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2/2015 März | April
€ 5,50
A: € 6,30 CH: sFr 11,00 BeNeLux: € 6,50 SK, I: € 7,45 S: SKR 75 N: NOK 79 FIN: € 8,10
Das Magazin für Militärgeschichte
Clausewitz Elsass 1945
rmacht Wie die Wehm noch ein al zurückschlug
Italiens Verdun am Isonzo
Gebirgskrieg 1915–1918
Film: „Das Boot“ So entstand das legendäre Meisterwerk
Der Burenkrieg Warum Großbritannien gegen Siedler kämpfte
Paris 1944 Wollte von Choltitz die Stadt gar nicht retten?
MILITÄR & TECHNIK
Armbrust versus Langbogen Duell der mittelalterlichen Fernwaffen
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n e d n Lege e t f ü L r e d
GeraMond Verlag GmbH, Infanteriestraße 11a, 80797 München
at Jeden Mon k! s neu am Kio
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Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, auch im tiefsten Frieden ist das Hochgebirge brandgefährlich: Gletscherspalten, steile Felswände und schwindelerregende Höhen machen jeden Schritt zu einem Risiko. Vor 100 Jahren lauerte jedoch noch eine ganz andere Gefahr in eisigen Höhen, als Italien im Mai 1915 in den Ersten Weltkrieg eintrat. Was nun begann, war ein mehr als dreijähriges Ringen unter extremen Gelände- und Witterungsverhältnissen, bei dem die im Gebirgskrieg eingesetzten Soldaten unendliche körperliche und seelische Qualen erleiden mussten. Noch heute sind in den Alpen unzählige „stumme Zeugen“ in Form von Schützengräben, Unterständen und schweren Waffen sowie Gräbern und Soldatenfriedhöfen vorhanden. Sie erinnern an das Grauen des Gebirgskrieges von 1915–1918. Und immer wieder geben die schmelzenden Gletscher die sterblichen Überreste von damals im Kampf oder durch Lawinen und Abstürze ums Leben gekommenen Soldaten frei. So wurden unlängst in Südtirol die skelettierten Leichen mehrerer österreichischer Kombattanten entdeckt. Diese fanden mittlerweile auf einem Soldatenfriedhof ihre letzte Ruhestätte. In unserer Titelgeschichte „Krieg der Extreme“ schildern wir den von beiden Seiten mit großer Verbissenheit geführten Gebirgskampf, der zahlreiche Besonderheiten und Eigentümlichkeiten aufwies. Darüber hinaus halten wir wieder zahlreiche spannende Themen und Überraschungen für Sie bereit. Denn mit der Einführung neuer Rubriken, wie zum Beispiel „Kriege, Krisen und Konflikte“ oder „Menschen & Geschichten“, möchten wir unser Magazin zukünftig noch attraktiver für Sie gestalten. Eine kurzweilige Lektüre wünscht Ihnen
Dr. Tammo Luther Verantwortlicher Redakteur
13. Folge Krieger, Söldner & Soldaten
„Männer des Nordwindes“ Die Normannen erobern als Nachkommen der Wikinger große Gebiete Europas. Aus den furchterregenden Räubern werden fähige Regenten.
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er Name „Normanne“ kommt ursprünglich von „Nordleute“. Im Mittelalter ist auch die Bezeichnung „Männer des Nordwindes“ anzutreffen. Fasst man den Begriff weit, so sind darunter alle Skandinavier bzw. Wikinger vom 8. bis 11. Jahrhundert zu verstehen. Eingegrenzter wird er für Dänen und Norweger verwendet, die ab 793 Raubzüge nach Westeuropa unternehmen. Besonders Großbritannien, Irland und das Frankenreich sind Opfer der nordischen Räuber auf ihren schnellen Schiffen. In seiner „reinsten“ Form sind unter dem Begriff „Normannen“ die christlichen und französischsprechenden Nachfahren jener Nordmänner gemeint, die sich ab 911 in der – nach ihnen
benannten – Normandie niedergelassen haben. Von dort greifen sie auf die britischen Inseln und nach Südeuropa aus. Die listenreichen, zielstrebigen und äußerst anpassungsfähigen Normannen leisten Großes in Verwaltung, Kunst und Architektur. Doch am meisten werden sie mit der Kriegskunst in Verbindung gebracht, da sie lange die Schlachtfelder Europas dominieren. Kleine, bewegliche Kavallerieeinheiten brechen mit eingelegter Lanze die Formation des Gegners auf. Dazu sind gut trainierte Reiter und Pferde notwendig, sowie eine entsprechende Ausrüstung – wie etwa ein langer Steigbügel und spezielle Stützen am Sattel. Das normannische Feudalsystem ist in der Lage, seine Krieger entsprechend gut auszubilden und auszurüsten. Viele behaupten deshalb, dass ihr Gesellschaftssystem die beste Waffe der Normannen war. Bis zum 12./13. Jahrhundert gehen sie in den Bevölkerungen der eroberten Länder auf.
FAKTEN Zeit: 8. bis 11. Jahrhundert Ausrüstung: Nasalhelm aus Eisen, „Drachenschild“, Kettenrüstung/ Ringpanzerhemd Hauptwaffen: Lanze, Schwert, Bogen Wichtige Schlacht: Hastings (1066) Kampftaktik: Schildwall, Reiterattacke mit eingelegter Lanze, kombinierter und abgestimmter Angriff von Infanterie, Reiterei und Bogenschützen Film: Die Normannen kommen (1965)
KAMPF UM ENGLAND: In der Schlacht von Hastings können die Normannen Wilhelms des Eroberers die Angelsachsen unter König Harald bezwingen. Eine wichtige Rolle dabei spielt die normannische Kavallerie. Die Zeichnung zeigt einen normannischen Reiter während dieser Schlacht im Jahr 1066. Abb.: Johnny Shumate
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Inhalt Titelgeschichte
Titelthema
Die Alpenfront 1915–1918
Krieg der Extreme ................................................................................................................................10
Krieg der Extreme Mai 1915: Nur ein Nebenschauplatz? Inmitten einer weitgehend lebensfeindlichen Umwelt entbrennt ein verbissener Kampf unter härtesten Bedingungen. Ein Kampf, bei dem die Mittelmächte überraschend die Oberhand gewinnen können. Von Holger Hase
Die schweren Kämpfe an der Alpenfront 1915–1918.
Grenzenloses Grauen ...................................................................................................................24 Das Leid und Elend der Soldaten in den Alpen.
Maschinenkrieg im Felsmassiv
............................................................................
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BEINAHE SCHLIMMER ALS DER FEIND: Stellung der österreichischen Gebirgsartillerie im verschneiten Gipfelgebiet des Ortlers (Südtirol) in mehr als 3.000 Metern Höhe. Der Krieg an der Alpenfront stellt aufgrund der besonderen Witterungs- und Geländeverhältnisse eine besondere Herausforderung für die Soldaten beider Seiten dar.
Waffen und Technik des Gebirgskrieges.
Foto: ullstein bild – ullstein bild
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Im Krieg an der Alpenfront leisten die Soldaten der sich im Kampf gegenüberstehenden Kriegsparteien nahezu Unglaubliches; hier eine österreichische Patrouille im Feuergefecht mit dem Gegner. Foto: picture-alliance/Süddeutsche Zeitung Photo
Magazin Neues zur Militärgeschichte, Ausstellungen und Bücher.
Militärtechnik im Detail .....................
6
Das „Higgins-Boot“ ................................................................................................................46 Schwimmende Ikone des „D-Day“.
Kriege, Krisen & Konflikte
Auf verlorenem Posten ...............................................................................................32 Kampf um die „Atlantikfestung“ La Rochelle 1944/45. Schlachten der Weltgeschichte
Höhepunkt des Hundertjährigen Krieges ...........................34
Militär und Technik
Wächter der Küste
................................................................................................................
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Bundesgrenzschutz See und Grenzbrigade Küste während des Kalten Krieges.
Die Schlacht von Azincourt 1415. Kriege, Krisen und Konflikte
Winterschlacht im Elsass ......................................................................................40
Kampf ums Kap ..........................................................................................................................54
Schwere Kämpfe an der Westfront im Januar 1945.
Der Burenkrieg im Süden Afrikas 1899–1902.
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Schlachten der Weltgeschichte | Hatten-Rittershoffen 1945
Schlachten der Weltgeschichte KRIEGERISCHER KÖNIG: Heinrich V. – mit Krone und Helm – geht in dieser Schlachtszene zusammen mit seinen Männern zum Nahkampf gegen die Franzosen bei Azincourt über. Links vom englischen Monarchen ist Sir Thomas Erpingham, zu seiner Rechten der Duke of Gloucester zu sehen. Langbogenschützen spielen eine entscheidende Rolle beim Sieg der zahlenmäßig unterlegenen Engländer. Abb.: akg-images/Osprey Publishing/Henry V/Graham Turner
LANGSAMER VORMARSCH: Panzer der US-Armee und Infanterie bahnen sich ihren Weg durch verschneites Gelände. Auch wenn die Wehrmacht zu diesem Zeitpunkt bereits geschlagen schien, hatten die Amerikaner bei Hatten-Rittershoffen größFoto: ullstein bild – dpa te Probleme.
Unternehmen Nordwind
Winterschlacht im Elsass Januar 1945: Als die Ardennenoffensive längst gescheitert war, trat die Wehrmacht im Unterelsass zum Gegenangriff an – und bereitete den Amerikanern beinahe ein Debakel. Von Hagen Seehase
Die Schlacht von Azincourt
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Höhepunkt des Hundertjährigen Krieges
FAKTEN Englische Truppen Befehlshaber: Heinrich V. Truppenstärke: Schätzungen reichen von 6.000 – 9.000 Mann Verluste: Zirka 400 Mann
Französische Truppen
25. Oktober 1415: In Nordfrankreich kommt es zu einer gewaltigen Schlacht zwischen dem englischen und dem französischen Heer. Trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit erringen die Engländer einen triumphalen Sieg. Von Daniel Carlo Pangerl
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S.34
Befehlshaber: Robert de Chalus, Poncon de la Tour u. a. Truppenstärke: Schätzungen reichen von 12.000 – 25.000 Mann Verluste: Zirka 8.000 Mann
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Militär und Technik | BGS See und Grenzbrigade Küste
Fahrzeugverluste durch Feindeinwirkung: Panzer: 39 Halftracks: 5 Panzerspähwagen: 1 Radfahrzeuge: 30 105-mm-Haubitzen: 2 57-mm-Pak: 6 *Amtliche Statistik der U.S. Army
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HAUPTKRAFT OST: Ein sogenannter „T-34 zur See“; eines von 18 Exemplaren der GBK Minensuch- und Räumschiff „KMSR–Projekt 89.1“ der Peene-Werft Wolgast mit Kennung Foto: Hans-Joachim Reinecke „G 421 – Vitte“.
Wächter der Küste Bedrohungspotenzial Am 15. Februar 1951 verabschiedet der Bundestag das Aufstellungsgesetz für den Bundesgrenzschutz (BGS). Nach Auflösung des Minenräumverbandes in Cuxhaven melden sich am 1. Juli 1951 die ersten hundert Männer in der Annahmestelle des Seegrenzschutzverbandes. Dem Bedrohungspotenzial durch die aufgestellten Seeschutzverbän-
HAUPTKRAFT WEST: Das Patrouillenboot vom Typ 157/06 wird für die BGS See 1969/70 mit acht Einheiten in Dienst gestellt.
INFO
1899–1902: Das mächtige British Empire kämpft in Südafrika gegen zwei winzige Bauern-Republiken. Für die Engländer wird es der längste und blutigste Konflikt zwischen dem Ende der Napoleonischen Kriege 1815 und dem Beginn des Ersten Weltkrieges 1914. Von Peter Andreas Popp
Foto: Bundespolizeidirektion Bad Bramstedt
NEUBAU 1989: Das Patrouillenboot „Bredstedt“ der Bundespolizei ist ein heute von Warnemünde aus operierendes Küstenwachschiff vom Typ P 60. Foto: Bundespolizeidirektion Bad Bramstedt
de in der DDR geschuldet, soll sich die Verteilung der Unterkünfte dieser neuen Einheit an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste konzentrieren.
1952 beginnt der geregelte Ausbildungsbetrieb. Im Winter 1952/53 können die ersten Einsatzfahrten auf der Ostsee unternommen werden. Die grünen Uniformierungen und die Dienstgradbezeichnungen des BGS sollen auch beim Seegrenzschutz getragen werden. Nach langen Grundsatzdiskussionen führt man aber seemännische Bezeichnungen und blaue Uniformen mit BGS-Dienstgradabzeichen ein. Der Seegrenzschutzverband gliedert sich zunächst in drei Seegrenzschutzflottillen. Später kommt eine aus kleinen Wachbooten bestehende vierte Flottille mit Heimathafen Kiel hinzu. Zudem
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Technische Daten
Minensuch- und Räumschiff Projekt 89.1 (GBK) Gesamtlänge Gesamtbreite Gesamttiefgang Besatzung Höchstgeschwindigkeit Antrieb Bewaffnung
Umgebaute Kriegsfischkutter
INFO
51,91 m 7,13 m 2,30 m 24 20,0 kn 2x 40 DM, 2.942 kW 2 x 25-mm-Fla.-Maschinenkanonen
Technische Daten Patrouillenboot Typ 157/06 (BGS See)
Gesamtlänge Gesamtbreite Gesamttiefgang Besatzung Höchstgeschwindigkeit Antrieb Bewaffnung
wird der Verband in den I. und II. Seegrenzschutzverband aufgeteilt. Dem Seegrenzschutzverband werden unter anderem folgende sonderpolizeiliche Aufgaben zugeteilt: • lückenlose Beobachtung und Überwachung von Schiffsverkehr in den Hoheitsgewässern und im freien Seeraum; • Feststellung, Verhinderung und Abwehr von illegalem Schiffs- und Bootsverkehr; • Beobachtung und Meldung von Seepolizei-Einheiten der sowjetischen Besatzungszone; • Lebensrettung und Hilfeleistung für Schiffe beziehungsweise Flugzeuge in Seenot. Am 21. November 1951 stellt man das Schul- und Ausbildungssegelboot NORDWIND als erstes Seefahrzeug in Dienst. Als kleine Wachboote werden 1952/53 zehn einheitlich umgebaute Kriegsfischkutter
38,50 m 7,00 m 2,40 m 23 30,0 kn 2x DM, 2.647 kW 2x Bofors 40 mm/L 70
(KFK), die die Kriegsmarine 1944/45 bauen ließ, herangezogen. Die Beschaffung weiterer KFK missglückt. Daher sondiert man auf dem internationalen Schiffsmarkt Alternativen. Schließlich werden sechs ehemalige kanadische Minensuchboote vom Typ BYMS (Bj. 1942) in Holzbauweise erworben. Diese Boote sind mit 36,8 Meter und 190 Tonnen deutlich größer als die KFK, jedoch mit elf Knoten Höchstgeschwindigkeit nur unwesentlich schneller. Bei der Suche stößt man parallel auf die Planungsergebnisse eines U.S.-Navy-Projekts bei der Lürssenwerft in Bremen-Vegesack. Die Planunterlagen des 27,5 Meter langen Weser-River-Patrolboat (WRP) überzeugen. Die Seetüchtigkeit aber wird bei gleichbleibender Breite von 4,6 mit einer Rumpfverlängerung auf 29 Meter und einem 1.500-PS-Dieselmotor optimiert.
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Militär & Technik | Distanzwaffen des Mittelalters
FAKTEN
FAKTEN
Wie auf Angehörige der britischen Führungsschichten, so übt der Burenkrieg auch auf Hitler eine faszinierende Wirkung aus. Es gibt ideologische, sprich rassistische, Gemeinsamkeiten zwischen der Weltanschauung der Buren und derjenigen der Nationalsozialisten. Und es liegt im Herrschaftskalkül Hitlers, nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg sich selbst als legitimen Erben des deutschen Kaiserreichs zu stilisieren. Betrachtet man den Wortlaut der von Kaiser Wilhelm II. abgesetzten „Krüger-Depesche“ (Glückwunschtelegramm an Paul Krüger) vom 3. Januar 1896 nach erfolgreicher Abwehr des ersten britischen Angriffs, so tritt eine Verbindungslinie anti-britischen Denkens in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung vor 1914/18 und nach 1933 deutlich zu Tage: „Ich“, so Wilhelm II., „spreche Ihnen Meinen aufrichtigen Glückwunsch aus, dass es Ihnen, ohne an die Hülfe befreundeter Mächte zu appellieren, mit Ihrem Volke gelungen ist, in eigener Tatkraft gegenüber den bewaffneten Scharen, welche in Ihr Land eingebrochen sind, den Frieden wiederherzustellen und die Unabhängigkeit des Landes gegen Angriffe von außen zu wahren.“
Abb.: picture-alliance/akg-images
Großbritannien 500.000 22.000 Tote (die meisten sterben an Krankheiten)
Buren 65.000* 34.000 Tote (15 Prozent der weißen Bevölkerung) 30.000
*Maximal 35.000 Mann nehmen simultan an Kriegshandlungen teil. Auf Seiten der Briten kämpfen 5.500 Buren.
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SYMBOLFIGUR ANTIENGLISCHER BURENSYMPATHIE: Paul Krüger (oft „Onkel Paul“ genannt) erreicht im Ersten Burenkrieg die Anerkennung der Republik Transvaal, deren Präsident er von 1883 bis 1902 ist. Trotz deutscher Waffenlieferungen und spektakulären Anfangserfolgen kann er den Zweiten Burenkrieg nicht gewinnen. Abb.: picturealliance/dpa
Truppenstärke / Verluste
Truppenstärke Verluste Niedergebrannte Farmen
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RÜCKKEHR MIT SCHLAGSEITE: Für viele Schauspieler wurde „Das Boot“ zum wichtigen Wendepunkt in ihrer Karriere. Etwa für den „Alten“, Jürgen Prochnow (Mitte).
Wichtige Schlachten
Hastings 1066 (Bogen und Armbrust) Schlacht bei Jaffa 1192 (Armbrust) Falkirk 1298 (Langbogen) Crécy 1346 (Langbogen) Aljubarrota 1385 (Langbogen) Azincourt 1415 (Langbogen)
BLICKFANG: Das 11-Meter-Modell der U 96 in den „Bavaria“-Studios lässt die Fans des Films bis heute vor Ehrfurcht erschauern. Foto: Bavaria Film/Manfred Lämmerer
Ein Film prägt eine Generation
Das Boot
500–1500: Vor der Erfindung der Feuerwaffen bilden Bogen und Armbrust die wichtigsten Fernwaffen in der Kriegführung des europäischen Mittelalters. Wurfspeere und Schleudern sind dagegen nur von untergeordneter Bedeutung. Von Otto Schertler
Übungsintensiv: Der Langbogen
ERSCHÜTTERUNG EINES WELTREICHES: Zu Beginn des Burenkrieges muss das mächtige British Empire demütigende Niederlagen hinnehmen – so wie hier bei der Schlacht von Colenso 1899.
Die Rolle des „Robin Hood“
Die Buren stehen für das, was Deutschland im Ringen auf globaler Ebene noch bevorsteht: die Durchsetzung ihrer unter „Freiheit“ verstandenen Vorstellungen gegen eine Macht, die meint, die Weltherrschaft zu besitzen. Dieser Blick auf den „Mächtigen“, der seinerseits gravierende Fehler begeht, verkörpert keinen historischen Einzelfall. „Freiheitskämpfer“, die sehr schnell den Begriff „Freiheit“ verleugnen, sobald sie an die Macht kommen, reklamieren für sich immer wieder die Rolle des „Robin Hood“. Eine Rolle, die häufig unkritische Sympathie hervorruft.
Foto: Bavaria Film/Manfred Lämmerer
Gefürchtete Fernwaffen In der Kriegführung des europäischen Frühmittelalters spielt der Bogen keine allzu große Rolle. Er hat die Funktion einer „Hilfswaffe“, die von den ärmsten Kriegern eingesetzt wird. Mit dem 10. Jahrhundert tritt der Bogen als Waffe vermehrt in Erscheinung, und dies hängt mit dem verstärkten Belagerungskrieg sowie dem Kampf gegen fremde Völker wie Ungarn und Araber zusammen. Der Siegeszug des Langbogens setzt mit den Feldzügen der Engländer in Wales im Verlauf des 13. Jahrhunderts ein. Die Waliser verwenden diese Waffe mit solcher Effektivität, dass sie bald auch von den Engländern eingesetzt wird. In den Kriegen gegen die Schotten während des frühen 14. Jahrhunderts erweist sich der Massenbeschuss gegen die meist schlecht gepanzerten Schotten als äußerst wirkungsvoll. Seinen Höhepunkt erlebt der Langbogen im Hundertjährigen Krieg gegen Frankreich, wo er einige Male entscheidend zum Sieg der Engländer beiträgt (siehe Bericht Seite 34). Die Größe des Langbogens beträgt etwa zwei Meter, und er besteht aus dem mehrere Jahre abgelagerten Holz (Esche, Ulme und Eibe). Bogenholz gewinnt man durch das
Es geht also bei der Betrachtung des Burenkrieges auch um ein Instrument der Gewaltherrschaft im 20. Jahrhundert. Sind die KZs eine Erfindung „der Briten“ oder „der Deutschen“? Beachtenswert ist, dass die nationalsozialistische Propaganda das Thema „Burenkrieg“ unter der Rubrik „Perfides Albion“ behandelt: Im Spielfilm „Ohm Krüger“
Abb.: picture alliance/akg
(1941) werden die Konzentrationslager als negative britische Erfindung ganz offen angesprochen. Und das zu einem Zeitpunkt, als das NS-Lagersystem bereits seit acht Jahren besteht!
Foto: picture alliance/Eventpress Hermann
Abb.: akg-images/Osprey Publishing/Crecy 1346/Graham Turner
Langbogen und Armbrust
dert n. Chr. stammenden Opferplatz von Nydam (Nordschleswig) gefunden wurden und deren Länge knapp zwei Meter beträgt.
Verwerfliches „Vorbild“
ASYMMETRISCHE KRIEGFÜHRUNG: Ein burisches Kommando bezieht Stellung in einer Felswand. Die Guerillakämpfer sind den Briten zwar zahlenmäßig unterlegen, aber gleichen dies zunächst durch schnelle Überfallmanöver und Kenntnis des Terrains aus. Außerdem besitzen sie oft moderne (deutsche) Gewehre.
Film KAMPF DER DISTANZWAFFEN: In der Schlacht von Crécy 1346 treffen englische Langbogenschützen (links oben im Bildhintergrund) auf genuesische Armbrustschützen (im Vordergrund), die in französischen Diensten stehen.
eben dem Wurfspeer ist der Bogen die älteste Fernwaffe der Menschheit. Seine Geschichte reicht bis in die Jüngere Altsteinzeit (ungefähr 30.000 v. Chr.) zurück, und seitdem findet er in ganz Europa Verwendung als Jagd- und Kriegswaffe. Während man im Nahen Osten und in den Steppen Zentralasiens seit etwa 3.000 v. Chr. den aus mehreren Materialien (Holz, Knochenplatten, Sehnen) bestehenden Komposit- bzw. Reflexbogen nutzt, bleibt im nördlichen Europa der ganz aus Holz bestehende Kurz- bzw. Langbogen die Regel. Ausnahmen hierbei bilden die Reflexbögen der in der römischen Armee dienenden östlichen Bogenschützen. Diese verschwinden jedoch mit der beginnenden Völkerwanderung wieder aus dem nördlichen Europa, wo der einfache Holzbogen auch weiterhin unangefochten das Feld beherrscht. Mit dem beginnenden Frühmittelalter (um 500 n. Chr.) beschränkt sich die Verwendung von Reflexbögen überwiegend auf den osteuropäischen und südeuropäischen Raum, denn hier bleiben die Einflüsse von Reitervölkern und der orientalischen Welt wirksam. In Mittel-, West- und Nordeuropa bleibt der ganz aus Holz bestehende Bogen im Dienst. Der Langbogen ist hier schon früh bekannt. Dies zeigt sich auch an Originalfunden, wie den zahlreichen Bogenstäben, die in dem aus dem 5. Jahrhun-
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n seiner großen Studie über Mentalitäten im Ersten Weltkrieg legt der amerikanische Historiker Adam Hauschild frei, wie auf englischer Seite besonders der Burenkrieg militärisches Personal prägt. Ein gutes Beispiel ist Feldmarschall Douglas Haig, auf dessen Konto am ersten Tag der Schlacht an der Somme 19.000 Tote und annähernd 36.000 Verwundete unter den britischen Soldaten gehen. Winston Churchill bietet ein weiteres Exempel: Im Ersten Weltkrieg bekleidet er bis Mitte Mai 1915 das Amt des Ersten Lords der Admiralität. Als solcher trägt er die Verantwortung für das Ausbluten alliierter Truppen beim Angriff auf die Dardanellen im Frühjahr 1915 (44.000 Tote und 97.000 Verletzte). Auch Churchill nimmt am Burenkrieg teil: nicht als Soldat wie im Sudan (1898), sondern als Zeitungskorrespondent. Er gerät in Gefangenschaft und flüchtet auf spektakuläre Weise. Seine zwei Bücher darüber prägen seinerzeit wesentlich die öffentliche Meinung über den Burenkrieg in Großbritannien. Zugleich befördern sie den frühen Ruhm des mit Sicherheit bedeutendsten britischen Politikers des 20. Jahrhunderts. Was fällt anhand dieser beiden Persönlichkeiten auf? Offensichtlich ist deren „Desperado-Mentalität“, die sich so verhängnisvoll im Großen Krieg von 1914 bis 1918 auswirkt, geprägt durch den Krieg am Kap. Der Kampf mit den Buren ist aus deutscher Perspektive auch ein markanter Wendepunkt in den deutsch-britischen Beziehungen zwischen der Reichsgründung 1870/71 und dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Hinzu kommt, neben der damaligen Sympathie für die Buren, dass die Briten hier erstmals ein Instrument der Kriegführung anwenden, das gemeinhin mit einer späteren Phase der deutschen Geschichte identifiziert wird: das Konzentrationslager.
Kampf ums Kap
der Stärke der inzwischen in der sowjetisch besetzten Zone aufgestellten Volkspolizei entsprechen…“
ZUR SICHERUNG: Mit Argusaugen überwachten Ost und West auch ihre Seegrenzen. Hier ein Postenpaar der Grenzbrigade Küste, ausgerüstet mit der MaschinenpistoFoto: picture-alliance/ZB©dpa le AK-47.
N
Im Unterschied zur etwa zeitgleich geführten Schlacht in den Ardennen sind die amerikanischen Defensivoperationen im Unterelsass von Beginn an koordiniert. Major General Alexander M. Patch, Kommandeur der amerikanischen 7th Army, verfolgt eine Strategie, die den kaum miteinander vereinbarenden Vorstellungen des alliierten Oberbefehlshabers Dwight D. Eisenhower und der französischen Verbündeten Rechnung trägt: Einerseits würde Eisenhower das Elsass am
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Der Burenkrieg im Süden Afrikas
Spalten kleiner und gut gewachsener Stämme, wobei besonders am Bogenrücken (die dem Schützen abgewandte Seite des Bogens) der natürliche Faserverlauf des Holzes nicht beschädigt werden darf. Bei der Herstellung wählt man das zur Mitte des Stammes gelegene ältere Holz für den Bogenbauch, das jüngere zähe und langfaserige Holz dient als Bogenrücken. So entsteht ein natürlich gewachsener Kompositbogen, an dessen beiden Enden Hornnocken aufgeschoben werden, die zur Befestigung der Sehne dienen. Die Herstellung der Bögen liegt teilweise in der Hand von Spezialisten, wird aber auch durch die Schützen selbst vorgenommen.
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1981: „Eine Reise ans Ende des Verstandes“ versprach das Filmplakat. Aber man musste erst den Film gesehen haben, um zu ahnen, was damit gemeint sein könnte. „Das Boot“ hat Filmgeschichte geschrieben und sein Publikum beeindruckt. Von Stefan Bartmann
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ereits beim düsteren Vorspann aus der brummelnden, grau-grünen Tiefe des Meeres dürfte dem Zuschauer klar geworden sein, dass es hier zur Sache gehen würde. Vorher, auf einer Bildtafel, erhielt er eine kurze statistische Nachhilfestunde in U-Boot-Geschichte: „Von 40.000 deutschen U-Bootmatrosen kehrten 30.000 nicht zurück“, stand da. Als „Das Boot“ auch in Großbritannien anlief, das unter der deutschen U-Bootwaffe besonders zu leiden gehabt hatte, soll nicht selten anlässlich dieses Textes im Saal applaudiert worden sein. Nach dem dramatisch-tragischen Ende der Geschichte habe sich die Sympathielage gedreht, heißt es. Kein anderer WeltkriegsFilm zuvor hatte die Briten zur Identifizierung mit dem einstigen Gegner verleiten können. Soviel vermag Kino. Manchmal. Auch in Deutschland war Erstaunliches geschehen. Ohne es darauf angelegt zu haben, hatte „Das Boot“ ein weithin vergessenes, ver-
drängtes, fast komplett ausgeblendetes Thema innerhalb von zwei Filmstunden in Allgemeinwissen zurückverwandelt – zumindest für jene, die Lothar-Günther Buchheims gleichnamigen Tatsachen-Roman noch nicht kannten: den deutschen U-Bootkrieg im Zweiten Weltkrieg.
Bester seines Fachs Es gibt viele Gründe, weshalb „Das Boot“ bis heute als bester aller U-Bootfilme gilt. Besetzung, Ausstattung, Filmmusik, Sound und Bildgebung… Manches davon war stilbildend, vieles davon hat sich im Gedächtnis der Zuschauer gehalten. Der Film ist auch gute Unterhaltung, ein span-
Der Klassiker auf DVD Neue Dimensionen erreichte „Das Boot“ 1997, als der optimierte Director’s Cut auf DVD erschien. Foto: picture alliance/akg-images
nendes Abenteuer, das den Akteuren oft derart dicht auf den Leib rückt, dass es dem Zuschauer ob solch unziemlicher Nähe unangenehm werden mochte. Regisseur Wolfgang Petersen und sein großartiges Team nehmen die Zuschauer mit an Bord von U 96 bei dessen unglücklicher Feindfahrt in den Nordatlantik, um Jagd auf alliierte Handelsschiffe zu machen. Doch die Hatz beginnt als bohrende Routine, als Warten auf eine Gelegenheit, die nicht kommen will. Als es dann doch soweit ist, zeigt sich die erbärmliche Seite des Heldentums, und schließlich werden die Jäger zu Gejagten, die samt ihres „Eisernen Sarges“ im Golf von Gibraltar gen Meeresgrund sinken – wäre da nicht jene „Schaufel Sand“ dazwischen. Es sind die spannendsten Sequenzen dieses Films, und spätestens an dieser Stelle muss sich der Zuschauer entscheiden, wem seine Sympathien gelten. Eine inzwischen bekannte Geschichte, wie man annehmen darf. Weithin unbekannt ist die Vorgeschichte dieses Erfolges, der um Haaresbreite nie entstanden wäre (siehe Kasten auf Seite 67).
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Fotos, soweit nicht anders angegeben, Bavaria Film/Karlheinz Vogelmann
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Mächtiger Offensivschlag
liebsten zeitweilig preisgeben und den Rückzug auf die Vogesen befehlen, andererseits wollen die Franzosen die Aufgabe von Straßburg unter allen Umständen verhindern. Als die deutsche Offensive im Elsass beginnt, operiert eine bewegliche Kampfgruppe („Task Force Hudelson“) schon jenseits der Reichsgrenze auf deutschem Gebiet. Dem deutschen Ansturm kaum gewachsen, verzögern ihn diese Kräfte zumindest. Durch den hartnäckigen Widerstand der Amerikaner südlich von Bitsch, der durch das schwierige Gelände der Niedervogesen mit ihren tiefen Geländeeinschnitten begünstigt wird, verlagert sich der deutsche Angriffsschwerpunkt auf das offenere Gelände südlich von Weißenburg (frz.: Wissembourg). Hier aber sitzen US-Truppen in den Befestigungsanlagen der Maginot-Linie. Patch befiehlt einen schrittweisen Rückzug auf eine Auffanglinie. Davon wurden vier
Clausewitz 2/2015
Kalter Krieg: Aufseiten der Bundesrepublik übernimmt der Bundesgrenzschutz See und für die Deutsche Demokratische Republik die Grenzbrigade Küste die oft heikle Rolle des Hüters der Küstenabschnitte. Von Thilo Wierzock reich der Baltischen Flotte übernimmt die Sowjetunion die Räumung aber selbst. Ein stark verkleinerter Teil der 1947 aufgelösten GM/SA verbleibt mit 18 Seefahrzeugen als Minenräumverband des Zollgrenzschutzes bis 1951 in Cuxhaven. Im Sinne einer strukturierten und kontrollierbaren inneren und äußeren Sicherheit der jungen Bundesrepublik fordert Bundeskanzler Konrad Adenauer im Sommer 1950 „…die Errichtung einer einheitlichen Schutzpolizei für das Bundesgebiet; die Größe dieser Polizei sollte
trouille des genannten US-Verbandes, geführt von Sergeant Chester Giles, hatte am Vortag ostwärts von Hatten sechs deutsche Panzer unter Tarnnetzen entdeckt. Doch diese Beobachtung ist nicht richtig interpretiert worden. Die US-Truppen sind jetzt nur eingeschränkt abwehrbereit, doch kopflos sind sie nicht.
Kriege, Krisen und Konflikte
Grenzsicherung zur See in West und Ost
ie Grenzsicherung an den deutschen Küsten und Küstengewässern übernehmen die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst selbst. Ausschließlich die Aufgabe von Minenräumungen in der Nordund Ostsee, besonders im Bereich der Hafenzufahrten und der allgemeinen Seewege, wird deutschen Marineeinheiten auferlegt. So wird auf Befehl der westlichen Alliierten das Minensuchpersonal der ehemaligen Kriegsmarine nicht interniert. Es entsteht im Sommer 1945 die GM/SA (German Mine Sweeping Administration). Im Wirkungsbe-
er Stoßtrupp, bestehend aus Grenadieren der 6. Kompanie des II. Bataillons/ Panzergrenadierregiment 119 und einer Gruppe Pionieren, arbeitet sich nun schon seit 23:00 Uhr des 8. Januar 1945 durch den Minengürtel und die Drahtverhaue im Vorfeld der Bunkerlinie im Nordelsass. Der hartgefrorene Boden erschwert den Männern, die in dieser bitterkalten Nacht völlig lautlos einen Weg bahnen müssen, das Räumen der Minen erheblich. Am 9. Januar um 4:00 Uhr morgens befindet sich der deutsche Stoßtrupp am feindseitigen Ende der Sperre. Noch sind 100 Meter deckungsloses Gelände zu überwinden, 100 Meter bis zum ersten Bunker. Es handelt sich um Infanteriekasematten der Maginot-Linie, ausgelegt für eine Besatzung von jeweils 20 bis 25 Mann, nun besetzt von amerikanischen Soldaten des 2nd Battalion vom 242nd Infantry Regiment. Eine Pa-
14th Armored Div.
Verluste 14th Armored Division*: (13. Januar bis 20. Januar 1945) gefallen: 104 Mann verwundet: 899 Mann vermisst: 122 Mann
1981 war „Das Boot“ die bislang teuerste und aufwendigste deutsche Filmproduktion – und eine der umstrittensten dazu. Sie verschlang über 30 Millionen Mark. Innerhalb von zwei Jahren hatten 250 Mitarbeiter ihr Bestes gegeben, um die Feindfahrt der U 96 in all ihrer Tragik und Dramatik glaubwürdig umzusetzen. Das Ergebnis war ein überwältigender Erfolg, weit über das Genre „Kriegsfilm“ hinaus. In der britischen und französischen Filmkritik waren gar Vergleiche mit prägenden Meisterwerken wie „Im Westen nicht Neues“ oder „Die große Illusion“ zu lesen. Am Anfang stand jenes 600-Seiten-Werk von Lothar-Günther Buchheim (1918–2007), das 1973 erschienen war und sich sofort in die Bestsellerlisten katapultiert hatte. Buchheim war Kriegsberichterstatter gewesen und hatte an Feindfahrten teilgenommen. Sein Text ist dokumentarisch und journalistisch, brutal und vulgär – aber auch präzis
HINTERGRUND
und packend in der Schilderung von Bootstechnik und Alltag der Besatzung. Die klaustrophobische Enge in der „Röhre“ von U 96 hat Buchheim nicht übler geschildert als es dem Film später mit Bildern und Toneffekten gelungen ist. Dessen brillante, hoch-professionelle Machart hat nie jemand bestritten.
Hauptdarsteller: U 96 „Das Boot“ ist auch – aber nicht nur – ein Triumph der Ausstatter! Den Verantwortlichen war klar, dass der eigentliche Hauptdarsteller U 96 selbst sein würde, bei dem man sich keine Fehler erlauben durfte; jede darin investierte Mark würde gut angelegtes Geld sein. Die Pläne für ein U-Boot des Typs VII-C fanden sich im Chicago Museum of Science and Industry. Auch ein greifbares Original war vorhanden: U 995 in Laboe bei Kiel, von
„Boots“-Gefechte
Wie so oft, wenn Buch und Film künstlerisch aufeinanderprallen, war der Konflikt zwischen Autor und Produzent programmiert. Rohrbach und Petersen blieben gelassen und ertrugen die scharfzüngige Kritik des streitlustigen Lothar-Günther Buchheim. Petersen hat später gesagt, Buchheim habe wohl am liebsten selbst die Regie übernehmen wollen… Der Autor fühlte sich als „entrechteter Stofflieferant“. Nur die präzisen Boots-Nachbauten ließ er gelten. Das Publikum liebte den Film trotzdem, und das deutsche Kino hätte eigentlich ein bisschen stolz auf sich sein dürfen. Doch die höhere deutsche Filmkritik nahm 1981
Clausewitz 2/2015
den Film sehr reserviert auf. Dieser Kriegsfilm war ihr zu pompös geraten und als Anti-Kriegsfilm gescheitert. Fast schien es, als sollte U 96 im Kulturteil nochmals versenkt werden. Konsequent reichte die deutsche Auswahlkommission „Das Boot“ nicht als Anwärter für den sogenannten „Auslands-Oscar“ in Los Angeles ein. Ein Jahr später versuchte es der amerikanische Verleih. Prompt wurde der Film für sechs „Oscars“ nominiert, darunter auch für Petersens Regie. Bei der „Oscar“-Verleihung 1983 ging „Das Boot“ zwar leer aus, aber der Respekt der Branche hallte noch lange nach.
CLEVER UND SMART: Bernd Eichinger (oben) hat „Das Boot“ zwar nicht produziert, aber seine Vermarktungsstrategie war wegweisend. Lothar-Günther Buchheim fand an der Verfilmung viel auszusetzen. Foto: picture alliance/Süddeutsche Zeitung Foto
Chef-Ausstatter Rolf Zehetbauer akribisch kopiertes Vorbild. Drei Miniaturmodelle dieses Typs wurden gefertigt. Das längste hatte gut elf Meter Länge, was dem Maßstab 1:6 entspricht. Es wurde meist für Fahr-Szenen über Wasser (vor Helgoland und auf dem Bodensee) verwendet und von einem Mann im Bootskörper gesteuert; das Ergebnis war sehr überzeugend. Die Puppen-Crew im Turm konnte ferngesteuert werden. Ein kleineres Modell (1:12) taugte für die Tauchfahrten – im künstlich eingetrübten Wasser im Becken der „Bavaria“-Studios in München. Es wurde auf Schienen am Boden geführt. Das kleinste Modell (1:24) sieht man bei den „Vigo“-, und „Gibraltar“-Szenen und vor dem brennenden britischen Öltanker. Der Bau zweier Boote in Originalgröße verschlang einen Großteil des Budgets. Für die Außenaufnahmen diente eine schwimmfähige Attrappe, von der nur das Oberdeck bis zur Wasserlinie “echt“ war. Ein statisches Set mit komplettem „Innenleben“ sowie der Turm kamen ins Studio nach München. Dort sorgten eine monströse Wippe und Wasserfontänen für patschnasse Action. Etliche Schauspieler sollen von dem Geschaukel wirklich seekrank geworden sein. Und einer brach sich die Rippen. Die Hydraulik machte soviel Lärm, dass diese Szenen komplett nachvertont werden mussten. Die 55 Meter lange „Röhre“ auf dem Freigelände der „Bavaria“-Filmstadt wurde populär und zieht noch immer Fans jeglichen Alters an. Der Bau des U-96-Interieurs war nicht das einzige Problem. Es musste eine Möglichkeit
S.66 67
Militär und Technik
Menschen & Geschichten
Gefürchtete Fernwaffen...............................................................................................60
Der „Retter von Paris“? ..............................................................................................72
Langbogen und Armbrust im Vergleich.
General Dietrich von Choltitz (1894–1966) als Stadtkommandant von Groß-Paris zwischen Pflicht und Anstand.
Menschen & Geschichten
„Das Boot“ ..................................................................................................................................................66
Spurensuche
Kontroverser Klassiker des deutschen Films.
Geballte Panzertechnik................................................................................................78
Kriege, Krisen und Konflikte
Das Tank Museum Bovington – Großbritanniens großes Panzermuseum.
Konnten die Deutschen nicht kämpfen? .............................70 Das „deutsche“ XI. Korps des Amerikanischen Bürgerkriegs
Vorschau/Impressum............................................................................................................................82
Titelfotos: ullstein bild–ullstein bild; ullstein bild – Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo; ullstein bild; picture-alliance/akg-images; (Bavaria Film/Manfred Lämmerer); BArch, Bild 183-E1210-0201-018 (Foto zu Choltitz bearbeitet, Person freigestellt); Andrea Modesti (2x)
Titelbild: Österreichische MG-Stellung auf einem Hochplateau in den Südtiroler Bergen. Die Alpen waren einer der extremsten Schauplätze des Ersten Weltkrieges.
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Magazin
Ort der Stille und des Gedenkens eingeweiht
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ingebettet in den Baumbestand der Henning-vonTresckow-Kaserne, Standort des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr nahe Potsdam, wurde auf einem zirka 4.500 Quadratmeter großen Areal ein neuer Gedenkort geschaffen. Dieser erinnert seit seiner Einweihung Ende 2014 an die Bundeswehrangehörigen, die im Einsatz und im regulären Dienst ihr Leben verloren haben.
Die Anlage umfasst einen etwa 150 Meter langen „Weg der Erinnerung“ und wird von sieben Stelen gesäumt, die das Todesjahr, den Namen sowie das Einsatzgebiet der im Einsatz Verstorbenen tragen. Rechts- und linksseitig des Weges sind die zurückgeführten Ehrenhaine aus den Einsatzgebieten der Bundeswehr auf Lichtungen in den Wald integriert. Der „Wald der Erinnerung“ ist nicht nur den
Einsatztoten gewidmet. Angehörige jener Soldaten und Mitarbeiter der Bundeswehr, die in Ausübung ihres Dienstes ihr Leben ließen, können an den Bäumen individuell gestaltete Gedenkschilder anbringen. Das Konzept der Ruheforste stand hier Pate, jedoch werden keine Bestattungen auf dem Areal vorgenommen. Die neue Anlage stellt eine Ergänzung des bereits 2009 eingeweihten Ehrenmals der Bundes-
Der „Ort der Stille“ lädt mit seinen Ruhebänken zum Verweilen und Innehalten ein.
wehr am Berliner Bendlerblock, das ebenfalls den Toten der Bundeswehr gewidmet ist, dar. Der „Wald der Erinnerung“ („Henning-von-Tresckow-Kaserne“,14548 Schwielowsee, OT Geltow) ist der interessierten Öffentlichkeit und Hinterbliebenen tagsüber im Passwechselverfahren zugänglich. Mehr Informationen finden Interessierte im Internet unter www.bundeswehr.de
Fotos: picture-alliance/ZB©dpa
„Wald der Erinnerung“ der Bundeswehr
AUSSTELLUNGSTIPP
„Krieg in den Alpen – Die Alpen im Krieg ...“
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it der Sonderausstellung „Krieg in den Alpen – die Alpen im Krieg. Die Anfänge der deutschen Gebirgstruppe 1915“ zeigt das Bayerische Armeemuseum Ingolstadt zusammen mit der „Stiftung Deutsche Gebirgstruppe“, dem „Kameradenkreis Deutsche Gebirgstruppe“ sowie dem Wehrgeschichtlichen Museum in Rastatt und zahlreichen
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weiteren Leihgebern und Unterstützern, eine Gesamtschau der Zeit vor 100 Jahren und des Gebirgskrieges im Frühling und Sommer 1915. Der Schwerpunkt dieser Sonderausstellung liegt dabei auf der militärgeschichtlichen Komponente und besonders auf der Geschichte des sehr bekannten „Deutschen Alpenkorps“.
Die Ausstellung im Reduit Tilly des Bayerischen Armeemuseums ist bis zum 27. September 2015 zu sehen. Kontakt: Bayerisches Armeemuseum Paradeplatz 4 85049 Ingolstadt Telefon: +49 (0)841-9377-0 www.armeemuseum.de
Sehenswerte Ausstellung mit einem Schwerpunkt zum Deutschen Alpenkorps.
Foto: ©Bayerisches Armeemuseum
Sonderschau des Bayerischen Armeemuseums
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ENGLISCHSPRACHIGES Eine Geschichte der britischen Militärküche Als besondere Zugabe befinden sich im Anhang des Buches über 20 Rezepte zum Nachkochen, zum Beispiel ein „Yorkshire Pudding“ oder ein „Corned Beef Wellington“. Wer auch einen Blick über die Feldküche hinaus in die Kombüse wagen möchte, dem sei zusätzlich das Buch „Feeding Nelson’s Navy“ (2004) aus der Feder derselben Autorin empfohlen. Janet Macdonald: From Boiled Beef to Chicken Tikka. 500 Years of Feeding the British Army. Barnsley 2014. 246 Seiten, 39 s/w-Abbildungen, Hardcover mit Schutzumschlag, zirka 25,– EUR.
53.000 Exemplare des sowjetischen T-34 wurden während des Zweiten Weltkriegs gebaut. Damit ist er der meistgebaute Panzer des Krieges von 1939–1945. Zum Vergleich: Von den deutschen Panzerkampfwagen III und IV wurden insgesamt lediglich rund 14.200 Stück gefertigt.
Unbekannte Helden: Feldküchen, Versorgungstruppen und Militärköche agieren „hinter den Kulissen“ – doch ohne sie würde eine Armee nicht funktionieren.
Deutsche Auszeichnungen in eigenes und vor allem komplexes Kapitel in der Militärhistorie stellen die Orden und Abzeichen der Streitkräfte dar: in ihrer Gesamtheit eine kaum überschaubare Materie. Autor Volker A. Behr bringt mit seinem Typenkompass „Deutsche Auszeichnungen – Kampf- und Tätigkeitsabzeichen des Heeres und der Kriegsmarine 1937–1945“ Licht ins Dunkel und knöpft damit nahtlos an sein vorangehendes Werk an, das die Orden und Ehrenzeichen der Wehrmacht kompakt thematisiert. In diesem Titel ist das Wissen um die
Die Fotocollage des russischen Fotografen Sergey Larenkov stellt eindrucksvoll visualisiert einen Brückenschlag zwischen Vergangenheit und Gegenwart her. www.sergey-larenkov.livejournal.com
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Kampfabzeichen – als äußeres Zeichen der Teilnahme an herausragenden militärischen Handlungen – sowie um die Tätigkeitsabzeichen für die Fachausbildung in einer bestimmten Verwendungsreihe zusammengefasst. Die Systematik macht der Verfasser dabei an der historischen Chronologie fest und separiert zwischen Heer und Marine. Dabei liefert er nicht nur überwiegend farbige Abbildungen der einzelnen Abzeichen, sondern in
tabellarisch komprimierter Form viele wissenswerte Details über die Verleihungsmodalitäten, den künstlerischen Entwurf, ihre Form und Tragweise. Selbst die Hersteller und die Verpackungsmittel werden aufgeführt. Volker A. Behr: Deutsche Auszeichnungen – Kampf- und Tätigkeitsabzeichen des Heeres und der Kriegsmarine 1937–1945. Stuttgart 1. Auflage 2014, 128 Seiten, rd. 250 Abbildungen, Softcover DIN A5, ISBN 978-3613035980, Preis: 12,- EUR
Damals: Balga südwestlich von Königsberg in Ostpreußen ist gegen Kriegsende einer der letzten deutschen „Brückenköpfe“ am östlichen Haffufer. Verbliebene Wehrmachtseinheiten (im Bild) werden im März 1945 evakuiert. www.sergey-larenkov.livejournal.com
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Foto: Motorbuch Verlag
Kampf- und Tätigkeitsabzeichen 1937–1945
ZEITSCHICHTEN
Abb.: Frontline Books/Pen & Sword Books Limited
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apoleon wird folgendes Zitat zugeschrieben: „Eine Armee marschiert mit ihrem Magen.“ Dem ist prinzipiell wenig entgegenzusetzen. Doch was haben die Soldaten in ihre Mägen bekommen? Wie wurde das alles organisiert? Aßen Offiziere und Mannschaften das Gleiche? Auf diese – und viele weitere damit zusammenhängende Fragen – gibt das Buch „From Boiled Beef to Chicken Tikka“ von Janet Macdonald Auskunft. Jedenfalls in Bezug auf die britische Armee vom 17. Jahrhundert bis heute. Ein äußerst interessantes Thema, dem – gemessen an seiner Bedeutung für die Armee – nur sehr wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Foto: picture-alliance/United Archives/Top Foto
„From Boiled Beef to Chicken Tikka“
Heute: Noch lange nach den schweren Kämpfen von 1945 sind bei Ebbe versunkene deutsche Fahrzeuge im Frischen Haff zu erkennen. Die ehemalige Burg Balga besteht heute nur noch als Ruine mit kleinem Museum. 7
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Clausewitz
Magazin
SAMMELTIPP Blick auf einen Teilbereich der Dauerausstellung „Gestapo, SS und Reichssicherheitshauptamt in der Wilhelm- und Prinz-Albrecht-Straße“.
Erster Weltkrieg: Die Schlacht an der Somme Foto: Uwe Bellm/Stiftung Topographie des Terrors
„In der Politik ist Dummheit kein Handicap.“ Napoléon Bonaparte (1769–1821)
Das grausame Gemetzel als Faltpanorama
BUCHEMPFEHLUNG
Fotografische Erinnerungen eines Kriegsteilnehmers
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ie Schlacht an der Somme 1916 ist eine der verlustreichsten Schlachten des an Blutvergießen nicht armen Ersten Weltkriegs: Allein die Briten haben am Ersten Kampftag 20.000 Tote zu beklagen. Der amerikanische Zeichner und Comic-Künstler Joe Sacco überträgt den ersten Tag dieser menschlichen Tragödie in chronologischer Abfolge in ein beeindruckendes Leporello. Die schwarz-weißZeichnungen dieses Panoramas sind so detailliert, dass man Stunden mit dem Betrachten des Kunstwerks verbringen kann. Als Vorlage für seine Arbeit dienten ihm vor allem historische Fotoaufnahmen aus dem Imperial War Museum in London. Sacco
hat einen neutralen „Blick von oben“ gewählt, der rein deskriptiv ist und die groß angelegte Zeichnung ohne Text oder Sprechblasen unmittelbar auf den Betrachter wirken lässt. In dem edel aufgemachten Schuber befindet sich neben dem Bildpanorama (ausgeklappt sieben Meter lang, 24 Seiten zum Umblättern) ein Begleitbuch. Das Set ist bei der „Edition Moderne“ erschienen und kostet zirka 35 Euro. Wer ein Exemplar erwerben möchte, sollte sich beeilen – die erste Auflage ist fast vergriffen, und einen Nachdruck wird es vermutlich nicht geben.
„Rum Punch“ nach Art der British Army
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eute verlässt CLAUSEWITZ die „ordinäre“ Feldküche und betritt das Offizierskasino. Gönnen Sie sich zur Lektüre des vorliegenden Heftes einen stilvollen „Rum Punch“, wie er für britische Offiziere „komponiert“ wurde: Geben Sie die Zitronenschale, den Zucker, den Rum und den Brandy zusammen in einen Kochtopf. Bei mittlerer Hitze kochen, bis der Zucker geschmolzen ist. Danach den Ofen ausschalten und die Mischung im Topf anzünden. Für etwa zwei Minuten brennen lassen, dann durch aufsetzen des Deckels die
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as besprochene Buch stellt den ersten Band in einer Reihe von Veröffentlichungen dar, die unter der Bezeichnung „Fotografiert Das Buch besticht durch seltene Aufnahmen. von Soldaten“ im Luftfahrtverlag-Start erscheinen werden. Grundlage sind die fotografischen Erinnerungen von Kriegsteilnehmern. Der erste Band der Reihe stellt Hans Becker in den Mittelpunkt. Als Stabsangehöriger beim Panzer-Regiment 8 in Afrika 1942/43 hat er den dortigen Fronteinsatz ausführlich und qualitativ hochwertig fotografisch dokumentiert. Ende 1943 wurde er vom Kommandeur der schweren Panzer-Abteilung 508 beauftragt, den Weg der Abteilung bildlich festzuhalten. Dadurch fotografierte Hans Becker auch den Einsatz dieser „Tiger-Einheit“ 1944/45 in Italien, zum Teil sogar in Farbdias. Axel Urbanke/Hans Becker: Als Panzermann in Afrika und Italien 1942–45 – Panzer Regiment 8 und schwere Panzer-Abt. 508, (=Fotografiert von Soldaten, Bd. 1). Bad Zwischenahn 2013. 258 Fotos davon 36 in Farbe und 13 farbige Karten.
Für den Offizier und Gentleman: Der „Rum Punch“ kann passend zur Jahreszeit auch mit Zimtstangen garniert werden.
Flamme löschen. Nun den Zitronensaft sowie das kochende Wasser hinzugeben, gut umrühren und das Ganze für zehn Minuten ziehen lassen. Probieren, und bei Bedarf mit Nehmen Sie für den „Rum Punch“ solide Zucker nachsüßen. Vor dem Servieren bitte (und gut erhältliche) Tropfen: etwa den Osvollständig abkühlen lassen. borne Magno Brandy und den Botucal Anejo Noch ein Hinweis: Die Verwendung von (vier Jahre) Rum. Beide kosten jeedlen Spirituoweils zwischen 15,– und 20,– sen in diesem EUR und würden auch im Offite s i l n Rezept wäre ein zierskasino Ihrer Majestät eine e t a t u Z Zu cker wenig dekadent gute Figur abgeben, da sie Qual e f öf l e Te - 2 e on – genießen Sie lität und Geschmack mit ökonor t Zi - 1 5 l Rum diese lieber pur. - Ci r ca 0, 22 5 l Br andy mischer Räson kombinieren. - Ci r ca 0, 5 l ko ch e n- Ci r ca 0, er de s Was s
Abb.: picture-alliance/chromorange
Foto: Edition Moderne
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Foto: Luftfahrtverlag-Start
Als Panzermann in Afrika und Italien
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| Februar
€ 5,50
A: € 6,30 CH: sFr 11,00 BeNeLux: € 6,50 SK, I: € 7,45 S: SKR 75 N: NOK 79 FIN: € 8,10
Clausewitz Das Magazin für Militärgeschichte
MUSEUMSTIPP
Bau kommt voran Das NS-Dokumentationszentrum in München
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Foto: picture alliance/SZ Photo
as NS-Dokumentationszentrum in München wird wie geplant am 30. April 2015, dem 70. Jahrestag der Befreiung Münchens, eröffnet. Zuletzt entfernte man im Dezember 2014 Bewuchs von der Ruine des ehemaligen „NS-Ehrensockels“, sodass die Trümmer nun in das Konzept integriert werden können. Die Ausstellung beschäftigt sich mit der Geschichte und den Folgen des Nationalsozialismus und soll für eine breite Öffentlichkeit als Lern- und Erinnerungsort dienen. Die Lokalität selbst ist nicht zufällig gewählt, denn auf dem Gelände stand in der NS-Zeit das sogenannte „Braune Haus“, die Parteizentrale der NSDAP in München. Parallel zum Bau gestaltet das Dokumentationszentrum seinen Auftritt im Netz neu, den Interessierte unter folgender Adresse erreichen könnnen: www.ns-dokumentationszentrum-muenchen.de
Das NS-Dokumentationszentrum (rechts) während der Bauarbeiten
Briefe an die Redaktion Zu „Kampf um die Kaiserstadt“ in CLAUSEWITZ 6/2014:
Die Bedienung der gezeigten Haubitze besteht komplett aus Artilleristen schwarzer Hautfarbe. Ein gutes optisches Beispiel für die „Segregation" (=Rassentrennung) innerhalb der US-Streitkräfte, erst 1948 endete die Geschichte der „US Colored Troops“. Ab dann gab es gemischtrassige Einheiten in der U.S. Army. Jürgen Kaltschmitt, per E-Mail Zu „Markante Wahrzeichen“ in CLAUSEWITZ 6/2014:
Entgegen der Vermutung Ihres Autors, die Besatzung wolle mit dem Abzeichen „Fang den Hut“ am Turm ausdrücken, dass aus Jägern Gejagte wurden, wollte die Besatzung nach Aussage des damaligen Kommandanten OLt z.S. Hans Georg Hess sich bei der Wahl dieses Abzeichens von den sonst üblichen Kampfsymbolen wie Löwenkopf, Schwerter usw. absetzen und ein heiteres Bild wählen. So kam es nach seinen Worten zur „Abkupferung des Kinderspiels ,Fang den Hut’, in dem ein Spieler den anderen jagt und fängt (exakt unser ernstes Kriegsspiel rund um das Nordkap)“. Die Besatzung sah sich also nach den Worten des Kommandanten durchaus noch als Jäger und nicht als Gejagten. Nachzulesen ist das in dem kleinen Buch von Hans Georg Hess „Die Männer von U 995“, 4. Auflage auf der Seite 41. Erschienen ist die 4.
Der „Tiger“ Gefürchteter Koloss
Auflage dieses Buches im Jahre 1999. Carsten Werner, per E-Mail Zur Titelgeschichte „Inferno im Osten“ in CLAUSEWITZ 1/2015:
Militärtechnik im Detail
So stemmte sich die Wehrmacht gegen die Rote Armee
Ostpreußen 1945
St. Mihiel 1918 So bewährten sich die US-Truppen im Westen
Feldausrüstung Wie sich Bundeswehr und NVA kleideten
MILITÄR UND TECHNIK
Chlodwig I. Der Ahnherr des modernen Europas
nen für das G3 ausgestattet war. Dieses entspricht so nicht ganz den Tatsachen. Vielmehr waren die Magazintaschen für nur jeweils ein 20-Schussmagazin ausgelegt. Der Soldat der Bundeswehr zog mit insgesamt fünf Magazinen, also 100 Schuss Munition im Kaliber 7,62 x 51 mm los.
Enigma: Beute auf U 110
Die Alliierten knacken den deutschen Funkschlüssel
Vielen Dank für die Artikel über den Abwehrkampf 1944/45 in Ostpreußen! Da mein Großvater, Dr. Wichard von Bredow, damals Landrat im Landkreis Schloßberg (Pilkallen) war und unter Einsatz seines Lebens verhindern konnte, dass in der „Reichspogromnacht“ November 1938 die Synagoge in Schirwindt angezündet und geschändet wurde – als einzige in Ostpreußen blieb sie intakt! –, bin ich an der Geschichte Ostpreußens sehr interessiert. Peter von Bredow, Böbrach Zu „Lästige Lebensretter“ in CLAUSEWITZ 1/2015:
Sie schreiben im Artikel „Lästige Lebensretter" auf der Seite 53 im Abschnitt „Ungeliebtes ,Gerödel’", dass der Bundeswehrsoldat vorne am Koppel vier Kunststofftaschen mit insgesamt acht Wechselmagazi-
Karsten Trube, per E-Mail Zum CLAUSEWITZ-Spezial „Fremdenlegion“:
Danke für die Spezial-Ausgabe „Fremdenlegion“. Danke für die tollen Fotos, die tollen Berichte, die tollen Interviews!! Ich glaube, das war bis jetzt das beste Heft, welches zu diesem Thema in den letzten Jahren erschien. Auch ich spielte in den 80erJahren mit dem Gedanken, nach meiner Bundeswehrzeit in die „Legion“ einzutreten. Für mich war dies ein ganz gewöhnliches und normales Soldatendasein. Das VerbrecherFlüchtlingsklischee gehört schon lange abgeschafft. Es ist und bleibt eine Spezialtruppe mit „außergewöhnlichen“ Männern. Roland Weitbrecht, Weinsberg
Schreiben Sie an:
[email protected] oder CLAUSEWITZ, Postfach 40 02 09, 80702 München Leserbriefe spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe aus Gründen der Darstellung eines möglichst umfassenden Meinungsspektrums sinnwahrend zu kürzen.
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Titelgeschichte
Die Alpenfront 1915–1918
Krieg der Extreme Mai 1915: Nur ein Nebenschauplatz? Inmitten einer weitgehend lebensfeindlichen Umwelt entbrennt ein verbissener Kampf unter härtesten Bedingungen. Ein Kampf, bei dem die Mittelmächte überraschend die Oberhand gewinnen können. Von Holger Hase
BEINAHE SCHLIMMER ALS DER FEIND: Stellung der österreichischen Gebirgsartillerie im verschneiten Gipfelgebiet des Ortlers (Südtirol) in mehr als 3.000 Metern Höhe. Der Krieg an der Alpenfront stellt aufgrund der besonderen Witterungs- und Geländeverhältnisse eine besondere Herausforderung für die Soldaten beider Seiten dar. Foto: ullstein bild – ullstein bild
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Titelgeschichte | Gebirgskrieg 1915–1918 FAKTEN
Italien
Führung der Streitkräfte: Comando Supremo (Sitz: Udine) Chef des Generalstabs – Luigi Conte di Cadorna Strategisches Ziel: Durchbrechen der österreichischen Front am Isonzo und Vorstoß in die Pannonische Tiefebene; „Befreiung“ der italienischsprachigen Gebiete in Österreich-Ungarn Truppen im Operationsgebiet (bei Kriegsbeginn 1915): 1. Armee (Generalleutnant Roberto Brusati) 2. Armee (Generalleutnant Pietro Frugoni) 3. Armee (Generalleutnant Emanuele Filiberto di SavoiaAosta) 4. Armee (Generalleutnant Luigi Nava) (Verbündete: unter anderem Großbritannien, Frankreich, seit Ende 1917 USA)
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Zum Angriff bereit
DEM GEGNER ENTGEGEN: Italienische Soldaten beim Verlassen ihrer Stellung bei Görz (italienisch: Gorizia) an der Isonzofront, an der in insgesamt zwölf Schlachten besonders hart und erbittert mit dem Gegner, darunter auch Truppen des Deutschen Reiches, gerungen wird, Gemälde von Abb.: picture-alliance/Luisa Ricciarini/Leemage Giulio Aristide Sartorio.
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Titelgeschichte | Gebirgskrieg 1915–1918
SCHWEIßTREIBEND: Geschütztransport per Manneskraft im Ortlergebiet in mehr als 3.000 Metern Höhe. Österreich-Ungarn mobilisiert an der Alpenfront seine letzten Reserven, um Italien niederzuringen. Foto: BArch, Bild 183-S30733 / Scherl
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Erbitterte Gegenwehr
FAKTEN
Österreich-Ungarn
Führung der Streitkräfte: Armeeoberkommando (Sitz: Teschen) Armeeoberkommandeur – Erzherzog Friedrich von Österreich Chef des Generalstabs – Franz Freiherr Conrad von Hötzendorf Strategisches Ziel: Verhindern eines Durchbruchs der italienischen Streitkräfte in österreichisch-ungarische Kerngebiete; Ausschalten Italiens als Kriegsteilnehmer Truppen im Operationsgebiet (bei Kriegsbeginn 1915): Südwestfront – Oberbefehlshaber Generaloberst Erzherzog Eugen von Österreich Der Südwestfront unterstellt: 5. Armee (General der Infanterie Svetozar Boroevic ´ von Bojna) Landesverteidigungskommando Kärnten (General der Kavallerie Franz Rohr) Landesverteidigungskommando Tirol (General der Kavallerie Viktor Dankl) (Verbündete: Deutsches Reich)
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Titelgeschichte | Gebirgskrieg 1915–1918
BILD DER VERWÜSTUNG: Hochalpine von den Italienern an der Passhöhe von Cividale errichtete Geschützstellung nach der Erstürmung durch die deutsch-österreichische Isonzo-Offensive. Foto: picture-alliance/akg-images
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in eisiger Wind bläst den Österreichern ins Gesicht, während sie gebannt nach vorne starren. Unerbittlich hämmert die eigene Artillerie auf die Italiener ein, die sich auf der anderen Seite der Front, in der Erde festkrallen. Bald wird sie losgehen, die letzte große Offensive der Mittelmächte in den Alpen. Der alles entscheidende Angriff, der im Frühjahr 1918 über Sieg oder Niederlage entscheiden wird ... Drei Jahre zuvor: Die Kriegserklärung des italienischen Königreiches an die habsburgische Doppelmonarchie vom 23. Mai 1915 kommt nicht unerwartet, setzt Österreich jedoch unter erheblichen Zugzwang. Generalstabschef Franz Freiherr Conrad von Hötzendorf muss nun zügig Truppen von der Ostfront und vom Balkan nach Westen verlegen, obwohl diese auch dort dringend benötigt werden. Darüber hinaus werden in Tirol und Kärnten eilig Reserve- und Freiwilligenverbände aufgestellt, deren Kampfkraft eher gering ist. Insgesamt stehen den Österreichern zur Abwehr der italienischen Angriffe an der
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neuen Alpenfront zunächst nur 224.000 Mann mit 640 mobilen Geschützen zur Verfügung. Demgegenüber lässt der italienische Generalstabschef Luigi Conte di Cadorna vier Armeen mit über einer Million Soldaten,
über den Isonzo in Richtung Laibach (Ljubljana) und Triest mit dem Ziel an, den strategischen Anschluss an die serbischen Streitkräfte auf dem Balkan zu suchen. Den Hauptangriff auf ein anderes Ziel – etwa
„Dass ringsum Krieg ist, daran erinnern die zwischen uns sitzenden Gefangenen, schwaches Artilleriefeuer und ein Luftkampf, bei dem ein italienisches Flugzeug brennend in die Tiefe stürzt.“ Erwin Rommel nach der Erstürmung des Monte Matajur Im Oktober 1917, zitiert nach seinem Buch: „Infanterie greift an“, Feldpostausgabe von 1942, S. 338
21.500 Pferden, 600 Maschinengewehren und 1.800 mobilen Geschützen an der Grenze aufmarschieren.
Italien greift an Im Hinblick auf seine Ziele kommt für das Königreich Italien nur eine offensive Kriegführung in Frage. Dazu bietet sich der Stoß
auf Südtirol – zu lenken, ist aufgrund der großen Geländeschwierigkeiten und der dort vorhandenen österreichischen Grenzbefestigungen unmöglich. Dennoch müssen die Italiener erhebliche Kräfte in die Waagschale werfen, um ihre lange Flanke im Hochgebirge zu decken. Sonst könnten die eigenen Truppen im Osten des Friaul abge-
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GEFÄHRLICH: Gefahren droht den im Gebirgskrieg eingesetzten Soldaten nicht nur durch Feindbeschuss, sondern auch durch Abstürze in die Tiefe. Die Zahl der Toten bei solchen Unglücksfällen ist im Alpenkrieg 1915–1918 sehr hoch. Foto: picture-alliance/Everett Collection
PROPAGANDADARSTELLUNG: „Tirols Heldensöhne im Kampf mit Italienern“ des deutschen Bauernmalers Thomas Baumgartner. Abb.: picture-alliance/akg-images
schnitten werden. Den Schwerpunkt bilden sie am Isonzo, wo die 2. und 3. Armee beiderseits der Stadt Görz in Richtung Osten angreifen sollen. Die Alpen sowie das dazugehörige Gebirgsvorland in Oberitalien und dem heutigen Slowenien stellen einen äußerst anspruchsvollen Kriegsschauplatz dar. Niemals zuvor ist so lange im alpinen Bereich und unter so lebensfeindlichen Bedingungen auf Höhen von über 2.000 und oft sogar 3.000 Metern gekämpft worden.
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Die Kraftanstrengungen, mit denen beide Seiten um den Sieg in den Alpen ringen, sind enorm. Die Front ist nicht zusammenhängend und wechselt wiederholt ihren Verlauf. Die Kämpfe auf diesem Gelände spielen sich in schwindelerregenden Höhen an Felswänden, auf Gletscherfeldern und in Eisstollen sowie in Kavernen ab.
Wettlauf zu den Gipfeln Im Hochgebirge kommt es zunächst allerdings kaum zu größeren Offensivhandlungen. Vielmehr herrscht dort ein „Krieg der Bergführer“, bei dem es in den ersten Kriegsmonaten vor allem darum geht, noch unbesetzte Berggipfel vor dem Feind zu gewinnen, Beobachtungsmöglichkeiten für die eigene Truppe zu schaffen und die Umgehung von Talstellungen und Sperrforts zu verhindern. Eine Besonderheit des Gebirgskrieges stellt der etwas merkwürdige Einsatz des Deutschen Alpenkorps in den Dolomiten
von Mai bis Oktober 1915 dar. Dieser neu aufgestellte divisionsstarke Großverband unter dem Kommando des bayrischen Generals Konrad Krafft von Dellmensingen gilt heute als die historische Keimzelle der deutschen Gebirgstruppe. Er verteilt sich auf einer Frontlänge von 100 Kilometern regimentsweise zwischen den österreichischen Verbänden, eingestreut mit dem Auftrag des Grenzschutzes, aber mit dem strikten Verbot, italienisches Gebiet zu betreten, da zwischen dem Deutschen Reich und Italien eigentlich noch kein Kriegszustand herrscht. Rom erklärt nämlich erst am 28. August 1916 den Deutschen offiziell den Krieg. Das Alpenkorps trägt somit maßgeblich zur Stabilisierung der österreichischen DolomitenFront bei und begründet dadurch seinen späteren legendären Ruf. Der italienische Aufmarsch im Osten, am Isonzo, geht 1915 indes nur schleppend voran. Darüber können auch spektakuläre Erfolge wie die Erstürmung des Krn-Gipfels
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Titelgeschichte | Gebirgskrieg 1915–1918
BEREIT ZUM KAMPF: Österreichische Infanterie mit Maschinengewehr in den Dolomiten, vermutlich Mai 1915. Foto: picture-alliance/akg-images
GENERALSTABSCHEF: Feldmarschall Conrad von Hötzendorf (1852–1925) wird im März 1917 als Chef des Generalstabes abgelöst. Foto: picture-alliance/akg-images
(2.245 Meter) im oberen Isonzotal am 16. Juni 1915 durch Alpini-Eliteeinheiten nicht hinwegtäuschen. So gelingt es den Österreichern, sich zeitgerecht zur Verteidigung einzurichten. Den Oberbefehl über die neu aufgestellte österreichische 5. Armee am Isonzo übernimmt der erfahrene General Svetozar Boroevi von Bojna.
Magere Geländegewinne Der 1. Isonzoschlacht (23. Juni bis 7. Juli 1915), bei der Cadorna auf gesamter Frontbreite zwischen dem Krn im Norden und dem Karst-Plateau von Doberdò im Süden
angreifen lässt, ist deshalb auch kein Erfolg beschieden. Das unkoordinierte italienische Artilleriefeuer bleibt nahezu wirkungslos. Die Italiener können ihre zahlenmäßige Überlegenheit – 18 italienische Divisionen stehen acht österreichischen gegenüber – nicht ausnutzen. Die Geländegewinne sind äußert bescheiden. Doch die 2. Isonzoschlacht (17. Juli bis 10. August 1915) lässt nicht lange auf sich warten. Diesmal greifen die Italiener im Süden mit 20 Divisionen gegen das Karst-Plateau von Doberdò an. Der Preis für ein paar hundert Meter gewonnenes Terrain ist schrecklich: 42.000 Tote, Verwundete und Vermisste. Aber auch die Österreicher müssen schwere Verluste hinnehmen.
sind mit 68.000 Mann noch viel höher als im August. An die 3. Isonzoschlacht schließt sich die Vierte praktisch unmittelbar an. Diesmal liegt der Schwerpunkt nördlich von Görz bei Plave. Die Schlacht zerfasert bald in mehrere von einander unabhängige Angriffsaktionen, die ohne verwertbare Ergebnisse bleiben.
Alpen statt Verdun? Nach dem Abschluss der 4. Isonzoschlacht herrscht an der Front relative Ruhe. Im Hochgebirge kommen die Kämpfe aufgrund der Witterungsumstände fast völlig zum Erliegen. Beide Seiten beschäftigen sich mit den Planungen für das Kriegsjahr 1916.
„Eine beispiellose Schlächterei. Ein entsetzliches Blutbad. Blut fließt überall (...)“ Tagebucheintrag eines Soldaten des k.u.k. Infanterie-Regiments 46, Juli 1915
BLICK IN EINE UNGEWISSE ZUKUNFT: Italienische Kriegsgefangene bei Flitsch (slowen.: Bovec) nach der 2. Isonzoschlacht im Juli/August 1915, kolorierte Fotografie. Foto: ullstein bild – LEONE
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Dies ist vor allem auf den mangelhaften Stellungsbau zurückzuführen. Und so verliert die 5. Armee von Boroevi mehr als 46.000 Mann. Der italienische Generalstabschef Cadorna glaubt trotz der großen Einbußen seiner Armeen in den beiden ersten Schlachten, die richtige Methode gewählt zu haben. Schon bald beginnt deshalb die 3. Isonzoschlacht (18. Oktober bis 5. November 1915). 29 italienischen Divisionen stehen zwölf österreichische gegenüber. Operationsziel ist die Stadt Görz. Doch trotz aller Anstrengungen kommt es wiederum zu keinem nennenswerten Erfolg. Die italienischen Verluste
Conrad von Hötzendorf versucht seinen deutschen Amtskollegen Erich von Falkenhayn von einer gemeinsamen Offensive gegen Italien zu überzeugen. Der hat jedoch andere Pläne. Er will die Entscheidung in Frankreich erzwingen und lässt im Februar 1916 bei Verdun angreifen. Für die Deutschen ist Italien nur ein Nebenkriegsschauplatz. Conrad von Hötzendorf entschließt sich deshalb zum Alleingang. Er plant eine Großoffensive aus Südtirol heraus, welche die italienischen Armeen am Isonzo von ihrem Hinterland abschneiden soll. Aus Polen wird die 3. Armee unter General Hermann Kövess von Kövessháza abberufen und bil-
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Blutige Schlachten am Isonzo det zusammen mit der neu aufgestellten 11. Armee unter General Viktor Freiherr von Dankl die Heeresgruppe Südtirol. Die Operationsplanungen vernachlässigen allerdings sträflich die bisherigen Erfahrungen des Gebirgskrieges. Die zu erwartenden Schwierigkeiten hinsichtlich Gangbarkeit des Geländes und Versorgung werden ein-
KARTE
fach ignoriert. Aufgrund starker Schneefälle im März und April 1916 muss der Angriff wiederholt verschoben werden. Zwischenzeitlich greift Cadorna auf Druck seiner alliierten Verbündeten erneut am Isonzo an. Die 5. Isonzoschlacht im März 1916 wird jedoch von italienischer Seite nur mit wenig Energie geführt und bleibt ohne
Kämpfe an der Alpenfront 1915–1918
greifbaren Erfolg. Dafür gelingt den Italienern wenige Wochen später ein spektakulärer Erfolg in den Dolomiten: Am 17. April 1916 sprengen sie nach monatelanger Vorbereitung den Gipfel des Col di Lana. Zuvor haben sie 106-mal vergeblich versucht, den Berg im Sturmangriff zu nehmen. Bei dieser Minensprengung werden 5.000 Kilogramm Nitrogelatine verwendet. Mehr als 200 österreichische Soldaten sterben in Sekundenschnelle.
Mit allen Mitteln Diese neue Form der Kriegführung spielt im weiteren Verlauf der Hochgebirgskämpfe eine zunehmende Rolle. Besonders dort, wo trotz intensiver Angriffe keine taktischen Erfolge gegen den in überhöhten Stellungen kämpfenden Gegner erzielt werden können, wird zu diesem Kampfmittel gegriffen. Grausiger Höhepunkt des alpinen Minenkrieges ist die österreichische Sprengung am Pasubio-Massiv (2.232 Meter). Dort wird am 13. März 1918 die größte Mine des Ersten Weltkriegs gezündet. 55 Tonnen Dynamit kommen dabei zum Einsatz, zirka 500 Italiener finden den Tod.
Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich
AUF INSPEKTION: Offiziere des österreichischen Armeeoberkommandos in den Alpen. Foto: picture-alliance/akg-images
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Titelgeschichte | Gebirgskrieg 1915–1918
GESCHÜTZT: Italienische Soldaten in ihren Stellungen an der Piave-Front, Juni 1918. Die dritte Piave-Schlacht im Herbst 1918 endet am 3. November mit dem Waffenstillstand von Villa Giusti bei Padua. Foto: picture-alliance/AP Photo
Am 15. Mai 1916 beginnt schließlich die österreichische Südtirol-Offensive. 157.000 Mann der beiden österreichischen Angriffsarmeen werfen sich zwischen Rovereto und dem Valsugana auf die 114.000 Mann der italienischen 1. Armee. Die Italiener können der Wucht des Angriffes fast nirgends standhalten und gehen zurück. Vor allem die österreichische 3. Armee kommt gut voran. Am 30. Mai 1916 fallen Arsiero und Asiago auf der Hochfläche der Sieben Gemeinden. Doch der Schwung geht bald verloren. Die Nachschublinien brechen bereits am zweiten Angriffstag aufgrund des schwierigen Geländes zusammen. Der Angriff der 11. Armee läuft sich auf dem Zugna-Rücken und im Pasubio-Massiv fest. Als der Kampf auf des
Messers Schneide steht, bricht am 4. Juni 1916 an der Ostfront die gewaltige Brussilow-Offensive los. Die österreichische Front in Weißrussland und Galizien wankt. Die 3. Armee wird eilig aus Südtirol abgezogen und nach Osten verlegt. Damit ist der Traum von einer schnellen Niederwerfung Italiens geplatzt.
Ein teuer erkaufter Sieg Österreichs Misserfolg nutzt Italien zu seinen Gunsten. In der 6. Isonzoschlacht (4. bis 16. August 1916) ist die italienische Übermacht diesmal so erdrückend, dass die Österreicher den Brückenkopf von Podgora räumen müssen. Die Italiener stürmen den Monte Saboti-
Mit harter Hand: Luigi Conte di Cadorna (1850–1928) Cadorna entstammt einer alten Piemonteser Adelsfamilie. Nach einer steilen Karriere wird er im Juli 1914 italienischer Generalstabschef und mit den Planungen für den Krieg gegen ÖsterreichUngarn betraut. Nach dem Zusammenbruch der Front am Isonzo im November 1917 muss er seinen Hut nehmen. 1924 wird er von Mussolini zum Marschall befördert. Er gilt als penibler, kritikunfähiger und dogmatisch vorgehender Befehlshaber. Selten besucht er die Front, führt seine Truppen vom Schreibtisch aus und fordert eiserne Disziplin von den Soldaten. Er stirbt 1928. Abb.: picture-alliance/akg-images
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no nördlich von Görz und nehmen die Stadt am 8. August schließlich ein. Weiter südlich erobert die 3. Armee den Monte San Michele und das Karst-Plateau von Doberdò. Entsprechend der Härte der Kämpfe sind die Verluste: 41.000 Tote, Verwundete und Vermisste bei den Österreichern stehen 51.000 Opfer auf italienischer Seite gegenüber. Sofort nach dem Ende der 6. Isonzoschlacht entschließt sich Cadorna dazu, auf dem Karst eine Entscheidung zu erzwingen. Dazu konzentriert er seine gesamte Angriffskapazität auf einen zwölf Kilometer breiten Frontabschnitt an der Adria. Der große Herbstangriff der Italiener, der aufgrund der ungeheuren Verluste zweimal unterbrochen werden muss, zerfällt in die 7., 8. und 9. Isonzoschlacht (September bis November 1916). Die Unterbrechungen dieser Gefechte retten die österreichischen Verteidiger jedes Mal vor dem völligen Zusammenbruch. In der 9. Isonzoschlacht gelingt den Italienern im Karst der Durchbruch bis zum Fajti hrib und nach Kostanjevica.
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Hunderttausende von Toten
Foto: picture-alliance/Mary Evans Picture Library
Kompromisslos: Svetozar Boroevic´ von Bojna (1856–1920) Der einer kroatisch-serbischen Militärfamilie entstammende Boroevic steigt schnell auf im österreichischen Heer. Zu Beginn des Weltkrieges zeichnet er sich in Galizien aus und übernimmt nach dem Kriegseintritt Italiens im Mai 1915 das Kommando über die 5. Armee (später Heeresgruppe Boroevic). Mit dieser verteidigt er trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit zweieinhalb Jahre lang erfolgreich die Front am Isonzo, was ihm den Beinamen „Löwe vom Isonzo“ einträgt. 1918 zum Feldmarschall befördert, verstirbt er nach dem Zusammenbruch der Doppelmonarchie von seinen südslawischen Landsleuten verstoßen in Armut. Boroevic´ gilt als verschlossen und zynisch. Kompromisslos schickt er damals die letzten Reserven in die Schlacht und hatte für Fehler Untergebener kein Verständnis.
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Die Ardennenoffensive - Band I Angriff der 6. Pz.Armee und amerikanische Abwehr im Bereich der 99. US-Inf.Div., 277. Volksgrenadier-Division, 12. Volksgrenadier-Division, 3. Fallschirmjäger-Division und der Pz.Brigade 150 - Augenzeugenberichte
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Die Ardennenoffensive - Band II Sturm auf die Nordfront (QWVFKHLGXQJHQLQ 5RFKHUDWK.ULQNHOW Angriff der 6. Pz-Armee und amerik. Abwehr, Dezember 1944
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Lapp, Peter Joachim Bilanz: 66.000 Tote, Verwundete und Vermisste auf italienischer Seite und 63.000 bei den Österreichern.
Gewaltige Verluste Zur Vorbereitung einer neuen Offensive muss Italien zunächst sein Personal ergänzen und neues Material heranführen. In der 10. Isonzoschlacht (12. Mai bis 5. Juni 1917) greifen die Italiener zunächst nördlich von Görz an, erobern dort den südwestlichen Teil der Hochfläche von Bainsizza, besetzen den Kuk und den Vodice, werden jedoch am Monte Santo abgewiesen. Danach beginnt im Süden der Angriff im Karst, der trotz einiger italienischer Anfangserfolge wieder
nicht zum Durchbruch führt. Die Verluste sind höher als jemals zuvor: 132.000 Tote und Verwundete bei den Italienern sowie 52.000 auf der Gegenseite. Höhepunkt des blutigen Ringens ist schließlich die 11. Isonzoschlacht (17. August bis 13. September 1917). Cadorna setzt 53 Divisionen und 4.000 Geschütze gegen die nicht einmal halb so starken Truppen Boroevis ein. Unter Inkaufnahme jeglicher Verluste sollen die letzten Barrieren der österreichischen Verteidigung am Isonzo überwunden werden. Die 2. italienische Armee unter General Luigi Capello erobert große Teile der Hochfläche von Bainsizza und den Monte Santo. Danach konzentrieren sich die Angriffe auf den Monte San Gabriele, den die Österreicher trotz schwerster Verluste behaupten können. Im Süden versucht die 3. Armee unter dem Herzog von Aosta, die Hermada zu erobern. Er scheitert jedoch nach zweiwöchigen Kämpfen. In den 28 Tagen der Schlacht fallen 40.000 Italiener, 108.000 werden verwundet. Die Österreicher haben 10.000 Gefallene und 45.000 Verwundete zu verkraften. Insgesamt werden 4,8 Millionen Granaten verschossen.
Bricht Österreich zusammen?
IM HOCHGEBIRGE: Blick aus einem vereisten Felstunnel auf einen österreichischen Posten in den Dolomiten. Der Alltag vieler Soldaten im Gebirge war zumeist eintönig und vom Leben im Eis geprägt. Foto: picture-alliance/akg-images
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Nach der 11. Isonzoschlacht steht die österreichische Front im September 1917 vor dem unmittelbaren Zusammenbruch. In der Hoffnung auf Unterstützung wendet sich Kaiser Karl I. von Österreich an die deutsche Führung. Im September 1917 wird daraufhin die 14. Armee unter dem deutschen General Otto von Below gebildet, die aus sieben deutschen und acht österreichischen Divisionen besteht. Diese verlegt ins obere Isonzo-
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Titelgeschichte | Gebirgskrieg 1915–1918
IN DEN FELS GETRIEBEN: Ein Schützengraben in der kargen Gebirgslandschaft in heutigem Zustand. Foto: picture-alliance/Udo Bernhart
OFFENSIVE DER MITTELMÄCHTE: Ihnen gelingt Ende Oktober 1917 der Durchbruch bei Flitsch und Tolmein; links im Bild auf dem Lkw: Verwundete und Gefangene, rechts: aufgestapelte Munitionskisten. Foto: ullstein bild – ullstein bild
tal und erhält den Auftrag, eine Offensive durchzuführen, welche die Italiener etwa 50 Kilometer nach Westen hinter den Tagliamento-Fluß abdrängen soll. In der Nacht zum 24. Oktober 1917 bricht ein sechsstündiges Trommelfeuer los; um 8:00 Uhr treten die Sturmtruppen im Raum Flitsch-Karfreit-Tolmein an. Damit beginnt die 12. Isonzoschlacht. Bei Flitsch durchbrechen die Österreicher mit Hilfe deutscher Gasminenwerfer das Grabennetz der Italiener. Weiter südlich stürmen deutsche Verbände, darunter das Alpenkorps, durch die Talengen auf die Höhenzüge des Kolowrat, Monte Matajur und Monte Mia. Für die Erstürmung des strategisch bedeutsamen, 1.641 Meter hohen Monte Matajur in den Julischen Alpen erhält Oberleutnant Erwin Rommel, Kompanie-
chef beim Königlich Württembergischen Gebirgsbataillon, den Orden „Pour le Mérite“ – die höchste deutsche Tapferkeitsauszeichnung im Ersten Weltkrieg.
ERFOLGREICH: Rommel als junger Offizier Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo
Mittelmächte setzen sich durch Am zweiten Tag der Offensive gehen auch die österreichischen Truppen im Süden des Isonzo zum Angriff über und zwingen die 3. italienische Armee zum raschen Rückzug. Am dritten Tag der Schlacht bricht die italienische Front schließlich ganz zusammen. Bis Mitte November 1917 werfen Deutsche und Österreicher die italienischen Truppen fast einhundert Kilometer bis zum Fluss Piave zurück. Der Talsohle folgend, rücken sie kraftvoll vor, bis überdehnte Nachschublinien und Konfusion auf der Kommandoebene den Vormarsch zum Stillstand bringen. Die Italiener verlieren fast 700.000 Mann, darunter rund 40.000 Tote und Verwundete. 295.000 Mann geraten in Kriegsgefangenschaft, über 350.000 desertieren. Von dieser
Kompanieführer Erwin Rommel (1891–1944) Rommel ist als Oberleutnant seit Oktober 1915 Kompanieführer im Königlich Württembergischen Gebirgsbataillon. Er kämpft zunächst im Stellungskrieg in den Hochvogesen und nimmt 1916 am Rumänienfeldzug teil. Im September 1917 kommt er an die Isonzo-Front, wo er sich beim Durchbruch Flitsch-Karfreit-Tolmein besonders auszeichnet. In seinem 1937 veröffentlichten Buch „Infanterie greift an“ schildert Rommel ausführlich seinen Einsatz im Ersten Weltkrieg, darunter auch seine Erlebnisse im Alpenkrieg.
militärischen Katastrophe aufgeschreckt, werden eilig fünf britische und sechs französische Divisionen nach Oberitalien verlegt. Cadorna wird am 8. November 1917 entlassen. Seinem Nachfolger Armando Diaz gelingt es, die Front zu stabilisieren und die Durchbruchsversuche der Mittelmächte am Piave (1. Piaveschlacht, November 1917), bei Asiago und am Monte Grappa (Dezember 1917) zu vereiteln. Die Front verläuft ab Dezember 1917 vom Ortler über das Nordufer des Gardasees zur Hochfläche der Sieben Gemeinden und von dort quer durch das Grappa-Massiv bis hin zum Piave in der Tiefebene des Veneto.
Die Italiener berappeln sich Der gewaltige Erfolg der 12. Isonzoschlacht trägt jedoch bereits den Keim der künftigen Niederlage Österreich-Ungarns in sich. Die verhältnismäßig kurze Front am Piave stellt sich im Nachhinein als Vorteil für die Italiener heraus. Diese können entlang des Flusses und am Grappa die Front mit jenen kampfstarken Soldaten besetzen, die zuvor an der Gebirgsfront in den Dolomiten und den Karnischen Alpen standen. Für die österreichische Seite ergeben sich neue, sehr lange Nachschubwege. Des Weiteren muss im Grappa-Massiv ein völlig neuer Frontabschnitt im Gebirge organisiert werden. Die Grappa-Front entwickelt sich in der Folge zu der mit Abstand härtesten Gebirgsfront des gesamten Krieges. Bis zum Schluss wird dort erbittert um den Besitz verschiedener Höhenstellungen gerungen. Der Monte Grappa (1.775 Meter), der im Süden liegen-
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Verlustreiche Schlussoffensive IM FEUERGEFECHT: Eine österreichische Patrouille in den Dolomiten im Kampf mit dem Gegner. Foto: ullstein bild – ullstein bild
MARTIALISCH: Propagandazeichnung zum italienischen Erfolg in der 2. Piave-Schlacht im Juni 1918 und dem Scheitern der österreichisch-ungarischen Offensive. Abb.: picture-alliance/Isadora/Leemage
de höchste Gipfel des Gebirgsstockes, befindet sich in italienischer Hand. Die westlich, ostwärts und nördlich davon befindlichen Gipfel sind von den Österreichern besetzt. Von Juli bis Ende Oktober 1918 richten die Italiener oft tagelange Massenangriffe gegen alle Frontberge der Österreicher, dringen aber niemals entscheidend vor.
Die letzte Schlacht An der Piave-Front im Flachland kommt es in der ersten Jahreshälfte 1918 zu keinen größeren Kampfhandlungen. Auf Druck seines deutschen Verbündeten entscheidet sich Österreich-Ungarn jedoch zu einer letzten
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großen Schlussoffensive gegen Italien – analog zum deutschen Vorgehen an der Westfront im Frühjahr 1918. Damit wird die Hoffnung verbunden, trotz der drückenden Versorgungsprobleme doch noch einen Triumph über den Erzrivalen im Süden zu erringen. Und so setzt das österreichisch ungarische Oberkommando alles auf eine Karte. Am 15. Juni 1918 beginnt die 2. Piaveschlacht, die letztendlich zum Abgesang auf die dem Untergang „entgegenschlitternde“ Doppelmonarchie wird. Zwei österreichische Heeresgruppen greifen nach einer massiven Artillerievorbereitung mit vier Armeen von der Schweizer Grenze bis zur Adria an. Schwerpunkte des österreichischen Vorgehens sind der Raum Asiago, das Grappa-Massiv und der untere Piave. Dort stoßen die Angreifer auf ein tief gegliedertes Verteidigungssystem, das auf den alliierten Erfahrungen an der Westfront basiert. Den Piave im Rücken, abgeschnitten
Literaturtipps Manfried Rauchensteiner: Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie 1914– 1918, Böhlau Verlag, Wien 2013. Gunther Langes: Die Front in Fels und Eis 1915–1918. Der Weltkrieg 1914–1918 im Hochgebirge, Bozen 16. Aufl. 2012.
vom eigenen Nachschub, können die gebildeten Brückenköpfe auf dem Westufer nicht behauptet werden. Die italienische Artillerie belegt zudem das Ostufer mit permanentem Feuer. Besonders schwer wird um den Montello, einem Hügel beim Austritt des Piave aus den Alpen, gekämpft. Am 22. Juni 1918 endet die Schlacht mit einer schweren Niederlage der Österreicher. Sie kostet die Doppelmonarchie 118.000 Tote, Verwundete und Vermisste. Die Offensivkraft des österreichischen Heeres ist damit restlos erschöpft. Der endgültige Zusammenbruch kommt schließlich im Oktober 1918. Die geschlagenen, demoralisierten, durch Mangelversorgung ausgezehrten und infolge innerer Unruhen geschwächten österreichisch-ungarischen Truppen können der am 24. Oktober 1918 einsetzenden alliierten Großoffensive (3. Piaveschlacht) kaum noch etwas entgegensetzen. Am Piave und auf der Hochfläche der Sieben Gemeinden wird die österreichische Front durchbrochen. Am 3. November 1918 einigen sich beide Seiten in der Villa Giusti bei Padua auf einen Waffenstillstand. Der Krieg im Alpenraum ist damit beendet. Holger Hase, Jg. 1976, Major und Lehrstabsoffizier für Militärgeschichte an der Offizierschule des Heeres in Dresden.
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Titelgeschichte
Leid und Elend der Soldaten
Grenzenloses Grauen S
chnell zeigen sich die Besonderheiten der Kriegführung im alpinen Raum. Die Anfangsphase der Kämpfe prägen Patrouillen unter Führung bergerfahrener Soldaten, bei denen es darum geht, schneller als der Gegner eine taktisch günstige Gipfelposition zu besetzen. So wird zum Beispiel der erste „Dreitausender“ der Kriegsgeschichte, der 3.094 Meter hohe Monte Scorluzzo in der Ortlergruppe, bereits am 4. Juni 1915 in einem kühnen Handstreich von einer österreichischen Patrouille genommen. Nachdem sich die Front innerhalb der ersten Monate geschlossen hat, verteidigen auf beiden Seiten meist kleine Verbände ihre nahezu uneinnehmbaren Positionen und Vorposten so effizient, dass sie selbst mit größtem Aufwand nicht mehr vertrieben werden können. Der Stellungsbau erweist sich im Hochgebirge allerdings als äußerst schwierig. In den Fels getriebene Kavernen sollen Schutz vor Artilleriefeuer bieten. Häufig verlaufen Schützengräben über schmale Gipfelgrate. Der höchste Schützengraben des Krieges befindet sich am Ortler in 3.905 Metern Höhe.
Enorme Belastungen Die Österreicher errichten auf dem Marmolatagletscher in den Dolomiten ein weit verzweigtes Stellungssystem. Weil es draußen an ausreichender Deckung fehlt, graben sich die österreichischen Soldaten ins Eis hinein bis schließlich acht Kilometer lange Stollengänge kreuz und quer den Gletscher durchziehen. Es gibt dort Munitionsdepots, Proviantlager, Schlafräume für bis zu 70 Mann, eine Offiziers- und eine Sanitätsbaracke sowie ein Kraftwerk und eine Fernsprechzentrale. Das Stollensystem unter den Gletschern des Adamello (3.554 Meter) besitzt sogar eine Länge von 24 Kilometern. Zur Versorgung der Truppe mit Munition, Lebensmitteln, Sanitätsmaterial und Ausrüstung wird eine Vielzahl neuer Wege, Stiegen und Seilbahnen angelegt. In die Ortlergruppe bohren die
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1915–1918: Die körperlichen und seelischen Belastungen der in der alpinen Grenzregion eingesetzten Soldaten sind enorm. Während ihnen nahezu unglaubliche Leistungen abverlangt werden, müssen sie Schreckliches durchleben. Von Holger Hase gebrochen werden. Dann beginnt ein Kampf ums Überleben im Toben der Elemente. Angesichts von sicher zu erwartenden Wetterstürzen kann sich niemand rechtzeitig in Sicherheit bringen, sondern muss die Urgewalten der Natur über sich ergehen lassen. Und noch schlimmer kommt es im Winter. Lawinen sind eine ständige Gefahr, denn aufgrund des Vorranges des taktischen Auftrages werden lawinenbedrohte Abschnitte nicht geräumt.
Extremer Winter
SCHRECKEN DES KRIEGES: Ein Zug gefallener Italiener auf dem Pass nach Cividale del Friuli, Oktober 1917. Foto: picture-alliance/Heritage Images
Italiener einen Strickleiteraufstieg, der von 2.900 auf 3.648 Höhenmeter empor führt und sinnfälliger Weise den Namen „Himmelsleiter“ trägt. Die physischen und psychischen Belastungen, denen sich die Soldaten vor allem in den Gipfellagen der Ortler- und Adamellogruppe, der Dolomiten sowie der Karnischen und Julischen Alpen ausgesetzt sehen, sind extrem. Das tägliche Leben ist auch im Sommer von Fels, Schnee und ewigem Eis geprägt. Hinzu kommen die Unbilden des Wetters. Häufig müssen Gefechte selbst im Hochsommer aufgrund rasender Orkane ab-
Mit Beginn des Hochwinters, oft schon früh im Oktober eines Jahres, verstummen die Kampfhandlungen zumeist. Die Gipfelpositionen werden trotzdem nicht geräumt, da eine zu späte Wiederbesetzung im Frühjahr mit der Gefahr des Verlustes derselben an den Feind verbunden ist. Neuschnee und Lawinen sowie die subarktische Kälte von bis zu -40 Grad machen das Leben der Frontsoldaten zur Hölle. Besonders extrem ist der Winter 1916/17. Dieser übertrifft alle bisher dagewesenen Schrecken. Es ist der härteste Winter der zurückliegenden 60 Jahre in den Alpen. Telefon- und Seilbahnverbindungen werden von den Schneemassen zerstört, die Anmarschund Nachschubwege in die höchsten Stellungen sind oft für Tage oder sogar Wochen unpassierbar. Beim Freilegen der Straßen werden Hunderte von Soldaten von Lawinen verschüttet. So sterben zum Beispiel in der Nacht vom 12. zum 13. Dezember 1916 allein auf österreichischer Seite zirka 6.000 Soldaten an der Italienfront durch Lawinen. Der Dienst in der „Etappe“ ist daher meist viel gefährlicher als das Ausharren in
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AM ABGRUND: Ein verwundeter Soldat wird von Kameraden an einer Felswand abgeseilt. Überall im Gebirge lauern große Gefahren . Foto: ullstein bild – ullstein bild
AM SEIDENEN FADEN: Österreichische Soldaten beim Transport eines Feldgeschützes im Hochgebirge. Truppenbewegungen mit schwerer Ausrüstung sind bei den oftmals widrigen Verhältnissen besonders riskant. Foto: picture-alliance/Mary Evans Picture Library
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Titelgeschichte | Gebirgskrieg 1915–1918 BITTERES ENDE: Gefallener Italiener an der Dolomitenfront. Die sterblichen Überreste vieler Soldaten werden oftmals erst Monate oder sogar Jahre nach ihrem Tod entdeckt. Foto: picture-alliance/K.K. Kriegspressequartier, Lichtbildstelle – Wien /ÖNB-Bildarchiv/ picturedesk.com
IN GEDENKEN: Erinnerungstafel an den 1918 im Alpenkrieg gefallenen „Kaiserjäger“ Franz Christl am 2.500 Meter hohen Mandrone. Foto: picture-alliance/Photoshot
den exponierten Kamm- und Gratstellungen. Zwei Drittel aller Toten des Gebirgskrieges gehen zu Lasten der lebensfeindlichen Umwelt (darunter 60.000 Lawinenopfer) und „nur“ ein Drittel kommt durch Feindeinwirkung zu Tode.
Schreckliche Bedingungen Gänzlich anderer Natur sind die Herausforderungen an der Isonzofront. Die Kämpfe auf den Karsthochflächen bei Görz sind geprägt vom Stellungskrieg – mit einer hohen Konzentration von Personal und Material auf engstem Raum. Die Intensität dieser Auseinandersetzungen unterscheidet sich in nichts von den Phänomenen des Stellungskrieges an der Westfront. Stundenlanges Trommelfeuer bereitet den Angriff der italienischen Infanterie vor, die in Wellen immer wieder gegen die von den österreichischen Verteidigern gehaltenen Stellungen anrennt. Die Splitterwirkung der Artilleriegeschosse wird durch das berstende Karstgestein um ein Vielfaches gesteigert. Die Überlebensbedingungen in den Schützengräben sind auf
HINTERGRUND
beiden Seiten schrecklich: Inmitten der glühend heißen Felsen gibt es nicht einmal genügend Trinkwasser. Der Durst ist deshalb ständiger Begleiter der Soldaten und charakteristisch für die Kämpfe in diesem Gelände. Von Hunderten nicht bestatteter Leichen geht ein ekelerregender, süßlicher Verwe-
„Sie tranken den mit Blut und zerronnenen Leichen untermischten Schlamm aus den Granatlöchern, bis sie starben“. Dr. Julius Pölzer über den Mangel an Wasser für die Schwerstverwundeten an der Isonzo-Front
sungsgeruch aus. Die Ratten vermehren sich geradezu sprunghaft in den Gräben. In den Granattrichtern steht mannstief ein scheußlicher, mit halbverwesten Leichenteilen vermischter Morast. Es ist daher nicht verwunderlich, dass auf beiden Seiten der Front die Cholera zu wüten beginnt. Bei den Italienern bricht während der 2. Isonzoschlacht im Juli 1915 auch der Typhus aus. Die offenkundige
Luis Trenker (1892–1990)
Der aus einer deutsch-ladini- ge trägt und in dem Trenker auch schen Familie stammende Tren- die Hauptrolle des Bergführers ker nimmt als junger österrei- Florian Dimai übernimmt. chischer Offizier an den Kämpfen in den Dolomiten teil. BERÜHMT: Luis Trenker Bekannt wird er nach dem Krieg (eigentlich Alois Franz Trenals Bergsteiger, Schauspieler, ker, 1892–1990), selbst TeilRegisseur und Schriftsteller. In nehmer des Krieges an der Alseinen Filmen und Büchern setzt penfront, verarbeitet in dem er sich immer wieder mit dem Film „Berge in Flammen“ Schicksal seiner Heimat Südtirol (1931) seine Kriegserlebnisauseinander. Die Tragik des Gese: hier im Film als Bergfühbirgskrieges zeigt eindrucksvoll rer Florian Dimai. sein Film „Berge in Flamen“ Foto: picture-alliance/picture-alliance (1931), der autobiografische Zü-
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Sinnlosigkeit des Kämpfens und Sterbens am Isonzo erschüttert die Kampfmoral vieler italienischer Soldaten schwer. Generalstabchef Cadorna hält seine eigenen Landsleute im Übrigen wegen ihres Individualismus für „moralisch nicht kriegstauglich“. Er sieht im Krieg die Chance, aus Bauern „echte Italie-
ner“ zu machen. Dies will er mit harter Disziplin erreichen. Jeder zwölfte Soldat erhält während des Krieges ein Disziplinarverfahren. Etwa 4.000 Mann werden erschossen – die höchste Zahl von allen Armeen der am Kriege beteiligten Staaten. Cadorna führt die Praxis der alten Römer wieder ein, jeden zehnten Mann einer Einheit hinzurichten, die im Kampf versagt hat.
Demoralisierte Italiener Als die Mittelmächte schließlich im Oktober 1917 in der 12. Isonzoschlacht zur Gegenoffensive übergehen, treffen sie auf einen demoralisierten Gegner und innerhalb weniger Tage brechen alle Dämme der militärischen Disziplin. Der Rückzug der italienischen Armee endet im völligen Chaos und wird von Massendesertionen begleitet. Auf der österreichischen Seite bleibt die Desertionsrate bis in die Endphase des Krieges 1918 gering. Das stabile Selbstbild, das eigene Vaterland gegen den untreuen ehemaligen Bundesgenossen des Dreibundes zu verteidigen, motiviert auch Soldaten slawischen Ursprunges, die sonst der Doppelmonarchie eher kritisch gegenüber stehen.
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Titelgeschichte | Gebirgskrieg 1915–1918 IMPOSANT: 149-G-Kanone der italienischen Streitkräfte in fast 3.300 Metern Höhe im Adamellogebiet. An zahlreichen Orten im Gebirge finden sich heute noch Spuren und Relikte des Alpenkrieges von 1915–1918. Foto: picture-alliance/Photoshot
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Waffen und Technik des Gebirgskrieges
Maschinenkrieg im Felsmassiv 1915: In Hochgebirgslagen bringen die Kriegsparteien unter größtem Aufwand Waffen in Stellung, um den Gegner zu vernichten. Das technisierte Töten in der eisigen Gebirgshölle fordert einen hohen „Blutzoll“. Von Holger Hase
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ie extremen geografischen und klimatischen Herausforderungen des Gebirgskrieges haben selbstverständlich auch Einfluss auf die eingesetzten Waffen. Da zudem alle Truppenbewegungen durch die geringe Anzahl von Straßen und gangbaren Wegen stark kanalisiert werden, kommt dem Faktor „Gelände“ ein ungleich höherer Stellenwert zu als beim Kampf in der Ebene. Das „Gelände“ wird somit zur Waffe. Sein Besitz und seine Beherrschung entscheiden über Erfolg oder Niederlage. Daher wird auch alles dafür getan, bestimmte Abschnitte um jeden Preis zu halten beziehungsweise zu erobern. ÖsterreichUngarn stützt sich dabei auf einen Gürtel vorhandener Grenzbefestigungen. Dieser ist bereits Ende des 19. Jahrhunderts an den strategischen Wegen, die aus Italien ins In-
nere der Doppelmonarchie führen, errichtet worden. Der Ausbauzustand und damit auch der taktische Wert dieser Anlagen ist recht unterschiedlich. Neben modernen Panzerforts finden sich veralte, aus Steinquadern aufgemauerte Werke, die den modernen Sprenggeschossen nicht standhalten können.
Foto: picture-alliance/IMAGNO/Archiv Jontes
Große Bedeutung der Artillerie Die Artillerie ist die schlachtentscheidende Waffe im Ersten Weltkrieg. Nur unter ihrem Schutz kann die Infanterie erfolgreich vorgehen und den Gegner aus seiner Stellung werfen. Daher versuchen beide Seiten bis in die Gipfellagen hinein, Geschütze in Position zu bringen. Es gibt keinen Abschnitt an der gesamten Gebirgsfront, der nicht über solche
DEN NATURGEWALTEN AUSGESETZT: Österreichisches 7-cm-Gebirgsgeschütz in exponierter Stellung im Ortlermassiv nach einem Schneesturm. Foto: ullstein bild – ullstein bild
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PROPAGANDA: Kriegsbildkarte des k.k. Ministeriums des Innern mit einem „Škoda“Mörser 30,5 cm in Feuerstellung, um 1915.
Positionsbatterien in Höhen von über 2.000 Metern verfügt. Die höchste Geschützstellung des Weltkrieges befindet sich am Vorgipfel des Ortler in 3.860 Metern Höhe.
Enormer Aufwand Darüber hinaus bemühen sich sowohl Österreicher als auch Italiener um die Platzierung schwerer Mörser und Langrohrgeschütze in höchstmöglichen Stellungen. Die technischen Vorbereitungen dafür sind enorm. Für den Antransport des Geschützmaterials und der Munition müssen zahlreiche neue Straßen- und Wege errichtet werden. Um das Gerät vor gegnerischem Feuer zu schützen, treibt man Kavernen in Fels und Eis. Auf österreichischer Seite werden dazu Hunderttausende von Landsturmarbeitern und auch russische und serbische Kriegsgefangene eingesetzt. Die Geschütze der Gebirgsartillerie müssen so leicht wie möglich sein. Geachtet wird auf eine geringe Spurweite der Lafetten sowie die Zerlegbarkeit des Gerätes, damit Trag- oder Zugtiere das Material transportieren können. Zu Beginn des Krieges verfügt die österreichische Gebirgsartillerie über mehrere Modelle der größtenteils veralteten 7-cm-Gebirgskanone. Bis Ende 1916 wird dann die
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Titelgeschichte | Gebirgskrieg 1915–1918
SCHUSSGEWALTIG: Schwerer österreichisch-ungarischer Mörser in Feuerstellung in Tirol, 1915/16. Foto: picture-alliance/Sueddeutsche Zeitung Photo
DRAHTSEILAKT: Italienische Truppen versuchen, ein Artilleriegeschütz auf eine hoch gelegene Stellung zu transportieren. Bei dieser Art von Truppen- und Waffenbewegungen kommt es häufig zu tödlichen Unfällen. Foto: picture-alliance/Mary Evans Picture Library
neue 7,5-cm-Gebirgskanone M 1915 von Škoda zur Standardwaffe. Schon vor dem Krieg führen die Österreicher zudem die einander sehr ähnlichen 10-cm-Gebirgshaubitzen der Modellreihen M 1908 und M 1910 ein. Später werden auch noch die Feldhaubitzen M 99 und die modernsten 10- und 15cm-Feldhaubitzen M 14 für den Bergtransport adaptiert. Die für den Gebirgskrieg bestimmten Divisionen verfügen über jeweils zwei Haubitzbatterien zu je vier Geschützen. Jede Gebirgsbrigade besitzt zudem ein bis zwei Bat-
HINTERGRUND
Artilleristische Defizite Im Frühjahr 1917 befinden sich 58 dieser Geschütze im Bestand des österreichisch-ungarischen Heeres. Aber auch die italienische Armee hat artilleristische Defizite. Die leichte Feldartillerie ist relativ gut ausgerüstet. Probleme gibt es hingegen bei der mittleren und vor allem der schweren Artillerie, die ziemlich veraltet ist. In der Not behilft man sich mit 28- und 35-cm-Marinegeschützen, die auf mobile Untersätze gestellt werden. Die leichte Feldartillerie verfügt über 7,5-cmKanonen M 1906 von Krupp, die in Italien in Lizenz hergestellt werden und über 7,5-cmKanonen M. 911, eine Adaption der französischen 7,5-cm-Feldkanone. Die Batterien mittleren Kalibers sind mit einer 10,5-cm-Kanone ausgerüstet. Die Feldkanone M. 911 wird wegen ihrer großen Richthöhe (-10 Grad bis +50 Grad) und wegen ihres geringen Gewichtes auch oft als Gebirgskanone verwendet. Daneben verfügen die italienischen Gebirgstruppen über die veraltete Gebirgskanone 70 A beziehungs-
Österreichische 15-cm-Feldhaubitze M 1914 von Škoda
Das Geschütz kommt im Herbst 1915 an die Isonzo-Front. Damit kann die zahlenmäßig deutlich schwächere österreichische Artillerie den Italienern wieder Paroli bieten. Das moderne Geschütz mit Rohrrücklaufeinrichtung wiegt 2,7 Tonnen und verschießt 42 Kilogramm-Granaten auf bis zu 8.000 Meter. Durch den Radstand von nur 1.655 mm ist es hervorragend für die schlechten Fahrwege im Gebirge geeignet. Zudem kann es in zwei Teile zerlegt werden. Die Richthöhe des Rohres liegt zwischen -5 und +70 Grad, wo-
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terien Gebirgskanonen. Insgesamt ist die österreich-ungarische Armee 1914 jedoch mit viel zu wenig Artillerie ausgestattet. Eine österreichische Division verfügt standardmäßig nur über 46 Geschütze (eine deutsche Division führt 80 Geschütze ins Feld). Die mangelhafte Rüstung der Vorkriegszeit rächt sich vor allem bei der Verteidigung am Isonzo, wo die Österreicher den angreifenden Italienern artilleristisch hoffnungslos unterlegen sind. Den einzigen „Lichtblick“ stellen die 30,5-cm-ŠkodaMörser M 1911 mit Motorzugmaschine dar.
Diese kommen vor allem bei der Niederkämpfung besonders starker Festungswerke zum Einsatz.
durch das Richten auch bei großen Höhenunterschieden zwischen Feuerstellung und Ziel möglich ist. Das Geschütz wird nach dem Krieg bis weit in die 1940er-Jahre unter anderem in den Armeen Österreichs, Ungarns und Italiens eingesetzt. UNERLÄSSLICH: Soldaten bei der Überprüfung der Einsatzbereitschaft einer 15-cmFeldhaubitze der Škoda-Werke. Foto: picture-alliance/k.k. Kriegspressequartier, Lichtbildstelle – Wien/ÖNB-Bildarchiv/picturedesk.com
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Todbringende Technik
KÜNSTLICHE ATMUNG: Sanitäter der österreichisch-ungarischen Armee versorgen einen durch Rauchgase in einem Minenstollen verletzten Sappeur. Foto: picture-alliance/ZB©dpa
weise eine moderne 6,5-cm-Gebirgskanone. Die Standardschusswaffe der österreichischungarischen Infanterie ist das Gewehr M 1895, Kaliber acht mm von Mannlicher mit dem charakteristischen Geradezugverschluss. Das Gewehr existiert in mehre- ren Ausführungen hinsichtlich der Lauflänge und hinsichtlich der Befestigungsart des Trageriemens. Am häufigsten sind das 1.282 mm lange und 3,65 Kilogramm schwere Repetiergewehr M 1895 sowie der 1.005 mm lange und 3,13 Kilogramm schwere Repetierstutzen M 1895. Der Stutzen wird vor allem bei den Gebirgstruppen, aber auch bei der Artillerie und den Pionieren verwendet. Eine Besonderheit des Mannlicher-Gewehrs ist das verstellbare Visier mit vier Kimmungen, das auf Schussentfernungen von 225 bis 2.400 Meter eingestellt werden kann.
Hohe Feuerkraft Die gefährlichste Waffe der Infanterie ist jedoch das Maschinengewehr. Die österreichisch-ungarische Armee verwendet eine Eigenentwicklung, die auf den Waffenkonstrukteur Andreas Wilhelm Schwarzlose zurückgeht. Das MG 07/12 ist ein wassergekühlter Gasdrucklader mit einem ungewöhnlich starken Rückstoß und einem sehr kurzen Lauf, weshalb Schwarzlose ein massives Schloss einbauen muss. Es hat ein Kaliber von acht mm und wiegt 17,2 Kilogramm, hinzukommen die Lafette mit 15,5 und der Schutzschild mit 20 Kilogramm. Die Kadenz liegt bei 500 Schuss pro Minute. Zu Beginn des Krieges verfügt jedes österreichische Bataillon über zwei Maschinengewehre. Damit haben die Österreicher viermal soviel Waffen im Bestand wie die Italiener. Diese verwenden das auf dem System Maxim fußende Maschinengewehr M 1911 von Fiat-Ravelli. Die ebenfalls wasserge-
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AUSGESCHALTET: Ein „vom Himmel geholter“ italienischer „Caproni“-Bomber im Isonzo-Kampfraum, Herbst 1917.
kühlte Waffe hat ein Kaliber von 6,5 mm und wiegt mit Lafette 38,5 Kilogramm. Die Kadenz liegt bei 500 Schuss pro Minute. Da es im italienischen Heer laufend zu wenige Maschinengewehre gibt, müssen bereits vor dem Krieg deutsche und britische Modelle angekauft werden. Später behilft man sich mit französischen Waffen. Im Jahr 1892 wird als Schützenwaffe das neue Gewehr Mannlicher-Carcano M 1891, Kaliber 6,5 mm eingeführt. Die Standardvariante ist 1.290 mm lang und wiegt 3,8 Kilogramm. Daneben gibt es eine Ausführung als Karabiner, die drei Kilogramm wiegt und 920 mm lang ist. Die Visiereinstellung reicht von 450 bis 2.000 Meter. Das Gewehr besitzt hervorragende ballistische Eigenschaften, die jedoch durch die mangelhafte Munition nicht voll ausgeschöpft werden können. Der Einsatz von Giftgas beginnt an der Alpenfront erst recht spät. Zudem kann aufgrund der geografischen und meteorologischen Verhältnisse Gas nicht überall verwendet werden. Am 29. Juni 1916 benutzen es die Österreicher bei einem Gegenangriff am Monte San Michele erstmals als Kampfmittel. Aus 6.500 Stahlflaschen zu je 50 Kilogramm wird Gas ausgelassen. 2.700 Italiener sterben bei diesem „Blasangriff“. Danach wird Giftgas zu einem festen Bestandteil der Gefechte im Karst am Isonzo. Schnell geht man vom „Blasangriff“ zum Verschießen mit Granaten oder Minen über. Eine wichtige Rolle spielt Gas während der 12. Isonzoschlacht beim Durchbruch im Flitscher Becken. Dort beschießt das deut-
Literaturtipp Marko Simic: Auf den Spuren der Isonzofront. Verlag Hermagoras, Klagenfurt 2004.
Foto: picture-alliance/Sueddeutsche Zeitung Photo
sche 35. Pionierbataillon mit 894 Gasminenwerfern am Morgen des 24. Oktober 1917 die Stellungen der Italiener. Da die italienischen Gasmasken des Typs „Polivalente“ gegen die hohe Konzentration von Phosgen-Giftgas („Blaukreuz“) nur unzureichend schützen, sterben die Soldaten in den vordersten Linien binnen weniger Minuten an Lungenzersetzung. Dieser italienische Frontabschnitt bricht beim anschließenden Infanterieangriff schnell zusammen.
Krieg in der Luft Beide Kriegsparteien setzen von Anfang an auch auf die Unterstützung aus der Luft. Dabei haben die Österreicher zunächst einen Vorteil. Sie verfügen bei Kriegsbeginn an der Italienfront über vier Fliegerkompanien, die Italiener nur über wenige Artilleriebeobachter. Die österreichischen Marineflieger mit ihren Flugbooten von Typ „Lohner L“ beherrschen den Luftraum über der Adria und bombardieren Städte und Flottenstützpunkte. Doch die italienische Antwort lässt nicht lange auf sich warten: Bereits im August 1915 greifen dreimotorige Doppeldecker vom Typ „Caproni Ca 1“ Ziele im Hinterland der österreichischen Front am Isonzo an. Diese können bis zu 400 Kilogramm Bomben tragen. Bald schon sind Dutzende von Flugzeugen verschiedener Muster im Einsatz. Diese werden zunehmend auch zur taktischen Unterstützung der Bodentruppen eingesetzt. So greifen zum Beispiel italienische Flugzeuge während der 11. Isonzoschlacht im August 1917 häufig in die Kämpfe ein. Schließlich gelingt es den Italienern dank ihrer größeren Kriegsproduktion und der größeren Anzahl ausgebildeter Piloten, die Lufthoheit zu erringen. Bei Kriegsende verfügt die 1917 zur eigenständigen Teilstreitkraft aufgewertete italienische Luftwaffe über zirka 1.000 Flugzeuge.
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Kriege, Krisen und Konflikte | La Rochelle 1944/45
Die „Atlantikfestung“ La Rochelle
Auf verlorenem Posten Mai 1945: Weit abseits der Front im Westen halten deutsche Soldaten in La Rochelle einer monatelangen Belagerung stand. Der Befehl lautet: „Halten der ,Atlantikfestung’ bis zum letzten Mann“. Von Lukas Grawe
FERNAB DER HEIMAT: Ein deutscher Soldat hält Wache am Atlantik. Die „Festung“ La Rochelle kapituliert erst am 9. Mai 1945, einen Tag nach Inkrafttreten der Kapitulation der Wehrmacht. Foto: picture-alliance/picture-alliance
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ZUM WIDERSTAND BEREIT: Bei La Rochelle kämpfen vor allem Angehörige der Forces françaises de l'intérieur (FFI) gegen die deutschen Besatzungstruppen; hier nehmen Untergrundkämpfer den Gegner unter Beschuss.
KOLOSS AUS STAHLBETON: Der U-Boot-Bunker im Industriehafen La Pallice erinnert an die Zeit, als La Rochelle ein Marinestützpunkt der Kriegsmarine war. Foto: picture-alliance/ Schütze/Rodemann/ www.bildarchivmonheim.de
Foto: picture-alliance/ IMAGNO/Votava
B
ereits zu Beginn des Jahres 1944 erklärt Hitler die wichtigsten Hafenstädte am Atlantik zu „Festungen“, um sie den Alliierten möglichst lange als Nachschubbasis vorenthalten zu können. Schließlich rechnet man mit einer alliierten Invasion. Das Oberkommando der Wehrmacht (OKW) befiehlt den zu Festungskommandanten ernannten Offizieren einen Kampf bis zum letzten Mann: „Kapitulation, Einstellen des Widerstandes, Ausweichen oder Rückzug gibt es für Festungs- und Kampfkommandanten überhaupt nicht. Für den Festungs- und Kampfkommandanten ist der ihm anvertraute Platz sein Schicksal.“ Zu diesem Zweck werden die Befehlshaber mit umfassenden Vollmachten ausgestattet. Eine dieser Festungen ist die französische Hafenstadt La Rochelle, die deutschen UBooten im Golf von Biskaya als Heimathafen dient. Nach der erfolgreichen alliierten Invasion in der Normandie im Juni 1944 und dem anschließenden Ausbruch britischer und amerikanischer Truppen aus dem Brückenkopf liegt der Fokus des alliierten Oberkommandos auf der Befreiung von Paris. Demgegenüber sind die deutschen Atlantikfestungen von zweitrangiger Bedeutung. Rasch werden die meisten befestigten Hafenstädte weitab von der Hauptkampflinie von zweitklassigen amerikanischen Divisionen oder französischen Widerstandskämpfern der „Forces françaises de l’intérieur“ (FFI) eingeschlossen. Fortan sind die Festungsbesatzungen auf sich allein gestellt.
Zusammengewürfelte Truppe Auch La Rochelle wird seit September 1944 belagert. Der deutsche Festungskommandant, Vizeadmiral Ernst Schirlitz, kann für die Verteidigung der Stadt und der Hafenanlagen lediglich auf eine zusammengewürfelte Truppe zurückgreifen. Sie setzt sich aus im Landkampf unerfahrenen Marinesoldaten, einigen Soldaten des Heeres und der Luftwaffe sowie aus zahlreichen
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„volksdeutschen“ Bataillonen zusammen. Insgesamt verfügt Schirlitz über etwa 14.000 Soldaten. Die Festungsanlagen sind gut ausgebaut, zur Seeseite schützt die auf der vorgelagerten Île de Ré gelegene 20-cmKüstenbatterie die Stadt. Allerdings fehlt es den Verteidigern an Mitteln zur Panzerabwehr und an Munition. Auch die Flak ist lediglich rudimentär ausgerüstet und kann den alliierten Luftangriffen auf die Stadt kaum Widerstand entgegensetzen. Rasch macht sich in der abgeschlossenen Festung Desillusionierung breit, die Desertionen nehmen zu. Zudem stellen sich erste Versorgungsengpässe ein, da sich innerhalb der Stadt noch immer mehr als 50.000 Zivilisten befinden. In den Vororten von La Rochelle kommt es zu teilweise äußerst grausam geführten Scharmützeln zwischen den Verteidigern und den französischen FFI-Kämpfern. Diese werden von deutscher Seite aufgrund ihrer Zivilkleidung vielfach nicht als reguläre Soldaten betrachtet. Da aufgrund der nur unzureichenden Bewaffnung der FFI auch der Kampfwert der französischen Widerstandskämpfer gering ist, bildet sich ab Herbst 1944 eine „Patt-Situation“, die nur durch das Feuer der Artillerie unterbrochen wird. Schnell beginnen beide Seiten mit Verhandlungen, um das Leid der Zivilbevölkerung zu verringern oder Gefangene auszutauschen. Wenngleich solche Kontaktaufnahmen in allen eingeschlossenen „Atlantikfestungen“ stattfinden, geht La Rochelle noch einen Schritt weiter. Am 18. und 20. Oktober 1944
unterzeichnen beide Seiten die sogenannte „Konvention von La Rochelle“, die die Kämpfe zwischen beiden Parteien auf ein Minimum beschränken soll. Französische und deutsche Truppen dürfen fortan eine ihnen zugewiesene Linie nicht überschreiten. Während sich die Deutschen verpflichten, keinerlei Zerstörungen an den Hafenanlagen vorzunehmen, erklären die Franzosen den Verzicht auf Sabotageakte und auf Angriffe auf die Stadt. Durch den faktischen Waffenstillstand nehmen die Kampfhandlungen in der Folge deutlich ab. Selbst das deutsche OKW heißt die Konvention willkommen, da sie den deutschen Verteidigern eine dringend benötigte Atempause verschafft.
Übergabe der Stadt
Lars Hellwinkel: Hitlers Tor zum Atlantik. Die deutschen Marinestützpunkte in Frankreich 1940–1945. Berlin 2012.
Nach wie vor bleibt jedoch die Versorgungslage das wesentliche Problem. Mit Hilfe des schwedischen Roten Kreuzes gelingt immerhin die Ernährung der Zivilbevölkerung. Im Januar 1945 starten die deutschen Truppen einen Ausfall und erobern den Vorort Marans. Auf dem dortigen Wochenmarkt erbeuten die Soldaten große Mengen an Vieh, Getreide und Gemüse, die die Versorgung erheblich verbessern. Solche „Raids“ bleiben allerdings eine Ausnahme. Am 10. April 1945 kündigt die provisorische französische Regierung das Stillhalteabkommen, was jedoch wenig an der Lage innerhalb der Stadt ändert. Lediglich die vor La Rochelle gelegene Insel Oléron wird in blutigen Kämpfen durch reguläre französische Einheiten erobert. Schirlitz und sein Verhandlungspartner auf französischer Seite, Fregattenkapitän Hubert Meyer, bemühen sich darum, die Belagerung friedlich zu beenden. Schirlitz verzichtet in der Folge darauf, die Hafenanlagen zu zerstören und übergibt La Rochelle am 9. Mai 1945 kampflos.
Jacques Mordal: Die letzten Bastionen. Das Schicksal der deutschen Atlantikfestungen 1944/45. Oldenburg 1966.
Lukas Grawe, M.A., Jahrgang 1985, Historiker aus Münster.
Literaturtipps
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Schlachten der Weltgeschichte
Die Schlacht von Azincourt
Höhepunkt des Hundertjährigen Krieges 25. Oktober 1415: In Nordfrankreich kommt es zu einer gewaltigen Schlacht zwischen dem englischen und dem französischen Heer. Trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit erringen die Engländer einen triumphalen Sieg. Von Daniel Carlo Pangerl
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KRIEGERISCHER KÖNIG: Heinrich V. – mit Krone und Helm – geht in dieser Schlachtszene zusammen mit seinen Männern zum Nahkampf gegen die Franzosen bei Azincourt über. Links vom englischen Monarchen ist Sir Thomas Erpingham, zu seiner Rechten der Duke of Gloucester zu sehen. Langbogenschützen spielen eine entscheidende Rolle beim Sieg der zahlenmäßig unterlegenen Engländer. Abb.: akg-images/Osprey Publishing/Henry V/Graham Turner
Englische Truppen Befehlshaber: Heinrich V. Truppenstärke: Schätzungen reichen von 6.000 – 9.000 Mann Verluste: Zirka 400 Mann
Französische Truppen Befehlshaber: Robert de Chalus, Poncon de la Tour u. a. Truppenstärke: Schätzungen reichen von 12.000 – 25.000 Mann Verluste: Zirka 8.000 Mann
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Schlachten der Weltgeschichte | Azincourt
I
m ausgehenden Mittelalter sind England und Frankreich in einen langwierigen militärischen Konflikt verwickelt, der mit Verbissenheit und äußerster Brutalität ausgefochten wird. Er erstreckt sich über den Zeitraum von 1337 bis 1453 und wird als „Hundertjähriger Krieg“ bekannt. Es geht dabei um nichts weniger als um die Vorherrschaft in Europa. Die berühmteste Schlacht des Hundertjährigen Krieges findet 1415 im nordfranzösischen Azincourt statt. Dieses Ereignis wird 1599 durch den brillanten Dramatiker William Shakespeare literarisch verewigt und findet im 20. Jahrhundert seinen Weg auf die Kinoleinwand. Und für die nationale Identität Englands besitzt die Schlacht von Azincourt auch heute noch eine geradezu mythische Aura.
Heinrich V. Englands strahlender Sieger 1387 geboren und aus der Dynastie Lancaster stammend, wird Heinrich V. 1413 englischer König. Durch eine kluge Versöhnungspolitik gelingt es ihm, die englischen Adelsclans, die während der Herrschaft seines Vaters Heinrich IV. gegen die Krone rebelliert haben, auf seine Seite zu ziehen. Innenpolitisch gestärkt, kann Heinrich V. sich nun ganz der Außenpolitik widmen, besonders dem Kampf gegen Frankreich: 1415 erringt er bei Azincourt einen spektakulären Sieg. Fünf Jahre später sichert er sich durch den Vertrag von Troyes das Recht auf die französische Thronfolge und heiratet die französische Prinzessin Katharina. Da aber der Kronprinz Karl von Frankreich diese Regelung nicht anerkennt, kommt es erneut zu Kämpfen zwischen den beiden Nationen. Bei der Belagerung von Meaux erkrankt Heinrich an der Ruhr. Er stirbt 1422 nahe Paris an deren Folgen.
Neuer König, neuer Krieg Wir schreiben das Jahr 1413: England und Frankreich befinden sich nach wie vor im Hundertjährigen Krieg, aber die Kämpfe ruhen bereits seit 28 Jahren. Jetzt betritt jedoch ein junger überaus ambitionierter Akteur die politische Bühne und leitet eine neue Phase der militärischen Auseinandersetzung ein. Es ist Heinrich V.: Am 20. März empfängt der 25-Jährige die englische Königskrone und folgt damit seinem verstorbenen Vater Heinrich IV. in der Herrschaft nach. Durch kluge Diplomatie gelingt es ihm, die aufsässigen Adelsclans seines Reichs auf seine Seite zu ziehen und sie für einen ehrgeizigen Plan zu gewinnen: den Angriff auf Frankreich, welches König Karl VI. regiert. Dieser Gegner auf der anderen Seite des Ärmelkanals soll nun endgültig in
die Knie gezwungen werden, und zwar um jeden Preis. Im Spätsommer 1415 ist es soweit: Heinrich V. und seine Truppen begeben sich in die Hafenstadt Portsmouth an der Südküste Englands. Am 11. August stechen etwa 1.500 englische Schiffe in See. Sie wählen die von Portsmouth aus kürzeste Route. Nach zwei Tagen Überfahrt landen sie ungehindert an der Mündung der Seine. Am 18. August beginnen die Engländer mit der Belagerung des nahegelegenen Harfleur. Über einen Monat lang kann die befestigte Hafenstadt dem Druck der Angreifer standhalten; am 22. September muss sie aber kapitulieren. Heinrich V. gewinnt mit Harfleur einen strategisch wichtigen Stützpunkt, von dem aus er seine weiteren militärischen Operationen durchführen kann.
Auf Konfrontationskurs Dieser Erfolg hat jedoch gewaltige Opfer gefordert: Über ein Drittel seiner Krieger sind entweder tot oder so schwer verwundet, dass sie nicht mehr kämpfen können. Dennoch hält Heinrich entschlossen an seinem
Plan fest und gibt den Befehl, weiter zu marschieren. Am 8. Oktober bricht ein deutlich verkleinertes englisches Truppenkontingent in Richtung Calais auf, mit dem Ziel, auf verbündete Landsleute zu stoßen, die in dieser Stadt stationiert sind. Fünf Tage später erreichen die englischen Soldaten die Somme. Sie können den Fluss aber nicht überqueren, denn ein französisches Heer stellt sich ihnen in den Weg. Die Engländer ändern nun ihre Route und eilen den Flusslauf entlang Richtung Südosten; die Franzosen nehmen die Verfolgung auf. Am 19. Oktober finden Heinrich und seine Männer einen Flussübergang und können sich auf diesem Weg vorerst in Sicherheit bringen. Doch schon am nächsten Tag kommen Boten des französischen Königs in das englische Lager: Sie fordern Heinrich zu einer Schlacht auf. Der König von England befiehlt daraufhin seinen Truppen, wieder aufzubrechen und den Marsch fortzusetzen. Die französischen Soldaten heften sich an die Fersen des englischen Heeres und überholen dieses schließlich: Am 24. Oktober positionieren sie sich vor den Engländern in Schlachtordnung und
Karl VI. Ein vielgeliebter Wahnsinniger Der 1368 geborene Karl VI. entstammt der Bourbonen-Dynastie. Bereits mit zwölf Jahren besteigt er den französischen Thron. 1388, nach Erreichen der Volljährigkeit, kann Karl selbstständig regieren. Schon bald zeigt sich, dass er dieser Aufgabe keineswegs gewachsen ist: Gutgläubig und zeitweise psychisch krank, wird er zum Spielball intriganter Politiker. Schließlich bilden sich an
seinem Hof zwei Adelsparteien, was Frankreich innenpolitisch spaltet. In dieser Schwächephase ereignet sich die Schlacht von Azincourt, die für Karl mit einer schmachvollen Niederlage endet. 1420 folgt der demütigende Vertrag von Troyes, der den englischen König Heinrich V. zum Thronfolger bestimmt. Zwei Jahre später stirbt Karl. Wie sehr das Urteil über Karl VI. schwankt, zeigen die beiden Beinamen, die ihm spätere Generationen verleihen: „der Vielgeliebte“ und „der Wahnsinnige“.
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Pfeile durchschlagen Plattenpanzer hindern Heinrich an der Weiterreise. Ein Kampf ist unvermeidlich. Da bereits der Abend hereinbricht, wird dieser auf den Folgetag verschoben.
Nieten, Riemen und Scharnieren verbunden sind. Als zusätzlichen Schutz tragen sie unter diesem Panzer meist noch ein Kettenhemd. Ein Helm dient als Kopfschutz. Insgesamt
„Denn welcher heut sein Blut mit mir vergießt, der wird mein Bruder; sei er noch so niedrig, der heut’ge Tag wird adeln seinen Stand. Und Edelleut’ in England, jetzt im Bett’, verfluchen einst, dass sie nicht hier gewesen; und werden kleinlaut, wenn nur jemand spricht, der mit uns focht am St.-Crispins-Tag.“ Ansprache des englischen Königs aus Shakespeares Drama „The Life of Henry the Fifth“
Ehe wir uns dem eigentlichen Schlachtverlauf widmen, wollen wir zunächst einen Blick auf Truppenstärke und Ausrüstung werfen.
Von Langbögen und Lanzen Die Frage bezüglich der Schlacht von Azincourt, die in der modernen Geschichtswissenschaft am häufigsten und kontroversesten diskutiert wird, lautet: Wie stark sind die Truppen der beiden Gegner gewesen? Die zeitgenössischen Quellendokumente aus dem 15. Jahrhundert geben nur unzureichende Antworten: Sie sind nicht nur unpräzise, sondern auf Grund der Parteinahme für die eine oder andere Seite auch tendenziös. Insbesondere die spätmittelalterlichen englischen Geschichtsschreiber behaupten, dass das englische Heer dem französischen zahlenmäßig sehr deutlich unterlegen gewesen sei. Inwieweit diese Sichtweise der historischen Realität entspricht, kann nicht zweifelsfrei beantwortet werden. Folglich sind lediglich Schätzungen möglich. Der US-amerikanische Historiker Clifford Rodgers geht von 25.000 französischen und 6.000 englischen Soldaten aus. Demgegenüber nimmt die britische Wissenschaftlerin Anne Curry an, dass die zahlenmäßigen Unterschiede wesentlich geringer gewesen sind: 12.000 französische und 9.000 englische Kombattanten. Es kann daher lediglich als gesichert gelten, dass das französische Heer verhältnismäßig größer gewesen sein muss als das englische. Bei der Schlacht kommen verschiedene Typen von Kriegern zum Einsatz: mit schwerer Rüstung bekleidete Fußsoldaten – in der deutschsprachigen Forschungsliteratur oft als „Gewappnete“ bezeichnet – sowie Bogenund Armbrustschützen und Ritter zu Pferd. Die Gewappneten bilden sowohl auf französischer als auch auf englischer Seite den Großteil des Heeres. Kern ihrer Ausrüstung ist ein Plattenpanzer: Er setzt sich aus zahlreichen Metallplatten zusammen, die mit Hilfe von
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wiegt die Ausrüstung eines Gewappneten etwa 30 Kilogramm. Über Langbogenschützen verfügt nur das englische Heer, ein Umstand, der sich entscheidend auf den Schlachtverlauf auswirken wird. Die verwendeten Pfeile sind gefürchtete und überaus wirkungsvolle Waffen: Sie
tragen fünf Zentimeter lange schmiedeeiserne Spitzen und können sowohl Kettenhemden als auch Plattenpanzer durchschlagen. Die Bogenschützen sind darauf trainiert, pro Minute mindestens zehn Pfeile abzufeuern. Zudem befinden sich verschiedene Schusstechniken in ihrem Repertoire. Besonders effektiv ist folgende Variante: Dicht hintereinander aufgestellte Reihen von Bogenschützen schießen zeitgleich ihre Pfeile ab, und zwar derart, dass sich diese auf einer hohen bogenförmigen Flugbahn bewegen. Der hierdurch verursachte Pfeilregen sorgt dafür, dass der angreifende Feind seinen Vormarsch erheblich verlangsamen muss. Das französische Heer besitzt demgegenüber nur konventionelle Bogen- und Armbrustschützen.
Aufmarsch mit Problemen Ritter zu Pferd setzen lediglich die Franzosen ein, und zwar nur zu Beginn der Schlacht. Kampfschauplatz ist eine Ebene nahe der Dörfer Azincourt, Tramecourt und Maisoncelle im heutigen Département Pas-de-Ca-
BLICK ZUM HIMMEL: Heinrich V. dankt nach dem Sieg dem Allmächtigen. Abb.: picture alliance/Mary Evans Picture Library
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Schlachten der Weltgeschichte | Azincourt NATIONALHELDIN FRANKREICHS: Jeanne d’Arc hat großen Anteil an der Aufhebung der englischen Belagerung von Orléans 1429, die von vielen Historikern für die Wende im Krieg gehalten wird. Abb.: picture-alliance/akg-images
FAKTEN
Der Hundertjährige Krieg
Der Begriff „Hundertjähriger Krieg“ bezeichnet eine langwierige militärische Auseinandersetzung zwischen England und Frankreich, die von 1337 bis 1453 andauert. Ausgangspunkt ist die ungeklärte Erbfolge des französischen Königs Karl IV., der keine männlichen Nachkommen hinterlässt. Als Karls Nachfolger kann sich letztlich sein Cousin Philipp von Valois durchsetzen – gegen den englischen König Edward III., einen Neffen Karls. 1337 erklärt Edward Frankreich den Krieg: Er verfolgt das Ziel, die Besitztümer in Frankreich zu gewinnen, die ihm seiner Meinung nach zustehen. Philipp reagiert, indem er das letzte englische Territorium auf französischem Boden, die Guyenne, erobert. 1340 ernennt sich Edward selbst zum französischen König, dringt in Frankreich ein und bereitetet Philipp in der
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Schlacht bei Crécy eine empfindliche Niederlage. 1356 nimmt er Johann II., Philipps Nachfolger auf dem französischen Thron, gefangen. Edward lässt sich die Freilassung Johanns teuer bezahlen: Neben einem hohen Lösegeld erhält er Gebiete im Südwesten Frankreichs. Ab 1369 kann der neue französische König Karl V. ebendiese Territorien zurückerobern. Von 1386 an ruhen die Kämpfe für 28 Jahre. Eine neue Phase wird 1413 mit der Thronbesteigung Heinrichs V. eingeleitet. Dieser englische König erhebt Anspruch auf die französische Krone, überquert den Ärmelkanal und vernichtet die gegnerischen Truppen 1415 in der Schlacht bei Azincourt. Anschließend besetzt Heinrich große Teile Nordfrankreichs. Unterdessen sagen sich die Burgunder von ihrem
Bündnispartner Frankreich los: Sie schließen sich England an, dringen in Paris ein und nehmen den französischen König Karl VI. gefangen. Im Vertrag von Troyes 1420 muss sich Karl dazu bereiterklären, Heinrich als seinen Thronfolger anzuerkennen. 1422 sterben aber sowohl Karl VI. als auch Heinrich V. Die Engländer beherrschen dennoch weiterhin Frankreich. Unter Mitwirkung der legendären Jeanne d'Arc rufen die Franzosen 1430 mit Karl VII. einen neuen König aus. Ihm gelingt es, Burgund auf seine Seite zu ziehen und somit die englisch-burgundische Allianz aufzulösen. Es folgt nun eine militärische Offensive der Franzosen: Bis 1453 können sie – begünstigt durch gravierende innenpolitische Probleme der Engländer – nahezu alle ihre Gebiete zurückerobern. Damit endet der Hundertjährige Krieg.
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Englischer Erfolg lais. Im Morgengrauen des 25. Oktober, am Gedenktag des frühchristlichen Märtyrers Crispian, stellen sich die französischen und englischen Truppen in ihrer jeweiligen Schlachtordnung auf. Zwischen beiden Heeren befindet sich freies Ackerland von etwa 1.000 Metern Länge, das auf beiden Seiten von Bäumen und Hecken begrenzt wird. Der Boden weist infolge von Regenfällen eine sehr schlammige Konsistenz auf. Besonders für die Reiterei wird es ausgesprochen mühsam sein, sich auf diesem schweren Geläuf fortzubewegen. Wie ein erhaltener Schlachtplan beweist, verfolgen die Franzosen ursprünglich die Taktik, dass sich ihre Soldaten in drei Abteilungen aufstellen: in der Mitte die Gewappneten, außen auf beiden Flanken die Bogenund Armbrustschützen sowie ebenfalls an den Flanken eine etwa 1.000 Mann starke Kavallerie. Die Bogen- und Armbrustschützen sollen gleich zu Beginn der Schlacht zumindest einen Teil der gefürchteten englischen Langbogenschützen töten. Anschließend soll dann die Reiterei die verbleibenden Langbogenschützen attackieren und vernichten. Jedoch wird dieser ausgefeilte Plan nicht in die Tat umgesetzt. Die französischen Herzöge können sich nämlich nicht einigen, welchem von ihnen die Ehre zuteil werden darf, in vorderster Front die Truppen anzuführen. Einige Her-zöge erscheinen nicht einmal auf dem Schlachtfeld. Somit muss die Gruppierung der Soldaten umgestellt werden, mit der Folge, dass die Bogen- und Armbrustschützen nun hinter den Gewappneten stehen und nicht mehr an den Flanken.
Schlacht im Schlamm Die Taktik der Engländer besteht darin, die Schlacht hauptsächlich zu Fuß zu führen. Sie wählen eine Schlachtordnung, bei der die Gewappneten in drei Abteilungen angeordnet werden. Dazwischen stehen zwei Gruppen von Langbogenschützen: Diese rammen angespitzte Holzpflöcke in den Boden und legen somit eine Art Zaun an, hinter dem sie sich verschanzen können. Unmittelbar vor dem Kampf führen die beiden Gegner noch einmal letzte Verhandlungen. Sie bleiben jedoch ergebnislos.
Literaturtipps Bernard Cornwell: Im Zeichen des Sieges. Reinbek 2012. (historischer Roman) Anne Curry: Azincourt. A New History. Stroud 2005. Joachim Ehlers: Der Hundertjährige Krieg. München 2012.
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HINTERGRUND
Shakespeares Azincourt
William Shakespeare (1546–1616) gehört zu den berühmtesten Autoren der Weltliteratur. Eines seiner Werke, das Drama „The Life of Henry the Fifth“ von 1599, widmet sich der Biographie dieses englischen Königs. Ein Höhepunkt ist die Schilderung der Schlacht von Azincourt. Vor Beginn der Kampfhandlungen lässt Shakespeare Heinrich V. die fiktive St.-Crispins-Tag-Rede halten, mit der der Monarch seinen Truppen Mut machen will und göttlichen Beistand erfleht. Da eine Schlacht auf der Theaterbühne visuell nur eingeschränkt dargestellt werden kann, hat sich das Medium Film dieser Aufgabe angenommen: Von Shakespeares Drama existieren mehrere Kinofassungen. Die wohl beste entsteht 1988 in England unter der Regie von Kenneth Branagh, der gleichzeitig auch den Titelhelden Heinrich V.
Es vergehen mehrere Stunden bangen Wartens, bis Heinrich V. seinen Truppen den Befehl gibt loszuschlagen. Um vorwärts zu gelangen, müssen die englischen Bogenschützen die Holzpflöcke aus dem Boden ziehen und an der neuen Stelle, an der sie Halt machen, wieder ins Erdreich schlagen. In dieser Phase des Marschierens und Neupositionierens wären sie ein leichtes Opfer, doch die französischen Truppen versäumen es, die Chance zu nutzen. Dies wird sich bald bitter rächen! Jetzt eröffnen die englischen Bogenschützen das Feuer: Ein gewaltiger Pfeilhagel prasselt auf das gegnerische Heer nieder. Die Franzosen sind dadurch genötigt, ihrerseits anzugreifen: Ein Teil ihrer Reiter bewegt sich auf die englischen Bogenschützen zu, aber der schlammige Boden erschwert ihnen das Vorankommen. Zahlreiche französische Ritter werden tödlich von englischen Pfeilen durchbohrt, darunter die Reiterführer Robert de Chalus, Poncon de la Tour und Guillaume de Saveuse. Daraufhin senden die Franzosen ihre schwer gepanzerten Gewappneten aus, doch auch sie können wegen der Bodenverhältnisse nur schleppend vorwärts rücken und werden zudem von den Engländern mit Pfeilen beschossen.
Triumph der Engländer Schließlich treffen englische und französische Gewappnete aufeinander, und es beginnt ein erbitterter Nahkampf. Bald greifen die englischen Bogenschützen wieder in das Geschehen ein – mit durchschlagendem Erfolg! Es ist anzunehmen, dass sie von der Seite aus Pfeile auf die Franzosen schießen, während die englischen Gewappneten im Zentrum agieren. Jedenfalls bewirkt das Zusammenspiel dieser beiden Kräfte, dass die Soldaten der ersten französischen Front, so-
verkörpert. In dieser Version wird die Schlacht von Azincourt mit blutigem Realismus spektakulär in Szene gesetzt.
BLUTIGER KAMPF UM DIE KRONE FRANKREICHS: Kenneth Branagh (rechts) als Heinrich V. nach der Schlacht von Abb.: picture-alliance Azincourt.
weit sie überhaupt noch am Leben sind, die Flucht ergreifen. Nun kommt die zweite Welle der Franzosen anmarschiert, aber auch dieses Aufgebot kann nicht gegen die Engländer bestehen. Es folgen noch einige verzweifelte, aber erfolglose Attacken kleinerer französischer Kontingente, dann ist das Gefecht für Frankreich verloren. Heinrich V. kündigt an, dass die gefangenen Franzosen umgebracht werden sollen. Er rückt jedoch von diesem blutrünstigen Vorhaben wieder ab, nachdem feststeht, dass er von seinem Gegner nichts mehr zu befürchten hat. Diejenigen französischen Hochadeligen, die in der Schlacht gekämpft und überlebt haben, werden gefangen gesetzt und erst später gegen hohe Lösegeldzahlungen wieder freigelassen. Die Zahl der Opfer kann nicht präzise rekonstruiert werden. Fest steht jedoch, dass die Franzosen wesentlich höhere Verluste zu beklagen haben: Schätzungen gehen von 8.000 Toten auf französischer gegenüber 400 Toten auf englischer Seite aus. Als strahlender Sieger aus der Schlacht von Azincourt geht König Heinrich V. von England hervor. Dank kluger Kampftaktik und der überragenden Stärke seiner Langbogenschützen hat er das schier Unmögliche geschafft: Einen zahlenmäßig weit überlegenen Gegner im Feindesland triumphal zu besiegen. In dieser Phase des Hundertjährigen Krieges ist das Glück auf Seiten der Engländer. Knapp vierzig Jahre später wendet sich aber das Blatt und Frankreich wird letztendlich den Sieg davontragen. Dr. Daniel Carlo Pangerl, Jg. 1983, ist Historiker und Kulturwissenschaftler. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören Mittelalter und Antike.
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Schlachten der Weltgeschichte | Hatten-Rittershoffen 1945
LANGSAMER VORMARSCH: Panzer der US-Armee und Infanterie bahnen sich ihren Weg durch verschneites Gelände. Auch wenn die Wehrmacht zu diesem Zeitpunkt bereits geschlagen schien, hatten die Amerikaner bei Hatten-Rittershoffen größFoto: ullstein bild – dpa te Probleme.
FAKTEN
14th Armored Div.
Verluste 14th Armored Division*: (13. Januar bis 20. Januar 1945) gefallen: 104 Mann verwundet: 899 Mann vermisst: 122 Mann Fahrzeugverluste durch Feindeinwirkung: Panzer: 39 Halftracks: 5 Panzerspähwagen: 1 Radfahrzeuge: 30 105-mm-Haubitzen: 2 57-mm-Pak: 6 *Amtliche Statistik der U.S. Army
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Unternehmen Nordwind
Winterschlacht im Elsass Januar 1945: Als die Ardennenoffensive längst gescheitert war, trat die Wehrmacht im Unterelsass zum Gegenangriff an – und bereitete den Amerikanern beinahe ein Debakel. Von Hagen Seehase
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er Stoßtrupp, bestehend aus Grenadieren der 6. Kompanie des II. Bataillons/ Panzergrenadierregiment 119 und einer Gruppe Pionieren, arbeitet sich nun schon seit 23:00 Uhr des 8. Januar 1945 durch den Minengürtel und die Drahtverhaue im Vorfeld der Bunkerlinie im Nordelsass. Der hartgefrorene Boden erschwert den Männern, die in dieser bitterkalten Nacht völlig lautlos einen Weg bahnen müssen, das Räumen der Minen erheblich. Am 9. Januar um 4:00 Uhr morgens befindet sich der deutsche Stoßtrupp am feindseitigen Ende der Sperre. Noch sind 100 Meter deckungsloses Gelände zu überwinden, 100 Meter bis zum ersten Bunker. Es handelt sich um Infanteriekasematten der Maginot-Linie, ausgelegt für eine Besatzung von jeweils 20 bis 25 Mann, nun besetzt von amerikanischen Soldaten des 2nd Battalion vom 242nd Infantry Regiment. Eine Pa-
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trouille des genannten US-Verbandes, geführt von Sergeant Chester Giles, hatte am Vortag ostwärts von Hatten sechs deutsche Panzer unter Tarnnetzen entdeckt. Doch diese Beobachtung ist nicht richtig interpretiert worden. Die US-Truppen sind jetzt nur eingeschränkt abwehrbereit, doch kopflos sind sie nicht.
Mächtiger Offensivschlag Im Unterschied zur etwa zeitgleich geführten Schlacht in den Ardennen sind die amerikanischen Defensivoperationen im Unterelsass von Beginn an koordiniert. Major General Alexander M. Patch, Kommandeur der amerikanischen 7th Army, verfolgt eine Strategie, die den kaum miteinander vereinbarenden Vorstellungen des alliierten Oberbefehlshabers Dwight D. Eisenhower und der französischen Verbündeten Rechnung trägt: Einerseits würde Eisenhower das Elsass am
liebsten zeitweilig preisgeben und den Rückzug auf die Vogesen befehlen, andererseits wollen die Franzosen die Aufgabe von Straßburg unter allen Umständen verhindern. Als die deutsche Offensive im Elsass beginnt, operiert eine bewegliche Kampfgruppe („Task Force Hudelson“) schon jenseits der Reichsgrenze auf deutschem Gebiet. Dem deutschen Ansturm kaum gewachsen, verzögern ihn diese Kräfte zumindest. Durch den hartnäckigen Widerstand der Amerikaner südlich von Bitsch, der durch das schwierige Gelände der Niedervogesen mit ihren tiefen Geländeeinschnitten begünstigt wird, verlagert sich der deutsche Angriffsschwerpunkt auf das offenere Gelände südlich von Weißenburg (frz.: Wissembourg). Hier aber sitzen US-Truppen in den Befestigungsanlagen der Maginot-Linie. Patch befiehlt einen schrittweisen Rückzug auf eine Auffanglinie. Davon wurden vier
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Schlachten der Weltgeschichte | Hatten-Rittershoffen 1945
DURCH ZERSTÖRTE DÖRFER: Panzer der 14th Armored Division auf dem weiteren Vormarsch; die Spuren der vorangegangenen Kämpfe sind Foto: National Archives unübersehbar.
geplant und zum Teil logistisch vorbereitet beziehungsweise durch Pioniere mit Feldbefestigungen verstärkt: 1. das Bunkersystem der Maginot-Linie, 2. der Flusslauf der Moder, 3. die Linie Buchsweiler–Straßburg, 4. die Vogesen.
Erbitterte Nahkämpfe Letztlich ist es die Linie an der Moder, die gehalten werden kann – nach Bereinigung einiger Einbruchstellen und unter Einsatz aller Reserven, besonders in und um Hagenau Ende Januar. Darunter befinden sich auch die Fallschirmjäger der 101st Airborne Division, der „Screaming Eagles“. Dass dies gelingt, liegt auch daran, dass die deutschen Angriffskräfte bereits erheblich geschwächt FAHRT INS UNGEWISSE: Deutsches Sturmgeschütz mit Wintertarnung und aufgesessener Infanterie auf dem Weg ins Kampfgebiet im Nordelsass im Raum Hagenau (frz.: Haguenau). Foto: ullstein bild – ullstein bild
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sind. Wie Bastogne in den Ardennen bilden die beiden Ortschaften Hatten und Rittershoffen am Hagenauer Forst eine Art „Wellenbrecher“ der deutschen Offensive. Und wie in Bastogne sind auch hier die Witterungsbedingungen äußerst ungünstig. Es entwickelt sich eine Schlacht, die zweifellos zu den härtesten an der ganzen Westfront zählen wird. Anders als im Fall von Bastogne soll Hatten von den Amerikanern jedoch keinesfalls um jeden Preis gehalten werden. Für die Wehrmacht ist allerdings der Besitz der Ortschaft von großer Bedeutung, denn sie bedeutet den Einbruch in die Maginot-Linie. Der erste Bunker kann in der Nacht vom 8. zum 9. Januar 1945 handstreichartig erobert werden, die Besatzung im zweiten Bunker eröffnet das Feuer und kann erst
durch den Einsatz von Flammenwerfern und Panzerfäusten ausgeschaltet werden. Fast zeitgleich beginnt der Rest der ungepanzerten Kampfgruppe der 25. Panzergrenadierdivision mit ihrem Angriff. Damit ist der Einbruch in die Maginot-Linie gelungen. Aber das deutsche Angriffsziel, die Ortschaft Hatten, ist bei Sonnenaufgang noch nicht erreicht. Die zur Unterstützung der Kampfgruppe detachierte Sturmgeschützabteilung ist im Morgengrauen bei ihrem Angriff in feindlichem Abwehrfeuer liegengeblieben. Auch ein zweiter Versuch – dieses Mal unterstützt von drei Grenadierkompanien – ist gescheitert. Um 11:00 Uhr tritt die gepanzerte Kampfgruppe der Division unter Oberstleutnant Ernst Huss zum Angriff an und fährt zügig bis zum Südrand von Hatten vor. Der Verband besteht aus dem I. Bataillon des Panzergrenadierregiments 119, der Panzerabteilung 5, der Flammpanzerkompanie 352, der Panzerjägerabteilung 25 und Teilen des Pionierbataillons 25. Dem Angriff schließt sich das II. Bataillon des Panzergrenadierregiments 119 an. An der Spitze fahren 16 „Panzer IV“ und einige Schützenpanzerwagen. Plötzlich tauchen vier „Sherman“-Panzer des 48th Tank Battalion auf und schießen in rascher Folge sechs deutsche Panzer ab. Kaum ist Hatten erreicht, dreht die gepanzerte Kampfgruppe aufgrund dieses unerwartet heftigen Widerstandes der US-Truppen nach Norden ab,
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Tödliche Panzerduelle
VOR DEM GEFECHT: Ein „Sherman“ M4A3 der US-Armee rückt durch Niederbetschdorf zum Einsatz in Rittershoffen Foto: National Archives vor.
Verbissener Sergeant Der Ort Hatten selbst kann nicht vollständig eingenommen werden. Dort liegende Truppen des 1st Battalion, 242nd Infantry Regiment, verteidigen sich zäh. Ein Koch der A Company, Sergeant Vito R. Bertoldo (1916– 1966), verteidigt im Alleingang mit einem Maschinengewehr den Bataillonsgefechtsstand des 1st Battalion. Ihm gelingt es mithilfe des MG-Feuers und von Phosphorgranaten, vordringende deutsche Kräfte aufzuhalten. 48 Stunden ist er nun ununterbrochen im Gefecht. Ein Jahr später wird ihm für seine Tapferkeit die „Medal of Honor“ verliehen. Neben den oben genannten Einheiten der 25. Panzergrenadierdivision werden auf deutscher Seite auch die 21. Panzerdivision, das Fallschirmjägerregiment 20 und später die 47. Volksgrenadierdivision eingesetzt. Auf Seiten der Amerikaner sind die 14th Armored Division und Teile der 79th Infantry Division (drei Infanteriebataillone) sowie zwei Infanteriebataillone der „Task Force Linden“ involviert; darüber hinaus einige detachierte Korps- und Armeeverbände. Die numerische Überlegenheit der Wehrmacht besteht nur auf den ersten Blick. Tat-
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sächlich besitzen die meisten deutschen Verbände nur eine Ist-Stärke von rund 50 Prozent. Die 21. Panzerdivision verfügt zu Beginn der Kämpfe über rund 25 mittlere Kampfpanzer vom Typ „Panther“. Die deutschen Verbände unterstehen dem XXXIX. Panzerkorps unter General der Panzertruppe Karl Decker. Bedeutend ist auf deutscher Seite die Stärke der Artillerie. Das Volks-Ar-
soliden Sandsteinquadern ausgeführt und mit oberirdischen Kellerfenstern – in kleine Bunker. Von Süden (aus dem Hagenauer Forst) und von Westen wird ein Entlastungsangriff nach dem anderen durchgeführt. Am 10. Januar 1945 erreicht das 2nd Battalion des 315th Infantry Regiment Hatten, während das abgekämpfte 2nd Battalion, 242nd Infantry Regiment, nach Rittershoffen zurückge-
„Sie waren außerordentlich vielseitig, sie passten sich einer veränderten Situation sofort an und kämpften mit großer Verbissenheit. Sie waren in der Lage, aus ihren Erfahrungen zu lernen und durch unkonventionelles Vorgehen Ergebnisse zu erzielen.“
Foto: BArch, Bild 183-R66000/Siedel
während sich das II./PzGrenRegiment 119 zur Verteidigung einrichtet. Dabei wird die Infanteriekasematte Esch, einer der beiden eroberten Bunker, als Kompaniegefechtsstand eingerichtet.
Hans von Luck, damals Kommandeur einer gepanzerten Kampfgruppe, über die US-Soldaten in Hatten und Rittershoffen 1945
tillerie-Korps 406 ist der Angriffsgruppe unterstellt. In ihrer Wirksamkeit wird sie aber dadurch stark eingeschränkt, dass sich die Kämpfe auf engstem Raum in den Dörfern Hatten und Rittershoffen konzentrieren. Es zeigt sich, dass die planerische Konzentration auf die Befestigungsanlagen der Maginot-Linie ein taktischer Fehler ist: In beiden Ortschaften verwandeln die US-Soldaten die massiven Keller der Häuser – oft in
zogen werden muss. Dies führt beinahe zur Einschließung des 2nd Battalion, 315th Infantry Regiment, in Hatten. Einen Tag später greifen kurz vor Morgengrauen zwei gepanzerte Kampfgruppen, die Kampfgruppe Huss der 25. Panzergrenadierdivision und die Kampfgruppe Luck der 21. Panzerdivision, unter Umgehung von Hatten den Ort Rittershoffen an: Ein Beobachtungsbunker wird ebenso genommen
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Schlachten der Weltgeschichte | Hatten-Rittershoffen 1945
AUF DEM VORMARSCH: An einer zurückgelassenen Halbkettenzugmaschine der deutschen Wehrmacht vorbei rücken leichte Panzer M5A1 eines US-Panzeraufklärerbataillons bei Bad Bergzabern vor, März 1945. Foto: National Archives.
KARTE
Kämpfe im Raum Hatten-Rittershoffen, 1945
führbar, aber das Feuer der am westlichen Ortsrand liegenden deutschen Infanterie, die auch zwei erbeutete 57-mm-Pak einsetzt, ist mörderisch. In der Nacht vom 12. zum 13. Januar treffen deutsche Fallschirmjäger in Hatten ein. Wenige Stunden später dringt ein Angriff des U.S. Combat Command R nach Hatten durch und entsetzt das eingeschlossene US-Infanteriebataillon. Der verbissene Kampfgeist der deutschen Fallschirmjäger verhindert aber, dass die US-Verbände ganz Hatten einnehmen können.
Dramatischer Nachtangriff
Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich
wie einige Gebäude im Nordosten von Rittershoffen. Doch der Angriff läuft sich fest: Panzerjäger des 827th Tank Destroyer Battalion in Rittershoffen schießen 13 deutsche Panzer ab. Obwohl sich dieses Bataillon in der Vergangenheit nicht besonders ausgezeichnet hat und mit schnellen, aber schwach gepanzerten M18-Hellcat-Jagdpanzern ausgerüstet ist, leisten die US-Panzerjäger ihren Kameraden von der Infanterie wichtige Hilfe. Die Reste des 2nd Battalion,
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315th Infantry Regiment, verstärkt durch einige Jagdpanzer des Typs M10 vom 813th Tank Destroyer Battalion, kämpfen verzweifelt in Hatten und können immerhin rund ein Drittel des Ortes halten. Das 3rd Battalion, 315th Infantry Regiment, hält Rittershoffen. Amerikanische Gegenangriffe am 11. und 12. Januar 1945 bringen kaum Geländegewinne, entlasten aber die US-Truppen in Hatten. Ein Vorstoß von Rittershoffen nach Hatten erscheint durch-
In einem Nachtangriff versucht das III. Bataillon des Fallschirmjägerregiments 20 mit der Unterstützung von Flammpanzern des Typs 38(t), Rittershoffen einzunehmen. Doch zwei Flammpanzer werden abgeschossen, die Fallschirmjäger ziehen sich zurück. Am 15. Januar übernimmt die 47. Volksgrenadierdivision die Stellungen der abgekämpften Wehrmachtseinheiten in Hatten und Rittershoffen. Am 17. Januar gelingt es Einheiten der 14th Armored Division, ein deutsches Bataillonshauptquartier in Rittershoffen zu überrennen. Fallschirmjäger und Soldaten einer Panzeraufklärungsabteilung erobern das Gelände aber zurück. Während der ganzen Zeit verbleibt die Zivilbevölkerung in Hatten. Man sucht Zuflucht in den Kellern und im südlich des Ortes gelegenen „Abri“, einem Kasernenbunker der Maginot-Linie. Da bis zum 18. Januar miserables Wetter herrscht, sind kaum Flugbewegungen möglich. Mit einer einsetzenden Wetterbesserung greifen amerikanische P-47 Thunderbolt in
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Mörderisches Feuer GEFALLEN: Der Leichnam eines tödlich getroffenen deutschen Grenadiers vor einem von US-Soldaten der 79th Infantry Division im Nahkampf eroberten Haus. Erbittert wird im Januar 1945 bei Hatten und Rittershoffen um jedes Haus und Gehöft gerungen.
WALZE AUS STAHL: Die „Panther“ machten den US-Soldaten im Elsass sehr zu schaffen. Foto: picture alliance/akg
Foto: picture-alliance/UsisDite/Leemage
die Kämpfe ein. Sie bombardieren deutsche Einheiten in Hatten. Am selben Tag werfen deutsche Me 262 des Kampfgeschwaders 51 Bomben auf Niederbetschdorf.
Erschöpfte Wehrmacht In der Nacht vom 20. zum 21. Januar 1945 ziehen sich die amerikanischen Verbände auf Befehl des Kommandierenden Generals des VI. Corps, Generalmajor Edward H. Brooks zurück. Sie errichten an der Moder weiter südlich eine neue Verteidigungslinie. Der Rückzug verläuft weitgehend unbemerkt. Auf jeden Fall sind die Wehrmachtverbände zu erschöpft, um den Gegner zu verfolgen. Oberstleutnant Hans von Luck beschreibt die Kämpfe um Hatten und Rittershoffen als eine der härtesten und kostspieligsten Schlachten an der Westfront. Darin ist er sich mit Jacob L. Devers, dem Kommandierenden General der 6th Army Group, einig. Dieser konstatiert, Hatten-Rittershoffen „was one of the greatest defensive battles of the war.“ Für die Dauer von ein paar Wochen herrscht Stellungskrieg entlang der Moder,
SEHENSWERT
die aus Buchsweiler (frz.: Bouxwiller) vorstoßende 14th Armored Division Hatten und Rittershoffen wieder ein. Eine nun stattfindende Inspektion des Schlachtfeldes erbringt die Zahl von 31 abgeschossenen „Sherman“-Panzern, neun zer-
„Das Dorf [Rittershoffen] sieht nach wenigen Tagen wie ein Geisterdorf aus. Fast alle Häuser und die Kirche, die von Major Kurz’ Männern verteidigt wird, sind Ruinen. Viele Häuser brennen und beleuchten nachts die Szene.“ Hans von Luck über die Kämpfe in Hatten und Rittershoffen 1945
ment in und um Hagenau abgelöst. Am 23. Februar 1945 rücken die amerikanischen Fallschirmjäger wieder ab. Die Kämpfe um Hagenau sind noch in vollem Gange. Erst Mitte März gelingt die Rückeroberung der Stadt. Nun ist der Weg nach Hatten frei. Am 18. März 1945 nehmen von Hagenau vordringende freifranzösische Verbände und
Museen zur Schlacht im Unterelsass
Mit der Infanteriekasematte Esch kann ein Originalschauplatz der Kämpfe von 1945 besichtigt werden. Hinzu kommt das „Musée de l’Abri de Hatten“ mit dem Abri – dem Kasernenbunker – als Herzstück. Dieser wurde detailgetreu eingerichtet wie im Jahre 1939. Daneben widmen sich verschiedene Ausstellungshallen den mit der Region und der
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mit gegenseitigen Feuerüberfällen und Stoßtruppunternehmen. Daran beteiligt ist die Easy Company des 506th PIR (Parachute Infantry Regiment / Fallschirmjägerregiment) der 101st Airborne Division. Das 506th PIR hat am 5. Februar das 313th Infantry Regi-
Epoche verbundenen Themen: der Schlacht um Hatten-Rittershoffen, dem Aufbau und der Geschichte der Maginot-Linie sowie dem Schicksal der elsässischen Zwangsrekrutierten und Kriegsgefangenen. Außerdem beherbergt das Museum eine Sammlung von Geschützen, Panzern und Luftfahrzeugen aus dem Zweiten Weltkrieg und der Zeit des Kalten Krieges.
störten leichten M5-Panzern und acht zerstörten Halftracks. Auf deutscher Seite gingen 51 Panzer und Sturmgeschütze sowie zwölf Schützenpanzerwagen verloren. Hinzu kommen weitere sechs Panzer, die aber von der Wehrmacht noch geborgen werden konnten. Die Toten der Kämpfe um Hatten-Rittershoffen sind nie genau gezählt worden. Schätzungsweise rund 2.000 deutsche und 1.200 amerikanische Soldaten kamen ums Leben – außerdem fanden 114 Zivilisten den Tod in der Winterschlacht im unteren Elsass vor 70 Jahren. Hagen Seehase, Jg. 1965, ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen über militärgeschichtliche Themen, darunter Artikel zur Hochkönigsburg im Elsass und das Unternehmen „Nordwind“.
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Militärtechnik im Detail
„Hochnäsiges“ Truppentaxi
Illustration: Jim Laurier
Amerikas „Higgins-Boot“ Feuerunterstützung
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Zur Verteidigung bedienten zwei der vier Besatzungsmitglieder eines LCVPs die auf Drehringlafetten montierten 7,62-Millimeter-MG.
Tuckern und knattern Ein 225-PS-Dieselmotor trieb das Boot mit bis zu 22 km/h an. Die in einer Heckwölbung vertieft eingelassene Schraube war weniger anfällig, sich zu verheddern oder ganz allgemein Dünnhäutig beschädigt zu werden. Ein hölzerner Rumpf schützte nicht vor Projektilen. Nur eine zirka sechs Millimeter starke Stahlbeplankung am Bug und den Seiten bot gewissen Schutz.
Fotos: National Archives
er aus Louisiana stammende Andrew Higgins „hat den Krieg gewonnen“, sagte General Dwight D. Eisenhower. Higgins war ein Experte für den Bau von Booten, die für Sümpfe und seichte Flussarme gemacht waren. Er studierte die Zeichnungen, die Victor Krulak 1937 von den beim Angriff auf Schanghai eingesetzten japanischen Schiffen und Booten angefertigt hatte, genau. Higgins brachte in einem Telefonat mit seiner Firma in New Orleans mit einer kurzen Beschreibung einer motorangetriebenen Barkasse, das Landungsfahrzeug für Fahrzeuge und Mannschaften (LCVP Landing Craft Vehicle Personnel) auf den Weg. Das LCVP sollte in der Lage sein, Truppen von größeren Schiffen zum Strand und wieder zurück zu bringen. Die Soldaten bestiegen das wenig komfortable LCVP mit Hilfe von Ladenetzen, die an den Bordwänden ihrer Transportschiffe gespannt waren. Dabei hofften sie, dass es ihnen gelänge, ihre Mahlzeiten bei sich zu behalten. Am Tag der Invasion in der Normandie mussten sich ganze Bootsladungen von Soldaten, die in ihren schlingernden Booten im Ärmelkanal darauf warteten, in Frankreich anlanden zu können, übergeben. Ein GI der 4. Infanteriedivision, beschmiert mit seinem eigenen Erbrochenem, schüttelte den Kopf und sagte: „Dieser Typ Higgins, hat mal keinen Grund, stolz darauf zu sein, dieses verdammte Boot erfunden zu haben.“
Training an der Ostküste im August 1943. Die Küstenwachtmänner am Steuerrad und den MG im Heck lassen gerade die Bugrampe nieder, so dass der Infanterietrupp an Land springen kann.
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DIE KONKURRENTEN: Das britische Sturmlandungsboot (Landing Craft Assault, LCA) Besatzung: 4 Mann Höchstgeschwindigkeit: 19 km/h Zuladung: 36 Mann oder 363 Kilogramm Fracht Länge: 12,60 Meter Breite: drei Meter Tiefgang: unbeladen am Heck 53 Zentimeter Bewaffnung: Bren-MG, zwei Lewis-MG oder zwei 5-Zentimeter-Mörser Meistens von den Truppen des Commonwealth eingesetzt.
Die japanische 14-Meter-Diahatsu-Klasse Besatzung: 12 Mann Höchstgeschwindigkeit: 24 km/h Zuladung: 70 Mann, ein Panzer oder zehn Tonnen Fracht Länge: 14,32 Meter Breite: 3,04 Meter Tiefgang: 79 Zentimeter Bewaffnung: zwei leichte MG oder zwei 25-Millimeter-Flaks. Die Zeichnungen, die „Brute“ Krulak von den Diahatsus in Schanghai angefertigt hatte, führten in direkter Linie zum innovativen Higginsboot.
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In gewisser Weise ein flinkes Boot Plump und trottend bei der Fahrt, konnte ein Higginsboot, wenn es erst angelandet war, in gerade einmal 180 Sekunden seine Fracht entladen und sich erneut auf den Weg machen. Die Steuermänner gaben Vollgas, um über Sandbänke hinweg zu kommen. Beim Vollgas beließen sie es auch, wenn man angelandet war, um das Boot in Position zu halten.
Nur Stehplätze Ein neun Tonnen schweres LCVP konnte 36 voll ausgerüstete Soldaten oder zwölf Mann und einen Jeep oder einen leichten Lkw oder vier Tonnen Fracht aufnehmen.
In dieser Serie bereits erschienen: Kampfpanzer Sherman M4 (2/2013) Flugzeugträger Independent-Klasse (3/2013) Deutsches Schnellboot Typ S-100 (3/2013) Maschinengewehr (MG) 42 (4/2013) Amerikanische Haubitze M2A1 (5/2013) Fairey Swordfish (6/2013) Russischer Kampfpanzer T-34/76 (1/2014) Japanischer Jäger A6M Zero (1/2014) Heinkel He 111 (2/2014) Amerikanischer Lastwagen GMC 6x6 (3/2014) Kleinst-U-Boot Typ 127 „Seehund“ (4/2014) Deutsches Kettenkraftrad HK 101 (5/2014) Britischer Lancaster-Bomber (6/2014) Deutscher Panzer „Tiger“ (1/2015)
Nach den Kämpfen um Saipan; ein Higginsboot bringt lächelnde Marines Ende Juli 1944 an den Strand. Nur wenige Wochen zuvor erlitten die Amerikaner in den Kämpfen 10.000 Mann Verluste, von denen viele an Bord eines LCVPs von der umkämpften Insel evakuiert wurden.
Mahnende Worte In einer für den damals eher sorglosen Umgang mit Tabak unüblichen Weise, war das Rauchen an Bord verboten und auch auf der Rampeninnenseite so aufschabloniert; vielleicht eine Konzession an den ursprünglichen Benzinmotor des Bootes.
Chaseboot Neben der Hauptaufgabe, Truppen und Güter zu transportieren, dienten LCVPs auch als seetüchtige Jeeps, die Nachrichten übermittelten und Offiziere kutschierten. Die Abbildung hier basiert auf einem LCVP, das im Freiluftmuseum der Maisy-Batterie in Grandcamp-Maisy in der Normandie nahe des Omaha-Strandes steht. „PA“ bezieht sich dabei auf das Mutterschiff am D-Day, der USS SAMUEL CHASE. In Zahlen Mit einer Breite von 3,30 Metern, einer Länge von 11,05 Metern und einem Tiefgang von 66 Zentimetern war das LCVP beinahe überall einsetzbar. Higgins und andere Auftragsfirmen bauten mehr als 20.000 Boote.
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Rampe auf – Rampe ab Zu den Innovationen des Higginsbootes zählte der abklappbare Bug, der zugleich als bootsbreite Rampe diente. Die schmaleren Rampen von konkurrierenden Bootsdesigns machten die Be- und Entladung komplizierter.
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Militär und Technik | BGS See und Grenzbrigade Küste
Grenzsicherung zur See in West und Ost
Wächter der Küste Kalter Krieg: Aufseiten der Bundesrepublik übernimmt der Bundesgrenzschutz See und für die Deutsche Demokratische Republik die Grenzbrigade Küste die oft heikle Rolle des Hüters der Küstenabschnitte. Von Thilo Wierzock
D
ie Grenzsicherung an den deutschen Küsten und Küstengewässern übernehmen die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst selbst. Ausschließlich die Aufgabe von Minenräumungen in der Nordund Ostsee, besonders im Bereich der Hafenzufahrten und der allgemeinen Seewege, wird deutschen Marineeinheiten auferlegt. So wird auf Befehl der westlichen Alliierten das Minensuchpersonal der ehemaligen Kriegsmarine nicht interniert. Es entsteht im Sommer 1945 die GM/SA (German Mine Sweeping Administration). Im Wirkungsbe-
reich der Baltischen Flotte übernimmt die Sowjetunion die Räumung aber selbst. Ein stark verkleinerter Teil der 1947 aufgelösten GM/SA verbleibt mit 18 Seefahrzeugen als Minenräumverband des Zollgrenzschutzes bis 1951 in Cuxhaven. Im Sinne einer strukturierten und kontrollierbaren inneren und äußeren Sicherheit der jungen Bundesrepublik fordert Bundeskanzler Konrad Adenauer im Sommer 1950 „…die Errichtung einer einheitlichen Schutzpolizei für das Bundesgebiet; die Größe dieser Polizei sollte
der Stärke der inzwischen in der sowjetisch besetzten Zone aufgestellten Volkspolizei entsprechen…“
Bedrohungspotenzial Am 15. Februar 1951 verabschiedet der Bundestag das Aufstellungsgesetz für den Bundesgrenzschutz (BGS). Nach Auflösung des Minenräumverbandes in Cuxhaven melden sich am 1. Juli 1951 die ersten hundert Männer in der Annahmestelle des Seegrenzschutzverbandes. Dem Bedrohungspotenzial durch die aufgestellten Seeschutzverbän-
ZUR SICHERUNG: Mit Argusaugen überwachten Ost und West auch ihre Seegrenzen. Hier ein Postenpaar der Grenzbrigade Küste, ausgerüstet mit der MaschinenpistoFoto: picture-alliance/ZB©dpa le AK-47.
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HAUPTKRAFT OST: Ein sogenannter „T-34 zur See“; eines von 18 Exemplaren der GBK Minensuch- und Räumschiff „KMSR–Projekt 89.1“ der Peene-Werft Wolgast mit Kennung Foto: Hans-Joachim Reinecke „G 421 – Vitte“.
HAUPTKRAFT WEST: Das Patrouillenboot vom Typ 157/06 wird für die BGS See 1969/70 mit acht Einheiten in Dienst gestellt.
INFO
Minensuch- und Räumschiff Projekt 89.1 (GBK) Gesamtlänge Gesamtbreite Gesamttiefgang Besatzung Höchstgeschwindigkeit Antrieb Bewaffnung
Foto: Bundespolizeidirektion Bad Bramstedt
NEUBAU 1989: Das Patrouillenboot „Bredstedt“ der Bundespolizei ist ein heute von Warnemünde aus operierendes Küstenwachschiff vom Typ P 60. Foto: Bundespolizeidirektion Bad Bramstedt
de in der DDR geschuldet, soll sich die Verteilung der Unterkünfte dieser neuen Einheit an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste konzentrieren.
Umgebaute Kriegsfischkutter 1952 beginnt der geregelte Ausbildungsbetrieb. Im Winter 1952/53 können die ersten Einsatzfahrten auf der Ostsee unternommen werden. Die grünen Uniformierungen und die Dienstgradbezeichnungen des BGS sollen auch beim Seegrenzschutz getragen werden. Nach langen Grundsatzdiskussionen führt man aber seemännische Bezeichnungen und blaue Uniformen mit BGS-Dienstgradabzeichen ein. Der Seegrenzschutzverband gliedert sich zunächst in drei Seegrenzschutzflottillen. Später kommt eine aus kleinen Wachbooten bestehende vierte Flottille mit Heimathafen Kiel hinzu. Zudem
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Technische Daten
INFO
51,91 m 7,13 m 2,30 m 24 20,0 kn 2x 40 DM, 2.942 kW 2 x 25-mm-Fla.-Maschinenkanonen
Technische Daten Patrouillenboot Typ 157/06 (BGS See)
Gesamtlänge Gesamtbreite Gesamttiefgang Besatzung Höchstgeschwindigkeit Antrieb Bewaffnung
wird der Verband in den I. und II. Seegrenzschutzverband aufgeteilt. Dem Seegrenzschutzverband werden unter anderem folgende sonderpolizeiliche Aufgaben zugeteilt: • lückenlose Beobachtung und Überwachung von Schiffsverkehr in den Hoheitsgewässern und im freien Seeraum; • Feststellung, Verhinderung und Abwehr von illegalem Schiffs- und Bootsverkehr; • Beobachtung und Meldung von Seepolizei-Einheiten der sowjetischen Besatzungszone; • Lebensrettung und Hilfeleistung für Schiffe beziehungsweise Flugzeuge in Seenot. Am 21. November 1951 stellt man das Schul- und Ausbildungssegelboot NORDWIND als erstes Seefahrzeug in Dienst. Als kleine Wachboote werden 1952/53 zehn einheitlich umgebaute Kriegsfischkutter
38,50 m 7,00 m 2,40 m 23 30,0 kn 2x DM, 2.647 kW 2x Bofors 40 mm/L 70
(KFK), die die Kriegsmarine 1944/45 bauen ließ, herangezogen. Die Beschaffung weiterer KFK missglückt. Daher sondiert man auf dem internationalen Schiffsmarkt Alternativen. Schließlich werden sechs ehemalige kanadische Minensuchboote vom Typ BYMS (Bj. 1942) in Holzbauweise erworben. Diese Boote sind mit 36,8 Meter und 190 Tonnen deutlich größer als die KFK, jedoch mit elf Knoten Höchstgeschwindigkeit nur unwesentlich schneller. Bei der Suche stößt man parallel auf die Planungsergebnisse eines U.S.-Navy-Projekts bei der Lürssenwerft in Bremen-Vegesack. Die Planunterlagen des 27,5 Meter langen Weser-River-Patrolboat (WRP) überzeugen. Die Seetüchtigkeit aber wird bei gleichbleibender Breite von 4,6 mit einer Rumpfverlängerung auf 29 Meter und einem 1.500-PS-Dieselmotor optimiert.
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Militär und Technik | BGS See und Grenzbrigade Küste
GRUPPENFOTO: Hochrangige „Offizielle“ vor einen Hubschrauber Mi-14PL anlässlich des Arbeitsseminars zur „Vereinheitlichung der Seenotrettungsausbildung für die Hubschrauberführer aller Teilstreitkräfte“ in Parow. Foto: Fliegerkameradschaft der HS-16
Am 12. Juli 1952 folgt die Indienststellung des ersten Patrouillenbootes P 1 auf WRPBasis. Mit den folgenden Patrouillenbooten wird in Neustadt/Holstein die 1. und 2. Flottille im Frühsommer 1953 aufgestellt. Parallel dazu – im Februar 1952 – findet nach Beschlüssen des Innenministeriums die Entwicklung von drei Sicherungsbooten auf Grundlage der Kriegsmarine-Schnellboote vom Typ S-Boot 43 auf der Lürssenwerft statt. Die Ausrüstung und vor allem die Bewaffnung unterliegt erheblichen Einschrän-
LÜCKENLOSE ÜBERWACHUNG: Beobachtungsturm der 6. technischen Beobachtungskompanie bei Prerow. Foto: Claus Tiedemann
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IN SICHTWEITE: Beamte des BGS im Gespräch mit Badegästen unmittelbar an der Zonengrenze auf dem Priwall bei Travemünde, im Hintergrund ein Wachturm auf DDR-Seite der Grenze, 1960er-Jahre.
kungen; die zuständigen westlichen Besatzungsmächte verbieten den Weiterbau und die Beschaffung dieser Sicherungsboote. Die Matrosen, Maate und Meister werden in Seefahrt-, Schiffsingenieur- und Grenzschutzschulen in Cuxhaven, Lübeck und Hamburg ausgebildet. Offiziere lernen in einem differenzierten Ausbildungsgang an Seefahrtund Schiffsingenieurschulen, Hochschulen und BGS-Führerschulen ihr Handwerk.
Erster Schiffsneubau Um die Selbständigkeit des Seegrenzschutzes in Form der direkten Zuordnung unter das Ministerium einzuschränken, wird er im Frühjahr 1954 dem Grenzschutzkommando Küste in Lübeck unterstellt. Parallel zur tatsächlichen Aufstellung und Entwicklung des Seegrenzschutzes werden zwischen 1949 und 1952 konzeptionelle Planungen für eine neue Marine zwischen den USA und der Bundesrepublik verdeckt abgestimmt. Mit Beitritt der Bundesrepublik in die NATO und Bildung der Bundesmarine im Jahre 1956 wird die Aufgabenzusammenfassung des Bundes an der Küste und auf der See verfolgt. Anfang 1956 beginnt mit Einrücken der ersten Freiwilligen in die Marine-Lehrkompanie in Wilhelmshaven der Aufbau der Bundesmarine. Fünf Jahre lang besteht der Seegrenzschutz. Am 2. Juli 1956 wird der Seegrenzschutzes feierlich an die Marine in
Foto: picture-alliance/picture-alliance
Neustadt/Holstein übergeben. Im Jahr 1956 werden alle Boote sowie ein Großteil der Besatzungen von der neu gebildeten Bundesmarine übernommen. Wie geplant, werden die bisherigen Aufgaben des Seegrenzschutzes durch die Marineeinheiten übernommen. Jedoch stellt sich schnell heraus, dass die Bundesmarine neben ihren durch die NATO-Mitgliedschaft bestimmten militärischen Aufgaben darüber hinaus nicht zusätzlich die nationalen grenzpolizeilichen Aufgaben erfüllen kann. 1963 finden daher erste Gespräche zwischen dem Bundesverteidigungsministerium und dem Bundesinnenministerium statt: Ziel ist es, die Bundesmarine von den zivilstaatlichen und polizeilichexekutiven Aufgaben zu „befreien“. Zwei ministeriale Gutachten zur Wiederaufstellung der seeseitigen BGS-Einheit werden im Frühjahr 1964 erstellt und ausgewertet. Beide Gutachten stimmen darin überein, dass aufwendige eigene technische infrastrukturelle Dienste nicht zwingend erforderlich seien. Vielmehr sollen die technischen Möglichkeiten der Bundesmarine herangezogen werden. Bis zur Auslieferung von neuen Seefahrzeugen werden vier WRPKüstenwachboote als Leihboote mit den Kennungen „BG 1“ bis „BG 4“ sowie die ehemaligen Küstenwachboote KW 15, 16, 17 und 20 übergeben.
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Breites Aufgabenspektrum
HINTERGRUND
Fluchtversuch eines Obermaates
Eines der spektakulärsten „besonderen Vorkommnisse“ bei der DDR-Grenzsicherung zur See ist der Fluchtversuch eines Zeitsoldaten auf der KMSR GRAAL MÜRITZ am Morgen des 7. August 1979. Der Obermaat versucht, das Grenzschiff mit Waffengewalt unter seine Kontrolle zu bringen. Die eingeschlossene Besatzung befreit sich
durch Handgranatensprengung einer verschlossenen Tür. Nach einer kurzen Schießerei wird der Obermaat verletzt und handlungsunfähig gemacht. Nach längerem Krankenhausaufenthalt wird der Obermaat zu lebenslanger Haft verurteilt, die er bis zur Amnestie am 19. Dezember 1989 in der Haftanstalt Bautzen II verbüßt.
Am 27. Februar 1969 läuft bei der Lürssen-Werft das erste Neubauboot, die „BG 11“ mit dem Namen „Neustadt“ vom Stapel. Die Aufteilung der acht seit 1969 in Dienst gestellten Boote wird ab August 1970 auf die 1. und 2. Flottille in Neustadt vorgenommen. Im Dezember 1978 übernimmt der BGS See den Streifendienst in der Nordsee. Mit Verlegung eines Patrouillenboots für den dauerhaften Einsatz in der Nordsee werden Kontrollaufgaben des Umweltschutzes Hoher See übertragen. 1983 folgt ein zweites Patrouillenboot. 1985 bricht der BGS See mit einer alten Seefahrttradition. Zur effektiven Vollauslastung der Einsatzmittel wird das „Bootswechselsystem“ in den Flottillen eingeführt. Von nun an werden mehr als eine Besatzung für die Seefahrzeuge vorgehalten. Im Mai 1989 stellt die Führung die nordseetaugliche BG 21 BREDSTEDT in Dienst.
DDR-Grenzsicherung zur See Es folgt ein Blick auf die andere Seite der innerdeutschen See-Grenze: Auf Weisung der sowjetischen Militäradministration in Deutschland beginnt im November 1946 die Aufstellung einer ersten Grenzpolizeieinheit (GP-Einheit) für die landseitige Sicherung im Küstenbereich der sowjetischen Besatzungszone. Im Dezember 1949 folgt der strukturelle Aufbau von GP-Bereitschaften für die Landund Seesicherung des Landes Mecklenburg. Am 7. Oktober 1950 übernehmen auf sowjetische Anweisung hin die Landespolizeikräfte den Grenzschutz an der Ostseeküste sowie in der Drei-Meilen-Zone. Zuvor haben sowjetische Militärkräfte mit Unterstützung der Wasserschutz- und der Transportpolizei diese Aufgabe erledigt. Mit Aufstellung der Grenzbereitschaften Küste können eine Vielzahl dieser Polizeiangehörigen für die neue GP-Einheit gewonnen werden. Allerdings reichen diese Kräfte nicht aus, um die geforderte Personaldecke zu erreichen. So werden viele neue Angehörige angeworben. Die Verantwortlichen favorisieren von Anfang an den parallelen Aufbau der Seepolizei. Die knappen wirtschaftlichen Ressourcen werden hierzu konzentriert. 1950 mar-
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kiert der Aufbau der Hauptabteilung z.b.V (zur besonderen Verwendung) „See“ im Bereich der Hauptverwaltung für Ausbildung (HVA) des Ministeriums des Innern den Beginn der personellen und organisatorischen Vorbereitung zum Ausbau der allgemeinen Seestreitkräfte. Von Mai 1951 bis Mai 1952 ist die GP Nord der Seepolizei direkt unterstellt. Am 16. Mai 1952 folgt jedoch – analog zur Untergliedrung der gesamten GP – die Unterstellung an das Ministerium für Staatssicherheit (MfS). Aus der „Instruktion für die Grenzpolizei Nord zum Schutz der Ostseeküste der DDR“ des Innenministeriums vom 14. September 1950 ergeben sich folgende grundsätzliche Aufgaben und Anforderungen:
KONZENTRIERT: Navigationsausbildung mit Sextanten bei der Grenzbrigade Küste der Grenztruppen der DDR. Foto: picture-alliance/ZB©dpa
AUF ÜBUNGSFAHRT: Ein Schiff einer Ausbildungseinheit der Grenzbrigade Küste in Rostock/Markgrafenheide, aufgenommen im Juni 1978. Foto: picture-alliance/ZB© dpa – Report
• Bewachung der Küste und Territorialgewässer gegen das Eindringen „bewaffneter Banden, Spione, Diversanten, Schmuggler und anderer feindlicher Elemente“; • Kampf gegen alle Arten des Schmuggels; • Schutz der Fischer sowie der Bevölkerung; • Überwachung des Verkehrs in Küstennähe und auf den Flüssen. Ab Juni 1951 formiert sich die „Grenzpolizeibereitschaft Nord“ (GBP-Nord) in Greifswald, Stralsund und Bad Doberan und die „Lehrbereitschaft Mecklenburg“ mit zirka 700 Mann Sollstärke. Im Zuge der verschärften Absperrung entlang der Demarkationslinie ab Mai 1952 wird die Ostseeküste streng abgeriegelt.
Druck auf die „nasse Grenze” Der vermutete „Druck auf die nasse Grenze“ durch „Eindringung feindlicher Elemente“ beziehungsweise „Republikflucht“ bleibt jedoch aus. Die strengen Schutzmaßnahmen werden daher 1954 zurückgenommen. Mit Aufstellung der Grenzsicherungskräfte werden 1950 der GP erstmals 29 unterschiedliche Strecken- beziehungsweise Kontrollboote mit Baujahren vor 1945 übergeben. Diese Fahrzeuge erhalten die Kennungen „G 1“ bis „G 29“ und verbleiben bis 1954 im Dienst. Zusätzlich werden auch ehemalige Fischkutter als Grenzkutter umgebaut eingesetzt. Schon 1950 entwickelt und baut die
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Militär und Technik | BGS See und Grenzbrigade Küste VEB Yachtwerft Berlin 14 etwa zwölf Meter lange Hafenbarkassen und 16 knapp zehn Meter lange Kontrollboote für die GP-Küste. Als erstes reguläres Seefahrzeug für den Schutz der Territorialgewässer, zur Ausbildung und für den Kurierdienst werden 1952–1962 insgesamt 26 Küstenschutzboote vom Typ „Seekutter I und II“ zugeführt. In den Jahren darauf folgen weitere Küstenschutzboote, darunter Boote vom Typ „Delphin“ und „Tümmler I und II“. Ab 1. Oktober 1952 werden die bis dahin üblichen Polizeidienstgrade in maritime Militärdienstgrade verändert. Mit Bildung der Nationalen Volksarmee (NVA) im Jahr 1956 findet die formale Aufstellung der Seestreitkräfte statt. Aus der Seepolizei wird die Volksmarine (VM). Parallel dazu entsteht im April 1956 in der zentralstaatlichen Abteilung Grenzdienst der HVDVP (Hauptverwaltung Deutsche Volkspolizei) eine Unterabteilung „Küste“. Sie nimmt sich speziell den Herausforderungen der Küstensicherung an und leitet die neu unterstellten
HOHER BESUCH: Bundesinnenminister HansDietrich Genscher stellt sich am Rande der Indienststellung der Grenzschutzflotte in Neustadt/i.H. den Fragen eines Journalisten, 1970. Foto: picture-alliance/dpa©dpa – Bildarchiv
heiten der Deutschen Grenzpolizei (DGP) und der NVA festgelegt. Im März 1957 entsteht der Grenzabschnittsstab der DGP mit Sitz in Rostock. Im August des gleichen Jahres wird im Rahmen der Einführung von mi-
„Es ist irreal, in der heutigen Zeit über das damalige Denken und Handeln Wertungen zu treffen, ohne die reale militärpolitische Situation zu beachten.“ Konteradmiral Herbert Städtke (1931–2008) – ehemaliger Kommandeur der 6. Grenzbrigade Küste – in einem Beitrag in der Buchveröffentlichung „Die Grenzen der DDR“, 2005
Grenzbereitschaften des Grenzabschnitts VI in Greifswald, Rostock und Glowe an. Gemäß Beschluss des Zentralkomitees der SED vom 30. November 1956 wird das unterstützende Zusammenwirken zwischen Ein-
litärischen Brigadestrukturen für eine verbesserte operative Führung aller Grenzsicherungskräfte auch der Grenzabschnitt VI in die 6. Grenzbrigade Küste (GBK) umgebildet. Von nun an sind drei Grenzbereitschaften mit
MILITÄRHAFENANLAGE „HOHE DÜNE“: Zu DDR-Zeiten befinden sich in Warnemünde die 4. VM Flottille und die 2. und 4. Grenzschiffsabteilung der GBK. Seit 1990 ist hier die 3. Flottille mit den Dienstgebäuden und Hafenanlagen der BunFoto: Bundespolizeidirektion Bad Bramstedt despolizeiinspektion See untergebracht.
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je einer Grenzbootgruppe und einer schweren Grenzabteilung mit Selbstfahrlafetten-, Panzerabwehr-, Granatwerfer und Maschinengewehrkompanien der GBK zugeordnet. Ohne aus dem Bestand der Grenztruppen auszuscheiden, wird die GBK am 1. November 1961 den Seestreitkräften operativ unterstellt. Von nun an entwickelt sich die langwierige grenzpolizeiliche und militärische Aufgabenvermischung der GBK. In diesem Zusammenhang wird sie größtenteils weiter nur mit „abgefahrenen“ Schiffen und Booten der Volksmarine ausgerüstet. Abgesehen vom gemeinsamen militärischen Sachverhältnis der beiden seefahrenden Einheiten gestaltet sich der Umgang miteinander überwiegend reserviert bis distanziert. Die Angehörigen der VM betrachten die Marinegrenzer als Überwacher mit ausschließlichen Kontrollblick auf die Küste und nennen sie geringschätzend „Küstenfahrer“. Die GBK-Angehörigen betonen wiederum ihre höhere Anzahl an Seetagen gegenüber den „Hafenliegern“.
Modernisierungsschub Am 1. Dezember 1965 erfährt die GBK eine umfassende strukturelle Veränderung, unter anderem durch Aufstellung beziehungsweise Umorganisation der 1. und 4. Grenzschiffsabteilung (GSA). Zu Beginn der 1970er-Jahre werden die Boots- und Schiffsflotte der GBK mit zehn Grenzschutzbooten vom Typ „Bremse“ und 18 Minensuch- und Räumschiffen (Projekt 89.1) modernisiert. Nun sind die Einheiten in drei GSA mit je sechs Minensuch- und Räumschiffen sowie zwei Grenzbootgruppen zu zehn Grenzbooten beziehungsweise zehn Grenzkuttern organisiert.
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Heikle Aufgaben
Fundiert recherchiert, packend erzählt!
MODERN: Am Warnemünder Passagierkai wird 2003 ein neues BGS-Patrouillenboot auf den Namen „Eschwege“ getauft. Das rund 66 Meter lange Schiff kontrolliert künftig die Ostsee in dem Bereich von Kühlungsborn bis zur polnischen Grenze. Foto: picture-alliance/ZB©ZB – Fotoreport
Literaturtipps Ingo Pfeiffer: Gegner wider Willen – Konfrontation von Volksmarine und Bundesmarine auf See. Berlin 2012. Reinhard Scholzen: Der BGS – Geschichte der Bundespolizei. Stuttgart 2006.
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metern „Außenküste“ sind die landseitigen Kräfte der GBK zu keinem Zeitpunkt in der Lage, die Sicherungsdichte der Grenztruppen (GT)-Posten an der Grenze zur Bundesrepublik zu erreichen.
Nach der Wiedervereinigung Besonders seit Beginn der 1980er-Jahre müssen die „grünen“ Matrosen die spürbare ablehnende Haltung der Öffentlichkeit feststellen. Nach der politischen Wende 1989/90 tragen die GBK-Angehörigen nur noch ungern ihre Uniform während der Ausgangszeit und im Urlaub. Mit Wirkung vom 17. April 1990 wird die GBK aus dem VM-Verband entnommen. Von nun an untersteht die GBK dem Kommando der GT in Pätz direkt. Mit der Wiedervereinigung im Oktober 1990 übernimmt der BGS einen Teil der Angehörigen und der Standorte des im Frühsommer 1990 aus den Beständen der GT neu formierten Grenzschutzes der Deutschen Demokratischen Republik. Von nun an geht die Verantwortung auf den Bundesgrenzschutz über. Mit Übernahme der beiden Grenzschiffsabteilungen der 6. Grenzbrigade Küste in Warnemünde als 3. BGS-Flottille ist der BGS See der einzige Bundesgrenzschutz-Verband, in dem vollständige Verbände aus den alten und neuen Bundesländern unmittelbar zusammengeführt werden. Thilo Wierzock, Jg. 1972, Dipl.-Ing. Architekt und Inhaber eines Dokumentenarchivs zu den Grenztruppen der DDR.
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Die seeseitige Grenzsicherung ist täglich folgendermaßen organisiert: • vier von 18 Minensuch- und Räumschiffen der GSA operieren als Nahvorposten in den Territorialgewässern; • zusätzlich sind Grenzboote Typ „Bremse“ zwischen den Boddengewässern und der offenen See sowie den Ansteuerungen zu den Seehäfen Stralsund und Wismar im Dienst; • die Sicherung der Seegrenze im Oderhaff wird durch polnische Grenzeinheiten durchgeführt, hier gilt das Prinzip: „Die polnische Seite sichert, die DDR-Seite überwacht den gemeinsamen Grenzabschnitt“. Die landseitige Grenzsicherung ist unter anderem wie folgt organisiert: • Beobachtungsposten der Grenzkompanien befinden sich auf etwa einem Drittel der 38 Beobachtungstürme an der Küste; • stationäre Technische Beobachtungskompanien (TBK) gewährleisten mit ihren 24 Peiltürmen die lückenlose Funkmessbeobachtung aller Überwasserziele in der südwestlichen Ostsee. Das System der landseitigen Sicherung kann jedoch nur als „sporadisch“ bezeichnet werden. Bei einer Länge von zirka 600 Kilo-
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Kriege, Krisen und Konflikte
Der Burenkrieg im Süden Afrikas
Kampf ums Kap 1899–1902: Das mächtige British Empire kämpft in Südafrika gegen zwei winzige Bauern-Republiken. Für die Engländer wird es der längste und blutigste Konflikt zwischen dem Ende der Napoleonischen Kriege 1815 und dem Beginn des Ersten Weltkrieges 1914. Von Peter Andreas Popp
ERSCHÜTTERUNG EINES WELTREICHES: Zu Beginn des Burenkrieges muss das mächtige British Empire demütigende Niederlagen hinnehmen – so wie hier bei der Schlacht von Colenso 1899. Abb.: picture-alliance/akg-images
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I
n seiner großen Studie über Mentalitäten im Ersten Weltkrieg legt der amerikanische Historiker Adam Hauschild frei, wie auf englischer Seite besonders der Burenkrieg militärisches Personal prägt. Ein gutes Beispiel ist Feldmarschall Douglas Haig, auf dessen Konto am ersten Tag der Schlacht an der Somme 19.000 Tote und annähernd 36.000 Verwundete unter den britischen Soldaten gehen. Winston Churchill bietet ein weiteres Exempel: Im Ersten Weltkrieg bekleidet er bis Mitte Mai 1915 das Amt des Ersten Lords der Admiralität. Als solcher trägt er die Verantwortung für das Ausbluten alliierter Truppen beim Angriff auf die Dardanellen im Frühjahr 1915 (44.000 Tote und 97.000 Verletzte). Auch Churchill nimmt am Burenkrieg teil: nicht als Soldat wie im Sudan (1898), sondern als Zeitungskorrespondent. Er gerät in Gefangenschaft und flüchtet auf spektakuläre Weise. Seine zwei Bücher darüber prägen seinerzeit wesentlich die öffentliche Meinung über den Burenkrieg in Großbritannien. Zugleich befördern sie den frühen Ruhm des mit Sicherheit bedeutendsten britischen Politikers des 20. Jahrhunderts. Was fällt anhand dieser beiden Persönlichkeiten auf? Offensichtlich ist deren „Desperado-Mentalität“, die sich so verhängnisvoll im Großen Krieg von 1914 bis 1918 auswirkt, geprägt durch den Krieg am Kap. Der Kampf mit den Buren ist aus deutscher Perspektive auch ein markanter Wendepunkt in den deutsch-britischen Beziehungen zwischen der Reichsgründung 1870/71 und dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Hinzu kommt, neben der damaligen Sympathie für die Buren, dass die Briten hier erstmals ein Instrument der Kriegführung anwenden, das gemeinhin mit einer späteren Phase der deutschen Geschichte identifiziert wird: das Konzentrationslager.
Verwerfliches „Vorbild“ Es geht also bei der Betrachtung des Burenkrieges auch um ein Instrument der Gewaltherrschaft im 20. Jahrhundert. Sind die KZs eine Erfindung „der Briten“ oder „der Deutschen“? Beachtenswert ist, dass die nationalsozialistische Propaganda das Thema „Burenkrieg“ unter der Rubrik „Perfides Albion“ behandelt: Im Spielfilm „Ohm Krüger“
FAKTEN
ASYMMETRISCHE KRIEGFÜHRUNG: Ein burisches Kommando bezieht Stellung in einer Felswand. Die Guerillakämpfer sind den Briten zwar zahlenmäßig unterlegen, aber gleichen dies zunächst durch schnelle Überfallmanöver und Kenntnis des Terrains aus. Außerdem besitzen sie oft moderne (deutsche) Gewehre. Abb.: picture alliance/akg
(1941) werden die Konzentrationslager als negative britische Erfindung ganz offen angesprochen. Und das zu einem Zeitpunkt, als das NS-Lagersystem bereits seit acht Jahren besteht!
Die Rolle des „Robin Hood“ Wie auf Angehörige der britischen Führungsschichten, so übt der Burenkrieg auch auf Hitler eine faszinierende Wirkung aus. Es gibt ideologische, sprich rassistische, Gemeinsamkeiten zwischen der Weltanschauung der Buren und derjenigen der Nationalsozialisten. Und es liegt im Herrschaftskalkül Hitlers, nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg sich selbst als legitimen Erben des deutschen Kaiserreichs zu stilisieren. Betrachtet man den Wortlaut der von Kaiser Wilhelm II. abgesetzten „Krüger-Depesche“ (Glückwunschtelegramm an Paul Krüger) vom 3. Januar 1896 nach erfolgreicher Abwehr des ersten britischen Angriffs, so tritt eine Verbindungslinie anti-britischen Denkens in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung vor 1914/18 und nach 1933 deutlich zu Tage: „Ich“, so Wilhelm II., „spreche Ihnen Meinen aufrichtigen Glückwunsch aus, dass es Ihnen, ohne an die Hülfe befreundeter Mächte zu appellieren, mit Ihrem Volke gelungen ist, in eigener Tatkraft gegenüber den bewaffneten Scharen, welche in Ihr Land eingebrochen sind, den Frieden wiederherzustellen und die Unabhängigkeit des Landes gegen Angriffe von außen zu wahren.“
Die Buren stehen für das, was Deutschland im Ringen auf globaler Ebene noch bevorsteht: die Durchsetzung ihrer unter „Freiheit“ verstandenen Vorstellungen gegen eine Macht, die meint, die Weltherrschaft zu besitzen. Dieser Blick auf den „Mächtigen“, der seinerseits gravierende Fehler begeht, verkörpert keinen historischen Einzelfall. „Freiheitskämpfer“, die sehr schnell den Begriff „Freiheit“ verleugnen, sobald sie an die Macht kommen, reklamieren für sich immer wieder die Rolle des „Robin Hood“. Eine Rolle, die häufig unkritische Sympathie hervorruft. SYMBOLFIGUR ANTIENGLISCHER BURENSYMPATHIE: Paul Krüger (oft „Onkel Paul“ genannt) erreicht im Ersten Burenkrieg die Anerkennung der Republik Transvaal, deren Präsident er von 1883 bis 1902 ist. Trotz deutscher Waffenlieferungen und spektakulären Anfangserfolgen kann er den Zweiten Burenkrieg nicht gewinnen. Abb.: picturealliance/dpa
Truppenstärke / Verluste
Truppenstärke Verluste Niedergebrannte Farmen
Großbritannien 500.000 22.000 Tote (die meisten sterben an Krankheiten)
Buren 65.000* 34.000 Tote (15 Prozent der weißen Bevölkerung) 30.000
*Maximal 35.000 Mann nehmen simultan an Kriegshandlungen teil. Auf Seiten der Briten kämpfen 5.500 Buren.
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Kriege, Krisen und Konflikte | Der Zweite Burenkrieg
GROßAUFGEBOT: Britische Truppen bereiten einen Sturmangriff auf eine Stellung der Buren vor. Das Problem für die Kolonialmacht: Der Gegner taucht immer wieder in der Zivilbevölkerung unter. Abb.: picture alliance/akg
FAKTEN Weiße Schwarze
Die militärhistorische Forschung ordnet den Burenkrieg mittlerweile in die Rubrik „Imperialkriege“ ein. Diese zeichnen sich bei technologischer Vorherrschaft der jeweiligen imperialen Macht immer durch asymmetrische Kriegführung aus. Hinzu kommen Massenheere auf Basis der allgemeinen Wehrpflicht sowie Industrialisierung. Imperialkriege erklären die Massenzerstörung durch Krieg im 20. Jahrhundert, ja überhaupt die Gewaltkultur der letzten 100 Jahre.
Konzentrationslager am Kap Interessant dabei ist, dass gerade der Burenkrieg die These der politischen Theoretikerin Hannah Arendt stützt, nach der das Zeitalter des Imperialismus (1880–1918) die Inkubationszeit moderner totalitärer Bewegungen darstellt. Am Beispiel „Konzentrationslager“ sei es kurz beleuchtet: Die Briten richten sie im Burenkrieg in dem Augenblick ein, als sie erkennen, dass der Gegner nicht mehr in Form symmetrischer Kriegführung besiegt werden kann. Sie trennen die burischen Guerillakämpfer von der Bevölkerung, indem sie letztere an unwirtlichen Orten festsetzen. Die Nationalsozialisten hingegen richten ihr Lagersystem ein, um vorsätzlich politische Gegner zu drangsalieren, durch
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Konzentrationslager Insassen britischer KZs In britischen KZs verstorben 117.000 28.000 (an Seuchen) 107.000 13.000 (an Seuchen)
Zwangsarbeit auszubeuten, zu foltern und zu töten. Aus den nationalsozialistischen Konzentrationslagern in Ostmitteleuropa werden ab 1941/42 Vernichtungslager, um die Juden ganz bewusst auszurotten. Die NS-Konzentrationslager und die britischen Konzentrationslager im Burenkrieg sind demnach nicht völlig identisch; jedenfalls nicht aus der Perspektive politischer Herrschaft. Aus Sicht der Internierten gestaltet sich die Differenzierung nicht so einfach. Schließlich werden Menschen zusammengepfercht und ihrer individuellen Freiheit beraubt. Wenn sich ein Vergleich im Sinne einer Analogie eher eignet, dann der der britischen Konzentrationslager mit dem amerikanischen Kriegsgefangenenlager auf den Rheinwiesen bei Koblenz im Frühjahr 1945: Hier wie dort stirbt, von den Installateuren der Lager bewusst in Kauf genommen, eine Vielzahl von Menschen. Markant am Burenkrieg ist, dass die Konzentrationslager zeigen, wie Menschen im Krieg der „humanitären“ Moderne zu Objekten werden. Die Briten, die sich seit 1807 von der Sklaverei als Bestandteil kolonialer Herrschaft abgewandt haben, behandeln die weißen Siedler als bloße Verfügungsmasse. Und in der Objekthaftigkeit des unterworfenen Menschen zeigt sich tat-
sächlich die Verbindung zur totalitäreren Herrschaft im 20. Jahrhundert. Anthropologisch betrachtet: Die Hemmschwelle zu barbarischem Verhalten ist umso niedriger je geringer der Grad der Zivilisation ist. In den Kolonien herrscht jedenfalls eine andere Rechtssphäre als im Mutterland. Allerdings vertritt ein Teil der Geschichtswissenschaft die zivilisationskritische These: Erst die Zivilisation habe auf Grund der durch sie perfektionierten Herrschaftsmittel dazu beigetragen, der Inhumanität Vorschub zu leisten. Auch dafür kann der Burenkrieg Anschauungsmaterial liefern: Er beginnt, als Diamanten auf dem Gebiet gefunden werden, welches nicht in der Hand der Briten, sondern der Buren ist. Letztere begreifen sich als „Afrikaans“, das heißt als rechtmäßige Eigentümer des Landes. Die „Eingeborenen“ zählen aus der Perspektive der Buren überhaupt nicht, aus britischer Perspektive sehr wohl. Um die Schwarzen gegen die Buren zu schützen, richten die Briten Protektorate ein.
Buren und Briten Der Konflikt ist nur begreifbar, wenn man sich vergegenwärtigt, was „Bure“ bedeutet. Die Erklärung reicht bis ins Jahr 1652 zurück. Am 6. April 1652 legen zwei holländische
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Die Briten kämpfen gegen die Sklaverei Schiffe am Kap der Guten Hoffnung an. Sie stehen unter dem Kommando von Jan von Riebeeck. Dieser hat den Auftrag, für die Niederländisch-Ostindische Kompanie (niederländisch: Vereenigde Oostindische Compagnie, VOC) einen Stützpunkt für deren Handelsschiffe auf dem Weg in den Indischen Ozean zu schaffen. 1657 siedeln sich die ersten „vry burgers“ in der Kapkolonie an. Mit Energie widmen sich die Bauern („Buren“) dem Ackerbau und der Viehzucht. In den folgenden Jahren sind es nicht mehr ausschließlich Niederländer. Auch Norddeutsche und protestantische französische Glaubensflüchtlinge (Hugenotten) gesellen sich hinzu. Die Gesamtzahl der „vry burgers“ beträgt Ende des 18. Jahrhunderts zirka 15.000. Sie, die freien Bürger (weil eben auf eigenem Land siedelnd und nicht in den Diensten der VOC stehend), verstehen sich zunehmend als eigener Menschenschlag. Die weißen Siedler bezeichnen sich ab Beginn des 18. Jahrhunderts selbst als „Afrikaaner“. Frei fühlen sie sich, weil sie das reformierte Bekenntnis, also den Protestantismus in calvinistischer Form, propagie-
HINTERHALT: Ein Buren-Kommando überfällt einen britischen Versorgungskonvoi. Erst ein überarbeitetes Kampf-Konzept bringt den Briten schließlich militärische Erfolge. Abb.: picture-alliance/dpa
on“ (d.h. der Profitmaximierung nicht als Selbstzweck, sondern als Ausdruck praktizierten Christentums) zu entsprechen, muss man sich überlegen, wie Profitmaximierung im Sinne der Glaubenserhöhung erreichbar
„Der einzelne Bure, gut beritten in einem ihm vertrauten Lande, dessen Natur seiner Fechtweise entspricht, [wog] drei bis fünf reguläre Soldaten auf.“ Winston Churchill
ren und praktizieren, was ganz im Interesse der VOC liegt. Das Problem ist nur: Die „Freiheit eines Christenmenschen“ kollidiert recht schnell mit ökonomischen Widrigkeiten. Um Calvins Gedanken der „doppelten Prädestinati-
FAKTEN
ist. Deswegen werden zur Steigerung landwirtschaftlicher Erträge vornehmlich Sklaven aus Asien importiert. Schwarze versklavt man erst ab dem späten 18. Jahrhundert. Die Kapkolonie ist damit das einzige afrikanische Gebiet mit europäischer Rechts-
Buren
Oranje-Freistaat* Transvaal Situation Ende März 1902 Etwa 7.000 Mann unter Waffen Etwa 12.000 Mann unter Waffen Kriegsdienstverweigerungsrate 13 Prozent 13 Prozent * In der Kapprovinz kämpfen etwa 12.000 Buren gegen die Briten
FAKTEN
Briten
Gesamtkräfte (weltweit) zu Beginn des Burenkrieges
106.000 Mann in regulären Truppen, 78.000 Reservisten
Kräfte in der Kapprovinz zu Beginn des Burenkrieges
Etwa 10.000 Mann
General Bullers Kalkül
50.000 Mann reichen für die Niederschlagung der Buren aus
Kräfte am Ende des Burenkrieges (inkl. Dominions)
460.000 Mann (davon 20 Prozent kämpfende Truppe)
Freiwillige (aus Australien, Kanada und Neuseeland)
30.000 Mann
Kosten des Krieges (für die Briten)
220 Millionen Pfund Sterling
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ordnung, in dem Sklaven gehalten werden. Als Südafrika 1806 britisch wird, ziehen die Buren als geschlossene Siedlungsgruppe aus der Kapprovinz zunehmend ins Innere des Landes. Die Zeiten haben sich geändert. Die Engländer als die neuen Herren verwalten das Land anders als die VOC. Sie verbieten die Sklaverei, und Englisch wird Amtssprache. Die Wanderungsbewegung der Buren hat bereits seit Ende des 17. Jahrhunderts eingesetzt. Jetzt allerdings eskaliert sie. Landknappheit und Dürre tun das ihre: 1836/37 findet der „Große Trek“, der konzentrierte Abzug der Buren ins Landesinnere jenseits des Great Fish River, statt. Natalia, Transvaal und Oranje-Freistaat entstehen als zunächst von britischer Kolonialherrschaft unabhängige Burenrepubliken. Natalia wird von den Briten 1842/43 erfolgreich annektiert. Der britische Versuch, dasselbe im Transvaal zu wiederholen, scheitert im ersten Burenkrieg 1880/81.
Gier nach Gold Innerhalb der ländlich geprägten burischen Gemeinschaft findet nach dem „Großen Trek“ eine mentale Veränderung statt. Ab 1857 schlagen die der neo-calvinistischen Nederduitse Gereformeerde Kerk angehörenden Buren glaubensmäßig einen neuen Kurs ein. Bis dahin war es üblich, dass Weiße und Nicht-Weiße gemeinsam beten. Fortan soll eine Trennung im Glauben betrieben werden. Daraus entsteht, übertragen auch auf das soziale Leben, die Ideologie der Apartheid – ein Herrschaftsinstrument, an dem die Buren bis 1994 festhalten sollen. Ökonomisch flexibler als die Buren („Afrikaaners“) sind die britischen Kolonisten („Uitlanders“) in der Kapprovinz und darüber hinaus. Dies zeigt sich, als mit Bo-
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Kriege, Krisen und Konflikte | Der Zweite Burenkrieg
LETZTES AUFBÄUMEN: Während der Schlacht von Tweebosch 1902 wird General Methuen von den Buren gefangengenommen. Der burische Anführer Koos de la Rey entlässt den verwundeten Gegner später aus der Haft. Abb.: picture-alliance/akg-images
denfunden im südlichen Afrika (Kohle, Gold und Kupfer) die Industrialisierung einsetzt. Die Arbeitskräfte in den Minen kommen aus Malawi, sowie den Protektoraten und Reservaten im südlichen Afrika. Es entsteht ein schwarzes Industrieproletariat. Südafrika ist in vielfacher Hinsicht gespalten, wobei zunächst das empfindliche Gleichgewicht zwischen den Afrikaaners und den Uitlanders zu kippen droht – erst recht in dem Augenblick, als im Raum Kimberley 1867 Diamanten und 1886 am Witwatersrand (Johannesburg) reiche Goldvorkommen entdeckt werden. Die Buren sind fortan nicht mehr auf die bislang für sich selbst festgelegte Rolle unabhängiger Bauern fixiert. Der britische Einfluss unmittelbar in der Kapprovinz droht zu schwinden. Dagegen steuert seit 1888 massiv Cecil Rhodes an, der seinerzeit mächtigste Industriemagnat und Politiker des Kaplandes. Mit ihm als treibende Kraft und unter dem Deckmantel der Humanität greift Großbritannien nach Zentralafrika aus.
Krieg am Kap! Tatsächlich geht es neben handfesten materiellen Interessen individueller Profiteure der britischen Kolonialpolitik auch darum, in Südafrika kein weiteres Kanada entstehen zu lassen beziehungsweise keine Wiederholung des „Falles USA“ zuzulassen. Die Si-
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tuation eskaliert Mitte der 1890er-Jahre in und um Transvaal, also auf Gebiet, welches die Buren vor noch nicht allzu langer Zeit selbst erst genommen haben. Dessen Präsident, Paul Krüger, sucht dem britischen Druck auf vielfältige Weise zu begegnen: (1) Suche nach alternativen Bündnispartnern, wie dem Deutschen Reich; (2) Gewährung von Indus-
South African Company, de facto Rhodes‘ Privatarmee. Das Tischtuch zwischen Buren und Briten ist noch nicht ganz zerschnitten, doch für vier Jahre herrscht angespannte Ruhe. Die britische Politik ringt zwischen Krieg und Verhandlungen, um entweder Rhodes’ Plan zu verwirklichen, die britischen und
„Wenn ich gestern früh das gewusst hätte, was ich heute weiß, so würde ich die Buren im Flusstal nicht angegriffen haben, es ist eben unmöglich gegen das moderne Gewehr.“ Generalmajor Kitchener am 19. Februar 1900 gegenüber dem amerikanischen Militärattaché nach der Schlacht am Paardeberg
triekonzessionen an Dritte, also Nicht-Briten; (3) territoriale Ausdehnung als Grundlage einer unabhängigen Eisenbahnbau- und Eisenbahntarifpolitik; (4) Verdrängung der „Uitlanders“ aus der Politik. Deutsches Kapital ist an den Eisenbahnprojekten Krügers maßgeblich beteiligt. Rhodes und der mittlerweile konservativen britischen Regierung gelingt es, den Konflikt gegenüber dem Ausland durch massives Auf- treten abzuschirmen. Es misslingt allerdings der Staatsstreich in Transvaal im Dezember 1895, ausgeführt durch Leander Starr Jameson und 478 Polizisten der British
burischen Territorien in einer Union zusammenzuschließen, oder sein Fernziel ansatzweise zu realisieren, eine durchgehende Bahnverbindung vom Kap nach Kairo zu schaffen (dazwischen liegt Deutsch-Ostafrika!). Zentral ist dabei die Wahlrechtsfrage, bei der sich die Buren auf keinen Kompromiss einlassen. Im Sommer 1899 ist das Tischtuch zerschnitten. Auf britischer Seite agiert der neue Kap-Gouverneur und Hochkommissar Sir Alfred Milner, ein ausgesprochener Hardliner. Und so beginnt Mitte Oktober 1899 schließlich der zweite Burenkrieg.
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Der Burenkrieg wirft lange Schatten Die Briten unterschätzen zunächst ihren Gegner gewaltig. Sie werfen lediglich 20.000 Mann ins Feld. Das Kommando liegt bei den Generälen Lord Methuen und Gatacre. Das Expeditionskorps unter General Redvers Buller trifft erst in der zweiten Novemberhälfte ein. Die Regierungen der Buren – der Vergleich mit den Südstaaten im amerikanischen Bürgerkrieg liegt auf der Hand – streben schnelle Entscheidungen auf dem Schlachtfeld an, um die Briten vor der Entfaltung ihres vollen Potenzials an den Verhandlungstisch zu bringen.
Gewagter Guerillakrieg Trotz bemerkenswerter Geländegewinne lehnt General Joubert, burischer Oberkommandierender, einen Vorstoß auf Durban ab. Er kennt das Handicap seiner Truppen: den ausgeprägten Individualismus der Soldaten und das fehlende zentrale Kommando. Er denkt politisch: Auf britisch geprägtem Gebiet würden seine Soldaten nicht die nötige Bewegungsfreiheit haben. Die Buren zaudern zunehmend, warten in der Hoffnung, die Briten würden endlich verhandeln. Sie taten es nicht. Bis zur zweiten Dezemberwoche 1899 (der „Schwarzen Woche“) verläuft bei den Briten nichts nach dem Schema bisheriger Kolonialexpeditionen auf dem „Schwarzen Kontinent“. Stattdessen drei Niederlagen (Stromberg Junction, Magersfontein und Colenso) in nur einer Woche. Die Buren unter General Pieter Cronje halten die Verbindungswege und wagen – in genau-
er Kenntnis des Terrains – wohlüberlegte, schnelle und begrenzte Vorstöße. Mit Jahresbeginn 1900 können die Briten ihre Truppen um drei weitere Divisionen verstärken. Ab dem 19. Dezember 1899 stehen die britischen Kräfte unter dem Kommando von Feldmarschall Lord Roberts. Herbert Horatio Kitchener ist sein Stabschef. Schnelle Siege stellen sich gleichwohl nicht ein, stattdessen „bitterer Lorbeer“ angesichts hoher Verluste. Am 27. Februar kapitulieren die bei Kimberley eingeschlossenen burischen Kräfte, am 13. März Bloemfontein, am 5. Juni Pretoria. Damit glauben die Briten an den errungen Sieg, dabei ist es nur der Abschluss der ersten Phase des Krieges. Die zweite Phase des Burenkrieges ist geprägt durch den Übergang vom regulären zum Guerillakrieg. Die Briten rächen sich mit der Politik der „verbrannten Erde“, der Zerstörung der burischen Farmen und der Errichtung von „Auffanglagern“ für burische Frauen und Kinder; im Originalwortlaut „concentration camps“. In „Phase 2“ weist der Burenkrieg Elemente totaler Kriegführung auf. Den Briten geht es aber nie um die völlige Auslöschung der Buren. Das Ziel ist das „Gefügigmachen“ des Gegners mit äußerst brutalen Mitteln. Im Vordergrund steht, den Bewegungsraum der Guerilla einzudämmen – durch kleine Forts in Kilometerabstand der britischen Verbindungslinien, und durch Stacheldraht. Wie mit einem Besen sollen die Einheiten der Buren auf diese Linien hingetrieben werden. Auf diese Weise gewinnen die Briten den Burenkrieg mi-
AUFWENDIG: Diese zeitgenössische Karte zeigt das System von britischen Forts und Blockhäusern, die die eigenen Versorgungswege vor Buren-Kommandos sichern. Militärisch haben die Buren dieser „Kriegsmaschinerie“ wenig entgegenzusetzen. Abb.: picture alliance/akg
litärisch, sie verlieren ihn politisch und moralisch. Die Burenführer stimmen den britischen Konditionen im Frieden von Vereeniging (31. Mai 1902) zu. Die Südafrikanische Union wird schließlich 1910 zu den innenpolitischen Konditionen der Buren gegründet: Die Apartheid wird verfassungsmäßig verankert. Der Burenkrieg bildet den Anfang vom Ende des Britischen Weltreiches. Mahatma Gandhi erkennt, dass London nie mehr so weit gehen würde, wenn Teile des Weltreiches nach Unabhängigkeit streben sollten.
Kurs auf kommende Kriege In militärischer Hinsicht ist der Burenkrieg die Initialzündung zur Heeresreform. Neue Dienstvorschriften, ein effizienter Generalstab, die Erhöhung der Feuerkraft der britischen Streitkräfte bei den Truppengattungen Artillerie und Infanterie, sowie der Ausbau der Logistik sind einige der Maßnahmen. Das Britische Weltreich muss fortan schneller reagieren, wenn es seine Machtstellung halten will; mehr noch: Weil sich im Burenkrieg abzeichnet, dass Großbritannien zwei solcher Konflikte nicht würde bestehen können, gilt es, eine nüchterne Güterabwägung unter den Konkurrenten anzustellen. Das ambitiöse deutsche Kaiserreich hat dabei vor Frankreich, Russland und Japan die schlechtesten Karten, insbesondere deswegen, weil es die britische Seemacht am stärksten gefährdet. VEREINT GEGEN GROßBRITANNIEN: Deutsche Freiwillige, die auf der Seite der Buren kämpfen. Nach Beendigung des Krieges am Kap tritt das Deutsche Reich noch stärker in den Fokus der Briten – als zukünftiger Gegner. Insgesamt kämpfen etwa 2.500 Freiwillige aus Deutschland, den Niederlanden, Skandinavien, Frankreich, Irland, den USA, Russland und Ungarn für die Buren. Abb.: picture-alliance/dpa
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Dr. Peter Andreas Popp, Oberstleutnant, ist Lehrstabsoffizier für Militärgeschichte und ständiger Mitarbeiter von CLAUSEWITZ.
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Militär & Technik | Distanzwaffen des Mittelalters
Langbogen und Armbrust
Gefürchtete Fernwaffen 500–1500: Vor der Erfindung der Feuerwaffen bilden Bogen und Armbrust die wichtigsten Fernwaffen in der Kriegführung des europäischen Mittelalters. Wurfspeere und Schleudern sind dagegen nur von untergeordneter Bedeutung. Von Otto Schertler
N
eben dem Wurfspeer ist der Bogen die älteste Fernwaffe der Menschheit. Seine Geschichte reicht bis in die Jüngere Altsteinzeit (ungefähr 30.000 v. Chr.) zurück, und seitdem findet er in ganz Europa Verwendung als Jagd- und Kriegswaffe. Während man im Nahen Osten und in den Steppen Zentralasiens seit etwa 3.000 v. Chr. den aus mehreren Materialien (Holz, Knochenplatten, Sehnen) bestehenden Komposit- bzw. Reflexbogen nutzt, bleibt im nördlichen Europa der ganz aus Holz bestehende Kurz- bzw. Langbogen die Regel. Ausnahmen hierbei bilden die Reflexbögen der in der römischen Armee dienenden östlichen Bogenschützen. Diese verschwinden jedoch mit der beginnenden Völkerwanderung wieder aus dem nördlichen Europa, wo der einfache Holzbogen auch weiterhin unangefochten das Feld beherrscht. Mit dem beginnenden Frühmittelalter (um 500 n. Chr.) beschränkt sich die Verwendung von Reflexbögen überwiegend auf den osteuropäischen und südeuropäischen Raum, denn hier bleiben die Einflüsse von Reitervölkern und der orientalischen Welt wirksam. In Mittel-, West- und Nordeuropa bleibt der ganz aus Holz bestehende Bogen im Dienst. Der Langbogen ist hier schon früh bekannt. Dies zeigt sich auch an Originalfunden, wie den zahlreichen Bogenstäben, die in dem aus dem 5. Jahrhun-
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dert n. Chr. stammenden Opferplatz von Nydam (Nordschleswig) gefunden wurden und deren Länge knapp zwei Meter beträgt.
Übungsintensiv: Der Langbogen In der Kriegführung des europäischen Frühmittelalters spielt der Bogen keine allzu große Rolle. Er hat die Funktion einer „Hilfswaffe“, die von den ärmsten Kriegern eingesetzt wird. Mit dem 10. Jahrhundert tritt der Bogen als Waffe vermehrt in Erscheinung, und dies hängt mit dem verstärkten Belagerungskrieg sowie dem Kampf gegen fremde Völker wie Ungarn und Araber zusammen. Der Siegeszug des Langbogens setzt mit den Feldzügen der Engländer in Wales im Verlauf des 13. Jahrhunderts ein. Die Waliser verwenden diese Waffe mit solcher Effektivität, dass sie bald auch von den Engländern eingesetzt wird. In den Kriegen gegen die Schotten während des frühen 14. Jahrhunderts erweist sich der Massenbeschuss gegen die meist schlecht gepanzerten Schotten als äußerst wirkungsvoll. Seinen Höhepunkt erlebt der Langbogen im Hundertjährigen Krieg gegen Frankreich, wo er einige Male entscheidend zum Sieg der Engländer beiträgt (siehe Bericht Seite 34). Die Größe des Langbogens beträgt etwa zwei Meter, und er besteht aus dem mehrere Jahre abgelagerten Holz (Esche, Ulme und Eibe). Bogenholz gewinnt man durch das
Spalten kleiner und gut gewachsener Stämme, wobei besonders am Bogenrücken (die dem Schützen abgewandte Seite des Bogens) der natürliche Faserverlauf des Holzes nicht beschädigt werden darf. Bei der Herstellung wählt man das zur Mitte des Stammes gelegene ältere Holz für den Bogenbauch, das jüngere zähe und langfaserige Holz dient als Bogenrücken. So entsteht ein natürlich gewachsener Kompositbogen, an dessen beiden Enden Hornnocken aufgeschoben werden, die zur Befestigung der Sehne dienen. Die Herstellung der Bögen liegt teilweise in der Hand von Spezialisten, wird aber auch durch die Schützen selbst vorgenommen.
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KAMPF DER DISTANZWAFFEN: In der Schlacht von Crécy 1346 treffen englische Langbogenschützen (links oben im Bildhintergrund) auf genuesische Armbrustschützen (im Vordergrund), die in französischen Diensten stehen. Abb.: akg-images/Osprey Publishing/Crecy 1346/Graham Turner
FAKTEN
Wichtige Schlachten
Hastings 1066 (Bogen und Armbrust) Schlacht bei Jaffa 1192 (Armbrust) Falkirk 1298 (Langbogen) Crécy 1346 (Langbogen) Aljubarrota 1385 (Langbogen) Azincourt 1415 (Langbogen)
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Militär & Technik | Distanzwaffen des Mittelalters Die Ausbildung eines guten Langbogenschützen dauert Jahre, und die englischen Könige erlassen Verordnungen, in denen das Volk angehalten wird, das Bogenschießen zu üben. Ein Langbogenschütze muss über große Körperkraft verfügen, um die schweren Kriegsbögen, die ein Zuggewicht von 50 Kilogramm (500 Newton) und mehr haben, handhaben zu können. Damit ist ein Jahre dauerndes Training verbunden, bei dem eine Vielzahl von Kenntnissen (zum Beispiel Wahl des richtigen Pfeiles, Schätzen von Entfernungen) erlernt werden müssen.
Ehemalige Jagdwaffe Die Geschichte der Armbrust reicht in Europa bis in die Antike zurück. In Griechenland existiert bereits während des 4. Jahrhunderts mit dem Gastraphetes (Bauchbogen) eine der Armbrust ähnliche Waffe. Die Römer verfügen bereits über eine Armbrust (lat. arcubalista), die im Wesentlichen
HINTERGRUND
Die Armbrust – eine „teuflische“ Waffe
Anders als der Bogen verfügt die Armbrust über die Fähigkeit, ihre Energie über einen längeren Zeittraum zu speichern. Dies macht sie, zusammen mit ihrer Führigkeit und der hohen Durchschlagskraft auf kurze und mittlere Entfernungen, zur idealen Waffe für gut geplante Hinterhalte oder sogar Mordanschläge. Hinzu kommen der relativ niedrige Anschaffungspreis und die kurze Ausbildungszeit, die ein Armbrustschütze benötigt, um seine Waffe zu beherrschen. Dies alles macht sie zu einer „Volkswaffe“, deren Gefahr der Adel bereits früh erkennt und was im Zweiten Lateranischen Konzil von 1139 zum Aussprechen eines Verbots des Gebrauchs der Armbrust geBeckenhaube als gen Christen führt. BeKopfschutz zeichnenderweise zeigt eine der frühesten ReliefdarstellunEin Langbogengen einer Armbrust pfeil durchdringt (11. Jahrhundert) in auf kurze Distanz sogar eine Frankreich einen DäRüstung mon, der im Begriff ist, eine Armbrust zu
Sehnenschutz aus Leder
Ersatzpfeile (werden oft auch zum schnelleren Nachladen in den Boden gesteckt)
AUSGEZEICHNETE ANGRIFFSWAFFE: Der Langbogen ist die dominante Fernwaffe auf den mittelalterlichen Schlachtfeldern Europas. Die Abbildung zeigt einen englischen Schützen während der Schlacht bei Crécy 1346. Abb.: Andrea Modesti
1,8 Meter langer Kriegsbogen
FAKTEN
„LANGSAM-LADER“: Die Schussfrequenz einer Armbrust liegt deutlicher unter der des Langbogens. Der abgebildete Schütze muss eine Winde verwenden um den stählernen Bogen seiner Waffe zu spannen – das kostet Zeit. Abb.: picture alliance/Leemage
spannen. Dies könnte die Haltung der Kirche zu dieser Waffe veranschaulichen. Wie bei jeder effektiven Waffe bleibt auch das Verbot der Armbrust rein theoretisch, da sie viel zu wertvoll ist, um auf ihre Verwendung im Krieg zu verzichten. Sowohl König Richard I. Löwenherz von England als auch König Philipp August von Frankreich verfügen über mit der Armbrust bewaffnete Truppen. Vor allem in Frankreich gelangt sie zu Ansehen und Wertschätzung, und der Befehlshaber der Armbrustschützen trägt den Titel eines „Grandmaître de l’arbalèterie“. Papst Innozenz III. erneuert zwar im 13. Jahrhundert das Verbot der Armbrust, doch auch dies findet keine praktische Beachtung.
den mittelalterlichen Modellen ähnelt. Genutzt wird sie jedoch zunächst ausschließlich als Jagdwaffe. Erst in spätantiker Zeit wird die Armbrust Teil der Bewaffnung leichter Truppen. Im nördlichen Europa gibt es während der Spätantike und des Frühmittelalters nur sehr wenige Hinweise auf die Armbrust: In Frankreich erscheint die Armbrust auf spätrömischen Reliefs des 4. Jahrhunderts n. Chr., und auf piktischen Bildstelen des 6.–9. Jahrhunderts erkennt man die Armbrust in den Händen von Jägern. Besonders interessant ist der ebenfalls aus Schottland stammende Originalfund einer „Nuss“ (Scheibchen aus Knochen, in das die Sehne und der Abzug einrasten) aus
Bogen und Armbrust im Vergleich
Bei den angegebenen Daten handelt es sich um Mittelwerte, die für eine Verwendung als effektive Kampfwaffe stehen. Die Leistungen
spezieller Sport- bzw. Jagdwaffen sind hierbei nicht berücksichtigt. Beide Distanzwaffen haben Vor- und Nachteile.
Langbogen 300 Meter ein bis zwei (englische) Schillinge einige Jahre
Armbrust 300 Meter 17 Schillinge ein paar Monate bis ein Jahr
Herstellungsdauer
mehrere Tage (mit abgelagertem Holz)
einige Wochen
Gewicht Schussfrequenz/Minute
unter einem Kilogramm 7 bis 10 Pfeile
7 Kilogramm 2 Bolzen
Reichweite Kosten Ausbildungsdauer
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Tödliche Pfeile dem 6. oder 7. nachchristliche Jahrhundert, der zeigt, dass die technische Grundform zu dieser Zeit bereits voll entwickelt ist. Solche Hinweise machen deutlich, dass diese Waffe zwar noch bekannt, doch nicht besonders weit verbreitet ist, sie dient eher als Jagddenn als Waffe.
Urbanes Umfeld Erst mit dem 10. Jahrhundert beginnt sich eine Änderung zu vollziehen, und bis zum 12. Jahrhundert erfährt die Armbrust in Europa eine starke Verbreitung. Dies mag auch mit dem Aufschwung des Städte- und Befestigungswesen in Zusammenhang stehen, da sich diese langsam zu ladende Waffe im Schutz von Mauern besonders gut einsetzen lässt. Bezeichnend ist auch, dass die Armbrust vor allem in städtisch geprägten Regionen von großer Bedeutung ist. Dies trifft auf Deutschland ebenso zu wie auf Frankreich, die Schweiz und Norditalien. Überall bilden sich in den Städten frühzeitig Schützengilden, die den Umgang mit der Armbrust trainieren, um so die Verteidigung ihrer jeweiligen Heimatstadt zu gewährleisten. Die Armbrust hat mehrere Hauptbestandteile, nämlich die Säule, den Bogen, die Sehne sowie eine Spann- und Abzugs-
Rüstung und Helm bieten einen gewissen Schutz im Zweikampf
Armbrust mit hölzernem Bogen
Schwert für den Nahkampf/ Sekundärwaffe
Dieser Schütze trägt zum Spannen einen Haken am Gürtel
Tasche mit Ersatzbolzen
FORMIDABLES VERTEIDIGUNGSINSTRUMENT: Die Armbrust ist einfach zu bedienen aber langsam nachzuladen. Die Waffe eignet sich mehr zur Verteidigung einer Festung und weniger in der offenen Feldschlacht. Die Zeichnung zeigt genuesische Armbrustschützen. Abb.: Andrea Modesti
HINTERGRUND
Fernwaffen – Symbole einer neuen Zeit
Seit dem 12. Jahrhundert tritt die militärische Effektivität von Langbogen und Armbrust in der mittelalterlichen Kriegführung immer stärker hervor. Nicht nur bei Belagerungen, auch in der offenen Feldschlacht beginnt das Fußvolk nicht zuletzt in Gestalt der Bogen- und Armbrustschützen, eine größere Rolle zu spielen. Ein gut gezielter Schuss kann einen gepanzerten, zu Pferde sitzenden Ritter zumindest zu Fall bringen und dessen waffentechnische Überlegenheit stark mindern. Die Wirksamkeit dieser Fernwaffen spiegelt sich auch in dem steigenden Selbstbewusstsein der Männer wider, die mit ihnen ausgerüstet sind. Sie stammen nämlich überwiegend aus den nichtadeligen
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Ständen der mittelalterlichen Gesellschaft und verfügen nun über die Möglichkeit, auch gegen schwer gepanzerte Ritter zu bestehen. Damit werden Bogen und Armbrust auch zu symbolischen Waffen einer beginnenden gesellschaftlichen Veränderung, in der sich die aufsteigende Macht des Bürgertums und der Städte gegenüber dem mit Lanze und Schwert kämpfenden Ritteradel zeigt. Die Legenden um Robin Hood oder die Sage des Schweizers Wilhelm Tell sind hierfür Zeuge: Beide Helden stehen für einfache freiheitsliebende Männer, die mit ihren Fernwaffen der Fremdherrschaft adeliger Ritter (Normannen, Habsburger) erfolgreich Widerstand leisten.
vorrichtung. Die Bögen sind ursprünglich ganz aus Holz gefertigt, doch bald erscheinen aus Holz und Horn bestehende Kompositbögen und mit Beginn des 15. Jahrhunderts auch solche aus Stahl. Damit vergrößert sich der Spannzug des Bogens von etwa 1.500 Newton auf 5.000 Newton. Ein einfaches Spannen von Hand ist unmöglich, und die Schützen bedienen sich zunächst des am Gürtel befestigen Spannhakens, der später von einem als „Geißfuß“ bezeichneten Spanngerät und Windensystemen abgelöst wird. Die Herstellung der Armbrüste wird durch spezialisierte Handwerker vorgenom-
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Militär & Technik | Distanzwaffen des Mittelalters men, deren Arbeit teilweise einer strengen öffentlichen Qualitätskontrolle unterliegt. Gelegentlich werden, wie beispielsweise im Venedig des 13. und 14. Jahrhunderts, sogar Exportverbote für Armbrüste erlassen.
Der Pfeilhagel als Sperrfeuer Im direkten Vergleich zwischen Langbogen und Armbrust fallen sofort die jeweiligen Vor- und Nachteile der einzelnen Waffentypen auf: Ohne Zweifel ist der Langbogen mit einer Schussfolge von etwa sieben Pfeilen pro Minute die Waffe mit der größeren Feuerkraft. Beim Einsatz zahlreicher, zusätzlich durch Hindernisse gedeckter Schützen, können diese in einer offenen Feldschlacht auf eine Entfernung ab etwa 200 bis 300 Metern ein schweres Sperrfeuer legen. Ist dessen Wirkung bei voll gepanzerten Gegnern auch nicht tödlich, so darf man den psychologischen Effekt eines andauernden Pfeilbeschusses jedoch nicht unterschätzen. Das permanente harte Aufprallen der Geschosse auf Helme sowie die übrige Körperpanzerung verursacht, ähnlich wie bei schusssicheren Westen, Schwingungen, die Prellungen hervorrufen können. Die massenhaft von oben kommenden Geschosse treffen zusätzlich auf Schwachstellen in der Rüstung, die sie durchschlagen können, und die Wirkung von Abprallern und gesplitterten Pfeilschäften ist enorm. Eine effektive Durchschlagskraft der Pfeile auf Ketten- und Plattenpanzer ist erst ab einer Entfernung von 50 Metern gegeben. Bis dahin ist die Panzerung durch permanente Treffer jedoch bereits empfindlich geschwächt, während gleichzeitig die auf diese kurzen Entfernung abgeschossenen Pfeile noch mehr kinetische Energie abgeben. Schwere bis tödliche Verwundungen nehmen mit abnehmender Entfernung zu den Schützen zu, simultan können diese von da an auch gezielt die Schwachstellen der PanDURCHSCHLAGEND: Die eisernen Spitzen der Armbrustbolzen können auch starke Rüstungen durchdringen. Die abgebildeten Beispiele stammen aus dem 11. Jahrhundert. Abb.: picture alliance/akg-images
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HINTERGRUND
Richard de Clare, genannt „Strongbow“
Im mittelalterlichen England ist der Adel offen für den Umgang mit dem Langbogen. Dies zeigt der Beiname „Strongbow“, den sowohl Gilbert de Clare (um 1100–1148) als auch sein Sohn Richard de Clare (um 1130–1176) führen. Da beide dem anglonormannischen Adel entstammen, ist ihre Vorliebe für die Bogenkunst wohl noch auf ältere wikingisch-normannische Traditionen zurückzuführen. Die Verbreitung des eigentlich aus Wales stammenden englischen Langbogens befindet sich zu dieser Zeit erst
zerung (Halspartie, Öffnungen der Helmvisiere oder Achselhöhle) unter Beschuss nehmen. Die Auswirkung auf meist nicht voll gepanzerte Pferde ist selbst auf größere Entfernungen verheerend, und ebenso verhält es sich bei leicht oder gar nicht gepanzerten Gegnern.
Kein Maschinengewehr! Zusammenfassend kann man sagen, dass die Auswirkungen durch den Beschuss durch den Langbogen sich als entscheidend für den Ausgang einer mittelalterlichen
in der Anfangsphase. Der Beiname „Strongbow“ weist auf einen geübten Schützen hin, der einen besonders starken Bogen führt. Richard de Clare kämpft als Verbündeter des irischen Königs Dermot, um dessen Königreich Leinster zurückzugewinnen. An diesen Kämpfen nehmen auch zahlreiche Männer aus Wales teil, zu deren bevorzugten Waffen der Langbogen gehört. Die Vorliebe Richards für diese Waffe mag zu der Verbreitung des walisischen Langbogens in England erheblich beigetragen haben.
Feldschlacht erweisen können. Dennoch darf man das Zusammenspiel mit anderen Waffengattungen, nämlich gepanzerten Fußkämpfern und gepanzerter Kavallerie nicht vergessen – die Bogenschützen allein können den Sieg nicht erringen. Daneben gibt es auch Beispiele für die Ineffektivität des Einsatzes von Bogenschützen, die mitunter auch von einem feindlichen Angriff überrannt werden können, wenn sie sich in einer ungeschützten Position aufstellen. In jedem Fall ist die Wirkung eines Pfeilhagels nicht mit derjenigen zu vergleichen wie sie oft in
GUT GESCHÜTZT: Der große Schild bietet Deckung während des langen Nachladens. Abb.: picture alliance/Heritage Images
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Aus Liebe zum Detail
Feuerwaffen verdrängen den Langbogen
Langsam: Eine Armbrust mit Windensystem aus dem 15. Jahrhundert.
Filmen dargestellt wird: Hier werden die ersten Reihen der gepanzerten Gegner praktisch niedergemäht, als ob sie dem Feuer von Maschinengewehren ausgesetzt wären, was natürlich nicht der historischen Realität entspricht.
Tod durch die Armbrust Obwohl die Armbrust in der offenen Feldschlacht des Mittelalters eine gewisse Rolle spielt, ist sie dem Langbogen in mancher Hinsicht unterlegen. Besonders schwer fällt die niedrige Schussfolge ins Gewicht. Während des langsamen Ladevorganges ist der Schütze praktisch wehrlos, und er muss in der Deckung von Schildträgern agieren. Dies wiederum erfordert ein diszipliniertes Zusammenspiel von Schildträgern und Armbrustschützen, wodurch diese nicht ganz so flexibel und beweglich wie Bogenschützen sind. Es ist offensichtlich, dass der Vorteil der Armbrust in ihrer Verwendung als Defensivwaffe von Befestigungen liegt. Hier kann der Schütze gefahrlos seine Waffe laden, diese zum Zielen auflegen und eine günstige Gelegenheit zum Schuss abwarten. Steht ein zweiter Mann mit einer weiteren Waffe bereit, die er im Wechsel mit dem Schützen lädt, so lässt sich von einer Befestigungsmauer aus ein gezieltes „Dauerfeuer“ aufrecht erhalten, das einem Angreifer schwer zusetzen kann. Bei dieser Art des Kampfes, anders als bei einer Feldschlacht, sind die Entfernungen sehr gering, und die hohe Durchschlagskraft der Armbrustbolzen
kommt voll zum Tragen. Auch sehr gut gerüstete hochgestellte Persönlichkeiten sind so einer tödlichen Gefahr ausgesetzt. Ein Beispiel hierfür ist der Tod von Richard I. Löwenherz, der 1199 während der Belagerung der Burg Chalus–Chabrol einem Armbrustbolzen zum Opfer fällt. Auch die berühmte französische Nationalheldin Jeanne d’Arc wird 1429 beim Kampf um Orléans durch einen Pfeil, der ihre Rüstung durchschlägt, verwundet. Es ist allerdings nicht sicher, ob es sich dabei um einen Armbrustbolzen oder den Pfeil eines Langbogens handelt. Bezeichnenderweise ist der Pfeil genau zwischen Hals und Schulter in den Körper eingedrungen, also einer der Schwachstellen selbst der besten Rüstungen. Die Schützen wissen um diese Schwachpunkte und schießen bei kurzen Distanzen gezielt darauf.
Der Langbogen lebt lange Die effektive Reichweite von Langbogen und Armbrust ist mit etwa 250 bis 300 Metern ähnlich, wobei zunächst die Reichweite des Langbogens die der Armbrust etwas übertrifft. Mit der Verstärkung der Armbrustbögen zusammen mit dem Windensystem wird die Reichweite der Armbrust gegenüber der des Langbogens etwas gesteigert und ihre Durchschlagskraft erheblich verstärkt. Dennoch kann bis zur Einführung der Handfeuerwaffen die Armbrust den Langbogen nicht aus dem Kriegsalltag verdrängen, was mit Sicherheit mit der nach wie vor hohen „Feuergeschwindigkeit“ des Langbogens zusammenhängt.
GeraMond Verlag GmbH, Infanteriestraße 11a, 80797 München
Foto: picture alliance/akg-images
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Literaturtipps Mike Loades: The Longbow. Osprey 2013. Sir Ralph Payne-Gallwey: The Crossbow. 1903 (Neuauflage 1958).
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Otto Schertler, Jg. 1962, studierte an der Universität München und arbeitet als Autor und Übersetzer. Die Kriegführung der Antike und des Mittelalters gehört zu seinen Spezialgebieten.
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Film
RÜCKKEHR MIT SCHLAGSEITE: Für viele Schauspieler wurde „Das Boot“ zum wichtigen Wendepunkt in ihrer Karriere. Etwa für den „Alten“, Jürgen Prochnow (Mitte). Foto: Bavaria Film/Manfred Lämmerer
Ein Film prägt eine Generation
Das Boot B
ereits beim düsteren Vorspann aus der brummelnden, grau-grünen Tiefe des Meeres dürfte dem Zuschauer klar geworden sein, dass es hier zur Sache gehen würde. Vorher, auf einer Bildtafel, erhielt er eine kurze statistische Nachhilfestunde in U-Boot-Geschichte: „Von 40.000 deutschen U-Bootmatrosen kehrten 30.000 nicht zurück“, stand da. Als „Das Boot“ auch in Großbritannien anlief, das unter der deutschen U-Bootwaffe besonders zu leiden gehabt hatte, soll nicht selten anlässlich dieses Textes im Saal applaudiert worden sein. Nach dem dramatisch-tragischen Ende der Geschichte habe sich die Sympathielage gedreht, heißt es. Kein anderer WeltkriegsFilm zuvor hatte die Briten zur Identifizierung mit dem einstigen Gegner verleiten können. Soviel vermag Kino. Manchmal. Auch in Deutschland war Erstaunliches geschehen. Ohne es darauf angelegt zu haben, hatte „Das Boot“ ein weithin vergessenes, ver-
drängtes, fast komplett ausgeblendetes Thema innerhalb von zwei Filmstunden in Allgemeinwissen zurückverwandelt – zumindest für jene, die Lothar-Günther Buchheims gleichnamigen Tatsachen-Roman noch nicht kannten: den deutschen U-Bootkrieg im Zweiten Weltkrieg.
Bester seines Fachs Es gibt viele Gründe, weshalb „Das Boot“ bis heute als bester aller U-Bootfilme gilt. Besetzung, Ausstattung, Filmmusik, Sound und Bildgebung… Manches davon war stilbildend, vieles davon hat sich im Gedächtnis der Zuschauer gehalten. Der Film ist auch gute Unterhaltung, ein span-
Der Klassiker auf DVD Neue Dimensionen erreichte „Das Boot“ 1997, als der optimierte Director’s Cut auf DVD erschien. Foto: picture alliance/akg-images
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nendes Abenteuer, das den Akteuren oft derart dicht auf den Leib rückt, dass es dem Zuschauer ob solch unziemlicher Nähe unangenehm werden mochte. Regisseur Wolfgang Petersen und sein großartiges Team nehmen die Zuschauer mit an Bord von U 96 bei dessen unglücklicher Feindfahrt in den Nordatlantik, um Jagd auf alliierte Handelsschiffe zu machen. Doch die Hatz beginnt als bohrende Routine, als Warten auf eine Gelegenheit, die nicht kommen will. Als es dann doch soweit ist, zeigt sich die erbärmliche Seite des Heldentums, und schließlich werden die Jäger zu Gejagten, die samt ihres „Eisernen Sarges“ im Golf von Gibraltar gen Meeresgrund sinken – wäre da nicht jene „Schaufel Sand“ dazwischen. Es sind die spannendsten Sequenzen dieses Films, und spätestens an dieser Stelle muss sich der Zuschauer entscheiden, wem seine Sympathien gelten. Eine inzwischen bekannte Geschichte, wie man annehmen darf. Weithin unbekannt ist die Vorgeschichte dieses Erfolges, der um Haaresbreite nie entstanden wäre (siehe Kasten auf Seite 67).
Fotos, soweit nicht anders angegeben, Bavaria Film/Karlheinz Vogelmann
1981: „Eine Reise ans Ende des Verstandes“ versprach das Filmplakat. Aber man musste erst den Film gesehen haben, um zu ahnen, was damit gemeint sein könnte. „Das Boot“ hat Filmgeschichte geschrieben und sein Publikum beeindruckt. Von Stefan Bartmann
Foto: picture alliance/Eventpress Hermann
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BLICKFANG: Das 11-Meter-Modell der U 96 in den „Bavaria“-Studios lässt die Fans des Films bis heute vor Ehrfurcht erschauern. Foto: Bavaria Film/Manfred Lämmerer
1981 war „Das Boot“ die bislang teuerste und aufwendigste deutsche Filmproduktion – und eine der umstrittensten dazu. Sie verschlang über 30 Millionen Mark. Innerhalb von zwei Jahren hatten 250 Mitarbeiter ihr Bestes gegeben, um die Feindfahrt der U 96 in all ihrer Tragik und Dramatik glaubwürdig umzusetzen. Das Ergebnis war ein überwältigender Erfolg, weit über das Genre „Kriegsfilm“ hinaus. In der britischen und französischen Filmkritik waren gar Vergleiche mit prägenden Meisterwerken wie „Im Westen nicht Neues“ oder „Die große Illusion“ zu lesen. Am Anfang stand jenes 600-Seiten-Werk von Lothar-Günther Buchheim (1918–2007), das 1973 erschienen war und sich sofort in die Bestsellerlisten katapultiert hatte. Buchheim war Kriegsberichterstatter gewesen und hatte an Feindfahrten teilgenommen. Sein Text ist dokumentarisch und journalistisch, brutal und vulgär – aber auch präzis
HINTERGRUND
Hauptdarsteller: U 96 „Das Boot“ ist auch – aber nicht nur – ein Triumph der Ausstatter! Den Verantwortlichen war klar, dass der eigentliche Hauptdarsteller U 96 selbst sein würde, bei dem man sich keine Fehler erlauben durfte; jede darin investierte Mark würde gut angelegtes Geld sein. Die Pläne für ein U-Boot des Typs VII-C fanden sich im Chicago Museum of Science and Industry. Auch ein greifbares Original war vorhanden: U 995 in Laboe bei Kiel, von
„Boots“-Gefechte
Wie so oft, wenn Buch und Film künstlerisch aufeinanderprallen, war der Konflikt zwischen Autor und Produzent programmiert. Rohrbach und Petersen blieben gelassen und ertrugen die scharfzüngige Kritik des streitlustigen Lothar-Günther Buchheim. Petersen hat später gesagt, Buchheim habe wohl am liebsten selbst die Regie übernehmen wollen… Der Autor fühlte sich als „entrechteter Stofflieferant“. Nur die präzisen Boots-Nachbauten ließ er gelten. Das Publikum liebte den Film trotzdem, und das deutsche Kino hätte eigentlich ein bisschen stolz auf sich sein dürfen. Doch die höhere deutsche Filmkritik nahm 1981
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und packend in der Schilderung von Bootstechnik und Alltag der Besatzung. Die klaustrophobische Enge in der „Röhre“ von U 96 hat Buchheim nicht übler geschildert als es dem Film später mit Bildern und Toneffekten gelungen ist. Dessen brillante, hoch-professionelle Machart hat nie jemand bestritten.
den Film sehr reserviert auf. Dieser Kriegsfilm war ihr zu pompös geraten und als Anti-Kriegsfilm gescheitert. Fast schien es, als sollte U 96 im Kulturteil nochmals versenkt werden. Konsequent reichte die deutsche Auswahlkommission „Das Boot“ nicht als Anwärter für den sogenannten „Auslands-Oscar“ in Los Angeles ein. Ein Jahr später versuchte es der amerikanische Verleih. Prompt wurde der Film für sechs „Oscars“ nominiert, darunter auch für Petersens Regie. Bei der „Oscar“-Verleihung 1983 ging „Das Boot“ zwar leer aus, aber der Respekt der Branche hallte noch lange nach.
CLEVER UND SMART: Bernd Eichinger (oben) hat „Das Boot“ zwar nicht produziert, aber seine Vermarktungsstrategie war wegweisend. Lothar-Günther Buchheim fand an der Verfilmung viel auszusetzen. Foto: picture alliance/Süddeutsche Zeitung Foto
Chef-Ausstatter Rolf Zehetbauer akribisch kopiertes Vorbild. Drei Miniaturmodelle dieses Typs wurden gefertigt. Das längste hatte gut elf Meter Länge, was dem Maßstab 1:6 entspricht. Es wurde meist für Fahr-Szenen über Wasser (vor Helgoland und auf dem Bodensee) verwendet und von einem Mann im Bootskörper gesteuert; das Ergebnis war sehr überzeugend. Die Puppen-Crew im Turm konnte ferngesteuert werden. Ein kleineres Modell (1:12) taugte für die Tauchfahrten – im künstlich eingetrübten Wasser im Becken der „Bavaria“-Studios in München. Es wurde auf Schienen am Boden geführt. Das kleinste Modell (1:24) sieht man bei den „Vigo“-, und „Gibraltar“-Szenen und vor dem brennenden britischen Öltanker. Der Bau zweier Boote in Originalgröße verschlang einen Großteil des Budgets. Für die Außenaufnahmen diente eine schwimmfähige Attrappe, von der nur das Oberdeck bis zur Wasserlinie “echt“ war. Ein statisches Set mit komplettem „Innenleben“ sowie der Turm kamen ins Studio nach München. Dort sorgten eine monströse Wippe und Wasserfontänen für patschnasse Action. Etliche Schauspieler sollen von dem Geschaukel wirklich seekrank geworden sein. Und einer brach sich die Rippen. Die Hydraulik machte soviel Lärm, dass diese Szenen komplett nachvertont werden mussten. Die 55 Meter lange „Röhre“ auf dem Freigelände der „Bavaria“-Filmstadt wurde populär und zieht noch immer Fans jeglichen Alters an. Der Bau des U-96-Interieurs war nicht das einzige Problem. Es musste eine Möglichkeit
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Film | Das Boot „Bavaria“. Wichtiger Drehort: der alte deutsche U-Bootbunker von La Pallice. Schon nach wenigen Drehtagen vor La Rochelle musste Rohrbach mit einer teuren Hiobsbotschaft fertigwerden: Die knapp 70 Meter lange Attrappe von U 96 war in der Mitte durchgebrochen, eine Hälfte dümpelte im Atlantik. Schuld an dem Desaster soll ausgerechnet Steven Spielberg gewesen sein! Für einige Einstellungen seines ausgelassenen Abenteuer-Comics „Jäger des verlorenen Schatzes“ hatte er sich die U 96 ausgeliehen. Es heißt, er sei womöglich etwa ruppig mit der Leihgabe umgegangen und habe wohl ein paar Bolzen verloren… Die „Boot“Dreharbeiten wurden unterbrochen, um die auffindbaren Komponenten zu bergen. Eine Reparatur war möglich, doch der Antrieb war verloren. Daher musste das verstümmelte Großmodell für weitere Aufnahmen geschleppt werden. ALLES IM GRIFF: Regisseur Wolfgang Petersen, hier in La Rochelle, ließ sich nicht das Ruder aus der Hand nehmen. Er hatte auch das Drehbuch geschrieben. Foto: Bavaria Film/Manfred Lämmerer
gefunden werden, innerhalb des engen Schauplatzes, in dem sich die Schauspieler drängten, mit einer Handkamera zu arbeiten. Zudem war das Set voller Kanten und Stolperfallen, wie Chef-Kameramann Jost Vacano mit seiner Eigenbau-„Steady-Cam“ schnell zu spüren bekam. Für das Gerenne durch die „Röhre“ polsterte er sich wie ein Eishockeyspieler.
Sorgfalt überall Regisseur Petersen hatte auf äußerste Detailtreue bestanden. Jeder Schalter, jedes Instrument, jede Leitung im Bootsbauch sollte authentisch aussehen – wobei es keine Rolle spielte, ob das Publikum dies hätte beurteilen können. Die Torpedos wurden nach Illustrationen aus Kriegshandbüchern nachgefer-
HINTERGRUND
Schon im Frühjahr 1980 wurde absehbar, dass Rohrbachs 19 Millionen Mark keinesfalls reichen würden. Bernd Eichinger, der künftige Verleiher des Films, vermittelte einen Vorverkaufs-Deal, womit weitere zehn Millionen in die Produktionskasse gespült wurden. Nach 175 Drehtagen war das Mammutprojekt „im Kasten“. Filmschnitt, Ton und Filmmusik würden ihm den letzten Schliff verpassen. Klaus Doldinger, Jazzmusiker und Filmkomponist, steuerte den wohl bestmöglichen Soundtrack bei; ein einprägsamer Orchester-Ohrwurm, begleitet vom enervierenden „Biiing“ des Sonars. Mit der fulminanten Schlussszene hatte sich Charlie Baumgartner in der Filmgeschichte verewigt. „Charlie Bum-Bum“, so sein gängiger Spitzname, war zuständig für Explosionen aller Art. Die Versenkung von
Stappellauf mit Hindernissen
Schon 1976 hatte Chef-Ausstatter Rolf Zehetbauer das „Boot“-Design entworfen – ganz im Alleingang, denn es gab noch keinen Regisseur, der seine Wünsche hätte äußern können. Zehetbauer war von einer deutschamerikanischen Großproduktion mit einem Hollywood-Regisseur ausgegangen. Doch die Amerikaner wollten die Geschichte von U 96 um einen ihrer Stars herumbauen. Ihre deutschen Partner fürchteten nun, Buchheims Vorlage würde zur aufregenden Kulisse verkümmern. Der erste Drehbuchentwurf muss eine Katastrophe gewesen sein – mit schießwütigen SS-Chargen, die auf amerikanische Seeleute feuern… Buchheim tobte! Man konnte sich nicht zu-
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tigt. All das sah schmierig und dreckig aus. Sogar das unappetitliche Essen der U-Bootmänner. Auch deren Kleidung stimmte, bis hinunter zu den Schnürsenkeln. Für technische Akkuratesse sorgten ehemalige U-Boot-Offiziere als Berater. Weitere Quellen: alte Wochenschauen und Buchheims 1943 verfasste Reportage „Jäger im Weltmeer“. Der madenweiße Teint der Schauspieler entsprang einer Order des Regisseurs; die Männer mussten die Sonne meiden… Im Oktober 1979 begannen die Dreharbeiten mit Außenaufnahmen auf der Insel La Rochelle an der französischen Atlantikküste. Kaum einer im Team hatte Erfahrung mit einem Projekt dieser Größenordnung – auch Produzent Günter Rohrbach nicht, Chef der
Orchester-Ohrwurm
sammenraufen. Schließlich wurde das Projekt abgebrochen, und die Attrappen (wie der seetüchtige Nachbau von U 96) standen herum. Schicksal ungewiss. Die Kehrtwende kam 1979 mit Günter Rohrbach, dem neuen Leiter der „Bavaria“Studios. Er brachte wieder Schwung in das verfahrene Projekt und übernahm die Produktion. Die co-finanzierenden Fernsehsender sollten nun „Das Boot“ als TV-Mehrteiler ins Programm wuchten, vier Jahre nach dem Kinostart. Rohrbach fing also von vorne an und warf das US-Konzept eines Standard-Kriegsfilms über Bord. Dabei setzte er auf Realismus ohne Stars. Er favorisierte deutsche Schauspie-
ler, Nobodys, sogar Laiendarsteller – Hauptsache echt und ehrlich. Sein größtes Vertrauen aber schenkte er dem Fernseh-Regisseur Wolfgang Petersen, der durch ambitionierte „Tatort“-Folgen für den WDR auf sich aufmerksam gemacht hatte. Heute halten viele den äußerst umtriebigen Münchner Film-Tycoon Bernd Eichinger (1949–2011) für den alleinigen „Boot“-Produzenten, doch er fungierte hauptsächlich als Verleiher und Promoter des Werks. Ohne Rohrbach hätte es „Das Boot“ nie gegeben. Aber ohne Eichingers mühsam aufgebrachte 1,75 Millionen Mark, als die Finanzierung zu Scheitern drohte, womöglich auch nicht.
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Welterfolg trotz Kritikerschelte
DREHORT LA PALLICE: Dort schien alles echt – und war es meistens auch.
Die Kamera rückte den Schauspielern oft sehr nahe, bei Wind und Wetter. So authentisch war U-Boot-Leben nie zuvor gezeigt worden. Foto: Bavaria Film/Manfred Lämmerer
Phasen der Langeweile. Der Film findet auch hierfür stimmige Bilder. Foto: Bavaria Film/ Manfred Lämmerer
UNVERGESSLICHER DREHORT: Die alten U-Bootbunker von La Pallice, heute baufällig und gesperrt. Foto: picture alliance/akg-images
U 96 im sicheren Hafen und der Tod vieler U-Bootmatrosen war das zwangsläufige und angemessene Ende der haarsträubenden Feindfahrt; es konnte nicht gut ausgehen. Die meisten Zuschauer werden ehrlich erschüttert aus dem Saal taumeln. Am 17. September 1981 erlebte „Das Boot“ seine Uraufführung in München und kommt sogleich in die deutschen Kinos – mit der damals enormen Menge von 200 Kopien. Eichinger hatte einen brillanten Werbefeldzug gestartet. Das begann schon beim Filmplakat. Das Foto darauf ist authentisch, Buchheim selbst hatte es einst geschossen. Weil Eichinger auf der Verwendung dieses Fotos bestand, ließ sich Buchheim den alten Schnappschuss mit der horrenden Summe von 10.000 Mark vergolden – was den polternden Autor später nicht daran hinderte, den Film öffentlich als „ein Stück Dreck“ zu bezeichnen. Und Eichinger war seinerseits frech genug, beim Filmstart den Slogan „Deutschlands größter Film“ quer übers Plakat kleben zu lassen – was immer das bedeuten mochte. Schon am Eröffnungswochenende strömten sensationelle 660.000 Zuschauer ins
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„Boot“. Am Schluss hatten 3,8 Millionen Kinogänger hierzulande ein Ticket gelöst. Rohrbachs riskante Rechnung war aufgegangen. Doch Erfolg an der Kinokasse wurde damals von der deutschen Filmkritik nicht gern gesehen. Es bestand Unterhaltungsverdacht…
Erfolg und Kritikerschelte Was die „Boot“-Macher härter traf, war der Vorwurf der Beschönigung und Verklärung, als seien sie der NS-Propaganda nachträglich auf den Leim gegangen. Die absurde Kernfrage reichte weit übers rein künstlerisch-handwerkliche hinaus: Darf man die „Grauen Wölfe der Tiefsee“ derart sympathisch-heroisch in Szene setzen? Wohl in keinem anderen Land hätte sich der Regisseur für sein „Boot“ rechtfertigen müssen. Der zivile Petersen, Jahrgang 1941, reagierte darauf zunehmend empfindlich und folgte bald gern dem Ruf Hollywoods, wo er seine Karriere unbehelligt fortsetzte. Rückblickend bleibt „Das Boot“ einer der wohl wichtigsten deutschen Filme der 1980er-Jahre. Viele Darsteller erlebten einen Karrieresprung – entweder im Kino oder im
TV. Für den Regisseur war es die Visitenkarte für Hollywood, und für den selbstbewussten Verleiher Bernd Eichinger (damals Teilhaber und Geschäftsführer der Münchner „Neuen Constantin“) eröffnete sich im Windschatten dieses Erfolgs die Möglichkeit anderer groß angelegter internationaler Filmprojekte. Heute ist „Das Boot“ längst ein Stück deutsche Filmgeschichte. Die kondensierte, action-lastige Kinofassung von 1981 hält viel großartiges Material zurück. Wie vereinbart, sendete das Fernsehen 1985 „Das Boot“ als Dreiteiler. Im Jahr 1997 kam der optisch und akustisch aufpolierte „Director’s Cut“ in die Kinos, ergänzt um etliche leise und nachdenkliche Szenen, die dem Innenleben der Matrosen gelten. Petersen betrachtete diese entschleunigte Fassung von 208 Minuten als das stimmigste „Boot“. Tatsächlich scheint „Das Boot“ heute – aus fast nostalgischem Zeitabstand betrachtet und entsprechend entkrampft – weitgehend unpolitisch, sondern zutiefst menschlich. Mag sein, dass das größte Missverständnis im Umgang mit dem „Boot“ dessen Zuordnung als „Kriegsfilm“ ist.
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Kriege, Krisen und Konflikte | XI. Korps im US-Bürgerkrieg
Das „deutsche“ XI. Korps des Sezessionskriegs
Konnten die Deutschen nicht kämpfen?
1862–1864: Das XI. USKorps der Nordstaaten „genoss“ nach zahlreichen demütigenden Niederlagen einen fürchterlichen Ruf – insbesondere die Deutschen, die in diesem dienten. Doch lag es tatsächlich an „Fritz“ und Co.? Von Alexander Querengässer
M
it dem Aufbau großer Armeen zu Beginn des Amerikanischen Bürgerkriegs werden viele Einwanderer aus verschiedenen Nationen, besonders Iren und Deutsche, in ethnisch homogenen Regimentern rekrutiert. Nicht wenige der deutschen Formationen werden von ehemaligen Offizieren der badischen Revolutionsarmee von 1849, wie Franz Sigel, Louis Blencker, oder Carl Schurz, aber auch der schleswig-holsteinischen Erhebungsarmee von 1848–1851, wie Leopold von Gilsa, gebildet. Viele dieser Regimenter werden im Westen eingesetzt, aber auch in den gebirgigen Gebieten Virginias und im Shenandoahtal. Sigel erwirbt sich unGUT GERÜSTET: Trotz ihrer Überlegenheit taten sich die Unionstruppen schwer, vor allem das XI. Korps. Foto: picture alliance/akg-images
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ter seinen Landsleuten einen achtbaren Ruf, der auch in dem populären Schlachtlied „I’m going to fight with Sigel“ zum Ausdruck kommt. Als während des Sommers 1862 die Offensive der nordstaatlichen Potomac-Armee ins Stocken gerät, sollen auf dem östlichen Kriegsschauplatz neue Korps für eine weitere Armee organisiert werden. Unter Sigels Befehl werden viele der deutschen Regimenter, die bisher in Westvirginia und im Shenandoahtal gedient haben, zum I. Korps der neuen Virginia-Armee zusammengefasst. Diesem Verband ist ein kurzes Leben beschieden: In der zweiten Schlacht von Manassas wird er von Robert. E. Lees Nordvirginia-Armee schwer geschlagen. Das I. Korps verliert 2.000 Soldaten.
Wirrnis in der „Wilderness“ Die Armee wird aufgelöst und ihre Regimenter der Potomac-Armee unterstellt. Aus dem I. wird somit das XI. Korps. An den Schlachten von Antietam und Fredericksburg sind die Deutschen nicht beteiligt. Nach dem katastrophalen Ausgang des Kriegsjahres 1862 wird Ambrose Burnside durch „Fighting Joe“ Hooker als Befehlshaber der Potomac-Armee abgelöst. Trotz sei-
nes Rufs als Kämpfernatur zeigt Hooker beachtliche Fähigkeiten, als er seine Truppen reorganisiert. Ihm gelingt es nicht nur, die angeschlagene Moral der Soldaten wieder zu heben, sondern seine Armee auch beträchtlich zu vergrößern. Da Sigel als einer der ranghöchsten Offiziere nicht bereit ist, das kleinste Korps der Armee zu kommandieren, tritt er zurück und wird durch Oliver Howard ersetzt. Das XI. Korps wird jedoch nie als vollwertiger Teil der Potomac-Armee akzeptiert. Daher überlegt Hooker kurzzeitig es vollständig aufzulösen und die Regimenter auf andere Korps zu verteilen. Politische Bedenken halten ihn davon ab. Tatsächlich bestehen nur zwei Fünftel des Korps aus in Deutschland geborenen Soldaten, doch diese zeigen sich enttäuscht über Sigels Abschied. Zu Howard haben sie keinen Bezug. Der überzeugte Christ genießt zwar den Respekt der Offiziere in der Potomac-Armee, nicht so jedoch seine deutschen Divisionskommandeure Schurz, Adolph von Steinwehr und der Ungarn Julius Stahel. „Ich würde den Nutzen eines gesamten Korps für diese Armee als vollständig verloren ansehen, würde es in die Hände von Maj. Gen. Schurz fallen“, berichtet Hooker selbst kritisch an
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VEREHRT: Robert E. Lee triumphierte über das XI. Korps. Foto: picture alliance/Heritage Images
FÄHIG: Franz Sigel erwarb rasch den Respekt seiner Soldaten und Vorgesetzten.
UNBELIEBT: Generalmajor Carl Schurz
Kriegsminister Stanton. Schurz zeigt sich darüber enttäuscht. Im Mai 1863 will Hooker Lees Stellung bei Fredericksburg durch die „Wilderness“ umgehen. Doch die zahlenmäßig weit unterlegenen Rebellen rücken der PotomacArmee entgegen und so bricht Hooker seinen Vormarsch bei Chancellorsville ab. Lee riskiert sein taktisches Meisterstück: Er teilt seine ohnehin kleinere Armee und schickt „Stonewall“ Jackson gegen die offene Flanke der Potomac-Armee. Diese bildet das XI. Korps. In den Abendstunden des 2. Mai stoßen die Rebellen in die Flanke von Howards Regimentern, die auf den Angriff nicht vorbereitet sind. Sie haben keine Verschanzungen aufgeworfen und sind bereits beim Abkochen. Innerhalb von zwei Stunden löst sich das Korps fast vollständig auf. Lediglich das schwierige Gelände und das Chaos, das sie selbst beim Gegner ausgelöst haben, hält die Konföderierten etwas auf. Das Korps verliert 2.500 Mann und wird aus der Schlachtlinie gezogen.
kraft besitzt, um die Deutschen zu händeln, die danach verlangen mit einer Eisenstange geführt zu werden.“ Das XI. Korps bleibt ein unglücklicher Verband. Am 1. Juli 1863 rennen die Deutschen in den konföderierten Angriff bei Gettysburg. Howard positioniert seine Truppen ungeschickt. Wieder werden die Deutschen hart in der Flanke gepackt und brechen zusammen. Innerhalb weniger Stunden verlieren sie 3.200 von den 7.000 Mann, die ins Gefecht marschiert sind. Zwar endet die Schlacht bei Gettysburg mit einem Sieg der Nordstaaten, doch auf den Ruf des XI. Korps hat dies keine Auswirkungen. Ein Kompanieoffizier gesteht später: „Wir Offiziere verdoppelten unsere Anstrengungen, schrien, schwenkten unsere Säbel, fluchten, schlugen die Männer, die am ehesten zurückzuweichen drohten, wandten jedes extreme Mittel an, aber ohne Erfolg… Nichts verschleiert die Tatsache, dass wir ordentlich aus dem Feld geschlagen wurden. Und selbst Howards Bruder, der als Major im Korps dient, gibt zu, dass seine Brigade „am ersten Tag nicht gut kämpfte.“ Nach Gettysburg schickt Lee eines seiner Korps nach Westen, wo es der konföderierten Tennesse-Armee unter Braxton Bragg zum Sieg bei Chickamauga verhilft. Die Nordstaaten-Armee zieht sich nach Chattanooga zurück und wird von Bragg belagert. Um den Eingeschlossenen Hilfe zukommen zu lassen, entschließt sich Lincoln das XI. und XII. Korps der Potomac-Armee unter
dem reaktivierten Hooker nach Westen zu schicken. Das XI. besteht nur noch aus zwei Divisionen unter Schurz und Steinwehr.
Bei Gettysburg gescheitert Howard bleibt wenig Zeit, die Moral seiner Männer zu heben. Nach seinem Sieg bei Chancellorsville fällt Lee in Pennsylvania ein. „Die Moral der Truppen ist gebrochen und es muss etwas getan werden, um sie wiederzubeleben“, warnt Schurz. Doch Howard ist dafür nicht der richtige Mann. Ein anderer Offizier bemerkt, dass „einige Zweifel existieren, dass er genügend Entschluss-
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Fotos (2): picture-alliance/newscom / Picture History
Erfolgreicher Einsatz Am 28./29. Oktober 1863 gelingt es einer Brigade aus Steinwehrs Division in der Schlacht von Wauhatchie durch einen tapferen Angriff einen Steilhang hinauf die konföderierte linke Flanke zurückzudrücken und so die Versorgungslinien nach Chattanooga wieder zu öffnen. Erstmals empfängt das Korps Lobpreisungen von höchster Stelle, unter anderem von Ulysses S. Grant. Beim Ausbruch der Unionstruppen aus Chattanooga am 25. November sind ebenfalls Brigaden des XI. Korps beim Angriff auf die konföderierte Mitte beteiligt und können sich ein weiteres Mal auszeichnen. Danach wird es zur Verteidigung von Knoxville abkommandiert, nimmt aber an keinen signifikanten Kampfhandlungen mehr teil. Im Frühjahr 1864 werden im Westen drei Unionsarmeen, die Tennessee-, Cumberland- und Ohio-Armee unter dem Befehl von William T. Sherman für einen Vorstoß auf Atlanta vereinigt. Eine seiner ersten Maßnahmen besteht darin, das XI. Korps aufzulösen. Es wird mit den Regimentern des XII. zum neuen XX. Korps unter Hookers Kommando vereint. In seinen Reihen werden die Deutschen Atlanta erobern, durch Georgia marschieren und im April 1865 bei Bentonville den letzten Sieg über die konföderierte Tennessee-Armee erringen.
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Menschen & Geschichten
Dietrich von Choltitz – General zwischen Pflicht und Anstand
Der „Retter von August 1944: In ein Trümmerfeld wollte Hitler Paris verwandeln, als sich die Alliierten der Stadt näherten. Doch Stadtkommandant Dietrich von Choltitz unterlief diesen Befehl. Was trieb ihn dazu? Handelte er tatsächlich selbstlos oder trieb ihn die Furcht vor der Rache der Sieger? Von Stefan Krüger
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ervosität keimt in Dietrich von Choltitz auf, als er schweigend neben General Wilhelm Burgdorf hertrottet. Denn gleich wird er dem „Führer und Reichskanzler“ gegenüberstehen. Erst vor sechs Tagen, am 1. August 1944, hat Hitler Dietrich von Choltitz zum General der Infanterie befördert und zum Kommandierenden General und Wehrmachtbefehlshaber von Groß-Paris ernannt. Wie wichtig dem Diktator die Seine-Metropole ist, zeigt allein die Tatsache, dass Choltitz persönlich im „Führerhauptquartier“ antreten muss, um seine Befehle zu empfangen. Doch von dem Mann, der vor vier Jahren nach der Niederlage Frankreichs triumphierend durch Berlin fuhr, ist nicht mehr viel
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übrig. Choltitz erlebt einen „alten, gebeugten, aufgeschwemmten Mann mit grauem, schütterem, nach oben stehenden Haar, einen zitternden, körperlich erledigten Menschen.“ Übervorsichtig drückt er Hitler die Hand – seit dem Attentat vom 20. Juli 1944 ist diese sehr schmerzempfindlich. Der „Führer“ eröffnet die Besprechung mit einem seiner Monologe, für die er ebenso bekannt wie gefürchtet ist. Weit holt er dabei aus. Zunächst spricht er ruhig und gediegen. Doch kaum kommt er auf den 20. Juli zu sprechen, beginnt sich seine Stimme zu überschlagen, während seine Worte vor Blut und Hass triefen. Choltitz ist schockiert. Soll das der Mann sein, in dessen Händen das Schicksal des deutschen Volkes liegt? Erst als Hitler
am Ende auf die Befehle für Choltitz eingeht, wird er wieder ruhiger und sachlicher: „General, Sie gehen nun nach Paris. Halten Sie die Stadt als Etappenstadt in Ordnung.“
Choltitz unter Schock Ein zentnerschwerer Stein fällt Choltitz vermutlich vom Herzen, als er endlich das Arbeitszimmer des Diktators verlassen darf. Draußen berührt er General Burgdorf, Chef des Heerespersonalamtes, am Arm. „Es ist ja entsetzlich“, raunt er ihm zu. „Ja, was wollen Sie machen?“, entgegnet Burgdorf lapidar. Der entsetzte Offizier schreibt an dieser Stelle in seinen Erinnerungen in aller Deutlichkeit, dass er den Eindruck hat, dass Hitler völlig den Verstand verloren habe. Und die-
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and
Paris“?
GEGEN HITLERS BEFEHL: General von Choltitz wendet sich gegen den vom Diktator erlassenen „Trümmerbefehl“, den er für militärisch sinnlos hält. (Foto bearbeitet, Person freigestellt) Foto: BArch, Bild 183-E12100201-018
ZUM WIDERSTAND BEREIT: Bewaffnete Franzosen, zum Teil mit deutschen Stahlhelmen ausgerüstet, verschanzen sich hinter einer Straßenbarrikade, August 1944. Foto: picture-alliance/akg-images
ses Urteil ist sehr wichtig, um zu verstehen, welche Motive Choltitz in den nächsten zwei Wochen antreiben werden: zwei Wochen, in denen es um nichts weniger als das Schicksal einer Weltmetropole mit mehr als vier Millionen Einwohnern geht. Das Oberkommando der Wehrmacht hat den General der Infanterie nicht zufällig aus der Masse der Offiziere ausgewählt, denn Choltitz ist kein „Etappenhengst“. Geboren am 9. November 1894 in Schlesien, dient er während des Ersten Weltkrieges als Offizier an der Westfront, wo er auch
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Menschen & Geschichten | Dietrich von Choltitz BEDROHLICH: Eine schwere deutsche Flak wird gefechtsbereit gemacht. Während an der Invasionsfront Mitte 1944 heftige Kämpfe stattfinden, kommt die französische Hauptstadt wenig später vergleichsweise glimpflich davon. Foto: picture-alliance
AUF DER KRIM: Dietrich von Choltitz (re.) und Erich von Manstein (Mitte) nehmen die Meldung eines Soldaten entgegen, Mitte 1942. Foto: BArch, Bild 101I-231-0731-06 / Horster
verwundet wird. Nach der „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ gehört er zu den wenigen privilegierten Soldaten, die in die Reichswehr übernommen werden. Hier hat er teils sehr verschiedene Posten inne, ehe er 1938 im Range eines Oberstleutnants Kommandeur des III. Bataillons des Infanterieregiments 16 wird. Mit dieser Einheit hat er sehr großen Anteil an der Eroberung der Brücken von Rotterdam 1940. Für diese Tat erhält er im Mai 1940 das „Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes“. Noch im September desselben Jahres wird ihm das Kommando über das gesamte Regiment übertragen.
Kampf um Sewastopol Ein vorläufiger „Höhepunkt“ seiner Militärkarriere ist der zähe und blutige Kampf um die Krimfestung Sewastopol, für den er im September 1942 zum Generalmajor befördert wird. Mit einem Alter von nur 47 Jahren ist er damit der jüngste General der Wehrmacht. Rasch steigt er zum Divisions- und Korpskommandeur auf und hat verschiedene Kommandos inne, ehe er am 17. Juni 1944 das LXXXIV. Armeekorps in der Normandie übernimmt. Die Schlachten an der Invasionsfront hinterlassen bei ihm einen tiefen Eindruck, da sie ihm in aller Deutlichkeit vor Augen führen, wie aussichtslos die Lage ist. So bezeichnet er die verlustreichen Kämpfe als eine „Blutmühle“, wie er sie noch nie erlebt habe. Choltitz gibt sich daher auch keinen Illusionen hin, als er mit seinem Befehl in der Tasche nach Paris zurückfährt. Sein
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Auftrag lautet, die Verteidigung der Metropole zu organisieren und die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten. Er erhält hierfür erstaunlich weitreichende Befugnisse, die sich nicht nur auf die Einheiten der Wehrmacht, sondern auch auf die Waffen-SS und sogar die Dienststellen der NSDAP in Paris erstrecken. Kurz: Er kann die Stadt beinahe
den betagten Jahrgängen gehören. Es sei nur daran erinnert, dass das Durchschnittsalter der deutschen Soldaten an der Westfront im April 1944 etwa 38 Jahre betrug. Von den vier Regimentern existiert darüber hinaus nur noch eines, da die anderen bereits zuvor an die Front abrücken mussten, wo sie aufgrund ihrer mangelhaften Ausbildung freilich nicht viel bewirken konnten. Schwere Waffen und modernes Gerät sucht man hier ebenso vergeblich wie junge Männer. Am Stadtrand verfügt Choltitz immerhin über eine große Zahl von 8,8-ZentimeterFlak-Batterien, die die Deutschen allerdings allein für die Luftabwehr eingerichtet haben. Sie eignen sich daher nur bedingt für den Einsatz gegen Erdziele. Bedient werden sie
„Ich führte Befehle, die mir die Zerstörung von Paris auftrugen, nicht aus. Nicht weil ich der Idee des Gehorsams absage, sondern weil (...) die Befehle von einem Mann kamen, der sich in rasende Wahnvorstellungen verstrickt hatte.“ Dietrich von Choltitz
wie ein Vizekönig verwalten. Und dies ist auch bitter nötig. Nach vier Jahren Garnisonsdienst hat sich hier eine „Etappenstadt mit ihren üblen Erscheinungen gebildet“, wie Hitler feststellt. Choltitz soll den „Wasserkopf“ nun gründlich entschlacken, indem er überflüssig gewordene Teile der Verwaltung evakuiert oder die betreffenden Soldaten an die Front schickt – sofern diese überhaupt feldtauglich sind. Als der General in Paris eintrifft, unternimmt er als erstes eine Heerschau. So untersteht ihm eine Sicherungsdivision mit vier Regimentern, deren Männer allerdings zu
in der Regel von 17-jährigen Jugendlichen. Des Weiteren kann der General vier Panzer und ein sogenanntes „bewegliches Bataillon“ aufbieten. Letzteres besteht aus 17 betagten französischen Straßenpanzerwagen aus dem Jahre 1917, zwei Radfahrkompanien mit leichten Maschinengewehren und einem französischen Geschütz aus dem Ersten Weltkrieg. Für das Geschütz kann man gerade einmal 68 Schuss auftreiben. Dies also ist das „stolze Arsenal“, mit dem man die Weltmetropole gegen die alliierten Expeditionsstreitkräfte verteidigen möchte? Um wenigstens die Kopfstärke zu erhöhen, stellt
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Um Schadensbegrenzung bemüht Choltitz aus den Dienststellen noch zahlreiche sogenannte Alarmeinheiten auf. Viel zu verwalten gibt es im deutschen Machtbereich auf französischem Boden, der jeden Tag mehr und mehr zusammenschmilzt, ohnehin nicht. Der Kampfwert dieser Einheiten ist sehr gering, zumal diese Männer teilweise schon seit Jahren kein Gewehr mehr in der Hand gehabt haben. Wie soll nun Paris unter diesen Umständen verteidigt werden?
Keinen unnötigen Hass schüren Choltitz beschließt, den Kampf im äußeren Ring – also in den Vororten – anzunehmen, indem er das Sicherungsregiment in den Flakgürtel integriert. Damit möchte er, wie er in seinen Erinnerungen ausführt, die Verluste und Schäden in der Stadt möglichst gering halten. In diesem Zusammenhang betont er immer wieder, dass er bestrebt ist, keinen unnötigen Hass zwischen Franzosen und Deutschen zu schaffen, wenn die Schlacht um Paris eskalieren sollte. Dieses durchaus edle Motiv soll ihm auch nicht abgesprochen werden. Nur muss man sich vor Augen führen, dass der General sich völlig im Klaren darüber ist, dass ihn die Siegermächte womöglich zur Rechenschaft ziehen werden für alles, was in der Stadt passiert.
MIT ERHOBENEN HÄNDEN: Deutsche Kriegsgefangene werden von bewaffneten französischen Kräften in Kolonne abgeführt, Ende August 1944. Foto: picture-alliance/akg-images
AUSZEICHNUNG: Im Juli 1942 erhält Dietrich von Choltitz den Krimschild – ein Kampfabzeichen der Wehrmacht zur Erinnerung an die Kämpfe um die Krim Foto: dpa
Es dauert auch gar nicht lange bis Choltitz vor der ersten großen Herausforderung steht. Am 14. August 1944 erhält er den Befehl, die Industrieanlagen von Paris zu zerstören. Berlin schickt ihm hierfür sogar eine Gruppe von Sprengspezialisten. Doch der Stadtkommandant sperrt sich: Wenn er es zulässt, dass man den französischen Arbeitern ihre Arbeitsplätze wegsprengt, treibt er sie ohne Not in den Untergrund und in den Aufstand. Und da sich dies mit seinem Befehl beißt, für Ruhe und Ordnung in Paris zu sorgen, bittet er den Führer des Sprengkommandos, das Zerstörungswerk zwar vorzubereiten aber erst auszuführen, wenn Choltitz es anordnet. Doch dazu wird es nicht kommen. Als sich die Alliierten Paris nähern, stellt er es dem Sprengkommando frei, die Stadt zu verlassen – ein Angebot, das diese Männer erleichtert annehmen. Aber das „Führerhauptquartier“ lässt nicht locker. Nur einen Tag später ordnet es an, sämtliche Brücken der Metropole zu zerstören. Um diese Aufgabe durchzuführen,
rückt eigens ein Pionierbataillon an, das als Sprengmittel 300 Torpedos nutzen möchte, die die Kriegsmarine in Paris zurückgelassen hat. Choltitz jedoch verweist wieder auf seinen Auftrag, den er angeblich nicht durchführen könne, wenn er die Brücken zerstört. Denn dies würde die Bewegungsfreiheit seiner Truppen erheblich einschränken. Geschickt nutzt er also das Prinzip der Auftragstaktik, um unangenehme Befehle auszuhebeln. Es spricht sich allerdings schnell herum, dass die Besatzer offenbar vorhaben, Teile der Stadt zu zerstören. Am 15. August erscheint daher der Stadtrat im Hauptquartier des Stadtkommandanten. Inständig bitten die Beamten Choltitz, die Infrastruktur nicht vollständig zu pulverisieren. Der General ist beeindruckt von dem Engagement dieser Männer und versichert ihnen, dass er keineswegs vorhabe, auch nur ein Wasserwerk in die Luft zu jagen.
Verdacht gegen Choltitz Unterdessen schöpfen seine Vorgesetzten allmählich Verdacht. Es sickert das Gerücht durch, dass Choltitz bereits mit den Franzosen verhandelt. Das Schlimmste, was in dieser Situation passieren kann, ist, dass Hitler selbst misstrauisch wird und den besonnenen General durch einen anderen Offizier ersetzt. Dieser würde möglicherweise die von Rachsucht motivierten Befehle des Diktators blindlings ausführen.
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Menschen & Geschichten | Dietrich von Choltitz der Stadt nichts ändern. Am 22. August 1944 verschärft sich die Lage jedoch dramatisch, als das Oberkommando der Wehrmacht eine neue Anordnung trifft. So beabsichtigt das OKW, im östlichen Frankreich eine neue Verteidigungslinie mit Paris als Angelpunkt aufzubauen: „Paris ist in ein Trümmerfeld zu verwandeln. Der Kommandierende General hat es bis zum letzten Mann zu verteidigen und geht, wenn nötig, unter den Trümmern unter.“
Berüchtigter Befehl
VOR DER ÜBERGABE: Stadtkommandant General Dietrich von Choltitz (sitzend) und General Jacques-Philippe Leclerc (vorn), 1952 posthum zum „Marschall von Frankreich“ ernannt, auf dem Weg zur Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde. Foto: picture-alliance/dpa©dpa-Bildarchiv
In diesen kritischen Stunden kabelt der deutsche Botschafter im besetzten Frankreich, Otto Abetz, eine Nachricht zum Oberkommando der Wehrmacht. Darin beklagt er sich bitter darüber, dass der Stadtkommandant brutal gegen die Zivilbevölkerung vorgehen würde. Choltitz aber lächelt. Die beiden hatten die Aktion zuvor abgesprochen und die Rechnung geht auf: Der General kann weitermachen.
Drohende Eskalation Doch je näher die Front rückt, umso nervöser werden die Menschen auf beiden Seiten. Schon fallen die ersten Schüsse auf deutsche Kolonnen in Paris. Und wie es in dieser Stadt schon fast zur Tradition gehört, errichten die Franzosen auch sporadisch Barrikaden. Zwar beurteilt Choltitz die Schäden und Verluste als „unbedeutend“, zumal die Wehrmacht sich nach wie vor nahezu uneingeschränkt in Paris bewegen kann – trotz der vereinzelten Barrikaden. Dennoch muss der General versuchen, jede Eskalation zu vermeiden, um zu verhindern, dass das „Führerhauptquartier“ auf drakonische Maßnahmen drängt. ERLEICHTERT: Frankreichs späterer Staatspräsident Charles de Gaulle würdigte die Entscheidung von Choltitz, die Stadt kampflos zu übergeben. Foto: picture-alliance/dpa©dpa-Report
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Er trifft sich deshalb mit verschiedenen Vertretern der französischen Seite und schärft ihnen ein, dass sie die „Aufständischen“ zur Ruhe und Geduld ermahnen sollen. Dies sei im beiderseitigen Interesse.
Choltitz ist entsetzt. Abgesehen davon, dass die Franzosen den Deutschen dies niemals verzeihen würden, ist der Befehl auch militärisch sinnlos. Denn das, was von den deutschen Divisionen noch übrig ist, befindet sich auf der Flucht Richtung Westen. Der berüchtigte „Trümmerfeld-Befehl“ ist indes nicht direkt an Choltitz, sondern an die übergeordnete Heeresgruppe B ergangen. Der Stadtkommandant ruft daher den Chef des Stabes der Heeresgruppe, Generalleutnant Hans Speidel, an und macht ihm mit eindringlichen Worten klar, welche Konsequenzen diese Anordnung haben wird. Stillschweigend einigen sich die beiden darauf, den Befehl schlichtweg zu ignorieren. Das Ende in Paris kommt ziemlich schnell, beinahe unspektakulär. Mehr als hinhaltenden Widerstand können die Deut-
„Ich durfte der Meinung sein, dass die Stadt trotz meiner recht geringen Kräfte voll unter meiner Kontrolle stand.“ Dietrich von Choltitz
Auch der schwedische Generalkonsul Raoul Nordling schaltet sich als Vermittler ein und regt eine Waffenruhe an. Sowohl Choltitz als auch die Franzosen stimmen zu. Doch weisen sie darauf hin, dass die „Aufständischen“ beziehungsweise die Résistance keine homogene Masse darstellen, die man wie einen Trupp Soldaten kommandieren kann. Und tatsächlich fallen nach einer kurzen Pause bald wieder Schüsse. Choltitz sieht jedoch immer noch keinen Grund, härtere Maßnahmen zu ergreifen. Denn bisher haben die Franzosen noch keinen offenen Angriff auf einen der Stützpunkte der Wehrmacht gewagt – und daran sollte sich auch bis zur Befreiung
schen im äußeren Ring ohnehin nicht leisten, sodass die Alliierten im hohen Tempo in die Stadt einrücken. Dass Choltitz’ Männer den aussichtslosen Kampf fortsetzen, liegt einzig daran, dass sie vor den Alliierten, nicht aber vor der französischen Widerstandsbewegung kapitulieren möchten. Denn sie fürchten deren Rache. Der nun machtlose Stadtkommandant begibt sich schließlich mitsamt seinem Stab am Nachmittag des 25. August 1944 in Gefangenschaft. Da er zuletzt keine Verbindung mehr zu den einzelnen Stützpunkten hatte, erklärt er sich bereit, diese aufzusuchen und zur Kapitulation aufzufordern. Man bringt ihn dann sogleich in das britische Kriegsgefangenenlager Trent Park Camp. Dort zählt er zu den deutschen Offizieren, die heimlich abgehört werden. Den Protokollen zufolge war Choltitz über die Kriegsverbrechen an der Ostfront im Bilde.
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Entsetzen über „Trümmerfeld-Befehl“
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IN GEFANGENSCHAFT: Dietrich von Choltitz (stehend links) wird am 29. August 1944 nach der Übergabe von Paris Ende in das britische Gefangenenlager Trent Park Camp gebracht, in dem die Inhaftierten abgehört werden. Foto: BArch, MSg 2 Bild-14835-009
Vielleicht noch weit mehr: „Den schwersten Auftrag, den ich je durchgeführt habe – allerdings dann mit größter Konsequenz durchgeführt habe – ist die Liquidation der Juden.“ Diese in den Kopien der Abschriften von Abhörprotokollen aus Trent Park überlieferte Äußerung hat den Verdacht erregt, dass er selbst an Kriegsverbrechen beteiligt war. Wie ist die Aussage zu bewerten? Dem Militärgeschichtliche Forschungsamt (MGFA) lagen im Jahr 2008 „keine Erkenntnisse über die Beteiligung von Dietrich von Choltitz an der Ermordung von Juden während des Zweiten Weltkrieges vor“, wie aus einem Brief an den Sohn des Generals hervorgeht. Das MGFA empfiehlt daher, die originalen Tondokumente noch einmal zu prüfen, um Choltitz’ in den Protokollen überlieferte Aussage angemessen beurteilen zu können. Zumal die Quellenlage insgesamt ziemlich dürftig ist. Doch wie steht es um den Titel „Retter von Paris“? Oder ist es nicht vielmehr so, dass er vor allem Retter seiner selbst war? Es
Literaturtipps Dietrich von Choltitz: Brennt Paris? Tatsachenbericht des letzten deutschen Befehlshabers in Paris. Fischer Verlag 2014. Detlef Vogel: Deutsche und alliierte Kriegführung im Westen. In: Horst Boog (u.a.): Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 7, Stuttgart 2001, S. 419–639.
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mag sein, dass die Furcht vor den Alliierten eine Rolle gespielt haben mag. Er selbst hat den Titel „Retter von Paris“ jedenfalls nie beansprucht. In seinen Erinnerungen führt er lediglich aus, dass er sich bemüht hat, die Verluste unter der Zivilbevölkerung und natürlich auch auf der eigenen Seite möglichst gering zu halten. Vielleicht auch, weil ihn ein schlechtes Gewissen wegen möglicher Verbrechen an der Ostfront plagte?
Späte Anerkennung Fest steht: Das Ziel, die Zahl der Opfer in Paris niedrig zu halten, hat er erreicht. Insbesondere die Franzosen würdigten ihn hierfür. So erklärte der spätere französische Staatspräsident Charles de Gaulle, dass Choltitz’ Engagement maßgeblich dazu beigetragen hat, dass sich Frankreich und Deutschland nach dem Krieg wieder versöhnen konnten. Als Dietrich von Choltitz nach seinem Tod im November 1966 in Baden-Baden beigesetzt wird, erweisen ihm an seinem Grab auch französische Offiziere die letzte Ehre. Dessen ungeachtet dürfen aber nicht die anderen Persönlichkeiten – wie etwa der schwedische Generalkonsul oder die Vertreter der französischen Seite – vergessen werden, die ebenfalls einen großen Beitrag dazu geleistet haben, dass der Kampf um Paris am Ende vergleichsweise glimpflich ausgegangen ist.
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Stefan Krüger, M.A., Jg. 1982, Historiker aus München.
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VIEL BEACHTET: Der deutsche „Tiger II“, von den Briten achtungsvoll „Kingtiger“ (Königstiger) genannt, zählt zu den Höhepunkten der Ausstellung. Foto: Autor
Das „Tank Museum“ im englischen Bovington präsentiert eine beeindruckende Sammlung an Großexponaten verschiedenster Panzerfahrzeuge – von den Anfängen im Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart. Von Ulrich Pfaff
Großbritanniens großes Panzermuseum
Geballte Panzertechnik I
m Jahr 1915, vor genau 100 Jahren, ist die Front im Westen im Stellungskrieg erstarrt. Schlamm, Granattrichter, Drahtverhaue, Schützengräben bestimmen die Kampfweise der Infanterie, die bisher nie dagewesene Verluste erleidet. Um diesen „Totpunkt“ zu überwinden, entwickeln die Briten den „Tank“. Die Geschichte des Kampfpanzers erzählt das „Tank Museum“ im südenglischen Bovington – dort, wo sie wirklich anfing.
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Das Museum in der Grafschaft Dorset wird 1923 auf Anregung des Schriftstellers Rudyard Kipling gegründet. Es ist heute zugleich das Traditionsmuseum für das britische „Royal Armoured Corps“ und das „Royal Tank Regiment“, deren Vorläuferformation „Tank Corps“ im Ersten Weltkrieg den Nukleus der britischen Panzertruppen bildete. Der Besucher begibt sich in den riesigen Hallen auf eine „Tour de Force“ in Sachen Panzergeschichte. Und die beginnt un-
ter dem Eindruck des berüchtigten englischen Humors. Den ersten Versuchsträger eines Gefechtsfahrzeugs nennen seine Erfinder „Little Willie“ – ein scherzhafter Ausdruck für das kurz geratene beste Stück des Mannes. Zu kurz ist auch das Gefährt, das den Stellungskrieg an der Front in Nordfrankreich und Flandern wieder in Bewegung bringen soll, denn es kann die Breite der deutschen Schützengräben nicht überdecken. Aber „Little Willie“ ist der erste jemals
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„CROSSLEY ARMOURED CAR”: Dieses Fahrzeug wurde in der Zwischenkriegszeit vom „Tank Corps” an der Nordwestgrenze in Indien zu Sicherungsaufgaben eingesetzt. Foto: Autor
gebaute Panzer, auch wenn seine Ketten zu schmal, eine Panzerung kaum vorhanden ist. „Little Willie“ dreht sich auf einem Display – im ersten Saal des Museums, der „The Tank Story“ heißt. Nach „Little Willie“ entsteht „Mother“ – ein rautenförmiger Stahlkasten von kolossalen Ausmaßen mit Ketten, die über die gesamten 7,70 Meter des Fahrzeugs laufen. Diese „Mutter“ wird viele Nachkommen „gebären“. Aus ihr gehen die ersten eingesetzten Panzer der Kriegsgeschichte hervor: Der „Mark II“ verbreitet unter den deutschen Truppen Angst und Schrecken, als er an der Somme im September 1916 erstmals eingesetzt wird. Der „Medium Mark A“ ist das Folgemodell des rhomboid geformten „Heavy Tank“: Wegen seiner Höchstgeschwindigkeit von 13 km/h auch als „Whippet“ (Windhund-Rasse) bezeichnet, wird der damals schnellste Panzer seiner Zeit ab März 1918 an der Front im Westen eingesetzt. Auch die Franzosen bleiben nicht untätig: Der „Renault FT-17“, ein nur sieben Tonnen schweres Fahrzeug, wirkt zwar wie ein gro-
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ßer Käfer, aber er verkörpert mit einem voll drehbaren Turm das Panzer-Muster, das sich in späteren Jahren als Standard durchsetzen wird.
„Mechanisches Pferd” Durch die Zwischenkriegszeit folgt der Besucher den Vertretern der mechanisierten Kriegführung im Vereinigten Königreich. Das „Crossley Chevrolet Armoured Car“ – ein gepanzertes Radfahrzeug – verfügt über einen halbkugelförmigen Turm, der Handwaffengeschosse ablenken soll. Dieses Fahrzeug wird vor allem in Indien zu Polizeiaufgaben eingesetzt. Das Modell „Lanchester Mark II Armoured Car“, wie es Ende der 1920er-Jahre in Dienst gestellt wird, gilt als das erste „mechanische Pferd“ der britischen Kavallerie – in seiner massigen Erscheinung ein Zwitter aus Radpanzer und Aufklärungsfahrzeug. Der „Medium Tank Mark II“ von 1927, auch „Vickers Medium“ genannt, ist für die britische Armee der Panzer, der mit seiner Geschwindigkeit und Manövrierbarkeit die Kriegführung radikal verändern
MIT IHM FING ES AN: „Little Willie”, der erste Versuchsträger eines Panzerfahrzeugs Foto: Autor im Ersten Weltkrieg.
soll: taktisch ein Abkömmling des „Whippet“, aber mit einem voll drehbaren Turm. Er bleibt bis in die späten 1930er-Jahre das Baumuster, mit dem Großbritanniens „Royal Tank Regiment“ den Panzereinsatz übt. Auf dem europäischen Festland aber macht sich eine Macht trotz – oder gerade wegen – strenger Rüstungsauflagen Gedanken um ein grundlegend anderes Konzept der mechanischen Kriegführung: Deutschland verfolgt mit höchster Präzision die „Blitzkrieg“-Idee mit dem Panzer als tragendem Element des schnellen Vorstoßes.
Stählerne Kampfmaschinen Zwischen makellos restaurierten Kampfmaschinen aus Stahl, großformatigen Zwischenwänden mit zahlreichen zeitgenössischen Fotografien, Multimedia-Bildschirmen und Kleinvitrinen mit interessanten Details gelangt der Besucher so zum ersten Zusammentreffen der Gegner von einst als neue Feinde in einem Krieg um die Vorherrschaft auf dem Kontinent: Im Mai 1940 zeigt sich, ob die deutsche oder die französische
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Spurensuche | Tank Museum Bovington
IM KALTEN KRIEG: Russlands Hauptwaffe ab den 1970er-Jahren war der T-72, die USA verließen sich in den spa? ten 1940er- und den 1950er-Jahren auf den M48 (hinten). Foto: Autor
„THE TANK STORY“: Die Halle, die über die Geschichte des Panzers informiert, präsentiert an den Wänden die Abzeichen der britischen Panzerregimenter. In der Mitte ein Foto: Autor Sherman „Firefly“ von 1944.
FRANKREICHS STÄRKSTER PANZER: „Char B1“ – konzeptionell allerdings war die französische Panzertruppe der Wehrmacht nicht gewachsen. Foto: Autor
Doktrin des Panzerkampfs überlegen ist. Hier steht der wendige, aber schwach gepanzerte und mit einer 20-mm-Kanone ausgerüstete deutsche „Panzer II“ gegen den schweren, französischen „Char B1“, ein 31Tonnen-Ungetüm mit umlaufenden Ketten wie die Vorbilder aus dem Ersten Weltkrieg – das deutsche „Blitzkrieg“-Symbol von 1939 und 1940 gegen das französische Paradebeispiel einer gut gepanzerten, aber schwerfälligen Kampfmaschine, die Feuerkraft und Panzerschutz über die Beweglichkeit stellt.
Gefürchteter „Tiger” Schauplatzwechsel: Der britische „Infantry Tank Mark II“ („Matilda II”) ist das Zugpferd der ersten Kämpfe in Nordafrika. „Die Königin der Wüste“ wird er genannt, weil die italienischen Truppen gegen dessen Panzerschutz nichts Wirksames einzusetzen wissen. 1942 ergänzt der in den USA gebaute „Medium Tank M3“ („Grant“) die Ausstattung der britischen Truppen in Nordafrika und schafft zum ersten Mal einen gewissen Ausgleich gegen die taktische Überlegenheit deutscher Panzerfahrzeuge – aber der ab
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MIT STREIFENMUSTER: Der deutsche Panzer V „Panther“ lehrte mit seiner 75-mm-Kanone Foto: Autor feindliche Panzer das Fürchten.
1943 dort eingesetzte „Tiger I“ lehrt sie alle das Fürchten. Seinem 88-mm-Geschütz ist kein Panzerfahrzeug gewachsen. Einen beinahe ebenbürtigen Gegner sieht der Besucher nur ein paar Meter weiter: den legendären russischen T-34, hier in der Version mit
HINTERGRUND
85-mm-Kanone, das auch dem „Tiger“ übel zusetzen kann. Vom Krieg in Russland zur Normandie – die rasante Entwicklung der deutschen und alliierten Panzerwaffe im Zweiten Weltkrieg, die Spirale von Aufrüstung und Verbesse-
The „Tank“
Bis heute hat sich im anglizistischen Sprachgebrauch der Begriff „Tank“ für Panzer gehalten. Dabei war diese Bezeichnung lediglich als Tarnname für die gepanzerten Fahrzeuge gedacht, die 1915 in England entwickelt wurden. Ursprünglich sollten die Panzerfahr-
zeuge „Water Carrier“ (Wassertransporter) genannt werden. Allerdings fürchteten die Verantwortlichen, dass sich recht schnell die Abkürzung WC einschleichen würde – angesichts der potenziell kriegsentscheidenden Bedeutung der Fahrzeuge eine unangemessene Namensgebung.
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100 Jahre Panzertechnik
IN BRITISCHER HAND: Dieser deutsche „Tiger I“ wurde 1943 in Tunesien erbeutet. Er ist das einzige weltweit existierende betriebsbereite Exemplar. Foto: Autor
rung, wird am Passendsten vom „Sherman Firefly“ repräsentiert. Die britische Version des in Masse gebauten mittelschweren USPanzers, aufgerüstet mit einer KampfwagenVersion des bewährten 17-Pfünder-Panzerabwehr-Geschützes (76,2 mm), ist den deutschen „Tigern“ und „Panthern“ ebenbürtig in Feuerkraft, allerdings nicht im Panzerschutz, dem ewigen Manko des Massenprodukts „Sherman“. „The Tank Story“ geht nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs weiter: Das schwere Material der mobilen Kriegführung, das direkt aus den Erfahrungen dieses Konflikts resultiert, sind der britische „Centurion“, das Arbeitspferd des „Royal Armoured Corps“ der 1950er-Jahre. Außerdem der amerikanische M48, die beide schnell zu den westlichen Vertretern des Kalten Krieges werden – mit dem russischen T-72 auf der anderen Seite. Feuerkraft, Mobilität, Schutz und Flexibilität: Das sind die Anforderungen, die ein gepanzertes Fahrzeug zu erfüllen hat. Mehr als 80 Jahre Entwicklung unter diesen Aspekten sind in „The Tank Story“ dokumentiert. Zurück zum Anfang führt den Besucher das Abtauchen in die Düsternis des Ersten Weltkriegs – wortwörtlich. „The Trench Experience“ (das Grabenerlebnis) ist die 1:1-
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Nachbildung der Welt des Grabenkrieges von 1916: tiefe befestigte Gräben, Sandsackwälle, mit Wellblech verstärkte Unterstände, Verwundeten-Sammelstellen, traumatisiert wimmernde Soldaten. Von hier gelangt der Besucher in einen Saal, der die britischen Panzerfahrzeuge des Ersten Weltkriegs und der Zwischenkriegszeit noch einmal in aller Ausführlichkeit zeigt: vom „Mark I Male“ (mit 6-PfünderGeschützen in Seiteneinbauten) über den verlängerten „Mark V**“ als Antwort auf die deutschen Bemühungen, die Schützengräben so zu verbreitern, dass sie von den Tanks nicht mehr überquert werden konnten, bis hin zum „Rolls-Royce Armoured Car“. Dabei handelt es sich um ein gepanzertes Lkwartiges Aufklärungsfahrzeug, das noch zum Beginn der Kämpfe in Nordafrika 1940 im Einsatz ist. Hier begegnet man auch dem ersten klugen Kopf hinter dem Einsatz der britischen Panzerwaffe: Colonel John Frederick Charles Fuller, später Generalmajor – er plant den Masseneinsatz von Panzern bei der Schlacht von Cambrai am 20. November 1917 und ist in den 1920er-Jahren der Advokat der Schaffung voll mechanisierter Verbände in der königlichen Armee.
gen Tonnen Stahl kann man umhergehen, um sich Seltenheiten wie den „Black Prince“, eine britische Nachkriegskreuzung von „Churchill“-Fahrgestell mit Oberwanne und dem späteren Turm des „Comet“, oder den „Tetrarch“, einen luftverladbaren Leichtpanzer, anzuschauen. Ein Hallentor weiter macht das Museum den Schritt in die Jetzt-Zeit: „Battlegroup Afghanistan“ ist die Darstellung eines Stützpunktes der Royal Army in Afghanistan, wo die Lebens- und Gefechtsbedingungen der Truppe im aktuellen Konflikt realitätsnah zu erleben sind.
TANK MUSEUM Tipps für Besucher Für einen Besuch im „Tank Museum“ in Bovington sollte man sich einen ganzen Tag frei halten. Wenn Aktionstage anstehen, können die Besucher Rad- und Kettenfahrzeuge „live“ auf dem Veranstaltungsplatz namens „Kuwait Arena“ erleben – beim „Tiger Day“ am 2. Mai, beim legendären „Tankfest“ am 27. und 28. Juni 2015 und bei den „Tank Experience Days“ am 25./26.Mai und 25./26. September 2015. www.tankmuseum.org
Unzählige Tonnen Stahl Die „George Forty Hall“, benannt nach einem früheren Direktor des „Tank Museum“, ist eine riesige Halle, die ihrer Bezeichnung „Discovery Centre“ alle Ehre macht: Vor allem die Gefechtsfahrzeuge der kriegführenden Nationen von 1939 bis 1945 sind hier aufgereiht: vom antiquiert wirkenden, mit zwei Mann besetzten britischen „Matilda I“, der noch 1940 in Frankreich eingesetzt wird, bis hin zum „Superpanzer” des „Dritten Reiches”: dem „Tiger II“, auch „Königstiger“ genannt. In den Gassen zwischen unzähli-
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IM QUERSCHNITT: Blick in den Turm eines britischen „Centurion“, in dem es beengt zugeht. Foto: Autor
AUS DEM JAHR 1940: In der „George Forty Hall“ sind unter anderem ein französischer Renault „Chenillette“, ein britischer „Matilda I“ und ein deutscher Befehlspanzer I zu sehen (v.l.). Foto: Autor
Ulrich Pfaff, Jahrgang 1965, ist Redakteur und hat sich als freier Journalist unter anderem auf Militärgeschichte spezialisiert.
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Nr. 24 | 2/2015 | März-April | 5.Jahrgang
Vorschau Internet: www.clausewitz-magazin.de Redaktionsanschrift CLAUSEWITZ Infanteriestr. 11a, 80797 München Tel. +49 (0) 89.130699.720 Fax +49 (0) 89.130699.700
[email protected] Redaktion Markus Wunderlich (Chefredakteur Luftfahrt, Geschichte, Schifffahrt und Modellbau), Dr. Tammo Luther (Verantw. Redakteur), Maximilian Bunk, M.A., Stefan Krüger, M.A. Chef von Dienst Christian Ullrich Berater der Redaktion Dr. Peter Wille Ständige Mitarbeiter Dr. Joachim Schröder, Dr. Peter Andreas Popp Layout Ralph Hellberg
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Vor 200 Jahren: Waterloo 1815 Triumph über Napoleon 18. Juni 1815: Bei Waterloo erlebt Napoleon Bonaparte seine letzte Schlacht. Gegen die britisch-preußischen Truppen unter Wellington und Blücher erleidet der französische Herrscher und Feldherr ein Desaster, das zum Synonym für eine vernichtende Niederlage wurde.
Langemarck 1914 Legende und Wirklichkeit
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11. November 1914: Die Oberste Heeresleitung gibt das Ende der Kämpfe bei Langemarck mit den Worten bekannt: „Westlich Langemarck brachen junge Regimenter unter dem Gesange ,Deutschland, Deutschland über alles’ gegen die erste Linie der feindlichen Stellung vor und nahmen sie...“ Was aber geschah wirklich an jenem 10. November 1914 an der Westfront?
Geschäftsführung Clemens Hahn Herstellungsleitung Olaf Wendenburg Leitung Marketing und Sales Zeitschriften Andreas Thorey Vertriebsleitung Dr. Regine Hahn Vertrieb/Auslieferung Bahnhofsbuchhandel, Zeitschriftenhandel: MZV, Unterschleißheim
Im selben Verlag erscheinen außerdem:
SCHIFFClassic AUTO CLASSIC FLUGMODELL SCHIFFSMODELL TRAKTOR CLASSIC ELEKTROMODELL BAHN EXTRA LOK MAGAZIN STRASSENBAHN MAGAZIN Militär & Geschichte
Krisenherd Afghanistan Krieg ohne Ende 19., 20. und 21. Jahrhundert: Das britische Weltreich, das Sowjet-Imperium und eine internationale Koalition im „Krieg gegen den Terror“ versuchen in drei aufeinanderfolgenden Jahrhunderten, Afghanistan unter ihre Kontrolle zu bringen – vergeblich. Warum scheitern die weit überlegenen Militärmächte?
Außerdem im nächsten Heft: Mittlerer Panzer M4 „Sherman“. Der meistgebaute US-Panzer des Zweiten Weltkrieges. Okinawa 1945. Amerikaner und Japaner kämpfen verbissen um die Pazifikinsel. Und viele andere Beiträge aus den Wissengebieten Geschichte, Militär und Technik. Lieber Leser, Sie haben Freunde, die sich ebenso für Militärgeschichte begeistern wie Sie? Dann empfehlen Sie uns doch weiter! Ich freue mich über jeden neuen Leser. Ihr verantwortlicher Redakteur CLAUSEWITZ Dr. Tammo Luther
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Die nächste Ausgabe von erscheint am 30. März 2015.
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