zu entkommen Foto: picture-alliance/akg-images
von einem Grund her: Vielen an die Waffen Gerufenen geht es darum, die eigene Zivilbevölkerung zu schützen beziehungsweise den Frauen, Kindern und Alten Zeit zu verschaffen, in Richtung Westen aufzubrechen. So heißt es in einem Bericht eines Volkssturmführers aus Oppeln in Oberschlesien: „Durch den tapferen Einsatz der Volkssturmmänner wurde zahllosen Frauen und Kindern die Flucht aus dem GefahrengePROPAGANDAPLAKAT: Die NS-Führung mobilisiert 1944/45 das letzte Aufgebot aus Jungen und Alten, um die nach Westen vorstoßenden sowjetischen Truppen zu stoppen Foto: ullstein bild - Stary
biet ermöglicht; unzählige Trecks wurden wieder flottgemacht.“
Brutale Gewalt Denn die Gräueltaten der Roten Armee versetzen die Menschen gehörig in Angst und Schrecken. Es sind unzählige Ereignisse dokumentiert, die von den Gewaltexzessen sowjetischer Soldaten erzählen. So berichtet etwa ein Bauer aus Lossen im Kreis Brieg in Niederschlesien vom grausamen Einzug der ersten sowjetischen Soldaten am 4. Februar 1945 in seinen Heimatort Folgendes: „Als die ersten russischen Panzer mit Infanterie
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Titelgeschichte | Schlesien 1945
INSZENIERT: Reichspropagandaminister und Generalbevollmächtigter für den totalen Kriegseinsatz, Joseph Goebbels, mit Volkssturmangehörigen in der Anfang März 1945 zurückeroberten Stadt Lauban Foto: picture-alliance/akg-images
ankamen, waren wir sofort Uhren, Ringe und andere Sachen los. Sofort wurden die ersten Frauen vergewaltigt, von Kindern von zwölf Jahren bis zur Greisin über 80 Jahre, was ich selbst aus nächster Nähe gesehen habe. Mein zweites Dienstmädchen, Helene T., wurde von den Russen dreizehnmal hintereinander gebraucht. Es verging kein Tag, wo es ruhig war. Die jungen Mädchen und Frauen lagen meistens die Nächte im Garten unter den Sträuchern. Setzte sich ein Mann für sie ein, wurde er erschossen oder erschlagen, wie Bauer Hermann W., erschossen mit Frau und Tochter (...).“ In den Meldungen des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW) tauchte der Volkssturm eher selten und zumeist sehr kurz auf.
Im Wehrmachtsbericht vom 20. Januar 1945 heißt es: „Im oberschlesischen Grenzgebiet setzten unsere Truppen dem angreifenden Feind erbitterten Widerstand entgegen. Ein-
„Volk ans Gewehr!“ NS-Propagandalosung, mit der die Bevölkerung zum bewaffneten Widerstand gegen die Alliierten aufgerufen wurde
greifverbände, dabei auch Volkssturm-Bataillone, legten sich den sowjetischen Angriffsspitzen vor und verzögerten ihr weiteres Vordringen.“
DOKUMENT
„Männer von Breslau!“ „Unsere Gauhauptstadt Breslau ist zur Festung erklärt worden. Die Evakuierung der Stadt von Frauen und Kindern läuft und wird in Kürze abgeschlossen sein. Ich habe den Gauamtsleiter für Volkswohlfahrt mit der Durchführung dieser Aktion beauftragt. Für die Betreuung der Frauen und Kinder wird geschehen, was möglich ist. Unsere Aufgabe als Männer ist es, alles zu tun, was die Unterstützung der kämpfenden Truppe erfordert. Ich rufe die Männer Breslaus auf, sich in die Verteidigungsfront unserer Festung Breslau einzureihen! Die Festung wird bis zum Äußersten verteidigt.
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Wer die Waffe nicht führen kann, hat in den Versorgungsbetrieben, im Nachschub, bei der Aufrechterhaltung der Ordnung mit allen Kräften zu helfen. Niederschlesische Volkssturmmänner, die an der Grenze unseres Gaues bolschewistische Panzer mit Erfolg bereits bekämpften, haben bewiesen, dass sie unsere Heimat bis zum Letzten zu verteidigen bereit sind. Wir werden ihnen nicht nachstehen. Breslau, den 21. Januar 1945, [gez.] Hanke“ Öffentliche Bekanntmachung durch Karl Hanke, den Gauleiter und Reichsverteidigungskommissar in Breslau.
IN DER FALLE: Zwei Volkssturmmänner und ein Soldat (vorn) in der „Festung“ Breslau Foto: ullstein bild - ullstein bild
Bei vielen dieser „Erfolgsmeldungen“ handelt es sich um Propagandaschilderungen, um der Bevölkerung und den Volkssturmmännern weiterhin Mut zu machen. Aber gerade an der Ostfront werden vielerorts auch tatsächlich kleinere und größere militärische Erfolge gegen die vordringende sowjetische Streitmacht erzielt, die aber dennoch nicht aufzuhalten ist. Im Frühjahr 1945 inszeniert die NS-Propaganda insbesondere die Verleihung von Tapferkeitsauszeichnungen an Angehörige des Volkssturms im niederschlesischen Lauban und zeigt diese in den Wochenschauen.
Fanatischer Appell Auch der Gauleiter und Reichsverteidigungskommissar für Niederschlesien Hanke fordert den fanatischen Widerstand der männlichen Bevölkerung gegen die Rote Armee: Er ruft in seinem Appell an die „Männer von Breslau“ dazu auf, die seit Mitte Februar 1945 eingeschlossene „Festung Breslau“ bis zum „Äußersten“ zu verteidigen. Er verweist dabei auf die Erfolge niederschlesischer Volkssturmmänner, die bewiesen hätten, „dass sie unsere Heimat bis zum Letzten zu verteidigen bereit sind“. Er kündigt großspurig an, man werde „ihnen nicht nachstehen.“ Hanke selbst setzt sich Anfang Mai 1945 mit einem Flugzeug aus der „Hölle von Breslau“ ab und überlässt die Menschen – Zivilisten wie Volkssturmangehörige – ihrem Schicksal.
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Titelgeschichte | Schlesien 1945
Dramatische Situation der deutschen Panzerverbände
Mit dem Rücken zur Wand Februar 1945: Die deutsche Panzerwaffe steht auch in Schlesien unter gewaltigem Druck. Die Verbände der Heeresgruppe Mitte versuchen mit allen verfügbaren Mitteln, die schlagkräftigen Stoßkeile der Roten Armee aufzuhalten Von Thomas Anderson
AUSGEWOGEN: Der Panther kann im günstigen Gelände an der Ostfront seine Stärken voll ausspielen. Während der Schlacht um Schlesien war die Zahl der Panther jedoch gering Foto: Sammlung Anderson
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ährend Mitte Januar 1945 im Westen die deutsche Ardennenoffensive zusammenbricht, stößt die Rote Armee im Osten über die Reichsgrenze in die Ostprovinzen hinein. Spätestens seit der sowjetischen Operation „Bagration“ im Sommer 1944 war das deutsche Ostheer entscheidend geschwächt. Gleichzeitig ist die zahlenmäßige Überlegenheit der Rotarmisten zu Beginn ihrer am 12. Januar 1945 einsetzenden Winteroffensive enorm. Keine drei Wochen später erreichen die Panzerspitzen der Roten Armee Frankfurt an der Oder und Breslau, die Ziele der sowjetischen „Weichsel-Oder-Operation“ im südlichen Abschnitt sind erfüllt. In dieser Lage befiehlt Adolf Hitler die Evakuierung einer 15 Kilometer tiefen Zone an der Oderfront. Provisorische Befestigungen werden errichtet. Kann die Wehrmacht den scheinbar übermächtigen Gegner, der unaufhaltsam näher kommt, noch aufhalten?
Schlechte Ausgangslage Die Voraussetzungen dafür sind alles andere als günstig: Laut Statistik des Generalinspekteurs der Panzertruppen, Heinz Guderian, verfügt die vor allem in Niederschlesien kämpfende Heeresgruppe (HGr.) Mitte im Februar 1945 über lediglich sechs Panzerdivisionen und eine Panzerbrigade mit etwa 181 Panzerkampfwagen (PzKpfw) IV, 88 Panzern IV/70 und 219 mittlere Kampfpanzer vom Typ Panther. Außerdem stehen etwas mehr als 340 Sturmgeschütze aller Typen in vier Sturmgeschütz-Brigaden und diversen Panzerjägerkompanien der Infanteriedivisionen bereit. Dazu kommen noch Teile der HGr. Weichsel, die jedoch hauptsächlich den An-
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SELTENER ANBLICK: Ein Panzerkampfwagen VI Tiger an der Ostfront. Der schwere Tank mit seiner gefürchteten 8,8-Zentimeter-Kanone Foto: picture-alliance/Süddeutsche Zeitung Photo flösst dem Gegner großen Respekt ein
RÜCKGRAT: Zusammen mit Sturmgeschütz und Panther trägt der Panzer IV die Hauptlast der Kämpfe. Diese gut getarnte Ausf. J zeigt die Drahtgeflecht-Panzerschürzen der späten Fertigung Foto: Sammlung Anderson
sturm über den nördlichen Teil der Oder hinweg verkraften muss. Der Kampfwert der deutschen Waffen ist durchaus unterschiedlich. Dieser Umstand verwundert in den Zeiten des militärischen und rüstungswirtschaftlichen Zusammenbruchs des „Dritten Reiches“ kaum.
Kampfstarker Panther Die während der schweren Kämpfe in Schlesien in vergleichsweise großer Stückzahl verfügbaren PzKpfw IV und Sturmgeschütze III und IV wurden vor Ausbruch des Krieges entwickelt und bildeten einen der Grundpfeiler der deutschen Erfolge in den ersten Kriegsjahren. Sowohl die PzKpfw IV als auch die Sturmgeschütze Clausewitz 1/2017
ZUR PANZERABWEHR: Hunderte von Flugabwehrkanonen werden in schnell errichteten Panzerabwehrriegeln eingegraben. Obwohl die 8,8-Zentimeter-Flak durchschlagende Wirkung besitzt, überrollt der Gegner diese Stellungen oftmals Foto: Sammlung Anderson
waren anfänglich Unterstützungswaffen. Nach dem Auftreten des sowjetischen T-34 konnten die Deutschen beide Typen an die gestiegene Bedrohungslage anpassen, indem sie deren Kampfwert steigerten. Sowohl die Panzer IV als auch die Sturmgeschütze konnten nun Panzer bekämpfen. Die Frontpanzerung stieg PROPAGANDA: Der Truppe verfügt über Nahkampfmittel wie Panzerfaust und Raketenpanzerbüchse, um Tanks zu bekämpfen. Ihre vermeintliche Überlegenheit wird den Soldaten mit Merkblättern vermittelt Foto: Sammlung Anderson
auf 80 Millimeter, die Hauptbewaffnung ersetzten die Ingenieure durch eine durchschlagskräftige Langrohrkanone. In dieser Konfiguration werden PzKpfw IV und Sturmgeschütz bis Kriegsende 1945 produziert. Die Konfrontation mit dem überlegenen Konzept des T-34 führte dazu, dass sich die Deutschen im Panzerbau umorientierten. Innerhalb eines Jahres standen bis 1942 die ersten Prototypen bereit. Ab 1943 kristallisiert sich der Panther dank seiner 7,5-Zentimeter-Hochleistungskano-
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Titelgeschichte | Schlesien 1945
UNAUFHALTSAM: Die Panzerverbände der Roten Armee sind denen der Deutschen zahlenmäßig deutlich überlegen. Ihr Vormarsch kann an einigen Frontabschnitten lediglich verzögert werden Foto: picture-alliance/akg-images
ne als überlegener Kampfwagen heraus. Die Kombination von hohem Panzerschutz und Beweglichkeit ist nahezu mustergültig.
Die 7,5-Zentimeter-KwK (Kampfwagenkanone) L/70 des Panthers wird schließlich in den Jagdpanzer IV eingebaut.
Bewährte Panzerjäger
„Fahrbare Bunker“
Um alle Produktionskapazitäten möglichst wirtschaftlich zu nutzen, entwickelt die Rüstungsindustrie PzKpfw-IV-Sturmgeschütze, indem sie Fahrwerkskomponenten der eigentlich technisch überholten PzKpfw 38 (t) nutzt. Das Sturmgeschütz IV, der leichte Panzerjäger 39 (auch Jagdpanzer IV genannt) sowie der leichte Jagdpanzer 38 tragen die bekannte und wirksame 7,5-Zentimeter-L/48. Diese Fahrzeuge werden sich im günstigen Gelände an der Ostfront durchaus bewähren. Im Verlauf des Krieges schaukeln sich die Stärke des Panzerschutzes und die Durchschlagskraft der Geschütze gegenseitig hoch. Während die Sowjetunion ab 1944 den schweren Panzer IS-2 mit seiner 122-Millimeter-Kanone entwickelt und einführt, versuchen die Deutschen, diese Herausforderung mit immer besseren Kanonen zumindest teilweise auszugleichen.
Dieser Jagdpanzer, genannt Panzer IV/70 (V), zeigte neben der starken Hauptbewaffnung auch eine hohe Frontpanzerung (80 Millimeter). Um alle Produktionsstandorte nutzen zu können, entwickelt das Nibelungenwerk St. Valentin auf Basis der unveränderten Panzerkampfwagen-IV-Wanne einen Jagdpanzer mit identischen Spezifikationen unter der Bezeichnung Panzer IV/70 (A). Beide Jagdpanzer erweisen sich trotz
Foto: Kocsis
Deutsche Panzer-Produktion*
*Angaben gerundet
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1943 3.000 1.800 700
ihrer eindrucksvollen Bewaffnung und Panzerung als nur mäßig bewegliche „fahrbare Bunker“, die den Anforderungen des modernen Bewegungskrieges nicht mehr entsprechen. Gesamtgewicht und Frontlastigkeit schränken die Beweglichkeit im Gelände ein – bei hoher technischer Anfälligkeit. Auf Basis des mittleren Kampfpanzers vom Typ Panzer V Panther wird der Jagdpanther entwickelt. Mit der 8,8-ZentimeterKwK L/71 bewaffnet und gut gepanzert, steht eine wirksame Waffe bereit. Im Bereich der Heeresgruppe Mitte ist sie 1945 allerdings nur in sehr geringen Stückzahlen verfügbar.
NAHKAMPFWAFFE: Soldat einer Volksgrenadierdivision mit einer Panzerfaust 60. Auf dem rechten Ärmel sind drei Panzervernichtungsabzeichen aufgenäht
TECHNISCHE DATEN
PzKpfw IV Panther Tiger/E Tiger/B Sturmgeschütze III und IV Jagdpanzer, alle Typen
FÜR DEN ERNSTFALL: Männer einer Volkssturmeinheit üben den Einsatz von Haftladungen Foto: picture-alliance©dpa
1944 1945 3.100 400 3.700 500 650 370 120 3.200 5.700 1.100 zusammen 5.500 (1943 bis 1945)
DOPPELT GERÜSTET: Dieser Soldat der Waffen-SS trägt eine Panzerfaust 60 zur Panzervernichtung und eine MP 40 zur SelbstverFoto: NARA teidigung
Gefürchtete Panzervernichtungstrupps HINTERGRUND
Leichter Panzerjäger 38 Hetzer Geschossabweisende Geschützblende
Fahrzeug bietet Platz für vier Mann Besatzung und 41 Schuss 7,5 cm
Von innen bedienbares MG 34 zur Selbstverteidigung
Fahrersichtblende Hintenliegender Ottomotor mit 150 PS
Foto: Sammlung Anderson
7,5-cm-PaK39 L/48
60-mm-Frontpanzer, günstig geneigt Leistungsfähiges Fahrwerk robust und einfach
20-mm-Panzerung ist seitlich und hinten nur SmK-sicher
SmK = Spitzgeschoss mit Kern, panzerbrechende Infanteriemunition
Der Einsatz von Panzern (Tanks) im Ersten Weltkrieg führte naturgemäß zu geeigneten Gegenmitteln wie Panzerabwehrkanonen (Pak). Diese Waffen wurden laufend verbessert, da die Tankbauer auf der anderen Seite permanent den Panzerschutz erhöhten. Vergleichsweise wirtschaftlich herzustellen, stehen den Verteidigern Schlesiens 1945 verschiedene Typen in großen Mengen zur
„Der Osten muss mit dem auskommen, was er hat.“ Adolf Hitler in seiner Weisung vom 9. Januar 1945
Verfügung. Das wichtigste Gerät ist die 7,5Zentimeter-Pak 40, die ebenso wie der PzKpfw IV und das Sturmgeschütz den sowjetischen Tanks gerade noch gewachsen war. Ab 1943 entwickelt man die wesentlich stärkere 8,8-Zentimeter-Pak 43, die außergewöhnliche Leistungsparameter aufweist. So kann dieses Geschütz jeden Feindpanzer auf Entfernungen bis zu 3.000 Metern ausschalten. Auch die schweren sowjetischen IS-2 kann sie immerhin noch auf 1.000 bis 1.500 Meter erfolgreich bekämpfen. All diese gezogenen Waffen haben jedoch einen Nachteil: Vergleichsweise unbeweglich und ungeschützt, sind sie dem feindlichen Feuer aus allen Rohren ausgesetzt. Die prekäre Lage der deutschen Industrie führt allerdings dazu, dass sie die Panzerjägereinheiten nicht in ausreichender Zahl mit ZugClausewitz 1/2017
maschinen versorgen kann. Eingegrabene Pak können daher oftmals nicht mehr transportiert werden, Stellungswechsel sind unmöglich. Die Rotarmisten können daher die deutschen Stellungen zusammenschießen und unter blutigen Verlusten für die Verteidiger überrollen. Gegen Ende des Krieges zieht die deutsche Führung im Westen stehende Flugabwehrgeschütze der Kaliber 8,8 Zentimeter und 10,5 Zentimeter in großen Mengen ab. Wie die schweren Pak erzielen diese ebenfalls eine gute Wirkung gegen Panzer. Aufgrund des Mangels an Zugmaschinen weitgehend unbeweglich, gräbt man sie entlang der Oder ein. Doch Marschall Konews Angriffsverbände können diese Stellungen in vielen Fällen durchbrechen oder umgehen.
Tödliche Nahkampfwaffen Die Infanterie musste ihren Kampf gegen Panzer bis 1942 mit teilweise altertümlich anmutenden Waffen führen – Hafthohlladungen, Minen und Panzerbüchsen. Diese sind alles andere als sicher und setzten großen Mut der Panzervernichtungstrupps mitten in der Frontlinie voraus. Ab 1943 stehen moderne, tragbare Panzerabwehrwaffen zur Verfügung. Fast zeitgleich führt die Wehrmacht die Faustpatrone (auch Panzerfaust genannt) und die Raketenpanzerbüchse 54 ein. Die Panzerfaust ist in drei Varianten verfügbar, die auf 30, 60 und später 100 Meter wirksam sind. Besonders im Häuserkampf der in Trümmern liegenden Städte setzen die Deutschen die einmal verwendbaren Panzerfäuste oft erfolgreich ein.
Die Raketenpanzerbüchse 54, auch „Ofenrohr“ oder „Panzerschreck“ genannt, ist eine Art größere Kopie der US-amerikanischen „Bazooka“. Das 8,8-ZentimeterHohlladungsprojektil durchschlägt 200 Millimeter Stahl sicher auf Entfernungen von bis zu 200 Metern. Parallel dazu entsteht der Raketenwerfer 43, der die Munition des „Panzerschrecks“ verfeuert. Er ist auf einer kleinen Räderlafette montiert (nicht für mot. Zug geeignet), und bietet auf 200 Meter eine größere Genauigkeit. Die Wirksamkeit dieser Waffen hängt von vielen äußeren Umständen ab. Sie verlangt zudem nach mutigen Kämpfern, die bei jedem Einsatz dem Tod aus nächster Nähe ins Auge blicken.
Materielle Unterlegenheit Trotz der zum Teil eindrucksvollen Leistungsparameter der deutschen Waffen ist die militärische Katastrophe der Wehrmacht an der Ostfront Anfang 1945 nicht aufzuhalten. Die Kräfte der Verteidiger – in Summe etwa 800 Panzer und Sturmgeschütze – im Bereich Schlesiens (HGr. Mitte) reichen keinesfalls aus, um den Vormarsch der Roten Armee aufzuhalten. Die genaue Gesamtzahl der während der „Niederschlesischen Operation“ eingesetzten sowjetischen Panzer kann nicht ermittelt werden. Sie dürfte aber um ein Mehrfaches höher als die der deutschen gewesen sein. Nicht zuletzt auch aus diesem Grund neigt sich der Kampf in Schlesien für die mit dem Rücken zur Wand stehenden Verbände von Wehrmacht und Waffen-SS im März 1945 dem Ende entgegen.
Thomas Anderson, Jg. 1958, ist als freier Autor tätig und arbeitet für verschiedene Zeitschriften und Verlage im In- und Ausland. Außerdem unterstützt er namhafte Modellbau-Hersteller als Fachberater.
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Schlachten der Weltgeschichte | Coronel 1914
Das deutsche Ostasiengeschwader vor Coronel 1914
Breitseite gegen die Royal Navy 1. NOVEMBER 1914: Vor der chilenischen Küste versenkt das deutsche Ostasiengeschwader in einem dramatischen Gefecht zwei Kreuzer der Royal Navy. Es ist die erste britische Niederlage zur See seit mehr als 100 Jahren Von Lukas Grawe
5 KURZE FAKTEN
KONFLIKT: Zeit: 1. November 1914 ORT: Chilenische Küste vor Coronel/Pazifik KONTINENT: Südamerika GEGNER: Deutsches Reich/Großbritannien EREIGNIS: Sieg des deutschen Ostasiengeschwaders
ber 1914 im Südpazifik
rkreuzer HMS Good Hope wird am 1. Novem
VOR DEM UNTERGANG: Der britische Panze von der Kaiserlichen Marine versenkt
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Foto: picture-alliance/Mary Evans Picture Library
MÄCHTIGER STAHLKOLOSS: Der Große Kreuzer Gneisenau behält im Seegefecht bei Coronel die Oberhand Foto: picture-alliance/WZBilddienst
DUELL VOR CHILES KÜSTE: Das deutsche Ostasiengeschwader nimmt die britischen Kreuzer (im Hintergrund) vor Coronel unter Feuer; zeitgenössisches Gemälde Abb.: picture-alliance/akg-images
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ei Kriegsausbruch Anfang August 1914 richtet die britische Admiralität ihre Aufmerksamkeit vor allem auf einen deutschen Flottenverband, der fernab von Großbritannien den alliierten Überseehandel bedroht: das deutsche Ostasiengeschwader. Eine mehrmonatige Jagd der mächtigen Royal Navy auf die deutschen Schiffe beginnt. Bei Beginn des Weltkriegs kreuzt das unter der Führung von Vizeadmiral Maximilian Graf von Spee operierende Ostasiengeschwader weitab von seinem chinesischen
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Stützpunkt Tsingtau auf der Höhe der Karolinen im Pazifik. Zu diesem Zeitpunkt umfasst es die Panzerkreuzer Scharnhorst und Gneisenau sowie die Kleinen Kreuzer Emden und Nürnberg. Später stoßen noch die Kleinen Kreuzer Leipzig und Dresden dazu, während Spee die SMS Emden für den Handelskrieg in den Indischen Ozean entlässt. Der Flottenchef weiß, dass er sein Geschwader nicht wieder nach China zurückführen kann – er rechnet damit, dass die Japaner das deutsche Pachtgebiet schon bald erobern werden.
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Schlachten der Weltgeschichte | Coronel 1914
TRAGISCHER HELD
Maximilian Graf von Spee Maximilian Graf von Spee wird am 22. Juni 1861 in Kopenhagen geboren und tritt im Jahre 1878 als Kadett in die Kaiserliche Marine ein. Fortan verbringt er den Großteil seiner Dienstlaufbahn an Bord verschiedener Schiffe, unter anderem als Wachoffizier, Erster Offizier und als Kommandant auf Linienschiffen. Erst im Jahr 1908 bekommt er ein Kommando an Land und fungiert bis 1910 als Chef des Stabes der Marinestation Nordsee. Zwei Jahre später erhält er den Befehl über das deutsche Ostasiengeschwader in Tsingtau und wird 1913 zum Vizeadmiral befördert. Während des Ersten Weltkriegs beordert Spee sein Geschwader von den Karolinen bis zur Westküste Südamerikas, wo sein Verband bei Coronel zwei britische Kriegsschiffe versenkt. Ein anschließend geplanter Angriff auf den britischen Hafen Port Stanley wird Spee und seinem Geschwader am 8. Dezember 1914 zum Verhängnis: Eine dort vor Anker liegende überlegene britische Flotte versenkt das deutsche Ostasiengeschwader, wobei auch Spee und seine beiden Söhne den Tod finden.
Im Pazifik muss das Ostasiengeschwader jedoch die drückende numerische Überlegenheit gegnerischer Flotten fürchten. Spee entschließt sich daher zur Fahrt nach Südamerika. Hier will er in neutralen Häfen dringend benötigte Kohlen bunkern und Jagd auf alliierte Handelsschiffe machen. Anschließend möchte er Kap Horn umrunden und in den Atlantik durchbrechen, um schließlich die Heimat zu erreichen.
Spees Pessimismus
SIEGER VON CORONEL: Graf von Spee führt das Ostasiengeschwader erfolgreich Foto: picture-alliance/akg-images in den Kampf
DRAMATISCHE SZENE: Schiffe der Kaiserlichen Marine und der Royal Navy im schweren Gefecht. Der britische Panzerkreuzer Monmouth wird schließlich versenkt Abb.: Sammlung Ritter/Süddeutsche Zeitung Photo
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Düster blickt der Vizeadmiral in die Zukunft und schreibt einem Bekannten: „Irgendeinen sicheren Hafen sonst auf der Welt besitzen wir nicht; ich muss mich so durch die Weltmeere schlagen und so viel Unfug anrichten, als ich kann, bis uns an Bord die Munition ausgeht oder bis mich ein an Machtmitteln weit überlegener Feind zu packen kriegt.“
Ende Oktober 1914 erreicht Spees Geschwader die chilenische Küste. Die gewagte Überfahrt der deutschen Schiffe bleibt auch der britischen Marineleitung nicht verborgen. Zunächst stehen ihr jedoch kaum geeignete Verbände zur Verfügung, um Spee abzufangen. Schließlich müssen die britischen Schiffe im Pazifik nicht nur die alliierten Handelsrouten, sondern auch die Truppentransporte aus Australien und Neuseeland nach Europa schützen. Die britische Admiralität muss daher notgedrungen auf ältere Schiffe zurückgreifen, um das deutsche Ostasiengeschwader zu stellen. Unter dem Befehl von Konteradmiral Sir Christopher Cradock setzen sich die Panzerkreuzer Good Hope und Monmouth, der Leichte Kreuzer Glasgow und der Hilfskreuzer Otranto in Bewegung. Ihr Befehl lautet, den Verband Spees aufzuspüren und zu vernichten.
Cradock greift an IM ÜBERBLICK: Zeitgenössische Darstellung mit technischen Daten der an der Seeschlacht von Coronel beteiligten Schiffe Abb.: MIREHO
In den letzten Oktobertagen laufen beide Flotten aufeinander zu. Das Kräfteverhältnis spricht dabei eindeutig für die Deutschen.
Mit schweren Geschützen Die Panzerkreuzer Scharnhorst und Gneisenau verfügen jeweils über acht 21-Zentimeter- und über sechs 15-Zentimeter-Geschütze und sind gegenüber der Good Hope und der Monmouth klar im Vorteil. Während eine Breitseite des deutschen Geschwaders ein Geschossgewicht von 1.936 Kilogramm auf die Waage bringt, sind es beim britischen Pendant nur 1.316 Kilogramm. Auch weisen die deutschen Kanonen die größere Reichweite auf. Doch nicht nur die Artillerieüberlegenheit spricht für die deutsche Flotte, sondern auch die bessere Panzerung und die höhere Geschwindigkeit sowie die bessere Ausbildung der Matrosen. Schließlich bestehen die britischen Mannschaften zu einem Großteil aus Reservisten, während die deutschen Besatzungen aus erfahrenen Seeleuten zusammengesetzt sind. Cradock ist sich der Überlegenheit des Gegners durchaus bewusst. Mehrfach bedrängt er die Admiralität, ihm Verstärkungen zu schicken. Doch in London winkt man ab. Vielmehr weist man den Konteradmiral an, seine Kräfte zusammenzuhalten und das betagte, aber kampfkräftige Linienschiff Canopus mit auf die Jagd zu nehmen. Cradock will allerdings nicht länger auf die Canopus warten, die sich Mitte Oktober 1914 etwa 300 Seemeilen südlich von seiner Flotte befindet, um Reparaturen durchzuführen. Der britische Vizeadmiral schickt daher die HMS Glasgow vor, um Fühlung zu den deutschen Schiffen aufzunehmen und um an der chilenischen Küste Nachrichten über den gefährlichen Gegner zu sammeln.
Cradock nicht an einen Rückzug, der zu diesem Zeitpunkt durchaus im Bereich des Möglichen liegt. Er fürchtet Ehr- und Prestigeverlust und fühlt sich an seinen Auftrag gebunden, den deutschen Verband auszuschalten. Um den Nachteil der geringeren Geschützreichweite auszugleichen, will Cradock rasch an die feindlichen Schiffe heranfahren. An die zurückhängende Canopus lässt er funken: „I am going to attack enemy now.“ („Ich werde den Feind jetzt angreifen.“). Spee ist sich seiner eigenen Überlegenheit bewusst und will den Kampf unter den bestmöglichsten Umständen und Bedingungen beginnen. Die See ist stürmisch, die Wellen peitschen hoch. Die untergehende Sonne blendet die deutschen Geschützmannschaften, während die britischen Schiffe die Sonne in Von der Anwesenheit der Glasgow in dem chilenischen Hafen Coronel erfährt Spee am 31. Oktober. Cradocks Flotte hat hingegen Funksignale der SMS Leipzig aufgeschnappt. Der britische Vizeadmiral glaubt nicht, dass das gesamte Ostasiengeschwader vor Ort ist und gibt den Befehl, das vermutete einzelne Schiff aufzuspüren und anzugreifen. Beide Kontrahenten rechnen somit nur mit einem gegnerischen Schiff, als sich am 1. November 1914 das Gefecht der zwei Geschwader anbahnt. Ausgedehnte Rauchschwaden aus etlichen Schornsteinen signalisieren aber sowohl Spee als auch Cradock schnell, dass ihnen der komplette feindliche Flottenverband gegenübersteht. Trotz der deutschen Überlegenheit denkt
EHRENVOLLES ENDE
Sir Christopher Cradock Sir Christopher Cradock wird am 2. Juli 1862 in Hartforth geboren und schließt sich bereits als 13-Jähriger der Royal Navy an. Hier macht er sich schnell einen Namen als energischer Seeoffizier. Im Jahr 1900 bekommt er das Kommando über die HMS Alacrity, die im selben Jahr dazu beiträgt, die chinesische Boxerbewegung niederzuschlagen. Nach Einsätzen im Mittelmeer und im Indischen Ozean wird Cradock 1913 zum Kommandeur der North America and West Indies Station ernannt. Dort beteiligt er sich als britischer Beobachter an der US-amerikanischen Besetzung des mexikanischen Hafens Veracruz. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs erhält Cradock den Befehl über das 4. Geschwader der Navy, um das deutsche Ostasiengeschwader zu stellen und zu vernichten. Mit seinem Flaggschiff Good Hope geht Cradock am 1. November 1914 mit wehenden SPEES GEGNER: Sir Christopher Cradock Fahnen unter. Ein Denkmal in der Kathedrale von York erfindet am 1. November 1914 auf seinem innert an die Weigerung Cradocks, vor überlegenen KräfFlaggschiff HMS Good Hope den Tod ten zu kapitulieren. Foto: picture-alliance/Mary Evans Picture Library
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Schlachten der Weltgeschichte | Coronel 1914 BESCHÄDIGT: Die HMS Glasgow erhält bei Coronel einige Treffer, kann aber schließlich dem Gegner entkommen Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo
glühte den Turm, von dem die Wände noch standen, innen vollkommen aus, so dass er den Eindruck eines Kessels machte, aus dem Flammen herausschlugen. Auch hier muss sich wohl anschließend eine Kartuschexplosion von furchtbarer Gewalt angeschlossen haben, die den Turm von der Back herunterfegte; er wurde nachher nicht mehr an seinem Platz gesehen“, berichtet ein Offizier auf der SMS Scharnhorst über das Inferno. Auch die hoffnungslos unterlegenen Schiffe Glasgow und Otranto erhalten einige Treffer. Sie können sich jedoch von den deutschen Kreuzern absetzen und entkommen. Dieses Glück wird der Good Hope und der Monmouth nicht zuteil. Obwohl es aussichtslos ist, den Kampf fortzusetzen, verzichten die beiden wehrlosen Schiffe auf ein Streichen der Flagge und damit auf eine Kapitulation. „Es war furchtbar, auf die armen Kerls zu feuern, die sich nicht mehr wehren konnten. Aber die Flagge wehte noch“, schrieb Spees Sohn Otto nach der Schlacht nach Hause. Beide Panzerkreuzer sinken, mehr als 1.600 Seeleute ertrinken. Unter ihnen befindet sich auch Vizeadmiral Cradock. Um 19:36 Uhr stellen die deutschen Schiffe das Feuer ein.
Tragisches Ende
SCHEMATISCH: Darstellung zu einer Phase der Seeschlacht, als einige der britischen Schiffe entkomAbb.: MIREHO men können
ihrem Rücken haben und daher die gegnerische Flotte hervorragend ausmachen können. Spee will daher das Gefecht bis nach dem Sonnenuntergang hinauszögern.
Showdown vor Chile Um 18:34 Uhr eröffnen die deutschen Schiffe auf eine Entfernung von rund elf Kilometern das Feuer. Die Scharnhorst zielt dabei auf die Good Hope, das Flaggschiff Cradocks. Die Gneisenau visiert die Monmouth an, während die Dresden die Otranto und die Leipzig die Glasgow aufs Korn nimmt. Die Tageszeit begünstigt nun den deutschen Angriff. „Gestochen scharf hoben sich die Silhouetten der britischen Schiffe vor dem helleren westlichen Horizont ab, während Spees Kreuzer mit dem östlichen Nachthimmel verschmolzen“, beschreibt Nicolas Wolz den Beginn des Ge-
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fechts. Schnell erzielen die weiterreichenden deutschen Geschütze erste Wirkungstreffer auf den unterlegenen britischen Schiffen. Nach dem Einschießen gelingt es dem Ostasiengeschwader, beinahe alle 15 Sekunden eine neue Breitseite abzufeuern. Vor allem die Monmouth und die Good Hope liegen fast pausenlos im Geschosshagel. Brände breiten sich schnell auf den britischen Panzerkreuzern aus. Auf der Monmouth hebt eine Sprenggranate „die Turmdecke ab und
Literaturtipp Nicolas Wolz: „Und wir verrosten im Hafen“. Deutschland, Großbritannien und der Krieg zur See 1914–1918. München 2013.
Da die Monmouth und die Good Hope mit wehender Flagge untergehen, feiert die britische Öffentlichkeit die Besatzungen als Helden. „Doubtless it was better to have fought and lost than not to have fought at all” („Zweifellos war es besser, gekämpft und verloren, als gar nicht erst gekämpft zu haben“) kommentiert der britische Marineoffizier David Beatty den Ausgang der Schlacht. Im Deutschen Reich ist der Jubel enorm. Auch Spee ist mit dem Erreichten zufrieden. Sein Geschwader könnte nun eigentlich ungestört Handelskrieg an der Westküste Südamerikas führen. Allerdings verschoss seine Flotte mehr als die Hälfte der Munition und Nachschub ist nicht in Sicht. Unter diesen Umständen ist es kaum möglich, ein weiteres Gefecht zu führen. Trotz des Sieges hat sich darüber hinaus wenig an der strategischen Gesamtlage geändert. Spee weiß das. Als er im chilenischen Valparaiso zahlreiche Glückwünsche von der dort ansässigen deutschen Bevölkerung erhält, quittiert er den Empfang von Blumen mit den weitsichtigen Worten: „Sie werden sich schön auf meinem Grab ausnehmen.“ Am 8. Dezember 1914 fällt Spee mit seinen beiden Söhnen Otto und Heinrich in der Seeschlacht bei den Falklandinseln im Kampf gegen die Royal Navy. Lukas Grawe, M.A., Jahrgang 1985, Historiker an der Universität Bremen.
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Militärtechnik im Detail
Der sowjetische schwere Panzer IS-2 (Josef Stalin)
Illustration: Jim Laurier
Höchstleistungsmaschine Der Tod von unten Der „Stalin“ war mit einem 12,7-MillimeterMachinengewehr zur Luftabwehr ausgerüstet
Beengt Die Rückstoßbewegung der Kanone erforderte viel Platz, so dass das Innere des Turms ziemlich beengt war. Zu den Aufgaben des Panzerkommandanten gehörte die Leitung des Feuers sowie die Bedienung des Funksprechgeräts Mit V12 durchs Gelände Ein gewaltiger Dieselmotor zusammen mit einem Achtganggetriebe sorgte für eine Höchstgeschwindigkeit von 37 Kilometern pro Stunde und einer Reichweite von 240 Kilometern
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ie Panzerschlacht bei Kursk führte dazu, dass Josef Stalin einen neuen Panzertyp forderte. Bis zur Mitte des Jahres 1943 sah der sowjetische Führer keine Notwendigkeit, einen schweren Tank zu entwickeln und zu produzieren. Doch dann erreichten ihn Meldungen von der Front, dass die sowjetischen Panzergeschosse zum Teil wirkungslos an den deutschen Panzern abprallten. Wollte man „Tiger“, „Panther“ und „Elefant“ erfolgreich bekämpfen, benötigten die Sowjets daher ein schwereres Kaliber. Der IS-2, für „Iosif Stalin“, erschien im April 1944 – insgesamt entstanden 3.854 Exemplare. Dank seiner starken Panzerung konnte er der gefährli-
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chen deutschen 8,8Zentimeter-Granate standhalten und das 51 Tonnen schwere Fahrzeug mit seiner 122-Millimeter-Kanone hat man bald in höchsten Tönen gelobt. So vernichtete eine aus zehn Stalin-Panzern bestehende Einheit in einem Monat 41 „Tiger“ und „Elefanten“, wobei nur acht eigene Fahrzeuge zerstört wurden. IS-2-Panzer kämpften auch im Verbund mit Infanterie, durchbrachen die feindlichen Linien und überließen es den leichteren T-34, das Zerstörungswerk
zu vollenden. „Die schweren Panzer funktionierten ausgezeichnet und überdauerten die Garantiephase bis auf das Doppelte und zwar sowohl was Einsatzzeit als auch die Laufzeit betraf“, äußerte ein sowjetischer Kommandeur aus Weißrussland. Haltbarkeit und Feuerkraft des „Stalin“ erfüllten perfekt die ihm zugedachte Rolle als Waffe, um den Krieg siegreich in Richtung Berlin zu tragen.
DIE KONKURRENZ Der deutsche „Tiger“ Besatzung: fünf Mann Höchstgeschwindigkeit: 45 km/h Gewicht: 60 Tonnen Reichweite: knapp 200 Kilometer Bewaffnung: 8,8-Zentimeter-Kanone, zwei 7,92-Millimeter-Maschinengewehre Produziert: 1.347 Stück Die Bezeichnung „Tiger“ verdankte er dem Konstrukteur Ferdinand Porsche. Der „Tiger“ war eine gewaltige, jedoch mit einigen Mängeln behaftete Kampfmaschine. Darüber hinaus waren die Produktionskosten extrem hoch
Der deutsche „Panther“ Besatzung: fünf Mann Höchstgeschwindigkeit: 46 bis 55 km/h Gewicht: 49 Tonnen Reichweite: 250 Kilometer Bewaffnung: 7,5-Zentimeter-Kanone, zwei 7,92-Millimeter-Maschinengewehre Produziert: etwa 6.000 Stück Die Konstruktion des „Panther“ lehnte sich stark an den sowjetischen T-34 an. Ursprünglich war ein Gewicht von 22 Tonnen vorgesehen, das sich aber im Laufe der Produktion mehr als verdoppelte
Im Zeichen des Bären Dieser IS-2 des zur 8. Gardearmee gehörenden 7. Selbstständigen Schweren Gardepanzerbataillons war bei der Eroberung Berlins dabei. Der auf dem Turm dargestellte Polarbär ist ein Ehrenabzeichen für die Teilnahme an Kämpfen in dem nahe des Polarkreises gelegenen Karelien
Langsam am Drücker Die 122-Milimeter-Kanone war ursprünglich als Marinegeschütz konzipiert und verschoss eine aus zwei Komponenten bestehende Granate. Man zog auch eine 100-Milimeter-Kanone in Betracht, aber die Sowjets verfügten über einen reichen Vorrat der größeren Rohre samt Munition, wodurch die Änderung ausblieb. Für einen Schuss benötigte die Besatzung 20 bis 30 Sekunden – Zeit genug für einen deutschen „Tiger“, um sechs oder sieben 8,8-Zentimeter-Granaten abzufeuern Günstiger Winkel Die vorne im 60-Grad-Winkel abgeflachte und 100 Millimeter stark gepanzerte Wanne erhöhte den Schutz. Die Stärke variierte von 30 Millimetern an Teilen der Wanne bis zu 160 Millimetern am Turm Nicht schön, aber robust Westliche Kritiker bescheinigten dem IS-2 ein plumpes Aussehen. Aber die Sowjets hatten das Ziel, funktionierende Panzer in die Schlacht zu werfen und nicht einen Preis für gelungenes Design zu bekommen
IS-2-Panzer drangen in Zugstärke von fünf Fahrzeugen im Verbund mit Infanterie, Pionieren und Flammenwerferteams in Berlin ein und verschossen hochexplosive Granaten Abb.: picture alliance/Mary Evans Picture Library
Kompliment vom Gegner Heinz Guderian, Generalinspekteur der Panzertruppe, empfahl Vorsicht im Umgang mit dem IS-2: „Nehmen Sie den Kampf mit einem ,Stalin’ nur dann auf, wenn Sie eine starke zahlenmäßige Überlegenheit hergestellt haben“, warnte der deutsche General In dieser Serie u. a. bereits erschienen: Schwedische 40-Millimeter-Flak (5/2015) Sowjetische Iljuschin IL-2 (6/2015) Britisches Flugboot Short S.25 Sunderland (1/2016) US-Atombomben „Little Boy“ und „Fat Man“ (2/2016) Japanischer Torpedobomber Nakajima B5N (3/2016) Amerikanisches M1918A2 Browning Automatic Rifle (4/2016) Deutsche Panzerfaust 60 (5/2016) Amerikanischer P-38 Abfangjäger (6/2016)
Wie alle sowjetischen schweren Panzer verfügte der IS-2 neben dem Luftabwehr-Maschinengewehr über drei zusätzliche 7,62-Millimeter-Maschinengewehre Abb.: HISTORYNET ARCHIVE
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Spezial | Standgerichte
Die Standgerichte der Wehrmacht
Das Volk der Richter und Henker 1944/45: In den letzten Monaten des Krieges zieht das Regime alle Register, um die „Volksgenossen“ zum Durchhalten zu zwingen. Eines der gefürchtetsten Terrorinstrumente ist hierbei das Standgericht Von Stefan Krüger
BRUTALE PRAXIS: Ein Standgericht vollstreckt ein Urteil. Es konnte jeden treffen – Zivilisten genauso wie Soldaten Beide Abb.: ullstein bild
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TERROR GEGEN DIE EIGENEN LEUTE: Ein „Fliegendes Feldgericht“ kurz vor der standrechtlichen Erschießung von „Verrätern“ – das Bild zeigt das Verlesen des Urteils Abb.: ullstein bild
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Spezial | Standgerichte
IRRSINN: Mitte Februar 1945 gibt Hitler die „Verordnung über die Errichtung von Standgerichten“ heraus. Das Bild zeigt den Diktator kurz vor seinem Selbstmord im April 1945 Abb.: picture alliance/ASSOCIATED PRESS
SPÄTE GERECHTIGKEIT: Der Vorsitzende des Standgerichts von Brettheim, Friedrich Gottschalk, wurde 1960 zu einer Haftstrafe von drei Jahren verurteilt. Im Bild eine Zeugenbefragung zwei Jahre zuvor Abb.: picture alliance/Karl Schnoerrer
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us der Ferne hören die Einwohner von Brettheim bereits die amerikanischen Panzer heranrasseln, das Kriegsende liegt in der Luft. Die Wehrmacht sieht es wohl insgeheim genauso und zieht sich aus der württembergischen Region zurück, in der dieser Ort liegt. Die SS hingegen erklärt Brettheim zu einem „Eckpfeiler der Verteidigung“ und entsendet vier Hitlerjungen mit Panzerfäusten, Stielhandgranaten und einem einzigen Gewehr, um die „Westfront“ an diesem Punkt zu verteidigen. Einige Einwohner fassen sich daraufhin ein Herz und entwaffnen die Kinder. Die Waffen entsorgen sie in einem nahen Teich. Die Hitlerjungen jedoch, indoktriniert wie sie sind, melden diesen Vorfall ihren Vorgesetzten, worauf die SS am 7. April 1945 ein Standgericht einrichtet. Als Vorsitzender fungiert ein SS-Sturmbannführer, Beisitzer sind der Bürgermeister und der NSOrtsgruppenleiter. Während des Verhörs tritt der Bauer Friedrich Hanselmann nach vorne und behauptet, die Hitlerjungen alleine entwaffnet zu haben – er möchte damit den Rest des Dorfes vor der Rache der SS schützen. Sturmbannführer Friedrich Gottschalk ahnt natürlich, dass Hanselmann dies kaum alleine getan hat. Er kommt mit seinem Verhör allerdings nicht weiter und am Ende verurteilt er den Bauern zum Tode. Und was nun passiert, ist außergewöhnlich: Die beiden Beisitzer weigern sich, das Todesurteil zu unterschreiben, obwohl die Rechtslage oder besser gesagt das, was die NS-Herrschaft da-
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raus gemacht hat, klar ist und Hanselmann bereits gestanden hat. Der Sturmbannführer jedenfalls lässt sich nicht beirren und verurteilt kurzerhand auch den Bürgermeister und den Ortsgruppenleiter zum Tode. Am 10. April hängt die SS die drei Männer an einem Baum mitten im Ort auf. Die Dorfbewohner sind nun so verängstigt, dass sie es nicht wagen, weiße Laken zum Zeichen der Kapitulation aus dem Fenster zu hängen, als die Amerikaner sie schließlich auffordern, Brettheim kampflos zu übergeben. Als man die US-Truppen obendrein noch beschießt, greifen diese den Ort mit Panzern und Flugzeugen an. Dabei finden 17 Menschen den Tod oder werden verwundet, Brettheim selbst ist zu 85 Prozent zerstört – eine verheerende Bilanz, doch im Sinne der NS-Ideologie hat das Standgericht seinen Zweck erfüllt. So hat es zum einen Rache an den „Verrätern der Volksgemeinschaft“ genommen und zum anderen die übrigen Einwohner durch das harte Urteil und seine grausame Vollstreckung erfolgreich abgeschreckt.
Grausame Gerechtigkeit In der regulären Justiz, egal ob zivil oder militärisch, geht es nicht um Gerechtigkeit, sondern um das Recht, so wie es der Gesetzgeber definiert. Um es durchzusetzen, muss der Angeklagte, flankiert von Ankläger und Verteidiger, vor einem Richter erscheinen, dessen Aufgabe es ist zu ermitteln, wer im Recht ist. Beim Standgericht ist es genau um-
gekehrt. Hier geht es um Gerechtigkeit, allerdings in dem Sinne, wie der Träger der Macht, in dem Fall die NS-Führung, sie definiert. Das Standgericht fragt auch nicht danach, wer im Recht, sondern wer schuld ist. Der Unterschied mag spitzfindig erscheinen, ist aber wichtig. Als die beiden Beisitzer des Standgerichts von Brettheim ihre Unterschrift verweigern, handeln sie durchaus rechtmäßig. Doch dem Sturmbannführer geht es nicht um das Recht, sondern darum, wer schuld an der „Wehrkraftzersetzung“ in Brettheim ist. Und der Bürgermeister und Ortsgruppenleiter haben sich in seinen Augen in dem Augenblick mitschuldig gemacht, als sie sich weigern, das Urteil zu unterschreiben.
Henkersbeil der NS-Diktatur Standgerichte sind eine Art Tempo-Justiz im Sinne von „nur schnelle Justiz ist gute Justiz“. Ihr Ziel ist es nicht, einen bestimmten Rechtszustand zu bewahren, sondern die Menschen zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen – und zwar genauso, wie es dem Gerechtigkeitsempfinden des Trägers der Macht entspricht. Insofern erscheint das Standgericht als ein typisches Phänomen der Schlussphase der NS-Herrschaft. Tatsächlich aber ist es so alt wie der Zweite Weltkrieg selbst – man muss allerdings zwei Phasen unterscheiden. Die Militärjustiz der Wehrmacht ist in der sogenannten „Verordnung über die militärischen Strafgerichtsverfahren im Kriege und bei besonderem Einsatz“ (KstVO) vom 17. August 1939 geregelt. Schnellverfahren sind hier noch nicht vorgesehen, doch das ändert
Henkersbeil des Regimes sich am 1. November 1939 mit der „4. Verordnung zur Durchführung und Ergänzung der KstVO“ (4. DVO). Die 4. DVO ermächtigt den nächst erreichbaren Kommandeur eines Regiments oder einen Offizier mit der gleichen Disziplinargewalt, die Befugnisse eines Gerichtsherrn wahrzunehmen. Der Gerichtsherr wiederum ernennt einen Wehrmachtsrichter zum Vorsitzenden, während zwei gewöhnliche Offiziere als Beisitzer dienen. Ferner hat der Angeklagte bis 1944 das Recht auf einen Verteidiger, sofern ihm ein Todesurteil droht.
Disziplin und Ordnung Zusammentreten darf ein Standgericht allerdings nur, wenn es gravierende militärische Gründe gibt, die ein schnelles Urteil erforderlich machen und ein regulärer Gerichtsherr auf die Schnelle nicht zu erreichen ist. Dazu zählen etwa „grobe Verstöße gegen die Manneszucht“, wie man es damals nennt. Konkret sind damit unter anderem Angriffe auf Vorgesetzte, Meuterei, Aufruhr, Feigheit und Plünderung gemeint. Das Standgericht ist ursprünglich also keineswegs ein Terrorinstrument, sondern hat lediglich die Aufgabe, Disziplin und Ordnung in Extremsituationen aufrechtzuerhalten. Daran soll sich auch lange nichts ändern. Erst ab der zweiten Hälfte des Jahres
DOKUMENT
Anweisung von Adolf Hitler aus dem „Führerhauptquartier“ vom 9.3.1945 1. Es wird sofort ein „Fliegendes Standgericht“ errichtet. 2. Das Gericht untersteht mir unmittelbar und erhält Aufträge von mir. 3. Gerichtsherr ist der dienstälteste Offizier des Gerichts. Er leitet die Ermittlungen und führt nach seinem Ermessen den Vorsitz in der Hauptversammlung. 4. Das Fliegende Standgericht ist zuständig für strafbare Handlungen von Angehörigen aller Wehrmachtteile und der Waffen-SS ohne Unterschied des Ranges. Der Gerichtsherr kann außerdem jede strafbare Hand-
1944 mutiert es nach und nach zu einem Henkersbeil der NS-Führung. Am 23. September 1944 veröffentlicht das Oberkommando der Wehrmacht sogenannte „Maßnahmen gegen Auflösungserscheinungen in der Truppe“, wonach die Gerichtsherrn fortan ermächtigt sind, Todesurteile der Standgerichte unabhängig vom Dienstgrad der angeklagten Offiziere und Beamten zu bestätigen. Darunter fallen im Übrigen auch Generäle, wie Hitler betont.
lung unter Meldung an mich an sich ziehen, auch wenn schon ein Verfahren schwebt. 5. Der Gerichtsherr hat bei allen Urteilen des Gerichts das uneingeschränkte Bestätigungsrecht. Er trifft die Vollstreckungsentscheidung. 6. In Sachen von ganz besonderer Bedeutung kann der Gerichtsherr vor der Entscheidung über die Bestätigung meine Weisung einholen. 7. Das Gnadenrecht entfällt. 8. Alle Dienststellen haben dem Gericht jede Unterstützung zu leisten.
Spätestens im Sommer 1944 muss auch der größte Optimist erkennen, was die Stunde geschlagen hat. So zerschlägt die Rote Armee die Heeresgruppe Mitte beinahe vollständig – es ist die wohl größte Katastrophe der deutschen Militärgeschichte. Das Westheer auf der anderen Seite existiert praktisch nicht mehr. Was noch fahren und laufen kann, rettet sich mit Mühe und Not zum Westwall und zum Niederrhein. Bereits im August 1944 stehen die Alliierten vor Paris
„Eine wichtige Rheinbrücke ist […] unbeschädigt in Feindeshand gefallen, weil verantwortliche Führer infolge ihres entschlusslosen, verantwortungslosen und feigen Verhaltens den Brückenkopf aufgaben [...]. Die fünf schuldigen Offiziere wurden standrechtlich zum Tode verurteilt.“ Albert Kesselring am 21. März 1945 nach dem Verlust der Ludendorff-Brücke
GESTEIGERTER TERROR: Ein US-Soldat blickt auf die eroberte Brücke von Remagen. Ihr Verlust führt zur Einrichtung des „Fliegenden Standgerichts” Abb.: picture-alliance/dpa
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Spezial | Standgerichte und Warschau, während ihre Bomber eine deutsche Stadt nach der anderen in Schutt und Asche legen. Hoffnung gibt es keine mehr – wenn man von den orakelhaften Andeutungen der Propaganda auf die sogenannten „Wunderwaffen“ absieht. Insofern erstaunt es nicht, dass die deutschen Soldaten schlichtweg resignieren. Immer häufiger kommt es vor, dass sie ihre Waffen und Uniformen wegwerfen und sich entweder gefangennehmen lassen (Westfront) oder ihr Heil in der Flucht Richtung Heimat suchen (Ostfront). Nach dem Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte nimmt dies so dramatische Formen an, dass die Wehrmacht an der Weichsel und an der Reichsgrenze gleich zwei Auffanglinien einrichten muss, um all die Versprengten und Flüchtenden aufzunehmen.
Standgerichte sind das Mittel der Wahl, um den Willen der Führung zu exekutieren. Wohin die Reise geht, kündigt Hitler recht früh an. So formuliert er am 15. April 1944 einen Aufruf an die Soldaten der Ostfront: „Das Regiment oder die Division, die ihre Stellung verlassen, benehmen sich so schimpflich, dass sie sich vor den Frauen und Kindern, die in unseren Städten dem Bombenterror standhalten, werden schämen müssen. Achtet vor allem auf die verräterischen wenigen Offizie-
der Wehrmacht, der Waffen-SS oder der Polizei bestehen. Aufgabe der Gauleiter-Standgerichte ist es, „Straftaten“ von Zivilisten zu verfolgen, die die Kampfkraft oder Kampfentschlossenheit beeinträchtigen. Im Unterschied zum Beginn des Zweiten Weltkriegs geht es also längst nicht mehr darum, Disziplin und Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Standgerichte in der Endphase des Krieges sollen ganz bewusst Angst und Schrecken verbreiten, damit Soldaten und
„Wer nicht für sein Volk zu kämpfen bereit ist, sondern ihm in ernstester Stunde in den Rücken fällt, ist nicht wert, weiterzuleben und muss dem Henker verfallen.“ Adolf Hitler in einer Weisung bezüglich der Wehrmacht-Justiz
Glaube verdrängt Fakten Die Führung versteigt sich in dieser Situation in Fatalismus und in ein irrationales Nicht-Wahrhaben-Wollen. Sie setzt den Endsieg und den Glauben daran gleich und verlangt vom Rest Deutschlands, dass es diesem Dogma folgt. Das heißt, dass nicht etwa das Versagen der Führung oder die alliierte Übermacht, sondern diejenigen, die am Endsieg zweifeln, schuld daran sind, wenn das Deutsche Reich eine Niederlage erleidet. Dieser verhängnisvolle Irrglaube dient fortan als Legitimation für die drakonischen Strafen, die wie ein Damoklesschwert über den deutschen Soldaten schweben. Und die
re und Soldaten. [...] Wer euch Befehle zum Rückzug gibt, ohne daß ihr ihn genau kennt, ist sofort festzunehmen und nötigenfalls augenblicklich umzulegen.“ In der Folge weitet man den Umfang und die Befugnisse der Standgerichte systematisch aus – auch auf den zivilen Bereich. So ermächtigt Martin Bormann als Leiter der Parteikanzlei die Gauleiter am 15. Februar 1945 dazu, Standgerichte einzusetzen und als Gerichtsherrn zu wirken. Vorsitzender ist jeweils ein Strafrichter, während die Beisitzer aus einem politischen Leiter oder Gliederungsführer der NSDAP und einem Offizier
Zivilisten alles vermeiden, was man ihnen als „Defätismus“ auslegen könnte. Parallel dazu erhebt der Reichsführer SS Heinrich Himmler die Wehrkreisbefehlshaber ebenfalls zu Gerichtsherrn, die ihre Befugnisse wiederum an unterstellte Offiziere weiterreichen können. Als Vorsitzender haben hier ein Richter der Wehrmacht und als Beisitzer zwei Offiziere zu dienen. Zuständig sind diese militärischen Standgerichte für alle Wehrmachtsteile, die Waffen-SS und die Polizei.
Eigenes Exekutionskommando Sowohl bei den zivilen Gauleiter- als auch bei den Wehrkreis-Standgerichten ist also ursprünglich immerhin ein Jurist als Vorsit-
„TERRORHELFER”: Himmler trug maßgeblich zur gesteigerten NS-Gewalt am Ende des Kriegs bei. Hier besichtigt er 1936 das KZ Dachau Abb.: picture alliance/akg-images
GRAUSAME JUSTIZ: US-Soldaten finden diesen erhängten Leutnant im März 1945 in Aschaffenburg. Er wurde wegen Fahnenflucht hingerichtet Abb.: picture alliance/akg-images
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Sinnlos und brutal DEM ENDE ENTGEGEN: Diese deutschen Soldaten heben im April 1945 bei Königsberg die Hände. Die katastrophale Kriegslage führte vermehrt dazu, dass die Deutschen die Waffen streckten oder gar desertierten Abb.: picture alliance/akg-images
zender vorgesehen. Doch auch diese Praxis weicht man im März 1945 auf, so dass auch gewöhnliche Offiziere den Vorsitz übernehmen dürfen – so wie es etwa bei Brettheim der Fall ist (dem Rang des Sturmbannführers entspricht bei der Wehrmacht der Rang des Majors). Aber auch das genügt Hitler nicht. Am 9. März ruft er das „Fliegende Standgericht“ ins Leben, das ihm direkt unterstellt ist. Als Gerichtsherr fungiert Generalleutnant Rudolf Hübner, der Todesurteile bestätigt und vollstreckt, ohne zuvor Rücksprache mit Hitler halten zu müssen. Hübner erhält sogar ein eigenes Exekutionskommando, das aus neun Soldaten besteht. Mit dem Fliegenden Standgericht reagiert Hitler auf den Verlust der Brücke von Remagen am 7. März. Das „Standgericht des Führers“ macht unter den Beteiligten fünf Offiziere aus, die in seinen Augen dafür verantwortlich sind, dass die Ludendorff-Brücke intakt in amerikanische Hand fallen kann, und verurteilt sie zum Tode. Dieses sehr bekannte Beispiel für ein Standgericht zeigt,
Literaturtipps Messerschmidt, Manfred: Die Wehrmachtjustiz 1933–1945. München 2005. Thoß, Michael: Die Standgerichte in der Endphase des Zweiten Weltkrieges. Norderstedt 2008.
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Wie viele Menschen den Standgerichten zum Opfer gefallen sind, ist heute kaum mehr zu ermitteln. Die Zahlen schwanken zwischen 5.000 und 8.000 Toten. Eine genaue Bilanz fällt deshalb so schwer, weil die Verantwortlichen zum einen nicht alle Fälle registriert haben. Zum anderen sind die Grenzen zwischen dem regulären Kriegsgericht, dem Standgericht und der willkürlichen Erschießung gerade in der Schlussphase fließend.
Ein absurdes System
SCHREIBTISCHTÄTER: Auch Reichsleiter Martin Bormann verschärfte die NS-Justiz Abb.: picture-alliance/United Archives/TopFoto
worum es eigentlich geht: Man möchte Schuldige, oder besser gesagt Sündenböcke, finden und aburteilen. Dass die Standgerichte in den letzten Wochen des Krieges noch so viel Unheil anrichten können, liegt allerdings nicht nur an Hitler und der SS. Auch der Oberbefehlshaber West Feldmarschall Albert Kesselring nutzt Standgerichte gezielt, um seine ihm anvertrauten Soldaten in einer völlig aussichtslosen Lage zum Durchhalten zu zwingen.
Zu Beginn des Krieges sind die Standgerichte noch streng geregelt und zumindest aus militärischen Gründen nachvollziehbar, solang es darum geht, Disziplin und Ordnung aufrechtzuerhalten. Ab 1944 aber mutieren sie zu reinen Terror- und Racheinstrumenten des Regimes. Wie absurd das Justizwesen des „Dritten Reiches“ am Ende ist, zeigt der Fall eines Angehörigen der Kriegsmarine. Am 20. April 1945 sagt der stark betrunkene Mann im Beisein von Kameraden: „Der Führer ist ein schwuler Hund und hat uns alle ins Unglück gestürzt, und ich werde schon mit ihm abrechnen. Er muss erschossen werden.“ Ferner brüllt er einem Soldaten zu: „Wirf das Gewehr in den Bach, es hat ja doch keinen Zweck mehr.“ Das Gericht verurteilt ihn deswegen gleich zweimal zum Tode, beantwortet allerdings nicht die Frage, wie man so etwas in der Praxis umsetzen soll. Stefan Krüger, Jg. 1982, Historiker aus Rüdesheim.
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Schlachten der Weltgeschichte | Aleuten 1942/43
Kampf um die Pazifikinseln Attu und Kiska
ALARM
auf den Aleuten
JUNI 1942: Japanische Soldaten besetzen blitzartig die Aleuten-Inseln Attu und Kiska im äußersten Nordwesten der USA. Die Amerikaner sind entsetzt über den Angriff und wollen die Invasoren wieder verjagen Von Hagen Seehase
5 KURZE FAKTEN
Foto: xxxxx
ZEIT: Juni 1942 bis August 1943 ORT: Aleuten-Inselkette vor der Küste Alaskas KONTINENT: Nordamerika GEGNER: Japan/USA EREIGNIS: Japanische Eroberung und amerikanische Rückeroberung der Inseln Attu und Kiska
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EXTREM WENDIG: Das hervoragende japanische Trägerflugzeug Mitsubishi A6M2 ist auch bei den Luftangriffen auf die Aleuten beteiligt – wenngleich mit geringem Erfolg Abb.: Sammlung Wolfgang Mühlbauer
WACHSAM: Soldaten einer amerikanischen MG-Stellung auf den Aleuten. Auch wenn der strategische Wert der Inseln gering war, fochten beide Seiten erbittert um sie Foto: picture-alliance/akg
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eine wichtige Meldung wäre beinahe ungehört verhallt: „The Japs are coming!“ Mit diesem Satz alarmiert Sergeant Lee J. Bartoletti seine Kameraden. Da sie die Feindlage allerdings völlig falsch einschätzen, räumen die Vorgesetzten der Beobachtung des Sergeanten nicht die angemessene Dringlichkeit ein. So geht Bartoletti von Sicherungsposten zu Sicherungsposten. „The Japs are coming.“ Das sollen auch die Worte gewesen sein, die fast ein Jahr zuvor, am 7. Juni 1941, Charles Foster Jones an beinahe gleichem Ort per Funkgerät absetzte. Eine Meldung, die niemanden erreichte. Das ist kein Wunder: Auf der Aleuteninsel Attu gehören neben Wind, Nebel und Regen auch atmosphärische Störungen zum Alltag.
Ablenkungsangriff im Norden Dass diese entlegene Insel zum Schauplatz besonders erbitterter Kämpfe werden sollte, ist Resultat einer strategischen Fehleinschätzung des japanischen Oberkommandos. Dieses plant nämlich Attu und Kiska zu besetzen, die beiden westlichsten der größeren Aleuteninseln. Darüber hinaus beabsichtigen die Japaner, die US-Militäranlagen in Dutch Harbour zu bombardieren. Beide Maßnahmen sollen von dem geplanten Schlag gegen Midway ablenken. Außerdem soll der Verlust der Inseln den Alliierten die Möglichkeit rauben, die nördlichen Kurilen anzugreifen. Aber die Amerikaner lassen sich nicht täuschen. Ihre Aufklärung ermittelt genau, dass Midway im Zentralpazifik das Hauptziel sein wird. Die Schäden durch die Luftangriffe einer japanischen Flugzeugträgerkampfgruppe am 3. und 4. Juni 1942 unter Vizeadmiral Boshiro Hosogaya gegen Dutch Harbour bleiben begrenzt. Clausewitz 1/2017
Zu ihrer Überraschung müssen die Japaner feststellen, dass die US-Flieger sofort zu Gegenangriffen starten, die für die Japaner aus dem Nichts zu kommen scheinen. General Simon Bolivar Buckner, der Kommandeur der Heereskräfte in Alaska, ließ zwei Feldflugplätze auf den östlichen Aleuten anlegen, die er so geheim hielt, dass nicht einmal seine Vorgesetzten davon wussten. Während sich also die Bombardierung Dutch Harbours als Fehlschlag entpuppt, besetzen die Japaner Attu und Kiska. Auf Kiska befindet sich nur ein Meteorologenteam der United States Army Air Forces (USAAF), Attu hat lediglich 47 Einwohner. Einer von ihnen versucht noch hektisch, Funksprüche abzusetzen, bevor er gefangen und (vermutlich) ermordet wird. Die anderen Insulaner werden als Zivilinternierte nach Japan verschleppt, als die Japaner die Insel zeitweilig räumen. Kiska hingegen befestigen sie außerordentlich. So bringen sie schwere Geschütze in Stellung, bauen Betonbunker und stationieren Mini-U-Boote. Zudem beginnt man mit der Anlage eines Flugplatzes. Das erweist sich als äußerst schwierig, denn der Boden der Aleuteninseln besteht großteils aus einem torfartigen Material („Muskeg“), das ausgesprochen sumpfig ist. Kiska wird zudem sofort zum Ziel amerikanischer Gegenmaßnahmen.
„Kiska Blitz“ Vom Stützpunkt auf Umnak aus startet eine Handvoll Maschinen vom Typ B-17 und LB30 (eine frühe Version der B-24) der USAAF und werfen ihre Bomben über Kiska ab. Aber auch die Navy hat ihren Anteil an der „Kiska Blitz“ genannten Luftoperation. Bei der Insel Atka liegt der Seeflugzeugtender USS Gilles.
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Schlachten der Weltgeschichte | Aleuten 1942/43
BEIM ENTLADEN: Landung US-amerikanischer Truppen in der Massacre Bay auf Attu
Foto: Kaiserlich Japanisches Heer
Die dazugehörenden Catalina-Flugboote unter dem Kommando vom Captain Leslie E. Gehres sind eigentlich für Seenotrettung, Langstreckenpatrouillen und die U-BootJagd vorgesehen. Jetzt operieren sie als Bomber, die ihre Ziele sogar im Sturzflug angreifen. Doch dafür sind die Catalinas nun ganz und gar nicht geeignet. Die Todesverachtung und das fliegerische Geschick der amerikanischen Piloten nötigt den Japanern Respekt ab, allerdings bewirkt beides zunächst nicht sehr viel. Bald stehen dem Bomberkommando der in Alaska stationierten 11th Air Force aber mehr Maschinen zur Verfügung. Unter dem Kommando ihres charismatischen Kom-
mandeurs Colonel William O. Eareckson entwickeln die Bomberbesatzungen der USAAF Verfahren, die sonst nirgendwo praktiziert werden. Meist fliegt ein einzelnes Wetterflugzeug voraus. Wenn dieses einigermaßen geeignete Flugbedingungen über dem Zielgebiet meldet, starten die anderen Bomber. Mit den Einsätzen in Europa hat dieses Unternehmen aber nicht viel gemeinsam. Zu Angriffen aus großer Höhe mit Bodensicht kommt es höchst selten. Manchmal fliegen die Bomber den durch die Wolkendecke ragenden Gipfel des Mount Kiska an, drehen genau über dem Gipfel auf Zielkurs, fliegen in exakt festgelegter Geschwindigkeit und Hö-
BIOGRAPHIE
Paul Nobuo Tatsuguchi Der 1911 geborene Paul Nobuo Tatsuguchi erhält den Großteil seiner medizinischen Ausbildung in den USA, wo der gläubige Christ zum Doktor der Medizin promoviert. Hier heiratet er auch seine Frau Takeo, 1939 kehrt das Paar nach Japan zurück. 1941 wird Tatsuguchi zur kaiserlichen Garde eingezogen und erhält den Rang eines Stabsfeldwebels. Zum Offizier will man ihn trotz seiner Qualifikation nicht machen. Man misstraut ihm wegen seines Glaubens und seines langen USA-Aufenthaltes. Dabei ist Tatsuguchi ein loyaler Untertan des Kaisers. Allerdings schmerzt es ihn zutiefst, gegen die USA kämpfen zu müssen. Sein Tagebuch gibt Aufschluss von seiner inneren Zerrissenheit. Außerdem enthüllt es detailliert grausige Einzelheiten im Vorfeld der „Banzai-Charge“ auf Attu. Der letzte Eintrag beschreibt die Tötung der eigenen Verwundeten und endet mit einem Abschiedsgruß an GEFALLEN: seine Familie. Tatsuguchi kommt vermutlich am 30. Mai 1943 ums Paul Tatsuguchi Leben, ein Sergeant Laird findet sein Tagebuch.
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Foto: picture-alliance/prisma
he und lösen nach Stoppuhr die Bomben aus. Manchmal unterfliegen sie auch die Wolken. Dann schießen die Viermots in nur wenigen Metern Höhe über den Wellen heran. Das ist ausgesprochen gefährlich, nimmt aber den Japanern die Möglichkeit, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Über dem Zielgebiet schießen die MG-Schützen Dauerfeuer, dann fallen die Bomben. Diese sind mit Zeitzündern versehen, denn Aufschlagzünder würden in einer solch niedrigen Höhe unweigerlich den Absturz des Bombers herbeiführen. Den Japanern gelingt es indes nicht, einen Feldflugplatz für Jagdflugzeuge anzulegen, so sehr sie sich auch bemühen. Die einzige Abwehr gegen amerikanische Bomber besteht im Einsatz der Schwimmerflugzeuge vom Typ Nakajima A6M-2N „Rufe“, einer wesentlich langsameren navalen Ausführung der Zero. Colonel Eareckson hält es nicht in seiner Kommandobaracke auf Umnak. Etliche Einsätze fliegt er selbst mit, mal als Pilot, dann als Co-Pilot, als Navigator, als Bombenschütze, sogar als MG-Schütze im Heckstand.
Inselspringen am Beringmeer Am 30. August 1942 landen 4.500 Soldaten der U.S. Army auf Adak, einer Aleuteninsel, die die Japaner nicht besetzten. Sofort machen sich die Pioniere daran, ein Flugfeld zu errichten, das schon bald einsatzfähig ist. Am 14. September starten die ersten B-24Bomber zu ihren Angriffen auf das rund 300
US-Maschinen machen kurzen Prozess KARTE
Landung auf Attu, Mai 1943
WENIG UNTERSTÜTZUNG: Die japanischen Flugzeugträger traten bei den Aleuten kaum in Erscheinung Abb.: INTERFOTO/Granger, NYC
Kilometer entfernte Kiska. Von Umnak aus waren es rund 1.000 Kilometer. Außerdem machen die P-39-Airacobras und P-38-Lightnings mit ihrer Kanonenbewaffnung kurzen Prozess mit mancher japanischen Flakstellung auf Kiska. Bereits am 9. August 1942 stießen zwei Flugzeuge der 343rd Fighter Group am Ende einer Langstreckenpatrouille von über 1.500 Kilometern auf zwei japanische Kawanishi H6K-Mavis-Flugboote und schossen sie ab.
Heftige Gegenangriffe Am 12. Januar 1943 landen die Amerikaner bei extrem schlechten Wetter auf Amchitka. Damit ist Kiska in 80 Kilometern Entfernung sogar in Sichtweite – theoretisch, denn die Wetterverhältnisse erlauben selten gute Sicht. Die Japaner fliegen wütende Luftangriffe von Kiska aus – mit Flugbooten. Denn eine Landepiste haben sie immer noch nicht. Das in Eile gebaute amerikanische Flugfeld auf Amchitka ist aber schon am 16. Februar 1943 einsatzbereit. Nur zwei Tage später versenkt der Kreuzer USS Indianapolis einen ohne Geleitschutz nach Attu laufenden japanischen Frachter. Daraufhin entsenden die Japaner einen Konvoi aus drei Frachtern, der durch eine Eskor-
Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich
DEM FROST AUSGELIEFERT: Amerikanische GIs mit BrowningMG auf einer Aleuteninsel Foto: U.S. Army
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Schlachten der Weltgeschichte | Aleuten 1942/43
WICHTIGER LUFTWAFFENSTÜTZPUNKT: Ein US-Bomber und mehrere Jagdflugzeuge auf den Aleuten, Sommer 1943 Foto: picture-alliance/akg-images
IM KAMPF: Amerikanische Mörserstellung auf Attu Foto: Signal Corps
te von vier Kreuzern und vier Zerstörern unter Vizeadmiral Boshiro Hosagaya sehr stark gesichert ist. Eine US-Kampfgruppe unter Konteradmiral Charles McMorris mit nur zwei Kreuzern und vier Zerstörern stellt den japanischen Verband am 27. März südlich der Komandorski-Inseln. Es kommt zu einem heftigen Gefecht – einem der wenigen im Pazifik, in dem Luftstreitkräfte keine Rolle spielen. Nach viereinhalb Stunden, in denen die Amerikaner äußerst geschickt operieren, bricht Hosagaya den Kampf ab und läuft nach Japan zurück. Von nun an versorgen ausschließlich U-Boote die japanischen Garnisonen auf Attu und Kiska.
Der General sitzt am MG Am 11. Mai 1943 beginnt die „Operation Landcrab“, die Landung der 7th Infantry Division auf Attu. Dieser von Generalmajor Albert Brown geführte Verband war zuvor eine motorisierte Division und übte für den Einsatz in Nordafrika. General Buckner hatte eigentlich eine andere Division als Landungstruppe angefordert, konnte sich aber nicht durchsetzen. Die Geheimhaltung wird von US-Seite allerdings so übertrieben, dass die Division nicht einmal über vernünftige Winterausrüstung verfügt – ganz im Gegensatz zu den Japanern. Einige US-Bataillone gehen am 11. Mai an zwei Strandabschnitten im Norden der Insel an Land, die Masse der Division im Süden in der „Massacre Bay.“ Die Hauptlandung bleibt ohne japanischen Widerstand, am nächsten Tag gibt es aber schon einen japanischen Gegenangriff. Die Amerikaner gehen zu Fuß vor, der Boden erlaubt keinen Einsatz von Motorfahrzeugen. Die Kämpfe spielen sich zumeist als erbitterte Infanteriegefechte zwischen Kompa-
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nien, Zügen oder Stoßtrupps ab. Colonel Eareckson hält es wieder nicht länger in seiner Kommandobaracke. Er leiht sich bei der Navy ein Schwimmerflugzeug von Typ Kingfisher aus, mit dem er über der Insel herumkreist und das Feuer der vor der Insel liegenden Schiffe der US Navy dirigiert beziehungsweise die Angriffe seiner Kampfflugzeuge. Manchmal setzt sich auch General Buckner auf den Beobachtersitz und lässt es sich nicht nehmen, die Japaner eigenhändig mit dem MG zu beschießen. Die ganze Angelegenheit ist natürlich brandgefährlich. Eareckson führt daher immer eine Handvoll Korken mit sich, um den zerlöcherten Schwimmkörper der IM EINSATZ: US-Landungsboote nehmen Kurs auf die von den Japanern besetzten Foto: picture-alliance/AP Photo Aleuten-Inseln
Maschine nach der Landung abzudichten, damit sie nicht in den Fluten versinkt. Eareckson beschließt, sich an den Kämpfen am Boden zu beteiligen, leiht sich ein Gewehr und bekommt einen Treffer in den Rücken, der nicht lebensbedrohlich ist. Dafür erhält er von Buckner sofort das Verwundetenabzeichen „Purple Heart“ und außerdem eine Standpauke für sein eigenmächtiges Verhalten. Am 16. Mai 1943 wird Brown von seinen ungeduldigen Vorgesetzten seines Kommandos enthoben und durch Generalmajor Eugene E. Landrum ersetzt. Zwei Tage später können die Kräfte der nördlichen Landungstruppe mit denen, die von Massacre
Fachliteratur • Militärgeschichte • Modellbau
Mörderisches MG-Feuer HINTERGRUND
„Banzai-Charge“ Am Abend des 28. Mai stößt ein amerikanischer Spähtrupp von 17th Infantry Regiment auf gegnerisches Territorium vor. Sie beobachten Japaner, die sich versammelt haben, flaschenweise Sake trinken und anfeuernde Rufe ausstoßen. Hastig kehren die GIs zu den eigenen Linien zurück, vergessen dabei das Passwort und werden beinahe erschossen, da brüllt einer der Männer „Brooklyn Dodgers, New York Yankees, Joe DiMaggio“ – das wirkt. Aber man misst ihrer Beobachtung nicht die rechte Bedeutung bei, so warnt Sergeant Bartoletti selbst die Alarmposten. Was folgt, ist ein fürchterlicher Angriff der Japaner, eine „Banzai-Charge.“ Der Befehlshaber der Japaner, Oberst Yasuyo Yamasaki, weiß, dass kein Nachschub mehr durchkommen würde, keine japanische Flotte seine Leute evakuieren würde. Also gibt er den Befehl, alle Verwundeten mit Morphiuminjektionen zu töten und einen verzweifelten Angriff auf die amerikanische Artilleriestellung auf einer Anhöhe zu starten. Sollte es seinen 800 noch einigermaßen kampffähigen Leuten gelingen, die Geschütze und alle dort lagernden Vorräte zu erbeuten, hätten sie bessere Chancen. Um 3:15 Uhr überrennen die Japaner mit Yamasaki an der Spitze die amerikanischen Alarmposten. Minuten später erreichen sie den Fuß der AnhöClausewitz 1/2017
Wolfgang Klietz. Zwischen 1982 und 1986 wurde bei Sassnitz auf Rügen das größte Verkehrsprojekt der DDR verwirklicht: Für zwei Milliarden Mark errichteten in Mukran Tausende Arbeiter und Hunderte Bausoldaten einen vier Kilometer langen Fährhafen mit 120 Kilometern Gleisanlagen für 5 riesige Doppelstockfähren mit Breitspurgleisen, um den zeit- und kostenaufwändiger Transit durch Polen zu vermieden und unbemerkt gefährliche Militärgüter über die Ostsee zu transportieren. HC, 192 S., 112 s/ w-Abb., 4 Karten. Statt 30,00 EURO jetzt nur 9,95 EURO
Strafanstalt Waldheim
GEFÜRCHTET: Amerikanische Fernspäher, die „Castner´s Cutthroats“, mit KriegstroFoto: U.S. Army phäen den Spitznamen „Castner´s Cutthroats“ ein. Der Zug steht an der Spitze jeder amerikanischen Landung auf den Aleuten. Bei den Kämpfen auf Attu ist es oft an vorderster Front im Einsatz.
he, wo sie ein Feldlazarett vorfinden. In zwei Lazarettzelten töten sie Sanitäter und Verwundete mit Bajonetten, die Insassen des dritten Zeltes verhalten sich ruhig und bleiben unbemerkt. Die Japaner stürmen den Hügel, dort aber biwakiert das 50th Engineer Combat Battalion, dessen Männer die Japaner in wütendem Nahkampf zurückwerfen. Yamasaki zieht seine Leute zurück, die sich im Nebel neu gruppieren. Inzwischen rücken die Pioniere des 13th Engineer Combat Battalion von der Rückseite den Hügel hinauf und verstärken die Linien ihrer Kameraden, die inzwischen Maschinengewehre in Stellung brachten. Der erwartete japanische Folgeangriff lässt nicht lange auf sich warten. Er wird zusammengeschossen. Yamasaki fällt an der Spitze von 500 japanischen Soldaten.
Ziel verfehlt Der letzte japanische Widerstand bricht bald zusammen. Amerikanische Beerdigungskommandos bergen 2.351 tote Japaner, nur 28 geraten in Gefangenschaft. Eine großangelegte Invasion alliierter Truppen auf Kiska am 15. August 1943 stößt ins Leere, unbemerkt evakuierten die Japaner zuvor die Insel. US-Pioniere legen am Alexai Point an der Südspitze Attus ein Flugfeld an. Dort starten am 10. Juli 1943 acht B-25 Mitchell unter Captain James L. Hudelson und bombardieren die Kurileninsel Paramushiro. Was die Japaner mit der Besetzung Attus zu verhindern hofften, ist damit eingetreten. Hagen Seehase, Jg. 1965, ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen über militärgeschichtliche Themen.
Geschichten, Personen und Prozesse aus drei Jahrhunderten. Friedemann Schreiter. Die Justizvollzugsanstalt Waldheim ist das älteste noch aktive deutsche Gefängnis (1716 begründet und wird bis heute genutzt). Ihre Geschichte veranschaulicht die Entwicklung des Strafvollzugs in den letzten drei Jahrhunderten. Mit zahlr. Bildern und exemplarischen Lebensgeschichten unbekannter wie prominenter Häftlinge. HC, 224 S., 112 s/w-Abb., 6 Karten. Statt 30,00 EURO jetzt nur 9,95 EURO
Reihe: Militärgeschichte der DDR Militär und Staatssicherheit im Sicherheitskonzept der Warschauer-Pakt-Staaten Torsten Diedrich (Hg.). Walter Süß (Hg.). In diesem Band rekonstruieren Militärhistoriker und Spezialisten für die Geschichte der Staatssicherheitsdienste aus Bulgarien, Deutschland, Rumänien, Serbien, Ungarn und den USA dieses Beziehungsgeflecht. 384 S., HC. Statt 40,00 EURO jetzt nur 9,95 EURO
Walter Ulbricht und die geheime Sicherheitspolitik der SED Der Nationale Verteidigungsrat der DDR und seine Vorgeschichte (1953-1971) Armin Wagner. Als Reaktion auf die JuniUnruhen 1953 setzte die SED-Führung auf höchster Ebene eine interne Sicherheitskommission ein. Dieses geheim tagende Organ wurde 1960 als Nationaler Verteidigungsrat auf eine gesetzliche Basis gestellt. Hier werden die Einrichtung und Entwicklung der beiden Gremien, ihre Funktionsmechanismen und Wirkungsweisen untersucht und die zentrale Rolle Walter Ulbrichts dabei analysiert. 632 S., HC., 18 s/w-Abb. Statt 40,00 EURO jetzt nur 9,95 EURO
Parteiherrschaft in der NVA Die Rolle der SED bei der inneren Entwicklung der DDR Streitkräfte (1956-1971) Frank Hagemann. Wie im Spannungsfeld von ideologischen Normen, militärischen Notwendigkeiten und sowjetischen Forderungen die "führende Rolle" der SED in der Nationalen Volksarmee verwirklicht wurde, welche Schwierigkeiten daraus resultierten und wie man damit in Partei und Armee bis Ende der sechziger Jahre umging. 280 S., HC. Statt 30,00 EURO jetzt nur 9,95 EURO
Staatsgründung auf Raten? Auswirkungen des Volksaufstandes 1953 und des Mauerbaus 1961 auf Staat, Militär und Gesell. der DDR. Torsten Diedrich (Hg.). Ilko-Sascha Kowalczuk (Hg.). Während der Ausbau der SED-Macht nach 1953 einer "inneren Staatsgründung" gleichkam, bildete der Mauerbau ein konstitutives Element für die weitere Existenz der DDR. Gab es also eine "Staatsgründung auf Raten"? Diesen Fragen wird hier zu verschiedenen Bereichen in Staat und Gesellschaft nachgegangen und kommen zu recht erstaunlichen Ergebnissen. 448 S., HC. Statt 35,00 EURO jetzt nur 9,95 EURO
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„Castner’s Cutthroats“ Colonel Lawrence V. Castner, Chef der Nachrichtenabteilung des Alaska Defense Command, bekommt im November 1941 den Auftrag, eine Fernspäheinheit aufzustellen: das „1st Alaskan Combat Intelligence Platoon“. Castner sucht die 66 Männer des Platoons selbst aus. Er findet geeignetes Personal unter den Fischern, Trappern, Goldsuchern Alaskas. Es sind auch viele Eskimo, Aleuten und Indianer darunter. Das Platoon, bald „Alaska Scouts“ genannt, soll feindliche Positionen aufklären und Gelände erkunden. Wichtigste Aufgabe ist es, die Japaner unerkannt auszukundschaften. Waffen können sich die Soldaten selbst aussuchen. Manche wählen das Standardgewehr M-1 Garand, andere bringen ihre eigenen Jagdgewehre mit. Auf Anzugsordnung oder Formaldisziplin legt man keinen Wert, das trägt dem wild aussehenden Haufen
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Militär und Technik
Die Legionen Roms
ANTIKE Super-Streitmacht
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Legendäre Feldherren wie Scipio, Marius, Pompeius der Große, Caesar oder Kaiser Augustus und seine Nachfolger – sie alle wären ohne ihre Legionen machtlos gewesen. Doch wie entwickeln sich die aus einer Bürgermiliz hervorgegangenen Legionen zur schlagkräftigen Armee? Von Jens Ebert
A
ls der römische Feldherr Paullus die gefürchtete makedonische Phalanx erblickt, deren Lanzenwall gefährlich im Licht der Sonne blitzt, zögert er für einen Augenblick, bis er im Vertrauen auf seine Legionäre schließlich den Befehl zum Angriff gibt. Es ist der 22. Juni 168 v. Chr. – nach vierjährigem Krieg gelingt es den Römern, das Heer des makedonischen Königs Perseus südlich von Pydna am Fuß des zerklüfteten Olymp in Griechenland zur Entscheidungsschlacht zu stellen. Die Lage ist für die Römer kritisch, als der ungleichmäßige Druck entlang der Schlachtlinie und die Unebenheiten im Gelände dazu führen, dass die makedonische Phalanx ihren Zusammenhalt verliert und sich Lücken bilden. Paullus ergreift die Chance und gibt den Zenturionen den Befehl, auf eigene Faust vorzugehen. Wo immer sich Möglichkeiten bieten, stoßen die Legionäre in die ungeschützten Flanken des Gegners hinein, der in seiner starren Formation nicht reagieren kann. Die Schlacht dauert kaum mehr als eine Stunde, an ihrem Ende haben die Makedonier 20.000 Tote zu beklagen, die Römer etwa 200 …
Bescheidene Bürgerwehr
MACHT UND MYTHOS: Bei Pydna erweist sich die flexible Legion der Phalanx als überlegen. Doch die Römer sind nicht unbesiegbar … Abb.: akg-images/Peter Connolly
Clausewitz 1/2017
Das lateinische Wort legio wird von legere abgeleitet und heißt so viel wie „auswählen“, was bedeutet, dass die Legion eine Auswahl der besten Männer aus allen Wehrfähigen darstellt. Zur Frühzeit des römischen Königtums bis Anfang des 7. Jahrhunderts v. Chr. entspricht die Legion dem Gesamtaufgebot des römischen Staates. Die römische Tradition spricht von einer Einteilung der Wehrfähigen in drei Stämme. Jeder dieser Stämme stellt 1.000 Mann zu jeweils zehn Zenturien (Hundertschaften), so dass sich für die frühzeitliche römische Legion eine Gesamtstärke von 3.000 Fußsoldaten ergibt, die durch 300 Reiter, equites („Ritter“), verstärkt ist und unter dem Oberbefehl des römischen Königs steht. Diese Struktur verändert sich um 550 v. Chr. als Servius Tullius, der sechste König Roms, alle Bürger, die zum Kriegsdienst herangezogen werden können, in einem Zensus erfassen lässt. Dieser Zensus teilt sie auf Grundlage ihres Vermögensstandes in sechs Klassen ein. Alle Bürger haben dabei für ihre Waffen selbst aufzukommen. Zum Ende der Königszeit um etwa 509 v. Chr. umfasst die Legion 6.000 schwer bewaffnete Fußsoldaten, 2.400 Leichtbewaffnete sowie 600 Reiter. So wie die Ausrüstung und Bewaffnung ist auch
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Militär und Technik | Die Legionen Roms
BEEINDRUCKEND: Eine Legion der Kaiserzeit (5.500 Mann stark) in Paradeaufstellung. Die erste Kohorte, ganz links zu sehen, hat 800 Mann, die übrigen neun je 500 Abb.: akg-images/Peter Connolly
die Kampfordnung der frühen Legion der Phalanx der Griechen ähnlich. Als die Anzahl der Legionen infolge von Roms Expansionspolitik steigt, unterstehen jedem Konsul je zwei Legionen sowie zwei Reiterabteilungen der italienischen Bundesgenossen. Als Stabsoffiziere der Legion dienen lediglich sechs Militärtribunen. In den ersten 200 Jahren der Republik erleidet Rom zunächst einige schwere Niederlagen. Diesen Fehlschlägen ist es zuzuschreiben, dass die Legionen des 4. Jahrhunderts v. Chr. stark auf Verteidigung ausgerichtet sind.
Ungeachtet seiner Rückschläge setzt Rom seine Expansionspolitik fort und ermöglicht seinen Legionen zu Beginn des 3. Jahrhunderts v. Chr. durch die Einführung einer neuen Taktik in beweglichere Formationen, der Manipularordnung, mehr Flexibilität. Die neu strukturierten Legionen, man spricht auch von Manipularlegionen, werden in je 60 Zenturien eingeteilt und diese paarweise in Manipeln („eine Handvoll“) zusammengefasst. Nach dieser neuen taktischen Grundordnung hat die Legion in drei Schlachtreihen ihre Aufstellung zu nehmen:
HINTERGRUND
Die schlimmsten Niederlagen Roms Schlacht an der Allia (18. Juli 390 v. Chr.) Eine römische Streitmacht, vermutlich zwei Legionen stark, wird von den Kelten unter Brennus vollständig aufgerieben. Hierauf erobern die Kelten Rom. Schlacht bei Aurasio (6. Oktober 105 v. Chr.) Zwei vereinte römische Heere werden am linken Ufer der Rhone von den Kimbern und Teutonen vernichtend geschlagen. Schlacht bei Cannae (2. August 216 v. Chr.) Der karthagische Feldherr Hannibal vernichtet in einer gewaltigen Umfassungsschlacht die mit 16 Legionen seinem eigenen Heer zahlenmäßig weit überlegene römische Armee. Schlacht bei Carrhae (Anfang Juni 53 v. Chr.) Sechs römische Legionen werden von einem Reiterheer der Parther bei Carrhae in Mesopotamien eingeschlossen und vernichtend geschlagen. Schlacht im Teutoburger Wald (September 9 n. Chr.) Drei römische Legionen der Rheinar-
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mee werden von einer germanischen Stammeskoalition unter Führung des Cheruskerfürsten Arminius in einer mehrtägigen Schlacht vernichtet. Schlacht bei Beth Horon (Oktober 66 n. Chr.) Die römische Legion XII Fulminata gerät bei Beth Horon in Galiläa in einen Hinterhalt der jüdischen Widerstandskämpfer. Die Schlacht bei Beth Horon bezeichnet Roms schwerste Niederlage, die es jemals gegen Aufständische hinnehmen musste. Schlacht bei Edessa (Frühsommer 260 n. Chr.) Eine angeblich 70.000 Mann starke römische Armee einschließlich der Prätorianergarde wird unter Kaiser Valerian in Mesopotamien von den Sassaniden vernichtend geschlagen. Schlacht bei Adrianopel (9. August 378) West- und Ostgoten schlagen ein oströmisches Heer unter Kaiser Valens vernichtend. ROMS NEMESIS: Hannibal erteilt den Legionen eine Lektion Abb.: picture-alliance/akg
Die vorderste Linie bilden die Hastaten in zehn Manipeln zu je 120 Mann, die zweite Linie die ebenso gegliederten Principes und die hinterste Linie die Triarier, altgediente Veteranen, in zehn Manipeln zu je 60 Mann. Vor den Hastaten stehen 1.200 leicht bewaffnete Veliten in einer eigenen Kampflinie, womit sich für eine römische Manipularlegion eine Sollstärke von 4.200 Mann ergibt. Außerdem sind jeder Legion 300 Berittene zugeteilt, die man aus den Reihen der wohlhabenden Bürger rekrutiert.
Notwendige Neuerungen An der Gliederung der Manipularlegion ändert sich bis zum Ende des 2. Jahrhundert v. Chr. im Wesentlichen nichts. Die immer weiter weg liegenden Kriegsschauplätze führen dazu, anstelle der festgelegten Jahresfeldzüge eine Dienstzeit zu etablieren. Die Eroberung neuer Provinzen macht die Stationierung ständiger Garnisonen notwendig, was dazu führt, dass viele Legionäre nach einem Feldzug nicht mehr zu ihren Familien zurückkehren können. Doch der Sold ist gering und nicht mehr als eine Kostenerstattung. Daher ist es nicht überraschend, dass gerade die von ihren Höfen getrennten Bauern, die den Großteil der Legionen stellen, eine lange Dienstzeit ablehnen. Als sich das Römische Reich 111 v. Chr. in Nordafrika in einen langwierigen Krieg gegen König Jugurtha verstrickt, finden sich so gut wie keine Rekruten mehr. Unter diesen schwierigen Umständen kommt es ab 104 v. Chr. unter dem Feldherrn Marius zu einer Heeresreform: Die Öffnung der Legion für jeden Freiwilligen mit Bürgerrecht und die Erteilung des begehrten römischen Bürgerrechts an alle italienischen Bundesgenossen südlich des Pos. Die Anwerbung tritt an die Stelle der Aushebung. Durch diese Reformen wird auch die Vereinheitlichung der römischen Legionen in
Blutige Bürgerkriege an einen eigenständigen Truppenkörper, mit der Kohorte als strategischer Untereinheit und „Miniaturausgabe“ der Legion. Einen eigenen, ständigen Kommandanten erhält die Legion auch in dieser Periode nicht. Bis unter Caesar sind es weiterhin Tribune – also meist junge und militärisch unerfahrene Aristokraten. Um eine Stabilisierung der Legionen als eigenständige Truppenkörper zu erreichen, lässt Marius allen Legionen durch die ihnen zugeteilten Ordnungszahlen und
Kraft gesetzt, so dass man die Unterschiede zwischen Hastaten, Principes, Triarier und Veliten vollständig aufhebt und jeder Legionär einheitlich mit Bronzehelm, Kettenpanzer, ovalem Schild, Kurzschwert sowie leichtem und schwerem Wurfspeer ausgestattet ist. Außerdem erhöht man den Sold. Weiterhin entscheidet Marius, dass alle Legionäre fortan auf dem Marsch auch Proviant mitzutragen haben, was sie vom langsamen Gepäcktross unabhängig macht – und ihnen den Spitznamen „Maultiere des Marius“ einbringt. Die bedeutendste Neuerung in der Gliederung ist aber die Einführung der Kohorte, einer flexiblen Einheit zu je drei Manipeln, die auf dem Schlachtfeld ein schablonenfreies Manövrieren ermöglicht. Jede Legion – Sollstärke jetzt 6.000 Mann – bildet von nun
LERNFÄHIG Die Römer sind kein Seefahrervolk. Dennoch gehen sie erfolgreich gegen die Seemacht Karthago und Piraten vor. Auch die Legionen werden stetig verbessert
die Einführung des Adlers als Legionsstandarte eine eigene Identität verleihen. Durch diese Maßnahme fühlen sich die Berufssoldaten, welche allmählich die Mehrheit stellen, eher an ihre Einheit und ihren Kommandeur als an den Staat gebunden. Das römische Berufsheer ist geboren. Doch die Reformen bringen ein Risiko mit sich: Die Masse der römischen Berufssoldaten stammt überwiegend aus den ärmsten Bevölkerungsschichten und hat daher kaum
Einnahmequellen, wenn der Staat ihre Dienste nicht mehr benötigt. Es ist daher nicht überraschend, dass die Nähe des Feldherrn zu seinen Legionären sowie die geteilte Kriegsbeute zu einer engen Bindung zwischen Befehlshaber und Soldaten führt. Da sich die Republik nicht mehr um die Probleme ihrer Soldaten kümmert, sind viele Legionäre bereit, unter ihrem Feldherrn auch gegen andere römische Heere zu kämpfen. Es ist kennzeichnend für die späte Republik, dass die Zeiten der größten Eroberungen zugleich auch die Zeiten immer wiederkehrender Bürgerkriege sind. Die Folge ist der Zusammenbruch der Republik.
Kaiserliche Kürzungen Nach der Eroberung Galliens durch Caesar ist das Römische Reich 20 Jahre lang in einen Bürgerkrieg verstrickt, an dessen Ende 31. v. Chr. Octavian die Alleinherrschaft an sich reißt und 27. v. Chr. unter dem Namen Augustus als erster römischer Kaiser das Prinzipat begründet. Mit dem römischen Kaiser gibt es nun nur noch einen dauerhaften Feldherren für alle Legionen. Nach dem Erringen der Alleinherrschaft kontrolliert Augustus eine beachtliche Armee von 60 Legionen. Vorausschauend erkennt er, dass er aus politiREPUBLIKANISCHE RÖMER: Die mit Rundschilden und Kettenpanzer ausgerüsteten Legionäre kämpfen unter Caesar Abb.: Giuseppe Rava
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Militär und Technik | Die Legionen Roms
„TYPISCHE“ RÖMER: Kaiserzeitliche Legionäre mit rechteckigen Schilden und SchienenAbb.: Giuseppe Rava panzern in Kampfformation
schen und wirtschaftlichen Gründen diese Streitmacht reduzieren muss und behält nach der Entlassung vieler Veteranen, welchen er als Entschädigung Geld und Landbesitz schenkt, nur noch 28 Legionen im aktiven Dienst. Den Erfordernissen der Reichsverteidigung gemäß werden die Legionen größtenteils an den gefährdeten Grenzen des Reiches in Standlagern verteilt. Sie haben in erster Linie Verteidigungsaufgaben zu erfüllen. Die Legion der frühen Kaiserzeit unterscheidet sich nicht nennenswert von jener der späten Republik, außer dass zu Beginn des 1. Jahrhunderts der Schienenpanzer das Kettenhemd als Rüstung allmählich ablöst. Ansonsten ist die Legion nach wie vor in zehn Kohorten gegliedert. Jede Kohorte hat eine Sollstärke von 480 Mann, aufgeteilt in sechs Zenturien zu 80 Mann. Eine Ausnahme bildet allerdings die 1. Kohorte der Legion, die in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts auf 800 Mann erweitert und in fünf Doppelzenturien zu jeweils 160 Mann eingeteilt ist. Jeder Legion sind bis unter Kaiser Vespasian außerdem 120 Legionsreiter als Kundschafter und Meldeboten beigegeben. Dies bringt die Legion auf eine Sollstärke von etwa 5.500 Mann.
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LEGIONÄR
Kaiserzeitlichgallischer Helm mit tiefgezogenem Nackenschirm Für die Kaiserzeit typischer Schienen- oder Gliederplattenpanzer
Das Schwert (Gladius) ist eine Stoßund keine Hiebwaffe
Das rechteckige Schild löst das ovale Scutum der Republik ab
Abb.: picture alliance/dieKLEINERT.de
Das Pilum ist ein Wurfspieß mit Eisenspitze
Die Legionäre verpflichten sich auf eine Dienstzeit von 20 Jahren und können auch danach noch fünf Jahre als Veteranen einberufen werden. Während ihrer Dienstzeit dürfen sie nicht heiraten, erhalten regelmäßigen Sold, Verpflegung, medizinische Versorgung und bei ihrer Entlassung eine hohe Geldprämie oder Landbesitz. Seit Augustus hat jede Legion einen aus dem senatorischen Adel stammenden Legaten als ständigen Kommandanten. Wie zur Zeit der späten Republik rekrutieren sich die Legionen auch im frühen Kaiserreich aus römischen Bürgern, wobei sich das Bürgerrecht nach und nach auch auf die Einwohner der Städte in den Provinzen ausweitet.
Fundamentale Veränderungen In den ersten 200 Jahren des römischen Kaiserreichs stehen die Legionen auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung. War die zweite Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. noch von zahlreichen Eroberungen geprägt, erreicht das Römische Reich unter Kaiser Trajan die größte Ausdehnung. Bis Hadrian beträgt der Sollstand einer Legion 5.600 Mann Infanterie, unter Hadrian wird die Legion wieder mit Kavallerie durch 726 Legionsreiter ergänzt und die Sollstärke der Infanterie auf 6.100 Mann erhöht. Außerdem führt nun jede Legion 10 Katapulte sowie 55 leichte Geschütze, sogenannte Karrenballisten mit sich. Ab Mitte des 3. Jahrhunderts machen die entlang des Limes zuneh-
Die wahren Herren Roms menden Germaneneinfälle sowie die wachsende Bedeutung der Reiterei die bisher typische Kampfweise der schwerfälligen Legionen allmählich obsolet. Um dieser Gefahr entgegenzutreten und um schneller Truppen an jeden Brennpunkt verlegen zu können, zieht Kaiser Gallienus um das Jahr 260 nicht nur die Kavallerie aus der Legion heraus und stellt eine eigene Reiterarmee auf, sondern etabliert auch eine erste mobile Marscharmee. Die Heeresreform Kaiser Diocletians strukturiert die alten Legionen komplett neu
LISTE
Die gefährlichsten Feinde Roms Hannibal (247–183 v. Chr.), karthagischer Feldherr
Sassaniden, Nachfolger der Parther
Kimbern und Teutonen, westgermanische Stämme auf Wanderschaft
Alarich I. (+ 410 n. Chr.), König der Westgoten und Eroberer Roms
Parther, persische Großmacht und Rivale Roms im Mittleren Osten
Attila (+ 453 n. Chr.), Hunnenkönig
Arminius (17 v. Chr.–21 n. Chr.), germanischer Fürst
Geiserich (+ 477 n. Chr. ), König der Vandalen
Die Varusschlacht Vernichtende Niederlage dreier Legionen in Germanien im September des Jahres 9 n. Chr
ABGEZÄHLT Jede Legion hatte eine Nummer, die nach einer Auflösung nicht mehr vergeben wurde. Die in Germanien untergegangen Legionen XVII, XVIII und XIX wurden nie mehr aufgestellt
und erhöht ihre Anzahl auf etwa 60. Dabei setzt er aber ihre Sollstärke stark herab. Die moderne Forschung geht davon aus, dass spätestens ab dem 4. Jahrhundert eine Legion nur mehr 1.000 bis 1.200 Mann umfasst. Im weiteren Verlauf dieser Neuerungen verändert sich auch die Bewaffnung und Rüstung der Legionäre; der schwere Wurfspeer wird zum Beispiel durch die handlichere Stoßlanze und das Kurzschwert durch das Langschwert ersetzt. Die Legionen des spätrömischen Reiches haben somit nur noch wenig mit den Legionen der frühen und hohen Kaiserzeit gemeinsam.
Ausgeblutete Armee Roms langer Krieg gegen das Sassanidenreich sowie die ständigen Bürgerkriege, die nach dem Tod Kaiser Konstantins bis Ende des 4. Jahrhunderts das Reich erschüttern, führen zu einem regelrechten Ausbluten der Legionen. Entstandene Verluste können nicht mehr ausgeglichen werden. Dies führt zu einer allmählichen „Barbarisierung“ des römischen Heeres, da immer mehr germanische Stammesverbände in die Armee eingliedert werden – was wesentlich zum Zerfall der Disziplin beiträgt. Gleichzeitig nimmt die Bedeutung der Reiterei zu. In diesem Zusammenhang ist dann auch der schlagartige Bedeutungsverlust der römischen Legionen nach Ende des 4. Jahrhunderts zu erklären. Die letzten nennenswerten Legionsverbände Westroms kämpfen 451 auf den Katalaunischen Feldern. Im Oströmischen Reich werden die letzten Legionen bis zum frühen 7. Jahrhundert mit dem Übergang zum byzantinischen Heerwesen allmähClausewitz 1/2017
lich aufgelöst. Die Legionen bilden zugleich den Kern und die Elite der römischen Armee und sind die mächtigste Militärmaschinerie der Antike. Ihre Stärke liegt in der Disziplin und Schlagkraft der gut ausgebildeten Soldaten.
Durchaus verwundbar Die Legionen sind nicht nur auf dem Schlachtfeld ein gefürchteter Gegner, sondern gelten auch als Meister der Belagerungstechnik (Alesia 52. V. Chr. oder Masada 73/74 n. Chr.). Doch die Legionen sind auch verwundbar. Gerade im unwegsamen Gelände können sie ihre Kampfformation und Schlagkraft
nicht voll entfalten und erleiden gegen aus dem Hinterhalt heraus kämpfende Gegner schwere Niederlagen. Ein Beispiel hierfür ist die Varusschlacht. Trotz ihrer militärischen Schlagkraft darf aber auf keinen Fall die politische Macht der Legionen vergessen werden. Denn sie sind es, die nach dem Untergang des julisch-claudischen Kaiserhauses 68 n. Chr. immer wieder die Kaiser des Reiches stürzen und neue Herrscher auf den Thron setzen. Die Legionen sind also in gewisser Weise selbst die wahren Herren Roms. Jens Ebert ist Autor und Lokalhistoriker. Seine Schwerpunkte sind die antike und mittelalterliche Geschichte.
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Menschen und Geschichten | Gettysburg/Gods and Generals
BLUTIGER BRUDERKRIEG: Kein anderer Film setzt das traumatische Abschlachten bei Gettysburg (US-Bundesstaat Pennsylvania) so authentisch um wie das Bürgerkriegs-Epos von Regisseur Ronald F. Maxwell. Sein Werk gehört zu den eindrucksvollsten Civil-War-Filmen aller Zeiten Abb.: picture alliance/United Archives/IFTN (2)
Gettysburg und Gods and Generals
Blutige Bürgerkriegs-Saga 1993: Atemberaubende Spannung und hyperrealistische Kampfszenen – Ronald F. Maxwells Monumentalfilm katapultiert den Zuschauer mitten auf das Schlachtfeld von Gettysburg. Und zehn Jahre später folgt die Fortsetzung Von Daniel Carlo Pangerl 58
D
er Bürgerkrieg gehört zu den dramatischsten Episoden der amerikanischen Geschichte. Zwischen 1861 und 1865 toben erbitterte Kämpfe. Am Ende siegen die Nordstaaten (Union) über die Südstaaten (Konföderation). Die staatliche Einheit der USA wiederherzustellen, fordert einen hohen Preis. Insgesamt rund 600.000 Soldaten und Zivilisten verlieren ihr Leben, zahlreiche Landstriche werden verwüstet und mehrere Städte dem Erdboden gleichgemacht. Ausgangspunkt ist ein Streit um die Verfassung vom 17. September 1787: Im Jahr 1861 vertreten elf südliche Bundesstaaten die Ansicht, dass ihnen die Verfassung das Recht verleiht, sich von der Zentralgewalt in Washington abzuspalten (Sezession). Da Präsident Lincoln eine Sezession nicht akzeptiert, kommt es zum Krieg. Anfangs können die Truppen der Konföderation mehrere Erfolge verbuchen. Ihr militärischer Oberbefehlshaber, General Robert E. Lee, drängt auf eine Entscheidungsschlacht, denn er weiß, dass die Nordstaaten hinsichtlich Wirtschaftskraft, Truppenstärke und Ausrüstung überlegen sind. Diese Vorteile seiner Gegner schlagen umso mehr durch, je länger der Krieg dauert. Lee dringt mit seinem Heer tief in das Gebiet der Union vor und nimmt die Hauptstadt Washington ins Visier. Jedoch versperrt ihm die Armee der Nordstaaten bei Gettysburg den Weg. Hier tobt zwischen dem 1. und 3. Juli 1863 das blutigste Gefecht, das je auf US-Boden stattgefunden hat. Am Ende erringt Nordstaaten-General George E. Meade den Sieg über seinen Kontrahenten Lee. Die Todesopfer auf beiden Seiten belaufen sich auf rund 6.000 Mann. In der Folge wendet sich das Blatt zu Ungunsten der Südstaaten. Der Traum von der Unabhängigkeit ist im Pulverdampf untergegangen.
Hollywoods langes Schweigen Angesichts der historischen Bedeutung von Gettysburg ist es erstaunlich, dass es Hollywood jahrzehntelang versäumt, einen Spielfilm darüber zu drehen. Der monumentale Stummfilm Die Geburt einer Nation (1915) zeigt die Schlacht nicht, weil Regisseur David Wark Griffith ein leidenschaftlicher Anhänger der Südstaaten ist. Er möchte diese für die Konföderation verheerende Niederlage dezent übergehen. Dasselbe Motiv dürfte auch auf das Südstaatenepos Vom Winde verweht (1939) zutreffen; dort wird Gettysburg nur auf einer Texttafel kurz erwähnt. Eine Ausnahme ist der 30-minütige Dokumentarfilm Die Schlacht bei Gettysburg von 1955. Regisseur Herman Hoffman dreht mit Unterstützung des US-Innenministeriums am Originalschauplatz. Allerdings gibt es Clausewitz 1/2017
TOP TEN
Die besten Filme 1. Gettysburg (USA 1993, Regisseur: Ronald F. Maxwell) 2. Vom Winde verweht (USA 1939, Regisseur: Victor Fleming) 3. Die Geburt einer Nation (USA 1915, Regisseur: David Wark Griffith) 4. Gods and Generals (USA 2003, Regisseur: Ronald F. Maxwell) 5. The Civil War (USA 1990, Regisseur: Ken Burns) 6. Zwei glorreiche Halunken (Italien 1966, Regisseur: Sergio Leone) 7. Die rote Tapferkeitsmedaille (USA 1951, Regisseur: John Huston) 8. Der Schwarze Falke (USA 1956, Regisseur: John Ford) 9. Der mit dem Wolf tanzt (USA 1990, Regisseur: Kevin Costner) 10. Der Texaner (USA 1976, Regisseur: Clint Eastwood)
keine Spielfilmszenen mit Schauspielern. Stattdessen erklärt ein Erzähler die Handlung, während die Kamera über das Schlachtfeld fährt. Ein gesteigertes Interesse am Amerikanischen Bürgerkrieg weckt 1990 die elfstündige TV-Dokumentation von Regisseur Ken Burns. Die fünfte der insgesamt neun Episoden zeigt auch die Schlacht von Gettysburg. Aber nach wie vor scheut sich die Filmindustrie, die amerikanische Tragödie realistisch zu zeigen.
Mut zum Realismus Umso stärker ist die Pionierarbeit zu würdigen, die Regisseur Ronald F. Maxwell geleistet hat. Maxwell wird 1949 in Clifton, New Jersey, als Sohn eines US-Army-Veteranen geboren. In den 1970er- und 1980er-Jahren inszeniert er mehrere eher belanglose Kinound Fernsehfilme. Aber unbeirrt hält er an seinem Traum fest, ein Lichtspiel über die
MONUMENTAL: Der Stummfilm Die Geburt einer Nation des umstrittenen Regisseurs D. W. Griffith gilt als filmhistorisch außerordentlich wichtiges Werk Abb.: picture alliance/Mary Evans Picture Library
Schlacht von Gettysburg zu drehen. Das Drehbuch schreibt Maxwell selbst. Es basiert auf dem Historienroman The Killer Angels von Michael Shaara, der 1975 den renommierten Pulitzer-Preis gewonnen hat. Die Suche nach Geldgebern gerät jedoch zu einer regelrechten Odyssee. Die hohen Kosten und das finanzielle Risiko schrecken ab. Letztendlich erklärt sich US-Medienunternehmer Ted Turner bereit, das Projekt zu finanzieren. Der fertige Film dauert ganze vier Stunden – damit gehört er zu den längsten LeinwandEpen in der Geschichte Hollywoods. Im Jahr 1993 läuft Gettysburg in den US-amerikanischen Kinos an. Die Besucherzahlen halten sich in Grenzen, was dazu führt, dass der Film in Deutschland keinen Verleih findet. 1994 allerdings erreicht Turner mit der Erstausstrahlung auf seinem Kabelsender TNT über 34 Millionen Zuschauer.
Absolut authentisch Regisseur Maxwell strebt größtmöglichen Realismus an – ein Ziel, welches er mit Bravour meistert. Nach zähen Verhandlungen gelingt es dem Produktionsteam, bei der Verwaltung des National Military Park eine Sondergenehmigung einzuholen. Damit ist Gettysburg der erste Film, der mit Schauspielern auf dem Boden des originalen Schlachtfelds gedreht wird. Eine besondere Herausforderung besteht darin, die gewaltigen Heere glaubwürdig darzustellen. Seit den 1980er-Jahren werden Menschenmassen in
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Menschen und Geschichten Hollywood-Filmen zunehmend am Computer generiert. Eine solche Vorgehensweise kommt für Maxwell aber nicht infrage. Sie ist auch nicht notwendig – denn es melden sich rund 4.000 geschichtsbegeisterte Freiwillige als Statisten, darunter auch Nachfahren von Bürgerkriegs-Veteranen. Die meisten von ihnen haben noch nie vor einer Kamera gestanden; fehlende Erfahrung machen sie mit Idealismus und ungebremster Einsatzfreude wett.
Akribisch recherchiert Ebenso leisten die Kostümbildner und Requisiteure hervorragende Arbeit. Jede einzelne Uniform fertigt man nach historischen Vorbildern an. Stundenlang sitzen die Akteure in der MasSTREITEN FÜR DEN SÜDEN: Auch die Rollen der ke, wo ihnen die für damalige Konföderierten sind in Gettysburg durchweg brillant besetzt. Hinzu kommt ein sensationeller Soundtrack Zeit typischen üppigen Bärte Abb.: picture alliance/United Archives/IFTN angeklebt werden. Die unzähligen Gewehre, Bajonette und Kanonen stammen aus dem Fundus ameri- spieler in Verkleidung zeigt. Die Ähnlichkeikanischer Militärmuseen. Auch bei der Aus- ten sind verblüffend. wahl der Hauptdarsteller achtet Maxwell peZwei Charaktere drücken dem Film ihren nibel darauf, dass sie den echten Figuren Stempel auf: Auf Seiten der Nordstaaten ist möglichst ähnlich sehen. Bereits der Vor- es Colonel Joshua Lawrence Chamberlain – spann des Films versetzt die Zuschauer in ein für den Kriegsdienst beurlaubter Rhetodie Zeit des Krieges hinein: Wir sehen jeweils rikprofessor, der in Gettysburg das 20. Maein Originalfoto der historischen Person und rine-Infanterieregiment kommandiert. Mit anschließend ein nachgestelltes Schwarz- heroischem Einsatz gelingt es Chamberlain, Weiß-Foto, welches den modernen Schau- am zweiten Tag der Schlacht den taktisch
wichtigen Hügel Little Round Top zu verteidigen. Nach dem Krieg gilt er als nationale Ikone und die Bürger seines Heimatstaates Maine wählen ihn viermal hintereinander zum Gouverneur. In der Rolle von Chamberlain liefert Jeff Daniels eine der besten schauspielerischen Leistungen des Films. Auf Seiten der Südstaaten dominiert Lieutenant General James Longstreet. Tom Berenger verkörpert gekonnt diesen wichtigsten Untergebenen von General Lee. Sowohl Chamberlain als auch Longstreet wer-
HINTERGRUND
Bürgerkrieg auf Zelluloid Bereits seit über hundert Jahren dient der Amerikanische Bürgerkrieg als beliebtes Sujet für Historienfilme. Eine besondere Obsession für dieses Thema besitzt der US-Kinopionier David W. Griffith. Er inszeniert insgesamt dreizehn Civil-War-Filme, darunter Die Geburt einer Nation (1915). Dieses umstrittene Epos setzt das Ringen um die Einheit der USA mit spektakulären Spezialeffekten in Szene. Dabei ergreift Griffith klar Partei für die Konföderation. Ein weiterer Meilenstein ist Vom Winde verweht (1939). Die Südstaaten-Saga verwendet den Bürgerkrieg als dramatischen Hintergrund für die Romanze zwischen Scarlett O'Hara und Rhett Butler, dem wohl berühmtesten Liebespaar Hollywoods. Diese frühen Filme sind von der Bewunderung für Amerikas historische Größe und nostalgischen Gefühlen für die untergegangene Südstaaten-Kultur geprägt. Ab den 1950er-Jahren setzt das Western-Genre neue Schwerpunkte: Nun stehen Schlachten und Einzelschicksale im Vordergrund. Ein herausragendes Beispiel für diesen Trend ist Die rote Tapferkeitsmedaille (1951). Der Film schildert die Erlebnisse eines Soldaten bei der Schlacht bei Chancel-
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lorsville 1863. Der letzte Befehl (1959) erzählt die wahre Geschichte eines Trupps von Nordstaaten-Soldaten, die 1863 in das Territorium der Südstaaten vordringen, um dort eine strategisch wichtige Bahnstation zu zerstören. In Zwei glorreiche Halunken (1966), dem wohl besten Italo-Western, geben sich zwei Kopfgeldjäger als Kriegsfreiwillige aus, um nach einem Goldschatz zu suchen. In Der Texaner (1977) verkörpert ActionStar Clint Eastwood einen Südstaaten-Farmer. Als dessen Familie von Guerillakriegern aus den Nordstaaten, sogenannten „Jayhawkers“, getötet wird, nimmt er blutige Rache. Einige Western porträtieren Soldaten, die nach dem Krieg neue Aufgaben suchen: In Der Schwarze Falke (1956) kehrt ein Südstaatenveteran – verkörpert von John Wayne – nach Hause zurück, um seine Nichte aus den Händen eines Indianerstammes zu befreien. Der mit dem Wolf tanzt (1990) handelt von einem Nordstaaten-Offizier, der sich auf einen Außenposten versetzen lässt und dort eine Freundschaft mit den ortsansässigen Indianern aufbaut. In jüngster Zeit widmet sich Hollywood wieder verstärkt Abraham Lincoln: In
DER MIT DEM WOLF TANZT: Der Film mit Kevin Coster als Nordstaatenoffizier schildert in eindrucksvollen Aufnahmen das Leben der Indianer zur Zeit des BürgerAbb.: picture-alliance/dpa krieges Lincoln (2012) entwirft Steven Spielberg eine überlange Biographie des Nordstaaten-Anführers. Aber auch im Fernsehen ist der Civil War porträtiert worden. Unter den vielen Produktionen sticht die elfstündige Dokumentation von Ken Burns (1990) heraus. Durch die Verwendung von rund 16.000 zeitgenössischen Fotografien, Briefen, Zeitungsberichten und Tagebuchaufzeichnungen entsteht eine außergewöhnlich authentische Atmosphäre.
Monumentales Actionspektakel gen über die Yankees kommt für ihn ein Rückzug nicht in Frage. Ronald F. Maxwell stellt mit der Inszenierung dieses dritten Schlachttages alles in den Schatten, was Kriegsfilme aus Hollywood bislang auf der Leinwand gezeigt haben. Ganze 90 Minuten nimmt sich der Regisseur Zeit, um ein schier apokalyptisches Spektakel auf Zelluloid zu bannen. Bereits der Beginn der Attacke ist atemberaubend: Maxwell lässt 40 AUF SEITEN DES NORDENS: Die zentralen Charaktere der Union in Gettysburg – ein Film, der durch hervorragende Schauspieler und eine authentische Ausstattung glänzt Abb.: picture alliance/United Archives/IFTN
den als vorbildliche Patrioten dargestellt, für die Pflichterfüllung über alles geht. Martin Sheen porträtiert Robert E. Lee als charismatischen Anführer und vermittelt dem Zuschauer glaubhaft, weshalb dieser General in den Südstaaten noch heute als Held verehrt wird. Einen wichtigen Beitrag zur Atmosphäre von Gettysburg leistet auch die
den alten Gewehren geriet schon auf 100 Meter Distanz jeder Schuss zu einem Glückstreffer. Mit den neuen Enfield-, Springfield- und Spencer-Gewehren kann man hingegen den Gegner auch aus weiter Entfernung niederstrecken. Dennoch lässt Lee noch in Linearformationen wie in den Napoleonischen Kriegen angreifen. Folglich
„Aber dieser Krieg geht weiter und weiter; und der Preis wird immer höher ... Wir treiben hier in einem Meer von Blut ... Ich möchte, dass dies die entscheidende Schlacht wird!“ General Robert E. Lee in dem Film Gettysburg
Musik von Randy Edelman. Das Spektrum reicht von gefühlvollen pathetischen Klängen bis hin zu martialischen Märschen. Dabei zitiert Edelmann zahlreiche Originalmelodien aus der Zeit des Bürgerkrieges.
Der finale Showdown Höhepunkt des Films ist der dritte Tag der Schlacht. General Lee drängt auf eine Entscheidung, obgleich ihm Longstreet vehement davon abrät. Die Ausgangslage: Zwischen den beiden Fronten befindet sich hügeliges Gelände, welches für schlechte Sichtverhältnisse sorgt. Die Nordstaatler verschanzen sich hinter einer Befestigungslinie. Falls die Truppen der Südstaaten vorstoßen, müssen sie eine Meile ungeschütztes Land durchqueren und sind somit massivem Feindbeschuss ausgeliefert. Nur wenn sie es schaffen, bis zum Zentrum des Gegners vorzudringen, kann der Angriff erfolgreich sein. Was Lee vorhat, erweist sich als waghalsiges Manöver – denn zu dieser Zeit hat sich die Waffentechnik signifikant verändert. Mit Clausewitz 1/2017
drohen seine Soldaten zu lebenden Zielscheiben zu werden. Der Südstaaten-General ist sich bewusst, dass er im Falle einer Niederlage vermutlich den gesamten Krieg verlieren würde. Dennoch befiehlt er den Kampf; nach seiner beeindruckenden Serie von Sie-
historische Kanonen nebeneinanderstellen, die permanent aus vollen Rohren schießen. Noch während der Pulverdampf schwer in der Luft hängt, stürmen rund 1.500 Statisten, eingekleidet in die grauen Südstaatenuniformen, auf das Schlachtfeld.
Verheerender Beschuss Doch schon bald geraten die Soldaten in einen Kugelhagel, den die Nordstaatler aus Kanonen, Kartätschen und Flinten auf sie loslassen. Die Reihen der Südstaatler lichten sich immer mehr; die wenigen, die zum gegnerischen Lager vordringen, reichen nicht aus, um das drohende Schicksal abzuwenden. Schließlich bietet Maxwell dem Zuschauer einen grausigen Anblick: Auf dem Schlachtfeld liegen unzählige Leichen verstreut, der Boden ist mit Blut durchtränkt. General Lee muss sich mit seinen stark dezimierten Truppen zurückziehen. Der Film endet mit einem eindringlichen Bild: Mehrere erschöpfte Kavalleristen der Union reiten in der Abenddämmerung an einer zerfetzten Nordstaaten-Flagge vorbei – Gleichnis für eine zerrissene Nation, die sich ihre Einheit mit hohem Blutzoll erkauft.
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Menschen und Geschichten | Gettysburg/Gods and Generals
EXZELLENTE ERGÄNZUNG: Ein Jahrzehnt nach Gettysburg dreht Maxwell mit Gods and Generals eine Art Vorgeschichte – ebenfalls auf sehr hohem Niveau Abb.: akg-images/Album/Warner Bros./Van Redin
Zehn Jahre nach Gettysburg wagen sich Regisseur Maxwell und Produzent Turner an einen weiteren Bürgerkriegs-Film, der mit drei Stunden Laufzeit ähnlich monumental ausfällt wie sein Vorgänger: Gods and Generals basiert auf dem gleichnamigen Historienroman von 1996. Verfasser ist der Militärschriftsteller Jeff Shaara, Sohn des Gettysburg-Autors Michael Shaara. Maxwells neuer Film ist ein sogenanntes „Prequel“: Er ist keine Fortsetzung im eigentlichen Sinn, weil er die Handlung von Gettysburg nicht weiterführt, sondern ihr einen zusätzlichen Teil der Geschichte voranstellt. Der Film schildert Episoden, die sich zwischen April 1861 und Mai 1863 ereignen.
Zwei filmische Meilensteine Der Zuschauer taucht in eine Phase des Amerikanischen Bürgerkriegs ein, in der das Glück noch auf Seiten der Südstaaten ist. Im Zentrum stehen drei Militärs: General Lee, der 1861 das Kommando über die Nord-Virginia-Armee übernimmt, sodann General Thomas Jonathan Jackson, Lees engster Vertrauter, und schließlich auf Seiten der Union Colonel Joshua Lawrence Chamberlain. Wie bereits in Gettysburg wird Chamberlain von Jeff Daniels verkörpert. Für General Lee engagiert man mit Robert Duvall einen neuen PIONIER: Regisseur Ronald F. Maxwell ist der Erste, der sich an das schwierige Sujet „Gettysburg als Spielfilm” wagt Abb.: akg-images/Album/Warner Bros./Van Redin
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Schauspieler, der diese Rolle aber ebenso überzeugend darstellt wie zuvor Martin Sheen. Dreh- und Angelpunkt des Films ist die Figur des General Jackson: Stephen Lang porträtiert ihn als bärenstarken Haudegen, der nicht umsonst den Spitznamen „Stonewall Jackson“ trägt. Gods and Generals zeigt drei Schlachten, die alle auf dem Boden des KonföderiertenStaates Virginia stattfinden. Am 21. Juli
groß ist, gelingt General Lee erneut ein triumphaler Sieg. Regisseur Maxwell inszeniert diese drei Schlachten auf spektakuläre Weise. Allerdings zwingt das vorhandene Budget zur Sparsamkeit: Da die Zahl der angeheuerten Statisten diesmal geringer ausfällt als im Vorgängerfilm Gettysburg, müssen einzelne Truppenkontingente per Computersimulation erschaffen werden. Diese Manipulationen
„Ich hätte nie gedacht, dass ich den Tag sehen würde, an dem der Präsident der Vereinigten Staaten eine Armee aufstellt, um in sein eigenes Land einzumarschieren.“ General Robert E. Lee in dem Film Gods and Generals
1861 findet bei Manassas das erste große Gefecht des Civil War statt: Der Sieg der Konföderation durchkreuzt Lincolns Strategie, die Südstaaten mit einer Attacke auf Virginias Hauptstadt Richmond rasch zu unterwerfen. Die zweite Schlacht tobt vom 11. bis 15. Dezember 1862 bei Fredericksburg: General Robert Lee schafft es, den Vormarsch des Union-Generals Ambrose E. Burnside nach Richmond zu stoppen. Zwischen dem 1. und 4. Mai 1863 kommt es in Chancellorsville, 16 Kilometer westlich von Fredericksburg, zu einem weiteren Gefecht. Obwohl die Heeresstärke des Union-Generals Joseph Hooker doppelt so
schmälern jedoch nur geringfügig den hervorragenden Gesamteindruck von Gods and Generals. Gettysburg und Gods and Generals zählen zu den besten Filmen, die je über den Amerikanischen Bürgerkrieg gedreht worden sind. Obgleich zwischen beiden Produktionen ein ganzes Jahrzehnt liegt, wirken sie wie aus einem Guss. Die Filme brillieren nicht nur durch atemberaubende Gefechte, sondern auch durch eine außergewöhnlich präzise Präsentation der historischen Fakten. Egal ob Schlachtenformationen, Waffen, Uniformen oder Fahnen – alle Details sind absolut authentisch. Wer sich auf die epische Laufzeit einlässt, kann sich auf sieben spannende Geschichtsstunden freuen. Dr. Daniel Carlo Pangerl, Jg. 1983, ist Historiker und Kulturwissenschaftler aus Starnberg.
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Meinung
Die Rückkehr des Imperialismus
Make Turkey great again! S tellen Sie sich vor, Sie sind am Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Schiff an einer Küste unterwegs, wissen aber nicht so recht, wer hier gerade das Sagen hat. Um das herauszufinden, gibt es eine verblüffend einfache Methode: Sie tauchen einfach den Finger ins Wasser, probieren einmal und wenn es salzig schmeckt, können Sie davon ausgehen, dass Sie sich in britischen Hoheitsgewässern befinden. Diese „Methode“ geht auf eine zeitgenössische Redewendung zurück („tastes salty, must be british“), mit der die Briten augenzwinkernd auf die Tatsache aufmerksam machten, dass ihnen vor gut 100 Jahren der größte Teil des Erdballs gehörte. Heute bezeichnen wir diese Phase als „Imperialismus“, doch was heißt das eigentlich? Der Imperialismus beschreibt kurz gesagt die Fähigkeit, jenseits der eigenen Landesgrenzen Kontrolle oder Herrschaft auszuüben. Sei es nun in Gestalt von kolonialer Herrschaft (britischer Imperialismus), wirtschaftlicher Kontrolle (Dollar-Imperialismus), politischer Kontrolle (Sowjet-Imperialismus) oder in Form von direkter Herrschaft.
strategisches Vorfeld Stück für Stück erweitert. Längst hat er dabei stillschweigend akzeptiert, dass die Krim fortan zur Russischen Föderation gehört – und über die Intervention in Georgien spricht schon niemand mehr. So nimmt es nicht Wunder, dass die baltischen Staaten der Zukunft entgegenzittern, gleichwohl die NATO dort Soldaten stationiert hat. Eine bemerkenswerte Geste übrigens, wenn man bedenkt, dass Hitler vor „Barbarossa“ Stalin auf genau die gleiche Weise eine rote Linie aufzeigte, indem er Truppen nach Rumänien schickte.
Osmanisches Reich 2.0?
Der zweite Spieler ist die Türkei, die deutlich gemacht hat, dass sie den Vertrag von Lausanne möglicherweise revidieren möchte. Das Abkommen von 1923 war sozusagen der Todesstoß für das alte Osmanische Reich und legte die Grenzen des modernen türkischen Staates fest, wie wir ihn heute kennen. Auffällig sind die Gemeinsamkeiten beider Länder. So gehören sowohl Russland als auch die Türkei zu den großen Verlierern des 20. Jahrhunderts, traumatisiert durch den Zusammenbruch ihrer einst großen ImpeNichts außer Schulden rien. Ferner legten beide Länder in den verNun sah es eine ganze Weile so aus, als ob die gangenen 10 bis 20 Jahren eine verblüffende Menschheit den Imperialismus auf der Müll- Aufholjagd hin, die ihnen wieder Zugang halde der Geschichte entsorgt hätte. So kolla- zum Konzert der Mächte verschaffte. Dritbierten zunächst die Kolonialreiche, ehe tens können wir einen zunehmend autoritäschließlich auch das Sowjetsystem unter der ren Regierungsstil beobachten, denn sowohl Last seiner eigenen Unfähigkeit zusammen- Putin als auch Erdogan schalteten die Oppobrach. Und mit der Wahl von Donald Trump sition zunächst aus und die Presse gleich. Ein großer Unterzum US-Präsidenten setschied besteht freilich in zen die Amerikaner den Das Abkommen von 1923 den Möglichkeiten, die Trend fort, der sich schon diese Länder im Hinunter Barack Obama war der Todesstoß blick auf Militär und deutlich abgezeichnet für das alte Wirtschaft haben. Es hat, nämlich die Absicht, Osmanische Reich mag sein, dass sich Erdas US-Engagement zu dogan für eine Art Süverringen. Haben doch die Amerikaner mit ihren Interventionen leyman den Prächtigen hält, doch in der Reahäufig genau das Gegenteil von dem erreicht, lität reicht es kaum für Selim Agha, der kuwas sie eigentlich beabsichtigt hatten wie et- riosen Karl-May-Figur. Gefährlich wird es allerdings dann, wenn wa auf Kuba oder im Iran. Und außer einem gewaltigen Schuldenberg ist von diesen Ver- die USA den Nahen Osten tatsächlich aufgesuchen, Kontrolle und Herrschaft in anderen ben sollten, so dass für Erdogan kein Grund Teilen der Welt auszuüben, nichts geblieben. mehr besteht, auf die NATO zu setzen. Nach Doch nun ist er scheinbar wieder aufer- Jahrhunderten der Feindschaft wäre es nichts standen, der Imperialismus, und er hat vor anderes als eine geopolitische Sensation, allem eines: Hunger. Hilflos und erstaunt wenn sich die Türkei und Russland verstänsieht der Westen dabei zu, wie Russland sein digen würden, um ihre geostrategischen ZieClausewitz 1/2017
ZÜNDSTOFF: Der Präsident Nordzyperns, Rauf Denktas, erinnert 2005 an den Vertrag von Lausanne Abb.: picture-alliance/ dpa/dpaweb
le zu erreichen. Die neuen Bundesgenossen würden dabei in ein Machtvakuum vorstoßen, dass einerseits die USA, andererseits aber auch Europa, das extrem mit sich selbst beschäftigt ist, hinterlassen haben. Um den Imperialismus zu verstehen, muss man sich über eines im Klaren sein: Er ist weniger das Resultat von Aufrüstung und Großmannssucht, sondern von genau dem Gegenteil. Es ist die Schwäche, die andere, potentere Mächte zum Schritt über die Grenzen provoziert. Auf diese Weise klaubte schon Großbritannien sein Empire zusammen, als es etwa die Konkursmasse der maroden indischen Fürstentümer übernahm. Deutschland ist mittlerweile die Führungsrolle in der EU zugefallen, doch verhält es sich eher wie ein Eichhörnchen, das sich vor seinem eigenen Schwanz erschrickt. Stolz verkündet nebenbei die Verteidigungsministerin, dass es mittlerweile Kitas in den Kasernen gibt, doch einen Generalstab hat die Bundeswehr immer noch nicht, während der Verteidigungsetat bedenklich niedrig bleibt. Wir können nur hoffen, dass die EU sich ihrer neuen Aufgabe als Gestalter möglichst bald bewusst wird. Stefan Krüger, JG 1982, ist Historiker aus Rüdesheim.
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Kriege, Krisen und Konflikte FAMILIENZWIST: In den Rosenkriegen streiten die miteinander verwandten Adelshäuser York und Lancaster um einen prestigeträchtigen Preis – die englische Krone. Der drei Jahrzehnte andauernde Konflikt mit seinen zahlreichen Bündnissen sollte Englands Geschichte nachAbb.: Guiseppe Rava haltig prägen
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Die Rosenkriege
Kampf um Englands
KRONE
15. Jahrhundert: Erbittert streiten die beiden Adelshäuser York und Lancaster um die Vorherrschaft in England. Es ist ein komplexer, politisch aufgeladener Kampf, der das Land langfristig prägen wird Von Robert Riemer HAUS LANCASTER
Heinrich VII., König von England (1457–1509) Heinrich VII. folgt im Jahr 1485 Eduards Bruder Richard III. auf dem englischen Thron nach. Da er mit dem Haus Lancaster verwandt ist, kann sich dieses letztlich in den Rosenkriegen durchsetzen. Zugleich begründet er damit die Tudor-Herrschaft, die sein bis heute berühmter Sohn Heinrich VIII. fortführt und die unter seiner Enkelin Elisabeth I. 1603 endet. Der Sieger von Bosworth nutzt die ersten Jahre seiner Regierungszeit, um die letzten Thronanwärter aus dem Hause York zu neutralisieren und den englischen Adel insgesamt zu schwächen. Mit der Hochzeit mit Elisabeth von York gelingt ihm die Vereinigung der beiden verfeindeten Häuser. Seine auf Frieden und Wohlstand ausgerichtete Politik sorgt für gesunde Staatsfinanzen, wobei er mit dem massiven Ausbau der Flotte die Basis für die künftige englische Seemacht und das Kolonialreich legt.
rere, sich über drei Jahrzehnte erstreckende Konflikte – datieren in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts und dauern mit einigen Unterbrechungen von 1455 bis 1485. Zwei Jahre vor Beginn der dynastischen, innerenglischen
Abb.: picture alliance/Mary Evans Picture Library
HAUS YORK
Eduard IV., König von England (1442–1483) Eduard regiert zweimal als englischer König, einmal von 1461 bis 1470 und nochmals von 1471 bis 1483. Die Familienverhältnisse, aus denen das Haus York gleichwohl zu Recht die eigenen Thronansprüche ableitet, sind kompliziert. Der Vater Eduards – Richard Plantagenet – fällt in der Schlacht von Wakefield, ist jedoch zuvor von König Heinrich VI. als dessen Thronerbe anerkannt worden. Darauf beruft sich Eduard, der zugleich die Führung des Hauses York übernimmt und nach überzeugenden Siegen bei Mortimer's Cross und Towton den Thron besteigt. Neben den innerenglischen Auseinandersetzungen ist Eduard auch außenpolitisch aktiv. Mit seinem Schwager Karl dem Kühnen, letzter Herzog von Burgund und Schwiegervater des künftigen deutschen Kaisers Maximilian I., geht er gegen Frankreich vor, um die englischen Restbesitzungen auf dem Kontinent zu sichern. Das Bündnis mit der Hanse und den Niederländern sowie finanzielles Geschick und geregelte Steuereinnahmen verschaffen der Krone ein stattliches Einkommen.
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Auseinandersetzungen endet der Hundertjährige Krieg Englands gegen Frankreich (1337–1453). Ebenfalls 1453 erobern die Osmanen Konstantinopel, womit das Oströmische Reich (Byzanz) untergeht. Weit im Westen Europas, genauer auf der iberischen Halbinsel, steht die Reconquista – die Rückeroberung der Halbinsel von den Muslimen – kurz vor dem Abschluss. Während die spanischen Könige noch in diesen Kämpfen gebunden sind, expandieren die Portugiesen bereits weit über die europäischen Grenzen hinaus auf der Suche nach einem Seeweg nach Indien. Zwei Jahre nach dem Ende der Rosenkriege wird Bartolomeu Dias für die Portugiesen das Kap der Guten Hoffnung erreichen, wiederum fünf Jahre danach Christopher Kolumbus in spanischem Auftrag die Neue Welt.
Verworrene Familienfehde Erstaunlich – aber mit Blick auf die scheinbar ewigen Konflikte mit Frankreich zugleich plausibel – ist der lange Vorlauf dieses Krieges, bevor es zu ersten Kämpfen kommt. Denn bereits im Jahr 1399, also fünfeinhalb
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Abb.: picture-alliance/dpa
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er beim Thema „Rosenkrieg“ nicht gerade an eine „schmutzige“ Scheidung zweier Eheleute denkt, nimmt vielleicht an, dass es sich um eine Auseinandersetzung zwischen Gartennachbarn oder Rosenzüchtern um die zweifellos bedeutende Frage handelt, wer denn die schönste Rose sein eigen nennt. In der spätmittelalterlichen englischen Geschichte bezeichnet das Wort jedoch den Großkonflikt zwischen den miteinander verwandten Adelshäusern York (dessen Symbol eine weiße Rose ist) und Lancaster (rote Rose) um die englische Königskrone. Beide Geschlechter gehören zum Haus Anjou-Plantagenêt und gehen jeweils auf König Eduard III. von England und Wales zurück (1312–1377), der fünf Jahrzehnte lang regierte und als einer der herausragenden englischen Herrscher im Mittelalter gilt. Die Rosenkriege selbst – es handelt sich um meh-
Kriege, Krisen und Konflikte | Die Rosenkriege
KAMPF UM DIE KRONE: Bei der Schlacht von Wakefield (1460) fügen die Lancastrianer unter Margarete von Anjou den Yorkisten unter Richard Plantagenet eine vernichtende Niederlage zu. Der Duke stirbt in den Kämpfen Abb.: akg-images/Osprey Publishing/English Medieval Knight 1400-1500/raham Turner
Jahrzehnte vor der Ersten Schlacht von St Albans, geraten die zu diesem Zeitpunkt eng miteinander verwandten Häuser York und Lancaster aneinander. Nach dem man König Richard II. abgesetzt hat, besteigt dessen Cousin als Heinrich IV. (beide sind Enkel Eduards III.) den englischen Thron und begründet das Haus Lancaster. Heinrichs eigener Enkel ist im Jahr 1422 ganze acht Monate alt, als er als Heinrich VI. seinen verstorbenen Vater beerbt. Richard Plantagenet (auch Richard von York), der bedeutendste Untertan des jungen Königs, nutzt die Schwäche Heinrichs nach dem Ende des Hundertjährigen Krieges 1453 aus, um – wie andere Adelige auch – die eigene
Position zu stärken und seinen Besitz zu erweitern.
Rettungslos überschuldet Während Edmund Beaufort zusammen mit Heinrichs Ehefrau Margarete von Anjou die Regierungsgeschäfte fortführt, sammelt Richard die Opposition um sich, um Beaufort, den Herzog von Somerset, zu verdrängen. Der Grund dafür liegt in der prekären finanziellen Lage der Krone am Ende des Hundertjährigen Krieges, denn Heinrich VI. ist bei den Yorks und den Somersets hoch verschuldet, kann aber nicht beide Seiten ausbezahlen. Innerhalb weniger Monate beschleunigen sich die Ereignisse rasant: Heinrich ist nerv-
lich angeschlagen; seine Geisteskrankheit ermöglicht Richard von York, dem Führer der Opposition gegen den König und zugleich einem potenziellen Thronerben des bisher kinderlosen Heinrich, das Amt des Lordprotektors (Regent) zu übernehmen. Die Geburt von Heinrichs Sohn Eduard, dem späteren König Eduard IV., bedroht die Ansprüche Richards auf den Thron, zumal das Haus Lancaster zusammen mit Königin Margarete bereits 1455 den Rückzug Richards aus dem Amt des Lordprotektors erzwingt. Richard von York marschiert daraufhin, unterstützt von seinem wichtigsten Verbündeten, Richard Neville (Graf von Warwick und Oberbefehlshaber der Truppen im damals noch
CHRONOLOGIE 22.5.1455: Erste Schlacht von St Albans (Sieger: York). Edmund Beaufort, 2. Herzog von Somerset und aus dem Haus Lancaster stammend, fällt; König Heinrich VI. (eine Ururenkel Eduards III.) wird gefangengenommen 23.9.1459: Schlacht von Blore Heath (Sieger: York)
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12.10.1459: Schlacht von Ludford Bridge (Sieger: Lancaster). Richard Plantagenet (Richard von York, ein Urenkel Eduards III.) und Heinrich VI. treffen direkt aufeinander 10.7.1460: Schlacht von Northampton (Sieger: York) 30.12.1460: Schlacht von Wakefield
(Sieger: Lancaster). Richard Plantagenet fällt, sein Sohn Eduard übernimmt als Oberhaupt des Hauses York; das Heer des Hauses Lancaster führen Königin Margarete von Anjou und Heinrich Beaufort, 3. Herzog von Somerset, Sohn von Edmund Beaufort 2.2.1461: Schlacht bei Mortimer's Cross
(Sieger: York) 22.2.1461: Zweite Schlacht von St Albans (Sieger: Lancaster) 28.3.1461: Schlacht bei Ferrybridge (unentschieden) 29.3.1461: Schlacht bei Towton (Sieger: York)
Ausdauerndes Ringen um den Thron KARTE
England zur Zeit der Rosenkriege
mittelbare Übernahme des Thrones gelingt nicht, doch muss Heinrich VI. seinen Gegner Richard von York zuungunsten seines eigenen Sohnes als Thronfolger anerkennen. Da die Truppen des Hauses Lancaster – nunmehr unter dem Kommando der Königin Margarete und Heinrich Beauforts stehend – noch nicht endgültig zerschlagen sind, zieht Richard von York von London aus nach Norden. Zwar fällt Richard Ende 1460 in der Schlacht von Wakefield, doch nun ist der Weg frei für seinen Sohn Eduard, der im Frühjahr 1461 mehrere Siege feiern kann, die in seiner Krönung als Eduard IV. Ende Juni gipfeln. Das vorerst geschlagene Haus Lancaster erhält Hilfe von Jasper Tudor, Graf von Pembroke und Halbruder Heinrichs VI., der nach einem Sieg in der Zweiten Schlacht bei St Albans im Februar 1461 (noch bevor Eduard IV. den Thron besteigt) zumindest König Heinrich VI. befreien kann. Doch das kann die im März folgende schwere Niederlage von Towton nicht ausgleichen, als die Yorkis-
KRIEGSGEWINNER Die Tudors stellten nach den Rosenkriegen die englischen Könige (bis 1603). Ihnen entstammen so bekannte Herrscher wie Heinrich VIII. und Elizabeth I.
ten unter Eduard nach großen Verlusten auf beiden Seiten siegen, das Haus York sich damit vorerst den Thron sichert und Heinrich und Margarete nach Schottland fliehen.
Das Bündnis zerfällt
Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich
englischen Calais), mit einem Heer in Richtung London und stellt die königlich-lancasterschen Truppen unter Edmund Beaufort Ende Mai 1455 in der Ersten Schlacht bei St Albans. Deren Ergebnis ist ein deutlicher Sieg des Hauses York: Beaufort fällt und König Heinrich VI. gerät in Gefangenschaft. Der zum Lord Lieutenant von Irland (Repräsentant der englischen Krone in Irland)
25.4.1461: Schlacht von Hedgeley Moor (Sieger: York) 28.6.1461: Krönung Eduards IV. 15.4.1464: Schlacht von Hexham (Sieger: York). Heinrich Beaufort fällt 26.7.1469: Schlacht von Edgecote Moor (Sieger: George, Herzog von Clarence, und Richard Neville, Graf von Warwick).
Clausewitz 1/2017
avancierte Richard von York liefert sich in den kommenden vier Jahren politische Auseinandersetzungen mit Königin Margarete, bevor 1459 die Kämpfe erneut aufflammen. Die Niederlage der Yorkisten bei Ludford Bridge 1459 zwingt Richard von York, dessen Söhne und Richard Neville zur Flucht außer Landes, doch kehren sie im folgenden Jahr siegreich nach England zurück. Eine un-
Es handelt sich um eine Auseinandersetzung innerhalb des Hauses York, bei der George – ein jüngerer Bruder Eduards IV. – zusammen mit dem „Königsmacher“ Richard Neville den König gefangennehmen kann; Eduard IV. wird einige Monate später von seinem jüngsten Bruder und späteren englischen König, Richard III., befreit
Politische Unstimmigkeiten zwischen Eduard IV. und Richard Neville sorgen für Streit innerhalb des yorckschen Lagers, da sich letzterer eng an Frankreich binden möchte, während der König ein Bündnis mit Frankreichs Gegner Burgund favorisiert. Im Jahr 1469 brechen offene Kämpfe zwischen den einstigen Verbündeten aus, in denen Richard Neville den jüngeren Bruder Eduards, George, auf seine Seite ziehen kann.
12.3.1470: Schlacht von Losecote Field (Sieger: York). Eduard IV. und Richard Neville treffen direkt aufeinander 14.4.1471: Schlacht von Barnet (Sieger: York). Eduard IV. gewinnt glücklich, sein Gegner Richard Neville fällt 4.5.1471: Schlacht von Tewkesbury (Sie-
ger: York). Eduard IV. besiegt entscheidend Margarete von Anjou und Edmund Beaufort, 4. Herzog von Somerset; Edmund stirbt zwei Tage später – und mit ihm das Haus Beaufort 9.4.1483/6.7.1483: Eduard IV. stirbt; sein jüngerer Bruder wird als Richard III. gekrönt
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Kriege, Krisen und Konflikte | Die Rosenkriege
Der größte Erfolg der Königsgegner besteht in der Gefangennahme Eduards, der jedoch von seinem jüngsten Bruder Richard befreit wird. Richard Neville flieht Richtung Calais, kehrt aber als Verbündeter der im französischen Exil weilenden Margarete und des Hauses Lancaster zurück. Eduard IV. muss 1470 vorübergehend seinen Thron aufgeben, auf dem Richard Neville erneut den aus dem Tower in London befreiten Heinrich VI. setzt. Im Frühjahr 1471 ist der Traum aber ausgeträumt – Eduard kehrt mit einem burgundischen Heer nach England zurück und kann in der Schlacht von Barnet Richard Neville besiegen. Ein weiterer Erfolg in der Schlacht von Tewkesbury beseitigt den in
dieser zweiten Phase der Rosenkriege letzten Widerstand des Hauses Lancaster; Heinrich VI. und sein Sohn sterben. Einziger verbliebener lancasterscher Thronprätendent ist Heinrich Tudor, Neffe Jasper Tudors, der vorläufig in der Bretagne in Sicherheit ist. Nach mehr als einem Jahrzehnt Frieden und wirtschaftlicher Prosperität stirbt Eduard IV. und wird von seinem erst zwölf Jahre alten Sohn Eduard V. beerbt. Doch dieser kann sich gegen seinen Onkel nicht durchsetzen, der als Richard III. den Thron besteigt. Diese kurze dritte Phase der Rosenkriege ist vom wachsenden Misstrauen von Richards Verbündeten ihm gegenüber geprägt, da sie ihn verdächtigen, die Ermordung seiner Neffen als potentielle Thronkonkurrenten angeordnet zu haben. Der erstarkende Heinrich Tudor landet schließlich 1485 in England und besiegt Richard in der Schlacht von Bosworth Field. Der Tod des Königs in Bosworth Field beendet die Rosenkriege und ermöglicht Heinrich den Griff nach der Krone – Heinrich VII. ist der erste König der bis 1603 regierenden Tudors. Er versucht, die Häuser York und Lancaster über seine Heirat mit Elisabeth von York, der Tochter Eduards IV., miteinander zu versöhnen, muss sich aber in den nächsten eineinhalb Jahrzehnten gegen weitere potenzielle Konkurrenten zur Wehr setzen. 1487 kämpft er erneut, dieses Mal gegen den Hochstapler Lambert Simnel, der sich als Neffe der inzwischen verstorbenen Könige Eduard IV. und Richard III. ausgibt. Heinrich besiegt Simnel und den mit ihm verbündeten und von Richard III. zu seinem Nachfolger bestimmten John de la Pole im Juni 1487 in der Schlacht von Stoke. De la Pole fällt, doch Simnel überlebt – und wird Küchenhilfe und später Falkner am königlichen Hof in London.
SOLDATEN DES SPÄTMITTELALTERS: Nach zeitgenössischen Vorlagen entstanden diese Zeichnungen eines Soldaten Heinrichs VI. (links) und eines Bogenschützen des 15. Jahrhunderts Abb.: picture alliance/akgimages (2)
nologie der Schlachten verrät, dass sich zirka eineinhalb Dutzend Schlachten auf 30 Jahre verteilen, ganz grob also von einer Schlacht alle zwei Jahre gesprochen werden kann. Ein weiterer Blick auf die jeweiligen Sieger offenbart zudem Erstaunliches: Das Haus York
Rosenkriege – ein Resümee Ein neues oder auslaufendes Modell ist der Kampf um einen Thron im 15. Jahrhundert nicht. Im Gegenteil: Thronkämpfe finden sich ebenso bereits im Alten Ägypten wie auch in den Jahrhunderten nach den Rosenkriegen. Ungewöhnlich ist an dieser Stelle allenfalls die Dauer, wenngleich der Blick in die Chro-
CHRONOLOGIE 22.8.1485: Schlacht von Bosworth (Sieger: Lancaster). Richard III. fällt bei diesem entscheidenden Sieg, dessen Befehlshaber Heinrich Tudor unmittelbar als Heinrich VII. englischer König wird; ausschlaggebend war der Seitenwechsel des Hauses Stanley, vertreten durch Thomas Stanley, 1. Graf von Derby und Schwager von Richard Neville, der sich auf die Seite Lancasters schlug
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16.6.1487: Schlacht von Stoke (Sieger: Lancaster). Der inzwischen mit Elisabeth von York (die Tochter und Nichte der mittlerweile verstorbenen Könige Eduard IV. und Richard III.) verheiratete Heinrich VII. schlägt die letzten widerständigen Mitglieder des Hauses York beziehungsweise dessen verbliebenen Unterstützer (John de la Pole, 1. Graf von Lincoln; Enkel Richard
Plantagenets, Neffe von Eduards IV. und Richards III., Cousin der Königin Elisabeth) 28.11.1499: Heinrich VII. lässt den von ihm gefangengehaltenen Eduard Plantagenet, 17. Graf von Warwick (Neffe der Königin Elisabeth und Enkel von Richard Neville) aus Furcht vor kommenden Thronansprüchen hinrichten
liegt deutlich vorn, was die Anzahl der Siege betrifft; diese Dynastie schafft es auch tatsächlich, zwischenzeitlich den englischen Thron zu übernehmen, doch letztlich kann sich das Haus Lancaster behaupten. Möglich wird dies durch wechselnde Interessen und entsprechende Allianzen, bei denen die familiäre Zugehörigkeit weniger stark Einfluss
Reichtum für den Regenten
Grund, auf das Mittel des Krieges zu verzichten, um politische Probleme zu lösen und Machtansprüche durchzusetzen. Dr. Robert Riemer forscht und lehrt an der Universität Greifswald. Außerdem unterrichtet er an den Offiziersschulen in Dresden und Fürstenfeldbruck.
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Abb.: picture alliance/Heritage Images
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AUSSTERBENDE SPEZIES: Ritter spielen im Spätmittelalter auf den Schlachtfeldern eine immer geringere Rolle. Im Gegenzug wächst (wieder) der Kampfwert der Infanterie. Szene aus dem Hundertjährigen Krieg
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Die Rosenkriege sind ein durchaus typisches Beispiel für spätmittelalterliche Kriege. Sie dauern drei Jahrzehnte an, werden aber immer wieder von langen Phasen der Regeneration unterbrochen. So gibt es keine Front im Sinne der Kriegsführung etwa in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, sondern mal mehr, mal weniger dicht aufeinanderfolgende Einzelschlachten. Diese sind für gewöhnlich nach einem Tag zu Ende und datieren meist in die vom Wetter her geeignetere Jahreshälfte von Frühjahr bis Herbst. Die Ritterheere bestehen aus den Adligen zu Pferde, die von Fußtruppen unterstützt werden – berühmt sind etwa die englischen Langbogenschützen, die sich aus dem dritten Stand rekrutieren. Diese Heere sind den reinen Ritterheeren, wie sie die Franzosen im Hundertjährigen Krieg nutzen, deutlich überlegen. Die übliche Ausrüstung eines Ritters besteht aus Kettenhemd, Plattenpanzer und Helm sowie Schild, Lanze, Schwert und zur Ergänzung weitere Handwaffen wie Streitaxt und Kriegshammer. Die nicht berittenen, nicht adeligen Infanteristen sind nur leicht gepanzert und tragen neben Handwaffen zum Selbstschutz im Nahbereich die bereits genannten Bögen oder auch Armbrüste. Sie repräsentieren eine am Beginn der Neuzeit aufkommende Änderung des Kampfes, der die adeligen Ritter als Kernbestandteil der bisherigen Heere obsolet macht. Der Schwerpunkt verlagert sich zu den – taktisch teilweise kunstvoll agierenden – Infanteristen, die entweder in „wilden“ Haufen (Eidgenossen) oder strenger Ordnung (spanischer Tercio) kämpfen.
Die Folgen der Rosenkriege sind gleichwohl bemerkenswert, lassen sich doch die historischen Entwicklungen Englands der nächsten Jahrzehnte mit dem Ausgang dieser Konflikte erklären. Die Epoche der Tudors, mit der England in der Neuzeit ankommt und in die etwa die englische Reformation und die damit verbundene Entstehung der anglikanischen Kirche fällt, gilt in Teilen als ein goldenes Zeitalter: Mit dem Namen der in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts regierenden Elisabeth I. – der Enkelin Heinrichs VII., dem Sieger der Rosenkriege – sind untrennbar Namen wie William Shakespeare, Francis Drake und Francis Bacon verbunden. Trotz der personellen Verluste, inklusive des Aussterbens adeliger Dynastien, bleibt England von einer Entwicklung, wie sie in den Niederlanden im 16. und 17. Jahrhundert zu beobachten ist, verschont, wo aufgrund diverser Auseinandersetzungen lediglich nur noch eine Handvoll adeliger Familien überleben. Die sich letztlich über drei Jahrzehnte erstreckenden Rosenkriege sind auch für spätere Generationen in England kein
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Krieg im Spätmittelalter
Das große „Adelssterben“?
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HINTERGRUND
Doch während im Reich der Kaiser mehr und mehr ein Monarch von Gnaden der Stände ist und im finanziell unattraktiven Amt immer weniger reale Macht ausübt, ist der englische Monarch nicht nur Repräsentant. Die Beispiele Eduards IV. und Heinrichs VII. zeigen eindrücklich, dass das Amt in England neben dem Prestige auch einen ordentlichen finanziellen Gewinn für die eigene Dynastie bedeuten kann.
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nimmt als dies oberflächlich betrachtet der Fall zu sein scheint. Auf die an mehreren Stellen benannten Verwandtschaftsverhältnisse als Hinweis auf eine Parteienzugehörigkeit ist nur eingeschränkt Verlass, was sicherlich auch damit zusammenhängt, dass die adeligen Hauptprotagonisten letztlich alle miteinander verwandt sind – es handelt sich um zwei sich verwandtschaftlich im Laufe der Jahrzehnte auseinanderdividierende Dynastien, die sich auf den bereits erwähnten König Eduard III. im 14. Jahrhundert als gemeinsamen Vorfahr beziehen. Sollte man Deutschland in dieser Zeit als monarchisches System zu einem Vergleich mit England heranziehen, kann eine berechtigte Frage lauten, wieso das Erringen der Krone überhaupt erstrebenswert sein sollte.
Neu am Kiosk | Clausewitz Spezial/Militär & Geschichte
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Egentlich hätte es das Afrikakorps nie geben dürfen. Gehörte doch der Wüstenschauplatz eindeutig zum Operationsbereich der Italiener. Als diese jedoch vor einer vollständigen Niederlage standen, entsandte Hitler das ursprünglich „Sperrverband“ genannte Korps. Kaum in Afrika eingetroffen, trat es rasch zu einer atemberaubenden Offensive an, die das britische Weltreich ins Wanken bringen sollte. Clausewitz hat es sich zur Aufgabe gemacht, den staubigen Weg der einzigen deutschen Wüstenarmee nachzugehen. Während der Recherche zu dem Magazin trat der irische HobbyForscher Ian Spring an die Redaktion heran und übergab ihr einen reichen Fundus an Farbaufnahmen, die teilweise noch nie veröffentlicht worden sind! Was diese seltenen Bilder, die der Leser nahezu auf jeder Seite findet, besonders auszeichnet, ist vor allem ihre hohe Qualität, die selbst kleinste Details offenbart.
DEUTSCHES AFRIK AKORPS 1941– 1943
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SENSATION bekannte Zahlreicche unntdeckt e s o t o f b r Fa
So schlug sich die deutsche
Wüstenarmee
Das Deutsche Afrikakorps
Die Wehrmacht setzt nach Afrika über
Wüstenfuchs Vom „Sperrverband“ zur „BlitzkriegArmee“: Das Afrikakorps mauserte sich rasch zu einem gefürchteten Gegner – allerdings musste es zuvor ein erhebliches Lehrgeld zahlen Von Stefan Krüger
Das Afrikakorps entsteht Wollte Hitler in Afrika den ? Zweiten Weltkrieg gewinnen
Krieg an zwei Fronten
Wüsten-„Blitzkrieg“
en Wie sich die Deutschen geg die Übermacht stemmten
ft Warum das Afrikakorps so o über die Briten triumphierte
Deutsches Afrikakorps So schlug sich die deutsche Wüstenarmee 96 Seiten, zirka 200 Abbildungen Preis: 9,90 Euro ISBN: 978-3-86245-473-0 GeraMond Verlag GmbH Bezug: www.verlagshaus24.de
Der Sprung nach Afrika LAGEBESPRECHUNG: Generalfeldmarschall Rommel berät sich mit seinen Generälen, Tunesien 1942. In der Mitte ist Fritz Bayerlein zu sehen, rechts der Horch-901-Stabwagen
Eigentlich hätte es das Deutsche Afrikakorps nie geben dürfen. Denn Hitler war auf die Ostfront fixiert und Mussolini wollte endlich eigene Siege erringen. Daraus wurde jedoch nichts. Italien erlebte im Winter 1940/41 eine krachende Niederlage, sodass die Wehrmacht vor einer schwierigen Frage stand: Verteidigen wir die gesamte Südküste Europas oder nageln wir die Alliier-
Foto: PIXPAST.com
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Clausewitz Spezial
Strategie
Lebensader des Afr ikakorps Grawe
EIN DÜNNES BAND: Die Achillesferse der Wehrmacht in Afrika war der Nachschub. Clausewitz erklärt, wie dieser funktionierte – und bietet eine überraschende Erkenntnis
AN DIE FRONT: Die Deutschen hatten teils größte Mühe, schweres Gerät nach Afrika zu bringen so wie diese Einheit Marder III in Tunesien 1942. Noch schwieriger war es, ausreichend Benzin für diese Fahrzeuge heranzuschaffen
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er Nachschub an Ausrüstun g, Material, Waffen, Betriebssto ffen und Lebensmitteln war für die deutschen Operationen in Nordafrik a lebenswichtig. Kamen nicht genügend Transporte in Libyen an, musste Rommel seine Pläne entscheidend ändern, teilweise sogar ganz verwerfen. Damit die deutschen Truppen in Afrika ausreichend Nachschub erhielten, benötigte die kam Wehrmacht die Hilfe auf einen Frachter sogar des italienischen Bunmehr als nur ein einziges Kriegsschi desgenossen. Die Transporte ff als Eskorte – ein Verüber das Mittel- hältnis, meer organisierte die das die Alliierten bei italienische Kriegsihren Konvois nicht erreichten. marine, die die Frachter mit ihren Schiffen schützte. Ähnlich wie die Alliierten im AtlanIm Schutz der Marine tik griff die italienisch e „Supermarina“ auf Meist verlud man das das Konzept der Konvois Material in Neapel zurück, wobei stets und verschiffte es sodann eine große Anzahl an nach Tripolis, BenSicherung Transportdampfer begleitete skräften die gasi und – sobald die Stadt eingenommen . In der Regel war – nach Tobruk. Da die italienische Han-
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RETOUR: Dieser DB-Motor wird in eine Me 323 „Gigant“ verladen Foto: PIXPAST.com
delsflotte nicht groß genug war, um sowohl die deutschen als auch die eigenen Soldaten zu versorgen, setzte die Führung auch jene deutschen Frachter im Konvoidienst ein, die sich bei Kriegsausbruch in italienischen Häfen befunden hatten. Unterstützt wurde die italienische Marine zudem durch die eigene und die deutsche Luftwaffe. Letztere war zu Beginn des Afrikafeld zugs vor allem auf Sizilien stationiert.
Der Nachschub für das Deutsche Afrikakorps (später Panzergru ppe Afrika beziehungsweise Heeresgru ppe Afrika) und die italienischen Soldaten in Nordafrika lief getrennt. Die Wehrmach t besaß in Italien eine eigene logistische Organisati on, die die benötigten Güter aus dem Deutschen Reich oder aus ihrem Gastland beschaffte. Zuständig für die Versorgun g war die Außenstelle des Generalquartiermeis ters des Heeres in Rom mit ihrer Abteilung „Afrika-Transporte“. Sie kaufte den Grundnac hschub für die deutschen Truppen in Italien ein, sodass sie lediglich jene Materialie n, die dort nicht erhältlich waren, aus Deutschlan d importieren musste. Darunter fielen beispielsweise die Waffen der Wehrmach t, Munition, Fahrzeuge und Ausrüstung, aber auch Panzertrei bstoff, da der italienisch e Sprit deutschen Motoren geeignet nicht für die war.
Das größte Hindern is
Gefahren für die Transporte der Achsenmächte gingen vor allem von britischen Flugzeugen und U-Booten aus. Demgegenüber spielten die alliierten Überwasserfahrzeuge nur eine geringe Rolle, zumal die britische „Mediterranean Fleet“ im Laufe der Jahre 1941 und 1942 empfindliche Verluste erlitt. Die wichtigste Basis für Angriffe auf die Nachschubkolonnen bildete Malta, dessen Lage zwischen Sizilien und Tunesien sich bestens dafür eignete. Während der Kämpfe in Nordafrika hatte die RAF zeitweise mehr als 100 Jagdflugze uge und Jagdbomber auf der Insel stationiert , die gemeinsam mit den alliierten U-Booten die italienischen Frachter attackierten. Folglich machte auch die deutsche Seite die Insel als das entscheidende Hindernis aus, wenn man die Truppen in Afrika optimal versorgen wollte. Malta befand sich zwischen 1940 und 1942 in einem permanen ten Belagerungszustand, wobei die Achsenmä chte die Insel kontinuierlich bombardie rten und eine Seeblockade aufrechterhielten. Zeitweise führte die deutsche Luftwaffe sogar eine gezielte Luftoffensive durch, die LUFTTRANSPORT: Ein zur Folge hatte, dass SdKfz-10-Halbketder Nachschub sogleich tenfahrzeug verlässt üppiger nach Afrika den Laderaum einer sprudelte. Rommel forderte „Gigant“ daher mehrfach, Foto: PIXPAST.com Clausewitz Spezial
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DETAILREICHTUM: Die üppigen und zahlreichen Farbaufnahmen offenbaren teils noch nie gezeigte Details
Der deutsche Nac hschub über das Mitt elmeer
Das Afrikakorps benötig te jeden Monat etwa 40.000 Tonnen Nachschub. Doch auf ihren Routen mussten die Frachter einen Spießrutenlauf über sich ergehen lassen Von Lukas
ten in der Wüste fest? Der NS-Diktator entschied sich für Letzteres – das Afrikakorps war geboren. Und unter Führung Rommels errang es bald spektakuläre Erfolge, die plötzlich eine ungeheuerliche Perspektive boten, die weit über die ursprüngliche Rettungsmission hinausging. Dafür aber musste der „Wüstenfuchs“ nicht nur die Briten schlagen, sondern auch die Wüste selbst.
TITELTHEMA
ITALIEN 1943–1945
Oberst Alfred Redl
Kampf auf dem Stiefel
Palästinafront
Im Sommer 1943 landeten anglo-amerikanische Truppen auf Sizilien und eröffneten damit den Sturm auf das europäische Festland. Die meist unerfahrenen Soldaten trafen auf kampfstarke Verbände der Wehrmacht, die den alliierten Vormarsch überraschend effizient verzögern konnten
Abb.: BArch Bild 101I-567-1515-32
Wann kommt der Feind? Nach der alliierten Invasion Siziliens leistete die Wehrmacht an vielen Orten zähen Widerstand. Hier lauern deutsche Fallschirmjäger mit einer Panzerabwehrkanone (7,5-Zentimeter-PaK 40) in einer Straße von Acireale an der Ostküste der Insel
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Militär & Geschichte
DEN FEIND IM VISIER: Mit der alliierten Landung auf Sizilien im Juli 1943 wurde eine neue Front in Europa eröffnet, an der die Wehrmacht in den kommenden Monaten zähen Widerstand leistete
Panzer IV
g at des Heeres Das Rückgr
Ita alien 1943 43-45 4 Der zähe Abwehrkampf der We ehrmacht gegen die Alliierten SPEZIAL
Spektakuläre Fotos
Militär und Geschichte Auf Sizilien ging es im Sommer 1943 nicht nur wettermäßig heiß her. Als die Alliierten in der groß angelegten Operation „Huskey“ auf der Mittelmeerinsel landeten, schlug ihnen heftiges Abwehrfeuer der dort stationierten deutschen und italienischen Truppen entgegen. Doch die Wehrmacht musste sich bald auf das italienische Festland zurückziehen. Welch zähen Widerstand sie bis 1945 den auf dem „Stiefel“ vorrückenden Amerikanern und Briten entgegensetzte, zeigt Militär & Geschichte in der Titelgeschichte der aktuellen Ausgabe, die noch bis 8. Januar 2017 am Kiosk erhältlich ist. Weitere spannende Themen im Heft: Entwicklung und Einsatz des Panzers IV; der Spionageskandal um den k.u.k. Offizier Alfred Redl, die Elitesoldaten des NVA-Luftsturm-Regiments 40 und vieles mehr.
Rans war der 16. März 1945 am Széde der ungarischen Stadt kesfehérvár (deutsch: Stuhlweiaufgeßenburg). Hinter einer hastig in die worfenen Barrikade auf einer eine Stadt führenden Straße lauerte die Kampfmaschine der Wehrmacht, der an dieser Stelle den Vormarsch ein PanRoten Armee stoppen sollte: 201. Er zer IV, Ausführung J, Nummer -Panzergehörte zur 2. Kompanie/SS und Regiment 5 der Division „Wiking“ von stand unter dem Kommando Melinkat. Unterscharführer Siegfried deutsche Links und rechts zogen sich urg zuSoldaten auf Stuhlweißenb gab es rück. Neben Melinkats Panzer
PANZER IV
Rückgrat der Panzerwaffe
Militär & Geschichte 1/2017 64 Seiten, zirka 110 Abbildungen Preis: 4,20 Euro GeraMond Verlag GmbH Bezug: www.verlagshaus24.de
Panzer IV hier noch einen weiteren und ein Sturmgeschütz. ArPlötzlich schlugen sowjetische sse ein. tillerie- und Mörsergescho SprengMelinkat konnte durch die und ließ wolken nichts mehr sehen zurückseinen Koloss bis in die Stadt geschlosrollen. Dort wartete er mit und senen Luken, laufendem Motor ft. dem Funkgerät auf Hörbereitscha anEr wusste, solange der Beschuss an. Als hielt, griff die Rote Armee nicht rollte er das feindliche Feuer aufhörte, Darauf wieder bis zur Barrikade vor. nur gehatte die Gegenseite offenbar drüben wartet, denn schon raste von mit voller ein Geschoss heran und traf
ALLZEIT BEREIT: Die Fallschirmjäger der NVA durchliefen eine harte Ausbildung und sollten im Kriegsfall heikle Missionen erfüllen
Panzer Für Propagandazwecke waren gut geeignet, die Erfolgswaffe der Blitzkriege zog vor allem männliche Jugendliche in ihren Bann
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WAFFEN & TECHNIK
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tsturm-Regiment 40
VERBÄ NDE & EINHEI
hrzeug für leichtere Panzer Anfangs als Unterstützungsfa Panzer IV zur leistungsgeplant, entwickelte sich der zum wichtigsten starken Kampfmaschine – und n Wehrmacht Gefechtsfahrzeug der deutsche
Panzer Bewährtes Kraftpaket: Auf die bis vom Typ IV konnte die Wehrmacht kampf1945 nicht verzichten. Hier ein D wertgesteigerter PzKpfw IV Ausf. (nachgerüstet mit 7,5-Zentimeter n) Langrohrkanone und Panzerschürze
LUFTSTURM-REGIM
ENT 40
Die Baskenmütze für Oiziere war seit 1969 Teil der Ausgehuniform
Die Elite der NVA
Die Fallschirmjäger des Luftsturm-Regimen ts 40 zählten zu den besten Soldaten der Nationalen Volksarmee. Ihre Ausbildung war im Kriegsfall sollten hart, sie zentrale Punkte in Westberlin besetzen. SED-Chef Erich Honec ker sie im Herbst 1989 gegen vertraute auf die Elitetruppe – und wollte das eigene Volk aufma rschieren lassen
Großer Auftritt: Das Luftsturm-Regiment 40 durfte als Elitetruppe bei wichtigen Paraden nicht fehlen; hier mit angelegtem Fallschirm auf GAZ-69Geländewagen beim 25. Jahrestag der DDR
Militär & Geschichte
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KAMPFSTARKER KOLOSS: Der Panzer IV war als Unterstützungsfahrzeug konzipiert, spielte aber bald eine unverzichtbare Hauptrolle im deutschen Heer
Clausewitz 1/2017
Ende der 1950er-Jahre Licht“ für eine NVA-F gab Moskau „grünes allschirmjägertruppe.
Abb.: p-a/ZB, MIREHO
Abb.: Slg. T. Anderson, MIREHO
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eipzig vor 26 Jahren: Auf den Stra- dernis auch einzugreifen“, ßen der Stadt skandiere wie es Ger- ten an, n die Men- hard Leutert und am 1. März 1960 in seinen Erinnerun schen „Wir sind das entstand gen auf der Insel Volk“. Es ist beschreib Rügen schließlich das t. Der Oberstleutnant der 16. Oktober 1989 und wieder ein- war a. D. „Motorisierte Schützen-Bataillon 30 Jahre mal findet eine der 5“ bekannten Mon- Ausbildun lang in der NVA für die MSB-5 – die Keimzelle des späteren g der Elitesoldaten und tagsdemos statt, an der an diesem Tag de- Luftsturm-Regiment ren Ausrüstung verantwor s.Alles lief im Ge100.000 Bürger teilnehme tlich. n. In der geheimen ab. Untergebr samten Deutschen acht waren die Demokratischen Kampfstark Soldaten in einemTeil und zuverlässig Republik gärt es. Viele des nie fertiggewenden sich Die stellten NS-Seebades Einheit, die Honecker vom Sozialismus ab, Prora auf Rügen. angefordert Es dauerte wollen freie Wahhatte, war das Luftsturm aber noch einige Monate, len, Reisefreiheit, Konsum -Regiment bis die und an- 40. Es galt Einheit einsatzbereit dere Verlockungen nicht nur als besonders war. des Westens. Das Am 5. Februar 1962 kampfstark, sondern bedroht den Machtans erhielt der Veraus Sicht der band eine neue Bezeichnu 29pruch der SED, SED-Führung auch als politisch die Zukunft der DDR ng: Fallzuver- schirmjäger-Bataillo steht auf dem lässig. Im Jahr 1991 schließlich Spiel. Doch die Regierung n 5. Erster Komaufge- mandeur war ist nicht ge- löst, blickt Oberstleutnant Bern es auf eine lange Geschichhagen, der damit auch gleichzeitig eine neue Waffenga ttung innerhalb der NVA übernahm . 432 Soldaten, 80 Unteroffiziere und 43 Offiziere bildeten dieses Bataillon. willt, sang- und klanglos Im Laufe der von der Welt- te zurück 1960er-Jahre wuchs und war für den Fall bühne zu verschwin die Zahl weiter den – noch nicht. eines an. Neben Ost-West-Konflikts dem Stab gehörten Und so lagen an diesem mit delikaten Aufein Tag Funk-, ein Pionier- und liche Verbände der Nationale sämt- gaben bedacht. ein Transportn Volkszug zur Truppe. Weiters Seine Wurzeln reichen armee (NVA), die um eine Versorbis in die gungsgrup und in Leipzig Frühzeit pe, ein Unteroffizier-Ausdes Kalten Krieges stationiert waren, zurück. bildungsz in Bereitschaft. Als ug und natürlich die die Bundeswehr Ende Doch das war Staatsdrei der 1950er- Fallschirm und Parteichef Jahre jägerkompanien zu erste Luftlande- und Erich Honecker noch je drei Fallschirm- Zügen nicht genug: Auf jägereinhe zu je zwei Gruppen. seinen ausdrücklichen iten aufstellte, fragte Im Falle Befehl hatten junge die der Mobilmac hung bestand eine NVA in Moskau an, sich zwei Tage zuvor ob man Gruppe aus auch Fallschirm- ebenfalls einem Offizier, einem solche Verbände aufstellen jäger aus der Gegend Unum Potsdam in dürfe. teroffizier und acht Nach der Zustimmu Fallschirmjägern, Marsch gesetzt, um ng aus also zehn auf der MontagsMann. Moskau lief ein entsprech demo „präsent zu sein endes Pround bei Erfor- jekt Was die Bewaffnung bei den ostdeutschen anging, so haStreitkräf- ben Fallschirm jäger rund um den Glo54
Militär & Geschichte
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Menschen & Geschichten
Generaloberst Hans von Seeckt (1866–1936)
„Schöpfer“ der
MIT NACHDENKLICHER MIENE: Seeckt durchlebte Höhen und Tiefen als hochranFoto: picture-alliance/Imagno giger Militär
Reichswehr
1919: Deutschlands Militärmacht liegt am Boden, die Siegermächte gestehen dem Land nur ein stark vermindertes Heer zu. Maßgeblichen Anteil am Aufbau dieser neuen „Reichswehr“ hat vor allem ein Mann: Hans von Seeckt Von Lukas Grawe
N
ur wenige Jahre nach ihrer Gründung 1918/19 steht die Weimarer Republik am Abgrund. Links- und rechtsradikale Gruppierungen bekämpfen die junge Demokratie. Aufstände, Putschversuche und politische Attentate sind an der Tagesordnung. Als am 9. November 1923 im Anschluss an den „Hitlerputsch“ der militärische Ausnahmezustand verhängt wird, überträgt Reichspräsident Friedrich Ebert weitreichende Befugnisse an Hans von Seeckt, seit 1. Oktober 1919 Chef des
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Truppenamtes. Seeckt solle alles tun, „was zur Sicherung des Reiches nötig“ sei. Wer war dieser Mann, der sich weigerte, die neue deutsche Staatsform zu bekämpfen, obwohl er selbst eigentlich loyaler Monarchist und lediglich „Vernunftrepublikaner“ war? Johannes Friedrich Leopold von Seeckt kommt am 22. April 1866 in Schleswig als Sohn eines Offiziers zur Welt. Anders als die meisten späteren hochrangigen Militärs besucht er keine Kadettenanstalt. Stattdessen genießt er eine humanisti-
HOCH ZU ROSS: Hans von Seeckt nimmt 1924 eine Parade der Reichswehr ab. Nach dem verlorenen Krieg baute er das deutsche Militär neu auf – doch strebte er auch nach politischer Macht? Foto: picture-alliance/Süddeutsche Zeitung Photo
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Menschen & Geschichten | Hans von Seeckt
AN DER OSTFRONT: Seeckt als Generalstabschef der 11. Armee im Gespräch mit Kaiser Wilhelm II., rechts im Bild Armeeoberbefehlshaber August von Mackensen Foto: picture-alliance/akg-images
sche Bildung auf zivilen Schulen. Zeit seines Lebens interessiert er sich für Kunst, Literatur und Theater. Nach erfolgreichem Abitur tritt Seeckt dann im Jahr 1885 in das Kaiser-AlexanderGarde-Grenadier-Regiment Nr. 1 ein. Unter seinen Kameraden gilt er schnell als Intellektueller, der charakterlich zuverlässig und taktvoll agiert, aber auch distanziert und kühl auftritt. Aufgrund seiner Zurückhaltung erhält er den Beinamen „das gefrorene Handtuch“. Davon abgesehen offenbart sich aber auch rasch Seeckts militärisches Talent. Auf der Kriegsschule, wo ihn seine Mitschüler den Beinamen „Allvater“ verpassen, fällt er durch klares Denken, scharfes Urteilsvermögen, Selbstbewusstsein und den Blick für das Wesentliche auf. Einem Kameraden vertraut er an, dass er das Amt des Generalstabschefs anstrebe: „Ich will niemanden über mir haben.“
Operative Fähigkeiten Einen ersten Schritt in diese Richtung macht Seeckt, als er die Kriegsakademie absolviert, die als Voraussetzung zur Aufnahme in den Generalstab gilt. 1897 kommandiert man ihn zur Berliner Militärbehörde, wo er jedoch nur für zwei Jahre in der Zentralstelle des Generalstabs seinen Dienst verrichtet. Dank seiner operativen Fähigkeiten avanciert
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Seeckt in den Jahren vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs zu einem gefragten Truppengeneralstabsoffizier. Mit Hilfe des Vermögens seiner Frau unternimmt er in dieser Zeit zahlreiche Reisen ins Ausland, unter anderem nach Indien und Afghanistan. Als Oberstleutnant tritt er 1913 die Stelle des Chefs des Generalstabs des III. Armeekorps in Berlin an. Dort fungiert er fortan als erster Berater des Kommandierenden Generals, Ewald von Lochow. In dieser Stellung erlebt Seeckt den Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Mit seinem Korps nimmt er am deutschen Vormarsch im BIOGRAPHIE
Hans von Seeckt 1885 1897–1899 1913–1915
1915 1917–1918 1919–1920 1920–1926 1930–1932
Eintritt in die preußische Armee Kommandiert zum Großen Generalstab Chef des Generalstabs des III. Armeekorps, ab August 1914 Einsatz an der Westfront Einsatz an der Ostfront, Chef des Generalstabs der 11. Armee Chef des Generalstabs des türkischen Feldheeres Chef des Truppenamtes Chef der Heeresleitung Mitglied des Reichstags
Westen und an der deutschen Niederlage in der Schlacht an der Marne teil. Erstmals macht er sich im Januar 1915 einen Namen als operativer Fachmann, als er eine erfolgreiche Gegenoffensive gegen französische Truppen in der Nähe von Soissons plant. Sich auf diese Meriten berufend, gelingt dem ehrgeizigen Oberst der nächste Karriereschritt: Im März 1915 wird er zum Chef des Generalstabs der 11. Armee unter August von Mackensen ernannt und an die Ostfront versetzt. Hier ist die militärische Lage durchaus kritisch, denn die deutschen und österreichisch-ungarischen Truppen müssen sich einer zahlenmäßigen russischen Überlegenheit stellen.
Kühner Angriffsplan In den folgenden Wochen entwirft Seeckt jenen Angriffsplan, der ihn berühmt machen wird. Er bildet die Grundlage für einen der umfassendsten deutschen Erfolge im Ersten Weltkrieg. Entgegen dem Schlieffen’schen Dogma von Flankenangriffen und Umfassungen setzt er einen frontalen Durchbruch in der Nähe der Orte Gorlice und Tarnów an. Dieser Stoß führt innerhalb kürzester Zeit zum Zusammenbruch der russischen Front und zum Rückzug der Armeen des Zaren aus Polen. Mackensen und Seeckt ergänzen sich hervorragend. Während der
Entsetzt über Versailles Husarengeneral als „zupackender Truppenkommandeur mit Jagdinstinkt“ (Theo Schwarzmüller) gilt, leistet der aufstrebende Oberst die operative Grundlagenarbeit. Schnell werden Vergleiche mit dem legendären Duo der napoleonischen Zeit, Blücher und Gneisenau, gezogen. Im Herbst 1915 erhalten beide einen neuen Auftrag: Sie sollen Serbien niederwerfen. Seeckt formuliert erneut den maßgeblichen Angriffsplan, der innerhalb weniger Wochen zum Erfolg führt. Im Dezember 1915 sind die serbischen Truppen zerschlagen, die Reste flüchten nach Mazedonien und Albanien.
Retter in der Not Angesichts dieser Erfolge gilt Seeckt fortan als einer der profiliertesten Stabsoffiziere, der sich auch bei den Verbündeten des Deutschen Reichs Respekt erwirbt. Als die russische Brussilow-Offensive im Sommer 1916 die Front der österreichischen Truppen durchbricht, fungiert Seeckt als Retter in der Not. Er wird zum Chef des Generalstabs einer österreichisch-ungarischen Heeresgruppe ernannt und trägt entscheidend dazu bei, die Lage wieder zu stabilisieren. Folglich sind auch die deutschen Verbündeten voll
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Mit Plakaten warb die noch junge Reichswehr in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg um Bewerber Foto: picture-alliance/United Archives/WHA
ein Umstand, der ihm einen gänzlich anderen Erfahrungsschatz verschafft. Während seine Kameraden an der Westfront vom Stellungskrieg geprägt wurden, lernt Seeckt, dass bewegliche Kriegführung auch im Zeitalter des Maschinengewehrs durchaus er-
„Ob sie zuverlässig ist, weiß ich nicht, aber mir gehorcht sie.“ Seeckt auf die Frage Friedrich Eberts, ob die Reichswehr politisch zuverlässig sei
des Lobes. Erzherzog Karl bezeichnet Seeckt als hervorragenden General, „mit dem es eine Freude ist, zusammenzuarbeiten, weil sein Gedankengang so präzise ist als ein Chronometer, in dem man sich nicht irren kann und der nie auslässt.“ Auch beteiligt er sich im Rahmen „seiner“ Heeresgruppe daran, Rumänien zu bezwingen, das den Mittelmächten im Sommer 1916 den Krieg erklärt hat. Im Dezember 1917 wartet die nächste Aufgabe auf den ehrgeizigen Stabsoffizier. Als Chef des Generalstabs des türkischen Feldheeres soll er erneut einen der deutschen Verbündeten vor dem Zusammenbruch bewahren. Sein neues Amt kommt für Seeckt selbst überraschend, da der Kriegsschauplatz im Nahen Osten eher eine untergeordnete Bedeutung besitzt. Auf der anderen Seite bleibt es ihm dadurch aber erspart, die Niederlagen an der Westfront im Jahr 1918 mitzuerleben. Anders als die meisten höheren deutschen Offiziere hat Seeckt somit wesentlich mehr Zeit an der Ostfront und auf Nebenschauplätzen verbracht als in Frankreich – Clausewitz 1/2017
folgreich sein kann. Gut ausgebildete Truppen, so Seeckt, können selbst einen zahlenmäßig überlegenen Gegner schlagen. Mit dem Ende des Krieges dankte auch der Kaiser ab, worauf für den loyalen Anhänger der Monarchie eine Welt zusammen-
bricht. Gegenüber seiner Frau bekennt er, er habe seine Tränen nicht zurückhalten können, als er erfuhr, dass Kaiser Wilhelm II. seinen Thron aufgibt. Über die nachfolgende Revolution in Deutschland ist Seeckt daher mehr als verärgert, er empfindet Abscheu und Ekel. Dennoch stellt sich der preußische Offizier zur Verfügung, will den zusammenbrechenden deutschen Staat nicht im Stich lassen. Zunächst als Chef des Stabes des Grenzschutzoberkommandos Nord eingesetzt, fungiert Seeckt ab April 1919 als militärischer Berater der deutschen Delegation bei den Versailler Friedensverhandlungen. Hier schlägt er vor, das deutsche Heer auf 200.000 Mann zu verkleinern, um die befürchteten harten Bedingungen der Alliierten zu erfüllen. Erzürnt muss Seeckt aber hinnehmen, wie am Ende lediglich ein 100.000-Mann-Heer bleibt. Ein Streit mit dem Chef der Delegation, Ulrich von Brockdorff-Rantzau, veranlasst ihn schließlich dazu, seine Arbeit in Versailles zu beenden.
Am Ziel seiner Träume In Berlin erwartet ihn bereits die nächste bedeutsame Aufgabe: Seeckt wird zum Chef des Truppenamtes ernannt, das den verbotenen Generalstab ersetzt. Auf diese Weise erreicht er das Ziel seiner Träume. Von der neuen deutschen Staatsform, der Weimarer Republik, ist der General allerdings nicht überzeugt. Dennoch geht er ein Zweckbündnis mit der Demokratie ein, um den Erhalt des deutschen Staates zu sichern. „Ob uns die heutige Staatsform gefällt oder nicht, ob wir sie für die richtige halten, darauf kommt es nicht an. Heute geht es um den Staat und das Reich“, entgegnet er rechtspolitischen Gegnern der Republik. Seinen Generalstabsoffizieren gibt er den Rat: „Die Form wechselt, der Geist bleibt der
BEI DER WAFFENVORFÜHRUNG: General der Infanterie Wilhelm Heye (Mitte) folgte 1926 auf Hans von Seeckt als Chef der Heeresleitung Foto: picture-alliance/Süddeutsche Zeitung Photo
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Menschen & Geschichten | Hans von Seeckt
ATTRAPPEN: Soldaten der Reichswehr bewegen Nachbildungen von „Panzern“, die aus einem Holzgerüst und Leinwand hergestellt wurden Foto: ullstein bild - Süddeutsche Zeitung Photo
alte.“ Bereits als Chef des Truppenamtes ist Seeckt daher darum bemüht, die Reichswehr aus politischen Querelen herauszuhalten. Während des „Kapp-Lüttwitz-Putsches“ im März 1920 rät er der Regierung, von einem Einsatz des Heeres gegen die Putschisten abzusehen. Historisch nicht belegt ist dabei der angebliche Ausspruch Seeckts: „Truppe schießt nicht auf Truppe“. Reichswehrminister Gustav Noske und der Chef der Heeresleitung, Walther Reinhardt, machen sich hingegen für eine militärische Lösung stark. Da Reichspräsident Ebert jedoch der Meinung Seeckts Gehör schenkt, treten Noske und Reinhardt noch im selben Monat von ihren Ämtern zurück.
Weiterer Karriereschub Ein weiteres Mal klettert Seeckt die Karriereleiter empor. Als Nachfolger Reinhardts avanciert er zum Chef der Heeresleitung. Dieser soll den Reichswehrminister in allen militärischen Fragen beraten und als dessen Vertreter die Kommandogewalt ausüben. Während Reinhardt die Reichswehr auf die Republik einschwören möchte, setzt Seeckt seinen bisher befürworteten unpolitischen Kurs fort.
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Seeckt war von 1920 bis 1926 Chef der Heeresleitung der Reichswehr und hatte maßgeblichen Anteil an ihrem Aufbau Foto: ullstein bild - Süddeutsche Zeitung Phtoto
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Kritiker werfen ihm daher schon zu seinen Lebzeiten vor, die Etablierung der Armee als „Staat im Staate“ vorangetrieben und damit Hitler den Weg geebnet zu haben. Seeckt sieht sich hingegen als unpolitischer Diener des Staates, der diesem unabhängig von der Regierungsform beizustehen hat. Als Chef der Heeresleitung ist der
neu ernannte General der Infanterie de facto der Oberbefehlshaber der Reichswehr, auf deren Ausbau zu einem Eliteheer er fortan maßgeblichen Einfluss ausübt. Sein Ziel ist es vor allem, das Soldatentum zu professionalisieren: Da sich Deutschland auf eine verhältnismäßig kleine Armee beschränken musste, setzt der Offizier auf Qualität statt Quantität und weist auf den Nutzen einer hochwertigen Ausbildung hin. Aufgrund der stetig zunehmenden technischen Möglichkeiten, die immer mehr Spezialwissen voraussetzen würden, sei eine umfassende und spezialisierte Schulung der Soldaten unumgänglich. Auch für Innovationen macht sich Seeckt stark. Im Hinblick auf die zahlenmäßige Schwäche müsse die Reichswehr zumindest im technischen Bereich die modernste Armee der Welt sein.
Gerüchte über Militärdiktatur Um die harten Versailler Bestimmungen umgehen zu können, befürwortet der Chef der Heeresleitung auch eine militärische Zusammenarbeit mit der Sowjetunion, zumal ihm die Existenz des Staates Polen unerträglich ist. Ungeachtet des Bemühens, die Reichswehr aus der Politik herauszuhalten, muss Seeckt dennoch bei einigen Gelegenheiten Partei ergreifen. Als nach dem Hitlerputsch von 1923 die Existenz der Republik auf dem Spiel steht und Ebert ihm weitreichende Vollmachten einräumt, um rechts- und linksradikale Aufstände niederzuwerfen, muss der General doch noch die Reichswehr gegen
Überzeugter Monarchist Aufständische einsetzen – ein Umstand, der ihm nicht behagt. Kurzzeitig kursieren in Berlin sogar Gerüchte, Seeckt wolle seine Vollmachten nicht wieder hergeben und stattdessen eine Militärdiktatur errichten. Heftige Auseinandersetzungen mit Ebert um die richtige Art, den Aufstand zu bekämpfen, gießen weiteres Öl ins Feuer. Mehrfach stellt der Reichspräsident die Zuverlässigkeit der Reichswehr in Frage. „Ob sie zuverlässig ist, weiß ich nicht, aber mir gehorcht sie“ oder „Die Reichswehr steht hinter mir“, soll Seeckt auf diese Anschuldigungen geantwortet haben. „Wohl in der Überzeugung, den Ausnahmezustand nicht für grundlegende politische Veränderungen ausnutzen zu können“, wie der Historiker Heinz Hürten betont, gibt Seeckt seine umfassenden Befugnisse Anfang März 1924 zurück.
Schleichender Machtverlust Nach einer äußerst unruhigen Phase der politischen Querelen scheint die Staatsautorität der Weimarer Republik gefestigt. Nach wie vor sitzt Seeckt aber zwischen allen Stühlen, ist sowohl bei linken als auch bei rechten Kräften verhasst. Rechtsradikale Kreise planen bereits ein Attentat auf den Chef der Heeresleitung. „Jedenfalls ist Herr
neu
AUFGEBAHRT: Der Leichnam von Generaloberst von Seeckt mit Ehrenwache. Seine letzte Ruhestätte findet er auf dem Invalidenfriedhof in Berlin Foto: picture-alliance/IMAGNO
Sajer, Guy
Seeckt Geßler mehrfach bei Entscheidungen übergeht, setzt sich dieser dafür ein, den loyalen Monarchisten abzuberufen. Dass Seeckt einem Sohn Wilhelms II. die Teilnahme an einem Manöver der Reichswehr genehmigt, bildet den finalen Anlass für seinen Sturz. Folglich muss Seeckt im Oktober 1926 seinen Abschied nehmen.
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23,50 € „Das Heer hat die Pflicht, sich in das Gesamtgetriebe des Staates einzufügen und sich dem Staatsinteresse unterzuordnen.“ Seeckt über die Rolle des Heeres innerhalb eines Staates
v. Seeckt bei allen, die am alten Offizierbegriff festhalten, gerichtet“, betont Max Bauer, ein ehemaliger Mitarbeiter Ludendorffs und Beteiligter am Kapp-Putsch. Seine Gegner entwaffnet Seeckt dabei stets mit dem gleichen Argument: „Ein General bricht seinen Eid nicht.“ Nach dem Tod Eberts im Jahr 1925 erfährt Seeckts Stellung einen zunehmenden Bedeutungsverlust. Die Soldaten der Reichswehr schauen nach der Wahl von Paul von Hindenburg zum Reichspräsidenten auf den „Retter von Ostpreußen“, während Reichskanzler Gustav Stresemann Seeckt mit Skepsis gegenübersteht. Spannungen bestehen auch zwischen dem Chef der Heeresleitung und Reichswehrminister Otto Geßler. Als
Literaturtipp Hans Meier-Welcker: Seeckt. Frankfurt am Main 1969.
Clausewitz 1/2017
Anschluss fungiert er für zwei Jahre als Militärberater des chinesischen Generals und Staatsmanns Chiang Kai-shek. Aus gesundheitlichen Gründen muss er diese Tätigkeit jedoch rasch wieder aufgeben. Er zieht sich nach Berlin zurück. Dort erlebt er den Aufstieg der Nationalsozialisten, denen er distanziert und kühl gegenübersteht. Hitler ernennt den ehemaligen Chef der Heeresleitung dennoch zum Chef des InfanterieRegiments 67, welches die Tradition von Seeckts Stammregiment der Garde-Alexandriner fortsetzt. Mit Hans von Seeckt verstirbt am 27. Dezember 1936 in Berlin ein charakterlich schwieriger, aber hochintelligenter und gebildeter Offizier, der operativ die meisten seiner Berufskollegen überragte und der Zeit seines Lebens überzeugter Anhänger der Monarchie blieb. Stets hielt er an dem Grundsatz fest, dass das Heer die Pflicht habe, „sich in das Gesamtgetriebe des Staates einzufügen und sich dem Staatsinteresse unterzuordnen.“
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Cambrai 1917 Großoffensive der „Tanks“ November 1917: Unförmige Stahlkolosse durchbrechen die deutschen Linien bei Cambrai im Nordosten Frankreichs. Die britischen „Tanks“ bringen Bewegung in die erstarrte Front im Westen. Wie reagieren die überraschten Deutschen auf die neuartige Waffe der Alliierten?
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