November 2010
B 7539 E ISSN 0720-051 X
November 2010 Deutschland € 7,40 Österreich € 8,15 Schweiz sfr 14,80 Belgien, Luxemburg € 8,65 Niederlande € 9,50 Italien, Spanien, Portugal (con.) € 9,70
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Finnland € 10,90 Norwegen NOK 95,00 www.eisenbahn-journal.de
D ie gr oße Ze i t de r E i s e n b a h n
S C H W E R P U N K T- T H E M A I N V O R B I L D U N D M O D E L L
Milch per Bahn
VORBILD UND MODELL
ET 403 »Donald Duck«
A N L A G E N P O RT R ÄT
Münsterland-Module
GEBELES ANLAGENBAU TEIL 3
Drüber und drunter
2010
S C H W E R P U N K T- T H E M A I N V O R B I L D U N D M O D E L L
Milch per Bahn VORBILD UND MODELL
A N L A G E N P O RT R ÄT
GEBELES ANLAGENBAU | 3
ET 403 »Donald Duck«
Münsterland-Module
Drüber und Drunter
(Füllseite)
TITELFOTO CHRISTOPH KUTTER
INHALT
FOTOS DIESER SEITE: O. LÜTTMANN, A. MOCK, A. RITZ, WALTER HOLLNAGEL/SLG. GERHARD
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Historie Die Milch kommt per Bahn
Titel Milch per Bahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Vorbild Galerie »General auf Tour«. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Galerie 30 000 und eine IK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Galerie Kohle, Koks und Klütten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Kurz-Gekuppelt Notizen vom Vorbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Vorbild & Modell: Baureihe 403 »Donald Duck« als Intercity . . . . . . . . . . . . . 16 ET 403 von Rivarossi Revival . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Momente Rüben aus Ratzeburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
Vorbild & Modell Baureihe 403
➼ 16
Patinieren Nur ein Hauch von Alter
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Anlagenporträt Ein Stück Münsterland
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Schwerpunkt Bahn & Milch Historie Die Milch kommt per Bahn. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Betriebs-Spezialitäten Milch für Großstädte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Einsatz-Geschichte Milch für US-Truppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Modellübersicht Milch-Modelle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Anlagenplanung Münchner Milch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Patinieren Nur ein Hauch von Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Beladungsvorschlag Kannen-Cabrio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
Modell Neuheiten Aktuelle Modellvorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Anlagenporträt: Auf drei Modulen Ein Stück Münsterland . . . . . . . . . . . . . . . 76 Anlagenbau-Serie/3: Brücken und Tunnels Richtig drüber und drunter . . . . . 82
Rubriken Forum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Fachhändler-Adressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Börsen, Märkte, Termine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Mini-Markt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Bestellscheine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Vorschau & Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
Artikelbenotung 2010 Teilnehmen und eine BR 044 von Roco gewinnen. Siehe Seite 10.
Ihre Note für die Themenwahl Ihre Note für den Inhalt Ihre Note für die Präsentation
Eisenbahn-Journal 11/2010
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GALERIE 4 • Eisenbahn-Journal 11/2010
»General« auf Tour Als VT/VS 08 801 (ab 1968 Baureihe 608/908 801) stand der „Ableger“ der Eierköpfe (vgl. EJ 10/2010) viele Jahre den in der Bundesrepublik stationierten Generälen der US Army als gediegen ausgestatteter Salontriebwagen zur Verfügung und wurde daher von Eisenbahnfreunden auch als „General“ tituliert. Als die Amerikaner das in ihrem Besitz befindliche Fahrzeug nicht mehr benötigten, wurde es zum 1.1.1991 auch aus den DB-Bestandslisten gestrichen. Von der Georg Verkehrsorganisation GmbH (GVG) übernommen, erhielt der „General“ 2007 eine neue Hauptuntersuchung und war seitdem in Karlsruhe abgestellt. Am 28. August 2010 unternahm er nun seine erste Fahrt seit der HU, die anlässlich eines Firmenjubiläums der GVG von Frankfurt (Main) nach Triberg führte. Die Aufnahme entstand im nächtlichen Frankfurter Hauptbahnhof. FOTO: STEFAN SCHEIBA
30 000 und eine I K 30 000 Augenpaare verfolgten den historischen Loktransport der I K mit zwölf Pferden quer durch die Chemnitzer Innenstadt. Das Highlight der „Tage der Chemnitzer Industriekultur“ zeigte, wie vor 100 Jahren die fabrikneuen Hartmann-Lokomotiven mangels eines Gleisanschlusses zum Bahnhof gefahren wurden. Nach der großen Show verbrachte die I K Nr. 54, das Aushängeschild der Dampfbahnroute Sachsen, die Zeit einsam, aber in einer ebenso stilechten Atmosphäre wie vor 100 Jahren, in der Werkstatt des Eisenbahnmuseums Chemnitz Hilbersdorf. Zwischen alten Drehbänken, Ständerbohrmaschinen, ausgebauten Heiz- und Rauchrohren, Tonnen von Blechen und aufzuarbeitenden Lokomotivteilen stand die I K hier nur im Fokus eines Kameraauges. Chemnitz 2010 oder Ausbesserungswerk Dresden-Friedrichstadt 1920? Die Frage dürfte durchaus gestellt werden, wenn das Führerhaus der 50 3648-8 die Situation nicht aufklären würde. TEXT/FOTO: HELGE SCHOLZ
6 • Eisenbahn-Journal 11/2010
8 • Eisenbahn-Journal 11/2010
Kohle, Koks und Klütten Wie kein anderer Energieträger prägte die Kohle einst die Wirtschaft. Als Hausbrand tangierte sie das unmittelbare Lebensumfeld der Menschen, in der Großstadt ebenso wie auf dem Land. Was der Kohlenhändler für die Feinverteilung bis in die Haushalte war, war die Eisenbahn für den Massengutumschlag. Das „Schwarze Gold“ galt es in gewaltigen Mengen von den zahlreichen Zechen in geschlossenen Ganzzügen zu den See- und Binnenhäfen, den Kohlekraftwerken und den Industriebetrieben zu bringen oder den Export über die Landesgrenzen hinweg zu organisieren. Ob Steinkohle, Koks oder Briketts, die Bahn war auf den Transport der Massengüter bestens eingestellt. In der Hoch-Zeit des deutschen Steinkohlenbergbaus machten sie alleine mehr als ein Drittel des Gesamtgüteraufkommens bei der Bahn aus. Dies sowie die Zeit vor und nach dem Zweiten Weltkrieg und auch die heutige Situation beleuchtet die nächste ExtraAusgabe des Eisenbahn-Journals in allen Facetten. Eisenbahn & Kohle bietet einzigartige historische Fotos, Momentaufnahmen aus den 50er und 60er Jahren und interessante Perspektiven zur heutigen Situation – angereichert mit interessanten Fakten, Daten und Geschichten. Die Ausgabe ist ab 4. November im Handel. FOTO: JÜRGEN NELKENBRECHER
Passend zum Thema Kohle hat Wolfgang Langmesser einige typische Versatzstücke des Ruhrgebiets seiner Kindheit aufgegriffen und im Modell umgesetzt: Von der Andeutung einer Bergarbeitersiedlung mit Häusern, Gemüsegärten und Tauben „so wie es damals war“, über einen Bahnhof für die Kumpel und als Übergabestelle der Kohlenzüge, mit einem Kanalhafen inklusive eindrucksvollem Kran, der Koks-Waggons in Leichter entleert, bis hin zu einem Zechen-Komplex im typischen Bauhausstil der 1920er Jahre, wo scheinbar echte Kohle von Untertage gefördert wird, ist alles dabei, was im Umfeld des „schwarzen Goldes“ die Lebenswirklichkeit bestimmte. Dabei ist nicht nur das Porträt der Anlage Thema des Heftes. Auf vielen Seiten beschreibt der Autor detailliert, wie er die Anlage gebaut hat. Durch das Schritt-für-Schritt-Vorgehen kann der Leser einzelne Baustufen einfach nachvollziehen und sich an Vergleichbarem versuchen oder die dargestellten Arbeitstechniken auf seine eigene Modellbahn anwenden. Das Heft ist ab sofort im Handel.
FORUM
betr.: Eisenbahn-Journal 10/2010 ☞ Auf feinem Gleis – Bahndamm mit Durchlass in N Herzlichen Dank für das Foto, das das vorgestellte Diorama in einer Gesamtaufnahme zeigt. Ich wollte schon öfter die Bitte äußern, bei Darstellungen von Dioramen oder Segmenten Übersichtsaufnahmen beizufügen: Nur so kann man m.E. die hervoragende DeA tail-Gestaltung genau einordnen. Also weiter so. Manfred Ninkl, per Email Das Anlagenteil in Ganzaufnahme. Vorne sind die Überlappungen von Straßen-, Weg- und Gleistrasse hinüber zum Anschlussstück zu erkennen.
m Anfang war das Virus. Es befiel mich in Form einer batteriebetriebenen Plastikeisenbahn der ungefähren Spurweite II und lies mich fortan nicht mehr los. Nach einem kurzen Zwischenstopp bei Lego lag eines Weihnachtsfestes eine Startpackung der Marke Arnold Rapido vor zwei glänzenden Kinderaugen. Da war es um mich geschehen. Das Modellbahnfieber hatte mich gepackt und gleich auf den Maßstab 1:160 festgelegt. In den folgenden Jahren wuchs der Lok- und Wagenpark, Pläne wurden geschmiedet und wieder verworfen, eine Anlage im Keller der Eltern begonnen und nie vollendet, bis ich nach mehreren Umzügen endlich mein eigenes Arbeitsund Modellbahnzimmer besaß. Der Erfahrung aus den Umzügen ist geschuldet, dass die jetzige Anlage in handliche Segmente gegliedert ist. Das erstgebaute (von zunächst einmal dreien) ist hier zu sehen. Auf diesem Segment habe ich ein Stück gerader Strecke nebst kleinem Wegdurchlass und Tunnelportal dargestellt. Auf den beiden Folgeteilen entsteht zurzeit ein Bahnhof. Er ist zwar nicht einem Vorbild nachempfunden, aber durchaus inspiriert von den zahlreichen kleinen Nebenbahn-Durchgangsstationen im Südwesten Deutschlands. Zeitlich ist das Arrangement irgendwo in der späten Epoche III angesiedelt, um Dampfbetrieb machen zu können, aber auch die Dieseltraktion zu rechtfertigen, wie ich sie in den 1980er Jahren selbst erlebt habe. Gestalterisch sollte die Anlage die große Bahn so vorbildgetreu wie möglich darstellen, sowohl in Bezug auf die Gleisanlagen als auch im Hinblick auf das Darumherum. Die hohen Arnold-Schienen aus Kindertagen, auf deren Weichen die Züge so ungrazil abknick-
ten, habe ich für diese Anlage ebenso beiseitegelegt wie das zwischenzeitlich angeschaffte Code-55-Material von Peco. Nachdem ich Bilder von Code-40-Gleisen gesehen hatte, erschien mir beides viel zu grob. Dabei kann Spur N so maßstäblich sein! Diese Wahl brachte allerdings einige lange Bastelabende mit sich, denn das etwa einen Meter lange Gleisstück des Tunnelsegments musste aus Holz- und Pertinax-Einzelschwellen und aufgelötetem Schienenprofil in Eigenarbeit hergestellt werden. Wie dem auch sei: Das Aussehen lässt einen so manchen Fluch auf die eigene Grobmotorik vergessen. Für ein realistisches Aussehen der Landschaft habe ich mir ein elektrostatisches Begrasungsgerät angeschafft. Mit dessen Hilfe wurde die Grundbegrünung mit Grasfasern von miniNatur/Silhouette durchgeführt. Höheren Bewuchs habe ich mit den bekannten Seemoos-Rohlingen dargestellt, welche zunächst auch elektrostatisch begrast wurden. In die so entstandenen feinen Grashalm-Zweige habe ich noch ausgesiebtes Noch-Laub einrieseln lassen. Ergänzt wurde der auf diese Weise entstandene Laubwald durch Fichten von Budde, die ich über Langmesser-Modellwelt bezogen habe und deren Aussehen über jeden Zweifel erhaben ist. Die Hochbauten entstanden aus Hartschaumplatten zum Selberprägen von Busch. Das Gewölbe wurde am PC erstellt, ausgedruckt und aufgeklebt. Sodann zog ich mit einer feinen Reißnadel die Fugen nach und erstellte die Längsfugen des Mauerwerks. Die Querfugen wurden mit einem Schraubenzieher aus dem Uhrmacherbedarf in das weiche Material gedrückt. Die Kolorierung erfolgte hier, wie bei anderen Teilen der Anlage auch, mit Künstler-Acrylfarben, welche
den großen Vorteil haben, matt und natürlich aufzutrocknen. Diverse Kleinteile ergänzen das Arrangement. Zu nennen sind u.a. die Telegrafenmasten von Weinert, maßstäbliche Fernsprechkästen von Spur Neun und diverse Holzstapel, die ich aus zuvor mit Holzbeize behandelten Zahnstochern selbst angefertigt habe. War dieses erste Segment zum Testen von Landschaftsbaumethoden bestimmt und aus diesem Grunde auch nach etwa einem Jahr Bauzeit fertiggestellt, wird es bis zur Vollendung der anschließenden Bahnhofsteile wohl ein wenig länger dauern. Da ich aber wie viele Hobbykollegen die meiste Freude am Basteln und am Entstehen der eigenen Vorstellungen und Planungen habe, ist dieser Umstand wohl kein bedauernswerter. ❑
TEXT UND FOTOS: ANDREAS MAYER
Andreas Mayers Anlagenteil wurde von den Besuchern des Internetportals Mymocom beim Wettbewerb um den „Mymocom-Cup“ auf den 4. Platz gewählt. Das Eisenbahn-Journal ist einer der Medienpartner von Mymocom.
70 • Eisenbahn-Journal 10/2010
betr.: Eisenbahn-Journal 9/2010 ☞ E 44 502 – 505: Steilstrecken-Spezialisten Zunächst besten Dank für Ihren Artikel über die E 44.5 und die dazu veröffentlichten Fotos. Dies ist wieder typischer und gewohnter EJ-Stil. Zum letzten Absatz des Artikels Ihres Autors Kirchner seien mir jedoch einige Anmerkungen erlaubt, wobei
ich darauf hinweisen muß, daß ich Mitglied des Bayerischen Lokalbahn Vereins e.V. (BLV) bin. Auch dem BLV sind schon seit seiner Gründung im Jahre 1975 im Freien aufgestellte sog. „Denkmals-Lokomotiven” ein Dorn im Auge, da deren fachgerechter und dem Denkmals-Charakter entsprechender Unterhalt einen hohen Aufwand erfordert, der, wie verschiedene Beispiele zeigen, nicht immer gewährleistet ist. Ein solches wertvolles Objekt stellt auch die von Ihnen angesprochene E 44 502 dar, die zudem sehr gut dem Satzungsziel des BLV – dem Erhalt bayerischer Lokalbahn-Fahrzeuge – entspricht, nachdem ja das Teilstück Bad Reichenhall – Berchtesgaden ursprünglich als dampfbetriebene Lokalbahn eröffnet wurde. Der BLV hat daher bereits im Jahr 2004 der Stadt Freilassing als Eigentümerin der Lok ein schriftliches Angebot für eine mögliche Wiederinbetriebnahme unterbreitet, wobei allein für die fremd zu vergebenden Arbeiten (z.B.Überprüfung des Trafos und dessen Wiederbefüllung mit Trafo-Öl, Kosten für SachverständigenGutachten usw.) ein Kostenrahmen von mindestens 80 000,– € genannt wurde. Hinzuzurechnen wären dann die vom BLV anläßlich der fälligen Hauptuntersuchung zu erbringenden erheblichen Eigenleistungen, weshalb der BLV von einer Überstellung der Lok nach Landshut und einer für mindestens zwei Nutzungsperioden, also etwa 16 Jahre, zu vereinbarenden Verfügungsgewalt ausging. Dies wurde von Freilassing abgelehnt, da man die Lok nicht aus Freilassing abgeben wollte. Der BLV wäre im Interesse eines womöglich betriebsfähigen Erhalts dieser Lokomotive auch weiterhin zu
Titel Milch per Bahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Vorbild Galerie »General auf Tour«. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Artikelbenotung November 2010
Galerie 30 000 und eine IK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Galerie Kohle, Koks und Klütten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Kurz-Gekuppelt Notizen vom Vorbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
Name Straße
Vorbild & Modell: Baureihe 403 »Donald Duck« als Intercity . . . . . . . . . . . . . 16 ET 403 von Rivarossi Revival . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Momente Rüben aus Ratzeburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
Ort Telefon
Schwerpunkt Bahn & Milch Historie Die Milch kommt per Bahn. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
E-Mail
Betriebs-Spezialitäten Milch für Großstädte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
Epoche
Einsatz-Geschichte Milch für US-Truppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
Nenngröße
Modellübersicht Milch-Modelle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Anlagenplanung Münchner Milch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Patinieren Nur ein Hauch von Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Beladungsvorschlag Kannen-Cabrio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
Die Gewinner der September-Benotung: Norbert Baumgartner, 76707 Hambrücken Joachim Rändel, 47877 Willich Günter Schroll, 4050 Traun, Österreich
Modell Neuheiten Aktuelle Modellvorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Anlagenporträt: Auf drei Modulen Ein Stück Münsterland . . . . . . . . . . . . . . . 76 Anlagenbau-Serie/3: Brücken und Tunnels Richtig drüber und drunter . . . . . 82 Ihre Note für die Präsentation
10 • Eisenbahn-Journal 11/2010
Ihre Note für den Inhalt Ihre Note für die Themenwahl
VORBILD UND MODELL • E 44 502 – 505
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ie Beschaffung der E 441 (später als E 445 bezeichnet) ist auf eine Initiative der deutschen Lokomotivindustrie zurückzuführen. Anfang der 1930er Jahre verfügte die Deutsche Reichsbahn über keine finanziellen Mittel, um technisch fortschrittliche Elektrolokomotiven zu beschaffen. Deshalb beschlossen die Lokomotivfabriken SSW, MSW/BMAG und BEW/BMAG in eigener Regie je eine Versuchsmaschine zu bauen. Gemeinsam war die Ausführung mit vier einzeln angetriebenen Achsen, von denen je zwei in einem Drehgestell angeordnet waren (Achsfolge Bo’Bo’). Sie wurden in den Jahren 1930 und 1931 fertig gestellt und standen der Reichsbahn zur Erprobung zur Verfügung. Die als E 44 001 (SSW) und E 44 101 (MSW/ BMAG) eingereihten Maschinen wurden zuerst im Streckennetz der RBD Breslau erprobt und dann zu den Bahnbetriebswerken München Hbf (E 44 001) bzw. Freilassing (E 44 101) für weitere Tests umbeheimatet. Die E 44 101 traf dabei ein hartes Los.
Zugkreuzung in Bayerisch Gmain im August 1972: Die 144 504 mit einem Nahverkehrszug nach Berchtesgaden wartet das Eintreffen der 144 503 (rechts) mit einem Eilzug nach Freilassing ab. FOTO: NORBERT HEIGL
40 ‰ auf fünf Kilometern Die 33 km lange Strecke nach Berchtesgaden weist zwischen Bad Reichenhall und Hallthurm einen gut fünf Kilometer langen Steilstreckenabschnitt mit einer Neigung von 40 ‰ auf. Hier musste sich die E 44 101 mit Lokomotiven messen, die eigens für diese Bahnline entwickelt und in Dienst gestellt worden waren: E 36 01 bis 04, 21 bis 24, E 70 21 und 22, E 73 01 und 02 sowie E 79 01 und 02. Die E 44 101 war diesen Maschinen dank ihrer enormen Leistungsfähigkeit und der daraus resultierenden Anhängelast von 220 t im Steilstreckenabschnitt – gegenüber 90 t der E 36 – deutlich überlegen. Ihr Einsatz machte das bis dahin trotz Elektrotraktion übliche Nachschieben zunächst überflüssig. Beim Personal war sie dank ihrer Zuverlässigkeit beliebt und
Steilstrecken - Spezialisten Die Betriebsergebnisse mit der Versuchslok E 44 101 im Jahr 1931 auf der Strecke nach Berchtesgaden waren ausgezeichnet. Es kam zu Nachbestellungen von zwei technisch unterschiedlichen Serien. Vom ersten Quartett blieb die E 44 502 als Denkmal erhalten. Nach nur einem Kilometer hat die E 44 504 im März 1965 mit dem P 2004 (Berchtesgaden – Freilassing) den Haltepunkt Gmundbrücke erreicht.
46 • Eisenbahn-Journal 9/2010
Im Juli 1966 setzt sich die E 44 503 im Bahnhof Freilassing vor einen Zug nach Berchtesgaden. FOTOS: ROLF HAHMANN (2)
Eisenbahn-Journal 9/2010
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einer Zusammenarbeit mit der Stadt Freilassing oder der Lokwelt Freilassing bereit, sofern eine vernünftige Vereinbarung über die Nutzungsrechte getroffen werden könnte. Daß der BLV in der Lage ist, derartiges zu leisten, dürfte er mit der Wiederinbetriebnahme der Dampflok 70 083 dank sehr guter Zusammenarbeit mit der Stadt Mühldorf, die Hauptuntersuchung und Wiederinbetriebnahme der Ellok E 69 05 sowie der Hauptuntersuchung einer O&K-Diesellok der Laabertalbahn Eggmühl - Langquaid als völlige Eigenleistungen hinreichend bewiesen haben. Jürgen Maier, 82166 Gräfelfing
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Vergeben Sie für die einzelnen Artikel Schulnoten von 1 bis 6, also von „sehr gut“ bis „ungenügend“.
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ie können auf verschiedene Weise an der Benotung teilnehmen. Entweder füllen Sie die Kästchen auf der Inhaltsseite aus, kopieren oder scannen die Seite und schicken uns die Kopie per Post bzw. den Scan per EMail zu. Oder Sie füllen die Kästchen hier unten auf dieser Seite aus. Natürlich können Sie auch bei dieser Variante kopieren oder scannen. Möglich ist aber auch, die Seite herauszutrennen und uns zuzuschicken – und Ihr Inhaltsverzeichnis vorne bleibt unangetastet. Der dritte Weg führt ins Internet. Unter www.eisenbahn-journal.de klicken Sie den Titel des aktuellen EJ an und dann auf den Button, der zur Benotung führt. Alles Weitere ist auf den Internetseiten erklärt. In keinem Fall sollten Sie vergessen, Ihre Adresse anzugeben. Wenn Sie uns Ihre bevorzugte Baugröße und Eisenbahn-Epoche nennen, können wir Ihren Monatsgewinn passend auswählen. Sie haben als Teilnehmer eine mehrfache Gewinnchance: Sechs Monate lang ziehen wir aus den jeweiligen Einsendern drei Gewinner von Modellbausätzen und Modellbahnwagen. Die Abschlussverlosung findet im Januar 2011 statt: Aus allen eingesandten Benotungsbögen ziehen wir den Gewinner unseres Hauptgewinns – einer BR 044 von Roco in H0. Ihr EJ-Team
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KURZ-GEKUPPELT
EIN TRAUM IN BLAU Wer hätte das gedacht: Die ehemalige MaK-Versuchslok 240 002, Baujahr 1989, hat möglicherweise eine Zukunft als Hybridlokomotive vor sich. Jetzt mit Dachstromabnehmer ausgerüstet, soll die Lok künftig sowohl im Diesel- als auch Elektrobetrieb umweltverträglich und effizient eingesetzt werden. An dem „Cream-Projekt“ ist der Kieler Hersteller Voith Turbo beteiligt, der die nach einem Führerhausbrand abgestellte Lok 2009 von der HGK (Häfen und Güterverkehr Köln AG) erwarb. FOTO (18.9.2010 IN KIEL-WIK): HORST MÜLLER
Licht und Schatten bei der E 10-Familie Während das Einsatzgebiet der Baureihe 110 immer weiter zusammenschrumpft, sind bei DB Autozug zurzeit noch 15 Lokomotiven als Baureihe 115 sowie drei Loks der Baureihe 113 aktiv. Obwohl auch deren Einsatzgebiet im vergangenen Sommer zusammengestrichen wurde, erhielt die „Kasten“-Lok 115 278 im August sowie die „Bügelfalten“Lok 115 307 im September noch eine neue Hauptuntersuchung. Sämtliche 113 und 115 sind in Berlin-Rummelsburg stationiert, unter den Betriebsfähigen befinden sich noch sieben „Kasten“-115. Die 110er sind weiterhin bei DB Regio in Dortmund (16), München (5), Trier (3), Braunschweig (24), Ludwigshafen (1), Frank-
furt (Main) (18) und Stuttgart (3) in Lohn und Brot, wobei im Sommer neun Dortmunder Loks für viele Sondereinsätze an DB BahnCharter vermietet waren. Unter diesen befinden sich immerhin noch sechs „Kasten“-110 (200, 210, 231, 236, 243, 284). Ebenfalls noch im aktiven Betriebsbestand zu finden ist die 110 169, die als Prototyp für das CIR-ELKESystem der DB Systemtechnik Minden zur Verfügung steht. Die Lok erhielt im September eine erneute Hauptuntersuchung. Dies gilt leider nicht für die Museumslok E 10 121 in Koblenz-Lützel, die nach Fristablauf zum 1. August 2010 abgestellt werden musste. Die Maschine wird bis auf Weiteres nur noch rollfähig zu bewundern sein.
Darßbahn soll ab 2016 wieder befahrbar sein Ab 2016 sollen auf der „Darßbahn“ von Barth nach Zingst wieder Züge fahren. MecklenburgVorpommerns Verkehrsminister Volker Schlotmann (SPD) hat entsprechende Planungen zur Reaktivierung der seit 1945 auf großen Teilen stillliegenden Strecke nun bestätigt. In einem ersten Bauabschnitt soll die Strecke bis Zingst wiederhergestellt und später dann bis Prerow verlängert werden. Die Trasse der alten Bahnlinie existiert noch und ist nach wie vor als Eisenbahnstrecke gewidmet, weswegen keinerlei Bebauung die Planungen behindert. Das Projekt wird auf ein Kostenvolumen von rund 38 Millionen Euro geschätzt, wobei 29 Millionen vom Land bereitgestellt werden müssten. Die Planungen der Bahn laufen bereits seit einiger Zeit bei der Usedomer Bäderbahn (UBB), die zurzeit die Stichstrecke Barth – Velgast betreibt und gerne auch bis nach Fischland-Darß fahren würde. Obwohl auf politischer Seite lange Zeit nichts passierte, hielt die UBB an dem Projekt fest. Ein positiv anschließendes Gutachten gibt dem Projekt nun auch den politischen Auftrieb.
18 201: Leicht verspätet Die in EJ 10/2010 an dieser Stelle angekündigte Wiederinbetriebnahme der 18 201 nach der in Meiningen erfolgten Hauptuntersuchung kam am 4. September wegen kleinerer Mängel leider nicht zustande. Erst am 16. September konnte die Lok bei einer Schnellfahrt vor dem historischen Wagenzug des Meininger Dampflokvereines getestet werden. Seit 25. September ist die Lok wieder betriebsfähig. ALTGEDIENT Noch gibt es die letzten aktiven 139 bei DB Schenker. 139 314 hat am 28. Juni 2010 ihren Zug aus Dillingen nach Völklingen gebracht und setzt nun um. Nebenan ist die funkferngesteuerte 294 957 (ex 290 199) im Einsatz. FOTO: PATRICK KAUFMANN
12 • Eisenbahn-Journal 11/2010
125 JAHRE BW OSNABRÜCK DB Schenker lud am 19. September für eine große und bestens organisierte Jubiläumsfeier nach Osnabrück ein – und ließ sich nicht lumpen! Die Fahrzeugschau im Betriebswerk dürfte das eigentliche Highlight des Jahres 2010 gewesen sein. Rund um die Drehscheibe und Schiebebühne reihten sich Betriebsloks, Werbe- und Museumsloks aneinander, und sogar der „popfarbene“ 614 005/006 reiste extra aus Nürnberg an. LINKS ein Ausschnitt der Dieselparade mit 217 001, 218 105, 217 014, 225 021, 218 387 und V 200 116 (v.l.). OBEN hat E 40 128 am Folgetag bereits die 41 360 und die V 200 116 in Oberhausen abgeliefert und durchfährt NeussVogelsang, um die übrigen Ausstellungsobjekte nach Köln und Koblenz zu bringen.
FOTOS: EGON PEMPELFORTH (OBEN), MALTE WERNING
Baureihe 151: Die Verschrottung beginnt Haben wir im letzten Heft in dieser Rubrik noch über neue Hauptuntersuchungen bei der Baureihe 151 berichtet, so gibt es nun auch eine Kehrseite zu beklagen: Mitte September wurden drei Sechsachser dem Leverkusener Schrotthandel Bender Rohstoff-Recycling zur Verschrottung zugeführt und kurz darauf gemeinsam mit vier 140 und einer 139 verschrottet. Zwar wurden in der Vergangenheit schon mehrere Loks zerlegt, doch geschah dies ausschließlich auf Grund von Unfallschäden, deren Reparatur nicht lohnenswert erschien. Die nunmehr verschrotten drei Loks sind dagegen
die ersten, die nach Ablauf der achtjährigen Untersuchungsfrist, ohne dass ein Schaden vorliegen würde, keine neue Untersuchung mehr erhielten. Mit dem Übergang der Erzzüge von Rotterdam nach Dillingen auf die Baureihe 189 haben die Loks ein wichtiges Einsatzgebiet verloren, so dass rechnerisch ein Loküberhang besteht. In Dessau wiederum wurde 151 016 untersucht, Anfang August folgte die 151 083 nach. Bei Redaktionsschluss waren noch insgesamt 133 der 170 gebauten Loks im Betriebsbestand von DB Schenker. AKM
Den ersten 151 geht es nun an den Kragen. Bei Bender in Leverkusen-Opladen wurde am 12. September die 151 010 zerlegt. Zwei ihrer Kolleginnen, die Loks 151 019 und 044, warten schon im Hintergrund. FOTO: PATRICK BÖTTGER
100 JAHRE LOKBAU IN HENNIGSDORF Zeitgleich mit der Osnabrücker Veranstaltung bot auch Bombardier eine große Fahrzeugausstellung zum runden Jubiläum des traditionsreichen Werks in Hennigsdorf. Vom Deutschen Technikmuseum in Berlin reisten hierfür E 19 01, E 71 28 sowie die 345 033 an. FOTO (16.9.2010): BERND PIPLACK
VSM-50 0073 FÄHRT WIEDER Die 50 0073 (ex Vennbahn 50 3666) ist nach längerer Abstellzeit wieder aktiv! Nach der Hauptuntersuchung stand sie beim 35-jährigen Jubiläum der niederländischen Veluwsche Stoomtrein Mij (VSM) in Beekbergen wieder unter Dampf. Die Lok wurde 1961 in Stendal aus der 50 2145 rekonstruiert. FOTO (5.9.2010): MALTE WERNING
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KURZ-GEKUPPELT
AUCH KLEINBAHNEN HABEN JUBILÄUM Nicht nur die großen Eisenbahnen feiern ihr 175jähriges Jubiläum in Deutschland, auch die Kleinen haben viel Grund zu feiern: „175 Jahre deutsche Kleinbahnen – 40 Jahre Selfkantbahn“ war das Motto bei der IHS-Meterspurbahn, die am 11./12. September eine sehenswerte Fahrzeugparade auf die Beine stellte und eine beachtliche Fotoausstellung präsentierte. Im Bild zwei Fahrzeuge der ehemaligen Mittelbadischen Eisenbahn, die Lok 46 und der GothaTriebwagen 7 in Schierwaldenrath. FOTO: MALTE WERNING
225 verlassen das Ruhrgebiet
die 93 230, einzige erhaltene preußische T 14, als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt. Loks dieser Baureihe waren im Bergischen Land zwischen den beiden Weltkriegen stationiert. In Dieringhausen ist die betriebsfähige Aufarbeitung der Lok für Einsätze auf der Wiehl-talbahn geplant, sobald die finanzielle Situation dies zulässt.
Keine Aufarbeitung der 66 002 Die von der Deutschen Gesellschaft für Eisenbahngeschichte (DGEG) geplante betriebsfähige Aufarbeitung der Dampflok 66 002 im Eisenbahnmuseum Bochum-Dahlhausen wird es zunächst nicht geben. Die 2007 mit einem Aufruf zu einer Spendenaktion angekündigte Hauptuntersuchung kann aus organisatorischen und personellen Gründen momentan nicht stattfinden und wird zugunsten anderer Projekte verschoben. Spender können ihr Geld zurückverlangen oder es auf andere Projekte umleiten, berichtet die DGEG in ihrer Vereinszeitung.
Streit um 01 1100 ist beendet Der langjährige Streit zwischen dem DB Museum und den Rendsburger Eisenbahnfreunden ist durch einen Vergleich beendet worden: Die Museumslok 01 1100, Zankapfel in dem Streit, verlässt Neumünster und geht damit wieder in die Obhut des DB Museums über. Obwohl die Lok erst vor fünf Jahren einen neuen Kessel erhalten hatte, wurde sie kaum eingesetzt, da sich die REF und DB AG nicht über die Auslegung ihrer Verträge einigen konnten. In der Folge kündigte die DB die Unterbringung im Ringlokschuppen Neumünster auf und transportierte die von den REF betreuten Fahrzeuge des DB Museums, mit Ausnahme der 01 1100, ab. Wo die Lok künftig betreut wird, ist noch unklar – ihre Untersuchungsfristen sind zwischenzeitlich abgelaufen. Als Folge der Ereignisse müssen die Rendsburger Eisenbahnfreunde auch ein neues Domizil für die vereinseigene Dampflok 042 271 suchen, die nicht in Neumünster bleiben darf.
RÜCKBLENDE Vor 30 Jahren – Renaissance der Kohledampfer
Das bereits mehrfach absehbare Ende der Baureihe 225 im Rhein-Ruhr-Gebiet ist nun in greifbare Nähe gerückt. Noch bis Dezember sollen die DB Schenker-Loks im schweren Stahlverkehr zwischen Duisburg-Hüttenheim und Bochum zum Einsatz kommen, danach werden diese Leistungen auf neue 247er übergehen – hinter dieser Bezeichnung verbergen sich sieben GMD-Loks der französischen DB AG-Tochter Euro Cargo Rail (ECR), die zurzeit in Cottbus nachgerüstet werden. Für die 225 zeichnet sich eine Umsetzung nach Mühldorf ab, sofern dort weiter Bedarf besteht. Die neuen Loks stehen bereits längere Zeit in Oberhausen bereit, doch gab es u.a. auch gewerkschaftliche Bedenken gegen die Maschinen.
18 478 ist wieder betriebsfähig Auch die bekannte S 3/6 3673 (DRG 18 478) des Bayerischen Eisenbahnmuseums ist nach sechsjähriger Abstellzeit wieder voll betriebsfähig. Die formschöne Lok aus dem Jahre 1918 erhielt im vergangenen Jahr eine umfangreiche Kesselreparatur und konnte bereits im Juni bei der Jubiläumsveranstaltung „175 Jahre Eisenbahn in Bayern – bayerische Lokomotiven unter Dampf“ unter Dampf gezeigt werden. Da es noch Arbeiten am Fahrwerk zu erledigen gab, verzögerte sich die endgültige Inbetriebnhame noch um einige Monate. Am 22. August absolvierte die Maschine ihre Lastprobefahrt und steht damit wieder für Sonderzugeinsätze zur Verfügung.
93 230 jetzt in Dieringhausen Das Eisenbahnmuseum Dieringhausen hat einen bemerkenswerten Neuzugang zu verzeichnen: Das Verkehrsmuseum Dresden hat 14 • Eisenbahn-Journal 11/2010
Ende 1980 bekamen die ölgefeuerten Dampflokomotiven des Bahnbetriebswerks Saalfeld Unterstützung durch die kohlegefeuerten Loks 01 2114, 01 2118, 01 1511, 01 1514 und 01 1518. Grund für die plötzliche Renaissance der Dampflok war die drastische Preiserhöhung für Rohöl. Die Sowjetunion, der wichtigste Rohöl-Lieferant der DDR und somit auch der Deutschen Reichsbahn, hatte die Preise um mehrere hundert Prozent erhöht. Dies hatte erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft der DDR. Da hieß es Öl sparen „um jeden Preis“. So kamen bis Mitte der 1980er-Jahre in mehreren Reichsbahndirektionen wieder kohlegefeuerte Dampfloks zum Einsatz. Selbst für den Sonderzugdienst vorgehaltene Traditionslokomotiven gelangten wieder in den Betriebsdienst zurück. Zum Teil wurden sie aber man-
Am 14. Oktober 1980 verlässt die kohlegefeuerte 01 1511 Saalfeld mit dem aus elf Wagen gebildeten D 504 nach Leipzig.
gels teurer Steinkohle mit einheimischer Braunkohle aus der Lausitz befeuert. Durch den niedrigen Brennwert der Braunkohle erreichten die Loks nicht ihre Leistungsgrenzen. Sogar einige zur Zerlegung vorgesehene Lokomotiven wurden aufgearbeitet und erhielten eine neue Hauptuntersuchung. Im Raw Meiningen wurden sogar ölgefeuerte Lokomotiven wieder auf Rostfeuerung umgebaut. Für die bei den Eisenbahnfreunden beliebten Einsätze der Öl-44er auf der Rampe von Sangerhausen nach Blankenheim kam durch die Krise das „Aus“ schneller als ursprünglich TEXT/FOTO: MICHAEL HUBRICH geplant.
(Füllseite)
VORBILD & MODELL • BAUREIHE 403
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»Donald Duck« als Intercity Auch schon im Hinblick auf künftige Neubaustrecken bestellte die DB 1970 drei Elektrotriebzüge der Baureihe 403. Die 200 km/h schnellen Studienobjekte waren von 1974 bis 1979 im IC - Dienst eingesetzt. Ihr markantes Frontdesign brachte ihnen ihren Spitznamen ein. Eisenbahn-Journal 11/2010
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FOTO SEITE 16: Markante Stirnfronten: Der 403 002 traf am 18. September 1980 im Bw München Hbf auf den Vorkriegs-Renner 118 028 im neuen türkisbeigen Farbdesign und die 110 391 in der traditionellen DB-Farbgebung für Elektro-Schnellzugloks. FOTO: ANDREAS RITZ
Dank Allachsantrieb und einer Gesamtleistung von 3840 kW (Vierteiler) wurde das Spitzentempo 200 in nur 100 Sekunden erreicht.
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Blick in den Führerstand eines ET 403 bei einer Probefahrt. FOTOS: SALZGITTER AG/SLG. RITZ (2)
Eine vierteilige Garnitur erreicht im Frühjahr 1974 Nürnberg Hbf. Im Sommerfahrplan 1974 begann der fallweise Einsatz der Baureihe 403 auf der IC-Linie 4 (Bremen – Nürnberg – München). FOTO: JÜRGEN NELKENBRECHER
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it den Abschnitten zwischen Hamm und Hannover sowie Osnabrück und Hamburg waren seit Herbst 1968 alle ins erstklassige Intercity-System zu integrierenden Strecken elektrifiziert. Hierfür tüftelte eine vom DB-Vorstand eingesetzte Arbeitsgruppe 1969 das Netz- und Bedienkonzept aus. Dabei setzten sich die Verfechter lokbespannter Züge gegen die „Schnelltriebwagen-Fraktion“ durch. Im Hinblick auf die avisierte Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h bestellte die DB die Serienlokomotiven der Baureihe 103 und von den RheingoldTypen abgeleitete Wagen.
Zum Starttermin des IC-Verkehrs im Zweistundenrhythmus am 26. September 1971 waren genügend 103er verfügbar, um fast alle IC-Züge zu bespannen. Für fünf der anfangs 34 Zugpaare fanden die (abgesehen vom „Mediolanum“) aus dem TEE-Dienst ausgeschiedenen Dieseltriebzüge der Baureihe 601 Verwendung. Schon im Herbst 1968 hatte die DB teils mit 601ern neue F-Zug-Verbindungen geschaffen, die sie testweise als IC-Kurse auswies. Die auf 160 km/h heraufgesetzte Höchstgeschwindigkeit der „VT 601“ reichte für den IC-Verkehr aus, denn erst ab 1977/78 durften IC- und TEE-Züge auf LZB-Strecken mit Tem-
po 200 fahren. Allerdings ließ sich ihr Einsatz durchweg unter Fahrdraht auf Dauer kaum rechtfertigen, noch weniger jener der im Betrieb sehr teuren Gasturbinenversion „VT 602“. Als zukunftsträchtige Alternative zum lokbespannten Intercity kamen nur elektrische Triebzüge in Betracht. Zudem sah das Ausbauprogramm der Deutschen Bundesbahn bereits 1970 vor, das Netz um Neubaustrecken für Tempo 300 zu ergänzen. Für den Geschwindigkeitsbereich bis 200 km/h erschien die Konzentration der Leistung in einer Lokomotive vertretbar. Doch den Hochgeschwindigkeitsverkehr im
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Auf der Hannover-Messe 1972 wurde ein 1:1-Holzmodell der Kopfpartie gezeigt. Strömungstechnische Modellversuche im Windkanal bestätigten die aerodynamisch günstige Ausbildung des Fahrzeugkopfs. FOTO: RALF ROMAN ROSSBERG
Blick, stellte sich erneut die Frage „Lok oder Trieb(wagen)zug?“, denn – so viel war klar – irgendwo jenseits der 200-km/h-Marke würde der lokbespannte Zug an wirtschaftliche und technische Grenzen stoßen. Ab wann genau, galt es auszuloten. Auch unter diesem Aspekt hatte die DB 1970 die Entwicklung und den Bau von drei vierteiligen Elektrotriebzügen in Auftrag gegeben, die vorerst ergänzend zu den von 103ern geführten Wagengarnituren IC-Linien bedienen sollten. Gemeinhin wurden die für eine reguläre Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h ausgelegten, aber für höheres Tempo adaptierbaren Triebzüge ET 403 genannt. EDV-gerecht lautete die Baureihenbezeichnung der Endwagen 403 und die der ebenfalls angetriebenen Mittelwagen 404. Die Züge entstanden als Gemeinschaftsentwicklung des BZA München mit renommierten Firmen der deutschen Fahrzeug- und Elek20 • Eisenbahn-Journal 11/2010
troindustrie: Linke-Hofmann-Busch (LHB) baute die Endwagen, Messerschmitt-BölkowBlohm (MBB) die Mittelwagen. MAN fertigte die Drehgestelle. AEG, BBC und Siemens lieferten die elektrische Ausrüstung. Die Grundkonzeption der Vierteiler mit zwei Abteilwagen an den Enden, dazwischen eingereiht je ein Großraumwagen und ein Großraumwagen mit Buffet, wurde schon 1969 festgelegt. Abweichend hiervon führte man Letzteren als Halbspeisewagen mit Küche aus. Zu den verwirklichten Vorgaben gehörten der an TEE-Normen orientierte 1.-Klasse-Komfort und die variable Zugbildung. Garnituren mit bis zu zwölf Wagen ließen sich von einem Führerraum aus steuern. Um das beliebige Verstärken oder Schwächen der Einheiten durch Ein- bzw. Ausreihen von Mittelwagen zu ermöglichen, erhielt jeder einzelne Wagen eine komplette Antriebsausrüs-
tung. Für den Einbau einer gleisbogenabhängigen Wagenkastensteuerung (Neigetechnik) wurden die Fahrzeuge zumindest vorbereitet.
Alle Achsen angetrieben Den Ausschlag für die Konzeption des ET 403 als allachsangetriebener Triebwagenzug gaben prinzipielle Vorteile. Die Verteilung der Traktionsleistung über den gesamten Zugverband ermöglicht den Oberbau schonende niedrige Radsatzlasten und Spurführungskräfte. Mit Allachsantrieb lässt sich eine gegenüber lokbespannten Zügen vergleichbarer Leistung deutlich bessere Beschleunigung erreichen. Getreu dem Anspruch, im ET 403 alle Errungenschaften neuzeitlicher Fahrzeugtechnik zu vereinen, legte man größten Wert auf ein progressives Erscheinungsbild. Zur Klärung der Kopfform sowie der Seitenwand- und
Von der Hackerbrücke aus lässt sich der Betrieb in München Hbf ausgezeichnet beobachten: eine 403-Garnitur (403 006 + 001) hat Ausfahrt, zwei V 60 rangieren fleißig (21. Mai 1975).
403 006 und 403 001 stehen am frühen Morgen des 29. Mai 1974 im Hauptbahnhof München zur Fahrt als IC 180 „Albrecht Dürer“ nach Bremen bereit.
Dachpartie diente ein vom Design-Center des BZA München entworfenes Modell im Maßstab 1 : 10. Anschließend entstand ein auf der Hannover-Messe 1972 gezeigtes 1 : 1-Holzmodell der Kopfpartie mit „Cockpit“ und Musterabteilen. Das Institut für Schienenfahrzeuge der TU Hannover führte strömungstechnische Modellversuche im Windkanal durch. Diese bestätigten die aerodynamisch günstige Ausbildung des sehr flach ansteigenden Fahrzeugkopfs. In weiteren Versuchen wurden beispielsweise die Druckfestigkeit der in Gummi-Klemmprofilrahmen eingefassten Front- und Seitenwandscheiben sowie die Schalldämmung gegen Fahrgeräusche unter dem Wagenboden geprüft. Nach all dem Aufwand erschien ein schnittiger Triebwagenzug, zu dessen avantgardistischem Aussehen die Farbgebung maßgeblich beitrug. Die Wagenkästen waren oberhalb der
Zugkreuzung in Bad Kohlgrub an der Bahnlinie nach Oberammergau: Rechts der 403 004 auf Sonderfahrt, links die damals noch im Planeinsatz stehende 169 002 mit N 6608 nach Murnau (27. September 1976). FOTOS: CLAUS-JÜRGEN SCHULZE (3)
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Da staunte der Fotograf nicht schlecht, als er sich im Oktober 1978 an der Einfahrt zum Bw München Hbf postiert hatte: Die 260 878 schleppte den 403 006 ins Bw, unterstützt wurde sie von der 260 130 am Zugschluss. FOTO: GERO STOFFL
Am 9. Oktober 1976 unternahm der Zug 3 im Rahmen einer Schweiz-Fahrt einen Ausflug nach Brig. Das Foto zeigt ihn auf der LötschbergSüdrampe bei Hohtenn. FOTO: RALF ROMAN ROSSBERG
Übersichtlich und bedienungsfreundlich ist der Führerstand der Baureihe 403 eingerichtet. FOTOS: SLG. BRINKER (2)
schwarzgrauen Bodenwannen in der von den „Pop-Wagen“ bekannten Grundfarbe Kieselgrau lackiert. Damit die unterschiedliche Fensterteilung nicht störend wirkte, wurden die Fenster in einem schwarzbraunen, mit orangeroten Zierstreifen abgesetzten Fensterband zusammengefasst. Auf den Endwagen war oberhalb der vorderen Türen das ICSignet aufgemalt.
Extremer Leichtbau Um die Forderung nach möglichst niedrigem Gewicht zu erfüllen, wandte man bei den Wagenkästen extreme Leichtbauweise an. Untergestell, Kastengerippe sowie Dach-, Seiten- und Stirnwandverblechungen bestanden größtenteils aus hochwertigen Alumi22 • Eisenbahn-Journal 11/2010
O-Ton DB: „Klare Linien herrschen im Großraumwagen vor. Farben und Dessins der Sitze umspielen die Grundfarbe Orange in interessanten Nuancen.“
niumlegierungen. Die Achslast konnte bei allen Fahrzeugen auf einen Wert unterhalb der vorgegebenen 16 Tonnen begrenzt werden. Das Dienstgewicht des vierteiligen, über Kupplung 109,22 Meter langen Zuges betrug 235 Tonnen, das Besetztgewicht 251 Tonnen. Die Wagenkästen stützten sich über Luftfederbälge auf den Drehgestellen ab, die aus jenen des S-Bahn-Triebzugs ET 420 weiterentwickelt worden waren. Der Verbesserung des Laufverhaltens bei hoher Geschwindigkeit dienten zwischen dem Wagenkasten und den Drehgestellen montierte hydraulische Drehhemmer. Wegen der gleisbogenabhängigen Wagenkastensteuerung (GSt) erhielten die Wagen nach oben um zwei Grad abgeschrägte Seitenwände, womit man auch das Umgrenzungsprofil der SBB berücksichtigte. Die GSt
sollte bei Fahrten in Gleisbögen eine Seitenneigung um vier Grad ermöglichen. Das setzte aber eine Gegensteuerung für die Stromabnehmer voraus, um diese beim Neigen der Wagenkästen in vertikaler Lage zu halten. Mangels einer solchen Gegensteuerung blieb der Neigungswinkel auf zwei Grad beschränkt. Zum Einbau der GSt liegen widersprüchliche Angaben vor. Aus Berichten über Versuchsfahrten lässt sich schließen, dass sie zumindest in einer Einheit erprobt wurde. In der Baureihen-Kurzbeschreibung des BZA München heißt es lapidar: „Der Triebzug hat als Wagenkastenabstützung Luftfederung und ist für eine gleisbogenabhängige Wagenkastensteuerung eingerichtet.“ Laut dem von Peter Münchschwander (Leiter des Projektbüros Hochgeschwindigkeitsverkehr und DB-
Vorstandsmitglied) herausgegebenen Buch „150 Jahre Wettlauf mit der Zeit“ kam es nicht zum Einbau. Im Regelbetrieb wurde die Neigetechnik jedenfalls nicht angewandt, zumal es Fahrgästen wegen des zu tief gelegenen Drehpols wohl übel geworden wäre. Automatische Mittelpufferkupplungen der Bauart Scharfenberg verbanden die Wagen. Die auf den Endwagen montierten Einholmstromabnehmer versorgten über eine Dachleitung auch die Mitteltriebwagen. Ansonsten war die von der Baureihe 420/421 abgeleitete elektrische Ausrüstung fast vollständig in den Bodenwannen untergebracht. Die elastisch in jedem Drehgestell aufgehängten Mischstromfahrmotoren entsprachen weitgehend denen des ET 420, wurden jedoch in ihrer Leistung gesteigert. Auch die Thyristor-Anschnittsteuerung übernahm man vom S-Bahn-Triebzug.
In 100 Sekunden von 0 auf 200 Die Dauerleistung des mit 16 Fahrmotoren bestückten Vierteilers betrug 3840 kW bei 139 km/h. Da sich der Zug in jeder denkbaren Konfiguration aus allachsangetriebenen Wagen zusammensetzte, konnte er unabhängig von seiner Länge in der Ebene nach rund 100 Sekunden bzw. 4200 Metern Fahrweg Spitzentempo 200 erreichen. Die Bremsanlage mit elektrischer Widerstandsbremse, Druckluft-Scheibenbremsen und Magnetschienenbremsen ermöglichte binnen 1650 Metern eine Abbremsung des Zuges von 200 km/h bis zum Stillstand.
Für die luxuriöse Innenausstattung dienten die deutschen TEE-Reisezugwagen als Vorbild. Alle Fahrgasträume waren vollklimatisiert. Die vierteilige Einheit hatte inklusive des Speiseraums 183 Sitzplätze. In den jeweils 45 Sitze aufweisenden Endwagen gab es ein Viererabteil, ein Fünferabteil und sechs Abteile mit je sechs Plätzen. Der GroßraumMittelwagen verfügte über 51 drehbare Sessel in der Anordnung 2 +1. Der Halbspeisewagen teilte sich in den Küchenbereich, den 24-sitzigen Speiseraum, den Großraum mit 18 Vis-à-vis-Plätzen an Stecktischen und einen Einstiegsbereich mit Zugsekretariat und Telefonzelle auf. Die verschiedenen Hersteller lieferten die Wagen einzeln aus. Als erster traf am 2. März 1973 der Endwagen 403 001 im für die Inbetriebsetzung zuständigen AW München-Freimann ein, als letzter am 1. August 1973 der Halbspeisewagen 404 103. Mit dem genannten 403 001 sowie den kurz danach gelieferten Fahrzeugen – Endwagen 403 002 und Großraum-Mittelwagen 404 001 – bildete das Ausbesserungswerk zunächst einen dreiteiligen Zug, der am 23. Mai 1973 mit nur 120 km/h eine Probefahrt von München nach Regensburg absolvierte. Es folgten Probe- und Einstellfahrten auf dem Münchner Nordring. In der ersten Juliwoche fanden mit der um den Halbspeisewgen 404 101 ergänzten Einheit zwischen Bamberg und Forchheim Versuchsfahrten mit bis zu 160 km/h statt. Dabei soll der Zug bemerkenswert ruhig gelaufen sein. Andererseits ist von Problemen mit der Lauf-
ruhe im Geschwindigkeitsbereich zwischen 120 und 160 km/h berichtet worden, die man erst durch den Einbau verschiedenartiger Schlingerdämpfer behoben habe. Im Rahmen eines umfangreichen Messprogramms erreichte die nun wieder dreiteilige Einheit 403 001 + 404 001 + 403 002 am 16. August 1973 auf der Strecke Augsburg – Donauwörth erstmals 200 km/h, ja sogar 215 km/h. Am 28. August gab die DB die einen Tag vorher endabgenommene Einheit 403 003 + 404 002 + 404 102 + 403 004 (Zug 2) für den Probetrieb im öffentlichen Reiseverkehr frei. Am 9. September folgte die Abnahme des aus 403 001 + 404 001 + 404 101 + 403 002 gebildeten Zuges 1, am 25. September 1973 schließlich die des aus 403 005 + 404 003 + 404 103 + 403 006 zusammengestellten Zuges 3. Alle Fahrzeuge wurden dem Bw München Hbf zugeteilt. Zug 1 kam jedoch am 20. September 1973 zum BZA Minden, wo er bis 1974 für Versuchszwecke blieb. Dabei erzielte er im Schnellfahrabschnitt Neubeckum – Gütersloh über 230 km/h.
Planmäßig auf der IC - Linie 4 Der planmäßige Einsatz der neuen Paradezüge verzögerte sich. Schon 1971 war beabsichtigt, er solle auf der IC-Linie 4 Bremen – Nürnberg – München erfolgen. Nach zwischenzeitlichen Überlegungen, die ET 403 als IC 121/128 „Hans Sachs“ zwischen Hagen und München bzw. München und Dortmund verkehren zu lassen, entschied sich die DB
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Ab Ende Mai 1979 gab es nur noch Einsätze im Sonder- und Charterverkehr (bei Prien am Chiemsee, 31. Mai 1981). FOTO: CLAUS-JÜRGEN SCHULZE
1974 endgültig für den Einsatz auf der recht schwach ausgelasteten IC-Linie 4. Von der Bedienung mit kurzen Triebwagenzügen erhoffte man sich hier wirtschaftliche Vorteile. Im Rahmen einer am 14./15. April 1974 veranstalteten Pressefahrt mit Zwischenstationen u.a. auch in Frankfurt (Main), Karlsruhe und Kassel erreichte eine Garnitur Bremen. Von dort kehrte sie am 16. April als IC 189 „Hermes“ nach München zurück. Im Sommer 1974 gab es dann fallweise Einsätze auf der IC-Linie 4. Ein Zug weilte im September auf der Deutschen Industrieausstellung in Berlin. Erst zum ab 29. September 1974 gültigen Winterfahrplan wurde für die ET 403 ein zweitägiger Umlaufplan aufgestellt. In der Regel verkehrten die Züge 2 und 3 als IC 180/187 „Albrecht Dürer“ und IC 182/189 „Hermes“ zwischen München und Bremen. Zug 1 fungierte, sofern nicht für Versuche benötigt, zunächst als Reserve. Die genannten Zugpaare blieben in den folgenden Jahren die Stammleistungen. Außerdem liefen die ET 403 auf der Linie 4 gelegentlich als IC 184/185 „Südwind/Nordwind“ oder IC 183/186 „Riemenschneider“, ehe diese ab Sommer 1976 auch Wagen 2. Klasse mitführten. Die weiterhin als IC 180/187 verkehrenden Einheiten wurden ab 1976 häufig um einen zweiten Großraumwagen zu Fünfteilern verstärkt, während die IC 182/189 nach wie vor vierteilig fuhren. Freilich sprangen ersatzweise sehr oft lokbespannte Züge ein.
Vermehrt Sondereinsätze Ab Winter 1976/77 waren die schnittigen Renner an Wochenenden nicht mehr planmäßig eingesetzt, umso mehr absolvierten sie Sonderfahrten. Erinnert sei an die vom Zug 3 ab 7. Oktober 1976 unternommene Tour von Frankfurt nach Interlaken in der Schweiz, wofür man die Endwagen 403 005 und 006 mit SBB-Stromabnehmern ausrüstete. Bemerkenswert ist auch der am 21. Mai 1977 als neunteilige Garnitur verkehrende Sonderzug von Peißenberg zur Bundesgartenschau in Stuttgart. Gerne präsentierte die DB die Paradepferde auf Fahrzeugschauen, beispielsweise am 26. September 1976 in Murnau zusammen mit den Uralt-Elloks der Baureihe 169. Drei Tage zuvor hatte die Einheit mit den 24 • Eisenbahn-Journal 11/2010
Endwagen 403 001 und 002 erstmals Oberammergau besucht. Mit der generellen Einführung beidklassiger Intercitys zum Fahrplanwechsel am 27. Mai 1979 musste der Einsatz der ET 403 im IC-Verkehr enden. In der Bundesbahnspitze hatten längst jene Kräfte die Oberhand gewonnen, die im Fernverkehr voll auf den lokbespannten Zug setzten, weil dieser alles in allem wirtschaftlicher und flexibler sei. Etwas anderes war beim Vergleich mit nur drei TriebzugPrototypen kaum zu erwarten. Dabei ließ sich der ET 403 sehr wohl wechselnder Nachfrage anpassen, und natürlich hätte man die Einheiten auch um 2.-Klasse-Wagen erweitern können. Das Lokomotivkonzept prägte auch noch die erste und zweite ICE-Generation mit ihren Triebköpfen. Letzten Endes setzte sich mit der dritten ICE-Generation das Triebwagenkonzept durch. So erwies sich der ET 403 eben doch als zukunftsweisend, wenngleich beim ICE 3 und ICE-T nicht jeder Wagen elektrisch autark ist, sondern die Antriebselemente auf verschiedene Fahrzeuge verteilt sind. Aus dem erwogenen Planeinsatz der immer noch repräsentativen Triebwagenzüge in innerdeutschen TEE-Relationen wurde nichts. Ab Ende Mai 1979 blieb ihnen der Sonder- und Charterverkehr, daneben standen immer wieder Messfahrten (z.B. zur Inbetriebnahme von LZB-Strecken) auf dem Programm. Auch kam es zu Einsätzen im Messeverkehr, so rollte im April 1981 eine aus den Endwagen 403 005 und 006 und allen sechs Mittelwagen gebildete Garnitur zur Hannover-Messe. Gleichwohl standen die Züge oft lange Zeit herum, denn
viele interessierte Charterkunden schreckten wegen der hohen Preise vor einer Anmietung zurück. Bessere Vermarktungschancen erhoffte sich die DB vor allem im Rhein-Ruhrund Rhein-Main-Gebiet, wenn für den dort großen Kundenkreis die Kosten für lange Leer-Überführungen entfallen könnten. Deshalb wurden die Züge am 15. Januar 1981 von München nach Hamm umbeheimatet. Zumindest zweimal gab es dann doch TEE-Einsätze: Aufgrund eines Fahrzeugengpasses fuhr eine fünfteilige Garnitur am 13. und 16. Februar 1981 als TEE 25/24 „Goethe“ zwischen Dortmund und Frankfurt. Im Dezember 1981 kam für die ET 403 auch das Aus im gelegentlichen Charterverkehr. Drei Monate später begann für die umgebauten und umlackierten Züge die Karriere als „Lufthansa Airport Express“. Der im Eisenbahn-Journal 3/2008 geschilderte Planeinsatz „auf Flughöhe null“ währte vom 28. März 1982 bis zum 22. Mai 1993. Nach jahrelanger Abstellzeit im AW Nürnberg wurden die drei schon arg heruntergekommenen Einheiten 2001 von der Prignitzer Eisenbahn-Gesellschaft (PEG) erworben und gelangten nach Berlin-Spandau. Später teils in Putlitz, teils in Meyenburg abgestellt, fanden sich schließlich alle Fahrzeuge im Arriva-Werk Nord in Neustrelitz ein. Seit 2009 werden sie von der PEG zum Kauf angeboten, ihre Aufarbeitung käme wohl fast einem Neubau gleich. Bisher sind alle Versuche, wenigstens einen der im Lauf der Zeit mit verschiedenen Spitznamen bedachten Sprinter zu retten, gescheitert. Aufgrund seiner Form wurde der ET 403 unter anderem „Delphin“ oder „Flipper“ genannt, auf die dominierende Farbgebung anspielend „Weißer Hai“. Den größten Bekanntheitsgrad erlangte indes der ihm wegen der stark abgeschrägten Kopfpartie und der hervorstehenden Signalleuchten verliehene Kosename „Donald Duck“ – mag dieser sich auch erst für den Zug in Lufthansa-Farben endgültig durchgesetzt haben. ❑ TEXT: KONRAD KOSCHINSKI
Technische Hauptparameter Grundkonfiguration Achsfolge Länge über Kupplung Dienstgewicht Besetztgewicht Dauerleistung (bei 139 km/h) Art der Steuerung Art des Antriebs Sitzplätze (als IC-Zug) Höchstgeschwindigkeit
403.0 + 404.0 + 404.1 + 403.0 Bo’Bo’ + Bo’Bo’ + Bo’Bo’ + Bo’Bo’ 109 220 mm 235 t 251 t 16 x 240 kW = 3840 kW Thyristor-Anschnittsteuerung Gummiring-Kardanantrieb 159 (1. Klasse) + 24 im Speiseraum 200 km/h
(Füllseite)
Revival
Die elegante Form des Triebwagenkopfes hat Lima schon vor 30 Jahren perfekt getroffen.
Mit dem ET 403 greift Hornby ein weiteres Mal auf das Erbe italienischer Modellbahnhersteller zurück: Anfang der 1980er stellte Lima ein für die damalige Zeit bemerkenswert exaktes Modell des schicken Triebzugs vor. Nun erscheint das Fahrzeug neu unter dem Markennamen Rivarossi.
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innvollerweise basiert Rivarossis neuer ET 403 auf den rund 30 Jahre alten Lima-Formen. Sofort erkennt man Gehäuse und Drehgestelle des Zuges von 1981/1991 wieder – die Formen blieben weitgehend unverändert. Wie damals hat man die Gehäuse aus klarem Kunststoff gespritzt und unter Abdeckung der Fenster lackiert. Diesmal wurde zudem schwarzer Unterlack verwendet, der ein Durchscheinen der Innenbeleuchtung an unerwünschten Stellen verhindern soll. Vorbildwidrig sind durch die Herstellungsweise auch die Stirnfenster der Führerstände getönt. Wie beim Vorbild ist das Fensterband „schwarzbraun mit Blutorange aufgehellt“ lackiert. Die Fensterrahmen wurden nachträglich sauber schwarz aufgedruckt, die Zierstreifen verlaufen in gleichbleibender Breite um die Fahrzeuge, glänzen aber etwas zu sehr. Türgriffe wie auch Lampenringe sind silbern bedruckt, auch wenn Letztere nach wie vor zu massiv ausgeführt sind. Leider fanden sich im Lack unseres Testmusters Fingerabdrücke und Staub-Einschlüsse. Leider wiesen auch die Fenster unzählige feine Kratzer auf, was einen etwas milchigen Eindruck hervorruft. Vor dem Kauf also besser das Modell genau ansehen! Bodenwannen und Drehgestelle wurden in nahezu exaktem Schwarzgrau durchgefärbt, aber nicht extra lackiert. Die 26 • Eisenbahn-Journal 11/2010
Beschriftung ist vollständig und äußerst sauber aufgebracht. Die Stromabnahme erfolgt von allen Rädern der beiden Fahrzeugköpfe. Eine interessante Lösung hat Hornby für ein bei langen Fahrzeugen auftretendes Problem gefunden, die zu kurze Stoppabschnitte mitunter einfach überfahren: Beide Fahrzeugköpfe müssen gleichzeitig mit Spannung versorgt werden, damit sich der Triebzug überhaupt in Bewegung setzt. Das heißt umgekehrt: Befindet sich ein Fahrzeugkopf in einem stromlosen Abschnitt, steht der Zug. Der Antrieb (voluminöser Fünfpoler mit Bonsai-Schwungmasse) befindet sich unübersehbar im Speisewagen. Er wirkt auf zwei mit Haftreifen ausgestattete Achsen. Im Analogbetrieb setzt sich der Zug geschmeidig und mit leisem Sirren mit 15 km/h in Bewegung, um eine Höchstgeschwindigkeit von umgerechnet 279 km/h zu erreichen. Der Auslauf beträgt aus dieser knapp zwei Wagenlängen. Für den Einbau eines Decoders hat man ein Fach im Boden des motorisierten Wagens vorgesehen. Dort finden sich eine achtpolige NEM 652- und eine 21-polige MTC-Schnittstelle. Nein, Halt! Das ist eine 22-polige Steckerleiste, hier passt kein MTC-Decoder drauf! Nur wer den richtigen Eck-Kontakt wegbiegt (siehe Foto), kann einen solchen Decoder einsetzen. Die Innenbeleuchtung lässt
sich dann allerdings nicht schalten. Beim achtpoligen Stecker muss hierzu der zweite Funktionsausgang des Decoders aufgelegt sein. Separat in die Radscheiben eingelegt sind die aus Neusilber gefertigten Bremsscheiben und auch die Scheibenwischer sind gut haltende Einsatzteile. Die Lichtleiter der unteren Spitzenlichter fallen dagegen gerne einmal heraus. Das klare Kunststoffteil, das die Stirnlampe abdeckt, wurde unsauber vom Spritzling abgetrennt: Reste des Angusses hiengen bei unserem Modell über den Lampenrahmen. Der rot-weiße Lichtwechsel von Frontund Schlussbeleuchtung wird über LEDs realisiert. Auch die ab Werk eingebaute Innenbeleuchtung funktioniert mit LEDs. Die kleinen LED-Platinen der Stirnlampen sind eingeklebt, Streulicht verhindert Hornby mit zwei Lagen schwarzen Klebebandes. Durch alle Einstiegs-Fenster erkennt man die bunten Kabel für die stromführenden Kupplungen. In zwei Abteilen werden die Kabel von den Drehgestellen sogar direkt am Fenster vorbei nach oben geführt. Die beiliegenden „Anleitungen“ zeigen die Ersatzteile, verlieren aber keine Silbe über die beiden Decoder-Schnittstellen. Auch Anschluss und Ansteuerung der Innenbeleuchtung oder die Gehäuse-Demontage werden nicht beschrieben.
Die Beschriftung ist größenrichtig, vollständig und sehr sauber gelungen.
Die Räder erhielten extra eingesetzte Neusilber-Bremsscheiben.
Die Kupplungen sind sehr tief angesetzt und liegen nur knapp über Schienenoberkante.
Keine Küche ist hier im Speisewagen zu sehen, sondern der große Motor mit Schwungmässchen.
Die Schnittstellen. Der markierte Pol(Pfeil) ist überflüssig und muss weggeknickt werden.
Auch schwarze Kabel wären bei dieser Führung immer noch deutlich sichtbar.
Die vier maßstäblich langen Fahrzeugteile sind über stromführende Kurzkupplungen mit jeweils sechs Kontakten verbunden. Das Zusammenstecken ist jedoch keine einfache Sache, da die beiliegende Kupplungshilfe ihren Zweck auf den Gleisen liegend nicht erfüllt: Die Kupplungen zeigen schräg nach oben, sodass ein Ankuppeln wirksam verhindert wird. Am Besten legt man die Fahrzeuge nebeneinander auf die Seite und fädelt sie zusammen.
Am angetriebenen Drehgestell ist die Kupplung direkt und drehbar montiert. Alle anderen Kupplungen sind kulissengeführt. Bei manchen jedoch wurden die zur Stromübertragung führenden Litzen so montiert, dass es einer großen Seitenkraft bedarf, um die Kupplungen mehr als wenige Millimeter aus der Mitte herauszubewegen. Dies kann in engeren Kurven leicht zu Entgleisungen führen.
Fazit: In die Überarbeitung der alten LimaFormen hat Hornby sicher nicht viel Geld gesteckt – und brauchte dies auch nicht. Technisch war man zwar bemüht, das Modell auf den heutigen Stand zu bringen. Viele Details sprechen aber dafür, dass bei Konstruktion, Montage und Endabnahme zu viele Fünfen gerade gelassen wurden. ❑ TEXT UND FOTOS: TOBIAS PÜTZ
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MOMENTE Rüben aus Ratzeburg Es gibt Gelbe, Rote, Futter-, Speise-, Kohl- und auch Zuckerrüben. Und sicher gibt es auch noch einige andere. Der Jahreszeit entsprechend geht es jedenfalls hier um die Zuckerrübe, speziell wie sie über viele Jahre hinweg in Deutschland vom Acker in die Fabrik gelangte. Als ich Mitte der 1980er Jahre einen botanischen Tagesausflug zum östlich von Hamburg gelegenen Schaalsee unternahm, hatte ich nicht vor, meinem Eisenbahnhobby zu frönen. Nachdem ich bei herrlich klarem Herbstwetter ein Stück an dem westlichen Ufer des Sees (das östliche blieb mir damals als Westbürger verwehrt, da sich die innerdeutsche Grenze mitten durch den See zog) spazieren gegangen und anschließend noch in ein Lokal im Ort Seedorf eingekehrt war, schaute ich auf die Landkarte, welche Straßenroute ich alternativ zur Hinfahrt für die abendliche Rückfahrt nach Hause wählen könnte. Auf der Karte fiel mir eine von Ratzeburg nach Osten abzweigende, lediglich als kurzer Stummel eingezeichnete Eisenbahnstrecke auf, welche in dem Ort Hollenbek endete. Aus der Kursbuchübersichts28 • Eisenbahn-Journal 11/2010
karte kannte ich diese Strecke nicht, also konnte es hier keinen Personenverkehr mehr geben. Die Neugier war geweckt und ich beschloss die Heimreise über diesen Ort zu wählen, um dem dortigen Bahnhof noch einen Besuch abzustatten. In Erwartung eines völlig verkrauteten und verlassenen Eisenbahnareals bog ich in die kurze, mit Kopfsteinpflaster belegte Bahnhofsstraße ein, um dort eine lange Reihe von beladenen zweiachsigen E-Waggons vorzufinden! In dieser damals wirtschaftlich fast toten, weil am Rande des Eisernen Vorhangs befindlichen Gegend für mich doch überraschend. Das Ladegut aller Waggons: Zuckerrüben. Auch meine zweite Begegnung mit Eisenbahntransporten von Zuckerrüben aus dem Raum Ratzeburg war mehr zufällig. Aus Anlass eines Besuches der direkt am Ratzeburger See gelegenen Eisdiele im Herbst 1988 musste ich natürlich auch dem Bahnhof Ratzeburg einen Besuch abstatten und steuerte dazu den an der südlichen Bahnhofsausfahrt gelegenen, schrankengesicherten Bahnübergang an. Der von dort gut einsehbare, in einer langen Linkskurve gelegene Güterbahnhof quoll regelrecht mit dort abgestellten, beladenen Rübenwaggons über! Das ist doch bestimmt nicht normal, dachte ich und suchte um Aufklärung bei dem diensttuenden Stellwerker. Dieser bestätigte mir
meine Vermutung und erklärte mir, dass sich die Rübenzüge in Ratzeburg zurzeit aus der gesamten Region stauen würden, da die Endladeanlagen beim Empfänger der Rüben, der Zuckerfabrik in Uelzen, nicht einsatzfähig seien. Auf meine Frage hin, wann und wie diese in Ratzeburg stehenden diversen Ganzzüge denn nach Uelzen abrollen würden, konnte mir der freundliche Bahner nichts Genaues sagen, gab mir jedoch eine Telefonnummer der dafür zuständigen DB-Dienststelle. Damit war meine fotografische Neugierde bezüglich dieser Zuckerrübentransporte geweckt. Wenn es passte, der Wetterbericht Sonne vorhersagte und der Disponent der zuständigen DB Dienststelle mir telefonisch bestätigte, dass man am von mir ausgeguckten Tag auch die Rübentouren in und um Ratzeburg fahren würde, versuchte ich mit meiner Kamera dabei zu sein. Die relativ kurze Stichstrecke nach Hollenbek wurde entweder durch eine Lok der Baureihe 260 oder eine 212 des Bw Lübeck bedient, während die beladenen Rübenzüge von Ratzeburg nach Uelzen bei meinen Besuchen immer in 212-Doppeltraktion gefahren wurden. Das Foto zeigt die beiden beige-türkis lackierten 212 269 und 212 278 mit dem Rübenzug Ng 63597 am 10. Oktober 1991 hinter der
südlichen Bahnhofsausfahrt von Ratzeburg auf dem Weg nach Uelzen. Ich stehe auf dem Streckengleis Ratzeburg – Hollenbek, einem Reststück der sogenannten Kaiserbahn, welche einmal die kürzeste Eisenbahnverbindung zwischen der Kaiserresidenz Berlin und dem kaiserlichen Marinehafen Kiel gewesen ist und auf Wunsch Kaiser Wilhelms II. Ende des 19. Jahrhunderts gebaut wurde. Das Hauptsignal sichert die Einfahrt aus Richtung Hollenbek in den Bahnhof Ratzeburg. Diese Strecke verlor mit der innerdeutschen Grenzziehung nach dem Zweiten Weltkrieg vollkommen ihre Bedeutung und mutierte seinerzeit, wie so viele andere Strecken auch, beidseitig der Demarkationslinie zu einer unbedeutenden Stichbahn. Der letzte DB-Güterzug rollte hier zur Zuckerrübenkampagne Ende 1993, die Stilllegung erfolgte zum 31. Dezember 1994. Heute kann man diese 13 km lange Strecke mit Hilfe von Handdraisinen und Schienenfahrrädern, die man am ehemaligen Bahnhof Schmilau anmieten kann, bereisen! Die Zuckerrüben können dies allerdings nicht und müssen heute den LKW-Transport nach Uelzen über sich ergehen lassen. TEXT UND FOTO: STEFAN PFÜTZE
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BAHN & MILCH An der Laderampe in Altona werden im August 1936 Milchkannen ausgeladen, ein Fuhrwerk bringt sie von dort zur Molkerei. FOTO: WALTER HOLLNAGEL/SLG. GERHARD
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Die Milch
kommt per Bahn Schon vor 1900 beförderten die Eisenbahnen Milch und Milchprodukte in die großen Städte – der rasche Transport war eine große Herausforderung. Nach 1945 schwand die Bedeutung der Eisenbahn in der Milchlogistik. Heute bringen Lkw die Rohmilch direkt vom Bauernhof in die Molkerei – die bekannten Milchkannen haben ausgedient.
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Oftmals wurden die Milchkannen in den Gepäckwagen der Personenzüge transportiert. Viele helfende Hände sorgten dafür, dass das Verladen möglichst rasch vonstattenging. FOTOS: SLG. GERHARD (2) LINKE SEITE OBEN: Die Milch für Hamburg wird hier in den 1930er Jahren in gedeckten Güterwagen befördert. LINKS: Fabrikneuer Milchwagen zum Versand frischer Milch nach München, gebaut 1925 von MAN. FOTO: MAN
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er den Milchmarkt heutzutage ein wenig aufmerksamer betrachtet, weiß um die noch nie dagewesene Vielfalt an Milchprodukten. Einhergehend mit einem deutlichen Anstieg des Milchkonsums in Ländern, deren kulturelle Gepflogenheiten Kuhmilch und -milchprodukten früher keine größere Rolle beimaßen, wie z.B. Spanien, der Mittlere Osten und die arabischen Emirate. Vor allem Butter findet auch in Asien und Japan immer mehr Anhänger und Abnehmer. Für Bayern, das fast doppelt so viel Milch erzeugt, wie es verbraucht, ist das milcharme Italien ein wichtiger Handelspartner. Gut die Hälfte der
bayerischen Milch- und Käseausfuhren nimmt den Weg über den Brenner nach Süden, der Löwenanteil allerdings auf der Straße. Insgesamt sind die Exporte deutscher Milchprodukte in den vergangenen Jahren beständig angestiegen. Eine Entwicklung, an die vor drei, vier Generationen überhaupt nicht zu denken war.
Rückblende Blenden wir einmal 50 Jahre zurück: Der Autor, 1961 zu Pähl in einen kleinen oberbayerischen Nebenerwerbshof hineingeboren, wuchs mit einer gegenseitigen Wertschätzung
zwischen Mensch und Tier auf. Sicherlich gab es auch damals schon Bauern, die aus ihren Tieren so viel wie möglich Profit schlugen und vielleicht auch ein wenig achtloser mit ihnen umgingen, aber die Mehrheit lebte in einer über Jahrhunderte hinweg geprägten Symbiose mit ihnen. Nur ein Beispiel: Die heute als gefühlsduselige und rückwärts gewandte Träumerei abgetane Weihnachtsfütterei – vor dem Heiligen Abend der Menschen gab es den der Tiere – war in jedem Hof ein lieber Brauch. Viele Bauern, auch mein Großvater, fütterten die Tiere jedoch nicht nur und sprachen ihnen gut zu, nein, die Tiere, egal ob Kuh, Schwein oder
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Stallhase, bekamen, jedes für sich, ein ganz besonders Futter. Bei Kühen und Hasen waren es diese riesengroßen, am eigenen Acker angebauten, ungemein saftigen Futterrüben, die mit einem Handbeil mühsam in gröbere Schnitze gehackt wurden. Die Schweine bekamen einen dampfenden Eimer voller Quetsch-Kartoffeln, die mit frischer Kuhmilch vermengt waren. Für die Hühner zog man bereits im Frühjahr ein paar Landmais-Kolben, die, von September an, in 34 • Eisenbahn-Journal 11/2010
kleinen Büscheln unter dem Dach der Tenne getrocknet wurden und deren mitunter recht bunte Körnerfärbung den Chronisten auch heute noch in Verzückung versetzen könnte. Für ein Kind damals wie heute immer wieder erstaunlich, wie ein Huhn so harte Maiskörner fressen kann! Doch wie dem auch sei: Der Umgang mit seinen Tieren und seinem Ertrag war zu dieser Zeit und bei jedem (Klein-)Bauern noch von spürbarem Respekt geprägt. Eier, Fleisch, Milch, Butter,
mehr noch echter Rahm waren Lebensmittel, die mit harter Arbeit verbunden waren und nur in geringen Dosen, dafür aber mit Achtung erzeugt, verkauft und verzehrt wurden.
Der Weg der Milch Gemolken wurde morgens und abends. Die drei Kühe, keine hochgezüchteten, hornlosen Milch-Monster, gaben dabei jede im Schnitt
Ablösung: Lastautos mit aufmontierten Milchtanks ersetzten in den 1960er Jahren den Kannentransport (Schongau, 1963). FOTO: DB/SLG. DR. RAMPP REIHE UNTEN (VON LINKS NACH RECHTS): Die Molkerei in Ginglkofen (Niederbayern) um 1955. FOTOS: SLG. GERECHT (3) Ebenfalls genossenschaftlich organisiert: Molkerei Buxtehude mit Fuhrpark um 1925. Berlin: Mittags fahren die leeren Milchkannen ins Umland. FOTO: SLG. BUFE Lieferwagen der Solinger Molkerei Eckstein auf der Düsseldorfer Kö (um 1930). Schon die Deutsche Reichsbahn setzte Lastautos für den Milchtransport ein (Kreis Meseritz, Provinz Brandenburg). FOTO: SLG. GERHARD
sieben Liter Milch. Zwei Kannen à 20 Liter kamen dabei am Tag zusammen; der Rest wurde im Haushalt verbraucht. Prinzipiell wurde die Milch nach dem Melken, also früh morgens und am Abend, von den Bauern oder einem „Muich-Buabal“ (Buben, die sich mit dem Transport der Milch zur Sammelstelle, meist im Hand- oder Leiterwagerl, ein Fünferl verdienten) zu einer der beiden dorfeigenen Milchsammelstellen gebracht.
Dort wurde sie nach der Hygieneprüfung in ein kleineres Becken gegossen, in dem sie gleichzeitig auch gewogen wurde. Der Molkerei-Angestellte führte darüber Buch. Jeder Milchbauer war namentlich aufgeführt; die angelieferte Milch wurde ihm in Kilogramm angerechnet und später dann, nach Abzug der zurückgegebenen Magermilch, von der verarbeitenden Molkerei bezahlt. Die angelieferte Rohmilch ging nach dem Wiegen in einen
Kühlkreislauf, wo sie, man konnte das vom Tor der Sammelstelle aus beobachten, über Unmengen von Kühlrippen floss, um dann in einem großen Kühlbecken zwischengelagert zu werden. Ein Teil der am Morgen angelieferten Milch wurde entrahmt, denn die Bauern waren verpflichtet, Teile ihrer Milch als Magermilch (für den Hausgebrauch, für die Sauen und mit eingerührten Milchaustauschern auch für die Kälber) zurückzunehmen.
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In Lelbach-Rhena wird 1964 der Milch-Kurswagen im P 1190 nach Brilon Wald beladen.
Milchkannen am Bahnsteig in Bad Aibling (September 1968). FOTO: DR. GÜNTHER SCHEINGRABER
Der größere Teil der Milch wurde nach Schließung der Milchannahme in 40 Liter messende Kannen abgefüllt, die der „Milchlaster“, ein Pritschen-Lkw, dann gegen 9 Uhr vormittags abholte. Auch der Rahm, abgefüllt in 20-Liter-Kannen, gelangte so zur verarbeitenden Molkerei. Die abends gemolkene Milch wurde als Rohmilch belassen. Sie wurde ebenfalls in 40-Liter-Kannen gefüllt und gegen 20 Uhr vom Lastauto abgeholt. Bei der Verladung mussten drei Mann mit anpacken, darunter auch der Molkerei-Angestellte. Ein Prozedere, das übrigens jeden Tag, bei Minusgraden genauso wie an hohen Feiertagen, stattfand! Wie die Milchabfuhr im Raum Weilheim/ Obb. vor der Zeit der Milch-Lastwagen (im weitesten Sinne also von den 1920er bis in die 1950er Jahre) ablief, wird später geschildert.
Milchkannen haben ausgedient Ab Mitte der 1960er hatten Lastautos mit aufmontierten Milchtanks sowohl die Bahn als auch die aufwändige Lkw-Kannenverladung abgehängt. Es war ein sehr großer Fortschritt, 36 • Eisenbahn-Journal 11/2010
denn die Milch wurde nun in relativ kurzer Zeit aus dem Kühlbecken direkt in die auf Lkw und Anhänger befestigten Tanks gepumpt und frisch wie nie zuvor zu den Molkereien der großen Städte verbracht. Den einfachen Milchtanks folgten ab ungefähr 1970 die im Prinzip bis heute verwendeten modernen Milchtank-Lkw, die bis etwa Ende der 1980er die Milch an den Sammelstellen der Dörfer abholten. Heute sammeln die gummibereiften „Milchtanker“ die Milch direkt beim Bauern ein. Voraussetzung dafür ist, dass jeder Bauernhof über die notwendige Infrastruktur (Kühlbecken/Kühltanks) verfügt. Der Lastwagenfahrer pumpt nur noch um und nimmt kleine Milchproben für die spätere Hygieneprüfung. Aber auch im Molkereiwesen hat sich seit den 1960ern einiges getan. Große, mitunter auch etwas behäbig agierende Milchhöfe und Zentralmolkereien mussten aktiveren und innovativeren Privat- und Genossenschaftsmolkereien weichen. Einstmals nur mit wenig Personal geführte, kleinere Privatmolkereien schlossen durch ein nachgefragtes, gut beworbenes, letztlich auch schmackhaftes Sortiment
zu den Großen der Branche auf. Bayern weist hier übrigens einen gesunden Mix auf, der zu gleichen Teilen aus privaten und genossenschaftlichen Unternehmen besteht. Die oberbayerische und schwäbische Milch geht heute also nicht nur an die bekannten Privatmolkereien wie Bauer, Gropper, Meggle, Müller/Weihenstephan und Zott, sondern auch an ebenso rührige Genossenschaftsmolkereien wie die Milchwerke Berchtesgadener Land, Bayernland oder die Bayerische Milchindustrie.
Versorgung der Städte Um das Transportgut Milch insgesamt näher zu beleuchten, sollten wir, nach dem Rückblick in die 1960er Jahre, einen deutlich größeren Sprung in die Vergangenheit wagen. Das bäuerliche Wesen des 18. und 19. Jahrhunderts war, im Vergleich zu den 1960er Jahren oder zur Gegenwart, wesentlich differenzierter. Ohne Elektrizität, Kühlanlagen oder Melkmaschinen mussten die Höfe zwangsläufig kleinformatig bleiben und waren auf ein paar Kühe und Kälber zur Mast oder Remontierung
86 542 vom Bw Treysa mit P 1190 (und einem Kühlwagen als Milch-Kurswagen) am 6. August 1964 bei Usseln. FOTOS: ROLF HAHMANN (2)
beschränkt. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Milch zumeist von den Bauern selbst verbraucht und verarbeitet. Butter, Quark, Käse und Butterschmalz – mehr wurde aus der Milch nicht gewonnen. Lag der Hof in der Nähe einer größeren Ortschaft, wurde die Milch auch schon per Pferdewagen transportiert und verkauft – jedoch stand das Molkereiwesen noch in seinen Anfängen. Mit den ersten durchgehenden Eisenbahnstrecken wuchs der Güterverkehr sehr bald in ungeahnte Dimensionen. Milch spielte anfangs aber keine Rolle, denn vor allem profitierten eine junge Industrie und Wirtschaft vom eisernen Band. Kohle, Erze, Holz, Getreide, Petroleum, Kalk, Ziegel, Pflastersteine, Sand und Zement wurden in großen Mengen spediert, denn mit den Eisenbahnstrecken wuchsen die Städte. In Teilen Deutschlands, ja ganz Europas gab es Mitte des 19. Jahrhunderts regelrechte Landfluchten. Konnte die enorm zunehmende Zahl an Städtern anfangs noch von den im engeren Umkreis liegenden (auch expandierenden) Gütern und Gehöften versorgt werden, so wuchs der Bedarf an Milch und Milchprodukten innerhalb
nur einer Dekade so rasant, dass die Eisenbahn als damaliges Hauptverkehrsmittel zwangsläufig als Milchtransporteur ins Spiel kommen musste. Viele Städte und die dort aus den Boden schießenden Milchhändler, Molkereien und Milchhöfe waren zu versorgen, weshalb verschiedenste Logistiken und Absatzwege ersonnen werden mussten. Der einfachste und direkteste Weg führte dabei vom Erzeuger zum Verbraucher. Was die Städte betraf, so waren zwischen Erzeuger und Verbraucher zunächst nur ein Großhändler, ein Kleinhändler oder beide zwischengeschaltet. Bald schon nahm die Milch aber den auch heute noch klassischen Weg, der vom Erzeuger zu Molkerei oder Milchhof und von dort über Großhandel und Kleinhandel zum Verbraucher führt. Vor allem die direkten Absatzwege (also unter Umgehung einer Molkerei) gingen bis in die 1920er Jahre mit einigen Ärgernissen einher. Mangelnde Hygiene wie auch Milchpanscherei seien hier als Negativbeispiele genannt. Zustände, die sich erst mit der beständig zunehmenden Menge hygienisch verarbeiteter Milch durch die Molkereien und strengere
Wagenzettel für einen Milch-Kurswagen von Hagen Hbf nach Sachsenhausen (Waldeck), die Zugnummern finden sich in den Kursbüchern von 1956 bis 1959. ABB: SLG. BOCK
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Die Bayerische Staatsbahn beschaffte 1908 insgesamt 50 solcher Milchwagen. FOTO: MAN/SLG. DR. HÖRNEMANN
Zeichnung des bayerischen Milchwagens von 1908 mit einer Länge über Puffer von 9600 mm. ZEICHNUNG: SLG. BECK
In Österreich wurden vor dem Ersten Weltkrieg Milchwagen mit drei Abteilen erprobt (LüP 8960 mm). ZEICHNUNG: SLG. RITZ
Dieser ehemalige Milchwagen wurde 1954 von München Ost aus im Stückgutverkehr eingesetzt. FOTO: FRITZ WILLKE/SLG. HEIDT
staatliche Kontrollen änderten. Im Gegensatz zu manchem „unsauberen“ Milchhändler jener Zeit leisteten sich die Eisenbahnen, die innerhalb sehr kurzer Zeit in den Milchverkehr involviert wurden, keine Nachlässigkeiten und schufen, meist schnell und unkompliziert, die zum raschen Milchumschlag erforderlichen Infrastrukturen. Sofern die Molkereien den Transport der Milch von den Bahnhöfen nicht mit eigenem Fuhrpark besorgten, mussten auch bahnamtliche oder von Molkereien beauftragte Fuhrunternehmen in das schnell in Fahrt kommende Räderwerk integriert werden. Groß- wie Kleinhändler holten ihre Milch dagegen meist selbst vom Bahnhof ab. Der Vertrieb hing dagegen vom jeweiligen Absatzweg ab, wobei die Molkereien die Auslieferung ihrer Milch und Milchprodukte zumeist in die eigene Hand nahmen. Der Kreativität waren kaum Grenzen gesetzt. Vom Handwagen bis zum zweispännigen Milchfuhrwerk war jede Zwischenposition besetzt. Bis etwa 1910 waren sogar kleine Hunde-Fuhrwerke in den Zustellbetrieb eingebunden. Gab es keine Milchgeschäfte, dann rollten die meist nur mit einem „Pferdemotor“ bespannten typischen Molkerei-Milchwagen, mit einem fröhlich die Handglocke läutenden Kutscher auf dem Bock, durch Stadtteile oder Außenbezirke. Die Bevölkerung holte ihre Milch prinzipiell in Krügen oder Kannen ab. Quark und Käse wurden, wenn die Verbraucher 38 • Eisenbahn-Journal 11/2010
keine eigenen Behältnisse mitbrachten, allenfalls in Wachspapier eingeschlagen. Eine besondere Erwähnung verdienen so genannte Bassinwagen, die die Zentralmolkerei München bereits im Jahr 1906 in Betrieb nahm. Mit ihnen wurde hygienisch verarbeitete, gekühlte und auch preiswerte Milch auf festen Routen im Stadtgebiet direkt an den Verbraucher verkauft. Die Bevölkerung war also nicht mehr allein auf den Kleinhändler oder Milchladen angewiesen. Interessanterweise blieb die Zahl dieser beliebten Bassinwagen auf elf beschränkt, denn angesichts des scharfen Protestes verschiedener Kleinhändlervereine musste der Magistrat eine weitere Expansion unterbinden. Ähnlich wie in München funktionierende und wirtschaftlich durchaus bedeutsame Vertriebsnetze bauten u.a. die Großmolkereien Pfund in Dresden, Bolle in Berlin und die „Meierei der vereinigten Landleute“ in Hamburg auf.
Kaum Spezialwagen Für den ständig wachsenden Bahnversand der Milch darf man sich nun aber nicht vorstellen, dass die deutschen Eisenbahnen dafür in größerem Umfang Spezialwagen vorzuhalten begannen. Nein, der Milchtransport fand zuallererst in den Packwagen der Personenund Eilzüge statt. Bei größerem Aufkommen und kürzeren Entfernungen wurde die Milch in
gewöhnlichen G-Wagen spediert und nur für größere Distanzen mit entsprechendem Aufkommen wurden in beschleunigte Personenzüge sowie in Eilzüge zusätzliche Eilgüterwagen eingestellt. Es handelte sich um gedeckte, meist dreiachsige, großräumige Wagen, die für schnellfahrende Züge geeignet waren und über Westinghouse-Bremsen und Dampfheizleitungen verfügten. Überaus erstaunlich ist, dass das riesige Transportvolumen an Milch, welches beispielsweise die Preußischen Staatseisenbahnen Tag für Tag zu bewältigen hatten, beinahe zu 100 % in gewöhnlichen G-Wagen und Packwagen befördert wurde. Das spricht einerseits für eine bis ins kleinste Detail ausgeklügelte Logistik, die auf kürzestmögliche Beförderungszeiten ausgelegt war, andererseits zeigt es aber auch, wie schwerfällig dieser gewaltige Behörden-Apparat auf die Ansprüche einer eher kleinen, aber doch sehr speziellen Transportaufgabe in Bezug auf die Beschaffung von Spezialwagen reagierte. Deutlich zu ersehen ist das an der nur geringen Anzahl von KPEV-eigenen Butter- und Milchwagen: Es waren nie mehr als 27 Stück. Süddeutsche Länderbahnen und die K.K. Staatsbahnen in Österreich stellten in ihren Fuhrpark hingegen spezielle Milchwagen ein, die ähnlich den Verschlagwagen für Kleinvieh aufgebaut waren, jedoch keine Zwischenbö-
Der von der Reichsbahn beschaffte Geh 20 Nr. 150252 transportierte 1953 Alpenmilch nach München. FOTO: KONRAD PFEIFFER/SLG. HELESS
Der Gh 20 Nr. 150501 wurde 1956 im Stückgutverkehr des Bahnhofs Ingolstadt Hbf eingesetzt. FOTO: CARL BELLINGRODT/ARCHIV EJ
Blick in das Innere eines Reichsbahn-Milchwagens mit den typischen Ladegestellen für die Milchkannen. FOTO: MAN
Der Ghs Hannover 29197 war im Jahr 1952 in Stuttgart Hbf beheimatet. FOTO: FRITZ WILLKE/SLG. HEIDT
den besaßen. Die Lübeck-Büchener Eisenbahn baute gar altbrauchbare Verschlagwagen durch Entfernen des Zwischenbodens zu Milchwagen um!
Milchwagen in Bayern Ganz andere Wege ging man bei der viel innovativeren Königlich Bayerischen Staatsbahn. Sie beschaffte als einzige Länderbahn in größerem Umfang Spezialwagen für den Milchtransport. Diese Wagen wurden offiziell als Milchwagen tituliert, verfügten also über kein Gattungszeichen. Sie waren im Innern zur Erhöhung der Transportkapazität mit Ladegestellen versehen, verfügten über je zwei, gegenläufig zur Wagenmitte hin öffnende Schiebetüren, Lüftungsschlitze in den Stirnwänden, leistungsfähige Growe-Dachlüfter und WestinghouseBremsen. Die Wagen hatten eine Länge über Puffer von 9,6 m, einen Achsstand von 4,5 m und ein Eigengewicht von rund 12,1 t. Das Ladegewicht betrug einheitlich 15 t bei einer Ladefläche ohne Zusatzregale von 22 m2. Elektrische und Dampfheizleitungen erlaubten eine freizügige Mitnahme in Personenzügen. 50 dieser Milchwagen wurden bei der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg beschafft und 1908 in Dienst gestellt. Sie bewährten sich außerordentlich gut! Die DRG übernahm die bayerischen Wagen vollständig und immatrikulierte sie zu-
nächst als Gk Berlin, später als Gh Hannover. Die Umbezeichnung ging mit der Erkenntnis einher, dass die Milchwagen ja gar keine Kühlwagen im eigentlichen Sinne darstellten und somit im „Ortsverband Berlin“ fehl am Platze waren. Vermutlich darum wurden auch einige, vor allem im Raum Nürnberg eingesetzte Milchwagen mit der rotbraunen Lackierung gewöhnlicher Lastenesel versehen. Ihre Anschriften behielten sie freilich bei. Eine ganze Anzahl dieser ursprünglichen bayerischen Milchwagen kam noch zur jungen DB, die sie als Gh 03 und Gh 05 führte. Nicht mehr im Milchverkehr benötigte Wagen dieser Gattung wurden zu Bizone-Zeiten im Stückgutverkehr eingesetzt, teils umgebaut (Verschluss der Stirnwand-Lamellen) und entsprechend gekennzeichnet. Sie erhielten ebenfalls eine rotbraune Farbgebung (wobei die Wagengattung erhalten blieb) und wurden auf Grund ihrer Heizleitungen zumeist in Personenzügen eingesetzt. Die Gruppenverwaltung Bayern ließ in den 1920er Jahren weitere Milchwagen nachbauen. Diese 25 Wagen stellten ein Derivat des gedeckten Güterwagens Gr Kassel dar, wurden zunächst auch als Gkn Berlin (später Geh Hannover) immatrikuliert und nur in Bayern eingesetzt. Eine zweite Bauserie mit 22 Wagen kam 1930 zur Auslieferung. Wie ihre königlich bayerischen Vorgänger verfügten alle Gkn Berlin/Geh Hannover über Regale und durchbro-
chene stählerne Stirnwände – eine einfache, aber überaus effektive Lüftungsanlage. Die Reichsbahn-Milchwagen besaßen ein mit Kork isoliertes doppeltes Tonnendach, die Dachlüfter konnten deshalb entfallen. Die bei der MAN gebauten Wagen wiesen weitgehend dieselben technischen Daten auf wie die ursprünglichen Milchwagen, das Eigengewicht betrug jedoch rund 13,6 t. Die zunächst eingebaute Westinghouse-Bremse wurde (peu à peu) bei allen Wagen durch eine Kunze-Knorr-Bremse ersetzt. Allerdings darf man sich nicht vorstellen, dass mit diesen Wagen die Milch quer und längs durch ganz Bayern transportiert wurde. Mit ihnen überbrückte man die Distanzen zwischen 50 km und 100 km. Eingesetzt waren diese Milchwagen üblicherweise lediglich in den Großräumen München und Nürnberg. Nicht nur in Bayern hielten die Staatseisenbahnen sowie größere Molkereien/Käsereien ab ungefähr 1880 Thermowagen vor – allerdings nur in geringer Stückzahl. Sie wurden als „Butterwagen“ bezeichnet und entsprachen in etwa den zur selben Zeit beschafften Bierwagen. Sie waren vollständig isoliert, konnten im Sommer mit Eisblöcken gekühlt und bei sehr tiefen Minustemperaturen beheizt werden. Sie dienten aber (wie der Name schon sagte) zumeist dem Transport von Butter, Quark oder Käse auf größeren Distanzen. Die Bayerischen Staatseisenbahnen haben übrigens, kurz vor der Beschaffung der Milch-
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wagen, zumindest im engeren Raum Münchens, extra für den Kannentransport hergerichtete Niederbordwagen bereitgestellt. Ihre Anzahl dürfte aber allenfalls im einstelligen Bereich gelegen haben. Selbstredend erfolgte deren Lastlauf abends und in der Nacht.
Ein Blick über die Grenze Während der Milchverkehr in Deutschland also eher im Kleinen ablief, kam für die Milchversorgung der Bevölkerung in anderen europäischen Ländern und in den USA eine riesige Maschinerie in Gang. Großbritannien war damals nicht in der Lage, sich aus eigenen Kräften selbst mit Milch zu versorgen, schaffte jedoch schon zu Beginn des letzten Drittels des 19. Jahrhunderts auf Wachstum ausgelegte Infrastrukturen zur Versorgung der Bevölkerung mit Milch, die selbst heute noch beeindrucken. Große Teile seiner importierten Milch bezog Großbritannien aus Dänemark, den Niederlanden und dem europäischen Teil Russlands. Dafür wurden für den Seeweg spezielle Kühldampfer vorgehalten, die die gekühlte Milch zu verschiedenen britischen Seehäfen und auch nach London brachten. Dort wurde sie in großen Kühlhäusern (kurzfristig) zwischengelagert bzw. zur Verarbeitung umgehend in die Milch- und Milchkesselwagen der jeweiligen Molkereien verladen und in Zugteilen oder ganzen Zügen zu deren Standorten spediert. Für die Last- wie Leerläufe dieser Milchzüge hielten die Bahngesellschaften Fahrplan-
lagen und -ressourcen offen, die denen hochrangiger Express- oder Postzüge glichen. Je nach Distanz und Transportmasse wurden gedeckte Wagen mit Umluftkühlung, die in den Kühlhäusern auf Minusgrade heruntergekühlt wurden, oder, zum Ende des 19. Jahrhunderts hin, vermehrt Milchkesselwagen eingesetzt. Immens war auch der Milchzulauf nach Paris. Hier dominierte der Kannentransport. Die großen französischen Privatbahnen setzten in sehr geringem Umfang auch Milchkesselwagen oder auf Flachwagen verladene Milchtanks ein. Mit ihnen ließ sich die Milch in schnellen Zügen und vorwiegend nachts problemlos über bis zu 300 km Entfernung befördern. In den USA musste die Milch nur im Umfeld der großen Städte solch lange Transportwege wie in Großbritannien in Kauf nehmen. Ihr Transport war ähnlich organisiert wie bei uns, jedoch wurde er dort schon sehr früh mittels Kannen-Förderanlagen, -Waschstraßen und Verladehilfen automatisiert. Auf längeren Strecken wurden auch in den USA Milchkesselwagen eingesetzt. Bei diesen, nach ihrem Konstrukteur als „Pfaudler-Cars“ bezeichneten Fahrzeugen handelte es sich um vierachsige, teil- bzw. vollverkleidete Kesselwagen von wesentlich modernerer Bauart als ihre fast urtümlich wirkenden britischen Pendants. Mit ihnen ließ sich Frischmilch in schnellen Zügen über Distanzen von bis zu 1000 Meilen befördern, was allerdings nur in den wenigsten Relationen erforderlich war. Diese Wagen wurden
Alltagsszene aus einem Eilgüterbahnhof in den 1930er Jahren. FOTO: SLG. GERHARD
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sowohl von einzelnen US-Bahngesellschaften wie auch mittelständischen bis großen Molkereien beschafft. „Borden’s“, „Dairymen’s League“ oder „Hoods“ besaßen für Schiene wie Straße umfangreiche Fahrzeugflotten, die, was die Bahnseite anbelangte, von den „PfaudlerCars“ über große, abnehmbare Milchtanks auf Flachwagen bis hin zu Kühlwagen (zumeist für Flaschenmilch, Butter und Rahm) reichten. Der Zulauf in die großen Städte war immens und viele US-Bahngesellschaften unterhielten dort regelrechte Milk-Docks – Umschlaganlagen für Milch, die der Be- und Entladung von Kannen aus Boxcars und Refrigerators genauso dienten wie dem Umpumpen von Milch aus Milchtanks und „Pfaudler-Cars“ in die Lastkraftwagen der Molkereien. Zum Abschluss ein kurzer Blick zu den Russischen Eisenbahnen, die einst große Mengen sibirischer Milch in Thermowagen bis nach Moskau transportierten, im Sommer gekühlt und mehrfach nachbeeist, im Winter mittels eines Ofens so weit beheizt, dass die Milch nicht gefrieren konnte. Die dafür verwendeten Doppelwagen besaßen neben dem isolierten Frachtraum für die Milchkannen auch einen Wagenteil für den Maschinisten und die Heizanlage. Somit dürfte sowohl die sibirische wie auch die für Großbritannien bestimmte russische Milch zu Land und zu Wasser die größten Transportwege zurückgelegt haben. In der Zeit des ausklingenden 19. hinüber ins 20. Jahrhundert eine immense Leistung.
(Füllseite)
BAHN & MILCH
München Hbf 1925: Hinter der späteren E 52 23 sind ein bayerischer Milchwagen sowie ein Heizwagen in den Zug nach Garmisch-Partenkirchen eingereiht. FOTO: SIEMENS-MUSEUM/SLG. STREIL
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Milch für Großstädte Aus allen Richtungen brachten Züge zu nächtlicher Stunde unzählige Kannen mit frischer Milch in die Großstädte. Da viele Molkereien keinen Gleisanschluss besaßen, schickten sie Fuhrwerke und später Lastautos zu den Güterbahnhöfen, um die Kannen abzuholen.
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er Milchverkehr beschränkte sich hierzulande, wie schon erwähnt, auf eher kurze Distanzen. Ausnahmen gab es nur im Milchzulauf Berlins. Während die Milch für Berlin Entfernungen bis zu 175 km zurücklegte, waren es in München, dem Ruhrgebiet oder Wien maximal 100 km. Die größten Milchmengen wurden den großen und mittelgroßen Konsumplätzen Deutschlands jedoch über weit geringere Distanzen (im Schnitt 50 km) zugeführt. Diese Situation blieb, mit Ausnahme der im nachfolgenden Beitrag anzusprechenden Milchtransporte für die Alliierten Streitkräfte nach 1945, bis zum Ende der Milchtransporte auf der Schiene bestehen. Während bei Entfernungen von bis zu 50 km in erster Linie Packwagen, manchmal gar nur ein Gepäckabteil sowie gewöhnliche, mit G/P-Wechsel ausgerüstete G-Wagen (als Milch-Kurswagen tituliert) eingesetzt wurden, fand man die schon vorgestellten Milchwagen der Gattungen Gh/Geh/Gk in der Regel nur auf den weiteren Zulaufstrecken. Im Raum München waren das die Garmischer Strecke, die Ammerseebahn und die zweigleisigen Hauptbahnen nach Rosenheim und Buchloe – Kempten, vor allem aber die ins Oberland führenden Strecken nach Schliersee und Tölz einschließlich des Raums Holzkirchen. Die Milchwagen wurden, je nach Relation, sowohl Personenzügen wie auch GmP oder Nahgüterzügen beigestellt, während man den
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einfachen Milch-Kurswagen für gewöhnlich nur in Personenzügen fand. Die Verladetätigkeit bei den Personenzügen, verbunden mit meist kurzen Aufenthaltszeiten, war immer recht hektisch und schweißtreibend. In Bayern verwendete man für den Bahntransport meist 40 Liter fassende Kannen, die bei den Halten prinzipiell von zwei Ladeschaffnern zugleich in den Türraum verladen und erst während der Weiterfahrt zusammengestellt bzw. bei den Milchwagen in Regale und Gestelle eingeräumt wurden. Fast alle Bahnhöfe, Haltestellen und Haltepunkte, die regelmäßig Milch versandten, verfügten über kleine, meist hölzerne Rampen, an denen die Milchwagen, „Kurswagen“ oder Packwagen zielgenau zu halten hatten. Um die Milch zuordnen zu können, waren die Kannen mit kleinen geprägten ovalen oder runden Blechmarken versehen, die sowohl Auskunft über die versendende Milchsammelstelle als auch über die Art der darin enthaltenen Milch gaben. Bahnhöfe und Haltestellen mit hohem Milchversand bekamen, wie weiter unten ausführlicher dargestellt wird, eigene Milchwagen zugestellt, die dann abends zumeist von Nahgüterzügen oder GmP eingesammelt wurden. Zwei, drei Milchkannen hingegen, wie sie auf manchen historischen Bahnsteig-Fotos einfacher bayerischer Landbahnhöfe zu finden sind, müssen nicht zwingend nach München spediert worden sein. Auch kleinere Milch-
genossenschaften auf dem Lande benötigten regelmäßige Lieferungen. So sei hier nur an die Milchgenossenschaft Tulling erinnert, die Milch von allen Haltestellen der Bahnlinie Ebersberg – Wasserburg zugeführt bekam. Einfache Milch-Kurswagen und Packwagen voller Milchkannen steuerten München aus dem Dachauer Hinterland an, von Petershausen, Röhrmoos und aus Richtung Altomünster (ein Milcheinzugsgebiet mit einem jährlichen Transportvolumen von bis zu 3700 t). Sie kamen aber auch aus Richtung Freising und vor allem von der Strecke Herrsching – München-Pasing.
München Hbf Eilgüterbahnhof Die Empfangsbahnhöfe für die Milch waren in München vornehmlich München Hbf Egbf und München Ost Pbf. Der Münchner Hauptbahnhof verfügte innerhalb seines Eilgüterbahnhofs über einen eigenen Milchladehof. Der erstreckte sich südwestlich der Hackerbrücke und gewährleistete, sowohl auf einem breiten, zweigleisig angelegten und gepflasterten Ladehof als auch auf einer langen Rampe, den umfangreichen Umschlag an Milchkannen. Während die Packwagen der Personenund Eilzüge vor allem an der Rampe be- und entladen wurden, stellte man die Milchwagen und Milch-Kurswagen an den Ladestraßen zu. Oftmals wechselten beladene wie leere Kan-
98 1801 (ex LAG 87) rangiert am 29. März 1959 mit einem Milchwagen der Reichsbahnbauart (Gh 20 Nr. 153111) in Buchloe, der im Milchverkehr nach München eingesetzt wurde. FOTO: DR. ROLF BRÜNING
nen zur selben Stunde die Waggons, Fuhrwerke und Lastautos. Für die damalige Zeit eine logistische Meisterleistung! Am Münchner Ostbahnhof stand dem Milchumschlag zumindest bis Ende der 1930er Jahre ein eigenes Ladegleis entlang der Einfriedung zur Orleansstraße zur Verfügung, das Milchwagen, Kurswagen und Packwagen gleichsam diente. Die Gewichtung des Münchner Milcheingangs lag, bei derzeitigem Wissensstand, zu etwa drei Vierteln beim Münchner Hauptbahnhof. Ob der Bahnhof München Süd direkt in den Milchumschlag involviert war oder die Milch nur nach München Hbf Egbf weiterleitete, ist offen. Gewiss ist jedoch, dass die Isartalbahn ebenfalls zur Milchversorgung Münchens beitrug! Hier noch ein Wort zu den verwendeten Kannen. Es gab sie für die Bahnverladung in verschiedenen Ausführungen, aber immer mit fest verschließbaren Deckeln. Dies sei allein deshalb erwähnt, da die Landwirte fast ausschließlich Kannen mit einfachem Steckdeckel verwendeten. Auch waren bei den Bauern nur 10 Liter und 20 Liter fassende Kannen üblich und lediglich Großgüter verfügten über 40-Liter-Kannen. Für den Bahnversand stellten sich sehr schnell 40 Liter fassende Kannen als ideal heraus. Sie konnten „von zwei Männern leicht verladen und von einem gesunden Manne leicht zurechtgerückt werden“. In ge-
An der Laderampe in Mauerstetten (Strecke Schongau – Kaufbeuren) stehen 1939 Milchkannen zur Abholung bereit. FOTOS: RBD AUGSBURG/ SLG. DR. RAMPP
LAG-Lok 60 (spätere 98 7309) mit einem Personenzug um 1936 in Füssen. Die Milch geht im Packwagen auf die Reise. FOTO: ERNST SCHÖRNER/ SLG. HUFSCHLÄGER
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ringem Umfang waren für Bahn- und LkwTransporte auch 50-Liter-Kannen vorhanden. Für den Rahm verwendete man in der Regel 20 Liter fassende Kannen.
Drei große Molkereien Waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts, von der Zentralmolkerei abgesehen, in München überwiegend kleine Molkereibetriebe für die Verteilung und Verarbeitung der Milch zuständig, so änderte sich das unter den Nationalsozialisten in den 1930er Jahren beinahe schlagartig. In München wurden während der Nazi-Zeit die meisten dieser Kleinbetriebe abgefunden und aufgelöst. An ihrer statt sollten vier Großmolkereien, verteilt nach den vier Himmelsrichtungen, treten. Die Nordmolkerei Deller in der Winzererstraße, der Milchhof München Ost in der Friedenstraße und die Milchversorgung München am Bavariaring im Süden. Die geplante Westmolkerei kam jedoch nie über den Planungsstatus hinaus, so dass es bei den drei großen Milchhöfen Münchens blieb. Darüber hinaus hatten in München bis in die 1960er und 1970er Jahre hinein auch noch eine Reihe kleinere Molkereien Bestand. Genannt sei hier die Molkerei Hanselmann (manchem Leser sind vielleicht die blauen und braunen Tetraeder-Verpackungen 46 • Eisenbahn-Journal 11/2010
für Milch bzw. Kakao der Schulspeisung noch in Erinnerung) sowie die Molkereien Beck, Schenk, Reindl, Friedrich und Heckmeier.
Milch aus dem Ammertal Bleiben wir aber zunächst noch in der Zeit von 1940 bis 1950 und betrachten den Milchverkehr auf der Strecke München – GarmischPartenkirchen. Der Milchabfuhr ging zunächst das Verteilen des Leerguts an die Milchbahnhöfe voraus. Dafür fanden selbstverständlich auch die Milchwagen der Gattung Gh/Geh/Gk Verwendung. Die Zustellung dieser Wagen erfolgte von München aus mittels Nahgüterzügen zu den Zielbahnhöfen zwischen Tutzing und Murnau. Unmittelbar nach Zustellung der Milchwagen begann das Entladen der leeren, bereits in den Molkereien gereinigten Milchkannen. Da das eingangs erwähnte Dorf Pähl ohne direkten Bahnanschluss war, wurden sowohl die leeren Kannen als auch die frische Milch von den späten 1920er Jahren bis vermutlich in die frühen 1950er mit Pferdewagen, später Traktoren-Fuhrwerken von und zum Bahnhof des Nachbarorts Wilzhofen gefahren. Dieser lag an der Garmischer Strecke zwischen Tutzing und Weilheim (Oberbay) und war von Pähl aus die nächstgelegene Bahnstation. Hier wurde täglich ein Milch-Kurswagen bereitge-
stellt, der von den Pähler und den Wilzhofener Milchsammelstellen vollständig ausgelastet wurde. Auch die benachbarten Ortschaften Diemendorf und Kampberg verluden Milch, allerdings nur kannenweise, an einer kleinen, extra dafür errichteten Milchrampe an Gleis 2 des Bahnhofs Diemendorf. Zu dieser Zeit sah der Weg der Milch in die Stadt noch ein klein wenig anders aus als in den eingangs geschilderten Kindheitserinnerungen des Verfassers. Bevor der Lkw seinen Siegeszug antrat, war ein zweimal täglicher Versand der Milch logistisch meist nicht durchführbar. Die am Morgen von den Bauern angelieferte Milch wurde nach Hygieneprüfung und Filtrierung pasteurisiert, anschließend heruntergekühlt, in Kannen abgefüllt und in einen Kühlraum oder sogar in ein Kühlhäuschen verbracht. Die Abendmilch hingegen kam immer als Rohmilch zum Versand. Während der Kriegsjahre 1939 bis 1945 wurden die Bauern aus der Umgebung von Weilheim sowie der unteren Ammerseebahn zwangsverpflichtet, d.h. sie mussten ihre Milch nach München liefern. In dieser Zeit dürften die Milchtransporte aus dem Weilheimer Umland ihren Höhepunkt erreicht haben. Gegen 22 Uhr traf in Weilheim (Oberbay) der Ng Murnau – München-Laim Rbf ein. Er führte neben den gemischten Frachtenwagen
LINKS: 64 423 mit dem Vormittags-P 2015 nach Behringersmühle – und Milchwagen der Reichsbahnbauart – bei Gößweinstein (1939). FOTO: CARL BELLINGRODT/SLG. BRINKER
an der Spitze die Milchwagen von Murnau, Uffing, Huglfing und Polling mit. Sie wurden sofort nach der Ankunft in Weilheim mit den Milchwagen der Ammerseebahn (aus Schondorf, Utting, Riederau, Raisting und Wielenbach) vereinigt, die der abendliche GmP 5334 Augsburg – Weilheim (Oberbay) eingesammelt hatte. Zehn bis elf Milchwagen zierten nun die Spitze des Nahgüterzuges, der noch in der Stunde 23 Weilheim (Oberbay) in Richtung München-Laim Rbf verließ. Nur im nahegelegenen Bahnhof Wilzhofen wurde noch Halt gemacht, um den Milchwagen mit den Kannen aus Pähl und Wilzhofen einzurangieren. Ob auch im Bahnhof Diemendorf beigeladen wurde, ist für diesen Zug nicht belegt. In München-Laim Rbf wurde der hintere Zugteil mit den gewöhnlichen Frachtenwagen abgehängt, die Milchwagen wurden von der Zuglok nach München Hbf Eilgüterbahnhof gebracht. Dort wurden die Milchwagen, zwischen den Stunden 1 und 2, sofort an die entsprechenden Entladeplätze am Milchladehof rangiert. Es ist auch heute noch beeindruckend, wie ausgeklügelt der Transport der frischen Milch mit Reisezügen, GmP und Güterzügen geregelt war und wie kurz die Wagenübergänge und Zulaufzeiten gehalten wurden. Die Milchwagen, Milch-Kurswagen und Packwagen mit Milchkannen aus dem Oberland, aus Holzkirchen und aus Richtung Rosenheim liefen dagegen mit den Reisezügen durch bis München Hbf (Holzkirchner Flügelbahnhof). Von dort wurden sie dem Milchladehof zugestellt. Einige der Milchwagen gingen aber auch direkt nach München Ost, insbesondere nach Errichtung des dortigen Milchhofs. Teils erfolgte dieser Wagenzulauf über Deisenhofen und München-Giesing.
In München gab es einen eigenen Milchladehof (Foto wohl vor 1940). FOTO: SLG. GERECHT
Milchverladung am Münchner Ostbahnhof im Jahr 1926 (mit mehreren bayerischen Milchwagen im Hintergrund). FOTO: SLG. SKRZYPNIK Die Nordmolkerei Deller war in den 1960er Jahren eine von drei großen Molkereien in München. Einen Gleisanschluss besaß sie jedoch nicht. FOTO: SLG. STEMMER
Milchhof Nürnberg Bleiben wir noch kurz in Bayern, denn auch über den einstmals modernsten Milchhof Europas in Nürnberg muss berichtet werden. Seinen Ursprung hatte das imposante Milchwerk in der 1915 gegründeten Milchzentrale der Stadt Nürnberg, die 1921 mit der Fürther Milchzentrale zur Gemeinnützigen Milchversorgungszentrale der Städte Nürnberg-Fürth fusionierte. 1930 erfolgte, nach der Einbeziehung der Stadt Regensburg, die Umbenennung in Bayerische Milchversorgungs GmbH. Der Ende der 1920er begonnene Neubau (Planung nach Otto Ernst Schweizer, der in jener Zeit in Nürnberg für weitere vorbildliche Bauten verantwortlich zeichnete) war die Hauptanlage der Bayeri-
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Milch aus Huglfing und Raisting Werner Streil erinnert sich an die Milchlieferungen in den Kriegsjahren 1940 bis 1944, die von mehreren Bahnhöfen an der Ammerseebahn sowie an der Strecke Murnau – Weilheim (Oberbay) nach München gingen. Vor Eintritt in die Lehre zum Elektromaschinenbauer beim RAW München-Freimann besuchte der Autor bis zur Versetzung nach Rosenheim im Sommer 1944 die Oberschule der Stadt Weilheim (Oberbayern), die vom Wohnort Raisting aus mit der Bahn zu erreichen war (Strecke Augsburg – Weilheim). Die Schulbank teilte er mit Karl Bahle, dem Sohn des Reichsbahnsekretärs Karl Bahle, der dem Bahnhof Huglfing (Strecke Weilheim – Murnau) bereits in zweiter Generation der Familie Bahle vorgestanden hatte1). Wöchentlich erhielt Karl Bahle jun. in Raisting Violine-Unterricht und war deshalb an diesem Nachmittag bei Familie Streil zu Gast. Im Gegenzug besuchte der familiär stark „eisenbahnbelastete“ Werner Streil häufig den Bahnhof Huglfing. In der Regel fand dieser Besuch zwischen 16 und 19 Uhr statt, just zu der Zeit, als der Milchwagen aus München mit den leeren Kannen vom Ng zugestellt wurde. Nach Rückbau des zweiten Gleises Huglfing – Uffing2) war zum Befahren des Ladegleises eine Weiche zu stellen, deren externe, signal- und blockabhängige Bedienung über Seilzug durch eine direkt am Standort des Einfahrsignals aus Richtung Uffing in einem Schrank untergebrachte Hebeleinheit mit Fernsprecher erfolgte. Die planmäßig als Zuglok des Ng eingesetzte E 52 hatte mit der Wagengruppe bis zum Signal Ra 10 in Richtung Uffing vorzuziehen, um anschließend in das Ladegleis zurückzudrücken. Hin und wieder erlaubten die Lokführer den beiden Buben dieses Manöver auf der Lokomotive zu begleiten. Zwischendurch war ein Blick in den Maschinenraum der mächtigen Lokomotive möglich und dies war nicht zuletzt einer der Gründe, dass beim Autor die Ellok Beruf und Leidenschaft zugleich geworden ist. Auch von den Bahnhöfen Polling und Uffing an der Strecke Weilheim – Murnau wurde übrigens Milch nach München geliefert.
Die Zustellung der Milchwagen für Schondorf, Utting, Riederau, Raisting und Wielenbach an der Strecke Augsburg – Weilheim erfolgte durch den Ng aus Augsburg, der die aus München kommenden Wagen in Geltendorf übernahm. War der Ng aus Augsburg bis 1942 ausschließlich mit G 3/4 H bespannt, so änderte sich dies ab 1943 nahezu täglich, da nun preuß. G 10 sowie die Baureihen 50 und 50 ÜK hier eingesetzt wurden. Die E 52 des Ng München – Murnau fuhr nach der Ankunft in Murnau als Lz weiter nach Hechendorf, um den mit einer E 16 der 2. Bauserie (E 16 11 bis 17) bespannten P 1360 über die 3,1 km lange 25‰-Rampe Hechendorf – Murnau nachzuschieben. In Garmisch-Partenkirchen wurden dem aus Innsbruck mit sieben Wagen (fünf Ci-28, ein Bi-29 und ein Pwi-28) ankommenden P 1360 planmäßig sieben bayerische C3i als Verstärkung sowie ein Post4ü-a/20 angehängt. Dieser Zug benötigte selbst in Murnau und Weilheim die gesamte Bahnsteiglänge. Unmittelbar nach Zustellung der aus München kommenden Milchwagen begann in den Bahnhöfen das Entladen der leeren und bereits gereinigten Milchkannen – so auch in Raisting. Während die des Morgens bei der Genossenschaftsmolkerei Raisting3) angelieferte Milch dort aus dem Messund Sammelbecken zunächst gefiltert, erhitzt, daran anschließend gekühlt und in Spezialkannen abgefüllt wurde, kam die Abendmilch nach Messen und Filtern direkt als Frischmilch zum Versand. Für jeden milchliefernden Landwirt lag im Regal der Anlieferhalle das persönliche Milchbüchlein zum Eintrag der gelieferten Milchmenge und der Daten entnommener Proben bereit. Erst nach Sonnenuntergang wurden die gefüllten, nummerierten und entsprechend ihrem Inhalt gekennzeichneten Milchkannen mit pferdebespanntem Brückenwagen von der Molkerei zu dem etwa 150 m entfernt im Ladegleis des Bahnhofs Raisting aufgestellten Milchwagen transportiert. Man bedenke, dass die mit blanken und gelochten Stahlblechregalen eingerichteten Milchwagen der Gattung Geh nur durch die durchbrochenen Stirnwände vom
Fahrtwind in der frischen Nachtluft Kühlung erhielten. Der am frühen Abend in Augsburg Hbf abfahrende GmP 5334 erreichte nach der Abenddämmerung Schondorf (im Sommer 1941 war die Abfahrt in Schondorf um 20.26 Uhr), um nun nacheinander die Milchwagen auch in Utting, Riederau, Raisting und Wielenbach aufzunehmen und nach Weilheim zu bringen (mit Ankunft im Sommer 1941 um 21:57 Uhr). Die in Weilheim fest stationierte E 63 04 – sie wurde nur zu den Fristarbeiten in München gegen die E 63 06 getauscht – stellte gemeinsam mit der Zuglok des Ng aus Murnau den aus Milch-, Eil- und Stückgutwagen bestehenden Ng von Weilheim nach München in der richtigen Reihung zusammen. Der Laufweg des Zuges, der gegen 23 Uhr Weilheim verließ, führte ab München-Pasing über Pasing Güterbahnhof, München-Laim Rbf und nach Unterquerung von Objekt V4) über die Eilgutbahn an der Südseite des Bw München Hbf entlang zum Eilgutbahnhof München Hbf, der an der Landsberger Straße etwa in Höhe der Hausnummer 50 lag.
schen Milchversorgung. Sie wurde zwischen dem heutigen S-Bahnhof Nürnberg-Dürrenhof und der Kressengartenstraße errichtet und ging am 1. Dezember 1930 in Betrieb. Hauptcharakteristikum der Anlage waren der weithin sichtbare, 76 Meter hohe Eisenbeton-Schlot und das über 100 Meter lange Betriebsgebäude. Letzteres verfügte über ein imposantes, in Faltwerktechnik errichtetes Dach und war mit einer modernen, elektrisch betriebenen Förderanlage längs der langen Rampe versehen. Die vollen Milchkannen konnten direkt aus den Waggons heraus auf die Förderanlage geladen werden, liefen automatisch zu einer Entladestation, über die die Milch in große Kühlbecken und zur Weiterverarbeitung gelangte. Die leeren Kannen liefen über die Förderanlage weiter zur Reinigung und zuletzt wieder
an die Rampe, wo sie, genauso flugs, wie sie ankamen, in die Güter- und Milchwagen eingeladen wurden. Der Standort des Milchhofs war sowohl für die Bahn- wie die Straßenanlieferung klug gewählt. Per Schiene war er nur etwa 1300 Meter vom Hauptbahnhof Nürnberg entfernt. Milchwagen, Milch-Kurswagen und Packwagen, die mit den Personenzügen in Nürnberg Hbf ankamen, wurden in eine kleine Gleisharfe am nordöstlichen Gleisvorfeld (Höhe Bahnmeisterei) überstellt und dann gesammelt per Rangierfahrt dem Milchhof zugestellt. Dazu war eine Sägefahrt bis nach Klein Wöhrd nötig, ehe die Milchwagen an die Rampe der Molkerei geschoben werden konnten. Ein Prozedere, das sich komplizierter liest, als es tatsächlich war, denn in weniger als zehn Minuten (ab Nürnberg Hbf) standen die Wag-
gons vor den Toren des Milchhofs. Vier vor dem Betriebsgelände angeordnete Stumpfgleise standen für die Zwischenabstellung und Vorsortierung ein- und ausgehender Milchwagen zur Verfügung. Mit dem Wegzug des seit 1988 als Bayerische Milchunion firmierenden Unternehmens nach Zapfendorf wurde das Ende des Nürnberger Milchhofs eingeläutet. Obwohl das architektonisch wertvolle Betriebsgebäudes unter Denkmalschutz stand, wurden die Anlagen 2008 abgerissen.
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TEXT: WERNER STREIL
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) Um 1993 war ein Bahle aus dritter Generation in HugIfing als Fahrdienstleiter tätig. 2 ) Die Fahrleitung für das entfernte Gleis war noch bis Mitte der 1950er Jahre vorhanden; erst nach Lageänderungen des bestehenden Gleises wurde sie abgebaut. 3 ) Die Molkerei Raisting wurde vor und während der Kriegszeit von der Familie Beiler geführt, die politisch gefördert den Besuch durch Schulklassen ermöglichte. 4 ) Kreuzungsbauwerk der Vorort- sowie der Ferngleise nach Garmisch, Regensburg, Ingolstadt und der Augsburg/Lindauer Doppelbahn (AuLiDo) mit der östlichen Ausfahrt aus München-Laim Rbf, der Eilgutbahn und der westlichen Zufahrt zum Bw München Hbf.
Hauptstadt Berlin Wenden wir uns nun Berlin zu. Für den Umschlag der in den 1930er-Jahresschnitten täglich nach Berlin gehenden knapp 900 000 Liter Milch waren vor allem der Berliner Nordbahn-
Die Rampe der Bayerischen Milchversorgung in Nürnberg besaß eine elektrisch betriebene Förderanlage für die Milchkannen (März 1932). FOTO: SLG. GERHARD
hof (ca. 500 000 l) und der Hamburg-Lehrter Bahnhof (ca. 260 000 l) zuständig. Weit mehr als die Hälfte der Transportmenge ging also an den Nordbahnhof. Weitere „Milchbahnhöfe“ waren der Ostbahnhof (ca. 60 000 l), Spandau (ca. 24 000 l), der Görlitzer Bahnhof (ca. 16 000 l) und Tegel (ca. 15 000 l).
Betrieb ab 2 Uhr morgens Der Nordbahnhof als größte Drehscheibe des Berliner Milchverkehrs öffnete schon um 2 Uhr morgens seine Pforten. Die ersten Milchwagen, ja ganze Wagengruppen standen da bereits an den Rampen (Gesamtlänge 1200 m). Alle Wagen liefen plombiert ein, wurden von den Lademeistern kontrolliert und dann zur Öffnung durch das Ladepersonal freigege-
Die Molkerei in Tulling besaß eine Laderampe am Streckengleis der Nebenbahn nach Wasserburg (1990). FOTO: CHRISTIAN GERECHT
98 532 mit Personenzug nach Herzogenaurach (oder Eschenau) samt bayerischem Milchwagen um 1932 in Erlangen. FOTO: ERNST SCHÖRNER
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ben. Bevor die Milch jedoch auf Fuhrwerke und Lastautos umgeschlagen werden konnte, musste die Hygieneprüfung durch die Gesundheitspolizei erfolgen. Allein am Berliner Nordbahnhof waren zu jener Zeit 300 Fuhrwerke und 100 Kraftwagen in den Transport zu den Molkereien eingebunden. In diesem Zusammenhang soll nicht unerwähnt bleiben, dass die DRG bereits in den 1930er Jahren vor allem in den endlosen Weiten Mecklenburgs und Ostpreußens Milchsammelverkehre mit eigenen Lastkraftwagen einrichtete, die die Milchkannen direkt zu den Molkereien brachten. Der Reichsbahn-Kalender berichtete im Juli 1930 unter dem Schlagwort „Der Eisenbahn-Milchstrom nach Berlin“: Bei der Versorgung der 4½ Millionen Berliner mit Lebensmitteln ist die Milchanfuhr für die Reichsbahn eine besonders schwierige Auf50 • Eisenbahn-Journal 11/2010
gabe. Größte Schnelligkeit ist geboten, soll die Milch frisch und zeitig ankommen. Berlin bezieht seine Milch zu 66% aus der Mark Brandenburg, zu 19% aus Pommern und zu 10% aus Mecklenburg. Der Rest kommt aus Schlesien und aus der Grenzmark.
365 Mio Liter jährlich Auf die aus Brandenburg stammende Milchmenge entfällt die Hälfte aus dem Havelland, während sich die andere Hälfte das Nord-, Süd- und Ostgebiet teilen. Nicht unerheblichen Schwankungen ist die Milchanlieferung auf dem Bahnwege während des Jahres unterworfen. Die größte Anlieferung findet in den Monaten Mai bis Juli statt, die geringste in den Monaten Februar und November. Um die im Jahresdurchschnitt 851 006 Liter Milch [Erhebung vmtl. vom Vorjahr 1929] zu beför-
dern, werden 270 Kurswagen beladen. Auch die Packwagen werden für kleinere Sendungen benutzt. Im Jahre 1927 reisten 365 Millionen Liter Milch nach Berlin (1913: 332 Millionen; 1926: 310 Millionen). Während tausende brave und einfache, braun gestrichene „Lastenesel“ den Milchstrom nach Berlin besorgten und dabei alle unbeachtet blieben, dürfte ein auffallend beschrifteter, in Kühlwagenmanier weiß lackierter Wagen der bekannteste aller Berliner Milchtransporter gewesen sein. Wie unschwer zu erraten, handelt es sich dabei um den Wagen der „Säuglings-Fürsorge“. Über sein Zustandekommen zu referieren würde viele Seiten füllen. Nur so viel: Der Wagen, es gab nur diesen einen, diente ab 1909 dem Transport der auf dem städtischen Gut Albertshof besonders hygienisch erzeugten Milch zu den sieben Berliner Säuglings-Fürsorgestellen. Dort konn-
Spezialwagen der Berliner SäuglingsFürsorge, geliefert 1909, auf dem Gut Albertshof. QUELLE: SÄUGLINGS-FÜRSORGE IN GROSS-BERLIN. III. INTERNATIONALER KONGRESS FÜR SÄUGLINGSSCHUTZ 1911, BERLIN 1911
Leere Kannen werden im Oktober 1954 in BerlinPankow in einen für Milchtransporte reservierten Kühlwagen eingeladen. FOTO: DR/SLG. KNIPPING
Milchkannenverladung zur Reichsbahnzeit, vermutlich in Berlin. FOTO: W. BÖHL/ SLG. REIMER
Der EisenbahnMilchstrom nach Berlin im Dezember 1927: pro Tag knapp 900 000 l. ABB.: REICHSBAHNKALENDER 1930/ SLG. BUFE
ten sich bedürftige Mütter kostenlos frische Milch für ihre Zöglinge abholen. Ziel dieser besonders reinen Milch war die Hebung des Gesundheitszustandes von Säuglingen, um so die Säuglingssterblichkeit zu senken. Natürlich erhielten schon damals solch besonders schön beschriftete Wagen beträchtliche Aufmerksamkeit. So war der Wagen der Säuglings-Fürsorge mehrfach in der zeitgenössischen Tagespresse abgebildet. Allerdings handelte es sich nicht um einen Kühl- oder Spezialwagen. Im Vergleich zu seinen braun gewandeten Brüdern war ihm nur ein Boden in verstärkter Ausführung spendiert worden. Warum nur das Gut Albertshof mit diesem einen Wagen „geadelt“ wurde, kann heute nicht mehr nachvollzogen werden, waren doch die anderen städtischen Güter Berlins ebenfalls in die Säuglings-Fürsorge einbezogen. Die Wichtigkeit des Projektes Säuglings-Fürsorge, beson-
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Butterfässer und Milchkannen stehen um 1935 an der Milchrampe am Anhalter Güterbahnhof in Berlin zur Abholung bereit. FOTO: DR/ SLG. GOTTWALDT
ders reine Milch mittels schnellen Transports den Fürsorgestellen zur Verfügung zu stellen, darf keinesfalls unterschätzt werden. Im Vergleich zur tatsächlichen täglichen Milchmenge, die Berlin schon zu Zeiten vor dem Ersten Weltkrieg erreichte, lagen die maximal 1200 Liter, die das städtische Gut Albertshof pro Tag erzeugte, zwar nur im Promillebereich, waren für 1000 bis 1200 Säuglinge jedoch von großer Bedeutung.
Importe aus Nachbarländern Schon einige Jahre vor der Säuglings-Fürsorge konnte über einen bemerkenswerten Schachzug berichtet werden. Er blieb zwar ohne größeren Einfluss, dafür aber von bemerkenswerter Innovation. Die Rede ist vom Milchimport dänischer Milch durch die Firma Max Heeckt aus Hamburg. Mit ihr sollten Berlin und Hamburg zusätzlich und möglichst preiswert versorgt werden. Zu diesem Zweck wurden 1905 insgesamt 18 Kühlwagen bei der DSB immatrikuliert. Völlig neu für deutsche Verhältnisse war, dass die Milch nicht mehr in Kannen, sondern in Tanks transportiert wurde, denn in die Kühlwagen waren große emaillierte Behälter eingebaut worden. Durch die Isolierung der Wagen, wohl auch Beeisung, wurde die Milch auf ihrem langen Weg frisch gehalten. Allerdings war diesem Milchverkehr keine lange Dauer beschieden. Bereits 1907 wurde der Import dänischer Milch wieder eingestellt. Preußische Großagrarier wussten durch ihre Lobby die Auflagen und Tarife für diese Importe so hoch wie möglich zu halten. Ein weiterer Import wurde damit schlichtweg
unrentabel. Bemerkenswerterweise wurde die Idee von Milchtanks bzw. Milchkesselwagen in Deutschland erst wieder in den 1950er Jahren aufgegriffen, worauf noch zurückzukommen ist. Ein besonderer und gleichsam erwähnenswerter Milchkurs ist auch für das Ruhrgebiet zu vermelden. Obgleich den Städten des Industriereviers aus dem Münsterland, Westfalen, dem Niederrheingebiet und dem Bergischen Land Milch in großem Umfang zugeführt wurden, war die Menge zu Beginn des 20. Jahrhunderts bis in die 1920er Jahre hinein nicht ausreichend. Aus diesem Grund wurde Milch aus den nahen Niederlanden bezogen und ein Milchkurs Winterswijk – Ruhrgebiet eingerichtet.
Milchversorgung Mülheim Die Stadt Mülheim liegt mitten in diesem dicht bevölkerten Ballungsraum. Ihre Milchversorgung ist typisch für beinahe alle größeren Molkereibetriebe oder Milchverwertungen in Deutschland. Gegründet wurde die Milchversorgung 1918 durch die Stadt Mülheim, die zuliefernde Landwirtschaft und den Milchhandel. Ihr Jahresumsatz lag zu jener Zeit bei ca. 5,3 Mio Liter Milch. Hauptlieferanten waren die zur Milchversorgung Mülheims gehörenden Molkereien Isselburg und Haldern. 1925 wurde in Mülheim eine Degerma-Anlage (kombinierte Erhitzung und Abfüllung der Milch) durch die Maschinenfabrik Schulz in Krefeld installiert. Ein Jahr später kamen eine Butterei-Einrichtung, eine Milchkühlanlage und ein Rahmkühlbassin dazu. Im gleichen
Jahr begann man Degerma-Flaschen mit AluKappen samt zugehörigen Transportkisten zu verwenden. Der Jahresumsatz erreichte 1929 zwar nur noch ein Volumen von etwas weniger als 4,5 Mio Liter Milch, davon wurden aber bereits 700 000 Liter in Flaschen abgefüllt (was einer Tagesproduktion von knapp 2500 Flaschen entsprach). Während der Weltwirtschaftskrise gingen Milchanlieferung und Umsatz weiter zurück. 1933 gab es erste Überlegungen, die Molkereien Isselburg und Haldern zu verkaufen oder genossenschaftlich zu organisieren. Ab 1934 sollten generell alle Privatmolkereien in Genossenschaften umgewandelt werden, dies geschah auch in Isselburg und Haldern. Ein Jahr später schieden der Milchhandel und die Stadtverwaltung Mülheims aus der Milchversorgung aus, diese wurde nun insgesamt als Genossenschaft weitergeführt. Damals gehörten ihr 225 Milchlieferanten mit rund 1500 Kühen an. Während der letzten Kriegsjahre des Zweiten Weltkrieges konnte die Versorgung der Stadt Mülheim nur mehr teilweise, zuletzt gar nicht mehr gewährleistet werden. Noch im Jahr 1945 erfolgte die Wiederaufnahme der Produktion und Schritt für Schritt auch die Sicherstellung der Milchversorgung. Doch erst 1955 erreichte der Jahresumsatz die Werte der Vorkriegszeit. Zusätzlich wurde Milch von niederrheinischen und westfälischen Molkereien zugekauft. Ihre Zufuhr geschah überwiegend mit den sechs betriebseigenen Lastwagen. Mit 60 Mitarbeitern erreichte die Genossenschaft zu dieser Zeit ihren höchsten Mitarbeiterstand. Ende der 1950er Jahre wurde das Lieferprogramm ausgeweitet: Neben Voll- und Magermilch waren Buttermilch, Joghurt, Kakao, Schlagsahne, Butter, Quark und Schichtkäse im Angebot. Wie in allen Bundesländern hatten in Nordrhein-Westfalen die Genossenschaftsmolkereien und Milchhöfe gegenüber den aufstrebenden großen Privatmolkereien das Nachsehen und so blieb es nicht aus, dass die Molkereigenossenschaft Mülheim 1970 geschlossen wurde.
Personenzug nach Nürnberg, fotografiert südlich von Erlangen, mit frisch lackiertem bayerischen Milchwagen hinter der P 8 (um 1935). FOTO: ERNST SCHÖRNER
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(Füllseite)
Milch für US-Truppen Die Moha - Milchwerke in Frankfurt bezogen ab 1952 regelmäßig Frischmilch bis aus Niedersachsen – und zwar in Kesselwagen, die Reisezügen mitgegeben wurden. Das hochmoderne Werk im Stadtteil Sossenheim war bald der wichtigste Milchlieferant der in Deutschland stationierten US-Soldaten.
I
n ganz anderen Dimension bewegte sich nach dem Zweiten Weltkrieg die Versorgung der alliierten Truppen mit frischer Milch. Sie stellten die Reichsbahn (West) und die junge Bundesbahn vor immense Herausforderungen, denn erstmals musste frische Milch auch über große Entfernungen transportiert werden. Als wichtigster Milchlieferant der Alliierten entwickelten sich dabei die in der jungen Bundesrepublik zentral liegenden Moha-Milchwerke in Frankfurt-Sossenheim. Die Moha wurde am Standort Sossenheim 1950 als eine der modernsten Molkereien Deutschlands in Betrieb genommen und verfügte neben modernen Milchverarbeitungsund Abfüllanlagen auch über eine EiscremeHerstellungsanlage. Die weithin bekannten Kesselwagen, die der Moha in einer Stückzahl von 20 Einheiten von der DB zur Verfügung gestellt bzw. von der Moha angemietet wurden, waren in Sachen Bahntransport das Aushängeschild des
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Unternehmens. Sie waren jedoch nur ein Teil der von der Moha genutzten Wagenflotte. Die DB baute in der Hoch-Zeit dieses Milchverkehrs, also Mitte bis Ende der 1950er Jahre, zusätzlich eine kleine Zahl von Kühlwagen der Gattung Tns 31 um und versah sie mit zwei großen Milchtanks. Im Unterschied zu den anderen Umbauwagen, die aus Tns 31 entstanden waren und die von der DB mit je einer stirnseitigen Eisluke ausgerüstet wurden, behielt man bei den Milchtank-Kühlwagen die beiden an den Wagenseiten befindlichen Eisluken bei und verdoppelte sie auf vier. So konnte die Milch effektiver gekühlt werden. Allerdings wurden die Wagen nur relativ kurz eingesetzt und schieden vermutlich noch vor Beendigung der Moha-Milchtransporte 1968 aus dem Bestand der DB. Ebenfalls nur kurze Zeit stand für die Moha ein in FrankfurtHöchst beheimateter Mittelcontainer-Tragwagen mit leicht isolierten pa-Behältern der Type Ddikr für Milchtransporte im Einsatz.
Die Moha-Milchkesselwagen wurden 1952 als EKW 51 (Einheits-Kessel-Wagen) immatrikuliert, jedoch schon 1953 in Tkkh 53, später korrigiert in Tkkmhs 53 umgezeichnet. Der isolierte Innenkessel aus Reinaluminium war unterteilt in zwei Kammern mit einem Gesamtvolumen von 20 m3. Die Isolierung bestand aus Kork und Kunstharzschaum, war 10 cm stark und hielt Temperaturdifferenzen von ± 2 °C über 15 Stunden. Auch die äußere Kesselabdeckung bestand aus Aluminium. Die Kesselkammern verfügten über je eine Einfüllöffnung und jede für sich über eine nach beiden Seiten führende Entleerungseinrichtung mit verschließbaren Ablaufrohren. Die Wagen besaßen Hildebrand-KnorrBremse, einen Handbremsstand und waren mit elektrischer sowie Dampfheizleitung ausgerüstet. Ihre Länge über Puffer lag bei 8,74 m oder 8,80 m, der Achstand betrug einheitlich 4,5 m. Bei einem Eigengewicht von 12 t lag die Lastgrenze für alle Streckenklas-
BAHN & MILCH OBEN: V 36 204 rangiert mit einem Milchkesselwagen in Hude (1954). FOTO: CARL BELLINGRODT/ARCHIV EJ LINKE SEITE OBEN: Ein DB-Werbefoto aus der Zeit um 1955: Frischmilch aus Strückhausen (an der Strecke Brake – Oldenburg) wird in einen Moha-Milchtankwagen umgefüllt. 55 2817 mit zwei Moha-Milchkesselwagen, einem Mittelcontainer-Tragwagen und fünf Kühlwagen bei Frankfurt-Höchst (Februar 1957). FOTO: KURT ECKERT/ARCHIV CLAUS
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Am 1. September 1963 bringt 50 2178 beim Bw Frankfurt 3 drei Milchkesselwagen von Frankurt-Höchst nach Frankfurt Hbf. FOTOS: DR. ROLF BRÜNING (2)
sen bei 20 t. Die Wagen waren bis 100 km/h schnelllauffähig. 1968 wurden sie aus dem Milchverkehr zurückgezogen und für Weintransporte umgebaut. Mit den EKW 51 und den Umbau-Tns 31 konnte Milch aus größeren Entfernungen nach Frankfurt-Sossenheim spediert werden. Die hierfür betriebene Logistik ist auch aus heutiger Sicht mehr als bewundernswert. Die
großen Entfernungen legten die EKW 51 in Schnellzügen, Eilzügen und schnellen Expressgutzügen zurück, ehe sie (zumeist) in Frankfurt-Höchst vom Zugstamm abgehängt und nach Frankfurt-Sossenheim verbracht wurden. Allerdings bezog die Moha auch Milch aus der näheren Umgebung. Ebenso war sie nicht, wie oft vermutet, nur für die Versorgung der Alliierten zuständig. Sie
Die 41 281 hat am 13. Juni 1959 auf der Main-Weser-Bahn bei Kirchhain den E 579 (Frankfurt/M. – Celle) und zwei Moha-Wagen am Haken.
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verfügte, neben wenigen Milch-Fuhrwerken mit „Pferdemotor“ für den allernächsten Umkreis, auch über eine Flotte an Kleinlastern und Lkw, mit der Milch und Milchprodukte im Rhein-Main-Gebiet verteilt wurden. Der Abtransport der Flaschenmilch zu den näheren Standorten der Alliierten erfolgte in Moha-Lkw, auf größeren Distanzen auch in DB-Kühlwagen.
Helmstedt 1964: Der verspätete D-Zug der Westalliierten befördert in den Kühlwagen vielleicht auch Moha-Flaschenmilch nach Berlin. FOTO: ROLF HAHMANN
Übrigens waren Milchprodukte und Eier die einzigen Lebensmittel, die die US-Truppen aus Deutschland oder Dänemark erhielten. Alles andere, von Chickenwings über Burger-Gürkchen bis hin zu Ketchup-Flaschen und Toilettenpapier, kam aus den USA. Immerhin konnten mit den 20 Stück EKW 51 wöchentlich bis zu 600 000 Liter Rohmilch vorwiegend aus der Wesermarsch, dem Raum
Oldenburg und der Grafschaft Bentheim zur Moha befördert werden. Dabei wurde die Milch an den Versandstellen zwischen Vormittag und frühem Nachmittag verladen und in Nahgüterzügen und Personenzügen zu den Versandknoten befördert. Von dort aus gingen die Moha-Kesselwagen in Schnell- und Expressgutzügen nach Frankfurt (Main) Hbf und wurden, wenn nicht ohnehin bereits in
Frankfurt-Höchst abgehängt, dorthin überstellt und mit Übergaben nach Frankfurt-Sossenheim gebracht.
Zugläufe mit Moha-Wagen Der Zulauf der EKW 51 nach FrankfurtSossenheim konnte auch innerhalb derselben Stammzüge recht variantenreich
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sein und dürfte wohl beinahe jedes Jahr bzw. mit fast jedem neuen Zugbildungsplan ein wenig anders gehandhabt worden sein. Der vielleicht bekannteste Lauf eines EKW 51 erfolgte über viele Jahre im D 76 Kiel – Lindau und in dessen Zubringer D 176 Cuxhaven/Bremerhaven – Hannover (– Frankfurt/Main). 1953 war der Transportweg des Milchwagens von Wüsting (an der Strecke von Oldenburg nach Bremen gelegen) nach Frankfurt-Sossenheim besonders ausgeklügelt: Im Zug 82505 wurde der Moha-Milchkesselwagen von Wüsting nach Bremen Hbf befördert und dort dem D 176 Cuxhaven/Bremerhaven – Hannover – Frankfurt (Main) beigestellt. In Hauptbahnhof Hannover übergab der D 176 den Milchwagen sowie die Kurswagen nach Friedrichshafen (B, AB) und Stuttgart (WLA) an den D 76. Ab Hannover Hbf lief der EKW 51 an der Zugspitze, nach dem Kopfmachen des D 76 in Kassel Hbf jedoch am Zugschluss. Nach der frühmorgendlichen Ankunft in Frankfurt (Main) Hbf wurde der Milchwagen in einer Übergabe nach Frankfurt-Höchst und nach nur kurzem Aufenthalt mit einer weiteren Übergabe nach Frankfurt-Sossenheim zur Moha überstellt. Auch die Bentheimer Eisenbahn (BE) war in den Verkehr mit den Moha-Milchwagen einbezogen. Die Molkerei am BEBahnhof Hestrup belud den Wagen bereits im Laufe des Vormittags. Der mittägliche VT-Kurs nach Bentheim nahm den EKW 51 mit und übergab ihn in Bentheim der DB. Bereits gegen Mitternacht traf der Milchwagen als einer der ersten in Frankfurt (Main) ein. Später fuhren Moha-Milchkesselwagen von Hestrup direkt nach Berlin: Über Bentheim – Braunschweig – Helmstedt ging es nach Berlin-Charlottenburg. Wer die Zugnummern wissen will: Sie lauten Dm 80672 bzw. Dm 80638, Zubringer waren E 515 und E 621. Es ist zu vermuten, dass die Molkerei Hestrup zu dieser Zeit bereits pasteurisierte Milch liefern konnte, was in den Jahren 1953 bis etwa 1955 offensichtlich noch nicht der Fall war. Ein weiterer wichtiger Moha-Kurs mit drei Milchkesselwagen war der Expr 3026 Hannover – Kassel – Gießen – Frankfurt (Main). Er erhielt, wieder von Bremen Hbf 58 • Eisenbahn-Journal 11/2010
aus, in Hannover Zugang von drei EKW 51, die nachmittags in Wüsting, Struckhausen und Westerstede mit Rohmilch beladen wurden und mit dem Expr 3026 im Nachtsprung von Hannover nach Frankfurt (Main) Hbf gelangten. Mit der Üg 17483 ging es nach Frankfurt-Höchst und von dort weiter zur Moha. Zuletzt sei noch auf eine der herrlichsten Zugbildungen mit EKW 51 hingewiesen: Der E 502 (Frankfurt/Main ab 16:10 Uhr, Heidelberg an 17:50 Uhr) beförderte im Sommerfahrplan 1956 am Zugschluss zwei leere MohaKesselwagen aus Frankfurt-Sossenheim mit Ziel Ulm Hbf bzw. Augsburg Hbf. Michael Meinhold hat den mit einer P 8 bespannten Zug in seinem Band „Zugbildung (1)“ dokumentiert: B* - A* - B3y - B3y - Tkkh -
Tkkh) . Bei den mit * gekennzeichneten Wagen handelte es sich um Eilzugwagen der Verwendungsgruppe 36.
Dänische Milch für die US Army Nicht nur die Moha trug zur Versorgung der alliierten Truppen bei. Ein völlig in Vergessenheit geratener wichtiger Milchkurs für bereits in Flaschen abgefüllte Milch bestand von früher Nachkriegszeit an bis weit in die 1950er Jahre hinein. Dänische Molkereien brachten per Lastwagen in Flaschen abgefüllte Milch zum Rangierbahnhof Flensburg Weiche. Der Bahnhof galt lange Zeit als verkehrsreichster Grenzbahnhof Norddeutschlands und hatte zu seinen besten Zeiten eine Bergleistung von 1000 Waggons. Die dänischen Milchfla-
LINKS: Die Milchflaschen wurden in Flensburg vom Lkw in Kühlwagen umgeladen – aufgenommen im Februar 1953. FOTOS: ARMIN OTTO SCHEICH (SH:Z-VERLAG) /ARCHIV DR. KAUFHOLD (2) DARUNTER: Im Sommer 1948 steht in Flensburg ein Kühlwagen der Bauart Ths 42 mit dänischer Milch, abgefüllt in Flaschen, zur Fahrt nach Österreich bereit. FOTO: SLG. SCHÖNFELD /ARCHIV DR. KAUFHOLD
LINKE SEITE OBEN: 57 3454 ist mit Kühlwagen von den Moha-Milchwerken nach Nordenham (MilchKurswagen) in Frankfurt-Höchst eingetroffen (Februar 1957). FOTO: KURT ECKERT/ARCHIV CLAUS LINKE SEITE MITTE: Zwei der 20 Moha-Milchkesselwagen, die die DB 1952 beschaffte: EKW 51 Nr. 099514 und 099502. FOTO: DB/SLG. CARSTENS
schen wurden, verpackt in Drahtgestelle, an den Rampen oder Ladestraßen von Flensburg Weiche in Kühlwagen der DSB, der Bizone, später DB, aber auch in Privatkühlwagen des „Denmark-Austria-Milk Service“ verladen. Die Aufschriften dieser Kühlwagen wiesen zugleich auf deren weitestes Ziel hin: USTruppen in Österreich. Aber nicht nur die US-Einheiten des Alpenlandes wurden mit dänischer Milch versorgt. Auch einige Standorte der Alliierten in Deutschland profitierten von diesen Transporten. Aus bis zu 16 Kühlwagen bestanden die Züge, die sechsmal in der Woche verkehrten. In der Nachkriegszeit und in den frühen 1950er Jahren dürften diese Milchzüge die wohl schnellsten Güterzüge Westdeutschlands gewesen sein. Sie benötigten trotz meh-
rerer Zwischenaufenthalte mit Nachrangieren und Lokwechseln von Flensburg Weiche bis Salzburg maximal 28 Stunden, erreichten also „Reisegeschwindigkeiten“ von über 50 km/h. Zwar wurden 1954 wöchentlich noch 500 000 Milchflaschen verladen, doch nahm dieser schnelle Milchverkehr im weiteren Verlauf der 1950er Jahre durch Umstrukturierung und die zunehmende Milchleistung Westdeutschlands immer weiter ab. Über die Einstellung dieser Züge liegen leider keine gesicherten Daten vor. Es ist jedoch davon auszugehen, dass nach 1956 keine Milchzüge Flensburg Weiche – Salzburg mehr verkehrten. ❑
TEXT (SEITE 30 BIS 59): CHRISTIAN GERECHT
Quellen: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Dr. Freiherr von Röll 1915 Landesvereinigung der Bayerischen Milchwirtschaft e.V. Moha Milchversorgung Frankfurt (M) eG Nürnberg, Geschichte, Geschichten und Gesichter einer Stadt DR, Reichsbahnkalender Carstens/Diener, Güterwagen Band 2, Gedeckte Wagen – Sonderbauarten Dr. Hufnagel, Milchwagen der Kgl.Bay.Sts.B., Eisenbahn-Journal 6/1984 Kaufhold/Klein/Schikorr, 150 Jahre Eisenbahn in Flensburg, Lok Report-Verlag 2004 Meinhold, MIBA Report Zugbildung (1) Reif/Pomp, Milchproduktion und Milchvermarktung, digitalis.uni-koeln Scheller, Milchwagen der KPEV/Milchkühlwagen DSB f. Max Heeckt (unveröffentlicht) Swoboda, Eisenbahn Gelsenkirchen-Bismarck – Winterswijk, Kenning Verlag 1996 Verein der Freunde der Domäne Dahlem Wilson, Industries Along The Tracks (2), Kalmbach Publishing 2006 Wolff, Deutsche Klein- und Privatbahnen Bd. 6, EK-Verlag 2000 Zentralverband der Milcherzeuger in Bayern e.V./ Milchwirtschaftlicher Informationsdienst Gerecht, eigene Aufzeichnungen und Unterlagen (Milchzulauf nach Münchener Bahnhöfen, Milchversand Pähl und Wilzhofen, Milchversorgung Mülheim, München-Laim Rbf)
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BAHN & MILCH Zwei, die nie zusammenkamen: ein älterer Zweiachser der Milchversorgung Nürnberg von Trix und der im Umland von München eingesetzte BrawaMilchwagen, beide mit Anschriften der Epoche I. Die dekorativen Anschriften des Trix-Modells (das es auch in N gegeben hat) dürften fiktiv sein, da die Bayerische Milchversorgungs GmbH erst 1930 gegründet wurde.
MilchModelle Fast jeder wichtige Hersteller hat schon Wagen für den Milchtransport im Programm gehabt. Ein bunter Reigen durch rund 80 Jahre Bahngeschichte, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Märklins Modell des bekannten Berliner „Säuglings-Fürsorge“Wagens. Es basiert auf einem württembergischen Bierwagen, ist aber korrekt beschriftet. Ähnliche Modelle brachte die Firma auch in I und Z. Milchtransport auf Schwäbisch: Brawas württembergischer Packwagen aus der „Amerikaner“Serie ist werksseitig mit einer stattlichen Zahl von Milchkannen im Laderaum bestückt. Das Modell gibt es auch in DRG-Version.
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Weithin bekannt sind die Moha-Kesselwagen – nicht zuletzt wegen einiger Modelle in diversen Nenngrößen. Vorbildgerecht ist aber nur der von Krüger Modellbau angebotene Waggon, ein sehr detaillierter Kleinserienbausatz. Dieses Exemplar wird auf der Anlage von ROLF HARTMANN (AUCH FOTO) rangiert.
ALLE NICHT GEKENNZEICHNETEN MODELLFOTOS: CHRISTOPH KUTTER
Bei der ÖBB eingestellter Tragwagen der Molkereigenossenschaft Wolfsberg in Kärnten mit fünf Wechselbehältern der Molkereigenossenschaft Oberwart im Burgenland, Epoche-III-Modell von Märklin. Im Doppelset gab es diesen Wagen auch mit Epoche-IV-Anschriften und Behältern der Firma Schärdinger Milch. Bereits in den 70er Jahren hatte Liliput (Wien) einen Wagen mit vier Milchtanks im Programm, BachmannLiliput um 2000 ebenfalls, aber auf dem Fahrgestell eines Omm Linz.
Außerbayrischen Milchtransport zu Epoche-IIZeiten ermöglicht das Piko-Modell eines per weißen Anstrich zum Kühlwagen Gk Berlin verwandelten Gr Kassel. Zum Milchwagen macht ihn eine kleine Anschrift links neben der Schiebetür. (Pfeil)
Außerdem ... ... offerierte Raimo um 1980 den jetzt von Brawa erhältlichen bayrischen Milchwagen als Kleinserienbausatz in Weißmetall- und Messingbauweise. Er war mit Anschriften von K.Bay.Sts.B. und DRG erhältlich. ... brachte Trix 1997 einen weißen bayerischen Dreiachser mit Bremserhaus, dessen Vorbild 1904 als Gpmn 39998 auf der Strecke Nördlingen–Gunzenhausen (–Nürnberg?) eingesetzt war. Der Wagen wurde auch in N angeboten. ... hatte diese Firma in beiden Nenngrößen einen vermutlich fiktiven zweiachsigen preußischen Milchwagen der Meierei C. Bolle im Programm. ... gab es von Trix und Minitrix einen Epoche-IV-Kühlwagen der Bauart UIC 2 mit Anschriften und Paladin-Markensignet der Bayerischen Milchversorgung GmbH Nürnberg.
Milchtransport Mitte der 80er Jahre (Epoche IV): Per DB-Tragwagen mit Flüssigkeitscontainer rollt die Milch nicht mehr zur Molkerei, sondern von dieser in den Export, z.B. nach Italien. Das Modell war eine Sonderserie von Roco für die Molkereigenossenschaft Berchtesgadener Land.
... fertigte Märklin auf Basis genieteter Kesselwagen Interpretationen des Moha-Wagens in H0 und Z.
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BAHN & MILCH
Münchner Milch Kann ein Anlagenentwurt zum Thema „Milchverkehr“ spannend sein? Durchaus – es kommt darauf an, wie man’s anpackt! CHRISTIAN GERECHT hat sich auf Basis des Bahnhofs München-Giesing eine attraktive Anlage mit viel Lokalkolorit sowie umfangreichem Bahn- und Trambahnverkehr einfallen lassen.
A
ls von Seiten des EJ angeregt wurde, zum Hauptartikel über den Milchverkehr bei der Eisenbahn auch eine thematisch passende Anlagenplanung zu schaffen, war mein Tatendrang erstmal groß. In Bayern sollte die Anlage angesiedelt sein, am besten in Oberbayern, Motiv Hauptbahn mit abzweigender Lokalbahn und in überschaubarer Größe. Etwa drei Viertel aller Lokalbahnstrecken Bayerns und deren Endbahnhöfe hätten sich als Vorbilder dafür geeignet. Doch erst als ich mir die zu bedienenden kulturellen Klischees durch den Kopf gehen ließ, ging es auf einmal blitzschnell vorwärts: große Molkerei – Oberbayern – gute alte Zeit – Lokalbahnstrecke – Bier – Weißwurst – Lederhosen – MÜNCHEN!
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Nein, nicht ein Betriebsdiorama des Milchladehofs an der Hackerbrücke wollte ich entwerfen, sondern richtiges, greifbares Lokalkolorit. Selbiges gibt es für eine halbwegs überschaubare Anlagenplanung nur im alten Münchner Isartalbahnhof, in Mittersendling, in Schwabing, Johanneskirchen und in Giesing. Die bis 1938 von der LAG betriebene Strecke der Isartalbahn fiel wegen ihres speziellen Fuhrparks schnell weg. Mittersendling mit seinen mit Sicherheit längsten Industriestammgleisen der Stadt ließ sich nicht nachbilden und Johanneskirchen mit seinem früheren Umfeld aus Tongruben und Ziegeleien passte nicht recht ins „Milchschema“. München-Schwabing wäre als reiner, aber wunder-
schöner Güterbahnhof wohl nur für wenige Modellbahnfreunde attraktiv gewesen. Es blieb also Giesing. Giesing, das Arbeiterviertel, Heimat der „Löwen“, des Fußballvereins 1860 München. Ein Stadtteil zwischen tristen Mietshäusern, kernigen Vorstadtwirtschaften und Industrieansiedlungen. Darzustellen zur Zeit der späten Gruppenverwaltung Bayern, also grob gesagt zwischen 1927 und 1932. Giesing sollte allerdings nicht strikt ins Modell umgesetzt werden, sondern quasi als ideelles Vorbild dienen, als mit etwas Fantasie auch anderswo denkbarer Vorortbahnhof. In unserem Falle natürlich mit immensem Lokalkolorit ausgestattet, Münchens Stadtkulisse mit hauchfein angedeutetem Liebfrauendom inklusive!
Um so viel wie möglich vom „krachledernen“ Lokalkolorit mitzunehmen, habe ich die Anlage als höhengestaffelte Bühne mit Kulisse entworfen. In den USA und Großbritannien ist so etwas derzeit ziemlich beliebt. Allerdings sind die dort gezeigten Anlagen meist kleiner als diese. Mit der Realität um 1930 hat der Entwurf nur bedingt zu tun. Damals war Giesing in Höhe seines bis 1908 errichteten Bahnhofs nur spärlich bebaut und – wie die ganze Münchner Schotterebene – im Prinzip brettleben. Eh keine gute Voraussetzung für eine Modellbahn. Doch wir haben es hier ja mit einem idealen Giesing zu tun, sozusagen mit einem künstlerisch bearbeiteten. Also wurde der Bahnhof auf der untersten Ebene und leicht schräg verlaufend angelegt. Die von München Ost her kommende zweigleisige Strecke erreicht ihn von rechts. Als Kulisseneinfahrt dient die VonSchlör-Brücke. Sie wird auf Straßenhöhe von einem Arbeiter-Mietshaus flankiert, an dessen Unter- und Kellergeschoss die Lagerhalle der Spedition Falk & Fey anschließt. Letztere hat einen Gleisanschluss, den sie sich allerdings mit der vorne am Anlagenrand gelegenen Kohlenhandlung Wellano teilen muss. Der Modellbahnhof München-Giesing besitzt nur drei Hauptgleise und teilt sich südlich
Der Anlagenplan. In 1:87 Länge 420 cm, gesamte Tiefe 140. Hinter der geschwungenen Mittelkulisse führen zwei offen liegende Strecken nach unten zum Schattenbahnhof. Man sollte daher hinter der Anlage einen Durchgangsweg freihalten. Mit solchen Zügen gelangte bis in die 50er Jahre Milch aus dem bayerischen Oberland nach München: vorne eine 54er als Zuglok, dann einige Milchwagen (hier der jüngere Tonnendach-Typ), zuletzt der Personenzug-Teil. Diese nach München Ost fahrende Garnitur wurde 1947 kurz vor Giesing aufgenommen.
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Die Legende zum Anlagenplan auf den vorangehenden Seiten. Plan des Bahnhofs Giesing um 1930. Auffallend sind die vielen Industrieanschlüsse, die mit nicht weniger als drei Wagendrehscheiben ausgestattet sind.
(links) in die beiden eingleisigen Lokalbahnstrecken nach Deisenhofen und Aying. Diese verliefen eine ganze Weile parallel zueinander, was uns im Modell sehr entgegenkommt. Sie verschwinden am linken Anlagenrand unter der Schwansee-Brücke und dann zwischen hoch wucherndem Gesträuch in die Hintergrundkulisse. Als Empfangsgebäude reicht ein sogenannter bayerischer Würfel, den es leider nur als gelaserte Modelle von MBZ aus Karton und Holz gibt. Beispielsweise der Bahnhof Aubing mit seinem herrlichen Backsteinmauerwerk passt ganz hervorragend in ein Arbeiterviertel! Der reale (denkmalgeschützte) Giesinger Bahnhof wäre für diesen Entwurf viel zu groß. Von den im Plan eingezeichneten Anbauten des Bahnhofs sollte man zumindest den linken übernehmen, denn Bahn- und Signalmeister wissen eine kleine Unterkunft samt Materiallager zu schätzen. Verwendet man nicht irgendeinen (im Stil dann nicht passenden) Bausatz, muss man zum Selbstbau greifen. Allerdings ist ein Bahnhofsgebäude mit vier nur wenig verzierten Wänden nicht halb so schwer selbst zu bauen, wie es sich viele vorstellen.
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Links neben dem Empfangsgebäude steht eine Güterabfertigung, an deren zwei Hallentoren gleichzeitig je ein abgehender und ein ankommender Stückgutwagen be- bzw. entladen werden kann. Davor befindet sich ein Aufstell- und Waaggleis inklusive Lademaß. Eine zweite Ladestraße habe ich am Bahnübergang direkt gegenüber dem Empfangsgebäude vorgesehen. Vor allem weil hier herrlich auf Augenhöhe rangiert werden kann und schöne Ladeszenen sich arrangieren lassen, erschien sie mir wichtiger als die kombinierte Kopf-/Seitenrampe an der Güterabfertigung.
Milch von Monarch Doch nun zum eigentlichen Thema dieses Anlagenentwurfs, den Monarch-Milchwerken. Ihr Firmenareal befindet sich links vorne. In Wirklichkeit hatte hier über Jahrzehnte hinweg die Firma Dallmayr ein Lagerhaus. Eine tatsächliche Molkerei wäre in Giesing, das täglich von diversen Milchtransporten aus dem Oberland passiert wurde, gar nicht so abwegig gewesen. Nachweisbar ist keine, auch der Name „Monarch-Milchwerke MüGiesing“ ist Fiktion.
Die lange Halle der Milchwerke dient dem Umschlag der vielen per Bahn angelieferten Milchkannen. In dieser Halle wird die Milch gewogen und über große Becken dem Kreislauf der Milchverarbeitung zugeführt. Entrahmung, Kühlung, Abfüllung sowie die Quark- und Joghurtproduktion befinden sich im anschließenden Gebäudeteil, der nur noch als Halbrelief darzustellen ist. Mittels einer zusätzlichen Rampe entlang des Anschlussgleises können weitere Lieferfahrzeuge und Fuhrwerke be- und entladen werden. Jenseits der Streckengleise finden wir mit der Teer- und Bitumenfabrik Singerl & Weiß die „schwarze Seite“ der Giesinger Industrie. Sie erhält vornehmlich Teerkesselwagen, ab und an aber auch Gedeckte, wenn z.B. Kübel mit Bitumenemulsion über die Stadtgrenzen hinaus zu spedieren sind. Diese Wagen können über eine kleine Waggondrehscheibe in den Ladeschuppen gelangen. Findige Tüftler werden die Drehscheibe sicher motorisieren und sich, vielleicht mittels eines spurgeführten Spills, daran versuchen, einen G-Wagen in den Ladeschuppen und zurück zu spillen. Oberhalb der Teerfabrik verläuft die Schwanseestraße bereits in vorstädtischem
Panoramazeichnung des rechten Anlagenteils zwischen „Gasthof Sommer“ (links) und Spedition Falk & Fey (rechts). Die durch die Höhenstaffelung erreichte Bühnenwirkung wird hier deutlich.
Brachland. Aber nur ein wenig weiter stadteinwärts findet sich das kleine zweigleisige Depot der alten Tramlinie 7, die mit Einzelwagen betrieben wird. Im Modell verkehrt die Straßenbahn nur zwischen der Endhaltestelle Bf Giesing an der großen Freitreppe gegenüber dem Bahnhofsgebäude und einer verdeckten Rückfallweiche am großen Mietshaus bei der Spedition Falk & Fey. Kein Problem dürfte es sein, die Tram zu automatisieren. Selbst ein Wagenwechsel via das Tram-Depot wäre möglich. Das Modell einer „richtigen“ Münchener Altbau-Tram dürfte da schon das größere Problem sein ... Im weiteren Verlauf der Schwanseestraße nach rechts finden sich ab dem TrambahnDepot nur einige Miets- und Geschäftshäuser sowie Kleinwerkstätten, alle im Halbrelief dargestellt. Größtes Gebäude ist das Wirtshaus Sommer mit obligatorischer Gassenschänke und dem besten „Schweinsbraten mit Semmelnknödeln“ weit und breit. Gegenüber liegt die Konditorei/Bäckerei Brem, die zudem ein gepflegtes Café betreibt. Zwei Häuser weiter findet sich die Buchbinderei Wanninger, ein kleiner Kellerbetrieb nur, doch weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Keinen guten Ruf genießt das Einzelhaus an der Kurve der Schwanseestraße: Das städtische Ledigenheim ist als Ort handfester Raufereien berüchtigt. Nach dieser, im Volksmund „Räuberhöhle“ genannten Lokalität schließt sich ein Brachstück an, das bis zur rechten Anlagenecke reicht. Wer sich als Kulissenmaler versuchen will, kann hier mit leichtem, „diesigem“ Pinselstrich die tiefer liegende
Münchner Stadtsilhouette mit den Türmen von Frauenkirche und Altem Peter andeuten. Am Bahnhofsvorplatz hat sich rechts neben der Freitreppe ein kleiner Obst- und Gemüsemarkt mit festen Ständen etabliert. Zwischen ihnen und der Bahn wurden bereits 1910 zwei Bediensteten-Wohnhäuser nach den Normalien der Bayerischen Staatsbahn errichtet. Eine mannshohe Hecke umfriedet die kleine Siedlung. Auch und gerade zur Bahn hin, die hier einen kleinen Stützpunkt mit Wasserkran und Aschkiste für die Giesinger Rangierlokomotive errichtete. Oberhalb der Eisenbahnerhäuser thront eine Trafostation, die die Tramlinie mit Strom versorgt.
Handfestes Für Fantasy-Giesing war das Tillig-Gleissystem die erste Wahl, bedingt durch seine durchdachte Geometrie sowie seine betriebssicheren Normal- und Kreuzungsweichen. Immerhin wurden mehrere der eleganten Einfachkreuzungsweichen Bauart Bäseler verplant. Bei den Weichenantrieben sind flachere Typen vorzuziehen, da der Abstellbahnhof „nur“ 24 cm unter dem Bf Giesing liegt. Empfehlenswert sind beispielsweise die preiswerten und gerade einmal 2 cm hohen Conrad-Antriebe. Sie sind solide und behindern kaum den Zugriff in die Unterwelt. Auch für den Schattenbahnhof könnten sie Verwendung finden. Dieser ist ohnehin eine Herausforderung besonderer Art. Zwei eingleisige Strecken mit einer zweigleisigen Strecke so zu verbinden, dass die Züge nach allen Richtungen ausfah-
ren können, erforderte einige Nerven. Selbst bei einer doch eher großzügigen Anlage wie dieser geht der Platz schnell aus. Da Bogenweichen vermieden werden sollten, gelang das Unterfangen nur, indem ich eine Gleisverbindung, die eigentlich innerhalb des Schattenbahnhofs liegen sollte, nach oben zwischen die beiden eingleisigen Streckenabschnitte verlegt habe. Nun konnte nicht nur der so wichtige Milchzug vorbildrichtig verkehren, sondern auch die mehrmals täglich zwischen München Ost und Deisenhofen pendelnden Akkutriebwagen im Richtungsverkehr, sprich mit Kopfmachen im Abstellbahnhof. Zwar schrumpften dabei die Nutzlängen der Abstellgleise, doch war das nicht zu umgehen. Immerhin reichen sie für alle in Giesing verkehrenden Züge. Lediglich der dokumentierte „Milchzug“, bespannt mit der BR 5416, musste in Form eines Milchwagens und zweier Personenwagen Federn lassen. Mehr zu diesem Zug weiter unten. Für den Unterbau könnte man statt Holz auch verstrebte Metallprofile verwenden. Vier längs und quer verlaufende Träger bilden die Auflage der beiden Anlagenebenen. Ein Zugang zum Schattenbahnhof (siehe Zeichnung) muss frei bleiben. Wer den Vorschlag einer „Modellbahn-Bühne“ verwirklichen möchte, muss senkrechte Profilträger bis in Höhe einer Beleuchtungsblende vorsehen. Vier längs und quer verlaufende Profile oben dienen nicht nur der Stabilität, sondern tragen auch den Anlagenhimmel. Die ausgerundete Hintergrundkulisse wird mit diesem Himmel fugenlos verbunden.
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Verarbeitungsgebäude für Milch, Butter und Quark Schutzdach Milchkühlanlage
Heizanlage Kohlenkeller
Straßenrampe
Gleisanschluss
Milchannahme, Becken und Förderanlage
Trafohäuschen mit Notstromaggregat
Monarch-Milchwerke München-Giesing.
Kulisse
Oben aus Richtung des Anschlussgleises (also von rechts), unten von der Anlagenvorderseite aus. Das Hauptgebäude stößt an die Kulisse und wird von dieser abgeschnitten. Auf der Rückseite der Lieferhalle unten sind die Tore durch Fenster zu ersetzen. Abbildungsmaßstab für H0 1:21, Modellänge ca. 47 cm.
Zwar ist die Ausleuchtung der Bühne bei einer solchen Anlagentiefe nicht ganz einfach, sie sollte aber in den vorderen 30 bis 40 cm Himmel angebracht werden. Eine genügend tiefe Blende muss so weit herabreichen, dass die Leuchtmittel aus gewöhnlichem Betrachtungswinkel nicht eingesehen werden können. Halogenstrahler mit diffusen Lichtquellen leuchten dabei die Tiefe der Anlage aus und sollten sich mit Spots ergänzen, die ausschließlich auf die Bahnhofsanlage gerichtet sind. Viel Arbeit, sicher. Aber wer einmal eine solche nach Bühnenart ausgeleuchtete Anlage gesehen hat, wird absolut beeindruckt sein und diese Mühe auf sich nehmen.
Betrieb Sowohl die Vorortbahn nach Deisenhofen als auch die Lokalbahn nach Aying bzw. Kreuzstraße waren im dargestellten Zeitraum Refugium der flinken und leistungsfähigen Zweikuppler-Baureihen 70 und 73. Ein Novum im Münchner Vorortverkehr waren seit 1926 die Akkutriebwagen der späteren Rei66 • Eisenbahn-Journal 11/2010
hen ETA 177 und 179 (Wittfeld bzw. DRGBauart). Sie übernahmen zunächst in den verkehrsschwachen Zeiten die Pendelfahrten zwischen München Ost und Deisenhofen, bewährten sich jedoch so gut, dass sie den 70ern immer mehr den Rang abliefen. Lediglich in den Hauptverkehrszeiten behaupteten sich diese mit ihren aus bis zu fünf Dreiachsern plus „Packlwagen“ bestehenden Zügen. Erst Mitte der 30er Jahre wurden sie nach und nach durch die BR 64 abgelöst. Die Ayinger Züge bestanden noch aus bayerischen Lokalbahnwagen. Drei lange Drittklassige (CL), ein Lokalbahn-Güterwagen (GwL) oder ein Post-Packwagen (PwPost) reichten für die Bedürfnisse der Strecke zumeist aus. Im Sonn- und Feiertagsverkehr, wo es viele Ausflügler zu befördern gab, kamen zwei Wagen hinzu. Den Güterverkehr der Lokalbahn bestritten zu jener Zeit die kleinen Kraftpakete der Baureihe 988. Mal gingen nur vier Waggons auf die Strecke, mal waren es zehn. Immer dabei war ein GwL, in dem neben neuen Heugabeln und Sensen eine Kiste mit Ferkeln, Körbe mit Hühnern, gewöhnli-
ches Stückgut oder einfach auch mal ein paar Fassl Ayinger Bier spediert wurden. Während der Güterverkehr Richtung Aying nach guter Väter Sitte per Nahgüterzügen bedient wurde, war Giesing bereits so etwas wie ein Knotenbahnhof. Mutterbahnhof hat man es damals genannt. Obwohl von München Ost aus nur mit Übergabezügen angefahren, oblag es dem Bf Giesing, die Wagen für die Bahnhöfe Fasangarten und Taufkirchen-Unterhaching zuzustellen. Die dafür prädestinierte BR 897-8 (R 3/3) gibt es leider nur als betagtes Rivarossi-Modell ohne vordere Kupplung. Daher kann diese Aufgabe auch einer 988 oder einer „zugereisten“ ex T 3 auferlegt werden. Als Münchnerin ist ferner die E 80 ideal – Achslastbeschränkungen kennt die Modellbahn ja nicht. Außerdem übernimmt die Rangierlok auch Übergaben nach Taufkirchen, Fasangarten und München Ost. Mit Bedarfs-Übergaben kommt ferner so manche Lokgattung nach Giesing, die dort sonst nicht angetroffen werden kann. Spezialität dieser Anlagenplanung sind aber die beiden Milchzüge aus dem Oberland,
Gleisbedarf Tillig Elite: 85343 - EW1 re 9 Stück 85344 - EW1 li 18 Stück 85396 - EKW2 5 Stück 85390 - DKW2 1 Stück 85125 - Flexgleis Holzschwelle 52,1 m
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Der Plan des Schattenbahnhofs mit möglichen Gleisbelegungen: 1) Umfahrgleis für alle Richtungen 2) Akkutriebwagen München Ost – Deisenhofen – München Ost 3) Personenzug München Ost – Deisenhofen – München Ost 4) Reservegleis oder zweiter Personenzug München Ost – Kreuzstraße 5) Milchzug oder zweiter Personenzug München Ost – Deisenhofen
die von Deisenhofen aus auf die Giesinger Strecke übergehen. Bespannt mit Schlepptenderloks der BR 5416 bringen sie zweimal täglich bis zu vier Milchwagen nach Giesing und München Ost. Werden die für die Monarch-Milchwerke nur vom Zug abgehängt und anschließend von der Rangierlok zugestellt, so sind die Waggons mit den leeren Kannen von der Rangierlok zunächst in das Waaggleis überzustellen. Zur Rückführung ins Oberland stellt sie die Zuglokomotive der Milchzüge dann an der Zugspitze ein. Dieses Prozedere inklusive vereinfachter Bremsprobe muss innerhalb einer Soll-Aufenthaltszeit von nur sechs Minuten ablaufen und ist vorher schon mit teils umfangreichen Rangierbewegungen verbunden. Wer das als Anlagenbetreiber versucht, dem wir es durchaus mal ein paar Schweißperlen auf die Stirn treiben. Zumal ja bei jeder Zug- und Rangierbewegung auch die Schranken an der Giesinger Bahnhofsstraße geschlossen und geöffnet werden müssen ... Nicht von ungefähr liegen die Abstellgleise des verdeckten Bahnhofs vorne und ist die Eingriffhöhe mit 24 cm recht großzügig ge-
Peco Gleis Code 100 für Trambahn: ST-241 - Weiche li 2 Stück ST-247 - Y-Weiche 1 Stück SL-100 - Flexgleis Holzschwelle: 6,2 m
7b 7c
6) Personenzug München Ost – Kreuzstraße – München Ost 7) Ausfahrgleis für Übergabezüge München Ost – Giesing sowie die Nahgüterzüge München Ost – Kreuzstraße und zurück 7a) Aufstellgleis für Übergabe- und Nahgüterzüge 7b + c) Abstellgleise für Güterwagen
wählt: Der Schattenbahnhof kann, wenn man das will, als zweiter Rangier- und Verschiebebahnhof dienen, was natürlich einiges an Handarbeit des Anlagenbedieners erfordert. Für die Milchzüge, Übergangs- und Nahgüterzüge sind dort unten spezielle Gleise vorgesehen. Die Milchzüge benutzen prinzipiell Gleis 5, von wo aus die für München Ost bestimmten Milchwagen recht flott in das angebundene Abstellgleis 5a rangiert und nach imaginärer Entladung auch rasch wieder dem Zugverband zugesetzt werden können. Grundsätzlich machen die Milchzüge im Schattenbahnhof Kopf! Gleiches gilt für die Übergabezüge, für die Gleis 7a am vorderen linken Anlagenrand vorgesehen ist. Auch der tägliche Nahgüterzug nach Aying/Kreuzstraße wird hier gebildet. Gleis 7 selbst dient in erster Linie als Ausfahrund Zerlegegleis für die Übergabe- und Nahgüterzüge. Zum Abstellen der Güterwagen ist weiters eine kleine Gleisharfe (Gleise 7b und 7c) am rechten vorderen Anlagenrand vorgesehen. In der Tat wäre noch ein weiteres separates Aufstellgleis für den Ayinger Nahgüterzug wünschenswert gewesen. Da die Zahl der verbauten Weichen aber ohnehin schon sehr hoch ist, wurde darauf verzichtet. Eine Erweiterung der rechts liegenden Güterwagenabstellgleise scheiterte hingegen schlicht und einfach am fehlenden Platz.
Variationen Anmerkung 1: Der Milchverkehr ist kein Muss. Der Giesinger Bahnhof war mit so vielen Anschließern versehen, dass hinsichtlich diverser Wagengattungen gar keine Langeweile aufkommen kann. Fast alle Gleisanschließer und Lagerplätze erhielten teils täglich oder zumindest mehrmals wöchentlich ihre Waggons gestellt und abgeholt. In erster Linie sei aber nochmals auf das große Dallmayr-Lagerhaus verwiesen, das in unserer gewählten
Epoche neben Kaffee und Tee auch Südfrüchte, Fleisch und Fisch erhielt. Wer mit Milch also partout nichts anfangen kann, der mag sicherlich hier sein Metier finden. Anmerkung 2: Natürlich lässt sich die Anlage ohne weiteres auch L- oder U-förmig sowie als An-der-Wand-lang-Anlage errichten. Vor allem letztere Bauform wäre bauund betriebstechnisch die wesentlich bessere Wahl, doch halt leider nur, wenn man für die Modellbahn ein eigenes Zimmer opfern kann. Ausklang: Wer heute mit der S-Bahn auf der zweigleisig ausgebauten Vorortstrecke von München Ostbahnhof nach Deisenhofen rauscht, wird von der einstigen Atmosphäre nichts, aber auch gar nichts mehr entdecken. Allerorten herrscht Tristesse und wären die schönen Empfangsgebäude von MünchenGiesing und Taufkirchen nicht rechtzeitig unter Denkmalschutz gestellt worden, würde nichts mehr an ihren herrlichen bayerischen Vorstadt- und Lokalbahncharakter erinnern. Außer der Flughafenlinie über Ismaning hat keine andere Bahnstrecke im Münch,ner Raum einen solch radikalen Wandel erfahren. Natürlich alles nur zugunsten einer schnellen, wirtschaftlichen Personenbeförderung. Giesings einstmals so umfangreicher Güterverkehr zu mehr als einem Dutzend Gleisanschließern ist mitsamt dem großzügig bemessenen Ladehof vollstädnig verschwunden – von einer Schrottfirma und der Altpapiersammelstelle mal abgesehen. Der Anschluss zum Lagerhaus der Firma Dallmayr, das bis in die 1990er Jahre hinein regelmäßig Großraumgüterwagen mit Kaffee aus Bremerhaven erhielt, das große Tanklager der BP, die kleine Teer- und Bitumenfabrik am hintersten Gleis des Ladehofes, die Kohlenhandlung, das Fasslager der Fina, Kraftwerk und Lagerhallen der US-Streitkräfte... alles alles passé. ❑ TEXT UND GRAFIKEN: CHRISTIAN GERECHT FOTO: FRIEDRICH KRAFFT, SAMMLUNG BIRKMEIER
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BAHN & MILCH Nach einer dezenten Patinierungskur wirkt Brawas ex-bayrischer Milchwagen auch im Alter von 45 Jahren noch recht gut gepflegt.
Nur ein Hauch von Alter Wagen für den Lebensmitteltransport unterliegen besonderen Pflegebestimmungen. Das galt auch für Milchwagen, selbst wenn deren Fracht zusätzlich in Kannen gefüllt war. Beim Patinieren ist daher Zurückhaltung angebracht. ANDREAS MOCK weiß, wie man altert, ohne ein Modell zu „versiffen“.
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as Vorbild für den Waggon von Brawa war wohl noch bis Ende der 40er Jahre in seinem eigentlichen Einsatzgebiet, der Milchbeförderung, unterwegs. Später wurde er laut Anschrift für den Transport von Stückgut verwendet, was ja durchaus auch Milchkannen umfassen kann. Trotz ihres Alters waren die Wagen als Lebensmitteltransporter gut gepflegt, so beispielsweise das direkte Vorbild des Brawa-Modells, das auf Seite 38 dieser Ausgabe zu sehen ist. Daher sollte man auch bei der Alterung eines solchen Modellfahrzeugs dezent zu Werke gehen. Nachdem der Wagen in die Baugruppen Kasten, Fahrwerk und Dach zerlegt wurde, ist er zum Lackieren bereit. Begonnen wird mit dem Wagenkasten. Um eine Beschädigung oder einer Überlackierung der feinen Beschriftungen zu vermeiden, trägt man eine rein lasierende Patina auf. Sie gewährleistet, dass auch nach der Alterung noch alles zu erkennen ist. Zu diesem Zweck habe ich ein Produkt aus dem Militärmodellbau verwendet, das sich für unseren Fall perfekt eignet: „Dark Wash“ von der Firma Mig Productions ist ein Farbfilter auf Kunstharzbasis, der verbrauchsfertig ge-
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liefert wird. Das extrem kräftig angemischte Washing wird per Pinsel oder Airbrush (Achtung, starker Geruch!) aufgebracht. Bei der ersten Anwendung dieses Mittels kostet es sicher etwas Überwindung, die Arbeit fortzuführen: Die Flüssigkeit deckt ziemlich stark, so dass schnell der Gedanke entsteht, wie man sie bloß vom Modell wieder runterbekommen kann. Doch hält Mig das Gegenmittel „Geruchloses Terpentin“ für die Entfernung von „Dark Wash“ parat. Bevor man sich beider bedient, sollte folgende Vorgehensweise beachtet werden: Wenn „Dark Wash“ aufgetragen ist, entfernt man mit einem terpentinbenetzten Pinsel das Washing überall da, wo später keine oder nur eine leicht Alterung zu sehen sein soll. Dabei schiebt man das Wasing von den Flächen in die Gravuren und um die Erhebungen des Wagens herum. Zwischendrin ist der Pinsel immer wieder auf einem Stück Küchentuch auszuwischen. So wird nach und nach das „Dark Wash“ wieder vom Modell entfernt, womit sich der Alterungsgrad sehr gut bestimmen lässt. Grundsätzlich ist bei der Verwendung des Washing nur eine Regel einzuhalten: Bei ei-
nem Modell mit vielen Details (wie dem Milchwaggon) sollte man das Mittel erst auf der Modelloberfläche durchtrocknen lassen. Dann kann man später beim Entfernen den Effekt des In-die-Ecke-Schiebens noch besser kontrollieren. Weist ein Modell viele glatte Flächen auf (beispielsweise ein Umbauwagen), sollte gleich nach dem Auftragen damit begonnen werden, „Dark Wash“ wieder zu entfernen. Wartet man zu lange, setzt sich das Mittel auf zu großen Flächen fest und ist nur schwer wieder komplett zu entfernen. Zum Patinieren des Dachs wurde das gleiche Produkt verwendet, zusätzlich aber noch in den Tönen „Standard Rust“ und „Light Rust“. Für das Fahrwerk habe ich sparsam Pigmentfarben der Hersteller Mig und Vallejo eingesetzt. Nachdem der Waggon den gewünschten Alterungsgrad erreicht hat, muss er gut durchtrocknen – am besten über Nacht. Als abschließende Arbeit wird alles mit mattem Klarlack von Vallejo versiegelt. ❑ TEXT UND FOTOS: ANDREAS MOCK
Der schachtelfrische Wagen: sehr detailliert, aber viel zu sauber ...
Das fürs Patinieren nötige Material: Farben, Pinsel und eventuell Airbrush.
Das Washing-Mittel von Mig deckt stark, auch auf glatten Flächen.
Terpentin löst das Washing, so dass die Patina nur in den Ecken bleibt.
Das Dach bekommt seine Patina mit der gleichen Technik.
Pulverfarben bringen vorbildgetreue Töne ans schwarze Fahrwerk. –Anzeige –
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Kannen-Cabrio Milchkannen als Ladegut aufzubereiten ist ein eher müheloses Unterfangen: Ein paar davon in die offene Tür eines G 10 geklebt und fertig ist der „Milchkurswagen“. Für alle, denen das zu einfach ist, hat CHRISTIAN GERECHT einen Sonderfall ausgegraben.
ür diese Kannenladung stand die Königlich Bayerische Staatsbahn des späten 19. Jahrhunderts Pate. Mit Fotos belegbar sind solche „offenen Milchkurse“ leider nicht, dennoch braucht man sich nicht zu scheuen, sie ins Modell umzusetzen. Als der Milchzulauf nach München immer größere Dimensionen annahm und die Packwagen der Personenzüge nicht mehr ausreichten, musste gehandelt werden. Niederbordwagen boten die Möglichkeit, dass die Milch in den Kannen durch den Fahrtwind der Abendund Nachtstunden ausreichend gekühlt werden konnte. Eingestellt hat man die Fahrzeuge wie ihre gedeckten Spezialisten-Nachfahren in Personen- und gemischte Züge. Bezweifelt werden darf, dass die Wagen, wie vor ein paar Jahren von MO-Miniatur angeboten, in Kühlwagen-Weiß lackiert waren. Als Grundmodell bietet sich Brawas XWagen an, der nur zurückhaltend zu verwittern ist, da die Wagen der K.Bay.Sts.B. meist recht gepflegt waren. Derzeit gibt es ihn nur beladen mit einem Speditionswagen der Firma Falk & Fey (auf die der aufmerksame Leser in diesem Heft noch einmal stößt). Das Entfernen seiner Verkeilung öffnet zwei unschöne Löcher im Metallboden des Waggons, die man am einfachsten durch einen simplen doppel-
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ten Boden wegtarnt. Er entsteht aus 250 g/m² schwerem Zeichenkarton von 72,5 x 26 mm Zuschnitt. Ich habe den Karton im Mittelgrau verwitterter Bohlenbeläge eingefärbt und drei Tage unter schweren Büchern gepresst. So liegt er plan auf und kann mit den peu à peu herzurichtenden Kannen bestückt werden. Die Kannen – das muss ich zugeben – hat mir dankenswerterweise die Firma Preiser als Sonderposten überlassen, da sie derzeit nur in Szenensets erhältlich sind. Gut detaillierte 40- oder 50-l-Kannen aus Kunststoff fehlen im Zubehörangebot. Die feinen Weißmetallprodukte von Kotol oder Weinert sind prächtig für Laderampen oder Ähnliches, sind für eine Wagenladung aber viel zu schwer und zu teuer. Selbst der kurze Brawa-Wagen fasst 70 Stück davon! Optisch ist Preisers Kannenform leider der Ursprung aus den frühen 70er Jahren deutlich anzumerken, Hand- und Deckelgriffe sucht man vergebens. Ohne größeren Aufwand sind die Kannen nicht zu verbessern, weshalb allein schon wegen der Menge jede Arbeit in dieser Richtung unterblieb. Ein wenig Feinarbeit muss vor dem Beladen aber geleistet werden. Mit einem scharfen Bastelmesser nimmt man vorsichtig den feinen Grat entlang des Deckelrandes ab und
glättet den Gussgrat. Zum Bemalen stellt man die Kannen auf ein mit doppelseitigem Klebeband bestücktes Holzbrettchen. Dann werden sie alufarben lackiert, vorzugsweise mit leicht unterschiedlichen Tönen. Basis bei mir war Revell 99, nicht die beste Farbe, aber leicht zu bekommen. Ist der Lack trocken, beginnt die wirkliche Feinarbeit. Alle Transportkannen waren nämlich mit Blechmarken versehen, worauf nicht nur die abfüllende Milchsammelstelle, sondern auch die Art des Inhalts vermerkt war. Diese Marken nachzubilden käme einer Sisyphus-Arbeit gleich und fällt daher unter den Tisch. Allerdings waren die Kannen jeder Sammelstelle oder Molkerei mit Lackfarbe-Ziffern durchnummeriert, oft in Schwarz. Bevor man sich mit dem Stift über die Winzlinge hermacht, übt man mit einem 0,3-mm-Druckbleistift auf einem Blatt Papier das Kleinschreiben. Hat man den Dreh heraus, wird der Druckbleistift gegen einen schwarzen Edding-Profipen mit 0,1 mm Strichstärke getauscht und das Papier gegen die PreiserKannen. Sorgfältig erhält jede ihre Nummer. Doch Vorsicht, die Profipen-Tinte braucht etwas Zeit zum Trocknen! Dass die Ziffern im Modell etwas zu groß ausfallen, soll nicht weiter stören. Meinen Kannen, die angenomme-
Die letzte Fuhre Kannen rollt an. Der Ladeschaffner ist sichtlich froh, denn damit ist ein Ende der Schinderei in Sicht. LINKS: Materialien und Werkzeuge. RECHTS: Das Lackieren der Milchkannen. RECHTS UNTEN: Alle Kannen sind beziffert und werden bahnamtlich abgesegnet.
FOTOS: CHRISTIAN GERECHT
nermaßen aus dem Oberland Richtung München gehen, habe ich zudem die Abkürzung der abgebenden Sammelstelle angeschrieben: „Hk“ für Holzkirchen, „Mi“ für Miesbach, „Ha“ für Hausham usw. Sind alle Kannen beschriftet, beginnt das Verkleben, am besten mit lösbarem Fotokleber. Freilich muss man nicht unbedingt die gesamte Fläche des Wagens füllen, denn die Kannen wurden ja nach und nach auf Unterwegsbahnhöfen zugeladen. Eine Sicherung gegen Verrutschen braucht das Ladegut nicht, die besorgte das Eigengewicht. Streng genommen blieb die hier vorgestellte Verladeart leider auf wenige Jahre der Epoche I beschränkt. Doch waren in späteren Bahnepochen die gedeckten Milchkurswagen immer gegen kurzfristige Schadensfälle gewappnet? Kaum. Und irgendwie mussten zumindest die leeren Milchkannen ja von den Molkereien wieder zu den Sammelstellen zurückgesandt werden. Natürlich hätte man dafür bevorzugt einen einfachen gedeckten Wagen verwendet. Aber wie es der Teufel manchmal will: Kurzfristig war keiner greifbar – dafür stand eben ein leerer X- oder R-Wagen in der Gegend herum ... Wer es bis jetzt noch nicht wusste: Um Ausreden durfte ein Eisenbahner nie verlegen sein! ❑
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NEUHEITEN ROCO E 03 der DB, H0, Epoche III. Bedruckungsvariante. Modell der jüngsten Vorserien-E 03 im ersten Betriebszustand von 1965. Wird mit tauschbaren Schürzen und geätzten Schildern zum Selbermontieren geliefert. Erhältlich für Gleich- und Wechselstrom.
JOSWOOD.DE Lkw-Waage. H0-Bausatz aus lasergeschnittenem Karton, Epoche III. Fertig bedruckt, sehr passgenau und leicht zu bauen.
RICKO Rolls-Royce Silver Ghost, Formneuheit. Sehr detailliertes Modell für den Bluts- und Geldadel der Goldenen Zwanziger in H0. Vertrieb Busch.
BRAWA Bei der DRG eingestellter Privatwagen der Firma Henkel sowie sächsischer Gedeckter der Epoche I, beides Varianten, beide ungebremst, beide H0. Der Grüne beruht auf einem Museumswagen der Eisenbahnfreunde Aschersleben. 72 • Eisenbahn-Journal 11/2010
LILIPUT Verschlagwagen V Altona der DRG sowie V 23 der DB mit und ohne Bremserhaus (OBEN). LINKS Om 21 der DB mit und ohne Bremserbühne. Formneue H0-Modelle mit angesetzten Griffen, Schlußscheibenhaltern und sauberer mehrfarbiger Bedruckung. Detailfans wird aber die fehlende Abstützung der Federpakete auf den Achslagern stören.
BREKINA Mercedes-Stadtbus O 305 „Wertkauf“ und Ford 20m (P7). Bedruckungs- bzw. Formvariante in H0. Auf Straßen der frühen 70er kaum wegzudenken!
AUHAGEN Bahnhof Wittenburg in TT, Formneuheit. Modell eines existierenden Vorbilds in Mecklenburg. Detailreich und in bester Auhagen-Manier mit sehr fein strukturiertem Ziegelmauerwerk ausgestattet. Ergänzt die bereits lieferbaren Bahnbauten in Backsteinbauweise.
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NEUHEITEN
LILIPUT Packwagen des Typs Pw3 pr11, H0, Epoche II. Variante. Aufwändig detailliert mit vielen angesetzten Teilen, sauber lackiert und bedruckt. Epochengerecht ausgestattet mit seitlichen Griffstangen und durchgehenden Laufbrettern, Ofenrohr sowie Druckbehälter und Kaminchen für die Gasbeleuchtung.
ROCO 118 der DB im beige/türkisen Farbkonzept der Epoche IV, H0. Die letzte Ausführung der Altbau-Schnellzuglok wird in Gleich- und Wechselstromversion angeboten. Für B/T-Fans ein Muss, für die anderen eher eine Geschmacksverirrung.
KIBRI Lanz-Bulldog mit gummibereiftem Anhänger. H0, Epoche III. Früher nur als Bausatz erhältlich, jetzt sauber zusammengeklebt als Fertigmodell.
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LANGMESSER MODELLWELT Silikon-Gussformen für Stützen und Abdecksteine aus Gips, H0. Lieferbar in den Ausführungen „Beton“ (LINKS) und „großer Bruchstein“ (RECHTS) sowie „großer Haustein“ und „kleiner Bruchstein“, jeweils passend zu bereits lieferbaren Gußformen für Mauer- und Arkadenplatten.
MÄRKLIN Güterwagen der Bauart Gl Dresden in drei Ausführungen. Formneuheit, Epoche III. Lieferbar ohne Stirnwandtüren als Typ Gl(r) 22 sowie mit hohen und niedrigen stirnseitigen Türen als Glt(r) 23. Die mit freistehenden Details ausgerüsteten und lupenrein bedruckten Modelle werden in insgesamt 20 Nummernvarianten angeboten.
PREISER Traktor Fahr 177 S mit einachsigem Miststreuer (beladen). H0, Epochen III – IV. Schön detailliertes Modell eines typischen Schleppers der 60er Jahre mit passendem Anhänger.
Fotos und nicht gekennzeichnete Texte: Christoph Kutter
BUSCH Mähdrescher Fortschritt E 514, Epoche IV, Formneuheit. Filigranes Modell, praktisch unverzichtbar für die H0-LPG.
Tobias Pütz, Modellbahnredakteur
Meine Lieblingsneuheit Piko zeigt mit dem gelungenen Modell dieses modernen Regionalbahnfahrzeugs, wie man heutzutage einen vorzüglichen Modelltriebwagen konstruieren kann und trotzdem ein hervorragendes Preis-Leistungs-Verhältnis erzielt. Die unter Einbeziehung der Jacobs-Drehgestelle die Fahrzeugteile verbindende Kuppeltechnik ist eine echte Innovation, die Schule machen sollte!
PIKO Vierteiliger Triebwagen BR 442 „Talent 2“ der DB Regio. Formneuheit, H0, Epoche VI. Modell aus Pikos mittlerer Produktlinie „Expert“ mit erstklassiger Bedruckung, angesetzten Dachdetails und freiem Durchblick quer durch den Fahrgastraum. Lieferbar in Gleich- und Wechselstromausführung.
Geteiltes Jacobs-Gestell als Wagenverbindung
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Ein Stück Münsterland Zugegeben, man kann wirklich nicht behaupten, das Münsterland strotze nur so vor besonders sensationellen und spektakulären Landschaftsformen. Und doch reizte es OLAF LÜTTMANN, den ruhigen und überwiegend landwirtschaftlich geprägten Charakter seiner Heimat wiedererkennbar auf einer Modellbahn umzusetzen.
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ie Gelegenheit dazu ergab sich im vergangenen Jahr beinahe zwangsläufig: Mein Modellbahnverein, der MEC Münster, feierte seinen 60. Geburtstag mit einer großen Ausstellung. Durch meinen Kon-
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takt zum Sportverein des in Münsters Westen liegenden Vororts Mecklenbeck war es gelungen, die dortige Turnhalle als Ausstellungslokal anzumieten. Und was lag näher, als dem Publikum als Zugabe zur fast 90 (Nord-)Modulme-
ter umfassenden Vereinsanlage einen kleinen Landschaftsausschnitt aus der unmittelbaren Umgebung zu präsentieren? Zusätzlich beschloss ich, dieses Projekt zu nutzen, um erste Erfahrungen mit der Steuerung
ANLAGENPORTRÄT
Der im heutigen Zustand nachgebildete Bahnübergang Weseler Straße auf dem linken Modul wird von einem Nahverkehrszug befahren.
kel des „L“ zwei dreigleisige Abstellgruppen vor. Aus den drei vorderen Gleisen („Münster“) beginnt die kurze Reise mit einer 90°-Kurve. Das nun folgende erste ausgestaltete Modul hat die Querung der Weseler Straße zum Thema. Im linken Hintergrund liegt, schräg angeschnitten und zum Teil hinter Bäumen versteckt, das Wohnhaus Duddeyheide 39. Fotodokumente aus den von mir bevorzugten 60er Jahren standen mir leider nicht zur Verfügung, also beschloss ich, den heutigen Zustand des BÜs mit seinen beiden Halbschranken und den fünf Andreaskreuzen inklusive Blinklichtern darzustellen.
In der Mitte Wald und Wiese
einer Modellbahn per Computer zu sammeln. Außerdem wollte ich feststellen, ob das Geoline-Gleis von Roco auch etwas höheren modellbahnerischen Ansprüchen gerecht werden kann. Die Entscheidung für dieses Gleissystem hat einen besonderen Grund: Beim Aufbau der Vereinsanlage fällt immer wieder auf, dass der zeitaufwändigste Arbeitsschritt das präzise Ausrichten der Module untereinander ist. Durch die stabilen Plastiknasen an den Enden des GeolineGleises erhoffte ich mir daher einen deutlichen Zeitgewinn beim Aufbau. Da mir nur etwa ein Jahr bis zur Ausstellung blieb und die übrigen „Kreativ-Kräfte“ des Vereins durch die dringend erforderliche Aufarbeitung der Vereinsanlage gebunden waren, stand natürlich von Anfang an fest, dass meine Mecklenbeck-Anlage nur ein kleines und überschau-
bares Projekt werden würde. Der sicher reizvolle Nachbau des Bahnhofs Mecklenbeck schied also von vornherein aus, aber einige ModulMeter der hier von der Hauptbahn in Richtung Coesfeld abzweigenden „Baumbergebahn“ (KBS 408) sollten es schon sein. Um der Vereinsanlage möglichst wenig Platz wegzunehmen, kam nur die L-Form infrage. So konnte ich mich mit meinen Mecklenbeck-Modulen in eine Ecke der Turnhalle zurückziehen und nahezu der komplette Innenraum der Halle blieb für die Planung des MEC frei.
Ein einfacher Pendelverkehr Für den Fahrbetrieb erschien mir ein einfacher Pendelverkehr für die Ausstellung völlig ausreichend. Dazu sah ich im kleineren Schen-
Den nach rechts anschließenden Modulkasten nenne ich mein „Wald- und Wiesenmodul“. Der zum Betrachter gelegene Bereich vor dem Gleis ist im Vorbild mit einem hohen Eichenund Buchenwald bewachsen. Diesen Wald habe ich natürlich nicht nachgebaut, damit die Strecke auch einsehbar bleibt. Hinter dem Gleis befindet sich ebenfalls ein kleiner Laubwald, der eine Weide mit einigen rotbraunen Kühen einfasst. Ein kleiner Viehunterstand aus Streichhölzern und Furnierstreifen, Kibris Lanz-Bulldog und ein fleißiger Landarbeiter, der einen Zaunpfosten repariert, vervollständigen die Szenerie. Auch wenn heute an dieser Stelle noch immer eine kleine Weide zu finden ist, habe ich mich auf diesem Modul nicht akribisch am Vorbild orientiert. Vielmehr habe ich versucht, das Erscheinungsbild der „Münsterländer Parklandschaft“ einigermaßen authentisch im Modell wiederzugeben. Als dritte und letzte ausgestaltete Modulkiste folgt nun der Bahnübergang Mecklenbecker Straße. An dieser Stelle unterscheidet sich die aktuelle Vorbildsituation durch das dort entstandene Industriegebiet an der Hansalinie sehr stark vom Zustand in den 60er Jahren. Da ich leider auch hier keine Fotografien von damals habe, ist auch dieses Modul keine exakte Nachbildung des damaligen Zustands, sondern der Versuch, persönliche Erinnerungen in einen überzeugenden Gesamteindruck zu verwandeln. Der BÜ war in den 60ern noch mit Kraftfahrzeugen zu befahren. Mittlerweile sorgen aber schon seit vielen Jahren rot-weiße Absperrungen dafür, dass er nur noch zu Fuß überquert werden kann. Wegen des höheren Wiedererkennungswertes habe ich mich entschieden, hier den jetzigen Zustand nachzubauen. Der in unmittelbarer Nachbarschaft des Bahnübergangs liegende Hühnerstall ist nur insoweit vorbildmäßig, als
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Auch ein „Akku“ – Baureihe 515 – passt gut in die Münsterländer Landschaft.
78er im Personenzugdienst mit Umbauwagen. Bis Ende der 60er Jahre ein vertrautes Bild in ganz Deutschland.
Der Bauzug vom großen Bild auf dem Bahnübergang Weseler Straße Hinter dem Haus Dudeyheide 39 rollt eine Köf mit einem Bauzug vorbei.
Die Miete wurde liebevoll nachgestaltet, der Eindruck einer schweren wetterfesten Folie perfekt getroffen.
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Der kleine in Backstein gemauerte Wasserdurchlass ist absolut vorbildgerecht wiedergegeben.
RECHTS AUSSEN: Typisch Epoche IV – eine ozeanblaubeige 212 zieht den Nahgüterzug.
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Der Gleisplan der Module ist denkbar einfach gehalten: Ein durchgehendes Streckengleis endet beidseitig in einer Gleisharfe, ungefähr in der Mitte gibt es zusätzlich eine Ausweichstelle.
Die Rastnasen des Geoline-Gleises ermöglichen ein schnelles Positionieren der Module.
Die drei durchgestalteten Module wurden im Garten zum Fotografieren bei Tageslicht aufgestellt.
ich mich erinnere, dass hier vor 40 Jahren ein ähnliches Gebäude gestanden hat. Über das genaue Aussehen habe ich nichts in Erfahrung bringen können. Dem Stall folgen eine kleine Feldmiete und ein Kartoffelacker. Beide hat es an dieser Stelle nie gegeben, wirken aber, wie ich finde, durchaus glaubwürdig. Absolut authentisch dagegen ist der kleine Bachdurchlass an rechten Modulrand. Hier endet der ausgestaltete Teil der Anlage und es folgt eine Kiste mit einer Kehrschleife. Anschließend wird die Strecke mit einem Überhol- bzw. Kreuzungsgleis („Havixbeck“) hinter einer als Sichtblende dienenden Kulisse wieder zurückgeführt. Nach einer weiteren 90°-Kurve werden die hinteren drei Gleise des Abstellbahnhofs („Coesfeld“) erreicht.
Fahrbetrieb per PC-Steuerung Der Fahrbetrieb erfolgt, wie schon erwähnt, über eine PC-Steuerung. Als absoluter Neuling in dieser Materie habe ich mich für die recht preiswerte Lösung aus dem Hause Roco entschieden. Die Software Rocomotion ist eine abgespeckte Version des Traincontrollers von Freiwald, ein späteres Upgrade auf die Vollversion sollte also ohne große Probleme möglich sein. Nach der Lektüre des Handbuchs war das Anlegen des Gleisplans und die Einrichtung der erforderlichen Blöcke in den Abstellgruppen und den beiden Überholgleisen ein Kinderspiel. Pro Block wurden zwei Melder in Form von Reedkontakten in die GeoLine-Gleise eingebaut, die durch kleine Magneten an beiden Enden eines Zuges ausgelöst werden. Der in Fahrtrichtung jeweils erste Melder leitet das sanfte Abbremsen ein, am zweiten bleibt der Zug punktgenau stehen. Dazu ist ein exaktes „Ein80 • Eisenbahn-Journal 11/2010
messen“ jeder einzelnen Lok erforderlich, damit die unterschiedlichen Motoren und Getriebe im Betrieb ein identisches Verhalten an den Tag legen. Auch diese Prozedur gelang dank der Beschreibung reibungslos. Die acht Weichen der Anlage werden zuverlässig über Weichendecoder von Littfinski geschaltet.
Flotter Aufbau Rechtzeitig zur Jubiläumsausstellung am Wochenende des 3. Advents 2009 war alles fertig. Donnerstags am späten Nachmittag begann der Aufbau und hier bewährten sich nun meine GeoLine-Gleise an den Modulübergängen – selbst die Verbindung der sechs Gleise auf den beiden Modulen der Abstellbahnhöfe ging flott von der Hand. Vom ersten Betreten der Turnhalle in Mecklenbeck bis zum Fahrbetrieb benötigte ich exakt 45 Minuten! Ich hatte zwei verschiedene Fahrpläne für die Ausstellung angefertigt. Wenn wenig Zeit war, liefen sechs Triebwagen und Wendezug-Garnituren im endlosen Pendelverkehr zwischen Münster und Coesfeld. Dank der Überholmöglichkeit hinter der Rückwand war für eine ausreichende (wenn auch nicht vorbildmäßige) Zugdichte gesorgt. Hatte ich mehr Zeit, konnte der Pendelverkehr auf die jeweils äußeren Gleise der beiden Abstellgruppen beschränkt werden. Auf den beiden inneren Gleisen pendelte dann ein manuell gesteuerter Güterzug, wobei nach jeder Fahrt eine auf den beiden Gleisstummeln am Ende der Abstellgleise wartende neue Lok den Zug übernahm. Etliche „alte Hasen“ hatten mich in Vorfeld nachdrücklich davor gewarnt, meine Blöcke über Reedkontakte zu kontrollieren, anstatt Stromverbraucher in den Blöcken festzustellen und zum Auslösen der benötigten Funktionen
zu benutzen. Ich habe meine Entscheidung jedoch nicht bereut, da die Anlage während der gesamten Ausstellung von Donnerstag bis zum Sonntagabend zuverlässig und präzise funktionierte. Insgesamt bin ich recht angetan von den Möglichkeiten, die ein rechnergesteuerter Anlagenbetrieb eröffnet, auch wenn der elektronische Fahrdienstleiter für mich immer nur ergänzendes Mittel zum Zweck bleiben wird. Es reifen schon Pläne, meine stationäre Anlage, auf der ich zwar digital fahre, aber analog schalte, ebenfalls umzustellen. Da das nachträgliche Einrichten der erforderlichen Blöcke nicht so einfach wird, wird aus dem Projekt wohl fast ein kompletter Neubau, von dem zu gegebener Zeit zu berichten sein wird ... TEXT U. FOTOS: OLAF LÜTTMANN
Olaf Lüttmanns Module wurden von den Besuchern des Internetportals Mymocom beim Wettbewerb um den „Mymocom-Cup“ auf den 12. Platz gewählt. Das Eisenbahn-Journal ist einer der Medienpartner von Mymocom.
(Füllseite)
ANLAGENBAU-SERIE • FOLGE 3: BRÜCKEN UND TUNNELS
Richtig drüber und drunter Überdimensionierte Viadukte und „Schweizer-Käse“-Berge sind Gift für das Aussehen einer ModellLandschaft. In dieser Folge seiner Serie zeigt Anlagenbau-Profi KARL GEBELE, worauf es beim Platzieren von Brücken und Tunnels ankommt und wie man sich helfen kann, wenn es kein passendes Industrieprodukt zu kaufen gibt.
B
rücken gehören parktisch zwingend auf eine Modellbahnanlage – und sei es nur in Form einer Bach- oder Feldwegüberführung. Sie sind praktisch immer ein Hingucker, der jeden Betrachter in seinen Bann zieht. Bestes Beispiel sind die Fotos in den EJ-Publikationen, wo überproportional oft ein Zug mit Brücke abgebildet ist. Oder beobachten Sie einmal die vielen Fotografen auf Modellbahnausstellungen: Begehrteste Motive sind Brücken, über die gerade eine Zuggarnitur rollt. Erfreulicherweise bietet die Zubehörindustrie für die meisten Situationen passende Bauwerke an. Die Betonung liegt auf „die meisten“. Denn die Industrieprodukte sind nur für gerade Strecken und kleine Festradien geeignet. Wer seine Gleise individuell verlegen will – beispielsweise mit Flexgleis – oder Radien über 43 cm verwendet, muss basteln. Auch auf die drei der vier Brücken dieser Anlage traf das zu. Damit ein realistischer Gesamteindruck entsteht, sind Brücken ganz in ihre Umgebung einzubinden. Nur dann werden sie zum Blickfang. Das gilt nicht nur für die von mir gebauten Ausstellungsanlagen, sondern ebenso für jedes Privatprojekt. Entsprechend früh – nämlich bereits im Zuge der ersten Planungsphase – habe ich daher eine erste Wunschaus-
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wahl benötigter Brücken getroffen. Besorgt wurden die Bausätze aber erst, nachdem die Gleistrasse komplett fertig war. Erst dann sieht man, ob die Wunschbrücke wirklich passt, ob man vielleicht aus optischen Gründen besser einen anderen Typ wählen sollte oder ob man sich vielleicht auch mit der Durchfahrtshöhe verschätzt hat. Wo Brücken unvermeidbar waren, habe ich das Trassenbrett vorsorglich ausgespart. Aus der Schachtel zusammengebaut zu verwenden war nur eine kleine Fahrwerkträgerbrücke, auf der die Hauptstrecke im rechten Anlagenteil den Bach quert. Die Trasse verläuft hier in der Geraden, so dass lediglich die Brückenköpfe aus Resten von Nochs Hartschaum-Brückenpfeiler neu zu bauen waren. Später wurde das Bauwerk allerdings gegen eine Stahlträgerbrücke getauscht, da ich die Fachwerkträger zum Bau einer anderen Brücke brauchte. Ganz anders bei der linken Flussquerung. Sie liegt in einem Bogen mit Gleisradius R2/ R3 (43,7 bzw. 51,5 cm). Alles Mögliche an Brücken ist erhältlich, aber keine für R3! Also musste ich eine Kibri-Steinbogenbrücke anpassen. Da ich mangels Platz nur zwei der drei Durchlässe brauchte, habe ich die Seiten aufgetrennt und passend neu zusammenfügt. Von der nicht benötigten (weil durch das Tras-
senbrett ersetzten) Fahrbahn wurden die seitlichen Steinreihen abgesägt, da die Nut dort den gekürzten Seiten Halt gibt. Nachdem das Trassenbrett dem besseren Aussehen halber noch schmaler gesägt worden war, konnten die Brückenteile mit Heißkleber befestigt werden. Wo nötig, habe ich aus Stabilitätsgründen Sperrholzstücke eingeleimt. Etwas Kopfzerbrechen bereitete kurzzeitig die obere der beiden Brücken, mit der die Nebenbahn die Paradestrecke quert. Hier lag das Problem darin, dass das Nebenbahngleis teils in der Geraden und teils im Bogen liegt. Wegen der darunter verlaufenden Gleise war es nicht möglich, einen Stützpfeiler einzubauen. Einfach wäre gewesen, auf die Brücke zu verzichten und den Tunnel der Paradestrecke zu verlängern. Aber eine Paradestrecke sollte eben möglichst lang sein. Die Lösung bildete die Kombination von drei Bausätzen: je eine gerade und gebogene Brückenfahrbahn von Noch sowie Seitensegmente der Blechträgerbrücke von Auhagen. Wie es der Zufall wollte, passen sie genau zwischen die unteren Längsträger der Noch-Brücke. Nur wenige Zuschnitte waren notwendig, vor allem auf der Innenseite der Segmente. Fast wie beim Original habe ich die Brücke an Ort und Stelle Stück für Stück zusammengesetzt und direkt in die Trasse eingebaut.
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Mit zwei niedrigen Bögen führt die Steinbrücke die Bahntrase über den kleinen Fluss. Alles wirkt, als ob es nicht anders sein könnte – harmonisch eben. Um beim Betrachter einen solchen Eindruck zu erzielen, ist allerdings etwas Fleiß vonnöten. Fleiß, der sich lohnt.
Brücken für Kurvenstrecken gibt es nur bis 43 cm Radius. Die Fahrbahnteile des Kibri-Bausatzes werden daher durch das Trassenbrett ersetzt.
Die Seitenstreifen der ursprünglichen Brückenfahrbahn wurden abgesägt, um den neu zusammengestellten Seitenteilen in der Nut Halt zu geben.
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Da nur eine zweibogige Brücke Platz finden konnte, wurde das KibriSeitenteil zersägt und neu zusammengesetzt.
Eines der zwei gekürzten Seitenteile. Die Auskleidung der Brückenbögen mit den Originalteilen ist kein Problem, da die Höhe passt.
Damit die Brücke nicht zu breit wird, wurde das Trassenbrett auf beiden Seiten mit der Stichsäge verjüngt.
Die Seitenteile sind eingefügt. Kleine Sperrholzstücke sorgen für einen stabilen Stand.
Ein Blick von der anderen Seite. Die Gewölbe unter den Bögen wurden mit Stücken des dritten Gewölbes verbreitert.
Die später ersetzte Fachwerkträgerbrücke wird in die Hauptbahntrasse eingepasst: Zunächst markiert man ihre Länge mit Bleistiftstrichen.
Dann leimt man zwei zusätzliche Stützen ein und sägt das Trassenstück dazwischen heraus.
Wurde genau gearbeitet, passt die Brücke exakt in die Lücke. Nach dem Verlegen der Gleise wird sie von unten eingeschoben.
Aus Resten von Mauerwerksplatten aus Hartschaum entstehen die Widerlager.
Brücken-Kitbashing: Für die obere der zwei Nebenstreckenbrücken konnten drei Bausätze von Noch und Auhagen kombiniert werden.
weiter auf Seite 87 Eisenbahn-Journal 11/2010
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unnels! Kaum einen Modellbahner kenne ich, der seine Anlage ohne Tunnel baut. Unbestritten: Tunnels haben ihre Berechtigung. Doch wenn sie geplant werden sollten sie eine glaubwürdige Bedeutung haben, sowie geschickt und realistisch in die Landschaft integriert werden. Für mich sind in erster Linie zwei Motive ausschlaggebend, warum ich einen Tunnel plane: Wichtigster Grund ist, dass die von mir gebauten Modellbahnanlagen mit 110 bis 130 cm Tiefe relativ schmal sind. Zwangsläufig muss ich enge Gleisradien verwenden, die sich durch Tunnels wegtarnen lassen. Zum Zweiten verlängere ich künstlich die Fahrzeit der Züge, indem ich sie für einige Zeit aus dem Blickfeld der Betrachter verschwinden lasse. Befindet sich im Tunnel zudem ein Schattenbahnhof, so kommt nicht gleich wieder derselbe Zug aus dem Tunnel heraus, sondern ein ganz anderer. Und schon wird man als Zuschauer neugierig und verfolgt jeden Zug mit Argusaugen, um die Gleisführung zu entschlüsseln. Mit etwas Geschick kann ein Tunnel selbst Kleinstanlagen mit nur einem Gleiskringel den Spielbahneffekt nehmen. Kurz: Auf Modellbahnanlagen kommt man um Tunnels und die dafür notwendigen Portale kaum herum. Gravierendster gestalterischer Fehler währe es freilich, wenn ein Berg nur dazu in eine Anlage gesetzt würde, um ein Gleis durchlegen zu können. Wie Brücken sind auch Tunnels überlegt zu bauen, damit sie „richtig“ wirken. ❑
TEXT UND FOTOS: KARL GEBELE
Tunnelportale gibt es viele. Die Hartschaum-Produkte von Noch passen gut zu den entsprechenden Mauerplatten, sind leicht und sehr stabil.
Hinter dem Portal muss eine Tunnelröhre eingefügt werden, da sonst der Unterbau sichtbar bleibt. Hier wird dazu das Trassenbrett verbreitert.
Zur Verkleidung der Röhre eignet sich schwarzes Tonpapier oder Mauerkarton. Edler ist dieses vorgeformte Stück Hartschaumwand von Noch.
Bevor die Tunnelröhre festgeklebt werden kann, ist mit dem längsten Fahrzeug zu testen, ob dieses auch wirklich nicht aneckt.
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Auch hier tut farbliche Überarbeitung gut. Etwas Acryl-Farbspray drauf, und schon wirkt das Tunnelinnere wie von 10 000 Dampfloks verrußt!
Die Schienenköpfe (und bei Märklin-Gleis auch die Punktkontakte) sind danach gründlich zu säubern.
Das Ergebnis: ein „schwarzes Loch“. Dass die Röhre nach 20 cm endet, sieht man später nicht mehr, wenn die Landschaft für Dunkelheit sorgt.
Im linken Anlagenteil musste das Tunnelportal komplett gestückelt werden. Als Erstes entstand eine Rückwand aus Auhagen-Platten.
Dann wurden – in der umgekehrten Vorgehensweise wie oben gezeigt – die Gleise schwarz gespritzt. Anschließend wurde das Trassenbrett verbreitert.
Das Portal selbst ist eine Mischung aus Noch-Hartschaumplatten, dem Rest einer Brücke und Holzstückchen. Farblich angepasst, in die Umgebung eingebettet und mit Pflanzen bewachsen, erscheint das Stückwerk-Portal wie aus einem Guss.
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In der vierten Folge der Serie „Von der Messe ins Wohnzimmer“ geht es um die Elektrik. Sie wird in EJ 12/2010 erscheinen. Folge 1 (EJ 9/2010) zeigte Planung, Gleispläne sowie Stücklisten für C-Gleis von Märklin und Trix. Folge 2 (EJ 10/2010) beschäftigte sich mit dem Unter- und Trassenbau.
Wegen des großen Interesses auf den Ausstellungen in Fürth und Leipzig zeigt Liliput die Anlage jetzt zusätzlich auf der ModellbahnAusstellung in Köln vom 18. bis 21. November.
VORSCHAU
Eisenbahn-Journal
Eisenbahn -Journal 12/2010
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Außerdem sind folgende Themen geplant: • Bw-Porträt: Seesen • Impressionen: Hauptstrecken-Romantik • Serie „Modellbahn von oben“: Wagendächer perfekt patinieren • Gebäudebau: Epoche-III-Relikt Dorfkühlhaus
EJ 12/10 erscheint am 23. November 2010 106 • Eisenbahn-Journal 11/2010
FOTOS: JÜRGEN NELKENBRECHER, KLAUS FISCHER
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